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Ismaels Sicht
Konzentriert schnipple ich das Gemüse. Es ist angenehm ruhig. Die
einzigen Geräusche machen mein Messer und das leise summen aus meinem Mund. Ich
weiss nicht mal was es ist, kein Song, keine Klavier Melodie, ich summe einfach
das was mir grad einfällt. So ruhig ist es selten im Haus. Obwohl wir Kinder
schon alle mehr oder weniger erwachsen sind. Manchmal sind wir aber echt kindisch,
mich eingeschlossen. Man müsste meinen meine zwei älteren Geschwister sollten
inzwischen erwachsen geworden sein, immerhin sind sie 24 und 28, aber nein. Das
wäre ja langweilig. Oder normal.
Ich spüre eine angenehme Müdigkeit vom Kampfsporttraining mit dem
Rudel heute Nachmittag. Leider mussten wir heute schon wieder boxen, nur haben
wir, zu meinem Glück danach noch ein wenig Judo gemacht was ich deutlich mehr
mag. Es war anstrengend, aber ich habe viel gelernt. Am Freitag, nach diesen
vielen Stunden Kampfsport bin ich meistens ziemlich ausgelaugt und nehme
erstmal eine heisse Dusche. Danach koche ich immer für meine Familie, da ich am
Freitag der erste bin der nach Hause kommt. So wie auch jetzt.
Gerade bin ich fertig damit die Paprika zu schneiden und will mich
daran machen den Brokkoli zu waschen als die Haustür laut zu knallt.
Schallendes Gelächter zweier Personen erklingt aus der Eingangshalle. Und das
wars mit meiner Ruhe.
Das eine Lachen ist prustend und klingt als würde die Person
gleich daran ersticken: definitiv Kaia. Aber das andere... es ist ungefähr eine
Oktave tiefer und gehört jemandem den ich nicht kenne. Weil die zwei keine Anstalten
machen zu mir in die geräumige Küche und zugleich Esszimmer zu kommen lege ich
seufzend den Brokkoli weg und gehe zu Kaia und dem Fremden. Eigentlich hatte
ich gehofft noch `ne weile alleine zu sein mit meiner Ruhe. Aber jetzt bin ich
doch neugierig, wer der lachende Fremde in unserem Haus ist.
In der Eingangshalle stehen, wie schon vermutet, meine Schwester und ein fremder Mann. Obwohl stehen
tun sie nicht wirklich, sie liegen eher halb auf dem Boden und sehen so aus als
würden sie gleich vor Lachen vergehen.
Der junge Mann ist ziemlich gross, und seine mächtige Statur fällt
auf, obwohl er sich halb auf dem Boden gekrümmt den Bauch hält. Auf der Seite
liegend hat Kaia die Hände vor dem Bauch gekreuzt, was durch ihre dicke
Winterjacke erschwert wird. Die braunen, schulterlangen Haare fallen ihr wirr
ins Gesicht. Fast habe ich Angst, dass sie sich gleich auf den Bauch dreht und
mit den Fäusten auf den Boden schlägt.
Der Fremde hat schwarze kurze Haare, im Igel-Stil frisiert. Er hat
kantige Gesichtszüge und am Handgelenk schaut ein Drachen-Tattoo unter der
Jacke hervor.
Kaia und der Fremde scheinen sich gut zu verstehen. Sehr gut sogar. Ich stehe
also gleich neben ihnen und sie bemerken mich nicht, zu sehr sind sie mit
lachen beschäftigt.
„Wir so-„, lachen „sollten jetzt zu –„, erneutes lachen „zu Mael“
Der Satz hat aber lange gedauert. Kaia und der Mann atmen schwer und versuchen
sich zu beruhigen. Nach einer Weile scheint es tatsächlich zu klappen. Und da
bemerken sie, dass ich vor ihnen stehe.
„Du solltest uns jetzt vielleicht mal einander vorstellen?“ Ich
hebe belustigt eine Augenbraue.
