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Friends, Lovers Or Nothing

241
13.05.19 10:18
12 Ab 12 Jahren
Heterosexualität
Fertiggestellt

2 Charaktere

Draco Malfoy

Der blonde Sohn einer reinblütigen Familie ist im gleichen Jahrgang wie Harry Potter - aber in Slytherin. Schon bei ihrer ersten Begegnung in der Winkelgasse geraten sie aneinander, was sich über ihre gesamte Schulzeit immer weiter aufschaukelt. Am Ende der Reihe jedoch scheinen sie irgendwie auf der gleichen Seite zu stehen und begegnen sich neutral.

Hermine Granger

Hermine Granger ist die beste Freundin von Harry und Ron. Bei ihren gemeinsamen Erlebnissen kann sie oft wichtiges Wissen und Können beisteuern, da sie sehr intelligent ist. Hermine stammt aus einer reinen Muggel-Familie. Erst mit der Einladung nach Hogwarts erfährt sie, dass sie eine Hexe ist.

Hermine stand am Bahngleis und winkte ihren besten Freunden Harry und Ron zu, die es sich gerade in einem der Abteile des Hogwartsexpresses gemütlich gemacht hatten. Die Hydraulik der alten Lok zischte und quietschte und dichter, weißer Rauch stieg aus dem Schlot in die winterkalte Luft auf.

Die Gryffindor beobachtete, wie Ron seine Nase an der Fensterscheibe platt drückte und sie sehnsüchtig anstarrte, als sich die Bahn langsam nach vorne zu schieben begann. Harry und Ron würden im Fuchsbau eine herrliche Zeit erleben, während Hermine alleine in Hogwarts blieb. Natürlich hatten sie versucht ihre Freundin zum Mitkommen zu bewegen, aber Hermine hatte darauf bestanden, die Winterferien in der ausgezeichnet ausgestatteten Bibliothek des Schlosses zu verbringen. Ein ganzes Jahr hatten sie nichts gelernt und daher auch viel nachzuholen.

Als der Hogwartsexpress schließlich hinter der ersten Biegung verschwand und Hermine schon dachte, dass ihr wohl bald der Arm vom Winken abfallen würde, stapfte sie schließlich mit miserabler Laune den steilen Steinweg nach Hogwarts hinauf, trat Kieselsteine vor sich her und schimpfte mit sich. Warum war sie nur so scharf darauf gewesen, wochenlang alleine zu pauken? Schwer atmend blieb sie vor dem großen Tor stehen, das in den Innenhof führte, und stützte sich am kalten Stein ab.

Es war ein wirklich schöner Anblick von hier oben: ganz Hogwarts mit seinen spitzen Dächern und der Eulerei und natürlich Hogsmeade in der Ferne lagen unter einer dicken Schneedecke. Der verbotene Wald war wie mit Puderzucker überzogen, der See auf den Ländereien war zugefroren und alles glitzerte im Licht der untergehenden Sonne.

Widerwillig riss sich Hermine von dem wunderbaren Blick los, denn sie begann langsam zu frieren. Sie eilte gerade über den Hof, als sie plötzlich sah, wie Draco Malfoy sich unauffällig wie ein Schatten durch die überdachten Gänge bewegte, die den Hof umsäumten. Sofort spürte sie Unbehagen und Wut in sich aufsteigen. Die dunkle Gestalt im Zwielicht ließ sie an frühere Begegnungen mit ihm denken, dem Sohn einer wohlhabenden Zaubererfamilie, die durch alle Generationen hindurch ausnahmslos reinblütig war. Außerdem waren seine Eltern und auch er selbst Anhänger von Voldemort gewesen, sogenannte Todesser. Natürlich war der arrogante, selbstbewusste Draco ein verzogenes Einzelkind. Er hatte Hermine oft wegen ihrer Muggelabstammung beleidigt und sie als "Schlammblut" beschimpft.

Ihre Blicke streiften sich für den Bruchteil einer Sekunde. Draco senkte seinen Blick sofort wieder und ging weiter, doch Hermines Aufmerksamkeit blieb auf ihn gerichtet, bis sie gegen die große Eingangstür lief. Fluchend und leicht verwirrt rieb sie sich ihre Stirn und überprüfte sofort mit hochroten Wangen, ob Draco Zeuge ihres kleinen Unfalls geworden war.

Erleichtert stellte sie fest, dass der Innenhof menschenleer war. Also schlüpfte sie schnell in die Wärme der Eingangshalle. Hermine hatte aus Gewohnheit das übliche Stimmengewirr und Lachen der Schüler erwartet, doch sie umhüllte nur Stille. Es hatten sich zwar mehr Schüler als sonst entschieden, über Weihnachten in Hogwarts zu bleiben, doch es war trotzdem insgesamt weitaus weniger los als zu Unterrichtszeiten.

Sie durchquerte den hohen, steinernen Raum und warf einen Blick durch das imposante Tor, durch das ein Riese hätte schreiten können, ohne den Kopf einziehen zu müssen, in die große Halle: die massiven Tische waren geschrumpft, damit vier riesige Weihnachtsbäume Platz fanden. Auf den Bänken saßen hier und da ein paar Schüler, vertieft in ein Buch oder Zauberschach spielend, und in den Kaminen züngelten magische Feuer.

Professor Flitwick, Lehrer für Zauberkunst, stand wie jedes Jahr um diese Zeit auf einer wackeligen, improvisierten Leiter aus Stühlen und Büchern, um beim Dekorieren der Bäume eine bessere Sicht zu haben. Die leicht besorgt dreinblickende Professor McGonagall stand mit verschränkten Armen am Fuße der Konstruktion und schaute zu ihrem Kollegen empor. Ein paar der Schüler beobachteten die Szene aus einiger Entfernung. Mit einem Mal kam Flitwick ins Schwanken, als er sich gerade besonders weit zurückbeugen musste, um einen Stern, den er mit seinem Zauberstab hinaufschweben ließ, weiterhin im Auge behalten zu können. Das Publikum hielt unwillkürlich die Luft an und sah zu, wie sich Flitwick einen verbissenen Kampf mit der Schwerkraft lieferte, verlor und geradewegs in McGonagalls Armen landete.

In allen Ecken der großen Halle brach schallendes Gelächter aus, als sich Professor Flitwick mit purpurrotem Gesicht aus den Armen der Hauslehrerin von Gryffindor befreite. Hermine musste kurz lachen und drehte sich halb zur Seite, um ihre Freunde auf das Geschehen aufmerksam zu machen, als ihr wieder einfiel, dass diese ja vor Kurzem abgefahren waren - ohne sie. Also wandte sie sich ab und ging weiter, bis sie zum Treppenhaus kam. Hier vernahm man nur das Murmeln der Porträts und das Knirschen der sich bewegenden Treppen.

Sie trottete langsam die Stufen hinauf bis in den siebten Stock. Ihr begegnete niemand bis auf Sir Nicholas de Mimsy-Porpington, der Fast Kopflose Nick, wie er von den Schülern genannt wurde. Bevor dieser ein nettes Gespräch anfangen konnte, eilte Hermine an ihm vorbei. Ihr war gerade nicht nach Gesellschaft. Sie nuschelte das Passwort und die fette Dame, ein Porträt und gleichzeitig der Eingang zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors, schwang zur Seite und gab den zuvor verborgenen Durchgang frei.

Als sie hindurchtrat, fand sie sich in einem runden Raum wieder, in dem die Farben Rot und Gold vorherrschten. Normalerweise war der kleine Turm der Gryffindors ein lustiger und warmer Ort, doch heute schien er kühl und dunkel. Missmutig richtete sie sich in ihrem Lieblingsohrensessel ein und grub sich tiefer in ihre rot-goldene Wolldecke. Sie fröstelte und starrte in das lustlos flackernde Feuer.

 

~*~



Am nächsten Morgen war Hermine schon früh auf den Beinen.

„Bist du heute etwas besser drauf als gestern?“, fragte Luna Lovegood besorgt, als sie sich auf der Treppe trafen.

„Ich muss heute unbedingt für Zaubertränke lernen, willst du nicht mitkommen?“, überging Hermine Lunas Bemerkung, aber ihr ging es doch schon etwas besser, nachdem sie sich letzte Nacht eine Mütze voll Schlaf geholt hatte.

„Gerne!", strahlte die Ravenclaw, „Wie du ja weißt, bin ich nicht gerade eine große Leuchte in Zaubertränke und jetzt, wo Professor Slughorn wieder unterrichtet, ist es viel anspruchsvoller geworden! Wusstest du, dass Flubberwurmschleim gar nicht der Schleim der Würmer ist, sondern der Kot? Das stand im neusten Klitterer, hast du das nicht gelesen?“

Und so erzählte Luna weiter, noch als sie in der großen Halle an einem der Tische saßen und ihre Frühstücksbrötchen aßen. Während der Ferien war es den Schülern erlaubt, unabhängig von ihrem eigentlichen Haus an jedem der Tische zu sitzen.

Hermine blätterte im Tagespropheten, während sie in ihrem Morgenkaffee rührte und Luna fröhlich weiterplapperte. Da kam Neville Longbottom zu ihnen und setzte sich. Er war immer ein wahrer Sonnenschein, doch heute wirkte er zurückhaltend. Auch Luna war plötzlich ganz still und schien ihre volle Aufmerksamkeit einem kleinen Brotkrümel auf dem Tisch zu schenken. Hermine war die seltsame Atmosphäre nicht entgangen und so schaute sie von der Zeitung auf.

„Neville, wie läuft es mit deiner freiwilligen Hausarbeit für Kräuterkunde?", fragte sie interessiert.

Lunas Blick zuckte ein paar Mal vom Brotkrümel zu Neville und wieder zurück. Der Angesprochene sprach erst schüchtern über seine Arbeit, aber nach kurzer Zeit blühte er merklich auf und erzählte gerade voller Begeisterung etwas über ein besonderes Kraut, als sich Professor McGonagall erhob, mit einem Löffel gegen ihr Glas klopfte und somit um Ruhe bat. In der großen Halle wurde es still und alle Köpfe waren dem Lehrertisch am Ende der Halle aufmerksam zugewandt. Luna sah von ihrem Krümel auf.

„Liebe Schüler, es ist wieder einmal soweit! Die meiner Meinung nach schönste Zeit des Jahres ist gekommen und ich freue mich, Ihnen das diesjährige Weihnachtsfest ankündigen zu dürfen." Hermine und Luna warfen sich begeisterte Blicke zu und man sah mehrere Schüler, die sich gegenseitig anstießen. „Es wird am 24.12. um 20 Uhr beginnen, damit sich alle um Mitternacht frohe Weihnachten wünschen können. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

Ein Raunen der Vorfreude ging durch die Halle. Es war der einzige Trost für all die armen Seelen, die an Weihnachten mehr oder weniger alleine in Hogwarts zurückbleiben mussten.

 

~*~



Luna und Hermine saßen in einem Klassenraum, der ihnen großzügigerweise von Professor Slughorn, dem Lehrer für Zaubertränke, zur Verfügung gestellt worden war, und man hörte nur das Klappern der Reagenzgläser und das dumpfe Blubbern der Flüssigkeiten in den Kesseln.

Hermine murmelte Namen von Zutaten und Luna rührte verträumt in ihrem Kessel. Die Farbe ihres Tranks sah ungefähr so aus, wie wenn man eine Kröte mit einem Mörser zerstößt und sie dann in ihrem eigenen Schleim kocht. Und so roch es auch. Als das Gebräu dann schließlich überzukochen drohte, griff Hermine entnervt ein.

„Mann, Luna! Ich hab dich nicht mitgenommen, um auch noch auf deinen Trank aufzupassen!", rief Hermine, während sie den Kessel vom Feuer nahm. „Was ist denn los? Du bist ja noch abwesender als sonst!“ Sie beobachtete bestürzt das Innenleben des Kessels. „Was hast du denn da gemacht? Ich weiß gar nicht, wie einem ein Trank so misslingen kann!", rief sie entgeistert und nahm mit der Kelle etwas von dem Gemisch auf, um es näher zu betrachten. „Dieser hier ist ja fast so schlimm wie die Tränke von Neville!“

Bei der Erwähnung des Namens errötete Luna leicht und zwirbelte ihre Haare. „Nun ja, also … Es tut mir wirklich leid! Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist, aber ich muss immerzu an Neville denken und …“, sie errötete noch mehr und wischte mit einem Lappen über den Tisch, sodass ihr die langen blonden Haare ins Gesicht fielen.

„Ich verstehe!“, grinste Hermine. „Keine Angst, ich werde es niemandem verraten. Du kannst doch Neville mal fragen, ob er mit dir nach Hogsmeade gehen will!“ Sie ließ die Kelle zurück in den Kessel fallen und schob ihn beiseite.

„Ich weiß nicht …“, seufzte Luna und scharrte nicht gerade überzeugt mit ihrem Schuh ein Stück Alraunenwurzel unter den Tisch.

„Komm schon, trau dich! Ich bin bei Ron mit der Tür ins Haus gefallen und du siehst, es ging alles gut …“, Hermine hielt inne. Sie vermisste Ron. Jetzt, wo sie nichts anderes tat, außer zu lernen, war sie gestern Abend zu lange vor dem Kamin mit ihren Gedanken alleine gewesen.

„Na, wenn du denkst", meinte Luna unsicher. „Ich kann‘s ja mal versuchen …“

 

~*~



Hermine stieg vorsichtig die vereisten Treppen zur Eulerei hinauf. Vielleicht hatte ihr wenigstens jemand geschrieben. Der Wind heulte um den windschiefen Turm und die Kletterpflanzen rankten sich an ihm in Richtung Dach hinauf. Während der Schlacht um Hogwarts war unter anderem ein Teil des Westturms eingestürzt und damit auch die damalige Eulerei zerstört worden. Man hatte beschlossen den Turm als eine Art Mahnmal des Krieges in seinem beschädigten Zustand stehen zu lassen. Schließlich wurde auf den Ländereien nahe des Verbotenen Waldes ein einzelner Turm aus Steinen errichtet, die während der Bombardements aus den Mauern Hogwarts gerissen wurden. Es dämmerte bereits stark, als sie zitternd vor Kälte die neue Eulerei betrat. Sofort schlug ihr der beißende Geruch von Vogelmist entgegen. Wirklich warm war es hier leider auch nicht wegen der schießschartenähnlichen Öffnungen, durch die die Eulen aus- und einflogen.

Hermine hatte sich vor Kurzem eine neue Eule gekauft. Bei dem Kauf hatte sie mehr Wert auf das Äußere gelegt als auf den Charakter der Eule, was sie nun sehr bereute. Cole war zwar ein Männchen, aber er hatte es ziemlich in sich. Er war nicht nur sehr wählerisch beim Futter, sondern auch rotzfrech. Also ging Hermine mit vor Kälte tauben Füßen zu ihrem pechschwarzen Freund. Dieser saß mit seinem Hinterteil tatsächlich auf einem Brief, und Hermine begann sich schon zu freuen, bis ihr Blick den ihrer Eule traf.

Cole schaute sie keck aus seinen gelben Augen an. Säuerlich versuchte sie, die Eule von dem Brief wegzuschieben. Cole schnappte nach ihren Fingern.

„Unmöglich bist du … warum hab ich dich nur gekauft? Jetzt reicht’s mir! … Autsch!“, schimpfte sie.

„Kann ich helfen, Granger?“ Hermine erschrak und machte einen Satz zu Seite.

Die Eule flog kreischend auf und verzog sich beleidigt in eine dunkle Ecke.

Draco stand auf dem Absatz der Wendeltreppe, die weiter hoch in den Turm führte. Er hatte einen dunkelgrünen Pullover und eine schwarze Hose an und sah darin ziemlich gut aus, wie Hermine erschrocken feststellte und sich gleich darauf schalt.

Er grinste überheblich.

„Ich denke, das hast du schon“, sagte Hermine und rümpfte die Nase. Ihr Blick und ihre Stimme waren kalt.

Draco ging die Stufen zu ihr hinunter. Sein Gesichtsausdruck war ernst und ganz und gar nicht mehr arrogant. „Hör mir genau zu, denn ich werde es nicht nochmal sagen: Was damals im Haus meiner Eltern geschehen ist … es tut mir leid. Ich wünschte, ich hätte mehr getan.“ Beinahe unsicher ging er sich mit der Hand durch sein blondes Haar und rauschte dann durch die Tür hinaus ins Schneetreiben, das nun begonnen hatte.

Hermine schaute Draco verwundert nach, bis er in den wirbelnden Schneeflocken verschwand. Der Wind fuhr durch ihre Haare und strich ihr übers Gesicht. Sie schüttelte den Kopf, schlug energisch die Tür der Eulerei zu und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Was, bei Merlins Barte, war denn nun in diesen verfluchten Slytherin gefahren, fragte sich Hermine. Verwirrt starrte sie auf Cole, der sich seelenruhig Dreck mit dem Schnabel aus den Krallen pulte, so als wäre nichts Weltbewegendes geschehen. Aber das war es! Gerade eben hatte sich Draco Malfoy höchstpersönlich bei ihr entschuldigt! Was war nur passiert?

Doch plötzlich hielt Hermine inne. Wie konnte sie nur so dumm sein? Es war viel wahrscheinlicher, dass er sie auf den Arm nehmen wollte und jetzt vermutlich draußen an der Treppe stand und beinahe umfiel vor Lachen. Wutentbrannt wirbelte die Gryffindor herum und riss die Tür erneut auf, doch auf der Treppe zur Eulerei war niemand. Wie blöd sie vermutlich dreingeschaut hatte, nachdem er ihr angeblich sein Herz ausgeschüttet hatte! Hermine stöhnte auf und schlug sich die Hände vors Gesicht. Dabei fiel ihr auf, dass sie immer noch den Brief in der Hand hielt. Den hatte sie in ihrer Verwirrung ja ganz vergessen. Sie beschloss ihn mit ins Schloss zu nehmen und dort im Warmen zu lesen, schließlich stand sie bereits lange genug hier in der Kälte herum.

 

~*~



Zurück im Schloss setzte sich Hermine in der Bibliothek an einen Tisch direkt an einem Kamin. Schwerfällig zog sie an ihren klobigen Winterstiefeln, bis sie mit einem Ruck von ihren Füßen rutschen. Dann streckte sie wohlig seufzend ihre in dicke Wollsocken gepackten Füße näher ans Feuer. Während sie sich so etwas aufwärmte, kramte sie den leicht lädierten Brief hervor. Vorsichtig öffnete sie ihn und las:

Hallo Mine!

Wie geht es dir? Hier im Fuchsbau ist es so langweilig ohne dich!

Willst du wirklich nicht vorbeikommen? Wir vermissen dein morgendliches Geschimpfe, wenn wir nicht aufstehen. Du bist bestimmt einsam ohne uns.

Ron hat sich in den Finger geschnitten … er kann nicht schreiben, ich soll dir schöne Grüße von ihm ausrichten.

Dein Harry


Hermine konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, doch dieses wich schnell einem ziemlich traurigen Gesichtsausdruck. Sie vermisste ihre beiden Freunde jetzt schon, vor allem Ron, ihren festen Freund. Wie sollte sie es denn dann nur an Weihnachten alleine im großen, leeren Schloss aushalten? Seufzend schrieb sie zurück:

Harry,

mir geht es gut. Weißt du, ich hab auch noch andere Freunde außer euch. Und wenn du Geschimpfe suchst, musst du nur Molly über den Weg laufen!

Sag Ron, er soll sich gefälligst von Messern fernhalten.

Schöne Grüße zurück, Hermine


Es war wohl besser nicht zu erwähnen, wie einsam sie sich in Wirklichkeit fühlte. Hermine wollte nicht, dass sich die beiden Sorgen um sie machten und es war nun mal ihre eigene Idee gewesen über die Ferien alleine in Hogwarts zu bleiben.

Also steckte sie die beiden Briefe in ihre Tasche und zog dafür ihre Bücher hervor, um bis zum Abendessen noch zu arbeiten und um sich etwas abzulenken. Da sie nun endlich ihre verfrorenen Füße wieder spüren konnte, beschloss sie, dass es ausreichen würde, die Antwort morgen mit der Eule zurückzuschicken, denn sie hatte keine Lust jetzt erneut hinaus in das Schneetreiben zu müssen.

 

~*~



Als Hermine spät am Abend zum Essen in die große Halle einbog, hatte Luna sie bereits entdeckt und winkte sie zu sich an den Tisch. Etwas enttäuscht schlug sie schlurfend den Weg zum Rawenclawtisch ein. Sie war extra spät zum Abendessen gegangen, in der Hoffnung niemandem mehr zu begegnen, um ihre Freunde nicht mit ihrer miesen Laune zu quälen. Also ließ sie sich auf die Bank fallen und begann sich lustlos etwas Spaghetti aufzutun.

„Ach, ich bin so froh, dass du auch spät dran bist, Mine!“, begann Luna fröhlich und lächelte sie an. „Ich bin nämlich beinahe aus meinem Mittagsschläfchen gar nicht mehr aufgewacht!“, kicherte sie. „Und warum bist du so spät?“

„Hab gelernt“, brummelte die Gryffindor und schob sich die erste Gabel Spaghetti Bolognese in den Mund.

Luna beobachtete Hermine einige Minuten schweigend dabei, wie sie ihr Essen vertilgte, dann meinte sie schließlich: „Mine, was ist eigentlich los?“

Die Angesprochene hielt inne, die vollbeladene Gabel auf halbem Weg zu den Lippen. Seufzend legte sie das Besteck aus der Hand. Mit dieser Unterhaltung hätte sie rechnen müssen, denn Luna bemerkte negative Schwingungen immer besonders schnell. „Ach, ich habe einen Brief von Harry und Ron bekommen …“, begann sie halbherzig.

Luna zog eine Augenbraue hoch und fragte: „Und weiter?“

„Ich schätze, ich vermisse die beiden einfach schrecklich. Aber ich habe mir nun mal vorgenommen, die ganzen Ferien über hier zu lernen …“, seufzte Hermine.

Daraufhin legte Luna den Kopf schief und schien nachzudenken. „Du könntest doch am 25. Dezember zum Weihnachtsfest für einen Tag im Fuchsbau vorbeischauen und dann wieder zurück nach Hogwarts kommen. Ein Tag mehr oder weniger macht doch keinen großen Unterschied und außerdem bist du dann an Weihnachten nicht allein!“, schlug sie schließlich lächelnd vor.

Hermine setzte sich etwas auf und dachte nach. Im Prinzip hatte ihre Freundin Recht mit dem, was sie da sagte. Sie könnte sogar am Tag danach eine extra lange Lerneinheit einlegen. Ja, so würde sie es machen! „Du bist die Beste!“, rief Hermine und drückte Lunas Hand. Dann holte sie schnell ihren Brief und eine Feder aus der Tasche und fügte noch schnell hinzu:


PS: Wenn es Molly nichts ausmacht, würde ich gerne am 25. Dezember vorbeikommen, um Weinachten mit euch zusammen zu feiern!

„Ich schicke noch schnell den Brief ab!“, rief sie Luna noch mit dem Brief winkend zu, bevor sie dann auch schon aus der Großen Halle stürmte.
 

~*~



Noch völlig außer Atem von dem strammen Marsch zur Eulerei band Hermine gerade Cole den Brief um das Füßchen. Dabei ignorierte sie sein Zetern und wich geübt seinem spitzen Schnabel aus. Dann nahm sie ihn auf die Hand und ging zu einem der größeren Öffnungen, durch die die Eulen aus- und einfliegen können. Dort ließ sie ihn frei. Während sie sich auf dem Sims mit den Ellenbogen abstützte und den Kopf in die Hände legte, beobachtete sie, wie die Silhouette ihrer rebellischen Eule am Nachthimmel immer kleiner wurde. Schließlich konnte sie Cole zwischen den Sternen nicht mehr ausmachen.

Ein Blick auf ihre Armbanduhr ließ sie hochfahren. Sie hatte völlig die Zeit vergessen, als sie kopflos aus dem Schloss gerannt war. Es war schon nach 21 Uhr und die Ausgangssperre hatte sie nun bereits um 11 Minuten überschritten.

