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Statistik
Kapitel: | 15 | |
Überschriften: | 1 | |
Sätze: | 129 | |
Wörter: | 3.085 | |
Zeichen: | 18.785 |
Jedes Buchcover enthält auf der Rückseite oder im Inneren bedeutende Details über die Autorin oder den Autor selbst; man erfährt dort von ihren Erfolgen und Auszeichnungen sowie ihrem Wohnort und ihren Erfolgen in verschiedenen Bereichen des Lebens - Dinge, die für viele Leser beim Kauf entscheidend sein können.
Doch was qualifiziert jetzt denjenigen Autor dazu, über das bemerkenswerte Leben von Leo Friedrich Witsch dem VI. zu schreiben? Die Antwort scheint klar: nichts!
Der Verfasser besitzt weder akademische Abschlüsse noch eine praktische Erfahrung im Bereich des Journalismus. Dennoch sollten wir nicht voreilig urteilen!
Dieses Werk könnte genau das Besondere darstellen, was uns unter all diesen unzähligen Veröffentlichungen begegnet und; es hebt sich ab durch seine Einzigartigkeit.
Ganz ähnlich wie die Person, die darin beschrieben wird. Leo Witsch war stets überzeugt von seinem Können; er folgte seinen Prinzipien ohne Zögern, was ihm nun auch Selbstvertrauen als Schriftsteller verleiht.
Seine Debütarbeit reflektiert dazu seine persönlichen Erlebnisse - eine fesselnde Geschichte, über die Entwicklung eines Jungen, die genau so auch stattgefunden hat.
Alles ist Autobiografisch, Orte und Namen wurden geändert, Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen wären rein zufällig.
001 Vorwort //002 Kapitel-Übersicht //003 Der rote Faden //004 Angst // 005 Mädchen + Frauen //006 Mut //007 Leos Familie //008 Klosterinternat //009 Besenkammer //010 Zucht und Ordnung //011 Besenkammer-Story //012
Jeder Mensch hat Vorlieben, Schwächen, Ängste und Träume. Und das Leben des Protagonisten ist außergewöhnlich, bizarr, unglaublich und spannend – ein Abenteuer!
Er erlebte diese Abenteuer, ohne zu reisen, diese sich so nicht in der Ferne entfalteten. Seine Erlebnisse fanden in seiner direkten Umgebung statt, an den Orten, an denen er aufwuchs, die ihn seit seiner Kindheit umgeben haben.
Andere Jungs im gleichen Alter, egal ob es seine Klassenkameraden waren, mit ihm die Berufsschule besuchten, oder im Park abhingen wie auch Arbeitskollegen, konnten dies nie so spüren. Es passierte ihnen nie, konnten es nicht auf die gleiche Weise wahrnehmen, sehen oder erleben. Der Grund?
Es fehlte ihnen an Zivilcourage. Lieber schnell wegsehen, wenn es wo laut wird, als vielleicht in etwas verwickelt zu werden. Generell Angst vor Konsequenzen, nur nicht wo an-streifen, allen möglichen Probleme aus dem Weg gehen, von vielen die Lebenseinstellung.
Was macht aber diesen Leo Witsch anders? Und gibt es einen roten Faden, ein konstantes Element, das sich durch seine Existenz zieht?
Welche Möglichkeiten gäbe es?
Ein grundlegendes Element in Leos Leben, damit müssen wir beginnen, ist die ANGST????
ANGST ist charakteristisch für Leo:
Er empfand Angst nicht als Gefühl, konnte sie nicht wahrnehmen oder spüren. Sie stellte sich einfach nicht ein, sonst hätte er sich viele Unannehmlichkeiten im Leben ersparen können, hätte er doch nur rechtzeitig Angst gefühlt!
Andrerseits, aber auch nicht diese Erfolge gefeiert, wie es bürokratische Schwierigkeiten gab, die seine Ziele und Pläne im Wege standen. Überhaupt erst sein Leben zudem gemacht, über das es heute darüber zu berichten gibt.
Wenn er Jungen gegenüberstand, die größer oder in der Überzahl waren oder beides. Vor Autoritätspersonen wie Polizisten, Lehrern und seinem Vater. Es mag wohl schon sein, dass in den ersten Jahren seines Lebens eine gewisse Angst vor seinem Erzeuger bestanden hat. Ja, sogar eine schreckliche Angst, sodass ihm dieses Gefühl nicht unbekannt war. Doch mit der Zeit schwand diese Angst zunehmend. Leo erkannte, dass ihm Furcht keinerlei Nutzen brachte, sondern nur lähmte.
Spürte den Hosenriemen, die Schläge, ob da vorher jetzt viel Angst war, oder es ganz überraschen kam und keine Zeit mehr um Angst vor seinem Erzeuger aufzubauen.
Ein weiterer gutes Beispiel ist, dass jeder von euch kennt es. Angst verletzt zu werden.
In dem Umfeld, in diesem Milieu, in dem Leo heranwuchs, verletzt zu werden war immerzu präsent.
Wir greifen dieses eine Ende des ROTEN FADENS auf, Leo erleidet eine Verletzung.
Als Jugendlicher wird er oft verletzt; die Portiere, die Krankenschwestern und auch Ärzte im Kinderspital, das super günstig, nur 2 Minuten zu Fuß neben dem Park lag, kannten Leo beim Vornamen und Nachnamen.
Zahlreiche Kapiteln kommen noch, wo dieses Prozedere ausführlicher erläutert wird, warum es dazu kam. Aber die Erklärung fehlt, warum er nicht vorher schon etwas spürte, dass ihm einlenken oder einen Rückzug antreten ließ?
Eine gibt es sofort und jetzt. Doch die ist so absurd, so irreal und weltfremd, dass sie auf den Leo, umgemünzt, schon wieder "normal" sein könnte.
Er genoss, so bitte jetzt aufpassen, ja, echt! Er empfand die Aufmerksamkeit und diese liebevolle Fürsorge der Ärzte und Krankenschwestern, die sich jedes Mal sehr umsichtig um ihn kümmerten, als angenehm. Es machte etwas mit ihm jedes Mal, wenn sich hier für ihn doch "fremde" Menschen, um ihn sorgten? Und das mag für euch einmal seltsam, komisch klingen, doch werdet ihr noch feststellen, dass so wie er lebt, Leo für viele als "nicht normal" vorkommen wird. Es ist aber wie es ist, Leo Witsch fühlte sich im Krankenhaus wohl.
Daher auch keine ANGST, wenn eine Auseinandersetzung bevorstand, verletzt zu werden. Nur mit reden ließ sich ganz selten ein Konflikt aus der Welt schaffen. Und jetzt lieber den Schwanz einziehen? Sich lächerlich machen? Oder gar den Rückzug antreten und klein beigeben? NEIN, nie im Leben!
Dann lieber blutend am Boden liegen und auf die Rettung warten, die ihn irgendein Krankenhaus bringen wird. Egal wie seine Verletzungen auch waren, es manchmal "nur" wenige Tage oder schon auch Wochen dauerte, bis er wieder selbständig laufen konnte. Narben blieben, so wie die über der rechten Augenbraue, jahrelang sichtbar, wurde zu seinem Markenzeichen. Die anderen, versteckt unter der Bekleidung. Doch es war genug Stoff darüber zu erzählen und er fand meist aufmerksame Zuhörer.
Aber macht bitte nicht den Fehler, jetzt den Leo nun als "Unterbelichtet" oder "Behindert" voreilig abstempelt! Leo war sich dessen vollkommen bewusst, dass er sich von anderen Burschen in seinem Alter und Umfeld unterschied. Seine Gedanken und Gefühle waren anders, er Leo war anders. Und er strebte auch nie danach und versuchte oder bemühte sich auch kein bisschen, für die "anderen normalen", jetzt als "normal" zu erscheinen.
Was heißt schon 'normal'? Einen Ball vor den Füßen des anderer wegzustoßen beim Fußballspielen? Auf dem Boden kniend, Motorgeräusche zu imitieren und Spielzeugautos zu bewegen? Oder auf lustig, Mädchen zu verfolgen, sie ärgern und sich ihre Puppen anzueignen?