„Oh, ja stimmt.“ Beide stehen auf und der Mann mustert mich aus hellbraunen
mandelförmigen Augen prüfend und begrüsst mich. Kurz ist es still, sie scheint sich von diesem
Lachanfall zu sammeln. „Mael das ist Lars. Du weisst, der Alpha der unser Rudel
wegen einem Friedens- und Sicherheits- Vertrag besuchen sollte. Ich habe ihn gerade
erst vor unserem Rudelhaus getroffen. Und Lars das ist Ismael, mein kleiner
Kämpfer“, Kaia wuschelt mir durch die Haare und tut so als wäre ich ein Zehnjähriger.
Ich drehe unwillkürlich meinen Kopf weg. Ich bin doch keine zehn mehr, sondern
schon 20 Jahre alt! Ich will mich gerade beschweren als mir
etwas auffällt.
Warum sollte ein Alpha zu uns
nachhause kommen? In unserer Familie sind wir nur normal-rangige
Rudelmitglieder, ausser unser Bruder Rafael, er ist ein Omega.
Ich mustere Lars. Er strahlt eine natürliche Autorität und
Zufriedenheit aus. Trotzdem wirkt er ein wenig nervös, so wie er sich durch die
Haare fährt. Kaia zieht gerade Schuhe und Winterjacke aus, während Lars seine
Umwelt zu vergessen haben scheint, so verträumt wie er sie anschaut.
Es gibt definitiv nur einen Grund wieso ein Alpha ausgerechnet
hierherkommen sollte.
Ich gehe zu Kaia hin, stelle mich neben sie auf Zehenspitzen – Ja
oh Schande ich bin einen halben Kopf kleiner als sie – und flüstere ihr ins
Ohr. „Nenn mich ja nie wieder klein! Sonst könnte ich ja auf die Idee kommen
dich vor deinem Mate bloss zu stellen.“ Ich pikse sie in die Seite, Kaia
quietscht erschrocken auf und geht einige Schritte zurück. Sie ist mega
kitzlig, genauso wie ich und alle in diesem Haus. Das liegt in der Familie.
Dieser eine Grund weshalb Alpha Lars hier ist, heisst Kaia. Sie
sind Mates. Meine grosse Schwester wird Luna! Dieser Job passt zu ihr, muss ich
ehrlich sagen.
Die junge Frau schüttelt entsetzt den Kopf. „Das machst du nicht!“ Wir gehen in die Küche und ich mache weiter
mit dem Gemüse schnippeln. Kaia kocht uns einen Tee und setzt sich danach zu
Lars. Sie legt den Kopf schief und mustert mich verwundert. „Wie hast du das
eigentlich herausgefunden?“ Als ich nicht direkt antworte, will sie
weiterreden, aber Lars unterbricht sie. „Was herausgefunden?“ Er sieht stirnrunzelnd
zwischen uns hin und her.
„Nichts“, Kaia winkt nervös ab, wird sogar ein wenig rot. Ich
drehe mich dem Kühlschrank zu, um mein Grinsen zu verbergen. „Übrigens Kaia, du
könntest mir auch helfen. Nur, wenn du zwischen den Flirtereien denn mal Zeit
findest, natürlich“. Eben genannte taucht neben mir auf und verpasst mir einen
Schlag gegen die Schulter. „Nicht lustig!“ murmelt sie. Doch sie hilft fleissig
mit, weswegen wir den Spätzli-Gemüse-Gratin mit Käse bald darauf in den Ofen
schieben können. Im Kochen sind Kaia und ich ein Team wie kein zweites. Es ist
sozusagen unser Ding. War es eigentlich schon immer.
Bald sitzen wir drei mit Teetassen bewaffnet am Tisch, wissen aber
nicht so richtig worüber wir reden sollen. Kaia knabbert an einer Banane -
obwohl sie mit 28 Jahren doch wissen sollte das man vor dem Essen nichts isst. Während
dessen denke ich über die Lästereien heute im Training nach: die waren
beunruhigend, falls sie der Wahrheit entsprechen sollten.
