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Das Tischtuchgespenst

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08.06.20 18:20
Fertiggestellt

Wer von euch hat nicht schon einmal von Gespenstern gehört oder gelesen? Die in alten Ruinen spuken und manchmal sogar hausen, durch Wände gehen und ein weißes Leintuch über dem Kopf tragen um ihre tote hässliche Gestalt zu verbergen. Wohl jeder, dürfte die einzige der Wahrheit entsprechende Antwort sein und ich gestehe; das überrascht mich überhaupt nicht. Ich bin eines dieser Gespenster und wurde 1684 von meinem großen Bruder, Eugen von Haselbröck, wegen meines Erbteiles erschlagen, bevor er selbst versehentlich den Tod im Burggraben fand. Ich bin das Schloß- oder besser Burggespenst von Burg Haselbröck. Doch leider nicht ganz so vielversprechend und begabt als solches wie die bereits erwähnten und bekannten Kollegen. Ich bin ein Tischtuchgespenst und werde daher von den meisten anderen Gespenstern nicht ernst, von manchen sogar nicht für voll genommen. Trödi ist mein Name. Ich weis es klingt ein wenig seltsam und irgendwie ist mir dieser Name auch peinlich - doch so heiß ich nun mal; das aber nur weil auf meinem Laken, das eigentlich ja ein Tischtuch ist, ooh - das sagte ich schon, irgendwie, früher, alte Tassen und altes billiges Geschirr stand - Trödel eben. Dieses Trödeltischtuch gab mir den Namen und machte mich zum ersten Tischtuchgespenst dieses Planeten. Was ist ein Gespenst, oder in meinem Fall ein Tischtuchgespenst? Das ist eine gute Frage und ich bin froh das ich sie selbst gestellt habe.

Ein Gespenst - oder ich, ist eine Seele die in der Dimension zwischen Jenseits und dem uns bekannten Leben festhängt. Das heißt, es ist weder lebendig und Teil des Lebens, noch tot; damit wäre auch schon fast die weitgehend bekannte Eigenschaft aller Gespenster, das durch massive Wände gehen, erklärt. Stellen sie sich ein Gespenst wie Wasserdampf vor, man sieht ihn und doch kommt er fast durch jede Ritze. So ähnlich ist das mit den Gespenstern - oder mir; nur das wir nicht aus Dampf bestehen sondern aus Seelenmaterie, die zwischen der Atmosphäre ( dem Leben nach dem Tod oder Jenseits ) und dem Topfboden ( Leben auf der Erde) im nichts festsitzt, weil jemand vergessen hat den Topfdeckel zu lüften. In meinem Fall besteht der Topfdeckel ( der Fluch ), um beim Bild zu bleiben, in der Tatsache das ich meinem Bruder ( dem Burschen der mich erschlug - ich erwähnte es schon ) ohne es gewollt zu haben ( ich lag tot und erschlagen auf der Burgmauer ) dazu verhalf über mich in den Burggraben zu stürzen, dieser hatte auf der Flucht meine Anwesenheit dort erst vergessen und dann übersehn. Dazu kann man nur sagen „dumm gelaufen“, oder besser „saublöd“, leider schützt Tod sein vor Unheil nicht. Nur so nebenbei; es ist im übrigen eine tolle und schräge Sache weswegen die meisten Geister Gespenster sind. Meine Geschichte ist da in manchen Fällen direkt harmlos, im Vergleich zum Unglück von so manchem und mancher anderen. Sachen gibt es da. Nur ein paar. Durchschuss mit zwei toten, beim Angeln ertrunken, vom Blitz getroffen beim Vertragsabschluss ( Händeschütteln ), schlechtes Vorbild für Selbstmörder, Mann ans Kreuz gebracht durch dummen Witz, beim Mauern den Ausgang übersehn, Rauchen im Luftschiff vor Lakehurst, Tresorraum hinter sich zugezogen, Mehl und Giftsack verwechselt, Tandemsprung ohne Schirm. Die Liste der Geschichten die mir schon zu Ohren gekommen sind in den letzten 300 Jahren, ist unendlich. Nun aber zu einer anderen Sache. Der nämlich mit meinem Tischtuchdasein. Leintücher gibt es auf Schloss Haselbröck ebenso, wie auf jedem anderen anwesen. Doch Waschtag am Todestag und eingelaufene Bettwäsche ist schon etwas besonderes. Ich war eben vom Tode im Nichts erwacht, als ich vom Poltergeist der Burg die Nachricht bekam das alle Leintücher der Burg beim Waschen eingelaufen waren. Diese wurden verbrannt um den Fehler zu vertuschen. Nun befand ich mich in der misslichen Lage der seelischen Nacktheit und vollkommenen Blöße durch Ermordung. Ich hatte keine andere Wahl, ehe ich vor den Gespensterrat geführt wurde, als eines dieser Thronsaaltischtücher zu meinem Leintuch zu machen. Ich bin Gott sei dank klein gewachsen und so fiel diese Notlösung erst gar nicht auf. Doch als ich in Begleitung des Poltergeistes vor den Gespensterrat geführt wurde - zur Festlegung meiner zukünftigen Aufgabe und Bestimmung, wurde ich von allen Seiten begutachtet. Es dauerte daraufhin nicht lange und aus dem neuen Gespenst wurde der verspottetet Nr. 1, im Nichts der schuldigen Seelen und Kreaturen mit Gewissenskonflikten.