„Verdammt“, murmelte Hermine und rannte in den Schnee hinaus. Keuchend joggte sie den tief verschneiten Weg entlang und über eingefrorene Pfützen hinweg.

Sie war nicht mehr weit vom Schloss entfernt, als sie plötzlich ausrutschte und heftig stürzte. Vor Kälte zitternd versuchte sie sich aufzurichten, zuckte jedoch vor Schmerz zusammen. Sie hatte sich offensichtlich den Knöchel verstaucht. Hermine spürte, wie sich die kalte Nässe durch ihre Kleidung fraß.

„Verflucht! Ich muss irgendetwas machen, bevor mich noch Filch hier findet. Oder bevor ich erfriere…“, dachte Hermine grimmig. Unter Schmerzen kam sie auf alle Viere und kroch keuchend über den Schnee.

Doch dann hörte sie knirschende Schritte durch das Schneegestöber auf sie zukommen. „Jetzt ist es aus!“, dachte Hermine hilflos und duckte sich.

„Kann ich dir helfen?“ Hermine erkannte im Schneetreiben eine menschliche Silhouette. Eine Hand streckte sich ihr entgegen. In ihrer Hilflosigkeit griff sie danach und zog sich hoch. Sie fand sich in den kräftigen Armen von Anthony Goldstein, einem gutaussehenden Ravenclaw, wieder.

 

~*~



„Meinst du wirklich, dass das eine gute Idee ist…?“, fragte Hermine vor Anstrengung keuchend. „Ja, natürlich, dein Fuß muss sofort von Madame Pomfrey behandelt werden!“, flüsterte Anthony, als er sie durch die Gänge von Hogwarts mehr trug als stützte.

„Ich bin so froh, dass du mich da draußen gefunden hast. Ich sah mich schon dort erfrieren!“, meinte sie erleichtert und schüttelte sich bei der eisigen Vorstellung. Sie bemühte sich jedoch ihre Stimme gesenkt zu halten, damit Filch sie nicht doch noch auf den letzten Metern bis zum Krankenflügel erwischte. Der Ravenclaw beugte sich zu ihr hinunter und zwinkerte sie schelmisch an. „Das wäre ja auch eine Schande gewesen.“

Hermine schlug die Augen auf. Die morgendliche Sonne blendete sie. Langsam gewöhnte sie sich an die Helligkeit und ihre Umgebung begann Form anzunehmen. Sie fand sich in einem Bett im Krankenflügel wieder.

Vorsichtig setzte sie sich auf der weichen Matratze auf und blickte sich verschlafen um. Der Krankenflügel war ein einziger, großer Raum mit hoher Decke. Abgesehen von dem durchdringenden Kräuter- und Arzneigeruch wirkte der Flügel ganz und gar nicht wie eine Krankenstation, unter anderem auch durch das helle Licht, das durch die vielen imposanten Fenster fiel und Wärme verbreitete. In regelmäßigen Abständen im Raum verteilt standen Betten mit Vorhängen, die ordentlich zurückgezogen waren. Auf einem der Krankenlager lag zu einem Fellknäuel zusammengerollt Mrs. Norris, die bösartige Katze von Mr. Filch, und schlief friedlich. Die restlichen Betten waren unbesetzt.

Vielleicht hatte die Katze gestern Abend auf ihrer nächtlichen Patrouille Hermines Spur aufgenommen und sie bis zum Krankenflügel verfolgt. Mrs. Norris war bekannt dafür Schülern das Leben schwer zu machen, die während der Schlafenszeiten unerlaubt im Schloss umherschlichen, indem sie unverzüglich Mr. Filch alarmierte.

Madame Pomfrey dagegen hatte die beiden Schüler gestern ohne Tadel hereingelassen. Sie hatte die Geschichte sofort geglaubt, dass Hermine mit ihrem verletzten Knöchel so lange zum Flügel gebraucht hatte, dass es schon nach 21 Uhr war. Hermine streckte sich. So gut hatte sie schon lange nicht mehr geschlafen. Normalerweise plagten sie des Nachts regelmäßig Albträume, doch vor dem Schlafengehen hatte ihr Madame Pomfrey einen Schlaftrunk gegeben, der sie tief und fest hatte schlafen lassen. 

Sie rutschte an die Bettkante und ließ probeweise ihren Fuß kreisen. Sie spürte keinen Schmerz mehr, anscheinend war ihr Knöchel bereits vollständig verheilt. Erleichtert stand sie auf und wollte sich auf den Weg zum Gryffindorturm machen, als sich ihr jedoch an der Eingangspforte Madame Pomfrey in den Weg stellte.

„Jetzt aber mal langsam mit den jungen Zentauren, Miss Granger! Ich habe Sie heute Morgen ja noch gar nicht untersucht", drängte die Heilerin sie in den Raum zurück. „Den Knöchel muss ich mir schon noch einmal anschauen." Mit diesen Worten drückte sie Hermine energisch zurück auf das Bett und begutachtete ihren Fuß. „Das sieht ja schon viel besser aus. Weiß auch nicht, wie man sich den Knöchel so unglücklich verletzen kann, bei dem simplen Voreinandersetzen der Füße."

Sie drehte sich zu dem nächstgelegenen Regal um und stöberte darin. Hermine wollte sich gerade wieder vom Bett erheben und schnell aus dem Staub machen, da wandte sich Pomfrey ihr wieder zu, hielt ihr eine Tube mit übel riechendem, grünlichem Inhalt unter die Nase und meinte eindringlich: „Zur Sicherheit würde ich noch diese Salbe eine Woche lang jeden Morgen auf den betroffenen Knöchel … "

„Nein, das ist wirklich nicht nötig", wehrte Hermine schnell die stinkende Tube ab.

„Ich würde dir aber wirklich raten die Salbe mitzunehmen …", begann Madame Pomfrey wieder, doch Hermine schob sich nun endgültig an ihr vorbei und entfernte sich rückwärts in Richtung Tür.

„Ich fühle mich wie neu!", beteuerte sie dabei und sah noch, bevor sie durch die Pforte schlüpfte, wie die Heilerin mit in die Hüfte gestemmten Händen dastand und ihr beleidigt nachschaute.
 

~*~



Entmutigt starrten die wenigen Schüler, die sich wie Hermine entschieden hatten, über die Weihnachtsferien in der Bibliothek zu lernen, auf ihre Unterlagen oder Löcher in die Luft.

Hermine saß über ihrem Buch zur Geschichte der Zauberei. Dieses Fach war eines ihrer liebsten, obwohl es von den meisten Schülern dafür genutzt wurde, nach einem berauschenden Abend im ‚Drei Besen‘ noch ein paar Stunden Schlaf nachzuholen.

Ärgerlich dachte sie an die Reihen von schlafenden Schülern. Auch Ron war im Unterricht regelmäßig neben ihr eingenickt. Sein Kopf ruhte dann auf seinen verschränkten Armen, die auf seinem Schultisch platziert waren.

Sie vermisste ihn und das schon seit Tagen. Vor allem, wenn sie hier alleine in der Bibliothek saß. Traurig starrte sie Löcher in die Luft. Schließlich wandte sie sich erneut ihrer Lektüre zu, um sich von den Gedanken an Ron abzulenken.

Gerade als sie sich wieder in den komplizierten Bericht von 1697 eingelesen hatte, traf sie etwas Kugeliges an der Stirn und landete vor ihr auf dem aufgeschlagenen Buch. Hermine zuckte heftig zusammen und konnte gerade noch einen Schrei unterdrücken - sie wäre sonst im hohen Bogen von Mrs. Pince aus der Bibliothek geworfen worden. Das kugelige Etwas entpuppte sich als kleines Stück zusammengeknülltes Pergament. Halb verärgert, halb beschämt, dass sie sich wegen so etwas erschreckt hatte, blickte sie sich um und hielt nach dem Angreifer Ausschau. Doch zwischen den Regalen und unter den brütenden Schülern sah sie keinen Verdächtigen. Verwirrt griff sie nach dem Pergamentkügelchen, faltete es auseinander und strich es auf der Tischplatte glatt. Darauf stand in elegant geschwungener Handschrift:

Ist das dein neues Heim?

Sie schaute abermals auf, um nach dem Übeltäter zu schauen, als ein Kügelchen direkt auf ihr Gesicht zuflog, an ihrer Nase abprallte und in ihre offenen Handflächen fiel.

Wenn du so weitermachst und nie an die frische Luft gehst, wirst du noch ganz bleich, Granger.

Wut flammte in ihr auf. Das war eindeutig Draco Malfoys Werk, niemand sonst nannte sie beim Nachnamen. Im selben Moment traf ein weiterer Zettel ihr Schlüsselbein und kullerte in ihren Ausschnitt. Fluchend pfriemelte sie das Pergament aus ihrem Pullover hervor und las darauf:

Hast du Lust, mir nochmal ins Gesicht zu schlagen, wie damals im dritten Jahr, oder traust du dich nicht?

Das könnte ihm so passen! Sie wusste genau, wo er war und die Möglichkeit, sich ihm entgegenzustellen, ließ sie sich nicht entgehen. Sie würde sich nicht demütigen lassen und von Malfoy schon gar nicht!

Energisch warf sie die Zettel zwischen die Buchseiten, ließ den Wälzer in ihre Tasche fallen und eilte aus der Bibliothek. Sie trat aus dem Schloss und schlug den Weg zu Hagrids Hütte ein. Als sie über die lange, überdachte Holzbrücke lief, sah sie schon an deren Ende den kleinen Platz mit den riesigen, wie aus der Erde empor gewachsenen Steinen.

Dort hatten Harry, Ron und sie im dritten Jahr gestanden und um Seidenschnabel gebangt, als Draco und seine zwei Anhänger aufkreuzten. Damals war mit Hermine das Temperament durchgegangen und sie hatte Draco mit der geballten Faust ins Gesicht geschlagen.

Die Gryffindor trat auf den kleinen Platz hinaus und blickte sich um. Keine Spur von Draco. Nur ein Rabe saß oben auf einem der Steine und blickte neugierig auf sie hinab. Hatte sie sich doch geirrt und es war gar keine Aufforderung gewesen? Oder hatte er es sich im letzten Moment anders überlegt, weil ihn der Mut zu einer offenen Gegenüberstellung verlassen hatte?

Hermine ging zu einem der Felsbrocken, lehnte sich dagegen und blickte den Hang hinunter. Von hier aus konnte man auf Hagrids kleine Holzhütte blicken, aus deren schiefem Kaminrohr Rauch in den klaren Himmel stieg und dahinter ragte der dunkle Verbotene Wald auf.

„Du bist also gekommen."

Hermine wirbelte herum, blickte in eisblaue Augen und erstarrte. Dicht vor ihr stand Draco Malfoy. Sie machte automatisch einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen den Stein.

Draco machte keine Anstalten sie weiter zurückzudrängen. Endlich fand Hermine ihre Stimme wieder. „Warum provozierst du mich so, Malfoy?", fragte sie angriffslustig.

Sein Blick war emotionslos wie eh und je. „Weil man deine traurige Miene nicht aushalten kann, die du in der Bibliothek mit dir rumträgst, wenn du denkst, dass dich niemand beobachtet. Du verdirbst einem den ganzen Tag damit. Aber anscheinend merkst du das nicht einmal", mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand im Eingang zur überdachten Brücke.

„Idiot!", rief sie ihm wütend hinterher, drehte sich dann ebenfalls um und lief den Weg hinunter zu Hagrid.
 

~*~



Am nächsten Morgen saß Hermine mit schlechter Laune am Frühstückstisch und rührte teilnahmslos in ihrem Kaffee. Sie hatte sich extra abseits hingesetzt, damit niemand unter ihrer Verfassung leiden musste. Durch Eulengeschrei und Flügelschläge machte sich die morgendliche Post bemerkbar. Hermine entdeckte Cole sofort, der wie ein schwarzes Ungeheuer im Sturzflug auf sie zuschoss und mit einem lauten "Platsch!" in ihrer Müslischale landete. Die Gryffindor wischte sich fluchend die Milch aus dem Gesicht und schaute entsetzt auf ihre befleckte Kleidung. Die in der Halle anwesenden Schüler hatten natürlich alles verfolgt und versuchten jetzt mehr oder weniger erfolgreich ihr Lachen zu unterdrücken. Hermines Gesicht war hochrot vor Wut. Sie riss Cole unsanft einen Brief aus den Krallen und scheuchte ihn von ihrer Schale weg, aus der er sie schelmisch beobachtet hatte. Dann wollte sie schnell ihren Zauberstab zücken, um das Chaos kurz und schmerzlos zu beseitigen, doch in ihrem Umhang fand sie ihn nicht. Verwirrt fasste sie in ihre hinteren Hosentaschen, doch dort war er auch nicht. Sie musste ihn wohl in ihrem griesgrämigen Zustand oben im Gryffindorturm vergessen haben. Entnervt stöhnte sie auf. Na, das konnte ja nur ein guter Tag werden … Um sich etwas zu beruhigen, widmete sie sich erstmal dem Brief. Ruppig öffnete sie den tropfenden Umschlag und zog den Zettel hervor, der leider auch in Mitleidenschaft gezogen war. Dort stand in krakeligen Buchstaben:

Hallo liebe Mine!

Uns geht es super! Meinem Daumen geht es auch wieder gut.

Wir würden uns natürlich alle sehr freuen, wenn du am 25. vorbeischaust, auch Molly ist begeistert von der Idee.

Ich vermisse dich und freu mich auf den Tag!

In Liebe, Ron


Der Brief munterte Hermine etwas auf und sie schrieb eilig eine Antwort zurück, denn sie wollte so schnell wie möglich zu ihrem Schlafsaal, um sich ihrer nassen Kleidung zu entledigen. Sie lief aus der großen Halle heraus und betrat gerade das Treppenhaus, als sie Draco auf einer der Treppen sitzen sah. Leider führte kein Weg an ihm vorbei, sie musste diese Treppe hoch, um zum Gemeinschaftsraum zu gelangen. Sie schritt die ersten Stufen hinauf. Draco stand auf, bevor sie etwas sagen konnte, sah sie an und zückte seinen Zauberstab. Wie betäubt verfolgte sie seine schwungvolle Bewegung, als er seinen Zauberstab auf sie richtete. Sie starrte auf die Spitze des Stabs. Endlich riss sie sich aus der Starre und ließ reflexartig die Hand in ihre Umhangtasche gleiten, um nach ihrem eigenen zu tasten. Doch dieser befand sich leider immer noch, für sie unerreichbar, auf ihrem Nachttisch im Turm. Dracos Blick lag konzentriert auf ihr, als ihr kalter Schweiß den Rücken hinab rann. Ihr Mund wurde trocken. Angestrengt versuchte sie nachzudenken, doch schon im selben Augenblick machte Draco einen Wisch in Richtung ihres Brustkorbs und im nächsten Moment spürte sie, wie sich eine angenehme Frische über sie legte. Verblüfft schaute sie an sich herunter und bemerkte, dass die Milchflecken verschwunden waren.

Zorn begann in ihr aufzulodern. Er wollte sie bloßstellen. Sie als Muggeltochter darstellen, der nicht einmal bei solch einfachen Dingen einfiel, sich mit Zauberei zu helfen. Plötzlich ging ein heftiger Ruck durch die Treppe und sie fing an sich knirschend zur Seite zu bewegen. Hermine kam ins Schlingern und stürzte vornüber, doch sie wurde gepackt, bevor sie auf die harten Steinstufen aufprallte.

Als Hermine ihre Augen öffnen wollte, war ihr Gesicht in dem weichen Stoff eines Pullovers vergraben. Ihr stieg ein angenehmer Duft entgegen und sie spürte, wie sie sicher gehalten wurde. Sie hob den Kopf und sah in Dracos verdutzte Augen.

Schnell machte sie sich von ihm los. „Ich brauche deine Hilfe nicht!", fuhr sie ihn an. Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und rannte die Stufen wieder hinunter.
 

~*~



Nach dem Vorfall im Treppenhaus hatte sich Hermine in die Bibliothek geflüchtet und dort im Schutze ihrer Bücher den restlichen Tag verbracht. Als sie dann schließlich zum Abendessen in die Große Halle eintrat, entdeckte sie verwundert Ginny, die mit Luna und einer weiteren Person am Ravenclawtisch saß - Rons kleine Schwester war eigentlich auch mit dem Zug abgefahren, um die Weihnachtsferien über Fuchsbau zu verbringen.

Hermine lief auf den Tisch zu und erkannte auf dem Weg freudig überrascht, dass die dritte Person Anthony war. Sobald Ginny sie erblickte, fuhr sie hoch und schloss ihre beste Freundin lachend in die Arme.

Anthony schenkte ihr ein warmes Lächeln. „Was hast du denn hier zu suchen!", röchelte Hermine, die von Ginny bei ihrer Umarmung zu fest gedrückt wurde.

„Ich bin schon seit heute Nachmittag da, aber ich hab dich nicht gesehen! Was hast du denn den ganzen Tag gemacht?", fragte Ginny und rief daraufhin ungläubig: „Sag nicht, du hast wieder stundenlang in der Bibliothek gesessen?!"

Hermine lächelte ihre Freundin verlegen an.

„Das gibt's doch nicht! Da muss ich jetzt aber einschreiten, bevor du deinen Abend auf die gleiche Weise vergeudest!", meinte Ginny bestimmt. „Wir beiden Hübschen machen heute einen Mädelsabend - mit allem Drum und Dran!"

Mit diesen Worten nahm sie Hermines Hand und wollte sie geradewegs wieder aus der großen Halle schleifen, als der Ravenclaw sich zu Wort meldete: „Jetzt lass sie doch wenigstens erstmal etwas essen!", lachte er. „Du bist ja gar nicht mehr zu stoppen!"

Ginny ließ Hermine los und sah sie schuldbewusst an, doch diese meinte bloß lächelnd: „Das bin ich schon gewöhnt, so ist Ginny eben! Aber essen würde ich trotzdem gerne!"

Plötzlich legte Anthony seine Hand um ihren Arm und zog sie sanft neben sich auf die Bank. „Ich hab dir einen Platz freigehalten", sagte er dabei.

Hermine lachte. „Oh, danke! Das war ja wirklich nötig, bei dem Ansturm!", und deutete mit einer ausladenden Geste durch die beinahe leere Halle. Die kleine Gruppe brach in Gelächter aus und in dieser netten Gesellschaft nahm Hermine, glücklich über die Ablenkung, ihr Abendessen ein.
 

~*~



„Jetzt nochmal von vorne. Erst ärgert dich Malfoy mit Papierkügelchen und stellt dich dann bloß, indem er deine Kleidung reinigt?", lachte Ginny und stieß dabei fast das Nagellackfläschchen um. "Ich glaube, du übertreibst. Im Vergleich zu früher ist das ja gar nichts! Vielleicht hat er sich wirklich geändert, wenn er so schwächelt?"

Hermine sah sie skeptisch an, senkte den Blick dann wieder zurück auf den verzauberten Pinsel, der gerade dabei war ihre Fußnägel in einem kräftigen Dunkelrot zu lackieren, und meinte: „Na, ich weiß nicht. Ich traue ihm nicht, egal was er behauptet."

„Ist ja auch egal, ich bin die Letzte, die ihn in Schutz nimmt! Lass uns über etwas anderes reden als über dieses kleine Frettchen", rief Ginny durch den leeren Gemeinschaftsraum und rückte sich auf der Couch zurecht. Dann beugte sie sich näher zu Hermine und fragte neugierig: „So, jetzt erzähl mir mal von Anthony. Da ist doch irgendetwas zwischen euch passiert!"

Hermine fühlte sich merkwürdig ertappt, sie war immerhin mit Ginnys Bruder zusammen. Also erzählte sie ihrer Freundin von dem Abend, als sie draußen gestürzt war und Goldstein sie gerettet hatte. „Interessant...“, meinte Ginny langsam und kniff in Gedanken versunken die Augen zusammen, als Hermine den Vorfall zu Ende erzählt hatte.

Diese musste sich das Lachen verkneifen, denn während sie erzählt hatte, hatten sich die beiden Mädchen bräunliche Gesichtsmasken aufgelegt und wenn Ginny sie so grimmig ansah, meinte man, sie wäre ein Troll.

Hermine riss sich zusammen und fragte: „Was meinst du?“

„Nun ja, mir sind die Blicke nicht entgangen, die er dir zugeworfen hat. Er ist definitiv an dir interessiert. Und schlecht sieht er ja auch nicht aus. Hermine, du wirst doch nicht …"

Die Angesprochene hob entrüstet die Hände. „Nein, Ginny, da läuft nichts! Ich habe Ron nicht vergessen!“

Ginny atmete auf. „Das hätte ich dir auch nicht zugetraut, Mine. Ich weiß, mein Bruder ist ein Idiot, aber Fremdgehen hätte er nun auch wieder nicht verdient“, grinste die Rothaarige und die beiden mussten lachen.

„Jetzt haben wir aber wirklich genug über mich geredet! Sag mal, wie läuft es eigentlich zwischen dir und Harry?", lenkte Hermine die Aufmerksamkeit von sich weg.

Ginnys Gesicht nahm die Farbe einer Tomate an und sie rutsche unruhig auf dem Polster hin und her. „Alles super! Aber was ich eigentlich noch fragen wollte ..."

„Stopp, stopp!“, rief Hermine lachend. „So schnell kommst du mir nicht davon! Du hast vorhin betont, dass das hier ein Mädelsabend all inclusive wird. Da darf das Thema auch nicht fehlen!“

Ginny seufzte resignierend und meinte schließlich mit einem verträumten Blick: „Er gibt mir immer das Gefühl etwas ganz Besonderes zu sein.“ Hermine musste sich auf die Zunge beißen, um nicht laut loszulachen. Sie konnte sich Harry einfach zu gut als sorgsamen Romantiker vorstellen. „Letztens hat er mir morgens das Frühstück ans Bett gezaubert. Mit Kerze, roter Rose und allem Drum und Dran!“, schwärmte Ginny weiter. 

„Und wie sieht es mit körperlichem Austausch aus? Ich will mehr Details!“, forderte ihre Freundin neckend. Ein schelmisches Grinsen legte sich auf die Lippen der Rothaarigen, als sie schließlich herausrückte: „Also küssen kann er zumindest richtig gut..."

Und so verging die Zeit wie im Flug, bis sich die beiden Freundinnen schließlich spät nachts vor ihren Zimmern verabschiedeten. Beim Schein einer Kerze saß Hermine in ihrem Bett und stöberte vor dem Schlafen noch einmal in ihrer Lektüre über Geschichte der Zauberei. Sie blätterte durch die Seiten, als plötzlich etwas aus dem Buch rutschte und ihr in den Schoß fiel. Langsam hob sie die drei zerknitterten Zettel auf und betrachtete sie. Es waren die Schnipsel, mit denen Draco sie beworfen hatte. Als Hermine nun daran zurück dachte, musste sie grinsen. Es war eigentlich schon komisch gewesen, wie sie von den Kugeln getroffen wurde und sie verstand im Nachhinein nicht mehr genau, wieso so etwas Belangloses sie so unglaublich wütend gemacht hatte. Sie legte die Zettel auf ihren Nachttisch und drehte sich im Bett zum Fenster um, damit sie den Nachthimmel beobachten konnte. So schlief sie schließlich ein.

Hermine sog die frische, kalte Luft ein und verharrte einen Moment. Sie stand so tief im Verbotenen Wald, dass das dichte Geäst über ihr keinen Schnee durchließ und der Boden frei davon war. Von hier aus konnte man jedoch ohne Probleme draußen den Waldrand sehen. Es roch feucht und nach nasser Rinde. Hermine schritt langsam weiter über den unebenen Boden und hielt Ausschau. 

Eigentlich wollte sie heute für Zaubertränke lernen und einen Gegengifttrank brauen, doch dann war ihr aufgefallen, dass ihr eine Zutat ausgegangen war. Ihr fehlte ein magisches Gewächs namens Schimmerpilz, ein Pilz, der in direkter Symbiose mit Bäumen an deren Stamm wuchs, man konnte ihn aber auch in feuchten Höhlen an dicken Wurzeln finden. Seinen Namen hatte der Pilz von seinem grünbläulich-fluoreszierenden Äußeren. 