Leo bereits in seinen Kinderjahren da ganz andere Wertigkeiten in seinem Leben sah und für gewisse Menschenkindern besonders sensible reagierte.
Er war zur Stelle, wenn er bemerkte, dass er jetzt gebraucht wurde. Er schon mal ganz schnell dem "normalen" Jungen, der diese Puppe in seinem Besitz gebracht hatte, die Hand verdrehen, sich ordentlich auf ihn knien, ihn in den Schwitzkasten nehmen oder ihm auch gegebenenfalls, wenn er sich weigert, die Puppe zurückzugeben, eine dicke Lippe verpassen?
Und eines ist sicher. Klar! Natürlich! Dieser Junge konnte nicht mehr sein Freund werden. Aber Leo suchte auch nicht nach Freunden. Er mit Mädchen und Jungs zusammen aufgewachsen und für ihn waren Mädchen einfach die besseren Kameraden.
Da haben wir auch gleich den zweiten roten Faden, der durch das ganze Leben von Leo Witsch geht, "Mädchen, Frauen"
Mädchen/ später Frauen. Wir nun das Ende dieses roten Faden aufnehmen und in das Leben von Leo Friedrich Witsch dem VI. eintauchen!
Das Leben von Witsch war mit dem Umgang des weiblichen Geschlecht geprägt. Bereits im Internat waren Mädchen für ihn klar die besseren Jungen. Jungs zögerten ihm Hilfe oder Unterstützung zu gewähren. Deshalb bevorzugte er es, Mädchen um Hilfe zu bitten, wenn er Hilfe gegen die "Pinguine" (Klosterschwestern) brauchte, anstatt von den Jungs sich einen Korb zu holen. Für ihn sind Frauen der entscheidende Antrieb, ihnen Gutes zu tun, sie zu beschützen und für sie da zu sein.
Und das muss nicht unbedingt mit "Liebe" gleichgesetzt werden! Hätte er Freundschaften zu Jungs geschlossen, würde niemand dazu "Liebe" sagen oder denken? Obwohl es damals genauso schon die Liebe zwischen Jungs gab, nur versteckt und geheim?
Doch Leo kannte einfach nur Mädchen, daher gab es auch nur "Freundinnen"
Allerdings gab es auch schon zwei Freunde!
Der Erste, Karl Heinz, in der Berufsschule, ein fescher, bärenstark Junge, mächtig viel Bartwuchs und Haare auf Brust, um die ihn Leo beneidete. Er aber total gehemmt, stotterte ab und zu, und hatte sich verliebt in eine Kassiererin bei Konsum. Leo ihn erfolgreich verkuppelte, folgt alles noch genauer. Den Grund auch schnell noch genannt, Leo ja nicht seine Einstellungen zu dem weiblichen Geschlecht geändert, NEIN!
Leos Interesse galt seiner älteren Schwester, diese noch nie einen Freund gehabt. Leo erhielt von ihr immer wieder einen Korb. Ob es zum Tanzen im Heustadl, beim Kinobesuch oder zu einem gemeinsamen Abendessen. Begründung war einfach: Er ihr zu jung und fünf Jahre sie älter, dazu das jugendliche von Leo, fehlender Bartwuchs, es ging eben nicht. Doch plötzlich nach drei Jahren vergeblichen Werbens reiste er mit ihr, als Personenschutz, (sie blond, etwas größer als er und Oberweite XL). Sie arbeitete für ein Reisebüro, musste nach Italien um neue Destinationen für die kommende Saison zu überprüfen. So von ihr ein geplanter fünftägige Arbeitsurlaub, ganze 42 Tage für Leo wurden.
Ihm gleich drei Italienerinnen das Gefühl nach großer Liebe weckten. Erlebte auch den Schmerz eines Schlags mit Bierflasche am Hinterkopf. Bei dem Aufenthalt in der Klinik, die Diagnose, Gonorrhoe (Tripper).
Es wird wohl um die 20, vielleicht sogar auch 30 Kapitel über diese Zeit in Sabbiadoro, Pineta und Lignano im Jahr 1969 geben.
Dann war da noch ein zweiter Freund, ein Zimmerkollege während des Präsenzdienstes beim Bundesheer. Ein echter Tollpatsch, unerklärlich, wie er es schaffte, so alt zu werden. Er litt schrecklich unter Heimweh; Leo, der unter ihm im Stockbett schlief, hörte ihn nachts in sein Kissen weinen. Sein Spind war unordentlich, sein Bett schlecht gemacht, aber das war die Ursache, dass das Zimmer – voll mit 10 Rekruten. Von denen acht die alle darauf brannten, in die nächste Kneipe zu gehen und sich zu betrinken – keinen Ausgangsschein bekam. Sie murrten zwar, aber niemand wollte sich die Mühe machen, Maxi zu helfen, das war aber der Sinn dahinter, den Zusammen halt in der Gruppe zu fördern.
Außer Leo, der musste ihm einfach helfen, um sein Helfersyndrom zu befriedigen, und Mädchen gab es hier ohnehin kaum.
Fast keine, um genau zu sein, Leo bereits nur nach 19 Tagen Grundwehrdienst, die Tochter des Oberstleutnants kennen lernte und……aber das ist eine ganz andere Geschichte – oder besser gesagt, zirka 20 Geschichten.
Diese junge Frau lebte mit ihrer Familie auf dem Kasernengelände. Um doch auch ein wenig eure Neugier zu wecken; Normalerweise wird man mit 19 Jahren zum Präsenzdienst eingezogen. Leo war jedoch bereits über 20, ein verschieben des Grundwehrdienstes faktisch unmöglich, was den Kommandanten stutzig machte. Er fragte beim Heeresnachrichtendienst/Abwehr nach! Und?...
Zurück zu den Mädels. Für Leo ist und bleibt es einfach das "schwache Geschlecht". Damals wie heute, wenn auch durch die Emanzipation der Frau, solche Bezeichnungen nicht gerne publiziert werden. Leo könnte, wenn man ihn fragen würde, spontan mindestens 10 Situationen schildern, in denen eine Mädchen, einfach körperlich zu schwach war. Situationen, in denen sie Angst hatte, in Not war und seine Hilfe erwartete und benötigte.
Darüber und wie er sie liebte, wobei 'liebte' hier als Adjektiv verstanden wird, erzählen die kommenden Storys.
Den Leo verstand es schon Gespräche zu beginnen, konnte ihnen zuhören und Interesse zeigen, ohne das es sexsistisch wirkte.
Und wenn er sich in ihrer Nähe aufhielt, das Credo, ob im Internat, in der Schule oder im Park, wo auch immer das war der Mädels;
> Wenn Leo bei uns ist, brauchen wir keine Angst zu haben.
Leo kassierte Schläge von seinem Erzeuger, oder wurde ignoriert. Besonders der Jüngste in einer neuen Umgebung zu sein, in den ersten Lebensjahren immer sein Schicksal. Schon im Kloster-Wocheninternat, stellte fest, dass die Menschen mit den längeren Haaren – Mädchen – ihm mehr Empathie entgegenbrachten als die Jungen. Es war ihm auch unangenehm, von einem Jungen umarmt zu werden.
Kurzum, das weibliche Geschlecht hatte eine bedeutende Rolle in Leos Leben inne. Einige benötigten Hilfe und Schutz, was natürlich auch von Leo Mut erforderte.
Mut ist ein zentraler Aspekt in seinem Leben und bildet auch einen roten Faden in der Geschichte von Leo Witsch. Das nächste Kapitel: Mut!
Mut ist nicht angeboren, sondern muss von jedem Einzelnen erforscht werden, um die eigenen Grenzen und Unbehaglichkeit Zone zu erkennen. Mut kann durch das Stellen von Herausforderungen an sich selbst erlernt werden, was oft schon bei so alltäglichen Dingen wie einem Supermarktbesuch beginnt. Wenn man sich nicht traut, laut nach einer "zweiten Kassa bitte!" zu rufen, bietet sich bereits eine Chance zur persönlichen Entwicklung.