Lars unterbricht meinen Gedankengang mit einem unbehaglichen Räuspern.
„Wann kommen denn eure, äh Eltern? Und was“, noch ein räuspern „was werden die
von mir halten?“ Ich muss mir ein Lachen verkneifen. Dass Lars, ein Alpha, so
unsicher werden kann, auch wenn es um seine Mate geht, hätte ich echt nicht
gedacht.
Kaia legt eine Hand auf seine Schulter und lächelt ihn
beschwichtigend an. „Pappa wird sich sicherlich nicht mit dir prügeln wollen,
so klischeemässig. Unsere Familie widerspricht den meisten Klischees. Du hast
also nichts zu beführch-“ „Ausser Mama, bei ihr könnte ich mir das mit dem Prügeln
gut vorstellen“, unterbreche ich Kaia grinsend. Sie streckt mir die Zunge raus.
“Nein, sie wird Lars lieben! Das einzige Mal wo Mama auf jemanden losgegangen
ist, war als du unserer Familie deine untreue Freundin vorgestellt hast.“ Ich verschränke
beleidigt die Arme. „EX-Freundin!“
Vor einem Jahr war ich mit Jemandem aus der Schule zusammen, aber
nach nur ein paar Wochen hat sie mich betrogen. Mama hat sie von Anfang an
nicht gemocht, dementsprechend lief es auch als ich sie meiner Familie
vorgestellt habe. Ich muss aber auch zugeben, sie war nicht die beste Wahl.
Viel zu oberflächlich!
Seit diesem Vorfall hatte ich keine Freundin mehr, nur ein paar wenige
One-Night-Stands. Ich weiss nicht mal, warum ich seitdem mit keiner mehr
zusammen gewesen bin. Es gab zwar Möglichkeiten, aber irgendwie hat es sich nicht
ergeben.
Während ich weiter über mein nicht existentes Liebesleben
nachdenke, erklärt Kaia dem Alpha, dass unsere Eltern sicher nichts gegen ihn
haben werden. Und ich muss ihr da zustimmen.
Meine Gedanken driften immer mehr ab - irgendwie schaffe ich es
nie den roten Faden beizubehalten - und mir fällt wieder ein woran ich vorher
rumstudiert habe. Die Lästereien! Sofort wende ich mich Kaia zu, um ihre
Meinung dazu zu erfahren.
„Ich hab` von einem unschönem Vorfall im Rudelhaus gehört. Bei mir
in der Trainingsgruppe gibt es so jemanden der Gerüchte verteilt. Meistens hör
ich nicht hin, weil der eh nur Mist labert, aber... es ging um Rafael.“ Ernst
sehe ich Kaia an, die sofort versteht. „Das klingt nach noch einer
Auseinandersetzung mit Beta Bertil. Die werden mit jedem Mal heftiger. Warum
hasst er Rafael eigentlich so sehr?!“ Kaia ist lauter geworden und ich kann sie
voll und ganz verstehen.
„Wer ist Rafael? Worum redet ihr hier eigentlich?“ Irritiert und
leicht genervt sieht Lars uns an.
„Rafael ist unser Bruder. Er ist ein Omega, und das Rudel weiss seine
Fähigkeiten deshalb überhaupt nicht zu schätzen. Das kleine Genie hat mehrere
Klassen übersprungen und so hat er mit 24 schon studiert und arbeitet jetzt in
einer IT Firma“, antworte ich und nehme einen Schluck Salbei-Tee. Währenddessen
fährt Kaia fort. „Rafael ist klein und schmächtig. Er kann überhaupt nicht gut physisch
kämpfen. Man sollte ihn aber nie unterschätzen, denn wenn es um IT geht, hat er
grossen Kampfgeist. Da hat er schon was weiss ich alles gehackt.“
Lars legt einen Arm um Kaia, einfach um näher bei ihr zu sein. Und
so wie die Brünette sich gegen ihn lehnt, scheint sie nicht abgeneigt zu sein.