Plötzlich erspähte die Gryffindor ein Exemplar, das einige Schritte von ihr entfernt an einer Kiefer saß. Es wuchs horizontal und hatte eine längliche Form. Von den Rändern des Huts hingen einzelne leuchtende Fäden hinab und das Erscheinungsbild erinnerte so entfernt an eine Qualle. Sie trat darauf zu, trennte den Pilz von der Rinde ab und legte ihn vorsichtig in ihren ledernen Beutel. Hermine mochte es, alleine in der ruhigen Natur unterwegs zu sein. Es beruhigte und erdete sie - sie bemerkte, wie ihre Sinne sich entspannten und ihr Körper aufzuatmen schien. Sie schritt weiter durch den Wald über die Wurzeln der alten Bäume und man sah ihren Atem, der in kleinen Dampfwolken vor ihr her tanzte. 

Hin und wieder kontrollierte sie, dass sie nicht zu weit in das Dickicht ging, denn man konnte sich im Inneren dieses verwunschenen Waldes leicht verirren. Plötzlich raschelte es über ihr und sie sah, wie ein kleiner, royal blauer Vogel unter die Baumkronen tauchte und vor ihr weg ins Innere des Waldes flog. Von oben rieselten Schneeflocken, aufgewirbelt von dem Vögelchen, auf Hermine hinunter, als sie das kleine Geschöpf mit den Augen verfolgte und prompt einen weiteren Pilz entdeckte. 

Erfreut schritt sie darauf zu. Wenn sie genug Schimmerpilze sammelte, konnte sie Luna fragen, ob sie mitmachen wollte, denn Luna hatte schon immer Probleme mit dem Fach Zaubertränke und ein wenig Nachhilfe würde ihr guttun. Hermine sammelte den Pilz von dem knorrigen Baum. „Ob Luna mittlerweile den Mut gefunden hat, um Neville zu fragen, ob sie mal miteinander ausgehen?", fragte sich Hermine und lief weiter. Schließlich sah man Neville eindeutig an, dass er Luna auch sehr interessant fand. Das war immer das Problem bei zwei Menschen, die so unglaublich schüchtern waren. Hermine wünschte sich sehr für sie, dass Einer endlich den ersten Schritt tat. Denn abnehmen konnte man es den beiden ja leider nicht. Sie hatte gestern Abend auch mit Ginny darüber geredet und die Rothaarige war der gleichen Meinung gewesen. 

Hermine hielt bei dem Gedanken an Ginny inne. Ihre Freundin würde schon morgen wieder zurück zum Fuchsbau fahren. Die Gryffindor steckte einen weiteren Pilz ein und wunderte sich. Sie hatte anscheinend ganz in Gedanken ihre gesamte Tasche mit den schimmernden Gewächsen gefüllt.

Zufrieden schloss sie den Beutel und drehte sich zur Seite, um sich am Waldrand zu orientieren. Doch sie sah nur dichte Bäume und Büsche. Panik durchströmte sie und sie drehte sich einmal um die eigene Achse, doch nirgendwo sah sie eine Lichtung oder etwas, dass ihr bekannt vorkam. „Okay, Hermine, ganz ruhig. Denk nach..., denk nach", flüsterte sie. Sie lief unruhig hin und her und hielt dabei Ausschau nach einem vertrauten Baum oder Stein. „Natürlich, der Vier-Punkte-Zauber!" Sie zog ihren Zauberstab, legte ihn auf ihre linke Hand und rief: „Weise mir die Richtung!" Der Stab fing an sich zu drehen, ruckelte und hielt dann mit einem Mal an und zeigte nach Norden. Hermine atmete auf. Sie drehte sich so, dass sie nach Nord-Westen schaute, denn in dieser Richtung lag das Schloss. Sie lief los, aber schon nach ein paar Schritten strauchelte sie und ein stechender Schmerz schoss ihr durch den Knöchel. Unsanft landete sie auf dem Waldboden und schlug mit dem Kopf auf einem Stein auf. Sie biss ihre Zähne zusammen und versuchte aufzustehen, doch sie konnte nicht auftreten. Noch dazu drehte sich alles um sie. Es war der Knöchel, den sie sich vor ein paar Tagen schon einmal verstaucht hatte. Hätte sie nur auf Madame Pomfrey gehört und die Salbe genommen! 

Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie zu einem Baum kroch und versuchte sich daran hochzuziehen. Doch ihre Kopfschmerzen und der Schwindel zwangen sie auf dem Boden zu bleiben. Erschöpft kroch sie zu einer großen Wurzel und lehnte sich zitternd an. Wenigstens war hier kein nasser Schnee, sondern nur ein feuchter Nadelteppich. Hermine begutachtete so gut es ging ihren Fuß und stellte erschrocken fest, dass er am Knöchel leicht violett war. Sie überlegte angestrengt, doch langsam verließen sie ihre Kräfte. Sie hatte nicht die nötigen Zutaten für einen lindernden Kräuterverband und hier im Wald konnte sie lange suchen, denn viele der Ingredienzien waren nicht gerade leicht zu finden, noch dazu mit diesem Handicap. 

Die Gryffindor war versiert auf dem Fachgebiet der Heilung, doch ihre Sicht verschwamm immer mehr und sie konnte vor Schmerz nicht mehr richtig denken, sodass sie gar nicht auf den Gedanken kam, mit ihrem Patronus Hilfe zu rufen. Sie war nicht einmal mehr in der Lage einen einfachen Kühlzauber zu sprechen, um die Schmerzen zu lindern. Der Wald war merkwürdig ruhig, als würde alles um sie herum die Luft anhalten. Sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen und schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen. Um ihre Sinne kämpfend saß sie da. Kurz darauf sackte ihr der Kopf auf die Brust und sie verlor das Bewusstsein. 
 

~*~



Alles um sie herum war viel zu hell, es blendete sie. Die Farben waren wie aufgelöst in Wasser. Sie sah ein kleines Mädchen, das vor ihr her zu einem bürgerlichen Haus rannte. Es lachte und die braunen Haare flogen im Wind, doch plötzlich schien sich die Zeit zu verlangsamen. Die Kleine lief nun in Zeitlupe über das Pflaster auf die Haustür zu. Mit einem Mal kam sie ins Schlingern und fiel in voller Länge hin. Die Zeit stand still. Hermine rannte zu dem Kind und versuchte es umzudrehen, doch ihre Hände glitten durch das Mädchen, als wäre sie ein Geist. Sie hörte jemanden rufen. Doch dann kam wieder Bewegung in die Kleine und sie hob langsam den Kopf. Da rief jemand eindeutig ihren Namen. Sie wollte nicht gehen. Die Haare verdeckten das Gesicht des Mädchens, doch dann kam eine Windböe und blies seine Mähne zurück. Hermine starrte in ihr eigenes Gesicht. „Hermine!" 

Schwarze Leere. „Hermine, wach auf!" 

Jemand schüttelte sie an der Schulter. Sie wollte die Augen öffnen, aber sie waren schwer wie Blei. Mühsam zog sie die Lider einen Spaltbreit auf und blinzelte. Verschwommen konnte sie Baumkronen erkennen, dann drehte jemand ihren Kopf. Vor sich konnte Hermine schemenhaft eine Person erkennen. Sie spürte, wie sie mit einem Arm unter dem Rücken gestützt wurde und wie mit der anderen Hand ihr Kopf gehalten wurde. Sie wurde erneut geschüttelt. 

„Bin...wach", flüsterte sie. 

„Merlin sei Dank!", sagte eine ihr bekannte Stimme. Sie versuchte sie einzuordnen, scheiterte aber daran. Plötzlich wurde ihr etwas sehr Kaltes auf das Gesicht gestreut, das schmolz und über ihre Haut und den Hals hinablief.  „Du darfst nicht wieder einschlafen, du musst wach bleiben. Hermine!" 

Die Angesprochene stöhnte und zwang sich die Augen wieder zu öffnen. Sie blinzelte und die Sicht verbesserte sich ein wenig, auch ihre Sinne schienen langsam wieder aufzuwachen. Sie drehte ihren Kopf, der in der fremden Hand lag und vor ihr nahm langsam Draco Malfoy Gestalt an.  „Aah!", krächzte Hermine.

Draco verzog das Gesicht.  „Endlich bist du wach. Was zum Teufel suchst du hier alleine mitten im Wald?"  
„Das könnte ich dich auch fragen", flüsterte die Gryffindor.  

„Es gibt hier in der Nähe eine Lichtung, zu der ich gehe, wenn ich meine Ruhe brauche. Als ich ein seltsames Geräusch hörte, habe ich dich hier gefunden. Und du warst anscheinend alleine Zutaten sammeln", kombinierte Draco mit einem Blick auf ihren Beutel, der neben ihr auf den Tannennadeln lag. „Was ist dann passiert?"  

„Bin gestolpert", grummelte Hermine leise. 
Dracos Augen wanderten ihren Körper hinab, über ihre schmutzige Jeans und blieben an ihrem hochgekrempelten Hosenbein hängen, das ihren violetten Knöchel offenbarte.  

„Verstehe", murmelte der Slytherin. Erst jetzt bemerkte Hermine, dass sie auf Dracos Schoß lag. Ihre Füße ruhten auf der einen Seite auf dem Boden und ihren Oberkörper hatte er zur anderen Seite fest im Arm und an seine Brust gedrückt. Doch jetzt ließ er sie vorsichtig auf den Boden gleiten, um ihren Fuß genauer anschauen zu können. Hermine zuckte zusammen, als er ihren Knöchel abtastete.  

„Was machst du da?", fauchte sie, so gut es ihre kratzige Stimme zuließ.  

„Ich versuche es besser zu machen", meinte Draco nur ruhig, doch  sie entwand ihren Fuß aus seinem Griff und fauchte angriffslustig:  „Na klar. Malfoy Junior hilft einem Schlammblut."  

„Wenn du nur einfach mal still wärst!", unterbrach er sie und blickte ihr in die Augen. Er packte ihren Knöchel, hielt ihn mit beiden Händen fest und schloss die Augen. 

Hermine schrie auf und versuchte verzweifelt ihren Fuß zu befreien, doch Draco war zu stark. Er begann etwas vor sich hin zu murmeln und ihre Haut unter seinen Handflächen begann von innen heraus zu leuchten. Sie war zu schwach um einzugreifen. Merkwürdigerweise fühlte es sich auf einmal schön warm an und es schien, als würde der Schmerz langsam nachlassen. Sie ließ Draco gewähren. Als er fertig war, legte er vorsichtig ihren Fuß ab und sah sie an. „Besser?", fragte er. 

„Ich denke schon", meinte Hermine. Sie hatte, soweit das unter diesen merkwürdigen Umständen möglich war, entspannt die Augen geschlossen und die Behandlung über sich ergehen lassen, auch wenn es sie etwas unruhig machte, dass diese heilenden Hände Draco gehörten. 

Der Slytherin stand auf. „Du bist eiskalt, wir sollten dich so schnell wie möglich ins Schloss bringen. Also komm, ich nehme dich Huckepack." Er hielt ihr die Hand hin. 

„Was? Bist du verrückt?", krächzte Hermine. Schon allein der Gedanke daran, auf Dracos Rücken transportiert zu werden, löste bei ihr Gänsehaut aus. 

„Wie willst du dich denn sonst fortbewegen? Den Mobilcorpus-Zauber kannst du hier im Gestrüpp vergessen, danach wärst du überall zerkratzt und auftreten kannst du mit dem Fuß auch nicht. Ich habe nur den Schmerz gelindert." 

„Nein, ich schaffe das!", unterbrach ihn Hermine. Sie krallte sich in die Rinde des nächstbesten Baumes und zog sich schwankend hoch. Die Gryffindor nahm all ihre Kraft und ihren Mut zusammen, stieß sich ab, tat zwei Schritte, doch ihr Knöchel versagte ihr den Dienst. Bevor sie erneut fallen konnte, packte Draco sie wortlos und hob sie in einer Bewegung auf seinen Rücken. Hermine ließ jede Gegenwehr fallen und fügte sich in ihr Schicksal. So stapfte Draco eine Zeit lang durch den Wald, bis die junge Frau schließlich das Schweigen brach: „Warum tust du das, Draco? Warum hilfst du mir?" 

Er schnaubte: „Ich dachte, es wäre dir mittlerweile schon aufgefallen, dass ich mich verändert habe.“ 

„Und wer sollte dir das glauben?", fragte Hermine verächtlich. 

„Ich arbeite gerade daran", meinte Draco daraufhin tonlos. 

Hermine wandte ihren Kopf, der kraftlos auf seiner Schulter lag, seinem Gesicht zu. Seine blonden Haare kitzelten sie an der Nase, als sie seinen Geruch einatmete. Schließlich bohrte sie weiter: „Warum hast du dich verändert?" 

Draco ließ sich etwas Zeit mit seiner Antwort. Nach einer Weile meinte er: „Sagen wir einfach, dass ich aus meiner alten Welt aufgewacht bin. Ich will dort nicht mehr sein. Vielleicht will ich sogar Dinge, die ich getan habe, wieder gut machen. Ich weiß nur ganz sicher, dass ich mein altes Ich und seine Taten verabscheue." 

„Oh, welch frühe Selbsteinsicht!", meinte Hermine ironisch. Draco lachte und zwickte sie ins Bein. Hermine zuckte überrascht zusammen. 

„Du bist wirklich seltsam, Draco Malfoy", murmelte die Gryffindor und Draco trug sie schweigend weiter durch den Verbotenen Wald. Wenig später traten sie aus dem Schatten des Waldrandes auf die Wiese und blickten über das Gelände von Hogwarts. 

„So, jetzt müssen wir dich nur noch rein bringen", keuchte Draco angestrengt. Er setzte sie vorsichtig ab und krempelte seine Ärmel hoch. Seine Haare klebten an der Stirn und seine Wangen waren leicht gerötet vor Anstrengung. Er wischte sich mit dem linken Handrücken den Schweiß vom Gesicht. Dabei kam kurz die Innenseite seines Unterarms zum Vorschein und Hermine sah flüchtig tausende kleine, schnittförmige Narben, zentriert auf eine Fläche so groß wie eine Hand. Draco ließ den Arm wieder fallen und zückte seinen Zauberstab.

Die Gryffindor riss die Augen auf und fühlte sich ins Treppenhaus zurückversetzt, als Draco ihre Müsliflecken hatte verschwinden lassen. 

„Mobilcorpus", murmelte er und Hermine spürte, wie sich ihr Körper versteifte und aufgerichtet wurde. „Wenn es recht ist, transportiere ich dich so weiter. Du bist wirklich schwer, Granger, schon mal daran gedacht ein wenig abzunehmen?", feixte der Slytherin. 

Hermine warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Ein ganz schöner Feigling bist du, mir das zu sagen, wenn ich mich nicht bewegen kann. Hast du Angst, dass ich dir wieder die Nase breche?", konterte sie, während sie neben Draco über die Wiesen schwebte. 

„Endlich bist du wieder die Alte", lachte der Blonde. 

Auf dem Weg zum Krankenflügel begegnete ihnen niemand. Alle schienen beim Abendessen zu sein, denn es war schon spät, die Sonne neigte sich immer mehr dem Horizont zu. Im vom Sonnenuntergang warm erleuchteten Gang vor der Pforte des Krankenflügels hob Draco den Zauber auf und stützte Hermine mit einem Arm, den er um ihre Taille legte. Er murmelte etwas davon, dass es nicht so aussehen sollte, als hätte er sie mit irgendwelchen bösartigen Hintergedanken mit dem Zauber außer Gefecht setzen wollen. 

Die Gryffindor fühlte sich unwohl dem Slytherin so nah zu sein, aber sie beschwerte sich nicht, aus Angst wieder umzufallen. Madame Pomfrey empfing sie mit den tadelnden Worten: „Miss Granger, ich hatte sie bereits erwartet. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie mit ihrem Knöchel hier wieder auftauchen würden." 
Malfoy übergab die geknickt wirkende Hermine der Heilerin, verabschiedete sich rasch und ließ sie alleine.
 

~*~



Am nächsten Morgen verließ Hermine genervt mit der verhassten Kräutersalbe in der Hand den Krankenflügel. Ihr Knöchel war verbunden worden. Madame Pomfrey hatte sie ermahnt, von nun an vorsichtiger zu sein. Also lief sie langsam durch das Schloss und trat auf den Hof hinaus. Sie wollte den frischen Morgen noch kurz draußen genießen, bevor sie zum Frühstück in die Große Halle gehen würde. Auf einer verschnörkelten Bank setzte sie sich nieder und atmete durch. Sie ließ den Blick über die alten Gemäuer schweifen und entdeckte Draco, der auf dem Sims eines glaslosen Fensters in dem offenen Gang hockte, der den Hof umrandete. Er saß mit der Seite zu ihr, hatte seine Beine leicht angezogen und blickte von ihr weg aus dem Fenster auf die atemberaubende Landschaft rund um Hogwarts mit ihrem großen See und ihren endlosen Wiesen. Ihr fiel der gestrige Tag ein und was er alles getan hatte, um sie aus dem Wald zum Krankenflügel zu bringen, nur damit es ihr besser ging. Sie hatte ganz vergessen sich zu bedanken. Auch wenn es ihr seltsam und ungewohnt vorkam, dass sie dem Slytherin etwas schuldete, stand sie unsicher auf und fing an den Hof zu überqueren, als sich ihr plötzlich jemand in den Weg stellte. 

„Guten Morgen, Hermine! Wohin willst du denn? Es gibt doch jetzt Frühstück", meinte Anthony und deutete in die entgegengesetzte Richtung zur Großen Halle. 

„Ähm, ich wollte eigentlich gerade kurz zu Malfoy rüber und...", stockte die Gryffindor. 

Anthonys Blick verfinsterte sich. „Was hast du denn mit dem zu schaffen? Ein Tipp von mir: Halt dich lieber fern von ihm. Das ist ein hinterlistiges Frettchen", meinte der Ravenclaw grimmig und schob sie in das Gebäude hinein, in dem es schon herrlich nach frischen Brötchen duftete. 
 

~*~



Ginny und Hermine schlenderten eingemummelt in Schal und Mütze durch Hogsmeade. Der Himmel färbte sich bereits nach und nach orange und machte aus dem Städtchen eine wunderschöne Szene. Die Wintersonne war schon fast hinter dem Horizont verschwunden, wärmte jedoch noch mit ihren letzten Strahlen die vor Kälte rosigen Gesichter der beiden Freundinnen. Sie waren beim Weihnachtsgeschenkebummel, denn schließlich rückte das Fest immer näher. Hinter ihnen schwebte auch schon brav eine beträchtliche Menge an Einkaufstüten her. 

„Und dann ist er einfach gegangen? Nachdem er dich eine halbe Stunde lang durch den Wald getragen hat?", fragte Ginny ungläubig. 

Hermine nickte nur. Ihre Freundin runzelte die Stirn und drehte sich zu ihr. „Bist du dir sicher, dass es Draco war und dass du nicht vielleicht durch den Schlag auf den Kopf halluziniert hast?" 

„Aber ja, er war es! Madame Pomfrey hat ihn ja schließlich auch gesehen, Ginny", antwortete Hermine leicht säuerlich. 

„Würde mir das jemand anderes erzählen, würde ich kein Wort glauben", Ginny zog ihren Schal enger um ihren Hals. „Ich weiß nicht, ich finde, das hört sich alles sehr seltsam an. Wahrscheinlich heckt er etwas aus. Du solltest dich lieber von ihm fernhalten, Mine... Oh, sieh mal!" 

Ginny zog Hermine zum nächsten Schaufenster. Es gehörte zu "Magische Schmuckstücke", einem Juwelierladen. Die beiden Gryffindors klebten an der Scheibe und betrachteten die ausgestellten Schätze. „Bei Merlin!", hauchte Ginny gegen das Glas und deutete auf ein Armband. „Das ist ja wunderschön!" 

Es war fragil und silberfarben. An dem Band, das gerade so dick war wie ein Faden, hing ein kleiner, goldener Anhänger in Form eines Vogels. Dieser hockte auf dem nachtblauen Samt des Auslegers, neigte seinen Kopf und blickte sie neugierig mit winzigen grünen Edelsteinaugen an. 

„Warum kaufst du es dir nicht?", fragte Hermine und lächelte ihre Freundin an. 

„Weil man sich so etwas Besonderes nicht einfach selbst kauft!", rief die Angesprochene empört. „So etwas muss man, wenn überhaupt, geschenkt bekommen!" 

Verträumt beobachtete Ginny, wie sich das Vögelchen zwischen den güldenen Federn putzte. „Vielleicht schenkt dir Harry ja was Besonderes", meinte Hermine. 

Ginny errötete leicht und ein seliges Lächeln legte sich auf ihre Lippen. So schritten die beiden weiter durch die weihnachtlich geschmückte Gasse. Überall hingen glitzernde, leuchtende Sterne in der Luft und an den Läden waren Gestecke aus Tannen- und Mistelzweigen befestigt. An jeder Ecke roch es nach einem anderen Gewürz. Hier nach Zimt, dort nach Nelken und da wiederum nach Anis. 

Auf einmal schaute Hermine auf ihre Armbanduhr und rief: „Bei Merlin! Schon so spät? Wann wolltest du zu Hause sein?" Sie hatten sich von den leckeren Düften, den leisen Klängen der Weihnachtslieder und dem Glühwein einlullen lassen und ganz die Zeit vergessen. 

„Um sechs!", antwortete Ginny alarmiert und griff nach Hermines Handgelenk, um ebenfalls die Uhrzeit zu überprüfen. Es war viertel nach sechs. 

„Oh nein!", riefen sie im Chor. 

„Mum wird sich schon wieder Sorgen machen", sagte Ginny zerknirscht und riss ihre Freundin zum Eingang des nächstbesten Geschäfts. Doch in der Tür tauchte ein Zauberer auf und so rannte Ginny gegen ihn und Hermine wiederum in Ginnys Rücken hinein. Sich entschuldigend und die Stirn reibend, trat Ginny einen Schritt zurück. Vor ihnen stand ein Mann mittleren Alters in einem schäbigen Umhang. Sein Gesicht war sonnengegerbt und voller Narben. Im Großen und Ganzen wirkte er, als gehöre er eher in einen zwielichtigen Laden in der Nokturngasse als hierher. Auf seiner linken Schulter turnte ein aufgebracht meckernder kleiner Affe in maßgeschneiderter Latzhose. 

„Bei Merlins dreckiger Unterhose, passt doch auf!", schimpfte der Zauberer und versuchte währenddessen seinen Affen zu beruhigen. Als er schließlich zu ihnen schaute, wandelte sich sein Blick von wütend zu lüstern. 

„Hallo, wen haben wir denn da? Zwei junge, hübsche Damen", sagte er schmierig und versperrte nun vollends den Eingang, indem er sich lässig gegen den Türrahmen lehnte. Das Äffchen hatte sich mittlerweile etwas beruhigt. Es kletterte auf den Kopf seines Herrchens und beäugte sie misstrauisch von oben. 

„Was kann ich denn für euch Süßen tun?", fragte er und beugte sich dabei widerlich grinsend vor. Hermine stieg sein fauliger Mundgeruch in die Nase und sie wich reflexartig noch einen Schritt zurück. „Ähm, also eigentlich...", begann Ginny zu stottern, „wollten wir nur schnell in den Laden..." 

Der Mann machte keine Anstalten sie durchzulassen. Stattdessen baute er sich vor ihnen auf und grunzte: „Soso. Wie wäre es erstmal mit einer Entschädigung für das Aufschrecken von Fred?" Er deutete auf seinen Affen, der gehässig kreischte. 

Ginny und Hermine tauschten nervöse Blicke. „Entschuldigung?", kam es aus dem Ladeninneren, „Entschuldigung?" Ein gepflegt gekleideter Zwerg lugte in Hüfthöhe des Mannes aus der Tür und wandte sich an selbigen. 

„Würden Sie bitte unterlassen die Tür zu blockieren? Sie schrecken meine Kunden ab", meinte der Ladenbesitzer nachdrücklich. „Entweder Sie kommen herein oder Sie gehen jetzt bitte." 