Es geht dabei nicht nur um einen selbst, sondern auch um die Menschen in der Warteschlange hinter einem. Es bietet sich die Möglichkeit, Großzügigkeit zu üben, indem man jemanden vorlässt, und im Gegenzug vielleicht ein Dankeschön oder ein Lächeln zu ernten. Dieses Thema wird später im Kontext der Selbstfindung und des Kennenlernens weiter erörtert.
Es ist möglich, Mut zu entwickeln, so wie man unbewusst eine Spinnenphobie im Urlaub erwerben kann, die tief im Unterbewusstsein verwurzelt und schwer zu überwinden ist.
Es gibt also einen dritten roten Faden in Leos Leben: den Mut, der keinen Raum für Angst lässt. Mut, so rot wie Blut, reimt sich nicht nur, sondern ist auch auf gewisse Weise miteinander verbunden. Es stellte sich heraus, dass Leo durch sein "Helfersyndrom" stark beeinflusst wurde.
Leo, der mit seinen 12 Jahren bereits zum siebten Mal vor dem Jugendgericht stand, hatte Gewalt ausgeübt und eine Körperverletzung begangen. Dass er nicht in ein Heim für schwer erziehbare Kinder kam, verdankte er einem gewissen Maximilian. Dieser war nicht nur ein Polizist, der in Leder gekleidet auf einem Motorrad, eine "weiße Maus" unterwegs war, sondern erwies sich auch für ihn als väterlicher Freund. Später als Leo erwachsen war, als Mentor. Doch in der pubertären Lebensphase, in die auch Leo schlitterte, ganz besondere wichtig. Leo ab und zu auf für ihn fremde Polizeistationen festgehalten wurde, und Max als Gruppeninspektor, drei goldene Sterne, so manchmal das ganze Kommissariat stramm stehen ließ. Er sich für Leo ins Zeug „legte“, wie auch bei Leos Mutter, um seine Motivation dafür zu erklären.
Und so wie Leo die Mädchen liebte und wie er als sensibler Krebsgeborene auf ihre Gefühlsausbrüche und Ängste reagierte, so gefühlskalt und schrecklich brutal, konnte er gegen deren Peiniger werden.
Das Jugendgericht verfolgte damals noch eine ungewöhnliche Rechtsprechung, wie die "zur häusliche Bestrafung entlassen!". Der Vater wurde beauftragt, seinen Sohn zu bestrafen, und vollzog dies mit dem Gürtel. Was Leo angestellt hatte, wird später erläutert.
Leo wurde ein stark ausgeprägtes Helfersyndrom diagnostiziert, auch Altruismus genannt, wie es Sigmund Freud beschrieb. Leo empfand dies als Bestätigung, sich noch intensiver um Hilfsbedürftige zu kümmern, was sich häufte. Bis zu seinem 19. Lebensjahr resultierte dies in insgesamt 18 Verfahren wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung, begleitet von Anzeigen und Polizeiprotokollen, weil jeweils ein Arzt oder der Rettungsdienst involviert war.
Es gab 14 Freisprüche wegen erwiesener Notwehr. In drei Fällen wurde jedoch die Notwehr überschritten. Einmal führte dies zu einer bedingten Verurteilung von einem Jahr wegen Überschreitung der Notwehr. Leo hat nicht die gelinderen Mittel eingesetzt, die zur Verfügung gestanden hätten.
Die Frage bleibt, warum sollte er das tun?
Bei diesem Vergewaltiger? Der noch einmal mit Gewaltausübung die ehelichen Pflichten seiner Frau einforderte, obwohl sie bereits in Scheidung lebten, getrennte Wohnsitze hatte, diese nur noch nicht gerichtlich bestätigt war.
Oder genauso Leo Augenzeuge wird, er miterleben musste, wie ein Mann seiner Begleiterin ins Gesicht schlägt. Ihr bei dieser Auseinandersetzung nicht nur ihr ihre goldenen Armreifen ziemlich wild herunterzieht, sondern auch brutalst ihre großen Ohrringe herunterreißt und Leo sieht Blut aus ihren Ohren tropfen.
Leo bei der nächsten Haltestelle aussteigt und das macht genau den Leo Witsch nun aus, er nicht weggeht. Nur den Wagon wechselt, zu der Notbremse geht, diese zieht und diesen Typen von der Frau einmal wegstoßt.
Der Gewalttäter etwas später genauso blutete, aber auch Leos Blut durch sein Cut am Auge von dem Schlagring seines Widersachers auf den Boden in dem neuen Straßenbahn-Wagon tropfte. Das wurde die 3. Notwehr-Überschreitung, trotzdem für Leo einen Freispruch, eine Belobigung für seine gezeigte Zivilcourage, von der Vorsitzenden.
Und noch zu jenem, welcher, der Leos Freundin richtig todgeschlagen hatte? Karin vielleicht Leos einzige ganz, ganz, große Liebe geworden wäre, ja vielleicht? Ein Zuhälter der übelsten Sorte, gewohnt, mit Schlägen seine Frauen gefügig zu machen, wollte Karin, Leos damalige Freundin, um sie auf den Strich zu schicken. Er wirklich in den Glauben, sie sei ein leichtes Mädchen, da sie meist durchsichtige Blusen trug und bei Leo, immer lustig und gut gelaunt war. Sie es mit dem Bussi-Bussi und herum schmusen nicht so genau nahm. Karin war aber nur eine lebenslustige achtzehnjährige der damaligen Zeit.
Leo dieses nun im Kühlhaus identifizieren musste. Tod durch Genickbruch. Wäre diese Tat nicht im Vergnügungspark passiert, diese vermutlich nie aufgeklärt geworden, denn die Polizei gab sich wirklich wenig Mühe, Wochen vergingen.
Doch das Geschäft ging stark zurück, bei Einbruch der Dunkelheit nur mehr jene Menschen unterwegs, die sich in dieser Atmosphäre erst wohlfühlen. Die Schausteller des Vergnügungsparks, alle legten zusammen und eine hohe Kopfprämie wurde versprochen, für Hinweise.
Dann ging es schnell, bereits 2 Stunden nach der Veröffentlichung, "Goldzahn", Leos Chef und Besitzer der Karibikhalle einen Hinweis bekommen. Wer es war und wo er sich zurzeit aufhielt.
Wie Leo mit ihm fertig war, mussten sie den "Fetten Fred´l" sogenannt wegen seiner eingefetteten Haare, in einer Notoperation die Milz und beide Hoden entfernen. Er legte damals vor mehr als 20 Typen in dem Lokal ein Geständnis ab, mehr als 40 Ohren hörten und verstanden:
>Er hat ihr nur a’ Watschn geben und sie ist afoch umgfoll´n <
Keiner der anderen Gäste ist dazwischen gegangen, um das zu beenden. Haben einen Kreis gebildet und Platz gemacht.
Auf Krücken stehend hat er das Urteil angenommen, sowieso ein Hohn für den Wert eines Menschenlebens, nur 5 Jahre Haft, wegen Todschlags im Affekt.
Leo wurde ebenso verurteilt, da er auch hier keine gelindere Mittel angewandt hatte. Die schweren lebensbedrohlichen Verletzungen waren unnötig und dienten lediglich, für ihn zum Aggression-Abbau. Da bereits vor der Auseinandersetzung von dem Angeklagten seine Aussage als Geständnis zu bewerten gewesen sei. Leos Pflichtverteidigerin in ihrem Plädoyer; es doch auch nachvollziehbar sei, durch den Verlust eines geliebten Menschen.
Jedoch die Schwere der Verletzungen wie lebenslange irreparable Beeinträchtigung bei Herrn Z. faste er ein Jahr bedingt, mit Bewährung auf drei Jahre aus.
Und zusammenfassend, was machte Leos Leben bis zu seinem 21. Lebensjahr aus? Mutig sein, keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gehen und der Grund war meist, dass ein Mädchen oder eine Frau sich in Schwierigkeiten befand. Sich selbst treu sein zu seinen Wertigkeiten der für sich selbst zurechtlegte, ohne besondere Vorbilder zu haben. Wie weit es richtig oder falsch war, erwies sich immer dann erst in der Zukunft.