Man hat es nicht leicht als Tischtuchgespenst, das kann ich dir sagen. Jeder spottet über einen oder schaut einen zumindest schräg an. Mit der Zeit allerdings habe ich mich daran gewöhnt und höre den Spott schon fast nicht mehr. Oder besser ich höre nicht mehr hin. Ich höre dich schon fragen, warum ich das Tischtuch nicht inzwischen einfach mit einem Bettlaken getauscht habe. Das geht leider nicht so einfach - Geistergesetz. Jeder Geist ist an sein gewähltes Laken gebunden. Zudem besteht der Gespensterrat aus finsteren Gesellen die keine noch so notwendige Ausnahme dulden. Geistergesetz ist Geistergesetz heißt es dann nur. So friste ich meinen Alltag als Tischtuchgespenst. Es war an einem Mittwoch als mir etwas sonderbares passierte. Ich war gerade am Spuken im oberen Stockwerk des Schlosses, als mir ein verängstigtes Nachtgespenst entgegenkam und Fluchtartig in einer der Mauern neben mir verschwand. „Was war den dem begegnet“, fragte ich mich und spukte auf meinen gewohnten Bahnen weiter. „Vielleicht hatte er sein eigenes Spiegelbild gesehen“, scherzte ich mit mir selber. Als ich am Ende des Ganges anlangte und durch die Mauer glitt, hörte ich vor mir plötzlich Stimmen. Nanu, das war aber seltsam. Normalerweise begegneten mir auf meiner gewählten Spuktour nie irgend welche Menschen, ich hatte sie extra so gewählt das ich niemandem begegnen konnte. Ich glitt durch die Wand und vor mir, hinter einem Vorhang, schwebten drei Gespenster. Mitglieder des Geisterrates - wie ich nach einigen prüfenden Blicken ausmachte. Finstere Gesellen mit schweren Verbrechen, ich kannte sie. Was wollten sie hier? Ich beobachtete das treiben aus sicherer Entfernung hinter dem Vorhang verborgen. Sie schienen sich zu streiten. Plötzlich brach einer aus der Gruppe aus und schwebte hastig an mir vorbei, rief noch kurz: „Ich mach da nicht mit.“ Und verschwand durch die Wand. Die restlichen zwei blieben zurück und zogen sich erst nach einer weiteren leisen Beratung zurück. Ich wusste nicht wessen ich eben Zeuge geworden war aber es kam mir spanisch vor. Geisterratsmitglieder die sich heimlich im verborgenen trafen und miteinander stritten. Da stimmte etwas nicht. Das stank nach Verrat oder schlimmerem.