Der Mann mit dem Äffchen schaute ihn aus seinen kleinen, fiesen Augen für einige Zeit grimmig an, grunzte schließlich etwas und stieß sich vom Holzrahmen ab, um in der Menge zu verschwinden. „Dieser Kerl lungert hier schon den ganzen Tag herum", schimpfte der Zwerg und schaute dann schließlich freundlich zu Ginny und Hermine. „Kann ich etwas für Sie beide tun?" 

„Ja!", sagte Ginny erleichtert. „Ich würde gerne Ihren Kamin benutzen, wenn das möglich wäre." „Natürlich! Bitte", der kleine Mann bat sie herein. 

Ginny schritt auf den Kamin zu, in dem ein Feuer brannte. Ohne zu zögern trat sie in die magischen Flammen und nahm aus einem kleinen Messingtopf, der neben dem Kamin stand, etwas Flohpulver. Schnell zog sie Hermine in eine herzliche Umarmung. 

„Komm gut nach Hause! Ich drück dir die Daumen, dass Molly nicht sauer ist", lachte Hermine. „Danke!", grinste die Weasley zurück, ließ das Pulver in die Flammen fallen und rief dann laut und deutlich: „Fuchsbau!" 

Und schon wurde sie von dem aufflammenden grünen Feuer verschluckt. Hermine bedankte sich noch einmal bei dem netten Ladenbesitzer und verließ das Geschäft. Anschließend lief sie die festlich beleuchtete Gasse alleine zurück. Als sie wieder an "Magische Schmuckstücke" vorbeikam, blieb sie kurz stehen und entschied schließlich einzutreten. Sie fand sich in einem kleinen, runden Verkaufsraum wieder. Der Raum war relativ dunkel, denn die einzigen Lichtquellen waren einige tiefhängende Lampen, die hie und da auf den Holzdielen stehende Podeste mit kegelförmigem Licht von oben bestrahlten. Auf diesen lag dekorativ angeordnet magischer Schmuck. 

Hermine schritt vorsichtig zwischen den Podesten hindurch und betrachtete das Ausgestellte. Sie sah Ohrringe, die aussahen wie echte Blüten, und eine Vielzahl von Ketten mit diversen Anhängern. An einem Sockel blieb sie stehen. Auf ihm stand eine runde Schale, in der regungslos eine Schlange aus Gold lag. Hermine streckte vorsichtig die Hand aus und berührte die goldenen Schuppen leicht mit der Fingerkuppe. Sofort erwachte das Reptil zum Leben und schlängelte sich blitzschnell ihre Hand hinauf um ihr Handgelenk und erstarrte wieder. Die Gryffindor starrte erschrocken auf das lebendige Schmuckstück. 

„Faszinierend, nicht wahr?", sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Hermine wirbelte herum. Vor ihr stand ein älterer Mann mit Brille und Lupenaufsatz, der sein Auge merkwürdig vergrößerte und lächelte sie freundlich an. 

Er machte einen Schritt auf sie zu, hielt ihr seine Hand entgegen und stellte sich vor: „Ich bin Edgar Marvins, Eigentümer von 'Magische Schmuckstücke'." Hermine nahm seine Hand und schüttelte sie. „Dieses wunderbare Armband habe ich selbst entworfen, wie all den Schmuck, den sie hier finden können." 

Er hielt ihre Hand immer noch fest, doch nun drehte er sie, sodass der Kopf der Schlange zum Vorschein kam. Geschickt strich er über ihren Körper, woraufhin sie sich von Hermines Handgelenk löste und in seiner Hand zusammenrollte. 

„Kann ich etwas für Sie tun, junge Dame?", fragte er und legte das Armband zurück in die Schale. Hermine brauchte einen Moment, um sich wieder in Erinnerung zu rufen, warum sie überhaupt hierhergekommen war. 

„Ja, ich bin an einem Armband aus dem Schaufenster interessiert. Es ist silberfarben und hat einen kleinen, goldenen Vogel als Anhänger." Mister Marvins drehte sich um und ging zu den Ausstellungstischen am Fenster. Er hob das Armband auf und der kleine Vogel flatterte mit den Flügeln. Behutsam setzte er ihn auf seiner Hand ab und führte Hermine zum Tresen. 

„Wollen Sie es mal anziehen?", fragte er und wollte es ihr reichen. 

„Oh, nein, ich will es für eine Freundin kaufen, als Weihnachtsgeschenk", meinte Hermine schnell. 

„Ich verstehe", lächelte Mr. Marvins, langte unter den Tresen und holte eine kleine, blaue Box hervor. „Das muss sicher eine besondere Freundin für Sie sein." Hermine erwiderte sein Lächeln und nickte. 

„Ich werde es in die Schachtel hier legen, damit es nicht beschädigt wird. Sie sollten aber wissen", erzählte er, während er das Armband vorsichtig in die Box gleiten ließ, „dass dieser kleine Vogel, obwohl er nur aus Gold gearbeitet ist, auch gewisse Gefühle hat. Er baut zum Träger eine Beziehung auf und man sagt, dass er Unheil abwenden kann." 

Der alte Mann zwinkerte Hermine zu. „Außerdem empfehle ich, den winzigen Freund nicht zu lange eingeschlossen zu lassen. Es ist besser, ihn bis zur Geschenkübergabe außerhalb der Schachtel aufzubewahren." 

Langsam schloss er die Box und schob sie über den Tresen. „Es kann nämlich passieren", fuhr er fort, „dass der Vogel, wenn ihm keine Aufmerksamkeit und Zuneigung geschenkt wird, nach und nach erstarrt und am Ende nichts anderes als ein lebloser Anhänger aus Gold ist." 

„Vielen Dank für die Tipps", staunte Hermine. Sie bezahlte, bedankte sich nochmals und trat hinaus in die weißverschneite Gasse. Zufrieden sog sie die frische Luft ein und beschloss auf dem Weg zum Schloss noch eine heiße Schokolade in der "Klappernden Kaffeetasse" zu genießen. Also schlenderte sie durch die Gassen.
 

~*~



Es war zwar erst sieben Uhr, doch es war schon stockdunkel. Im Winter ging die Sonne erschreckend früh unter, wie Hermine fand. Vor der "Klappernden Kaffeetasse" klopfte sich die Gryffindor ihre Schuhe ab, trat ein und schaute sich in dem Café um. Es war sehr gemütlich eingerichtet. Stühle, Sofas und Tische in verschiedenen Stilen standen zusammengewürfelt in Sitzgruppen zusammen. Nur wenige Gäste saßen hier im Café, das hing mit der Uhrzeit zusammen. Die meisten Schüler, die über die Ferien hier waren, befanden sich vermutlich im ‚Drei Besen‘, um den Abend bei ein paar Butterbier ausklingen zu lassen. 

Da die Schüler nun mal den größten Kundenkreis bildeten, sah es hier dementsprechend leer aus. Aber das war Hermine nur recht. Sie fühlte sich nicht nach lauter,  lustiger Gesellschaft, wie man sie meist im ‚Drei Besen‘ antraf. Hermine ging zur Theke und bestellte eine heiße Schokolade. Anschließend setzte sie sich auf eine antike Eckcouch ganz hinten im Raum, die mit dunkelgrünem Samt überzogen war. 

Sie ließ ihren Blick erneut durch das Café schweifen und schaute sich dieses Mal die Leute etwas genauer an. Neben der Eingangstür saß ein erschöpft wirkender Mann in einem grauen Anzug, der teilnahmslos in seiner Tasse rührte. Neben ihm stand ein Aktenkoffer. Vermutlich arbeitete er im Ministerium. An der Theke stand lässig angelehnt ein junger Mann und flirtete offensiv mit der Aushilfe. Mittig im Raum stand ein kleiner runder Tisch, an dem zwei Hogwartsschülerinnen aus Hufflepuff hockten und kichernd das Werben verfolgten. Ein Tisch von Hermine entfernt saß in einem Ohrensessel noch ein junger Mann, doch der Tagesprophet, den er in den Händen hielt, versperrte der Gryffindor die Sicht auf sein Gesicht. Während Hermine noch zu ihm hinschaute, senkte er die Zeitung und griff nach seiner Tasse mit Kaffee. Sie erkannte ihn sofort. Es war Draco. Sie war so verblüfft, dass sie fast nicht bemerkte, dass ihre heiße Schokolade angeflogen kam. Sie konnte die Tasse gerade noch aus der Luft fischen, bevor sie fiel. 

„Oh", entwich es ihr dabei. 

Draco sah mitten im Schluck zu ihr auf und verschluckte sich prompt. Hustend wedelte er mit der Zeitung, bis ihm Tränen in die Augen stiegen.  

Hermine konnte sich gerade so das Lachen verkneifen. Kurzer Hand erhob sie sich, ging zu ihm hinüber und schlug ihm fest auf den Rücken. 

„Bei Merlin", krächzte Draco, „Was tust du da?" 

„Ich revanchiere mich", meinte Hermine trocken. 

Der Slytherin räusperte sich noch einmal, dann atmete er erleichtert auf. „Ist das so ein Muggelding? Dass ihr euch gegenseitig haut, wenn jemand hustet?", fragte er heiser. 

Hermine drehte sich um und ging, ohne eine Miene zu verziehen, zu ihrem Platz zurück. 

„Heh...", machte Malfoy und sah auf einmal etwas unsicher aus. Schließlich stand er auf, kam ihr hinterher und setzte sich auf die andere Seite der Eckbank. „Hör mal, das war nicht böse gemeint. Das war eine ernst gemeinte Frage. Ich kenn mich da nun mal überhaupt nicht aus", fing er an, doch die Gryffindor ignorierte ihn. „Na, schön, dann reden wir eben nicht. Dann sitzen wir eben schweigend da." Er nahm wieder seine Zeitung zur Hand und schlug sie auf. 

Nach einiger Zeit glitt Hermines Blick scheu wie ein Reh zu ihm hinüber. Er war in einen Artikel vertieft und seine Augen bewegten sich rasch von links nach rechts über die Zeilen. Seinen Pullover hatte er an den Armen hochgekrempelt, es war schließlich mollig warm hier im Raum. Dadurch blieb Dracos linker Unterarm Hermines Blick nicht verborgen und sie konnte nun ganz genau und in Ruhe die vielen beieinanderliegenden Narben betrachten, die ihr bereits an dem Tag aufgefallen waren, als Draco sie gerettet hatte. 

„Was...", begann sie und schalt sich im nächsten Moment dafür, etwas gesagt zu haben. 

Draco sah auf und folgte ihrem Blick. „Das Dunkle Mal", erklärte er mit gesenkter Stimme und schaute finster auf seinen Arm hinunter. 

Hermine erstarrte. „Nachdem Voldemort gestorben war, verblasste es immer mehr. Ich persönlich hatte gehofft, es würde vollends verschwinden, doch es blieb eine Art Narbe mit den Umrissen, die mich ständig an meine Taten erinnerten“, presste Draco hervor und fuhr mit seiner Hand über das vernarbte Mal. 

„Und wenn ich meine schändliche Vergangenheit schon nicht ändern kann“, fuhr er fort, „wollte ich wenigstens ihre Spuren unkenntlich machen. Also habe ich mich wieder und wieder geschnitten, um mit neuen Narben das Mal unkenntlich zu machen. Ich wollte das Geschehene so weit wie möglich wegsperren, doch es ging nicht, selbst wenn ich mir den gesamten Unterarm abgetrennt hätte. Es ist immer noch da." Draco schloss im Schmerz an die Erinnerungen kurz die Augen. 

Hermine hielt überrascht inne. Der hochnäsige, stolze Slytherin hatte seiner dunklen Vergangenheit den Rücken gekehrt und zeigte tatsächlich Reue? Die Gryffindor fühlte sich unwohl und rutsche auf ihrer Bank hin und her. Sie wusste nicht so recht, was sie nun von all dem halten sollte.

„Danke, dass du mir im Wald geholfen hast", wechselte Hermine schließlich schnell das Thema. „Meine Freunde warnen mich vor dir und denken, dass du etwas ausheckst." 

„Und was denkst du?", fragte Draco und sein Gesicht wurde wieder ausdruckslos. 

„Ich weiß nur, dass du gestern im Wald die Gelegenheit ergriffen hättest, wenn du etwas Böses gewollt hättest", sagte die Gryffindor und Dracos Miene entspannte sich fast unmerklich. 

„Vielleicht will ich ja einen fairen Kampf, in dem wir beide bei vollen Kräften sind", meinte der Slytherin gefährlich leise. 

Hermine verkrampfte sich und riss ihren Kopf zu ihm herum. Sie sah den Schalk in seinen Augen und ein Grinsen lag auf seinem Gesicht. Beim Anblick der alarmierten Hermine brach er in Gelächter aus. "Ich bin schockiert, was die Leute mir alles zutrauen", lachte er. 

Hermine entspannte sich wieder und musste angesichts der Ironie seiner Worte lächeln. Sie stand auf und versuchte ihr Lächeln vor ihm zu verbergen, als sie sich umdrehte, um sich den Mantel überzuziehen. „Es wird langsam Zeit zum Schloss zurückzugehen.", meinte sie nur. Hermine verließ das Café und Draco folgte ihr hinaus. So liefen sie schweigend durch die Gassen, in denen nach und nach die Geschäfte schlossen und die letzten Lichter gelöscht wurden.

Am nächsten Morgen stapfte Hermine zufrieden durch das Schneegestöber und zog ihren Schal enger um den Hals. Trotzdem begann sie mit den Zähnen zu klappern. Heute würde sie nicht mehr rausgehen. Es war heute besonders kalt, weil ein scharfer Wind über die Landschaft und das Schloss fegte. Also schlug sie den Weg zum Wildhüter von Hogwarts ein. Als sie an die große Tür von Hagrids Hütte klopfte, hörte man ihn schon drinnen herumhantieren. Sie klopfte so kräftig an die massive Holztür, wie sie nur konnte.

„Momentchen!", rief Hagrid panisch von innen und man konnte wütendes Fauchen und eine Decke rascheln hören. Hermine musste grinsen, als Hagrid ihr in einer Kochschürze die Tür öffnete. 

„Hallo Hermine! Das ist aber eine Überraschung! Da hätte ich den Kleinen ja gar nicht verstecken müssen.“ Er trat zur Seite und ließ sie hinein. 

„Den Kleinen...?", fragte Hermine neugierig. „Hagrid, hältst du wieder illegal irgendein Tier hier?" 

Sie sah sich erwartungsvoll um und entdeckte einen großen Weidenkorb, über den eine Decke geworfen war. Argwöhnisch beobachtete sie, wie sich unter der Decke etwas wütend bewegte. „Ach, das ist nur... Das ist nur mein Kniesel", meinte Hagrid verlegen und nahm die Decke vom Korb. Darunter erschien ein kleines, katzenähnliches Wesen mit großen Ohren und grau-schwarz getigertem Fell. Es hatte alle Haare aufgestellt und fauchte sie mit angelegten Ohren an, den aufgeplüschten Schwanz hoch erhoben. Erst jetzt fielen Hermine die vielen Kratzspuren an Hagrids Händen und Unterarmen auf. Dieser drehte sich nun zum Backofen um und spähte hinein. „Die Plätzchen sich auch gerade fertig!", rief er fröhlich, nahm sich ein riesiges Paar Topflappen, holte das Blech aus dem Ofen und stellte es auf den runden Tisch. 

In der Zwischenzeit hatte der kleine Kniesel den Weidenkorb umgestoßen und schlich auf Hermine zu. Sie bemerkte es jedoch und bückte sich zu ihm hinunter. Damit hatte der Kleine nicht gerechnet und er entfernte sich mit aufgestelltem Fell rückwärts, bis er gegen die Wand hinter ihm stieß. Dabei erschreckte er sich so sehr, dass er im Zickzack und laut zeternd quer durch den Raum und zwischen Hagrids Beinen hindurch unter dem Tisch verschwand. „Der ist ja niedlich", meinte Hermine lachend und erhob sich wieder. „Wie alt ist er?" 

„Vier Monate hat der Kleine schon auf dem Buckel!", antwortete Hagrid mit stolzgeschwellter Brust. 

In der kleinen Hütte hatte sich mittlerweile der leckere Duft frischer Plätzchen ausgebreitet. Hermine kannte jedoch Hagrids Kekse. Sie waren meist steinhart und trocken. Trotzdem beschloss sie ihnen eine Chance zu geben, weil sie so gut rochen. Hermine biss vorsichtig in eins der noch warmen Plätzchen und verlor dabei beinahe einen Zahn. Sie waren wie immer so hart wie Stein. Die Gryffindor warf das Plätzchen Fang zu, der sabbernd in der Ecke lag, drehte sich um und sagte bestimmt: „Hagrid, jetzt backen wir noch eine Fuhre von meinen Plätzchen! Deine sind mal wieder ungenießbar für Menschen, die keine Halbriesenzähne besitzen!" Hagrid rückte sich verlegen die Schürze zurecht. 

„In Ordnung", meinte er dann. Hermine schob ihre Ärmel hoch, band sich die Haare zusammen und rief: „Na dann los! Wir brauchen Eier, Mehl, Zucker ..."
 

~*~



Als Hermine am Abends gut gelaunt von ihrem Besuch bei Hagrid zurück kam und in die große Halle ging, um zu Abend zu essen, sah sie Draco alleine, abseits der anderen Slytherins, sitzen. Da sonst niemand, den sie kannte in der großen Halle war, ging sie zögernd auf den Slytherin zu. „Na, Malfoy? Warum denn so alleine?“, fragte Hermine neckend. Draco sah auf und schaute erst giftig, dann belustigt drein. 

„Was hat denn ein Gryffindor am Slytherintisch zu suchen?", feixte er, klopfte aber neben sich auf die Bank, damit Hermine sich setzte. 

Die anderen Slytherins hatten die Szene verfolgt und schauten die beiden nun verächtlich an, doch die Angefeindeten ignorierten die Blicke. Der Tisch vor ihnen war reich gedeckt mit allerlei leckeren Speisen und Getränken. Hermine tat sich auf. Sie fühlte sich ein wenig unwohl dabei, so neben Draco zu sitzen, aber sie hatte in letzter Zeit oft gesehen, dass er irgendwo alleine herumgelungert hatte. Hermine bemerkte, dass er sie die ganze Zeit seltsam amüsiert anschaute. Also legte sie ihre Gabel beiseite und sprach ihn schließlich direkt darauf an. 

„Was ist eigentlich los? Warum schaust du mich so an?“, fragte Hermine. 

„Nichts“, grinste er zurück. Hermine verschränkte die Arme und sah ihn finster an. 

„Sag schon. Denkst du, ich merke das nicht?“ 

Draco beugte sich unmerklich zu ihr und hob ganz langsam die Hand, als wolle er sie nicht erschrecken. So hielt er kurz inne, lächelte sie an und wuschelte ihr dann sanft durch die offenen Haare. Mehl rieselte vor ihr auf den Tisch. „Oh nein!“, lachte Hermine los.


Als das Essen mit einem leisen „Plopp“ verschwand, saßen die beiden satt und zufrieden nebeneinander auf der Bank. Hermine musste gähnen. 

„Müde?", fragte Draco und beobachtete, wie sie sich die Tränen der Müdigkeit aus den Augen wischte. 

„Ja, war ein schöner Tag heute. Ich denke, ich mache mich auf den Weg ins Bett", antwortete sie und stand auf. 

Draco tat es ihr gleich und meinte: „In Ordnung. Ich muss in dieselbe Richtung." 

Sie verließen zusammen die große Halle und kamen schließlich im Treppenhaus an. 

„Ich muss hier nach unten zum Kerker", erklärte Draco und machte eine vage Geste zur Treppe. 

„Okay, gute Nacht", meinte Hermine. Der Slytherin räusperte sich. 

„Nacht", antwortete er, drehte sich um und schritt die Treppe hinunter. 

Hermine lehnte sich gegen das Geländer und beobachtete wie seine schlanke Silhouette, die zu den Schultern hin breiter wurde, die Treppen hinunter bis zum Boden des Treppenhauses stieg. Kurz bevor er dann in einem Eingang zum Kerker verschwand, warf er ihr noch für den Bruchteil einer Sekunde einen Blick zu und sie sah noch, wie sich ein Lächeln auf seine Lippen legte. Hermine war von dem ganzen Abend verwirrt.

Sie verstanden sich so gut, doch dann erinnerte sich Hermine immer wieder daran, mit wem sie da eigentlich gerade redete und scherzte. Dadurch, dass sie sich plötzlich genau entgegengesetzt zu früher verhielten, stand Hermine ständig zwischen ihrer alten Position und der, die Draco gerade neu entdeckte - sie war hin- und hergerissen. Doch langsam begann in ihrem Kopf eine Art Teilung. Aus einem Draco wurden zwei: der ihr verhasste Draco von früher und der selbstreflektierte Draco von heute. Sie waren wie zwei unterschiedliche Personen. Hermine riss sich aus ihren Gedanken und stieg langsam die Treppen in Richtung Gemeinschaftsraum hinauf.
 

~*~



Es war Morgen und Hermine stand mit einem Eimer voll Dünger im Gewächshaus bei den Alraunen. Professor Sprout hatte sie gebeten sich um die Plagegeister zu kümmern und Anthony hatte sich heute beim Frühstück freiwillig gemeldet, ihr dabei zu helfen. Er stand hinter ihr und goss die Pflanzen, die sie bereits gedüngt hatte. Mit schwungvollen Bewegungen streute sie eine Hand voll Dünger auf die Erde einer besonders großen Alraune. Wenn man genau hinsah, konnte man beobachten, wie sich die Blätter leicht bewegten und wenn man ganz still war, konnte man ihren hohen, wispernden Stimmchen durch die Erde bis an die Oberfläche lauschen. Anthony ließ lustlos das Wasser auf die Pflanzen plätschern. 

„Und was hast du in den letzten Tagen so gemacht?", brach er das Schweigen. 

„Ach, eigentlich nichts Besonderes", antwortete Hermine und entfernte ein braunes Blatt von einer Pflanze. Diese schüttelte empört ihr Blattwerk. Anthony schaute sie von der Seite an und sagte: „Ich habe dich wieder bei Malfoy gesehen." 

Die Gryffindor hielt kurz in der Bewegung inne und fragte überrascht: „Spionierst du mir nach?" 

„Natürlich nicht. Ich sah euch nur zusammen über den Hof laufen", meinte er ausweichend und fügte drängend hinzu: „Er ist ein Idiot, das solltest du am besten wissen. Warum treibst du dich mit ihm rum?" 

Hermine drehte sich nun vollends zu ihm um und stemmte genervt die freie Hand in die Hüften. „Was ist schon dabei?" 

"Was ist schon dabei?!", rief der Ravenclaw ungläubig. 

„Das ist Malfoy! Das ist das Schlimme daran!" Hermine verdrehte die Augen. 

„Du kennst ihn doch gar nicht! Außerdem geht es dich nichts an, mit wem ich zu tun habe!", konterte sie.

Anthony legte den Wasserschlauch beiseite und packte sie an den Schultern. Die aufgezwungene Nähe war ihr unangenehm. „Hermine. Ich warne dich zum letzten Mal", sagte er leise und eindringlich. „Malfoy ist sicher nicht der, für den er sich ausgibt!" Sein Griff war fest und tat ihr weh. 

„Weißt du was?", rief Hermine aufgebracht und schüttelte seine Hände ab. „Ich kann schon auf mich selbst aufpassen!" Sie pfefferte den Eimer auf den Boden und rauschte aus dem Gewächshaus.
 

~*~



Hermine saß mit Luna an einem Tisch im Gryffindorgemeinschaftsraum. Ihre Tasse Kaffee stand vor ihr und über den Tisch ausgebreitet lagen Dutzende Pergamentrollen und Bücher. Die fette Dame hatte aufgrund der Ferien ein Auge zugedrückt und Luna mit hinein gelassen, obwohl sie eine Ravenclaw war. So konnten sie endlich wieder einmal in Ruhe zusammen für Zaubertränke lernen, störten aber auch niemanden, wenn sie sich zwischendurch unterhielten, nicht so wie in der Bibliothek. Hermine hing seit gestern in einem Kapitel fest. Es ging darin um einen Trank, bei dem sie eine Sache einfach nicht verstand. 

