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Die moralische Revolution - Den Konservativismus neu erfinden

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21.08.19 17:23
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Politische Denkrichtungen erleben Höhen und Tiefen. Das 20. Jahrhunderts ist beispielsweise als das Jahrhundert des Sozialismus und Kommunismus in die Geschichte eingegangen. Ausgehend von der russischen Revolution 1917, breitete die sich auf den Lehren Karl Marx beruhende Ideologie aus, bis schließlich die halbe Weltbevölkerung kommunistisch regiert wurde, insbesondere die Sowjetunion, die ehemalige DDR und China. Heutzutage ist der Kommunismus politisch betrachtet kaum noch relevant, da er sich als in der Realität untauglich erwiesen hat. Vorherrschend sind mittlerweile, bedingt durch den Erfolg der Marktwirtschaft, der Liberalismus und der eng damit in Verbindung stehende Kapitalismus.

Ähnlich wie beim Kommunismus deutet auch beim klassischen Konservativismus die Tendenz an, dass selbiger politisch mehr und mehr an Relevanz einbüßen muss. Dieses subjektive Empfinden lässt sich faktisch mit Zahlen und Statistiken belegen. Infolge der Europawahl 2019 musste die Fraktion der Christdemokraten (EVP) beispielsweise einen Verlust von 37 Sitzen im Parlament hinnehmen. Zwar ist diese Fraktion mit nach wie vor 182 Sitzen immer noch die stärkste Fraktion, verlieren jedoch die Mehrheit, die ihnen zuvor gemeinsam mit den nun ebenfalls stark geschwächten Sozialdemokraten zuteil wurde. Die Konservativen (EKR) hatte ebenfalls einen Verlust von 13 Sitzen zu verbuchen.

Im Gegensatz dazu erstarkte der rechtspopulistische Flügel in bisher nie vorhanden gewesenen Ausmaßen und gewann 36 Sitze dazu.

Auf nationaler Ebene verhält es sich ähnlich. Erhielt die CDU, die Partei, die in Deutschland wie keine zweite für klassischen Konservativismus steht, bei den Bundestagswahlen 2013 noch 34,1% der Stimmen, so sank dieser Wert bei der Bundestagswahl 2017 bereits auf 26,8%.
Aktuellen Umfragen zufolge lag die CDU gelegentlich gar hinter den Grünen. Wenngleich die CDU gemäß Wahlumfragen anderthalb Wochen vor den Landtagswahlen in Sachsen dort noch knapp vor der AfD liegt (28% zu 26%), bleibt das endgültige Ergebnis noch abzuwarten.
Bei der Europawahl war indes auffällig, dass 30% aller unter dreißigjährigen Wähler, für die Grünen votiert haben, was einen allgemeinen Trend zum Ausdruck bringt: Der Konservativismus ist überwunden und wurde durch moderner empfundene politische Denkweisen ersetzt.

Dem zugrunde liegt die weit verbreitete Annahme, der Konservativismus bediene nur die Interessen der älteren Bevölkerung (immerhin beträgt das Durchschnittsalter aller CDU-Mitglieder stolze 60 Jahre, gemäß dem Stand von 2017). Ihm wird vorgeworfen, er vertrete Ansichten, die nicht mehr zeitgemäß sind und verhindere somit gesellschaftlichen aber auch wissenschaftlichen Fortschritt. Darüber hinaus werden Differenzierungen zumeist nicht präzise genug vorgekommen. Somit ist es schnell passiert, dass Konservative mit Populisten oder gar Rechtsextremen gleichgesetzt werden. Der eigentliche Niedergang des Konservativismus wird folglich nicht als solcher wahrgenommen, da das Erstarken nationaler Parteien wie der AfD in Deutschland oder der Lega in Italien, irrtümlicherweise ganz im Gegenteil als neuer Aufschwung dieser politischen Denkrichtung empfunden wird. Dem ist jedoch nicht so! In Europa breitet sich Rechtspopulismus aus, nicht jedoch Konservativismus!

Problematisch ist in erster Linie das Selbstverständnis von Populisten, die sich selbst niemals als solche bezeichnen, sondern stattdessen von dem Begriff "konservativ" Gebrauch machen. Diese Darstellung führt zu grundlegenden Missverständnissen und begünstigt die unzutreffende Gleichstellung von Konservativen und Populisten. Aus diesem Grund ist es von essentieller Wichtigkeit, sich des Unterschieds genaustens bewusst zu werden.
Als Populismus bezeichnet man das Reduzieren von komplexen politischen Sachverhalten auf ein einziges Thema. Diese grobe Vereinfachung wird somit der vielschichtigen Wirklichkeit nicht mehr gerecht. Feindbilder werden mit Vorliebe auserwählt, um gezielt die in der Bevölkerung vorherrschenden Ängste auszunutzen.

