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Fantasy: Nur eine Muse oder steckt doch mehr in ihr?

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12.05.20 10:19
Fertiggestellt

Autorennotiz

Der nachfolgende Text war mein erster Versuch eines Essays. Keine Ahnung, ob er geglückt ist (wahrscheinlich nicht). Meine ehemalige Deutschlehrerin, lang lang ist's her, auf die ich hier auch referiere, schmunzelte damals jedoch.

Es ist zweifelsfrei ein Thema, über das sich meine ehemalige Deutsch- und Geschichtslehrern und ich uns stundenlang hätten streiten können: Ist Fantasy nun die einzig wahre Literatur, ist sie völlig abzulehnen oder gibt es neben ihr noch andere Literaturgenres, die genauso lesenswert sind? Für mich, freilich, ist der Fall klar, ich, die ich fast nur Fantasy lese und schreibe. Wohlgemerkt „fast nur“, denn es gibt durchaus auch andere Genres für mich, wenn auch nur vereinzelt.

Doch was spricht denn nun für Fantasy? So einiges, will ich behaupten.

Fantasy, oder sprechen wir in Anlehnung an Christoph Marzi lieber allgemein von Phantastischer Literatur, gab es schon immer, seit der Mensch begann, sich Heldensagen zu erzählen und sie schließlich auch niederzuschreiben. Wahrscheinlich haben es die abergläubischen Alten Römer und Griechen anders gesehen, doch wer würde heute Sirenen und Zyklopen noch als real und nicht phantastisch sehen? Und dann all die Sagen und Mythen des noch abergläubischeren finsteren Mittelalters, das voll Magie gewesen war, düster und verpönt. Danach kamen die allzu bekannten Gebrüder Grimm mit ihren Märchensammlungen. Sprechende Wölfe und Geißlein, Prinzessinnen im Turm, Frösche, die Prinzen sind?

Phantastische Geschichten wie diese fristen seit alters her jedoch nicht nur in verstaubten Wälzern ihr Dasein. Sogar auf die Bühnen dieser Welt haben sie es bereits geschafft. Magie und Schabernack sind in William Shakespeares „Sommernachtstraum“ schließlich erst der Anlass für all das Durcheinander. Elfen und Kobolde gibt es da, Cherubim und Feen.

Ein wenig moderner wird es bereits mit Bram Stoker, Oskar Wilde und Mary Shelly – und freilich auch düsterer, denn „Dracula“, „Das Bildnis des Dorian Gray“ und „Frankenstein“ gehören zu den Gothic Novels, das, was heute Dark Fantasy ist. „Frankenstein“ gar hat sogar etwas von Science-Fiction in sich: Blitze und Donner und ein Homunkulus, der zum Leben erweckt wird.

Und dann, ja, dann kam der Großmeister, der Urvater all dessen, was wir heute gemeinhin in der Buchhandlung unter Fantasy finden: John Ronald Reuel Tolkien.

Viele Jahre wurden seine Werke als „Klassische High Fantasy“ – was sie ohne Frage heute sind – verkannt, sogar in die Sparte von Science-Fiction gesteckt. Doch, das muss man bedenken, hat Tolkien an sich nichts völlig Neues geschaffen, er hat nur Altgedientes in einen neuen Zusammenhang gesetzt. Er nahm altgermanische, altenglische und altnordische Sagen, nahm Elemente aus  ihnen heraus und fügte sie zusammen zu dem, was weltweit als „Middle-Earth“, Mittelerde, bekannt ist. Und ganz recht, es ist das nordische Midgard, die mittlere Welt, unsere Sphären … und auch wieder nicht.

Schon dieses in einer schnelllebigen Zeit wie dieser beinahe als traditionell zu bezeichnenden Beispiel zeigt, dass Phantastische Literatur meist in ihren Grundideen ganz und gar nicht so phantastisch ist, wie sie den äußeren Schein erwecken mag.

Phantastische Literatur schillert in bunten Farben. In ihr werden Träume von Groß und Klein, Alt und Jung wahr. Drachen, Ritter, Jungfrauen, Elfen, Zwerge, Feen, Tolle, Goblins, Pegasus und Einhorn. All sie und noch viele mehr werden zum Leben erweckt. Dinge, die es eigentlich nicht geben darf. Oder doch?

In der Regel gibt Phantastische Literatur also nur die Träume der Menschen wieder, von Menschen, die noch nicht verlernt haben zu träumen. Manchmal sogar solch weise Menschen, die noch die Schönheit eines Schmetterlings auf einer Mülltonne in einer dunklen Gasse voller Unrat zu erkennen vermögen. Sind Träume also etwas Falsches, darf man nicht mehr träumen?