„Ach, Hermine", seufzte Luna und unterbrach sie so in ihrem Grübeln. „Ich hasse Zaubertränke". Sie ließ ihren Kopf vor sich auf ein aufgeschlagenes Buch sinken. 

„Du musst das Ganze positiv sehen, Luna", meinte Hermine und legte ihrer Freundin tröstend einen Arm um die Schultern. „Das werden dieses Jahr die letzten Prüfungen in Zaubertränke in deinem Leben sein!" 

Luna drehte ihren Kopf auf dem Papier zur Seite, sodass sie Hermine ansehen konnte. 

„Ja, da müssen wir wohl jetzt noch durch", lächelte sie schwach. 

„Kopf hoch!", versuchte Hermine sie aufzumuntern. 

Plötzlich hellte sich Lunas Miene schlagartig auf. Sie richtete sich auf und strahlte die Gryffindor an. „Das habe ich ja ganz vergessen zu erzählen! Ich habe mich getraut Neville anzusprechen!", rief sie glücklich. Hermine nahm die Hände der Ravenclaw und drückte sie. 

„Das sind ja tolle Neuigkeiten! Und wie lief es?", rief sie. 

Lunas Wangen färbten sich leicht rosa. „Ich... ich hab ihn gestern gefragt, ob er heute Abend mit mir in Hogsmeade Essen gehen möchte. Und er hat zugesagt!" 

„Klasse!", freute sich Hermine mit ihrer Freundin. Sie besprachen den nächsten Tag zusammen und Zaubertränke war für den Rest des Mittags vergessen.
 

~*~



Am späten Nachmittag brütete Hermine weiter über dem Zaubertränkebuch. Sie saß im verschneiten Hof auf einem der offenen Fenstersimse, eingemummelt in eine verzauberte Decke, die die Funktion einer Heizung hatte, und umhüllt von einem Kälteschutzzauber. In einem gewissen Radius um sie herum verdampften die fallenden Schneeflocken wie kleine Gesteinsbrocken, die in die Erdatmosphäre eintreten. 

Die Gryffindor kämpfte gerade wieder mit einer Stelle in der Anleitung eines Zaubertranks, als sich von hinten jemand über ihre Schulter beugte. „Na, Streberin?", feixte der blonde Slytherin und ließ sich neben sie fallen. Hermine drückte vor Schreck ihr Buch an die Brust. Als Draco den Wärmezauber bemerkte, rückte er näher, um komplett im Radius zu sein. Wohlig lockerte er seinen Wollschal. 

„Zeig mal her, über was zermürbst du dir so deinen hübschen Kopf?", neckte er sie mit ironischem Unterton und zog den alten Wälzer so weit von ihrer Brust weg, dass er einen Blick hineinwerfen konnte. Hermine schaute ihn finster an. 

„Ah, ja, die Sache mit dem Ingwer. Du darfst ihn erst hinzugeben, wenn der Trank komplett abgekühlt ist, sonst denaturieren bei den hohen Temperaturen die Enzyme. Es gibt dann nämlich eine Wechselwirkung mit dem Flubberwurmschleim und dein Trank ist dahin", erklärte er ihr und lächelte sie an. Hermine war verblüfft. Sie dachte schon seit gestern über den Ingwer nach und hatte bisher noch keine Lösung gefunden. Nun fühlte sie sich in ihrem Stolz angegriffen. 

„Ich glaube nicht, dass das daran liegen kann. Du musst bedenken, dass Mondscheinwurz höchstwahrscheinlich dazwischenfunken würde. Du irrst dich wohl", meinte die Gryffindor unwirsch. 

Draco lachte. „Wir können den Trank ja so brauen, wie du denkst und schauen, was dabei passiert. Im Kerker stehen alle Zaubertränke-Klassenzimmer leer." 

„Schön, dann los!", rief Hermine und stand mit einem Ruck auf. Draco folgte der jungen Frau schmunzelnd ins Schloss.
 

~*~



Das Messer schnitt sauber durch den Ingwer. Hermine zerlegte energisch die Wurzel in kleine Stückchen. Draco stand neben ihr und rührte im blubbernden Kessel, der vor ihm auf dem massiven Eichentisch stand. 

„Kannst du mir die getrockneten Larven rüberreichen?", wandte er sich an Hermine. Diese pfefferte als Antwort die Schale vor ihn hin. Sie war immer noch sauer. Wie konnte Draco eine Lösung auf das Problem so selbstverständlich wissen und sie war auf so eine einfache Antwort nicht gekommen? Der Slytherin rührte weiter besonnen im Kessel und beobachtete sie. Dann zückte er seinen Zauberstab und machte einen Schwenk. Hermine spürte, wie sich etwas auf ihren Kopf legte. Sie schaute überrascht auf und sah ihr Spiegelbild im gläsernen Zutatenschrank. Sie hatte eine weiße Chefkochmütze auf. Draco prustete los. 

„Sehr witzig", meinte Hermine trocken, musste sich jedoch zusammenreißen, um nicht von dem herzhaften Lachen angesteckt zu werden. 

„Entschuldige, aber ich habe noch nie jemanden so ernsthaft Ingwer schnippeln sehen", lachte Draco und fügte noch verschmitzt hinzu: „Apropos, ist der mittlerweile fertig geschnitten, oder sind etwa noch nicht alle Stückchen gleich groß? Weil dann kannst du jetzt ein klein wenig davon-" 

„Ja, ist er!", rief Hermine genervt und warf den gesamten Ingwer in den Kessel. Im Bruchteil einer Sekunde bäumte sich der Trank auf, brodelte laut und spritzte Draco ins Gesicht, bevor dieser sich schützen konnte. Er zuckte heftig zusammen und stöhnte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. 

„Beim Barte des Merlin, das wollte ich nicht! Tut mir schrecklich leid!", rief Hermine und eilte zu einem Schrank. Daraus zog sie einen Kolben mit hellgelber Flüssigkeit hervor. Es war ein Gemisch, das die meisten Zaubertränke auf der Haut neutralisieren konnte. Sie lief zurück zu Draco und drückte ihn auf einen Stuhl. Er hielt die Augen geschlossen und in seinem Gesicht begannen überall dort rote Spuren aufzutauchen, wo ihn die Flüssigkeit getroffen hatte. Seine Lippen waren vor Schmerz zu einer dünnen Linie zusammengedrückt. 

Schnell tränkte die Gryffindor einen sauberen Lappen mit dem Gemisch und begann Dracos Gesicht abzutupfen. Nach und nach entspannten sich seine Züge und er konnte seine Augen wieder öffnen. Hermine stand vornübergebeugt vor ihm und stützte sich mit der linken Hand auf seiner Schulter ab. Ihr Gesicht war nicht weit entfernt, ihr Pullover gab den Ansatz ihres Busens preis und sie bearbeitete mit konzentriertem Ausdruck seine Wange mit dem Lappen. Ihre Blicke trafen sich. 

„Es tut mir leid", meinte sie erneut und schaute verlegen zurück auf seine Stirn. Langsam verschwanden die roten Stellen. 

„Bei Salazars fettigem Haarschopf, als ich sagte 'ein wenig Ingwer' meinte ich nicht die ganze Knolle", meinte Draco und lachte. „Aber jetzt hast du wenigstens ganz genau gesehen, dass der Ingwer mit dem Flubberwurmschleim reagiert, was er ja nicht darf. Daher gibt man den Ingwer erst später hinzu!" 
Hermine lief rot an und ließ von ihm ab, damit er ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte. 

„Ich war unkonzentriert, weil ich sauer war", meinte sie niedergeschlagen. Sie hörte wie Draco hinter ihr vom Stuhl aufstand.

„Danke für das Verarzten", bedankte er sich. „Hör mal, du kannst es wieder gut machen, indem du mit mir ein Butterbier im ‚Drei Besen‘ trinken gehst." 

Die Gryffindor drehte sich zu ihm um und schaute ihn prüfend an. Er stand lässig gegen den Stuhl gelehnt da und wischte sich mit einem Handtuch über das Gesicht. Sie beobachtete, wie ein Tropfen seine Schläfe hinunterlief, als er das Handtuch senkte, ihr in die Augen schaute und lächelte. „In Ordnung", gab Hermine klein bei, seufzte und schmiss den nassen Lappen auf den Tisch.
 

~*~



Es war mittlerweile schon Abend, als sie die Gassen in Hogsmeade nebeneinander entlangliefen und schließlich beim ‚Drei Besen‘ ankamen. Draco hielt ihr höflich die Tür auf und sie traten ein. Der kleine Pub war gemütlich, schummerig und sehr beliebt unter den Schülern. Sie setzten sich an einen Tisch in der hinteren Ecke. Viele der anwesenden Gäste waren Hogwartsschüler und einige hatten sie tuschelnd mit ihren Blicken verfolgt. Hermine fühlte sich auch etwas merkwürdig dabei mit Draco hier zu sein. Der Slytherin bestellte für sie zwei Butterbier. 

„Sag mal", begann der Slytherin interessiert, „wie war es eigentlich für dich und deine Eltern, als du die Einladung von Hogwarts bekommen hast?" Die junge Frau lachte überrascht auf. 

„Wir dachten erst, dass sich jemand einen Spaß machen wollte. Andererseits waren in der Vergangenheit hin und wieder seltsame Sachen passiert, die wir uns nicht erklären konnten", erinnerte sich Hermine. „Und spätestens, als wir dann in die Winkelgasse kamen, mussten wir es wohl glauben, auch wenn wir es kaum fassen konnten." Sie lächelte bei der Erinnerung. „Es war wie ein Traum und ich hatte Angst, dass ich plötzlich aufwachen würde. Ich las und lernte alle Schulbücher vor dem Start des Schuljahres. Sogar Bücher, die eigentlich für spätere Schuljahre gedacht waren, weil ich das alles so unglaublich faszinierend fand." 

Draco lauschte gebannt ihren Erzählungen und sie bestellten zwei weitere Butterbier. 

„Ich beneide dich. Es muss toll sein in zwei Welten zu leben", meinte er schließlich. 

Die Gryffindor schaute überrascht von ihrem Krug auf. „Ich dachte, du hasst Muggel und... Schlammblüter", das letzte Wort spie sie förmlich aus.

„Ach, das war, als ich noch alles meinen Eltern nachgeplappert habe", erklärte Draco. 
„Im Prinzip wusste ich aber gar nichts über die Muggelwelt. Ich wusste nur, dass Muggel nicht zaubern können und hielt mich für etwas Besseres." Hermine starrte ihn ungläubig an. 

"Wer bist du und was hast du mit Draco gemacht?", fragte sie. Draco begann zu lachen.

„Was denken eigentlich deine Eltern über deinen Sinneswandel?“, fragte Hermine. Das befreite Lachen schwand aus Dracos Gesicht. Er räusperte sich. 

„Zunächst war mein Vater wie befreit nachdem der Dunkle Lord endlich tot war. Er war dankbar zu leben und nicht mehr unter Du-weißt-schon-wem zu buckeln. Aber irgendwann fühlte er sich mehr und mehr verloren. Er hatte sein ganzes Leben unter der Tyrannei von Voldemort gelebt, nun wusste er nicht, was er mit sich anfangen sollte. Das Leben hatte für ihn plötzlich keinen Sinn mehr. Je mehr das Mal verblasste, desto mehr wünschte er sich die Schreckensherrschaft vom Dunklen Lord zurück. So widersprüchlich es auch war." 

Draco richtete seinen Blick auf Hermine. „Zu der Zeit musste ich mich sehr viel mit dem dunklen Mal und den damit verbundenen Erinnerungen auseinandersetzen. Gleichzeitig wurden die Ansichten von mir und meinem Vater immer entgegengesetzter. Ich wollte am liebsten die Zeit zurückdrehen und mich dem Kampf gegen den dunklen Lord anschließen“, erzählte er und senkte seinen Blick auf das Mal auf seinem Arm. 

Dann fuhr er in spöttischem Ton fort: „Mein Vater sprach über die Vergangenheit, als wäre sie wunderbar gewesen, so als hätte er vergessen, wie es wirklich gewesen war. Denn wir lebten damals in ständiger Todesangst und mussten jederzeit abrufbar sein. Wenn Er uns rief, hofften wir jedes Mal, dass wir nicht gequält oder sogar getötet werden würden. Irgendwann wurden die Auseinandersetzungen zwischen Lucius und mir immer schlimmer. Eines Tages griff er mich an, ich wehrte mich und brach ihm dabei aus Versehen die Hand. Noch in derselben Nacht verließ ich mein Elternhaus." Draco brach ab, sah weg und schwieg.

Die Stille lastete schwer auf Hermine. Sie war sprachlos und konnte nicht glauben, was Draco ihr da erzählte. Draco hatte sich also nicht nur von seiner dunklen Vergangenheit, sondern auch von seiner Familie abgewandt. Deshalb war er wohl auch über die Ferien hier. Er war früher nie die freie Zeit über in Hogwarts geblieben. 

Die Bedienung kam zu ihrem Tisch und brachte zwei neue Butterbier. Nachdem sie wieder gegangen war, nahm Hermine einen großen Schluck. Als sie schließlich ihre Sprache wiederfand, hakte sie weiter nach: „Was ist mit deiner Mutter?" 

Draco blickte ihr wieder ins Gesicht. Er hatte Tränen in den Augen. „Ich habe sie zurückgelassen. Sie hatte vor einem halben Jahr einen Schlaganfall. Wir haben es zu spät gemerkt. Die Heiler konnten nicht mehr viel für sie tun. Seitdem ist sie halbseitig gelähmt und muss im Bett liegen. Und dann sind da noch diese Wesensveränderungen ... Sie ist fast wie ein Kind." Er wandte sich erneut ab. 

Ohne dass Hermine darüber nachdachte, legte sie ihre Hand auf seinen Arm über die Narbe und drückte ihn leicht. Ihre Augen trafen sich. Und sie sah es ganz deutlich. Draco sprach die Wahrheit, denn in seinem Blick lag tiefer Schmerz. 

„Hast du, seitdem du fortgegangen bist, irgendetwas von deinen Eltern gehört?", durchbrach Hermine das Schweigen. Draco schüttelte den Kopf. 

„Ich bin auch eher froh darüber", meinte er finster. 

„Denkst du, dein Vater würde dir etwas antun, wenn er dich findet? Weiß er überhaupt, dass du hier bist?" Hermine konnte die Sorge in ihrer Stimme nicht verbergen und war gleichzeitig selbst überrascht darüber. 

Draco schüttelte erneut den Kopf und antwortete: „Ich habe niemandem gesagt, dass ich das Schuljahr nachhole, um meinen Abschluss zu machen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es ihm schon zu Ohren gekommen ist, ist natürlich groß. Und dass mein Vater bereit ist mir etwas anzutun, hat er ja bereits gezeigt." 

„Und wo wohnst du jetzt?", ging Hermine der Sache weiter nach. 

„Im Moment wohne ich ja hier. Nach den Abschlussprüfungen muss ich mir eben etwas suchen", antwortete Draco bereitwillig. Hermine wunderte sich über seine Eigenständigkeit. Sie hatte ihn bisher eher als Muttersöhnchen eingeschätzt.

„Die nächste Runde geht auf mich", meinte Hermine feierlich, stand auf und quetschte sich zwischen den anderen Gästen hindurch zur Theke. Während die Bedienung die Krüge füllte, lehnte sie sich an die kühle Holzplatte und beobachtete Draco aus der Ferne. Er saß leicht nach vorn gebeugt auf der Bank. Den Kopf hatte er auf seine Hand aufgestützt und durch das Fenster schaute er den Schneeflocken draußen zu. Am Fenster sah man Schüler entlanglaufen, eingemummelt in Mäntel und Mützen. 
Plötzlich erkannte Hermine in der Menge Luna, die mit Neville die Straße entlanglief. Doch im nächsten Moment wurden sie wieder vom Schneegestöber verschluckt. Als sie mit den Krügen zurückkam, sah Draco auf und rückte auf der Bank zur Seite, um ihr Platz zu machen. Sie ließ sich neben ihn fallen, hob ihren Krug und sagte: „Auf den neuen Draco?" 

Der Slytherin lächelte und stieß mit ihr an. 
 

~*~



Als sie das ‚Drei Besen‘ verließen, waren beide vom Butterbier stark angeheitert. Hermine lief unbeschwert die Straße entlang und ihr Lachen hallte von den Hauswänden wider. Dicke, weiße Schneeflocken fielen vom tiefblauen Nachthimmel. Draco ging grinsend hinter ihr her, die Hände in den Hosentaschen. 

„Komm mal mit!", rief die Gryffindor ausgelassen, fasste ihn am Handgelenk und zog ihn von der Gasse hinunter. Sie liefen einige Zeit lang über einen Trampelpfad und ihre Umgebung wurde nach und nach waldiger. Schließlich kamen sie an einer freieren Stelle an, deren eine Seite durch einem brüchigen Zaun von einer weiten Wiese abgetrennt war. In der Ferne konnte man ein windschiefes Gebäude ausmachen.

„Die heulende Hütte", erkannte Draco das Gebäude. Hermine blickte auf die Hütte, um die der Wind heulte. 

„Weißt du noch, als du im dritten Jahr hierher kamst, als ich hier stand und du von Harry mit Schneebällen-", weiter kam sie nicht, denn plötzlich traf sie ein Schneeball an der Schulter. Empört drehte sie sich um und lief direkt in die Wurfbahn des Nächsten. Sie sah noch wie Draco sich hinter einen kleinen Schneehügel duckte. 

Lachend suchte sie nach Deckung, während sie gnadenlos bombardiert wurde. Schließlich warf sie sich hinter eine Buschreihe. Grinsend überlegte sie, wie sie sich rächen konnte. Sie sah sich um und bemerkte, dass die Büsche, hinter denen sie sich befand, in einem kleinen Bogen den Platz umsäumten und hinter dem Schutzwall von Draco endeten. Also zückte Hermine ihren Zauberstab und verzauberte den Schnee um sie herum. Wie durch Zauberhand formten sich eigenständig Schneebälle und flogen in Richtung des Slytherin. So würde ihm nicht auffallen, dass sie sich gar nicht mehr hinter den Büschen befand. 

Sie begann sich im Schutz der dichten Büsche auf Dracos Position zuzubewegen und kam schließlich am Ende des Gebüschstücks an. Hermine nahm so viel Schnee, wie sie nur tragen konnte und atmete noch einmal tief durch. Dann sprang sie aus ihrem Versteck und wollte gerade den gesamten Schnee in ihren Armen von oben auf Draco fallen lassen, als sie bemerkte, dass hinter dem Wall niemand mehr war. Nur ein kleiner Haufen Schnee lag dort, aus dem sich selbstständig Schneebälle formten. 

In demselben Moment ergoss sich ein Schwall Schnee über sie. Sie taumelte und griff Halt suchend um sich. Ihre Hände fanden etwas und rissen es mit zu Boden. Als nächstes hörte sie ein herzhaftes Lachen und sie bemerkte, dass es unter ihr vibrierte. Hermine öffnete die Augen und fand sich auf Draco wieder. Seine Arme waren fest um ihren Oberkörper gelegt und er schaute sie aus eisblauen, blitzenden Augen lachend an. Ihre Hände waren vorne in seinen Pullover gekrallt und sie spürte darunter sein kräftig schlagendes Herz. 

„Woher wusstest du, dass ich auf dem Weg zu dir war?", schmollte sie mit hochroten Wangen. 

„Du bist eben nicht die Einzige hier, die klug und gewitzt ist. Außerdem haben die Schneebälle plötzlich so verdächtig gut getroffen", neckte er sie grinsend. Empört versuchte sie ihre Arme zu bewegen, doch er presste ihren Oberkörper so fest an sich, dass es ihr nicht gelang. 

Plötzlich drehte er sie beide um, sodass er nun auf ihr lag. Seine Hände ruhten rechts und links neben ihrem Kopf. Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und beugte sich dann wie in Zeitlupe immer näher zu ihr hinunter. Hermine beobachtete seine entspannten, sanften Züge. Sie verspürte keinerlei Angst oder Unwohlsein, als sie ihre Augen schloss. 

Das Nächste, was sie spürte war sein Atem an ihrem Hals und seine kurzen Haare, die sie an der Wange kitzelten. Über ihren Körper glitt eine angenehme Gänsehaut. 

„Du bist wirklich süß, wenn du dich erschreckst", raunte Draco ihr ins Ohr. Und bevor sie etwas tun oder sagen konnte, erhob er sich und streckte ihr seine Hand entgegen. 

„Komm schon hoch, nachher erkältest du dich noch", lächelte er sie an und zog sie auf die Beine. Er klopfte ihr den Schnee vom Rücken und meinte dann: „Lass uns zurück zum Schloss gehen." Hermine stimmte ihm leicht lallend zu und so machten sie sich auf den Rückweg. 
 

~*~



„Verdammt", flüsterte Draco, als sie das Eingangstor erreicht hatten, „es ist schon längst Ausgangssperre! Wir müssen extrem vorsichtig sein." Hermine nickte, öffnete dann so leise wie nur möglich das Tor und spähte hindurch. Sie gab Draco ein Zeichen ihr zu folgen und schlüpfte durch den Spalt. Die Eingangshalle lag ruhig da, also schlichen sie, mehr schlecht als recht, weiter. Schließlich kamen sie beim Treppenhaus an und Hermine stellte sich flach gegen die Wand neben einen großen Kerzenständer. Draco hielt sich nah hinter ihr. 

Die Gryffindor spähte um die Ecke und bekam beinahe einen Herzinfarkt. Mr. Filch, der Hausmeister, kam gerade die Treppe hinunter und machte Anstalten in ihre Richtung zu laufen. Schnell versuchte Hermine nach hinten zurückzuweichen und machte gleichzeitig wilde Handbewegungen, um Draco die Gefahr zu signalisieren. Dabei stieß sie, unkoordiniert, wie sie in ihrem angetrunkenen Zustand war, an den Kerzenständer neben ihr. Das laute Klappern durchdrang die Stille. Die Panik lähmte sie. 

Plötzlich ergriff Draco ihre Hand und zog sie mit sich hinter einen großen, mittelalterlichen Wandteppich. Hier befand sich ein enger, von außen unsichtbarer Raum, in den sie gerade so zu zweit hineinpassten. Draco hatte sie fest an sich gedrückt. Sie lauschten angestrengt und machten Filchs schlurfende Schritte aus, die immer näher kamen. Schließlich endeten sie kurz vor dem Wandteppich. 

„Hab doch eben von hier was gehört", hörten sie den Hausmeister knurren. Hermines Ohr war an Dracos Oberkörper gepresst und sie konnte seinen erhöhten Puls hören. Sie hob ganz langsam ihr Kinn und starrte aufgeregt in Dracos ruhige Augen. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Draco drückte sie noch fester an sich. 

„Mrs. Norris, bist du das?", rief Filch durch den leeren Gang und horchte dann. 

„Dreckige Bälger. Wo steckt ihr nur?", hörten sie ihn noch murmeln. Erleichtert bemerkten die beiden Schüler, wie sich seine Schritte wieder entfernten. Draco gab sie frei. Sie schlüpften zurück auf den Gang und schlichen weiter ins Treppenhaus. 

„Ich muss hier-", begann Draco flüsternd, doch Hermine unterbrach ihn: „Ich weiß schon, nach unten zum Kerker." 

„Sei vorsichtig", raunte er ihr eindringlich zu und drückte ihre Hand. Dann drehte er sich um und verschwand lautlos. Hermine kam ohne weitere Zwischenfälle zum Gemälde der Fetten Dame. Diese schlief friedlich in ihrem Sessel. 

„He! Aufwachen!", zischte Hermine. "Wachen Sie auf!" 

Doch die Dame hatte wohl einen sehr tiefen Schlaf. Die Gryffindor rüttelte kurzerhand an dem Rahmen und die Fette Dame schreckte hoch. 

„Bei Merlin! So höre doch auf damit!", rief sie panisch und hielt sich an den Armlehnen des schwankenden Sessels fest. Hermine ließ von dem Bild ab und flüsterte der Dame das Passwort zu. 

„Du bist aber reichlich spät", zeterte diese und schwang mürrisch zur Seite, um Hermine einzulassen. Erleichtert schlüpfte sie durch den Eingang und lief hoch in ihr Zimmer. Dort ließ sie sich auf das Bett fallen und schlief sofort ein.
 