Mein Verdacht erhärtete sich Tage darauf, als ein großes Geisterratstreffen kurzfristig anberaumt wurde. Das Thema wurde streng vor allen Geistern im Schloss geheim gehalten. Weil Gespenster und Geister nie schlafen, ist so eine Sitzung meist schnell anberaumt und schnell vollzogen. So war es auch dieses mal. Schon am folgenden Tag wurde der Inhalt der Sitzung den Geistern und Schlossgespenstern von Schloss Haselbröck mitgeteilt. Ein Gespenst wurde vermisst. Das selbe das ich noch Tage zuvor entsetzt aus dem Gang hatte schweben sehen. Was hatte es nur mit angesehen oder erlebt? Hätte ich es doch nur gefragt statt über es heimlich zu spotten. Es vergingen viele Tage in denen ich oft über das verschwundene Gespenst nachdachte. Ich fragte mich was wohl mit ihm geschehen war. Im Grunde kann ein Gespenst einem Gespenst nichts antun und doch gibt es eben stärkere und schwächere Gespenster. Manche klappern nur mit ihren Ketten und sind garnicht gefährlich andere tun nichts und könnten schlimmer und boshafter nicht sein. Wie bei den lebenden eben auch. So vergingen die Tage, Wochen zogen schon wieder ins Land als wieder neue Geschehnisse das Schloss Haselbröck erschütterten. Ich war gerade auf dem Weg in den Keller und dessen Gewölbe und schwebte so vor mich hin als ich ein Klopfen an der Wand vernahm. Da waren Ziegelsteine und eine alte Tür wie es schien und alles erschien schon eine Weile gemauert worden zu sein. Doch das täuschte wohl. Ich lockerte mit meinem Tuchrand einen der oberen Steine und was fand sich dahinter - Ein Gang. Ein alter zugemauerter Kellergang. Ich löste weitere Steine so dass ich Durchschweben konnte an einer freien freigelegten Stelle. Die Wand war dick müsst ihr wissen; und durch Wände schweben geht zwar für Gespenster üblicherweise, aber mit dieser Wand war das aus ungewöhnlichem, mir damals noch unbekanntem Grund, nicht machbar. Das weckte ja eben meine Neugier neben dem Klopfen. Ich zog also die Steine aus dem Mauerwerk - wickelte mich rund und zwengte mich hindurch. Da war ich nun. Ein alter Schlosskellerraum lag vor mir und keine zehn Meter vor mir schwebte; nun wer - ihr habt es sicher schon erraten. Das verschwundene Gespenst. Die Mauer war verflucht worden von jemandem und darin lag auch der Grund des nicht hindurch schweben können`s. Das alles berichtete mir das Gespenst. Doch nun halte dich fest. Der Vorsitzende des Geisterrates war dafür verantwortlich gewesen. Es roch nach Verschwörung. Schloss Haselbröck war in Gefahr und ich in diesem Fall auch. Ich kümmerte mich erst mal um das verängstigte Gespenst und zu guter Letzt hörte ich mir seine ganze traurige Geschichte an. Es war verschleppt worden, nachdem es den Raum des geheimen Ratsherrentreffen fluchtartig verlassen hatte. Zum Schweigen eingemauert hinter einer verfluchte Ziegelmauer sollte es dort sein langes Dasein fristen. Es hatte wie ich dem geheimen Treffen gelauscht - war aber entdeckt worden; und nachdem es geflüchtet war hatte ich es kurz, wie beschrieben, im Gang noch gesehen. Das war also der Grund für sein Entsetztes Gesicht. Doch was hatte es gehört? Es ging um folgendes im Ganzen.

