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Wenn ich meine Augen schließe [REPOST][2011]

200
08.07.19 22:56
12 Ab 12 Jahren
Heterosexualität
Fertiggestellt

Ich habe aufgegeben. Ich bin es müde, mir einzureden, dass alles gut wird. Wir sind alle müde. Doch wenn ich meine Augen schließe, dann warte ich lange auf den Schlaf. Zu viele schreckliche Bilder. Zu viele bittere Erinnerungen. Sie halten uns alle wach.

Der Krieg schafft seltsame Verbindungen. Manche halten all diese seltsamen Beziehungen für Wunder. Und naiv, wie wir waren - wie wir immer noch sind - glaubten wir, die alten Wunden könnten dadurch heilen. Aber stattdessen stürzt alles nur immer wieder auf uns ein. Jeden Tag, immer wieder aufs Neue.

Und so halte ich Nacht für Nacht einen zitternden Körper in den Armen, einen Frauenkörper, der immer noch eine Mädchenseele beherbergt. Ein Mädchen, dass an der Schwelle zu ihrem Erwachsenenleben stehen blieb, um nicht verkraften zu müssen, was die Welt ihr gab. Im Flackern der vielen Kerzen sehe ich ihre weit geöffneten Augen in die Dunkelheit starren. Ohne Licht können wir beide nicht schlafen. Zu viele Erinnerungen schleichen sich im Dunkel der Nacht an uns heran. Was sie wohl sieht? 

Ist es Potters blasser, blutleerer Körper, der ihr durch den Sinn geht? Der Geruch all der Blumen, die vielen weinenden Professoren und Schüler? Das Leid, das unsere Freude über Voldemorts Tod im Keim erstickte? Nein, ich glaube nicht, dass sie diese Bilder so sehr quälen wie mich. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon nicht mehr anwesend, hatte sich schon zurückgezogen in sich selbst, um nicht begreifen zu müssen, was ihr genommen wurde.

Ich weiß, wen sie vor sich sieht - Ronald Weasley. Wer weiß, wie lange es gedauert hat, bis sie das Unbegreifliche schließlich begreifen musste? Wer weiß, wann die Realität seines Todes sie wirklich traf? Vielleicht, als ich sie von seiner Leiche wegzerrte und vor den angreifenden Todessern in Sicherheit brachte. Vielleicht, als man seine Leiche schließlich barg, schon kalt und steif, viele Stunden später. Vielleicht, als sie mit seiner Mutter am Arm den Leichnahm identifizierte. Vielleicht zu seiner Beerdigung? Ich frage sie nicht danach. 

Ich weiß, dass ich es tun sollte. Aber ich tue es nicht. Das ist eigennützig, selbstsüchtig, es ist falsch. Aber will ich wirklich diesen Funken Glück zerstören? So, wie sie jetzt ist, kann sie nicht bleiben. Schlummert sie ein, schreit sie im Schlaf, liegt sie wach, lausche ich ihrem erstickten Schluchzen. Aber so, wie sie früher war, so kann ich sie nicht akzeptieren. Und sie wird niemals dorthin zurückkehren können. Die kleine Besserwisserin ist endgültig verschwunden, könnte genauso gut beerdigt sein wie Potter und Weasley. Und wie wird sie werden, sollte ihre Seele jemals heilen? Wo wird dann mein Platz sein? Die Wahrheit ist, ich fürchte um diesen einen Funken Liebe, den sie mir geben kann. Ich halte ihn mit all meinem Egoismus fest.

Ein seltsames Paar, so nennen uns viele. Aber sind wir seltsamer als die anderen Paare, die schließlich entstanden, als alles vorbei war? Was ist mit der kleinen Weasly, Ronalds kleiner Schwester? Sie klammert sich mit genau der selben Intensität an Longbottom, wie Hermine sich an mir festklammert. Das Absurde daran ist wohl, dass es zu funktionieren scheint. Wenn ich Ginny Longbottom in Hogwarts sehe, dann sieht sie zufrieden aus. Nicht glücklich, aber mit sich selbst im Reinen. Sie lächelt nicht viel, aber von ihr geht Frieden aus.

Wie sehr ich diesen Frieden Hermine wünsche. Wie wenig ich ihr immer noch zeigen kann, was ich empfinde. Wie unfähig ich bin, ihr den richtigen Weg zu zeigen.

Eine zittrige Stimme, halb gemurmelt: „Warum? Warum ist das alles nur geschehen?“ Ihre dürren Finger mit den abgebrochenen Fingernägeln sind verkrallt in das Kopfkissen. Ihr Haar, das früher schön war, liegt in verfilzten Strähnen dicht an ihrem Kopf. „Warum?“

Alles, was ich tun kann, ist, ihre Hände zu ergreifen. Ihr Haar aus der Stirn zu streichen. Die verwirrten, ängstlichen Augen zu suchen. Sie anzunehmen. Sie festzuhalten. Das ist der einzige Trost, den ich ihr geben kann.

Und wenn wir unsere Augen schließen, dann durchleben wir unsere Alpträume zumindest nicht allein, und es ist ein wenig besser. Nur ein wenig. Vielleicht werden die Träume an uns vorüber ziehen.

Wenn wir unsere Augen schließen.

Autorennotiz

Da Fanfiktion.de ja untragbar geworden ist (dank des transfeindlichen Admins Helge) hier ein Repost einer alten Geschichte, da ich sie zu schade finde zum Wegwerfen. Spiegelt aber Stil und Mood von vor 8 Jahren wieder.
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Originalkommentar:
Dieser kleine Oneshot ist irgendwie über mich gekommen. Er ist ziemlich traurig und auch ziemlich depri, aber irgendwie musste er sein. Finde ich. Auch wenn Snape und Hermine nicht so gut dabei wegkommen. Ach, schlagt mich, wenn ihrs nicht mögt >__

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Autor

Tristans Profilbild Tristan

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Statistik

Sätze: 62
Wörter: 729
Zeichen: 4.182

Kurzbeschreibung

HGxSS (Depri-Fic, Oneshot, aus Snapes Sichtweise) Der Krieg bringt seltsame Beziehungen hervor. Severus Snape reflektiert seine eigene, problematische Beziehung zu Hermine.

Kategorisierung

Diese Fanfiction wurde mit Angst, Drama (Genre) und Snamione (Pairing) getaggt.

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