~*~



Müde schlurfte Hermine am nächsten Tag die Treppen hinunter und trat in die Große Halle. Es war bereits Mittag und die Gryffindor war noch etwas lädiert vom letzten Abend. Sie ärgerte sich darüber, dass sie verschlafen hatte. Ohne nach links und rechts zu schauen, trottete sie zum Gryffindortisch und ließ sich gegenüber von Luna auf die Bank fallen. 

„Morgen", gähnte Hermine. Erst jetzt bemerkte sie, dass Neville neben Luna saß und ein Brötchen aß. Sie nahm Blickkontakt mit Luna auf und die Ravenclaw grinste glücklich zurück. Anscheinend war ihr Date gestern gut verlaufen. In dem Moment setzte sich Anthony neben sie. Hermine rückte etwas zur Seite. 

„Guten Morgen", sagte er in die kleine Runde und wandte sich dann Hermine zu. 

„Hör mal, Hermine, tut mir leid wegen gestern. Ich wollte nicht unhöflich sein." Er sah wirklich geknickt aus. 

„Schon in Ordnung", meinte Hermine nur, gähnte noch einmal herzlich und wandte sich der Kaffeekanne zu. Sie schüttete sich etwas Kaffee in eine Tasse und nahm sich die Haferflocken, während sie versuchte, Neville dabei zu helfen sich daran zu erinnern, was er vergessen hatte, denn sein Erinner-Mich hatte sich wieder einmal mit rotem Rauch gefüllt. 

Während sich die kleine Gruppe unterhielt, schweifte Hermines Blick durch die Halle. Sie beobachtete, wie die roten Weihnachtskerzen über ihnen schwebten, bis ihr Blick am Slytherintisch kleben blieb. Draco saß wie üblich abseits der Anderen an einem Ende des Tischs und nahm sein Mahl einsam ein. Die Gryffindor überlegte kurz, nahm sich dann eine Serviette und einen Stift und kritzelte schnell etwas darauf. 

Dann zückte sie ihren Zauberstab, richtete ihn darauf und murmelte etwas. Die Serviette begann sich von selbst zu einem Origamivogel zu falten. Hermine legte das kleine Kunstwerk auf ihre Handfläche, hob es auf Höhe ihres Mundes und blies von hinten auf den Vogel. Es schien, als würde sie ihm so Leben einhauchen, denn plötzlich flatterte er mit den Papierflügeln und stieg in die Luft auf. Sie verfolgte, wie er durch die Halle flog und dann sanft vor Draco landete. Dieser legte mit verblüfftem Gesichtsausdruck das Messer beiseite, faltete die Serviette auseinander und begann zu lesen. 

Dann ließ er die Notiz langsam sinken, blickte auf und sah Hermine schockiert an. Mit dieser Reaktion hatte sie gerechnet. Sie winkte ihm zu und lächelte. Luna und die Anderen drehten sich um, damit sie sehen konnten, wem Hermine da Zeichen gab. In demselben Moment erhob sich Draco langsam und ging um den Tisch herum. 

„Wem hast du denn zugewinkt, Mine?", fragte Luna und blickte suchend umher. 

„Ihr werdet schon sehen", meinte Hermine aufgeregt. Ob das eine gute Idee gewesen war?

Anthony spannte sich merklich neben ihr an und sagte grimmig: „Ich glaube, ich weiß wem ..." Draco lief nun bereits am Gryffindortisch entlang auf sie zu. Die Mimik der kleinen Gruppe wechselte erst von neugierig zu verwirrt und schließlich zu grenzenloser Ungläubigkeit. 

Schließlich kam er bei Hermine an und blieb unsicher vor der Bank stehen. 

„Was willst du denn hier?", fragte Neville feindselig und stand bedrohlich von der Bank auf. 

„Ganz ruhig, Neville", erklärte Hermine schnell. „Ich habe ihn gerade eingeladen hierher zu kommen." 
Entgeistert starrte die Gruppe die Gryffindor an. 

„Setz dich doch", sagte sie freundlich zu dem nervös wirkenden Slytherin und klopfte neben sich. 

„Hermine, was ist nur in dich gefahren?", fragte Neville fassungslos und zeigte dann auf Draco. „Hast du vergessen, wer das ist?" 

„Nein, habe ich nicht", antwortete sie ruhig, während die anderen schockierte Blicke austauschten. „Er hat seiner Vergangenheit den Rücken zugekehrt und will nochmal neu anfangen. Ich möchte ihm eine Chance geben." 

Um ihre Worte zu unterstreichen und Draco zu zeigen, dass sie es ernst meinte, legte sie ihre Hand auf seinen Arm. 

„Bist du übergeschnappt?", rief Anthony aus. „Ich wusste ja, dass du irgendwie mit ihm zu tun hast, aber dass du ihm schon so weit vertraust, hätte ich mir nicht mal in meinen kühnsten Träumen ausgemalt."

„In der Oktober-Ausgabe des Klitterers habe ich gelesen, dass das häufige Auftreten von Narzissmus, Größenwahnsinn und damit einhergehender allgemeiner Feindseligkeit gegenüber Halbblütern einer jahrhundertelang andauernden, besonders schweren Schlickschlumpf-Seuche in reinblütigen Haushalten zugrunde liegen. Diese hat besonders bei sehr eng vermählten Familien drastische Auswirkungen", erklärte Luna in ihrem monotonen Singsang und musterte dabei Draco. 

Dieser runzelte nur die Stirn und warf dann Hermine einen fragenden Blick zu. Doch die zuckte nur die Schultern. „Allerdings gibt es durchaus Fälle, in denen der Parasit seinen Wirt aus unerklärlichen Gründen wieder verlässt. Es könnte also schon möglich sein, dass Malfoy nun endlich die Welt klar sehen kann“, beendete Luna ihren Monolog. Ein kurzes Schweigen entstand.

„Ich meine, woher willst du eigentlich wissen, dass er nicht irgendetwas ausheckt? Wie kannst du ihm vertrauen?", fragte Anthony aufgebracht und überging einfach Lunas Ausschweifungen. Hermine sah zu Draco, der sich sichtlich unwohl fühlte. 

„Er hat mir jetzt schon ein paar Mal ziemlich aus der Patsche geholfen. Und er verhält sich in keinster Weise mehr so wie früher", erzählte sie. „Draco hat mir bewiesen, dass er es ernst meint mit seinem radikalen Umdenken. Außerdem bin ich weder dumm noch naiv, ihr kennt mich doch!" 

„Das ist doch lächerlich", rief Anthony ungehalten, stand wütend auf und stürmte aus der Halle. 

„Ich glaube, ich sollte besser gehen", meinte Draco an Hermine gewandt. 

„Nein, bleib bitte", bat ihn die Gryffindor. Luna und Neville sahen aus, als wüssten sie nicht, was sie denken sollten. 

„Hast du denn komplett vergessen, was er uns allen angetan hat?", fragte Neville und begann aufzuzählen: „Er hat uns so oft es ging bei Umbrigde verpetzt, damals als sie Schulleiterin war, und sich über jede Folter tierisch gefreut. Er hat Dumbledores Armee auffliegen lassen. Er war ein Todesser und wollte uns alle tot sehen! Malfoy hatte zwar nicht den Mumm dazu, um Professor Dumbledore selbst zu ermorden, aber er ist nur seinetwegen tot. Denn hätte dieser Feigling die Todesser damals nicht ins Schloss gelassen, dann wäre das alles so nicht passiert!" 

Draco seufzte, hob seinen Kopf und begann zu reden. 

„Ich weiß, dass wir einen denkbar schlechten Start hatten, und ich kann eure feindliche Attitüde vollkommen verstehen. Aber ich möchte klarstellen, dass ich mich für das, was ich in der Vergangenheit getan habe, schäme", erklärte er ruhig und sah dann Hermine an. „Hermine habe ich bereits erklärt, dass ich am liebsten die Zeit zurückdrehen und mich anders verhalten würde. Ich vertrete nicht mehr die Ansichten meines Vaters und meines alten Ichs und habe mich von meiner Familie abgewandt. Ich weiß natürlich, dass das nicht wieder gut macht, was ich alles falsch gemacht habe, aber leider kann ich es nicht mehr rückgängig machen und kann nur noch mein Bestes geben, um mich ab jetzt richtig zu verhalten." 

Er schaute nun Neville und Luna direkt an und fuhr fort: „Auch wenn das jetzt nichts mehr ändert, möchte ich mich aufrichtig entschuldigen für alles, was ich euch angetan habe, und für jeden Moment, in dem ich euch das Leben schwer gemacht habe." Und vor den Augen aller senkte er sein Haupt und verbeugte sich förmlich vor ihnen. 

Neville, Luna und auch Hermine waren sprachlos vor Verblüffung. Der Draco von früher wäre womöglich lieber gestorben, als seinen Stolz zu überwinden und mit gesenktem Kopf um Entschuldigung zu bitten. 

„Draco, bitte setz dich", bat Hermine und zog ihn neben sich. 

„Wenn Mine denkt, dass du es wert bist, noch eine Chance zu erhalten, dann akzeptiere ich das", sagte Neville, fügte jedoch bedrohlich hinzu: „Wir behalten dich aber im Auge und solltest du Mine etwas antun oder irgendetwas aushecken, dann Gnade dir Merlin." 

Luna nickte als Zeichen ihrer Zustimmung. „Einverstanden", meinte Draco daraufhin nur. 

„Das tun wir für Mine, nicht für dich", stellte Neville klar und setzte sich auch wieder. „Der Unterschied zwischen Slytherin und Gryffindor ist, dass man sich hier jemandes Vertrauen erst verdienen muss." 

Draco nickte und sagte offen: „Ich halte nichts mehr von hinterhältigen Tricks." 

„Das musst du uns erst beweisen", meinte Luna und lächelte ihr verträumtes Lächeln. 

„In Ordnung, ich denke, ihr habt ihn jetzt genug in die Mangel genommen", rief Hermine. „Apropos in die Mangel nehmen... ich glaube, ich habe euch gestern Abend in Hogsmeade gesehen. Wart ihr zusammen essen?" Sie zwinkerte Luna unauffällig zu. Diese lief sofort rot an und Neville verschluckte sich am Kürbissaft.

Leere Augen. Schreckensgeweitet. Tränen. Hermine kniete zitternd neben dem leblosen Körper von Ron. Blutverschmiert lag er neben ihr. Schluchzend saß sie da. Hilflos. Ratlos. "Nein, bitte … NEIN!“ Hermine schrak schwer atmend auf. Sie war schweißgebadet. Zunächst brauchte sie einen Moment, um zu wissen, wo sie sich befand und um sich zu beruhigen. Anscheinend war sie in der Bibliothek über einem besonders dicken Wälzer eingenickt. 

Die Gryffindor hatte häufig Albträume nach allem, was ihr und ihren Freunden in den letzten Jahren widerfahren war. Sie rieb sich die müden Augen und massierte sich den steifen Nacken. Das Buch war nicht halb so komfortabel, wie es lehrreich war. Die einzigen Lichtquellen im Raum stellten ein paar Kerzen dar, die schummriges Licht an die hohen Bücherregale warfen. Durch die Fenster fielen nur einige fahle Lichtstrahlen des Mondes. Hermine klappte das Buch zu (Geschichte des 13. Jahrhunderts, Muggel in der Beziehung zu Zauberern), stand auf und streckte sich. Anschließend gähnte sie herzhaft.

Wesentlich befreiter schritt sie an den hohen Regalreihen entlang und wuchtete, ordentlich und verantwortungsbewusst wie sie war, das Buch wieder an seinen Platz. Plötzlich vernahm sie Stimmen. Zu dieser Stunde war normalerweise niemand mehr außer ihr in der Bibliothek. 

„Was schleichst du denn hier rum?“, rief eine Männerstimme höhnisch. 

„Du dreckiges Frettchen!“, zischte eine Zweite. 

Hermine erstarrte. 

„Reicht es nicht schon, dass du so ein Verräter bist?“, tönte es hinter dem Regal hervor, an dem die Gryffindor nun entlang schlich. „Wie kannst du es wagen nach Hogwarts zurückzukommen, nach allem, was passiert ist, Malfoy?“ 

Als der Name fiel, hetzte Hermine mit wehenden Haaren und gezücktem Zauberstab um die Ecke. Draco lag am Boden, starr wie ein Brett und mit überraschtem Gesichtsausdruck eingefroren. Er war offensichtlich mit einer Ganzkörperklammer belegt worden. Über ihm standen zwei Ravenclaws aus der 7. Klasse. Der eine hatte rote Haare und war groß, der andere sah eher untersetzt aus und hatte eine auffällig breite Nase. Sie mussten Draco hinterrücks mit dem Zauber getroffen haben, denn andernfalls wäre die Situation für Draco wesentlich besser ausgegangen, da er kein schlechter Zauberer war. 

„Was macht ihr da?“, keuchte Hermine fassungslos bei dem Anblick. 

Zornig schauten die Jungen auf Draco hinab. 

„Dieses verdammte Schwein ist um die Regale geschlichen und hat hier herumgeschnüffelt!“, empörte sich der eine. 

„Ja, und wir wollten es ihm jetzt mal so richtig zeigen für alles, was er getan hat!“, ergänzte der Rothaarige grimmig. 

Der Kleine hob den Zauberstab und rief: „Furuncu-!“ 

„EXPELLIARMUS!“, schrie Hermine. Sein Zauberstab flog in hohem Bogen über das nächste Regal. 

„Es ist nicht verboten, sich hier in der Bibliothek aufzuhalten", erklärte die Gryffindor bestimmt. „Allerdings ist es verboten, gefährliche Zauber auf Personen anzuwenden!“ 

Entgeistert standen die beiden Jungen da und starrten sie an. 

„Die ist wohl verrückt geworden ...", murmelte der Schüler mit der großen Nase. Schließlich drehten sich die beiden um und verließen kopfschüttelnd den Raum. 

Hermine richtete den Zauberstab auf Draco, machte einen Schwenk und die Ganzkörperklammer war gebrochen. 

Stöhnend setzte sich der Slytherin auf, rieb sich den Rücken und fluchte: „Diese hinterhältigen Schlangen!“ 
Hermine fing an herzhaft zu lachen. 

„Was ist so komisch?“, fragte Draco ärgerlich. 

„Diese hinterhältigen Schlangen? Und so etwas von einem Slytherin?“, meinte sie und grinste ihn breit an. 

„Ja, wirklich sehr komisch. Sie haben sich von hinten angeschlichen! So was Mieses!“, sagte Draco bitter, nahm die von Hermine angebotene Hand und zog sich hoch. 

„Du scheinst dich wirklich verändert zu haben, Draco“, meinte Hermine lachend. 

Er sah ihr in die Augen. Sie standen nah beieinander und Draco hatte Hermines Hand noch nicht losgelassen. 

„Nun … das ist mir etwas unangenehm, aber danke, dass du mir geholfen hast …“, meinte Draco lächelnd und drückte ihre Hand. 

„Na, dann sind wir ja jetzt quitt", scherzte die Gryffindor. „Ich mach mich jetzt mal auf. Gute Nacht!“ Sie wollte gerade Dracos Finger loslassen, als der Slytherin sie sanft festhielt und sie so daran hinderte, zu gehen. 

Überrascht blickte sie zu ihm auf. 

„Hermine, gehst du mit mir zum Weihnachtsball?", fragte er und seine Augen blitzten erwartungsvoll. 

Hermine war perplex. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, also fragte sie nur ausweichend: „Ich dachte, du musst einen Ruf wahren?“ 

Draco lachte kurz auf. „Welchen Ruf? Ich kann jetzt machen, was ich möchte. Die meisten Slytherins hassen mich verständlicherweise sowieso“, erklärte er spöttisch. „Immerhin habe ich sie verraten, weil ich ja mehr oder weniger zu den Gegnern übergelaufen bin." Doch dann wurde seine Miene wieder gefasster. „Und? Was denkst du?“, hakte er nach und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. 

Hermine wich unsicher seinen Augen aus und dachte nach. Luna würde mit Neville zum Ball gehen. Alle anderen, die infrage kämen, waren nicht da und wenn sie an Goldstein nur dachte, bekam sie schon das Grauen. Da konnte sie genauso gut einfach mit Malfoy hingehen. Wenigstens würde sie dann nicht den ganzen Abend alleine in der Gegend herumsitzen. „Ja, warum eigentlich nicht“, meinte sie schließlich und sah auf. 

„Klasse!", freute sich Draco und zwinkerte ihr zu. „Das wird sicher lustig!"
 

~*~



Das Feuer prasselte freundlich im Kamin und durch das Fenster sah man dicke Schneeflocken fallen. Hermine saß in eine dicke Wolldecke eingekuschelt in ihrem Lieblingssessel, um den Abend gemütlich ausklingen zu lassen. Auf der Couch daneben fläzte sich Neville und las ein Buch. In Hermines Hand hockte das kleine Vögelchen und schüttelte sein güldenes Gefieder. Fasziniert beobachtete die Gryffindor, wie das wundersame Geschöpf stolz seinen Kopf in die Luft reckte. 

„Hermine?", unterbrach ihr Kumpel sie und ließ sie fragend aufblicken. „Ich brauche deine Hilfe." Er schaute verlegen zu Boden. 

„Klar, schieß los, Neville!", lächelte Hermine ihn aufmunternd an. 

„Ich habe Luna gefragt, ob sie mit mir zum Weihnachtsball geht und sie hat zugesagt. Aber leider glaube ich, dass ich mich an keinen einzigen Tanzschritt mehr erinnern kann ...", erklärte er nervös und wurde dabei rot. 

Während Hermine ihm zuhörte, hatte das Vögelchen versucht sich aus dem Staub zu machen und schnell wegzufliegen, das Silberkettchen hinter sich herziehend. Doch Hermine hatte es rechtzeitig bemerkt und es mit beiden Händen wieder aus der Luft gefischt. Nun saß es wieder meckernd da und schüttelte ärgerlich das Köpfchen, um sich die wild abstehenden Federn zu ordnen. 

„Ich kann gerne die wichtigsten Schritte nochmal mit dir üben!", meinte Hermine und schloss das Armband um den Henkel einer Kaffeetasse, damit der Vogel nicht auf dumme Gedanken kam. Beleidigt flatterte er ein paar Mal mit den Flügelchen. Sie stand  auf und führte Neville in die Mitte des Raumes, wo es etwas mehr Platz gab. 

Dort stellten sie sich voreinander. Hermine nahm Nevilles linke Hand in ihre Rechte und legte ihre andere Hand auf Nevilles Schulter. Der Gryffindor wiederum platzierte seine freie Hand auf Höhe ihrer Taille an ihren Rücken. Sofort korrigierte Hermine ihn, indem sie seine Hand nach oben zu ihrem Schulterblatt schob und ihn halb amüsiert, halb tadelnd anschaute. Neville wurde augenblicklich noch roter. So übten sie etwas bis sie schließlich von Parvati unterbrochen wurden, die in den Gemeinschaftsraum kam. 

„Ah, hallo ihr beiden, geht ihr zusammen auf den Ball?", fragte sie freundlich und stellte sich zu ihnen. „Nein, wir frischen nur unsere Tanzkünste auf", erklärte Hermine. „Wobei Neville, wie zu erwarten, ein ausgezeichneter Tänzer ist und sich eigentlich überhaupt keine Sorgen machen muss“, fügte sie mit einem breiten Grinsen hinzu. 

„Mit mir gehen wohl einfach die Nerven durch …“, meinte der Gryffindor und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Also eine Auffrischung hätte ich dringend nötig", meinte Parvati zerknirscht. „Macht es euch etwas aus, wenn ich zusehe?" 

Das Tanzpaar verneinte lachend und fuhr mit dem Üben fort. 
 

~*~



„Neville hat mich gefragt, ob ich mit ihm zum Weihnachtsball gehe!", jubilierte Luna. Hermine begann zu lachen. „Das weiß ich schon!", rief sie zurück. 

Perplex blieb Luna mitten im Gang stehen. Sie waren gerade auf dem Weg zu den Zaubertränkeklassenräumen, um dort mal wieder zusammen zu lernen. 

„Neville hat es mir gestern Abend schon erzählt", klärte Hermine schließlich die Lage auf. „Und er hat mich gefragt, ob ich nochmal mit ihm die Tanzschritte durchgehe, damit er vor dir auch eine gute Figur macht." Sie zwinkerte ihrer Freundin zu, die nun aus ihrer Verblüffung auftaute und glücklich zu grinsen begann. 

„Oh, Hermine, der Ball wird wunderbar werden!", freute sich Luna und hakte sich bei der Gryffindor unter. 

„Denkst du, es könnte zwischen euch etwas passieren? Etwa ein Kuss?", stocherte Hermine neugierig nach. 

Lunas Augen wurden groß und ihre Wangen färbten sich rosa. „Meinst du, das könnte passieren?", fragte sie fast hoffnungsvoll. „Wir hatten bisher erst zwei Dates. Und ich weiß nicht, ob ich mich das trauen würde ..." Sie verlor sich in Gedanken, sodass Hermine sie hinter sich herziehen musste. 

„Tja, das kann ich dir auch nicht sagen", meinte Hermine schließlich. „Was ich dir aber sagen kann, ist, dass sich die Tränke in der Prüfung nicht von alleine brauen werden!" Und mit diesen Worten schob sie die verträumte Luna in eines der Klassenzimmer von Zaubertränke.
 

~*~



Die kühlen, feuchten Gänge im Kerker waren schon leer, als Hermine das Klassenzimmer für Zaubertränke verließ und sich in Richtung Treppenhaus aufmachte. Sie hatte den ganzen Abend mit Brauen verbracht und war jetzt wirklich froh darüber, dass sie sich gleich ins Bett fallen lassen konnte. Müde schleppte sie sich die langen, trostlosen Flure entlang und bog gerade um eine Ecke, als sie am Ende des Korridors einen vertrauten, blonden Schopf sah. Eng neben ihm lief eine schlanke, junge Frau. Sie hatte sich an seinen Arm gehängt und schwang beim Laufen lasziv mit der Hüfte. Hermine glitt schnell hinter eine Säule. Sie sah die beiden nur von hinten, konnte sie allerdings leise sprechen hören. „Sie bedeutet mir nichts", sagte Draco gerade. 

Die Gryffindor wunderte sich über den kalten Tonfall. So hatte Draco früher immer gesprochen. 

„Aber ich habe dich oft bei ihr gesehen. Sie ist nicht besonders hübsch", meinte die Slytherin verächtlich und warf ihre langen schwarzen Haare über die Schulter. Sie war sehr gutaussehend, hatte ein schmales Gesicht, große Augen und lange Beine. 

„Wie gesagt, sie ist unwichtig. Ich mache mir nur einen Spaß daraus, ihr Vertrauen zu gewinnen und ihr Herz dann schmerzhaft zu brechen", lachte Draco leise. „Vielleicht bekomme ich sie sogar vorher noch ins Bett, dann habe ich noch mehr davon ..." 

Die Frau kicherte, drehte sich zu ihm und drängte ihn an die Kerkerwand. Hermine hielt den Atem an. Mit der einen Hand strich die Slytherin an Dracos Krawatte entlang und zog ihn damit näher zu sich. Langsam ließ sie ihre andere Hand unter Dracos Pullover gleiten. Ihr Rock war gekürzt, das sah Hermine sofort. 

„Du kannst mich haben... Ich bin doch sowieso viel schöner, als dieses Schlammblut Granger", schnurrte sie ihm zu und warf ihre wallenden Haare nach hinten. 

Hermine schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht erschrocken nach Luft zu schnappen. Sie spürte einen stechenden Schmerz in der Brust. Die Slytherin streckte sich Dracos Mund entgegen, doch Draco legte einen Finger auf ihre Lippen. 

„Tut mir leid, Melissa", raunte er mit tiefer Stimme. „Aber ich bin gerade nicht in der Stimmung." Enttäuscht ließ Melissa von ihm ab. "Du kannst mir nicht ewig davonrennen, Süßer", säuselte sie und ging weiter den Gang entlang. Der Angesprochene stieß sich von der Wand ab und lief hinter ihr her. Hermine folgte ihnen im Schatten der Säulen, bis sie kurz darauf in einer Sackgasse ankamen. Ihr Herz schlug aufgeregt und sie presste sich gegen den kalten Stein. Melissa und Draco standen dicht vor der Steinmauer. 