Leo Friedrich Witsch der VI. stammt aus einer verarmten Kohlendynastie. Sein Ur-Ur-Großvater ein Soldat in der Armee des Zaren. Losgeschickt eine Armee als Unterstützung für den Kaiser gegen Napoleon. Ob verwundet oder der Liebe wegen in Österreich geblieben weiß man nicht. Urgroßvater, Leo der II. einst ein reicher Kohlebaron (Geldadel) und Gast am Tisch des Kaisers. Machte mit dem "schwarzen Gold" sein Vermögen. Kein Ofen des Kaisershauses ebenso wie dem Militär, wurde nicht ohne Kohle des K&K Hoflieferant Witsch befeuert. Er ließ Mietshäuser in der Vorstadt errichten und war Aktionär bei den Gasspeichern, die ab 1909 überall in der Stadt errichtet wurden.
Der Erstgeborene des Kohlebarons, als Witsch & SOHN, wie es auf der Hausmauer über dem Geschäft stand, sprichwörtlich mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, zeigte jedoch wenig Interesse an Kohlenstaub.
Stattdessen beherrschte er Violine und Akkordeon vorzüglich und komponierte lieber Wiener und heurigen Lieder. War gern gesehener Gast bei Wirten und Heurigen, bekannt für seine Großzügigkeit und stets umgeben von lebe Frauen. Und da scheint Leo viele Gene seines Großvaters geerbt zu haben.
Gene sind jene Erbmassen, die an Kinder weitergegeben werden. Sowohl Musiker als auch Alkoholiker können davon betroffen sein. Eines dieser Gene könnte das eines bestimmten Frauentyps sein.: vorne „Brett´l, hinten Latte“, das bezeichnet eine vollschlanke Frau mit kleinem Busen und wenig Po. Leo fühlt sich besonders zu diesem Frauentyp hingezogen, wo er sein Helfersyndrom und seinen Beschützerinstinkt voll ausleben kann.
Die Inflation und der neue Schilling, der Krieg und nicht zuletzt die Spielsucht seines Großvaters, der das letzte verbliebene Vermögen verspielte. Als dies öffentlich wurde, waren Schuldscheine und Hypotheken auf Häuser und Grundstücke ausgestellt, alle Aktien verkauft. Er floh in der Nacht vor Leos Geburt mit dem letzten Pferd und der Hochzeitskutsche, ohne eine Spur zu hinterlassen, wo er geblieben sein könnte.
Leos Eltern begegneten sich an einem sonnigen Novembersonntag. Inge, Leos Mutter, verspürte Hunger, und Leopold, sein Vater, lockte sie mit der Aussicht auf einen Schweinsbraten mit Kraut und Knödeln, den es an diesem Abend bei ihm geben würde – falls sie ihn begleiten würde.
Inge bis dato das noch nie vor sich auf einen Teller gehabt, ging also mit und auch in sein Zimmer und Leopold war ihr erster Mann. Es war ihr erstes Mal und eine „Prozedur“, wie sie in ihr Tagebuch schrieb. Der Duft von Kraut und Fleisch, der sich durch die gesamte Wohnung und schon im Treppenhaus ausbreitete, ließ sie wissen, dass sie heute bereit war, alles zu tun, um sich endlich satt zu essen. Hunger, ein Gefühl, das viele von uns heutzutage kaum noch kennen, war in der Nachkriegszeit allgegenwärtig. Viele Menschen litten darunter, und Inge musste mit ihren zwei Geschwistern auf Geheiß ihrer Mutter zu den Nachbarn gehen, um Essen zu erbitten. Ein Schweinsbraten zu dieser Zeit schon fast wie eine Sünde – sehr selten und nur durch Schleichhandel erhältlich. Man tauscht es gegen Kohle, die der Urgroßvater noch vor dem Kriegsbeginn im Keller gebunkert und eingemauert hatte.
Inge nach diesen „Schweinerei“– Schweinsbraten essen schwanger und sie hatten sich bereits aus den Augen verloren.
Nach dem Schweinebraten essen, gab es von Leopold noch einmal eine Einladung, zu Wiener Schnitzel, wieder am Abend bei ihm zu Hause, doch vorher ins Kino, ein Film mit Marilyn Monroe. Inge verzichtete dann doch noch auf das Abendessen und verabschiedete sich von Leopold noch im Kino. Ihre Arbeitskollegin, die mit war, sie ja eine richtige Vollblutfrau, hingegen zu Inge, diese eine Kindfrau.
Und man kann darüber nur spekulieren, es gibt eine Linda, die drei Wochen jünger ist als Leo. Die Arbeitskollegin von Inge mehrere Wochen mit Leopold leiert. Er seinerzeit noch als Friseur arbeitete.
Inge und Leopold sich aus den Augen verloren, Leopold war aufbrausend, auffallend muskulös und ganz und gar nicht ihr Typ.
Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass nun geheiratet werden musste. Der Kohlebaron, durch einen Schlaganfall fast blind, doch das Oberhaupt der Familie, bestand darauf. Einen unehelichen Witsch gebe es nicht in der Hierarchie der Familie Witsch.
Und Leo? Der wurde in eine denkbar ungünstige Situation hineingeboren.
Leo wurde in eine denkbar ungünstige Situation hineingeboren. Seine Eltern zwangsverheiratet, verstanden sich absolut nicht. Vater warf einmal aus Wut den Tisch samt Abendessen gegen die Wand, Inge musste doch erst kochen lernen, und das Essen war ungenießbar. Auch wurde erzählt, dass er einmal, als er wegen der Verschwendung von Lebensmitteln wütend wurde, die Eingangstür so heftig zuschlug, dass sie samt dem Türstock in Zeitlupe ins Zimmer fiel.
Daher wurde Leo frühestmöglich in ein Wochenklosterinternat gesteckt, um die Verantwortung und vor allem die Erziehung des Filius, anderen zu übertragen. Obwohl es sicher kostspielig war, Vater seinen Friseurberuf aufgegeben und einen Hilfsarbeiter Job in einer Schokoladenfabrik begonnen. Und seine Mutter, Weißnäherin in einer Mantelfabrik Akkordarbeit verrichtete. Beide gut verdienten und wie es für die Nachkriegsjahre üblich, es galt sich etwas aufbauen.
Die Voraussetzungen für die Aufnahme in diesem christlich geführten Internat waren; römisch-katholisch getauft, eine Lohnbestätigung und der Knabe musste sauber sein, sprich, keine Windeln mehr tragen.
Und um vor der restlichen Familie nicht als Rabeneltern dazustehen, gaben sie Leo seinen Onkel mit. Dieser war fast drei Jahre älter und der jüngste Bruder seines Vaters. Sicher von ihnen gut gemeint, für Leo jedoch war es der schwarze Peter oder die Arschkarte?
Erstens! Die beiden sind sich zuvor noch nie begegnet, sich fremd und Onkel Rudi wollte auch nicht das Kindermädchen für Leo sein. So war es sicher angedacht, doch es funktionierte nicht aus zweierlei Gründen. Und dieses;
Zweitens! Leo in der Gruppe der kleinsten sogenannten Krabbelstube nie angekommen, denn vom ersten Tag an, er von den größeren Mädchen beaufsichtigt und betreut. Von der Garderobe weggetragen, um auch dort zu bleiben.
Na ja, wieder gäbe es ein? Wenn aber?
Vielleicht wäre Leo ohne Onkel Rudi ein ganz normaler Junge geworden. Hätten sich ein oder mehrere Jungen um ihn gesorgt? Würde er dann mit Autos spielen, "Mensch ärgere Dich nicht" und Fußball genießen? Würde er mit den anderen Jungen zusammen die Mädchen necken? Doch das Schicksal schien andere Pläne für Leo zu haben.
So ist aus den Tagebuchaufzeichnungen seiner Mutter zu lesen, wie es sich bei der Übergabe zugetragen hat.