Dann nickt Lars verstehend. „Ich denke bei dieser “Auseinandersetzung“ im
Rudelhaus war ich sogar dabei. Ein kleiner junger Mann hat mir was gesagt
woraufhin Beta Bertil stinkwütend wurde, ihn angeschrien hat.“
„Das war Rafael!“ sagen wir synchron.
„Was hat er dir denn gesagt?“ fragt Kaia besorgt und neugierig
zugleich. „Er ist manchmal ein wenig zu ehrlich und mutig als gut für ihn wäre.“
„Euer Bruder meinte Rudel Eberkopf wäre nicht zuverlässig. Es wäre
ein grosses Risiko diesen Vertrag abzuschliessen. Er sagte die Chefs im Rudel
hätten Geheimnisse, auch vor Rudelmitgliedern. Ich verstehe nicht, was Rafael
gegen sein eigenes Rudel hat. Und noch weniger warum er das genau mir, einem fremden Alpha, erzählt hat.“ Lars nimmt einen Schluck Tee, scheint es gar nicht zu mögen nicht alles zu wissen
und zu verstehen. Ich denke an unser
Rudel. Unser Alpha Hannes ist unsicher und entscheidet nur ungern. Eigentlich
ist Beta Bertil – oder Alpha Adolf Hitler wie ich ihn in Gedanken gern nenne - mehr
Chef als Hannes es je war. Daraus entsteht immer wieder Streit. Ich bin fast
sicher, dass es im Rudel von Lars besser ist.
Lars will gerade erneut zum Sprechen ansetzen, aber ich unterbreche
ihn hastig. Ein unguter Verdacht macht sich in mir breit, der mich unruhig
aufspringen und in der Küche umher gehen lässt. „Viel wichtiger: Warum ist
Rafael noch nicht zuhause? Um fünf Uhr hat er aus, müsste kurz darauf hier
sein, fünf Minuten. Er ist immer
pünktlich! Falls er bei Freunden oder so wäre, würde er anrufen. Jetzt ist er
schon eine halbe Stunde zu spät!“ Ich versuche nicht lauter zu werden was mir
nicht sonderlich gut gelingt. Wenn ich mir sorgen mache, schreie ich irgendwie
immer rum. Doofe Angewohnheit.
Irritiert runzelt Lars die Stirn. “Er ist erwachsen, da machen 30
Minuten doch nichts?“
„Rafael hat Beta Bertil provoziert, zumindest in gewisser Weise.
Er hat dir etwas verraten was du nicht wissen solltest. Bertil hasst ihn! Und er ist ein Omega, kann
sich schlechter wehren als andere“, Kaia ist deutlich ruhiger als ich, aber
auch bei ihr haben sich auf der Stirn tiefe Sorgenfalten gebildet. „Und jetzt,
ausgerechnet jetzt soll unser
überpünktlicher Bruder zu spät kommen?!“ Okay, ganz so ruhig ist sie dann auch
wieder nicht.
Ergeben hebt Lars die Arme. „Entschuldige, ihr habt recht. Aber wo
könnte er denn sein? Wo wollt ihr ihn suchen gehen?“ Lars zögert kurz mit
seinen nächsten Worten. „Stimmt das, was Rafael gesagt hat? Ist euer Rudel
wirklich nicht vertrauenswürdig? Es wäre doch riskant etwas gegen ein anderes Rudel
zu tun, da das Rudel so klein ist.“
Kaia will ihm gerade antworten, da unterbreche ich sie hastig. „Erklär es ihm im Auto, wir
müssen los! Zuerst suchen wir im Rudelhaus und dort wo Rafael arbeitet.“
Schnell nehme ich den Spätzli-Gemüse-Gratin – wohlbemerkt ohne Fleisch - aus
dem Ofen. Der muss fertig backen, wenn wir zurück sind. Wir drei ziehen uns
warm an und steigen in das einzige Auto unserer Familie. Im Gegensatz zu
unserem Rudel sind wir sehr umweltfreundlich.