Der Geisterratvorsitzende war seines Daseins leid, und was noch schlimmer war, auch dessen seiner Mitgeister. Er hatte mit einem weiteren Ratsmitglied etwas ausgebufftes ausgebufft. So waren überall in Burg Haselbröck fallen für die Mitgeister angebracht worden die in der nächsten Nacht ihr Opfer suchen sollten. Da war guter Rat teuer. Ich hätte mich an den Geisterrat wenden können, aber mit welchem Ergebnis? Gelächter, Hohn und Spot ernten. Das war die Sache wohl wert und so beschloss ich nachdem ich das Gespenst aus seinem Gefängnis befreit hatte den Obersten Turm von Burg Haselbröck aufzusuchen. Dort saß der Rat meist zu Tisch. Ich kannte einige der Mitglieder wenn sie auch über mich gespottet hatten. So ging ich des Abends dort hin. ,,Huuuuhuuuh, und gute Nacht“, grüßte ich freundlich nachdem ich durch die Tür geschwebt war. Die Ratsmitglieder schauten mich an. Natürlich lachten sie wieder, dann fragten sie: ,,Na Trödi Trödeltuch“, rief einer von ihnen was können wir für dich tun? Er verkniff sich ein lautes Lachen. ,,Ich komme nicht des Spottes hier wegen, sondern um eine Ratsmitgliederverschwörung aufzudecken und anzuklagen“, rief ich von mir selbst überzeugt. ,,Das sind ernste Anschuldigungen“, sprach eines der Mitglieder und drehte seinen Kopf um 180°. ,,Das sind es ich weiß, aber ich kann`s beweisen. Ich habe einen Zeugen. Das vermisste Gespenst. Ich habe es hinter einer verfluchten Mauer gefunden und befreit. ,,Eine verfluchte Mauer?“, die Mitglieder horchten besorgt auf. ,,Es sollen überall Fallen vom Ratsoberhaupt und einem andern aufgestellt worden sein“, schloss ich. ,,Und wo ist das Gespenst“, fragte ein anderes Kopfloses Tafelmitglied. ,,Ich habe es versteckt“. Und das hatte ich, im Weinkeller in einem leeren Fass. Ich war auf Nummersicher gegangen. ,,Das ist sehr bedauerlich“, sagte der letzte Sprecher. ,,Bedauerlich“, fragte ich. ,,Ja bedauerlich“. ,,Wir alle haben die Fallen bemerkt, aber nicht den Steller. Es kann nur ein anderer gewesen sein. ,,Das stimmt nicht“, rief ich - aber sie glaubten mir nicht. Ich war in ihren Augen nur eine schwache Seele mit zu wenig Beweisen. Plötzlich überkam mich ein Anflug von Heldenmut und innerer Kraft und ich erzählte ihnen von der Sache mit den zwei Ratsmitglieder. Dann deutete ich auf den einen - ein gerüsteter Ritter. ,,Was, du verpetzt mich - du wagst es“. Die anderen Mitglieder horchten auf als er aus der Haut fuhr. ,,Ääh ja, das tue ich. Du hast mit dem Ratsoberhaupt konspiriert und ich weiss es genau. Er wollte sich auf mich stürzen doch ein anderer hielt ihn zurück. ,,Dann stimmt es also doch“, sagte der zweite Vorsitzende, ein Lakengespenst mit viel Erfahrung. ,,Du hälst dich zurück, und wir werden die Sache nun doch prüfen. Bis dahin seit ihr unter der verfluchten Eingangstreppe eingesperrt. Der Ratsoberhaupt wurde abgeführt und sein Komplize. Ich war erleichtert.

Nun, so ging das ganze schnell doch gut aus. Ich bekam die Chance das inzwischen mit Konjak abgefüllte Gespenst vorzustellen im Weinkeller und es berichtete seine traurige und ernste Geschichte den anderen, wenn auch etwas beschwipst und mit leichter Fahne, am selben Tag noch. Es war so vielleicht ganz gut. Die Sache wurde festgehalten, die Schuldigen auch und die gefährlichen Fallen gefunden. Soweit so gut werdet ihr sagen, oder zumindest denken. Doch etwas anderes wurde noch getan. Ich wurde gelobt, mit Auszeichnungen wie dem Todbringenden Rosendornorden geehrt. Eine sehr hohe Auszeichnung übrigend`s und ich bekam die Chance auf ein Leintuch. Doch das wollte ich nicht. Ich bin und war wer ich war, auch als Tischtuchgespenst und das wurde mir dann um so mehr bewusst als ich es zu verlieren im Stande war. So nahm ich das Angebot eines Wechsellakens an, das war nämlich auch möglich, und wenn ich nicht noch weiter Spuke bin ich nun sicher erlöst. Das ist und war meine Geschichte, sie ist klein, sie ist nett und ich hoffe sie hat etwas gefallen und unterhalten.

,,Huhuuhuuh“.

Text und Coverbild:

 

2017-2020 © Simon Käßheimer

Autorennotiz

Alle Rechte an Text und Illustration liegen beim Autor Simon Käßheimer

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Kapitel: 7
Sätze: 159
Wörter: 2.308
Zeichen: 13.824

Kurzbeschreibung

Ein kleines Spätmitternachtsabenteuer. Um 6:00Uhr ist Schluß. ;)

Kategorisierung

Diese Story wird neben Abenteuer auch im Genre Vermischtes gelistet.