15.12.1952: Heute brachte ich beide ins Internat. Rudi fand rasch Anschluss und ging, ohne sich von mir zu verabschieden. Poldi weinte und klammerte sich an mich. Die Schwestern holten zwei ältere Mädchen, die ihn wegtrugen. Es tat mir weh, ihn so zu sehen, doch es ist erforderlich.
5.01.1953: Heute war es wieder sehr hart. Poldi hat einen Aufstand gemacht, weil er über die Weihnachtsfeiertage zu Hause und heute wieder sein erster Tag, zurück ins Internat. Rudi musste ihn diesmal wegtragen. Poldi sehr laut geschrien, was mir erneut das Herz gebrochen hat.
12.01.1953: Heute wäre es fast zu einem Abbruch gekommen, da die Schwestern wollten, dass ich Poldi wieder mitnehme. Ihre Meinung, er doch noch zu jung. Zwei Mädchen kamen wieder, konnten mit ihm ganz gut sprechen und er ging mit ihnen mit. Kam noch einmal zurück, glaubte er will sich verabschieden, doch er schlug auf mich hin! Ich weiß nicht, warum?
4.05.1953: Es hat bisher oft gut geklappt, doch heute kam es wieder zu einem Exzess. Habe eine halbe Stunde verloren und kam verspätet zur Arbeit. Die Vorarbeiterin warnte mich vor einer Entlassung, falls ich nochmals zu spät erscheine. Ich darf Poldi am Wochenende nicht mehr so verhätscheln!<
Verhätscheln? Heißt verwöhnen! Und da ist auch gar nichts jetzt falsch zu verstehen. So ist es nachzulesen in dem kleinen orangenen Usus Heftchen in Postkartenformat. Leo wurde danach eben vom abholen am Freitag bis Montag zum Übergeben, nicht verhätschelt.
Ersten Tag im Klosterinternat;
Rudi bekommt als der ältere der beiden, wie berichtet, die ganze Aufmerksamkeit der Buben. Leo schrie, hängte sich an seine Mutter und er, mit seinen erst 17 Monaten, das erste Mal jetzt ohne Mama?
Rudi sprach über Leo, ein Kind, das oft weinte. Psychologen bestätigen, dass solche Erlebnisse ein Kind dauerhaft prägen können. Die stetigen Trennungen jeden Montag nach dem Wochenende von der Mutter und die wiederholten Abschiede jeden Freitag, wenn er abgeholt wurde, prägten sein Wesen. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr.
Für Leo gab es nur "die will ich" oder "diese nicht". Eine Bezugsperson zu finden, war unmöglich, da auch in seiner Gruppe das Kommen und Gehen bei den Mädchen anhielt. Klosterschwestern kamen dafür nicht in Frage. So wuchs Leo auf, ohne Liebe zu kennen oder zu fühlen, und konnte folglich auch keine Liebe schenken. Doch mit der Zeit wandelte sich dies, und seine ersten persönlichen Erinnerungen bildeten sich im Alter von fünf Jahren.
Leo, in diesem christlich geführten Internat aufgewachsen, seine ersten Kinderjahre verbracht. Jedoch außer täglich dreimal gemeinsam beten, gab es nichts Christliches.
Strenge bis hin zum sadistischen, aber vor allem extrem ungerecht. Leo damit groß geworden, es aber nicht verstehen wollte. Was für einige gültig war, wurden andere dafür bestraft. Die Schwestern hatten ihre Lieblinge, deren Eltern wohl ein wertvolles Mitglied der Gemeinde, Zahler, Spender oder Kirchengeher? Diese Kinder sich auch mehr herausnehmen durften.
Und die bevorzugte Strafe für Ungehorsam war in die Besenkammer einsperren. Ein Raum in der Wand, ca. 1 x 1,5 Meter, vollgeräumt mit Eimer, Besen und Kanister.
Nun, der Autor möchte das Interesse von Leser nicht verlieren, und die Frage ist natürlich, ob das Leben und das, was Leo passierte, wofür er als fünfjähriger begann sich zu engagieren ausreicht, um weiterzulesen? Natürlich könnte man vorab annehmen, bei einem fünfjährigen? Was sollte da schon aufregendes passieren?
Leo ist nicht normal, sagen die Klosterschwestern, seine Mutter hörte es oft und oft beim Abholen und dazu auch unglaubliche Geschichten, die sie manchmal in ihr Tagebuch verewigte. Was bedeutete für die Schwestern denn "nicht normal"?
Eine kurze Retrospektive?
Immerhin beschäftigte er den Bischof, die Schwester Oberin wurde entlassen und durch eine weltlich ausgebildete Internatsleiterin ersetzt. Eine Ärztin erstattete Anzeige gegen die Leiterin des Internats, wegen Leos Bewusstlosigkeit, (die allerdings?) Leos einzige Vertraute, sein Lebensbezugsmensch, die 14-jährige Anita, wurde hinausgeschmissen. Gut, okay, Leo nackt im Bett und sie bei ihm! Schlimm, doch hätten sie gefragt, wie warum?...... Leo setzte sich für ihre Rückkehr ein, der Sekretär des Bischofs kam und hörte ihm zu, und?.. Dies war nur zwei von vielen Dingen die Leo passierten, warum ihn? ..... Bleibt und liest, aus einer Zeit um 1955 bis ...
Beginne mit der Besenkammer! Die Kammer des Schreckens und Harry Potter gab es damals noch nicht!
Für alle Kinder, egal ob Jungen oder Mädchen, war diese Kammer ein Albtraum. Sie mussten vor der offenen Tür niederknien und alles Mögliche wurde da versprochen. Manches war nicht verhandelbar; sie wurden unsanft, mit Knien und Füßen, hineingestoßen. Leisteten dieser Widerstand, kamen die Schwestern auch zu zweit.
Und das Weinen und Schreien, insbesondere von Mädchen, rührte Leo zutiefst. Als sensibler Krebs geboren, reagierte er besonders darauf. Hier entstand wohl der Beginn seines späteren Helfersyndroms.
Er kann nicht genau bestimmen, wann es anfing; seine frühesten Erinnerungen stammen um seinem fünften Geburtstag, und auch wann eben der erste Aufenthalt in der Besenkammer war, kann er nicht sagen. Aber der Grund ist ihm in Erinnerung.
Es gab bei ihm keine Unterwerfung, kein Knien oder Entschuldigungen. Er musste auch nicht hineingezwungen werden. Der Auslöser war ein Dreirad, das ausschließlich in der Garderobe genutzt werden durfte. Ein anderer Junge glaubte, er hätte ein exklusives Recht darauf. Als Gaby ihre Runden drehte und er wieder an der Reihe sein wollte, zog er sie vom Dreirad. Leo schritt ein, um das zu unterbinden, was zu einem heftigen Streit eskalierte. Beide waren gleich groß, doch Leo war jünger, auch kräftiger und steckte Schläge besser weg. Zu weinen, kam für ihn nicht infrage.
Kurt schrie laut und hielt sich das von einer Ohrfeige getroffene Ohr. Die Schwestern beobachteten dies und urteilten sofort. Kurt weinte und litt unter Ohrenschmerzen, während Leo unverletzt danebenstand, was ihn zum vermutlichen Täter machte. Ohne nach einem Grund zu fragen, passte es, die Tür öffnete sich, und Leo betrat den Raum ohne Schubsen oder Zwang. Draußen wurde die Tür abgeschlossen und Leo war von Dunkelheit umgeben.
Leo ertastet einen Stoß Metalleimer, dreht diesen um, legt einige von den Bodentüchern darauf und setzt sich.
Gabi setzte sich vor die Tür, weinte, schob ihre Finger darunter, Leo streichelte diese. Sie machte sich Vorwürfe, sie sei schuld. Leo schickte sie weg, er ist selber schuld und fand es selbst auch hier gar nicht so schlimm.
Er lehnte sich an die Wand, schloss die Augen, entspannte sich und schlief sogar ein.