Kaia setzt sich ans Steuer, da ich keinen Führerschein habe und vermutlich auch nicht machen
werden. Ich mag Autos nicht. Sogleich nehme ich das Gespräch von vorhin wieder
auf. „Zum Thema `Ist das Rudel vertrauenswürdig?` Ganz ehrlich Lars, wenn ich
die Chance hätte das Rudel zu wechseln, dann würde ich es tun. Hier werden
Omegas und Ignarus verachtet. Sagnix werden häufig nicht mal geduldet.“
„Was?! Aber was
geschieht denn, wenn einer aus dem Rudel einen oder eine menschliche/n Mate
hat?“ Lars sieht entsetzt aus. Verständlich.
„Wir kennen niemanden, dem das passiert ist“, meint Kaia mit dem Blick auf der Strasse. „Ehrlich:
ich will auch gar nicht wissen was Beta Bertil dann mit den Betroffenen macht.“
Lars sieht verwirrt aus. „Warum Bertil? Hannes ist doch der Alpha.“
„Das ist noch ein Problem. Hannes hat diesen Alpha Posten von seinem Vater geerbt. Er ist aber
nicht geeignet: ist `n richtiges Weichei und lässt zu, dass andere über ihn
entscheiden, was Beta Bertil effektiv ausnutzt“, erwidere ich. „Offiziell ist
Hannes der Chef, aber jeder im Rudel der nicht hinter`m Mond lebt weiss, dass
der Beta eigentlich die Fäden zieht. Ich denke immer noch, dass die kleine
Schwester von Hannes hätte Alpha werden sollen. Sie hat die perfekten
Charaktereigenschaften dafür, ich muss das wissen immerhin waren wir in der
Schule beste Freunde.“
„Dieses Rudel
klingt tatsächlich nicht sonderlich vertrauenswürdig. Ich bin echt froh dass
ihr mich warnt, Kaia und Ismael. Eine Frage habe ich aber noch: Was meinte Rafael
mit `Die Chefs im Rudel haben Geheimnisse vor den Rudelmitgliedern.` ? Welche
Geheimnisse?“ Lars sieht vom Beifahrersitz aus fragend zu mir nach hinten.
„Ehm also... Naja
Geheimnisse eben“, ich fahre mir durch die Haare, weiss die Antwort selbst
nicht so richtig. „Dass unser Beta und Alpha was verheimlichen, wissen wir durch
Gerüchte. Darüber was genau das ist, gibt es hunderte Spekulationen, die einen
wilder als die anderen.“
„Rafael weiss
mehr darüber. Er hat deren Server mal gehackt und eigne Sachen herausgefunden. Leider
hat er mir nicht alles erzählt, aber etwas weiss ich“, Kaia macht eine
dramatische Pause. „Ein anderes Rudel - welches weiss er nicht - bedroht das
Eberkopf Rudel. Beta Bertil hat das aber nicht öffentlich bekannt gegeben, was
er eigentlich sollte. Rafael sagte die wollen unser Rudel übernehmen, dementsprechend
könnte es sein, dass wir angegriffen werden, aber keines der Rudel Mitglieder weiss
davon.“
Lars nimmt Kaias
Hand die auf der Kupplung liegt, sieht aber aus als würde er sie am liebsten
beschützend umarmen, was im Auto natürlich nicht geht. „Zum Glück kommst du
bald, sehr bald, zum Rudel Mojak, wo es sicher keine Angriffe gibt, auf die wir
nicht vorbereitet sind! Hier ist es
wirklich viel zu gefährlich.“ Lars empört sich noch weiter, vor allem darüber,
dass es für Kaia hätte gefährlich sein können. Diese verdreht daraufhin nur die
Augen, während ich mich raushalte.
„Beruhige dich.