„Obvigilo", sagte der Slytherin laut und deutlich. Die Steine der Mauer klappten einzeln zu den Seiten weg und gaben eine Öffnung frei. Die Zwei liefen hindurch und verschwanden hinter den Blöcken, die sich wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückbegaben. Hermine schlich zu der Steinwand und raunte das Passwort, welches sie sich schnell gemerkt hatte. Die Mauer ließ sie ein und verschloss sich hinter ihr erneut. Der Gang vor ihr war menschenleer. Sie eilte so leise wie möglich weiter in der Hoffnung, das Paar nicht verloren zu haben. Fest entschlossen die Wahrheit herauszufinden, kam sie am Ende des kurzen Gangs an einer Gabelung an. 

Hermine zitterte bei dem Gedanken an das Gespräch, das sie belauscht hatte und spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog, doch sie riss sich zusammen. Sie wählte die Abzweigung zu ihrer Rechten und schlich mit dem Rücken zur Wand weiter. Plötzlich hörte sie erneut von weitem die Stimmen der beiden Slytherins. 

„Gute Nacht. Wenn du dir es nochmal anders überlegst, weißt du, wo du mich finden kannst", schnurrte Melissa. 

„Nacht", vernahm Hermine Dracos Stimme. Sie kam gerade an der nächsten Biegung an und spähte vorsichtig um die Ecke. Verwirrt stellte sie fest, dass niemand mehr da war, dabei war sie sich sicher gewesen, dass sie von hier die Stimmen gehört hatte. Sie lief weiter. Der Gang mündete in einen großen Saal, in dem sich einige Slytherins aufhielten. Hermine wäre beinahe hineingestolpert. In eine Vertiefung der Steinmauer gekauert, blickte sie in den großzügig eingerichteten Raum. Es schien sich um den Gemeinschaftssaal der Slytherins zu handeln. Die milchigen Lampen erzeugten ein grünliches Licht und im Saal verteilt standen einige Hochstühle. Um einen Kamin herum befanden sich einige Couches und Sessel aus kaltem, dunklen Leder. Hermine spähte umher, doch sie konnte weder Draco noch Melissa sehen. Plötzlich stand einer der Slytherins von einer Couch auf und streckte sich. 

„Ich gehe jetzt schlafen, Leute", hörte sie ihn sagen. Er verabschiedete sich, ging dann um die Sitzecke herum und kam auf den Gang zu, in dem sich Hermine versteckte. Würde er an ihr vorbeigehen, würde er sie sofort sehen. Panisch bewegte sich die Gryffindor rückwärts und stieß dabei eine Vase an. Sie drehte sich eiernd auf der Stelle und zerschellte schließlich unter ohrenbetäubendem Lärm. „Verdammt!", murmelte Hermine. Sie sah noch, wie der Slytherin die Stirn runzelte und seine Schritte beschleunigte, als hinter ihr leise ein knarrendes Geräusch ertönte. Sie wurde an den Schultern gepackt und durch eine Tür gezogen. Dicht vor ihrem Gesicht schloss sich die dunkle Holztür mit dem gleichen Knarren wieder. Angst stieg in ihr auf. Links von ihr sah sie eine Hand, die gegen die Tür gelegt war, um sie anscheinend davon abzuhalten die Tür wieder aufzureißen. Langsam drehte sie sich um. Sie schaute in eisblaue Augen. Überrascht öffnete sie den Mund, doch Draco legte ihr seine Hand darüber. Er sah ihr fest in die Augen und seine Züge waren angespannt. Hermine blieb still und lauschte. 

„Hier ist niemand", rief der Slytherin von eben. 

„Aber die wird doch kaum von alleine umgefallen sein", hörte die Gryffindor eine andere Stimme von weiter weg. 

„Was weiß ich!", stöhnte der Junge genervt zurück. „Wird wohl mal wieder die elende Katze von Jenkins gewesen sein." 

Sie hörte Schritte, die an der Tür vorüber gingen und schließlich nicht mehr zu vernehmen waren. Draco nahm seine Hand von ihrem Mund. „Was, bei Merlin, suchst du hier im Slytheringemeinschaftsraum?", fragte er sichtlich darum bemüht einigermaßen ruhig zu bleiben. Hermine biss sich auf die Lippe. Als sie ihn anblickte, fiel ihr das Gespräch zwischen Melissa und Draco wieder ein. Durch sie floss ein Schwall von Zorn und Schmerz. Ohne darüber nachzudenken schlug sie Draco mit der flachen Hand ins Gesicht. 

„Du hast mich belogen und hintergangen!", zischte sie wütend. 

Er hob überrascht die Hand zur Wange. Dann wurden seine Züge plötzlich weicher. „Hermine, hast du mich eben belauscht?", fragte er ruhig. „Melissa und mich?" 

Ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte, stiegen Hermine Tränen in die Augen. „Allerdings", sagte sie. Ihre Stimme zitterte und es machte sie zornig, dass sie ihre Gefühle ungewollt so offen zeigte. Das war es doch, was er gewollt hatte - sie zu verletzen. Sie schaute zu Seite. Plötzlich packte Draco sie und zog sie in seine Arme. 

„Das Gespräch solltest du niemals hören. Tut mir Leid, dass ich dich verletzt habe", sagte er leise. Seinen Kopf drückte er seitlich sanft gegen ihren. „Aber bitte hör mir zu, was ich zu sagen habe! Danach kannst du immer noch gehen und mich für alle Zeit hassen." 

Hermine war verwirrt. Sie hatte damit gerechnet ausgelacht und vorgeführt zu werden, aber nicht damit. Also nickte sie nur. Tränen liefen ihr über die Wangen. 

„Ich glaube, dass mein Vater mich bespitzelt. Jemand hat an ihn weitergegeben, dass ich hier bin und beobachtet alles, was ich tue!", erzählte Draco leise. 

Hermine hob den Kopf und sah ihn bestürzt an. Dann fiel ihr Melissa ein. „Und du denkst, dass dieses Mädchen der Spitzel ist?", fragte sie skeptisch. 

„Nein, ich weiß noch nicht, wer es ist", erwiderte Draco. „Aber ich will meine Tarnung wahren. Ich brauche Leute im gegnerischen Team, die mir trauen und durch die ich vielleicht an Informationen komme. Also muss ich so tun, als hätte ich mich nicht verändert, als wäre ich noch der Alte" Er ließ sie los und schaute ihr in die Augen. „Wenn ich dir nur wehtun wollte, dann gäbe es spätestens jetzt keinen Grund mehr, dir noch etwas vorzumachen. Folglich würde ich jetzt nicht hier stehen und dir alles erklären!", versuchte er ihr die Lage begreiflich zu machen. 

Hermine schloss schmerzlich die Augen. Sie wollte ihm wirklich gerne vertrauen. Warum war es so schwer? Langsam hob Draco seine Hand und fuhr mit seinen Fingern sanft über ihre Wange, um eine Träne aufzufangen. 

Die Gryffindor blickte erneut zu ihm hoch. Er sah niedergeschlagen aus. Plötzlich schien er sich an etwas zu erinnern. „Bitte setz dich, du musst hier nicht an der Tür stehen!", sagte er und führte sie zu einem Sessel. Als sie sich gesetzt hatte, fiel ihr erst ihre Umgebung auf. Neben ihr befand sich ein edler Schreibtisch aus dunklem Holz mit passendem Stuhl. An der gegenüberliegenden Wand stand ein breites Bett mit tannengrünen Vorhängen. Es war bezogen in passender Satinbettwäsche, die im Licht der Nachttischlampe fein glänzte. Die freie Wand gegenüber der Tür bestand aus Glas. Man konnte große Unterwasserpflanzen und eine Art Riff draußen erkennen. Ein Schwarm kleiner Fische schwamm gerade an dem großen Fenster entlang. Hermine erinnerte sich, dass sie im Gründerbuch von Hogwarts gelesen hatte, dass der Gemeinschaftsraum der Slytherins unter dem großen See der Schulländereien lag. Draco war in der Zeit, in der sie sich umgeschaut hatte, durch eine Tür neben dem Bett ins Bad verschwunden und kam nun mit einem Glas Wasser zurück. 

Er kniete sich vor ihr nieder und reichte es ihr. „Geht es wieder?", fragte er ehrlich besorgt. Sie nickte nur und nippte am Wasser. „Ich weiß, es ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt dafür", begann er und holte eine kleine, blaue Schachtel hervor, die mit rotem Geschenkband umwickelt war, „aber ich möchte dir das hier schenken. Es war eigentlich für Weihnachten gedacht, aber ich will es dir jetzt geben, falls du dich dazu entscheidest, nichts mehr mit mir zu tun haben zu wollen". 

Überrascht nahm sie das Geschenk entgegen und zog behutsam die Schleife auf. Draco schaute ihr aufgeregt zu. Sie öffnete die Schachtel. 

„Gefällt es dir nicht?", fragte er unsicher. 

Hermine starrte auf eine wunderschöne Halskette. Sie war aus Silber und sehr schlicht. Ein kleiner, silberner Schlüssel, in den ein winziger, grüner Edelstein eingelassen war, hing glitzernd an der Kette. „Sie ist …“, fing Hermine an und brach ab. Sie beugte sich im Sessel nach vorne und zog den verblüfften Draco an sich. „Ich vertraue dir", flüsterte sie an seiner Schulter. 

Er drückte sie und schien sich zu entspannen. Dann ließ er sie los und lächelte sie nur sichtlich erleichtert an. Hermine lächelte schwach zurück. Sie hatte sich entschieden ihm zu vertrauen. Auch wenn es komplett gegen ihre Vernunft war, welcher sie bei den meisten ihrer Entscheidungen in ihrem Leben eher folgte als ihrem Bauchgefühl. Und sie hoffte inständig, dass es kein Fehler war. Plötzlich fiel ihr Blick auf die Wanduhr und sie bemerkte schockiert, dass es bereits elf war. 

„Verdammt!", rief sie und stand mit einem Ruck vom Sessel auf. „Ich muss unbedingt zurück!" 

Draco griff schnell nach ihrer Hand und hielt sie so davon ab zur Tür zu stürmen. „Warte! Du kannst nicht mehr zurückgehen!", rief er alarmiert. 

Hermine starrte ihn entgeistert an und fragte: „Warum?" 

„Weil dich die Steinmauer nach der Ausgangssperre nicht mehr rauslässt", antwortete er etwas verlegen und wich ihrem Blick aus. 

„Oh ...", machte die Gryffindor und ließ sich resigniert zurück auf den Stuhl sinken. 

„Du kannst gerne hier schlafen", schlug Draco vor, machte eine vage Geste in Richtung Bett und fügte noch rasch hinzu: „Ich mach es mir dann auf dem Teppich bequem." 

Hermine errötete leicht, nickte aber zustimmend. Wo sollte sie sonst hin? 
 

~*~



In eine Decke gekuschelt, schaute Hermine vom Bett aus durch die Glaswand in die Tiefen des Sees hinein. Man konnte oben auf der Wasseroberfläche die Spiegelung des Mondes sehen. Die silbernen Lichtstrahlen wurden durch das Wasser etliche Male gebrochen und nahmen zum Grund hin immer mehr an Intensität ab, bis sie schließlich vom dunklen Nass verschluckt wurden. Hermine hielt die Kette, die sie von Draco bekommen hatte, in der Hand und schaute dem Glitzern des Edelsteins zu, das entstand, wenn sie den Schlüssel zwischen den Fingern drehte. Das Kissen, auf das sie ihren Kopf gebettet hatte, roch nach dem Slytherin. Sie konnte sein regelmäßiges Atmen von dem Fußende des Bettes her hören. 

„Ist alles in Ordnung bei dir da oben?", durchbrach er die nächtliche Stille. Hermine schreckte aus ihrem Starren auf. 

„Woher wusstest du, dass ich noch nicht schlafe?", fragte sie verwundert. Es raschelte etwas, dann kam ein Arm vom Boden aus hinter der Bettleiste hervor und deutete an die Decke. 

Die Gryffindor blickte hoch und sah grünlich schillernde Lichtreflexe. Sie kippte den kleinen Schlüssel in ihrer Hand und die Reflexe schossen über die Decke. 

„Oh", machte Hermine und musste ertappt lächeln. 

„Du hast noch nicht geantwortet. Fühlst du dich irgendwie unwohl?", fragte Draco erneut. 

Hermine horchte in sich hinein. „Nein, mir geht es gut", antwortete sie aus dem Bauch heraus. Schon wieder dieses Bauchgefühl. Es stimmte aber, sie fühlte sich kein bisschen unbehaglich. Durch Dracos Anwesenheit im Raum schien sie sich sogar etwas sicherer zu fühlen, hier unten im kalten und fremden Kerker zwischen all den Slytherins. 

„Draco?", fragte sie in den Raum hinein. 

„Hm?", kam es schläfrig vom Boden zurück. 

„Warum suchst du plötzlich meine Nähe?", traute sich Hermine im Schutze der Dunkelheit zu fragen. 

Sie hörte, wie der Slytherin nervös auf seinem Nachtlager hin und her rutschte. „Auch wenn sich das komisch anhört, aber ich weiß es selbst nicht so genau. Vielleicht hoffe ich auf Vergebung. Oder vielleicht möchte ich deine Geschichte hören, wie du alles erlebt hast", antwortete Draco nachdenklich nach kurzem Schweigen und fügte noch neckend hinzu: „Oder vielleicht bin ich auch einfach nur schlecht in Geschichte der Zauberei und möchte Nachhilfe von einer besonders streberhaften Hexe." Sie hörte, wie er bei diesen Worten grinste, und musste auch lachen. 

„Hermine, warum bist du hier eigentlich alleine über die Weihnachtsferien? Wo sind deine Anhängsel?", fragte Draco sie. 

„Ach, Harry und Ron hatten keine Lust über die Ferien zu lernen. Ich hab das Gefühl, dass ich hier die Einzige bin, die noch Wert auf ihren Abschluss legt ...", stellte Hermine verbittert fest. Dabei fiel ihr auf, dass sie während der letzten Tage gar nicht an die beiden gedacht hatte. Sie war wohl durch die vielen Geschehnisse abgelenkt gewesen. 

„Sag mal, fühlst du dich manchmal einsam?", fragte die Gryffindor offen heraus. 

„Ja ...", antwortete Draco zögernd. „Eigentlich ziemlich häufig. Ich habe mich von meiner Familie abgewandt, von meinen alten Freunden, und meine alten Feinde hassen mich verständlicherweise auch immer noch. Da ist es nicht leicht, Gesellschaft zu finden." Er machte eine kurze Pause, in der er sich, den Geräuschen nach zu urteilen, umzudrehen schien. „Wenn die Gesellschaft allerdings mein Bett okkupiert, bin ich, glaube ich, doch lieber alleine", scherzte er und Hermine hörte, wie er sich daraufhin erneut ächzend auf dem harten Steinboden, der sich direkt unter dem dünnen Teppich befand, umdrehte. 

„Ist das nicht scheußlich unbequem da unten?", lachte Hermine. 

„Nein, gar nicht", keuchte Draco zurück. Seine Worte trieften vor Ironie. Ohne weiter darüber nachzudenken, schlug die Gryffindor vor: „Komm doch einfach hoch ins Bett, das macht doch jetzt auch keinen großen Unterschied mehr. Ich zaubere es nur schnell noch ein wenig größer!“ Und durch einen Wisch mit ihrem Zauberstab wuchs das Bett noch etwas in die Breite und schob die Nachttische mit sich zur Seite. 

„In Ordnung, ins Bett bekommen habe ich dich ja sowieso schon", scherzte Draco und stand auf. „Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Morgen breche ich dir dann das Herz, du selbst hast es vorhin aus meinem Mund gehört!" 

Hermine lachte und sah Draco zu, wie er im Halbdunkeln seine Decken und Kissen zusammensammelte. Er hatte zum Schlafen nur eine Boxershorts und ein lockeres Shirt an, das seine definierten Schultern und Arme betonten. Die Gryffindor ertappte sich dabei, wie ihr Blick über seinen Oberkörper glitt. Draco warf sein Bettzeug auf die Matratze zu Hermine und ließ sich daneben fallen. „Bei Merlin", stöhnte er. „Wie bequem das ist, nachdem man erst mal auf dem Boden lag!" Er zog die Decke über sich und drehte sich auf die Seite, sodass er ihr zugewandt war. 

„Gute Nacht, Hermine", lächelte er sie an. 

„Gute Nacht", antwortete sie und schloss erschöpft die Augen.

„AUFWACHEN! AUFWACHEN! AUFWA-!“, rief Hermines Wecker zum gefühlt zehnten Mal. 

Sie schlug mit einer Hand auf das kleine, magische Gerät, sodass es verstummte und ließ die Augen geschlossen. Um sie gleich darauf erschrocken aufzureißen. Verstört schaute sie auf ihren Terminkalender und keuchte auf. Heute war der 24. Dezember! Und nicht nur das, Hermine hatte bis zum Mittagessen verschlafen! 

Sie sprang aus dem Bett, taumelte zum Kleiderschrank und riss ihn auf. Verzweifelt durchstöberte sie jeden Winkel davon. Sie hatte nichts Passendes zum Anziehen für den heutigen Weihnachtsball! Also zog sie sich schnell ein Shirt und eine Hose über. Mit einem grauenvollen Durcheinander auf dem Kopf, das sich bei anderen Menschen "Frisur" nannte, rannte sie die Treppen zur großen Halle hinunter. Eilig schritt sie die Bankreihen des Gryffindortisches entlang und stützte ihre Hände energisch neben Parvati auf den Tisch. Parvatis Tischnachbarin verschluckte sich bei Hermines Anblick und hustete, Parvati zuckte zusammen. 

„Wie siehst du denn au-?“, begann diese verwirrt. 

„Komm bitte schnell mit, keine Widerrede!“, rief Hermine in einem Atemzug, schnappte sich Parvati und noch schnell ein Brot mit Aufstrich und rauschte aus der Halle.
 

~*~



Parvati saß in einem Sessel und hielt zwei Kleider vor sich, die sie ganz genau betrachtete.  Sie kniff konzentriert die Augen zusammen. „Also, ich finde, dass das blaue Kleid dir absolut nicht gepasst hat und das Schwarze ist viel zu trist! Allerdings ist das Rosafarbene auch nicht besser gewesen, darin wirkst du ganz blass!“ 

Hermine und Parvati waren nun schon seit drei Stunden in sämtlichen Geschäften unterwegs, die Hogsmeade zu bieten hatte, und Hermine hatte immer noch kein passendes Kleid für den Ball gefunden. Ihre Freundin täuschte jedoch keine Müdigkeit vor und stand ihr kritisch beratend zur Seite. 

„Das ist es!“, rief Hermine plötzlich, riss den Vorhang der Umkleidekabine zur Seite und präsentierte sich. Alle Leute im Geschäft drehten ihr verwirrt die Köpfe zu. 

„Ja, das steht Ihnen wirklich ausgezeichnet!“, beteuerte die Verkäuferin schnell, die sich gerade vom Unterwäschewühltisch aufrappelte, auf den sie sich erschöpft gestützt hatte. 

„Wow!“, kam es nur anerkennend aus Parvatis Richtung. „Sehr … ‚slytherin‘ irgendwie.“  

Erleichtert, die schwierigste Kundin in zwanzig Jahren Berufserfahrung endlich los zu sein, reichte die Verkäuferin Hermine fünf Minuten später die Einkaufstüte. Die zwei Hogwartsschülerinnen traten hinaus ins Sonnenlicht. Es war ein wunderschöner Tag, denn die warme Wintersonne brachte den Schnee zum Glitzern. Hermine lächelte zufrieden und hakte sich dankbar bei Parvati ein.
 

~*~



Hermine stand vor dem Spiegel und fingerte an dem Verschluss ihres Kleides. Entnervt stöhnte sie auf, zückte ihren Zauberstab und machte den Reißverschluss mit einem Schwenk zu. Sie betrachtete sich im Spiegel. Ihre braunen, eigentlich unmöglich zu bändigenden Haare, die sie meist einfach nur offen trug, hatte sie in eine wunderschöne Hochsteckfrisur verwandelt, aus der ein paar sanft gewellte Strähnen gelöst waren. Hermine hatte ihre Haare mit einem Glanzzauber belegt und ihren Zauberstab kurzfristig in einen Lockenstab umfunktioniert, um ihre unordentlichen Locken in eine Frisur zu verwandeln. 

Ihr Blick wanderte prüfend über ihr Kleid. Es war aus einem smaragdgrünen, seidigen Stoff mit eingearbeiteten feinen Silberfäden und schmiegte sich angenehm ihren Kurven an. Noch schleifte es leicht auf dem Boden, jedoch holte Hermine nun ihre Pumps aus dem Schrank. Sie zog sie an und kam wackelnd zum Stehen. „Das kann ja was werden …“, dachte Hermine frustriert und stakste vor dem Spiegel auf und ab. Sie nahm ihren Zauberstab zur Hand und überlegte kurz. „Wie war das noch mal …?“, fragte sie sich, stolperte zu ihrem Nachttisch und zog ihr Tagebuch hervor. Blätternd murmelte sie vor sich hin, blieb an einer Seite hängen und las sie genauer durch:

"Eintrag vom 24.3.
Ich habe heute mal wieder in der Bibliothek gestöbert und dabei habe ich ein paar praktische Zauber in einem Buch gefunden, das ..."

Hermine fuhr mit dem Zeigefinger auf der Seite weiter hinunter.

„Gleichgewichtszauber:", las sie leise vor, "Wenn man in seinen Schuhen das Gleichgewicht nicht halten kann, muss man diesen Zauber auf die Schuhe ..."
 

~*~



Nervös schritt Hermine die Treppe zum Vorraum der Großen Halle hinunter. Ihre Schuhe klangen auf dem Steinboden und hallten von den Steinwänden wider. Sie ging, und darüber war sie heilfroh, anmutig und ohne zu schwanken. Die Kette, die Draco ihr geschenkt hatte, lag auf ihrem Dekolleté und schwang sanft im Rhythmus ihrer Schritte. Der Stein glitzerte in allen vorstellbaren Grüntönen. 

Unten vor dem Tor zur Großen Halle wartete bereits eine Traube von Schülern darauf, eingelassen zu werden. Dort angekommen stand Hermine ein wenig verloren in der Menge, bis plötzlich Luna um die Ecke schlenderte. 

„Hallo, Luna!", begrüßte die Gryffindor ihre Freundin erleichtert. Dann fiel Hermines Blick auf Lunas Outfit und sie meinte nur verblüfft: "Oh, außergewöhnliches Kleid.“ 

„Danke", nahm Luna lächelnd diese Feststellung als Kompliment entgegen. Ihr Kleid war gelb und schwarz gestreift und nach unten hin weit ausgestellt. Sie hatte darin eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Biene. Noch dazu steckte in ihrem Haar eine Kombination aus Federn und Blüten. 

Nach und nach füllte sich der Vorraum, in dem sie standen, mit Schülern in schicker Garderobe. Kurze Zeit später kam Neville mit einem gehetzten Ausdruck auf dem Gesicht um die Ecke gestürmt, welcher sich aber sofort entspannte, als er sah, dass er offensichtlich noch nicht zu spät war. Er war deutlich größer als der Großteil der Masse, weshalb man ihn ohne Probleme sehen konnte, als er sich zu ihnen durch die Menge drückte. 

„Neville, du siehst schick aus“, stellte Luna fest und betrachtete ihn. 

Neville errötete und brachte ein "Danke" heraus. Er hatte einen klassischen schwarzen Anzug mit einem weißen Hemd kombiniert. Luna sah Hermine an und ihre Augen blitzten aufgeregt. Plötzlich glitt Lunas Blick in die Menge hinter der Gryffindor und sie begann zu lächeln. 

„Neville, komm, wir gehen nach vorne, dann kommen wir als erste in die Halle, wenn sich die Türen öffnen!“, rief Luna, nahm Neville bei der Hand und zog ihn davon. 