Die Nonnen, die Leo später "Pinguine" nannte, verwendeten diese Kammer des Schreckens, um Disziplin und Gehorsam zu erzwingen. Leo befand sich oft in dieser Kammer, weil er mutig den ungerechten Methoden der Schwestern trotzte. Aber eines Tages änderte sich alles.
Hilde, ein Mädchen aus Leos Gruppe, das er sehr bewunderte, wurde des Betrugs bezichtigt und in die Besenkammer gesperrt. Ihr Klopfen und Schreien verwandelte sich in Schluchzen. Leo, der es nicht mehr ertragen konnte, hörte schließlich nur noch ihr Keuchen und Würgen.
Er holte Anna, diese positionierte sich an der Tür zum Aufenthaltsraum, um Wache zu stehen. Entschlossen stellte Leo einen Stuhl vor die Tür, kletterte hinauf und schob den oben angebrachten Riegel zur Seite. Befreite Hilde und die versteckte sich im Schlafsaal. Leo die Tür wieder verriegelte und den Stuhl an seinen ursprünglichen Platz zurückbrachte.
Die Schwestern bemerkten Hildes Abwesenheit erst, als sie die Besenkammer öffneten. Und Leo hatte unter den anderen Jungen kaum Freunde, er sich fast mit jedem schon mindestens einmal gestritten hatte, was letztendlich zu seinem Verrat führte. Obwohl Schwester Agatha ihn sofort verdächtigte – wer sonst hätte so etwas gewagt? –, Leo wurde jetzt in die Besenkammer gesperrt. Diesmal führten gleich drei Pinguine die Bestrafung durch, und als strafverschärfend wurden alle Metallkübel entfernt. Leo musste so wohl stehen, denn der Platz auf dem Boden reichte nicht aus, um sich zu setzen. Daher wurde Leo kreativ, drehte einen der dort gelagerten Plastikeimer um sich daraufzusetzen.
Und genau das kennzeichnete jetzt die letzten Stunden der "Kammer des Schreckens", wie auch das Ende der Ära der Schwester Oberin.
In einem von christlichen Werten geleiteten Internat kümmerten sich Nonnen in grauen Gewändern und weißen Schürzen um die Betreuung von über 40 Kindern. Täglich Nachmittags, wurde ein Drittel der Kinder abgeholt und wieder am nächsten Morgen oder nach der Schule zurück in die Betreuung. Sechs Kinder – vier Jungs und zwei Mädels – wurden nie abgeholt und verbrachten auch die Wochenenden dort. Die restlichen Kinder, im Alter von sehr jung bis etwa 15 Jahren, übernachteten von Montag bis Freitag im Internat. Es gab einen Schlafsaal mit Metallbetten, einen Waschraum und Toiletten. Der Speisesaal öffnete sich ausschließlich für die Mahlzeiten, ansonsten hielten sich alle Kinder in einem großen, langgestreckten Saal auf.
Durch Regale als Raumteiler wurden verschiedene Zonen geschaffen: eine Krabbelstube für die Kleinsten, eine Puppenecke für die Mädchen, eine Bastelzone für die Jungen und eine Lern- und Studienecke für die älteren Kinder.
Im hinteren, ruhigeren Teil des Raumes waren mehr Mädchen als Jungen – Mädchen, die aus irgendeinem Grund darauf bedacht waren, Leo zu beaufsichtigen und sich bis zum Schlafengehen mit ihm zu beschäftigen. Wenn Leo mit den älteren verschiedenste Brettspiele spielte, verlor er häufig, was durchaus nachvollziehbar war. Aber ließen sie ihn gewinnen, merkte er es und verlor das Interesse am Spielen. Verlieren war für ihn einfach unerträglich, ein Gefühl, das er nicht kontrollieren konnte.
Doch gab es ein Spiel, das er liebte und das er auch allein spielen konnte, wenn die Älteren in der Schule waren. Er war dabei auf niemanden angewiesen, denn Anita hatte ihm alles beigebracht. Anita und Leo pflegten eine ganz besondere Beziehung – dazu werden später noch einige Geschichten erzählt.
Und Leo, gerade mal etwas über fünf Jahre alt, konnte schon bis hundert zählen, mit den Fingern sogar noch weiter und im Kopf addieren – ein Verdienst des Spiels Mikado. Mikado erfordert Geduld und Geschicklichkeit anstelle von Würfelglück. Jedes Stäbchen hat einen anderen Wert: 5, 10, 15, 20 und 50 Punkte. Ziel des Spiels ist es, so viele Stäbchen wie möglich zu sammeln, indem man sie vorsichtig herauszieht, aufnimmt oder in die Luft wirft, ohne dass sich ein anderes Stäbchen auf dem Haufen bewegt, da der Spielzug sonst ungültig ist.
Leo kam nie in der Krabbelstube an, sondern verbrachte seine Zeit von Beginn an mit Älteren. Indem er ihnen zuhörte und ihre Sprache sowie Denkweise annahm, entwickelte sich sein Intellekt auf das Niveau eines Zwölfjährigen, statt eines Fünfjährigen. Dies zu verstehen, ist wesentlich, um Leos Verhalten nachvollziehen zu können. Während sich andere Fünfjährige bei Lärm verstecken würden, tat Leo das nicht. Er rettete ein Mädchen aus einer Besenkammer und wurde zur Strafe selbst darin eingeschlossen. Da ereignete sich ein Vorfall, der das Ende der Kammer des Schreckens und später auch das der Internatsleiterin einläutete.
Leo, der gewöhnlich auf diesen Metallkübeln saß, musste nun stehen, da sie diese als "Strafverschärfend", -der Zorn bei Schwester Agatha extrem-, entfernt hatten. So setzte Leo sich auf einen der gelagerten Kanister. Das war aber unbequem, und so kippte er diesen um, um sich daraufzusetzen. Der Kanister wurde undicht, das auslaufende Desinfektionsmittel verschlechterte die Luftqualität, und die Flüssigkeit versickerte irgendwo.
Leo musste sich auf den Boden legen, ein Klopfen und auf seine prekäre Situation aufmerksam machen kam für ihn nicht infrage. Seine Knie fest an seinen Körper gezogen und seine Nase so nah wie möglich an den Spalt unten, bei der Türe. So lag er da, atmete von draußen die reine Luft und es dauerte natürlich lange, bis die Tür geöffnet wurde.
Mit geschlossenen Augen lag er da, und Leo ließ sie zu, stellte sich bewusstlos. Jetzt Panik bei den Schwestern, mit kalter Waschlappen Massagen, doch Leo bewegte sich nicht. Die ersten Mädchen, die daneben standen, begannen zu weinen. Leo bemühte sich, die Augen geschlossen zu halten, so wie zu Hause, wenn er sich schlafend stellte, um von seinem Vater in Ruhe gelassen zu werden.
Schließlich entschloss man sich, die Rettung zu rufen.
Die Schwester Oberin entschied, dass man die Rettung rufen sollte. Es ist das Jahr 1956, die Rettung war ein grüner VW Bus, am Dach Blaulicht, und besetzt mit einem Arzt, und Sanitäter wie Rettungsfahrer. In diesem Fall war es eine junge Ärztin, besonders zu erwähnen, dass sie rote Haare, blasse Haut und Sommersprossen aufwies. Die hellblauen Augen, mit Anita, Leos derzeit wichtigsten Menschen sich so ähnlich waren. Rote Haare in Leos Leben beziehungsweise diese Menschen noch eine ganz bestimmte Rolle spielen werden. Er ganz besonders für diese Menschen emphatisch reagierte.
Leo noch immer in dieser Position am Gang vor der Besenkammer, allerdings mit Polster und Decke. Man roch auch bereits hier am Gang diesen intensiven Infektionsmittel Geruch und Leo bekam eine Sauerstoffmaske, wurde auf die Trage gelegt und im Rettungswagen die Ärztin:
>hey, kannst aufwachen, ich weiß dass du schwindelst, aber ist okay. Erzählst du mir was da los war?<
Durch diese Ähnlichkeit mit Anita, Leo ihr jetzt vertraute und begann zu erzählen. Leo erinnert sich, dass er von ihr dabei gestreichelt wurde, was selten bis gar nicht passierte. Die Ärztin machte Notizen, fragte Leo, ob er schon aufstehen kann und wie er sich fühlt. Leo sich hervorragend fühlte, denn die Ärztin hatte ihn versichert, dass sie eine Anzeige gegen die Internatsleitung machen wird. Denn hätte er sich nicht so geschickt angestellt mit seinem Luftholen aus dem Türspalt, hätte es für ihn sehr schlecht ausgehen können.