Mir wäre sowieso nichts passiert, da dieses Rudel der Meinung ist Frauen wären
nur hinter dem Herd gut zu gebrauchen. Wenn Rudel Eberkopf angegriffen wird,
kommen alle Frauen sowieso nur in den Schutzbunker. Ich auch, obwohl ich
ziemlich gut kämpfen kann“ Kaia parkiert, lächelt Lars zu und steigt dann
schwungvoll aus. „Kommt ihr endlich?! Rafael braucht JETZT unsere Hilfe, nicht
wenn ihr fertig geschlafen habt.“
Wir steigen
schnell aus, ignorieren aber den Kommentar meiner Schwester gekonnt. Kaia und
Lars suchen Rafael im Rudelhaus, während ich zur Firma gehe, in der er
arbeitet. Es ist ein langweiliges Hochhaus nur zwei Strassen weiter. Der kalte Wind
lässt mich fröstelnd meinen Schal enger ziehen und meine Schritte beschleunigen.
Obwohl es erst 18 Uhr abends ist, ist es schon lange dunkel und nur das gelbliche
Licht der Strassenlaterne beleuchtet die verlassenen Strassen. Es ist der 10. Dezember, weshalb fast niemand draussen ist.
Ich frage den Rezeptionisten ob Rafael Kayn
denn noch da ist, obwohl er schon Feierabend hat. Dieser verneint wie erwartet,
woraufhin ich mich höflich verabschiede und zurück zum Rudelhaus gehe. Diesmal
nehme ich den weg durch kleine Gässchen, weil es hier einige süsse Läden gibt. Sie haben
alle schon längst geschlossen, aber es ist trotzdem lustig die Schaufenster zu
betrachten.
Werwölfe haben
einen ausserordentlich guten Geruchssinn, weshalb ich es sofort rieche: Blut!
Aber nicht irgendwelches Blut, es ist das von Rafael. Und ich rieche Beta
Bertil mit ein paar anderen Werwölfen. Gar nicht gut! Sofort renne ich in eine
lange schmale Gasse von wo der metallische Geruch kommt. Über Mindelink gebe
ich Kaia Bescheid, dass sie und Lars
dorthin gehen sollen.
Von weitem höre
ich meinen Bruder vor Schmerz stöhnen begleitet von einer johlenden Menge, die
anscheinend Beta Bertil anfeuert. Ich sprinte weiter, nur um kurz darauf eine schreckliche Szene
vorzufinden.
Rafael lehnt an
die Wand und versucht verzweifelt seinen Kopf zu schützen. Ausser, dass sein
linkes Bein blutbeschmiert ist und sein Arm in einem seltsamen Winkel absteht
kann ich gar nichts richtig erkennen. Bertil oder wie ich ihn nenne Alpha Adolf steht vor im und verpasst ihm gerade einen Schlag in
die Magengrube. In einem Halbkreis rundherum stehen ein halbes Duzend
schaulustige Wölfe, alle schon mehr oder weniger besoffen. Eher mehr.
In mir kocht die
Wut hoch. Auf Rafael, dass er uns über den Mindelink nicht Bescheid gegeben
hat, dass er Hilfe braucht. Auf die Besoffenen, dass sie nichts dagegen
unternehmen, wenn jemand fast zu Tode geprügelt
wird, nein sie unterstützen es sogar. Aber vor allem auf Adolf der
es wagt meinen Bruder so zu zurichten.
Ich stürme auf
ihn los, kicke mit aller Kraft gegen seinen Kiefer. Der Beta fällt hart zu Boden,
ihm scheint für einen Moment die Luft ausgegangen zu sein. Dies nutze ich aus,
indem ich ihm fest in die Rippen trete. Anscheinend nicht fest genug, denn noch
bevor ich mich aufrichten kann, nimmt er mir den
Boden unter den Füssen weg. Ich taumle, versuche verzweifelt das Gleichgewicht
zu behalten. Gerade so schaffe ich es mich auf den Beinen zu halten und das nur
wegen meines jahrelangen Gleichgewichtstraining.