Der Begriff "konservativ" leitet sich vom lateinischen "conservare" ab, was mit "bewahren" oder "erhalten" übersetzt werden kann. Der Konservativismus ist folglich bemüht, am Alten festzuhalten, wobei es ihm aber nicht darum geht, gezielt Hass zu schüren oder sich gänzlich dem Neuen zu erwehren, wie es beim Rechtspopulismus der Fall ist. Wie bereits thematisiert wird diese Einstellung dennoch als fortschrittsbremsend wahrgenommen, was vor allem die große Unbeliebtheit dieser politischen Richtung bei Jugendlichen erklärt.

Die Gesellschaft ist von Pluralismus geprägt. Das Individuum steht im Mittelpunkt. Traditionelles Gruppendenken wie es in weiten Teilen der Menschheitsgeschichte vorherrschend war, wurde überwunden. Der Pluralismus, ein Phänomen der Moderne, erlaubt es dem Einzelnen, seine Persönlichkeit vollkommen zu entfalten. Zugehörigkeiten zu bestimmten Gruppen sind unerwünscht. Da die Gesellschaft von Toleranz und Offenheit geprägt ist, wird Individualität hoch geschätzt. Was in der Theorie äußerst positiv erscheint, weist bei genauerer Betrachtung große Probleme auf. Individualismus führt zu enormen Konkurrenzdenken. Die Gesellschaft wird nicht mehr als Gemeinschaft betrachtet, im Gegenüber wird ein potentieller Gegner gesehen, der einen selbst mit seinem Individualismus übertrumpfen könnte. Vielfältige Verhaltensweisen, die aufeinander stoßen, geraten häufig in Konflikt miteinander. Dem kapitalistischen Leistungsdruck ist nicht mehr zu entgehen. Fehlgeleitete Toleranz schafft Raum für Fundamentalismus. Dies spiegelt sich in aktuellen Entwicklungen wider. Die politische Mitte, jene, die ein gesundes Maß an Konservativismus aufweist, wird immer unbedeutender. Deutschland und der Rest der Welt spaltet sich in extremistische Lager, Mäßigung ist kaum noch zu finden. Auf der linken Seite entstehen regelrechte Hysterien, die sich in Massentrends wie der Fridays for Future Bewegung, der politisch korrekten Sprache oder der sexuellen Freizügigkeit äußert. Die rechte Seite antwortet mit unberechtigtem Fremdenhass, grenzenlosem Populismus und nationalistischer Politik der Abschottung (Beispiel Brexit!).

Die allgemeine Entwicklung ist in beide Richtungen besorgniserregend und keineswegs wünschenswert. Der moderne Mensch wird aufgrund des Gruppenzwangs und des menschlichen Bedürfnis nach Zugehörigkeit regelrecht dazu genötigt, derart extreme Positionen einzunehmen. Wer geht aus diesem teuflischen Spiel als Verlierer hervor? Der rationale Mensch, der sich in seinem Handeln nicht von temporären Gefühlen oder gegenwärtigen Trends, sondern von seiner Vernunft leiten lässt! Hierbei äußert sich die wohl größte Schwäche des Pluralismus. Er gibt vor, allen Menschen gegenüber gleichermaßen tolerant zu sein, unterdrückt jedoch all diejenigen, die sich modernen Trends erwehren, konservativ agieren und somit als langweilig oder verrückt betrachtet werden. Vertreter der politischen Mitte, Angehörige eines rationalen und gesunden Konservativismus werden in einer bunten Welt diskriminiert!

Dabei stellen sich bei der Analyse des Konservativismus Vorteile heraus, die in diesem Ausmaß keiner anderen politischen Richtung zu eigen sind. Er orientiert sich an moralischen Werten! Um Missverständnissen vorzubeugen, in diesem Zusammenhang ist nicht von traditionellen Geschlechterrollen die Rede (der Mann muss stark sein und viel arbeiten, die Aufgaben der Frau beschränken sich einzig und allein auf den Haushalt und die Erziehung der Kinder), um ein Beispiel zu nennen! Ebensowenig beziehe ich mich hiermit auf wissenschaftlich eindeutig widerlegte Ansichten, wie dass der Mensch in der Natur eine Sonderstellung einnimmt, da er von Gott geschaffen und somit nicht der Evolution und natürlichen Entwicklung ausgesetzt war. Konservative Werte orientieren sich auch nicht an dem modischen Geschmack Alexander Gaulands.