Sie brachte Leo in das Internat zurück, verlangte für ihn Bettruhe und Leo wurde in sein Bett gebracht, und sein Abendessen dort unter der Betreuung von Anita auch eingenommen.
Es dauerte noch Tage, bis ein schwarzes großes Auto vor dem Internat und der Bischof mit seinem Sekretär vorfuhr. Auch Polizei war da, diese wieder sich einiges notierten. Alle zusammen standen vor der Besenkammer um das Abmontieren des Riegels und den Einbau eines Schlosses zu Überwachen. Und ganz sicher gab es auch für Schwester Oberin eine Belehrung. Dann wollte er den Jungen Buben sehen, der wohl der Auslöser für das ganze war und alleine mit ihm sprechen.
In der Kanzlei, Leo wurde er aufgefordert, genau zu erzählen, wie es dazu gekommen ist.
Für viele Kinder das Ende der Besenkammer erfreulich aufgenommen, nur für Leo ein neue, nun noch schlimmere Zeit begann. Es begann echt brutal zu werden.
Die Klosterschwestern, ihrer pädagogischen Hilfsmittel beraubt, standen vor einer verschlossenen Besenkammer, zu der nur das Reinigungspersonal den Schlüssel besaß. Leo, war bei den Mädchen des Internats sowieso beliebt, gewann nun auch die Zuneigung einiger Buben. Speziell jene, die schon in der Besenkammer einmal eingeschlossen waren.
Ob die Oberin für ihre Handlungen vom Bischof gerügt wurde, ist ungewiss, doch es erscheint plausibel. Denn Leo stand jetzt neuen Bestrafungen gegenüber, was letztendlich aber zum Ende der Amtszeit der Oberin und zweier weiterer Nonnen führte. Doch alles der Reihe nach.
Leo verbrachte den größten Teil des Tages, wie bereits bekannt, in der Gruppe der Älterer, die alle durchwegs eben ein paar Jahre älter waren als er. Und, er fühlte sich dort wohl und akzeptiert. Es kam ihm selbst nie seltsam oder ungewöhnlich vor; es war einfach immer so gewesen. Mit kindlichen Spielsachen wie mit Bausteine einen Turm aufbauen und am Boden mit Autos herumfahren, konnte er nichts anfangen. Wenn es um das Rollenspiel 'Mutter, Vater, Kind' ging, wurde er oft dazu geholt, aber er spielte die Vaterrolle nicht gut – woher hätte er das auch wissen sollen? Einmal äußerte er einen Satz, den er oft zu Hause gehört, ohne weiter darüber nachzudenken: "Bist ja hin im Schädel"! Eine Schwester zufällig hörte und schon war er in der Besenkammer. Leo empfand es aber damals als eine Auszeit: die Eimer umdrehen, Bodentücher darauf legen und sich hinsetzen und ein Schläfchen halten.
Die neuen Strafen, wenn er etwas tat, das die Pinguine verärgerte, war nun um vieles schmerzhafter.
So öffneten Leo mit zwei Mädchen gemeinsam die schwere Glastür zum Speisesaal, die durch die automatischen Schließer für Kinder kaum zu bewältigen war. Sein Ziel war der Tisch, an dem Hubert gequält wurde.
Hubert, ein Junge, der häufig weinte und herumgeschubst wurde. Als Außenseiter war er oft auf Leos Unterstützung angewiesen. Er war ein Heimkind, es gab niemanden, der ihn abholte. Und besuchte damals bereits die dritte Klasse Volksschule.
Und sie quälten ihn, beide Schwestern, Agatha und Maria und hatten dazu ein sadistisches Grinsen in ihren Gesichtern. Eine hielt Hubert die Nase zu, die andere schob ihn den Löffel Spinat in den Mund. Ein bitterer Spinat, fast keiner hat diesen gegessen, viele nur die Kartoffeln und die Wurst, den Spinat stehen lassen, so auch Hubert. Er musste sitzen bleiben, die anderen aus dem Speisesaal geschickt, einschließlich auch Leo.
Leo von draußen sehen musste, dass von ihm auch das bereits erbrochene zurück in den Mund geschoben wurde. Ihm dicke Tränen über die Wangen liefen, schien sie aber nicht zu kümmern. Leo es mitansehen musste, wie auch einige andere Kinder, die das beobachteten und einige sogar dazu lachten. In Leo sich der Wunsch bemerkbar machte, hineinzugehen, um das zu beenden. Dazu brauchte er aber die Hilfe von Anita und Andrea, um diese Glastür gemeinsam zu öffnen. Sie sollten die Tür offen halten; er plante, wieder ganz schnell zurückzukehren.
Sein Vorhaben war; zum Tisch laufen, um den Teller auf den Boden zu werfen. Dies gelang ihm auch, der Kunststoffteller sprang herum und machte eine ziemliche Schweinerei. Die Schockstarre der beiden Pinguine auszunutzend, konnte er den Saal wieder wie geplant verlassen. Allerdings war sein Vorsprung zu gering, um ein Versteck zu finden, an dem er unentdeckt bleiben würde.
Er wurde eingeholt, zu zweit schleiften sie ihn in den Waschraum. Schwester Maria drückte ihn mit einem breiten Besen gegen die Wand, kräftig ihn an seiner Brust dagegen drückte. Und Agata nahm den Schlauch von der Wand, richtete die Düse auf Leo und drehte das Wasser auf. Gleich samt dem Gewand wird er jetzt abgespritzt, der harte Strahl schmerzte, wo er auf die blanke Haut traf. Leo wehrte sich natürlich, versucht zu entkommen, kann sich auch losreißen, doch fällt zu Boden und ist ihnen jetzt hilflos ausgeliefert. Das Wasser eiskalt, er zittert extrem, wie sie ihn der Schwester Rosa übergeben. Diese, eine Hilfsschwester, ein blaues Gewand und eine graue Schürze und weiße Haube. Sie war entsetzt, zieht ihn um und macht auch darüber eine Meldung bei der Schwester Oberin.
Diese es jedoch mit dem Argument billigte, denn Leo ist schwierig und es müssen ihm Grenzen gezeigt werden.
Zu seinem 5. Geburtstag bekam Leo einen grünen Eisentretroller mit Weißwandreifen geschenkt. Ein Draufgänger wie er kennt keine Angst – doch schon auf der Heimfahrt vom Kloster ereignete sich ein Unfall. Der Bordstein war zu hoch; obwohl er es schon einige Male geschafft hatte, mit dem Roller vom Fahrbahnrand auf den Gehsteig zu springen, endete es diesmal mit einem blutigen Knie und Ellbogen, einer zerrissenen Hose und einem verbogenen Vorderrad. Sein Vater das Vorderrad mit dem Hinterrad vertauscht, weshalb der Roller seit dem ersten Tag ungleichmäßig fuhr – mal nach links, mal nach rechts pendelte.
Mit diesem Geburtstag fangen Leos Erinnerungen an. Er erinnert sich, wie er am Freitag abgeholt wurde, gegenüber einer Kirche, sein Geburtstagsgeschenk, und ob zuvor Geburtstage gefeiert wurden – es gibt keine Fotos von Torte und Kerzen ausblasen. Überhaupt gibt es nur sehr wenige Fotos, genau genommen acht, und diese zeigen ihn erst mit seinem Roller. Auch erinnert er sich an einen Ausflug in den Türkenschanzpark. Vom höchsten Punkt des Parks, wo ein Aussichtsturm steht, führten Serpentinen steil bergab. Leo ließ es richtig krachen. Vier oder fünf Mal ging alles gut, aber bei der letzten Fahrt geschah es: Der Weg führte über eine schmale Holzbrücke, und als Leo um die Kurve kam, war diese plötzlich voller Menschen, so als wäre eine Reisegruppe eines Busses gerade unterwegs – einfach brechend voll.