In diesem kurzen
Moment springt mein Gegner wieder hoch und boxt mir hart gegen die Schulter,
was ich nicht abwehren kann. Der Schmerz durchfährt mich augenblicklich, denn
an dieser Stelle habe ich sowieso schon eine Prellung. Ich beisse die Zähne
zusammen und schaffe es gerade so den nächsten Schlag zu parieren.
Wir tänzeln eine Weile
herum, boxen und parieren. Der Beta ist zwar
stärker, aber dank meines Kampftrainings gelingt es mir, den Kampf ausgeglichen
zu gestalten. Ausserdem kann ich ihn einige Male aus dem Gleichgewicht bringen,
er mich aber nie.
Ich will ihm
gerade gegen den Oberschenkel treten, um Adolf endlich am
Boden zu wissen, da trifft mich ein abrupter Schlag in die Seite. Keuchend
taumle ich zur Seite nur um einen nach Alkohol stinkenden Adolf Anhänger
zu sehen. Es ist Adam ein richtiger Muskelprotz, der aber nur ins Fitnessstudio
geht und vom eigentlichen Kämpfen keine Ahnung hat.
Also mache ich
einen Sidekick – in einer einzigen Bewegung den Fuss in seine Nieren- dem er einfach hätte ausweichenkönnen, hätte er eine
Ahnung vom Kickboxen. Adam fällt, kommt mit dem Kopf hart am Boden auf und
bleibt bewusstlos liegen. Tja Technik gewinnt immer gegen Muskeln!
Kaia und Lars
haben uns jetzt auch endlich gefunden und stürzen sich sofort auf die anderen Adolf Anhänger. Ich kann
mich aber nicht lange darüber freuen, denn im Eifer des Gefechts habe ich den Beta völlig aus den Augen verloren.
Schnell wirble
ich herum, kann ihn aber nirgends entdecken!
Doch, da, nur
zwei Meter weiter, hinter einem Container versteckt, bearbeitet er Rafael mit
den Fäusten. Als ich das sehe, wie mein
Bruder leblos daliegt während Adolf trotzdem
weiter schlägt entgleitet mir die Kontrolle endgültig und
meine Wölfischen Instinkte übernehmen. Mit einem gewaltigen Sprung bin ich beim Beta und
ramme ihm mein Knie in die Rippen, wo er gerade seine Deckung vernachlässigt
hat. Er krümmt sich vor Schmerzen, aber bevor ich ihm den nächsten Schlag
verpassen kann, unterbricht Lars den Kampf mit einem scharfen „Stopp!“
Wir gehorchen dem
Alpha unwillkürlich. Nun, wenn ich gerade nicht angegriffen werde, stürze ich
sofort zu Rafael, der unbeweglich am Boden liegt. Ich beuge mich zu ihm runter,
hebe seinen Kopf. Seine Augen sind geschlossen, aber sein Brustkorb hebt und
senkt sich – er ist ohnmächtig.
Gerade als Adolf sich trotz
des Befehls von Lars wieder auf mich stürzen will, geht Kaia dazwischen und
blockt ihn ab.
Erst jetzt realisiere ich, dass drei der Plagegeister am Boden
liegen und die anderen drei verschwunden sind. Lars und Kaia haben ganze Arbeit
geleistet. Auch Beta Bertil, aka Adolf
sieht ein, dass er allein ist. Er setzt ein unschuldiges lächeln auf, man sieht
ihm aber an, dass er Angst hat. Kaia und ich sind mehr als nur wütend. Wenn er
jetzt irgendwas Dummes macht, bin ich sicher, dass ich wieder auf ihn los gehen
werde. Kaia hat aber eine andere Idee. Sie trifft aus dieser Wut und Sorge um
Rafael heraus eine Folgenschwere Entscheidung.
„Ich, Kaia Kayn, bin die
Mate von Alpha Lars. Teile Alpha Hannes mit, dass wir uns morgen früh im
Rudelhaus treffen werden. Meine ganze Familie wird das Rudel Eberkopf verlassen
und zu Lars‘ Rudel Mojak wechseln.“
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Sätze: | 273 | |
Wörter: | 3.514 | |
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