Phantastische Literatur vermag uns in fremde Welten zu entführen und uns aus dem grauen Alltag zu entreißen. Denn machen wir uns nichts vor: Die Welt ist grau geworden, ohne Magie und Wunder und voll von Technik und Hektik. Tauchen wir ein in Lieder, Gedichte, Geschichten dieses Genres, so können wir alles sein und erreichen. Nichts scheint unmöglich. Der Ring wird vernichtet, der Tyrann gestürzt, die Prinzessin gerettet. Das Gute obsiegt über das Böse. Oder manchmal auch nicht … Phantastische Literatur macht Wünsche wahr, lässt Träume Realität werden und macht uns zu dem, was wir im Grunde unseres Herzens schon immer hatten sein wollen. Und sollten wir es verlernt haben, so lehrt sie uns auch wieder träumen, die Schönheit des Schmetterlings zu erkennen.

Ja, Phantastische Literatur lehrt und mahnt freilich. Denn das ist oftmals ihr Hauptansinnen. Viele ertragen die nackte Wahrheit nicht, so grausam und blutrünstig, also kleidet die Phantastische Literatur sie in schillernde Gewänder, die verkleiden, doch nicht verbergen.

Und wieder sind wir bei sprechenden Tieren, bei den altbekannten Fabeln. Die antiken Griechen fingen an, wer sonst als das Philosophenvolk, und die Römer setzten dies fort. Äsop und Phaedrus sind die bekanntesten Namen. Kleine fast schon sentenzartige Geschichten von Ochsen und Fröschen, Dohlen und Pfauen und armen unschuldigen Lämmchen und bösen Wölfen. Auf versteckte, niedliche und possierliche Weise zeigen uns diese Tiere doch bloß unsere eigenen Fehler.

Solche Lehren und die Moral der Geschicht‘ ziehen sich durch die Jahrtausende. Wieder sind wir bei Tolkien und seinen beeindruckendsten Wesen: den Elben. Sie, die das Schöne Volk genannt werden, weise und mächtig und unsterblich, sind das Licht einer Welt, die die unsere ist. Sie sind im Grunde das Gute, das Reine, so fern über den Menschen, dass wir sie niemals werden begreifen können. Und sie nun verlassen im Dritten Zeitalter der Sonne die kalten Hinnenlande, um nach Aman zu gelangen, einem entrückten und heiligen Land jenseits der Gefilde dieser Welt. Und verlässt mit ihnen nicht auch das Licht diese Welt, das Wunderbare? Und wird die Welt ohne sie nicht kälter, grauer, schlichtweg ärmer? Tolkien beschreibt damit ganz eindeutig die Entwicklung, die unsere Gesellschaft in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts durchlief und die bis heute andauert, und er bedauert es zutiefst, ganz gewiss.

Gleichzeitig ist insbesondere der Herr der Ringe ein Appell an Liebe, Freundschaft und Treue. Die Gefährten halten zusammen und sind füreinander da, Legolas und Gimli schließen wieder aller Konventionen ein in dieser Tiefe einmalige Freundschaft, Sam würde „seinem“ Frodo sogar in eine Drachenhöhle folgen und tut am Ende gar so viel mehr.

Sicher können all die im Leben wichtigen Werte und Moralen auch direkt gelehrt werden, ohne es durch die Blume zu sagen. Doch wer ist für trockene, langweilige Texte wirklich nachhaltig empfänglich? Wer würde so etwas freiwillig und ohne Zwang überhaupt bis zum Ende lesen, wäre der Herr der Ringe eine schlichte Aneinanderreihung diverser Intensionen? Keiner. Phantastische Literatur lehrt uns das Leben, sie zeigt es uns, wie es sein sollte, mundgerecht und passend verpackt. Wir müssen es nur auspacken, dieses besondere Geschenk.

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Larlysia Am 13.07.2019 um 21:10 Uhr
Man merkt dem Essay zwar an, dass es ein erster Gehversuch ist (und dass du Tolkien sehr magst), aber: Ich habe schon Essays gelesen von Leuten, die schon länger Essays geschrieben haben, und diese waren teilweise wirklich grausig! Ich finde, du hast hier einen guten Erstversuch gemacht (und man könnte noch mehr herausholen, wenn du das Essay überarbeitest).

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Elenyafinwes Profilbild Elenyafinwe
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Kurzbeschreibung

Was uns die Phantastische Literatur anbietet. Der Versuch eines Essays.