Es gab keine Bremsen, nur die Möglichkeit auszuweichen, was über eine steile Böschung mit darin verwurzelten Felsen führte. Nachdem die Lenkstange mit seiner Nase in Kontakt kam und er stark blutete, wurde er von dem Arbeitskollegen seines Vaters, der gegenüber dem Park wohnte, nach Hause gebracht. Dort lag er auf dem Küchenboden, einen nassen, kalten Waschlappen im Nacken, bis das Nasenbluten schließlich aufhörte. Keiner seiner Eltern sah sich veranlasst, mit ihm ins Krankenhaus zu gehen. Die Schwellung ging zurück, aber seine Nase blieb eingedrückt und platt. Mit dieser Boxernase musste er bis zu seinem zwölften Lebensjahr herumlaufen. Dann, nach einer Auseinandersetzung mit sechs großen, halbstarken Jungs und einem darauffolgenden mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt, wurde seine Nasenwand korrigiert.
Leo blickt gern auf seine Zeit im Internat zurück, obwohl es viele Konflikte mit den Klosterschwestern gab. Im Rückblick erkennt er, dass diese Herausforderungen ihn positiv beeinflusst haben. Der Widerstand, den er bot, formte ihn zu der einzigartigen Person, die er heute ist. Die einstigen Strafen der Schwestern sind jetzt nur noch neutrale Erinnerungen.
Er erinnerte sich, wie Schwester Agatha ihn plötzlich nicht mehr zu den Älteren ließ, sondern ihn anwies, sich zu den Gleichaltrigen zu gesellen. Doch er fand kein Gefallen an Bausteinen und Autos, widersetzte sich und wurde dafür von Schwester Agatha mit einem nassen Handtuch geschlagen, wenn sie ihn erwischte. Aber auch das hörte auf, denn sie sah ein, dass es nutzlos war. Der Aufenthaltsraum war ein weitläufiger Saal, nur durch Regale geteilt, die als Raumteiler fungierten und es ermöglichten, sich einen Platz nach Belieben zu wählen.
Dann war da Anita. Sie schon 14 Jahre, ging in die letzte Klasse Hauptschule und sie mit Leo oder er mit ihr, den restlichen Tag gemeinsam verbrachten. Sobald sie von der Schule kam, saßen sie beisammen, beim Essen, wenn sie ihre Aufgabe machte, bis zum Schlafengehen.
Leo war ein Junge, der nicht spielen mochte, weil Spielen auch Verlieren bedeuten könnte, und das war für ihn unerträglich. Anita dagegen war eine Expertin im Mikado, einem Geschicklichkeitsspiel mit Stäbchen, die durch Ringe gekennzeichnet und unterschiedlich viele Punkte wert waren – 5, 10, 15, 20, 25. Dadurch wurde Leo wahrscheinlich der einzige Fünfjährige, der mit seinen Fingern bis 100 und weiter zählen und addieren konnte. Mikado, ein Spiel, das auf Geschicklichkeit statt auf Glück basierte, konnte Leo auch spielen, wenn Anita in der Schule war.
Und dann passierte etwas Schreckliches, dass Leo schrecklich weh tat, sie nahmen ihn diesen liebevollen, wertvollen einzigen Bezugsmenschen.
Im Juli feierte Leo seinen fünften Geburtstag, und kurz darauf ereignete sich Folgendes: An einem ganz normalen Tag bereiteten sie sich abends auf die Nachtruhe vor. In Gruppen begaben sie sich in den Waschraum zum Zähneputzen und zur Toilette. Danach sprachen sie stehend neben dem Bett ein Abendgebet, drehten das Licht ab und es herrschte Nachtruhe.
In jener Nacht, ohne jegliches Gefühl für Zeit, erwachte Leo, als etwas Nasses und Kaltes in seine Hand gedrückt wurde. Er konnte nicht ausmachen, von wem es kam. Doch das Geräusch plätschernden Wassers aus dem Waschraum bewog ihn, aufzustehen und nach dem Rechten zu sehen. Wasser floss in ein Becken, das schon überlief und den Raum flutete. Der fehlende Drehknopf, den er in der Hand hielt, war der Grund dafür. Leo bemüht, den Knopf rauf zudrehen, jedoch vergeblich. Nun, mit seinem Nachthemd durchnässt, rief er die Nachtschwester, die das Wasser auch nicht stoppen konnte. Letztendlich musste jemand den Hauptwasserhahn zudrehen, und Leo wurde, nass wie er war, fälschlicherweise als Verursacher angesehen, da der Zutritt zum Waschraum während der Nachtruhe untersagt war.
So wie er war, musste er sich in die Ecke stellen. Das Licht wurde wieder abgedreht und er stand, auf den kalten Fliesenboden, mit nassem Hemd. Lange, er zitterte und auch die Füße waren eisig, er harte aber aus, bis er sich niederlegen durfte.
Jetzt nahm das Unglück seinen Lauf!
Im Schlafsaal standen etwa 20 Eisenbetten, daneben Metallschränke. Große weiße Glaskugeln hingen von der Decke und verbreiteten ein intensives weißes Licht. Leo zitterte so stark, dass sein Eisenbett anfing zu rattern und zu klappern. Anita kam zu ihm, verlangte, dass er das nasse Hemd auszieht. Wickelte ihn in ein Handtuch und holte zusätzlich noch ihre Decke von ihrem Bett.
Für Leo war es etwas neues, das Bett mit jemandem zu teilen. Daheim besaß jeder sein eigenes Bett, und jegliche Versuche, dies zu ändern, wurden stets unterbunden. Weder bei Mutter noch bei Oma wurde das geduldet. Jetzt lag er neben Anita, die ihre Hand ausstreckte; er legte seinen Kopf auf ihrer Schulter, fühlte ihre Wärme und genoss es, wie sie ihm durchs Haar strich. So schlief er auch ein.
Munter wurde er von Lärm, jemand schrie, spürte wie neben ihm Anita unsanft aus seinem Bett gezogen wurde, sie landete am Boden und wurde weggezogen. Genauso auch Leo aus dem Bett musste und er war jetzt nackt. Das Handtuch sich wohl im Schlaf gelöst, unter ihm sich zusammengedreht.
Ein Skandal erschüttert das Klosterinternat! Als Konsequenz musste Anita das Internat verlassen, ohne die Möglichkeit zu haben, eine Erklärung abzugeben. Einige Stunden später wurde sie von ihrer Mutter in einem Taxi abgeholt, nicht ohne zuvor bereits in der Garderobe, mehrere Schläge erdulden zu müssen.
Leo kniete an der gläsernen Eingangstür, winkte ihr zu und ließ seinen Tränen freien Lauf, die seinen Kragen durchnässten. Er schwor sich, dass er dies nicht auf sich sitzen lassen würde.
Für den Rest des Tages zog er sich zurück, während Marion und Alexandra ihn mit einem Sessel und einer Scheibe Extrawurst auf Brot versorgten. Als Leo mit dem Sessel in den Aufenthaltsraum zurückkehrte, hatte sich der 5-jährige Junge verändert. Von nun an würde er es ihnen heimzahlen, und er wusste bereits, wie. Leo hatte einen Plan.
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Klugscheisser • Am 06.10.2024 um 16:08 Uhr • Mit 6. Kapitel verknüpft | |
Auch dieses 6. Kapitel gefällt mir wieder ausserordentlich gut. | ||
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Klugscheisser • Am 28.09.2024 um 15:49 Uhr • Mit 1. Kapitel verknüpft | |||||||||||
Hallo Leowitsch, ist dein Text rein autobiographisch oder enthält er auch fiktionale Anteile ? |
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Kapitel: | 15 | |
Überschriften: | 1 | |
Sätze: | 129 | |
Wörter: | 3.085 | |
Zeichen: | 18.785 |