Diese Beispiele und alles, was noch diesen Kategorien angehört, gehören einer veralteten und teilweise fehlgeleiteten Ausprägung des Konservativismus an. Diese Strömung ist tot, wie eingangs ausführlich dargelegt wurde, genauso wie der Kommunismus nach Lenin, Mao oder Stalin. Um den Konservativismus als solchen zu erhalten, muss er neu gedacht, neu erfunden und einer allgemeinen Modernisierung unterzogen werden. Hilfreich ist hierbei eine Besinnung auf jene Aspekte, die den gesunden Konservativismus im Kerne seines Wesens definieren.

Der Einfachheit halber lassen sich die gemeinten moralischen Werte als christliche Werte zusammenfassen, wenngleich diese an der Moral selbst und nicht am Christentum ausgerichtet sind und man somit kein Anhänger des christlichen Glaubens sein muss, um sein Leben nach diesen Traditionen auszurichten. Hierzu zählen Werte wie Nächstenliebe, Mitleid, Unterstützung der Schwachen, Wahrung des Friedens aber auch gesellschaftliche Denkweisen wie beispielsweise den Älteren Respekt entgegenzubringen.

Moralität trifft in einer kalt gewordenen Welt, in der jeder sich selbst am nächsten ist und einzig der eigene Vorteil in Betracht gezogen wird, auf nicht besonders viel Gegenliebe. Ethische Normen oder Lehren über das richtige Handeln werden als unbrauchbarer Schwachsinn, sinnloses Geschwätz oder dergleichen abgestempelt. Ethisch engagierte Menschen, die abwertend bezeichneten "Moralapostel" gelten als Spaßbremsen. Ob die Verachtung moralischer Werte aus der heutigen Spaßgesellschaft hervorgeht, Ausdruck eines krankhafte Züge annehmenden Individualismus und der damit einhergehenden Ablehnung aller traditionellen Normen oder aber als Resultat des Kapitalismus und eines zu toleranten Pluralismus ist, bleibt offen. Sicher ist dagegen, dass nur die Moral dazu in der Lage ist, den grundsätzlich egoistischen und triebgesteuerten Menschen davor zu bewahren, sich selbst in den Abgrund zu stürzen, Frieden und Sicherheit zu gewährleisten, das gesellschaftliche Zusammenleben sinnvoll zu gestalten und einen Ausgleich zwischen extremistischen Ansichten und menschenverachtenden Ideologien herbeizuführen. Die Aufgabe der Politik ist es, den Menschen vor sich selbst zu schützen.
Aus diesen Gründen plädiere ich für eine Überarbeitung des Konservativismus, um ihn wieder alltagstauglich zu gestalten, um somit den Herausforderungen und Gefahren des 21. Jahrhunderts entgegenzuwirken. Dies vermag diese Strömung allein nicht zu leisten, sie bedarf der Unterstützung anderer politischer Richtungen. Gepaart mit der Menschenliebe des Sozialismus, dem Menschenbild des Liberalismus und Aspekten eines gemäßigten und nicht ins Extreme ausartenden Pluralismus, kann es dem Konservativismus gelingen, sich neu zu definieren und von den Toten wiederaufzustehen. Keine veralteten Ansichten aber auch keine extremen Ideologien mehr! Tradition statt Trends aber Offenheit für Neues! Die schlechten Aspekte des Alten werden verworfen, die guten Aspekte des Alten bewahrt und nicht durch Neues ersetzt, sondern sinnvoll ergänzt zum Wohle einer toleranten und fortschrittsorientierten Gesellschaft, da Weiterentwicklung auf sämtlichen Ebenen, in Bereichen der Wissenschaft, Kultur und der Gesellschaft nur im allgemeinen Zusammenwirken möglich ist. Emotionalisierung jedweder Art muss aus dem politischen Handeln verbannt werden und einer rationalen und ethischen Vorgehensweise weichen. Die für tot geglaubte politische Mitte muss gestärkt werden, da der Fortbestand unserer Gesellschaft von ihr abhängig ist! Es wird höchste Zeit, Moral wieder populär zu machen. Denn der Moral allein, sind wir unterworfen und verpflichtet!

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