Hermine drehte sich verwundert um. Zuerst sah sie nur aufgeregte, schwatzende Schüler, doch plötzlich zog ein hellblonder Haarschopf ihre Aufmerksamkeit auf sich. Hermine ließ ihn nicht aus den Augen, während er durch das Meer aus Köpfen seine Bahnen zog, und strich dabei nervös ihr Kleid glatt. Die Masse teilte sich kurz und sie erhaschte einen Blick auf Draco. Ihr Mund klappte herunter. Er trug einen dunkelgrauen figurbetonten Anzug und ein bordeauxfarbenes Hemd, das er oben lässig offen gelassen hatte. Als Draco dann endlich von der Menschenansammlung etwas unsanft ausgespuckt wurde, schaute er ärgerlich drein und zog energisch sein Sakko zurecht. 

Hermine musste lachen. Draco hielt in der Bewegung inne und heftete seinen Blick auf sie. Anscheinend hatte er sie erst jetzt bemerkt. Seine Augen wanderten von oben nach unten ihren Körper entlang und sein Blick prickelte auf ihrer Haut. 

„Ich wusste gar nicht, dass du so hübsch sein kannst!“, grinste er und kam die letzten Schritte auf sie zu. 
Hermine riss empört den Mund auf und wollte gerade schimpfen, als der Slytherin gespielt ernst fragte: „Darf ich bitten, Miss?“, und ihr dabei wie in einem alten Film den Arm anbot. 

„Wenn es unbedingt sein muss!“, spielte Hermine mit und tat so, als ziere sie sich etwas. 

In dem Augenblick öffneten sich die großen Türflügel und man konnte ein Raunen aus den ersten Reihen hören. Die Menge strömte in die Große Halle. Überwältigt stockte Hermine der Atem, als sie schließlich eintraten. Der Raum war weihnachtlich ganz in Weiß und Dunkelrot geschmückt und hier und da glitzerte es festlich. Von der Decke rieselte magischer Schnee, der sich auflöste, sobald er etwas berührte. An den Wänden der Halle standen schmale Tische mit allerlei leckeren Weihnachtsgerichten und -getränken. In der Mitte des Raumes war Platz geschaffen worden für eine große kreisrunde Tanzfläche, auf der Lichter in Form von Schneekristallen tanzten. An der einen Seite der Fläche hatte sich ein kleines Orchester aufgestellt, das sanft Weihnachtslieder erklingen ließ. 

Glücklich lächelte Hermine zu Draco hinauf. „So schön wie jedes Jahr", seufzte sie, als sie auf die Theke zugingen. 

„Um ehrlich zu sein, ich war noch nie auf dem Weihnachtsball hier in Hogwarts", gestand Draco. „Ich habe Weihnachten bisher immer bei meinen Eltern verbracht." 

Hermine versuchte eine Emotion aus Dracos Gesicht abzulesen, doch dieser lächelte sie nur an. Man konnte ihm keinerlei Kummer ansehen, er sah entspannt und zufrieden aus wie eh und je. An der Theke angekommen, bestellte er Getränke und reichte Hermine kurz darauf ein Glas mit Champagner. Den gab es natürlich nur für die volljährigen Schüler der höheren Jahrgänge. 

In dem Moment schallte ein Räuspern durch die Halle. Die Gespräche und das Orchester verstummten und die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich auf Professor McGonagall, die auf der Erhöhung am Kopfende des Raumes stand, auf der normalerweise der Tisch der Lehrer positioniert war. Sie trug ein langes, elegantes Kleid aus dunkelblauem Stoff mit einem extravaganten Kragen und hatte ihren Zauberstab auf ihre Kehle gerichtet. 

„Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zum diesjährigen Weihnachtsball!", schallte ihre Stimme, durch den Sonorus Zauber verstärkt, durch die hohe Halle. „Genießen Sie die vorzüglichen Gerichte und die Musik, jedoch muss ich die Schüler der höheren Klassen bitten, nicht zu tief in den Becher zu schauen", fügte die Professorin hinzu und warf der einen oder anderen Person einen strengen Blick zu. „Möge das Fest beginnen!", rief McGonagall schließlich und klatschte in die Hände. 

Die Musik setzte wieder ein, diesmal etwas flotter und lauter. Einige tanzwütige Schülerpaare gingen bereits auf die Tanzfläche zu. "Wollen wir anstoßen?", fragte Draco lächelnd und hielt Hermine sein Glas entgegen. 

"Auf die schönste Zeit im Jahr!", rief die Gryffindor lachend. Ihre Blicke trafen sich, als sie anstießen. Von der plötzlich aufflammenden Hitze verwirrt, kippte Hermine den Inhalt des Sektglases in einem Zug hinunter und erhielt dafür eine überrascht hochgezogene Augenbraue von Dracos Seite. Schnell stellte sie das Glas ab und beobachtete scheinbar mit voller Aufmerksamkeit die tanzenden Paare. Plötzlich spürte sie, wie Draco ihre Hand ergriff. Sie sah an sich hinab und beobachtete, wie Dracos lange Finger sich um ihre legten. 

„Möchtest du tanzen, Hermine?", fragte der Slytherin und drückte ihre Hand. Sie sah lächelnd auf und nickte nur. Kurz darauf befanden sie sich inmitten der tanzenden Schüler. 

Mit jedem Lied wurde die Atmosphäre unter den Tanzenden befreiter, auch Hermine ließ sich von der Musik mitreißen. Irgendwann schloss sie die Augen und wurde eins mit der Menge. Sie spürte die Wärme und die Ausgelassenheit, die von den anderen Schülern ausging. Als sie ihre Lider wieder öffnete, bemerkte sie Dracos Blick. Er war direkt vor ihr und bewegte sich fließend zur Musik. Sein Sakko hatte er abgelegt und tanzte nur im Hemd. Um seine Taille lag es eng an und umschmeichelte seine Figur. Die obersten Knöpfe hatte er geöffnet und sein Schlüsselbein, auf das Hermine einen Blick erhaschen konnte, ließ auf eine muskulöse Brust schließen. Das Licht der Scheinwerfer strich über seine markanten Gesichtszüge. Sein Arm bewegte sich auf sie zu und er berührte sie leicht an der Hüfte. Ihm fielen bei der Bewegung ein paar Haarsträhnen in die Stirn. Seine eisblauen Augen blitzten ihr entgegen und ihr wurde plötzlich schwummerig. 

Sie wand sich aus der Menge und stützte sich auf einer der Theken ab. Schwer atmend bestellte sie sich ein Glas Wasser und versuchte sich wieder unter Kontrolle zu bringen. 

„Was ist los mit mir?", fragte sich Hermine. „Ich habe doch vorhin einen Gleichgewichtszauber gewirkt. Warum ist mir dann so komisch?" Sie stürzte das kühle Wasser hinunter und fühlte sich schon etwas besser. Nervös warf sie einen Blick zurück in die tanzende Menge und sah sofort Draco auf sich zu kommen. 

„Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte er besorgt und beobachtete sie. 

„Ich denke, ich brauche einfach nur eine Pause", lächelte sie unsicher zurück. 

Dracos Gesichtszüge entspannten sich merklich und er meinte: „Wie wäre es, wenn wir kurz rausgingen? Da ist es schön kühl." Sie willigte ein und so verließen sie die Große Halle. 

Der Mond schien hell, als sie durch die Tür zum Innenhof traten. Sanft schwebten dicke Schneeflocken auf sie herunter. Die beiden gingen zu der Balustrade am Rand des Innenhofs und schauten auf die Ländereien hinunter. Hermine genoss die kühle Luft auf ihren Wangen, schlang jedoch ihre nackten Arme um ihren Oberkörper. Das entging dem Slytherin nicht. 

„Hier", sagte er schlicht und sie wandte sich ihm zu. Draco nahm sein Sakko und legte es um ihre zarten Schultern. Als er die Jacke an ihr zurechtzupfte, zog er sie näher zu sich heran. 

In einer fließenden, natürlichen Bewegung ließ er seine Hände über ihren Rücken gleiten und zog sie in eine enge Umarmung. Ohne weiter darüber nachzudenken, legte Hermine ihre Wange an seine Brust. Sie spürte seinen warmen Körper durch den dünnen Stoff seines Hemdes. 

„Ob ihm nicht schrecklich kalt ist?", fragte sie sich und sah auf, um ihn darauf anzusprechen, doch sein Blick war nach oben gewandt. 

Neugierig folgte sie ihm und plötzlich sah sie es. Über ihnen am steinernen Torbogen hatte sich etwas durch die Ritzen zwischen den Steinen gearbeitet. Es handelte sich um einen kleinen Mistelzweig, der stolz seine zarten Äste zu ihnen hinabstreckte, um ihnen seine weißen Früchte zu präsentieren.

Hermine erstarrte. Wie in Zeitlupe wandte Draco ihr sein Gesicht zu. Seine blauen Augen waren alles andere als eisig. Zentimeter für Zentimeter verkürzte sich der Abstand zwischen ihren Gesichtern. Sein Mund war leicht geöffnet. Hermine war wie hypnotisiert. Ihre Hand wanderte ohne ihr Zutun Dracos Oberkörper hinauf. Sie sog jede Empfindung ihrer Sinne auf. Die Gryffindor spürte bereits seinen heißen Atem auf ihren Lippen. Dracos Mund war nur noch Millimeter von dem ihren entfernt, als sie aus einem Impuls heraus ihren Kopf zur Seite abwandte. Seine Lippen trafen auf ihre Wange.

Überrascht ließ Draco von ihr ab. 

„Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt ins Bett gehe", meinte Hermine schnell, ohne Draco dabei anzusehen und rannte ins Schloss hinein. Sein Sakko rutschte von ihren Schultern und landete im weißen Schnee.
 

~*~



Das Tuch strich über ihr Gesicht. Sie blickte sich im Spiegel an. Ihre Augen waren schwarz verschmiert vom Abschminken und ihr lief eine vereinzelte Träne über die Wange. „Ich weiß, mein Bruder ist ein Idiot, aber Fremdgehen hätte er nun auch wieder nicht verdient!" Die Worte ihrer besten Freundin hallten ihr wieder und wieder durch den Kopf. 

„Was soll ich bloß tun", flüsterte Hermine und strich sich weiter mit dem Tuch über ihre Lider. „Wenn das so weitergeht, dann werde ich früher oder später einen Fehler machen, den ich sehr bereuen werde", stellte Hermine verbittert fest. Sie dachte erneut an den Abend. Wie sie mit Draco draußen stand. Wie sie seinen Körper mit ihren Fingerspitzen unter dem Stoff seines Hemds ertastet hatte. Schnell schüttelte sie den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben und schlug mit der Faust frustriert auf den Marmor neben ihrem Waschbecken. 

„Du musst dich jetzt zusammenreißen, Hermine!", sagte sie eindringlich zu ihrem Spiegelbild, „Morgen musst du zum Fuchsbau." 

Als sie im Bad fertig war, zog sie sich um und ließ sich erschöpft ins Bett fallen. Verzweifelt versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Nach endlosen Stunden, in denen sie sich im Bett von einer Seite auf die andere wälzte, schlief sie endlich ein.
 

~*~



„Da ist ja unsere Hermine!", rief Molly, drückte die Gryffindor an ihren vollen Busen und bestäubte sie dabei mit Mehl. "Es ist so schön dich zu sehen, Schätzchen! Ron ist auch schon ganz aufgeregt! Aber jetzt komm erst mal rein in die gute Stube!", mit diesen Worten zog Rons Mutter sie ins Haus hinein. Hermine schlug sofort ein intensiver Geruch nach Kuchen und Plätzchen entgegen. Sie hatte sofort das Gefühl nach Hause zu kommen. Lächelnd zog sie ihre Stiefel von den Füßen und ließ sie im Flur stehen. 

Als sie das Wohnzimmer mit Molly betrat, saßen dort auch schon Ron, Harry, Ginny und George zusammen und spielten lautstark schimpfend und streitend ein Kartenspiel. Ginny sah Hermine als Erste, sprang vom Sofa auf und fiel ihrer besten Freundin in die Arme. George, Harry und Ron folgten ihrem Beispiel und begrüßten Hermine herzlich. Schließlich fand sich Hermine in Rons Armen wieder. 

„Es tut gut dich wiederzusehen, Mine", meinte Harry zu ihr, als sie sich alle zusammen zurück auf das Sofa setzten. 

„Ja, ich habe euch auch echt vermisst!", lachte Hermine in die Runde. 

Ron rutschte näher an sie heran und legte einen Arm um sie. In Hermine kam ein seltsam ungewohntes Gefühl auf, das sie jedoch auf die lange Zeit schob, in der sie Ron nicht gesehen hatte. Molly stand noch immer in der Tür und machte nun wieder auf sich aufmerksam. 

„George, Ronald, Ginerva - habt ihr vor euch einen entspannten Tag zu machen, während ich für euer Essen in der Küche schufte?", rief sie ungehalten und setzte mit weicher Stimme hinzu: „Harry-Schätzchen, setz dich doch in den Sessel am Kamin, da ist es wärmer! Und Hermine, möchtest du vielleicht ein paar Plätzchen?" 
Harry und Hermine tauschten über die zerknirschten Gesichter der Weasleykinder hinweg belustigte Blicke aus. 

„Ron und George - Ihr schmückt den Baum fertig und Ginny schneidet die Girlande aus! Jetzt sofort, husch, husch!", kommandierte Molly. 

„Ich gehe Ginny helfen", meinte Harry schnell unter Ginnys drohendem Blick. 

„Brauchst du vielleicht Hilfe in der Küche, Molly?", fragte Hermine und schob Molly, mit einem Zwinkern in Richtung ihrer Freunde, zurück in die Küche. 

In dem vollgestopften Raum angekommen machte Hermine sich direkt daran Teig zu kneten. Die besänftige Molly plapperte fröhlich vor sich hin, während neben ihr auf dem Herd vier Töpfe gleichzeitig köchelten. Aus jedem Topf ragte ein selbstumrührender Kochlöffel und neben dem Herd zerkleinerte ein Messer eine Zwiebel auf einem schweren Schneidbrett. In der Spüle hatten sich Schwamm und Lappen selbstständig gemacht und säuberten dreckiges Geschirr. Durch die bunt zusammengewürfelte Küche schwirrten hier und da Küchengeräte umher und erledigten allerlei Aufgaben. 
 

~*~



Der Tag neigte sich langsam dem Abend zu, und als Hermine schließlich wieder ins Wohnzimmer kam, war es wunderbar weihnachtlich geschmückt. Neben dem Kamin stand ein großer Weihnachtsbaum. Er war etwas zu hoch für den Raum, sodass die Baumspitze oben an der Decke zur Seite abgeknickt war. Trotzdem fehlte der große goldene Stern auf der Spitze nicht und Hermine dachte belustigt, dass der Baumschmuck ohne Zauberei so unmöglich halten könnte. Über die Farbe der Baumkugeln waren sich die Kinder wohl wie in jedem Jahr nicht einig geworden, sodass der Baum ein einziges farbenfrohes Chaos war. Außerdem hing eine Sternengirlande von einem Ende des Raumes bis zum anderen. George musste sich gerade auf dem Weg durch den Raum darunter hindurchbeugen, um sie nicht hinunterzureißen. Überall verteilt standen dutzende Kerzen, die fröhlich im Luftzug flackerten. Als sich die Familie und Freunde kurz darauf um den Baum herum versammelten, unter dem sich schon die Geschenke befanden, kehre auch endlich ein wenig Ruhe ein. Die Familie hatte extra für Hermine die eigentliche Weihnachtsfeier und das Geschenke auspacken auf den Abend verlegt.

„Mum, wann dürfen wir endlich die Geschenke auspacken?", quengelte Ginny so lange, bis Molly schließlich nachgab. Ausgelassen rissen alle ihre Geschenke auf und der Raum war erfüllt von Gelächter. Hermine bekam von Molly eine gestrickte Mütze, von Harry eine besonders hübsche, teure Feder, damit sie die Prüfungen gut überstehen würde, von Ginny ein Buch über ihren Lieblingswissenschaftler, das sie sich schon lange gewünscht hatte, und von Ron eine Schachtel mit Pralinen. 

Hermine überreichte Ginny ihr Geschenk und warnte sie, es nicht zu sehr zu schütteln. Mit neugierigem Gesichtsausdruck begann Ginny vorsichtig, das Geschenk zu öffnen. Als schließlich das zierliche Armband zum Vorschein kam, schlich sich ein Grinsen auf das Gesicht der jungen Gryffindor. 

„Wow, Hermine, du hast es mir wirklich gekauft!", rief sie und strahlte ihre Freundin an. 

Hermine half ihr dabei, das Armband um ihr Handgelenk zu schließen. Das Vögelchen flatterte fröhlich mit den Flügeln, als Ginny es mit dem kleinen Finger anstupste. 

Hermine beobachtete, wie sich der Vogel an Ginny schmiegte. „Na, ihr seid ja ein Herz und eine Seele!", sagte sie beleidigt. „Mir hat er immer nach den Fingern geschnappt." 

Die kleine Runde begann zu lachen. Nachdem alle Geschenke ausgepackt waren, begaben sie sich zum Esstisch. Der Tisch war reich gedeckt. Es gab Weihnachtsbraten, Gemüse und Kartoffeln mit Soße und zum Nachtisch Kuchen und Plätzchen. Als alle mit dicken Bäuchen und Weinglas in der Hand am geplünderten Tisch saßen und sich unterhielten, sprachen Harry und Ron Hermine an. 

„Wir haben übrigens große Neuigkeiten zu berichten. Alle wissen schon Bescheid, nur du noch nicht", begann Harry und lächelte entschuldigend. 

„Was weiß ich noch nicht?", fragte Hermine verwundert. 

„Harry und mir wurden im Zaubereiministerium richtig gute Stellen angeboten. Wir können direkt anfangen. Ohne Abschluss", erzähle Ron weiter. 

Hermine starrte die beiden an. 

„Und wir haben zugesagt!", grinste Ron und schaute sie erwartungsvoll an. 

Die Gryffindor löste sich aus der Schockstarre. „Ihr wollt keinen Abschluss machen?", fragte sie und versuchte ihre Entrüstung zu verbergen. 

Harry und Ron tauschten irritierte Blicke. 

„Was habt ihr denn dann vorzuweisen?", rief sie und ihre Stimme begann zu zittern. 

Ron legte seine Hand auf ihre. „Wir verstehen, dass du sauer bist, weil du es als Letzte erfährst, aber du hast dich in letzter Zeit nicht mehr so oft gemeldet mit der Eule-", versuchte er sie zu beruhigen, doch sie zog ihre Hand unter seiner weg. 

„Bitte, lass mich einfach in Ruhe!", rief Hermine, sprang auf und rannte die Treppe zu den Zimmer hinauf. 
 

~*~



Es klopfte an der Tür. „Hermine, bist du da drin?", kam es gedämpft von außen. 

Hermine saß zusammengekauert auf dem Bett. 

„Bitte mach die Tür auf!", rief Ron. 

„Es ist offen ...", murmelte sie zurück. Ron lugte vorsichtig durch einen Spalt und kam schließlich hinein. Er setzte sich neben sie auf die Bettkante. 

„Tut mir leid, Mine", meinte er niedergeschlagen. 

„Nein, mir tut es leid. Ich habe überreagiert", entgegnete Hermine wahrheitsgemäß. „Ich bin einfach gereizt momentan. Natürlich freue ich mich für euch, dass ihr so ein tolles Angebot bekommen habt, obwohl ich schon finde, dass ein Abschluss vorher besser wäre, aber ich will es euch nicht schlecht reden. Das bedeutet aber natürlich auch, dass ich das letzte halbe Jahr alleine in Hogwarts bin." 

„Wir besuchen dich auch!", rief Ron sichtlich erleichtert darüber, dass sich das Missverständnis geklärt hatte. 
Hermine lächelte schwach. Sie hatte Ron und ihre Freunde wieder und alles war gut, doch trotz allem wand sich in ihr, wie eine Schlange, ein ungutes Gefühl. 

Ron beugte sich zu ihr hinab und wollte sie küssen, doch Hermine wehrte den Kuss ab. 

„Was ist nur los mit mir?", fragte sie sich, als sie in Rons verletztes Gesicht sah. "Das hier ist mein Freund. Warum wehre ich sogar seinen Kuss ab?" Und plötzlich dämmerte es ihr. Ihre Briefe an ihn waren immer rarer geworden, das komische Gefühl vorhin auf der Couch neben Ron, sie wollte von ihm nicht mehr geküsst werden, sie hatte sogar jetzt das Gefühl, dass Ron ihr zu nahe war. 

„Ron, ich glaube, es ist besser, wenn wir uns trennen", sprach sie aus, was ihr Innerstes ihr in den letzten Wochen klar zu machen versucht hatte. 

Ron starrte sie an. „Aber Mine! Ich hab mich doch schon entschuldigt!", rief er verzweifelt und griff erneut nach ihrer Hand. 

Bei seinem fassungslosen Blick durchzog sie ein scharfer Schmerz, doch sie blieb hart. 

„Nein, Ron, daran liegt es nicht", meinte Hermine bestimmt, stand auf und begann ihre Tasche zu packen. „Es tut mir wirklich leid, Ron, aber du bist und bleibst wie ein Bruder für mich." Sie schulterte ihren Rucksack, drehte sich zu ihm um und schloss ihn in die Arme. „Bitte, verzeih mir." Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und verließ den Fuchsbau.

"Anfang des 16. Jahrhunderts zur Zeit der Hexenverbrennungen versuchte das Zaubereiministerium verstärkt die Geheimhaltung der Zaubererwelt aufrecht zu erhalten. Allerdings war der damalige Zaubereiminister...", monologisierte Professor Binns in seinem typischen monotonen Singsang vor sich hin. Ein langgezogenes Schnarchen zog durch den Raum, doch Professor Binns ließ sich durch nichts unterbrechen. Einmal war eine Gruppe Wichtel aus dem Klassenzimmer für das Unterrichtsfach Verteidigung gegen die Dunklen Künste ausgebrochen und während ihrer Stunde in Geschichte der Zauberei in ihren Unterrichtsraum eingefallen. Es war eine allgemeine Panik unter den Schülern ausgebrochen und als nach einer geschlagenen Stunde der letzte Wichtel endlich wieder eingefangen war, hatte Prof. Binns in seinem Vortrag ungerührt bereits weitere 200 Jahre behandelt. Am Ende der Stunde hatte er dann verwirrt auf die zerkratzten und teilweise aus kleinen Wunden blutenden Schüler und die zerstörte Einrichtung geblickt und war kopfschüttelnd durch die Tafel verschwunden. 

Hermine schaute sich verärgert nach dem Verursacher des Schnarchens um, doch der Großteil der anwesenden Schüler lag entweder schlafend oder tagträumend auf ihren Schulbänken. Seufzend richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Professor, allerdings hatte die Gryffindor heute ausnahmsweise auch Probleme seinem Monolog zu folgen. Heute war der erste reguläre Unterrichtstag nach den Weihnachtsferien. Das Schloss war wieder gefüllt mit schwatzenden Schülern und die angenehme Stille der Ferien war endgültig vorbei. 

Die Schulglocke riss Hermine aus den Gedanken. Sie war schon wieder vom Unterricht abgeschweift. Lustlos schob sie ihre Bücher in ihre Tasche und erhob sich.  Seit sie wieder in Hogwarts war, hatte sie nach Draco Ausschau gehalten, doch der hatte sich anscheinend im Slytheringemeinschaftsraum verschanzt. Sie hatte ihn seit dem Weihnachtsball nicht mehr gesehen. 

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du Ron für Goldstein verlassen hast, Mine", rief Ginny plötzlich. 

Hermine hatte nicht einmal gemerkt, wie sie neben ihr aufgetaucht war. Genervt verdrehte sie die Augen und meinte: „Ginny. Ich habe mich nicht wegen Anthony von Ron getrennt.“ Sie liefen den Korridor entlang zur Großen Halle, es gab bald Mittagessen. 

„Ich hatte nicht einmal Kontakt zu ihm in letzter Zeit“, verteidigte sich Hermine. 

Ihre Freundin schaute sie skeptisch von der Seite her an. „Sollte das wahr sein, dann verheimlichst du mir etwas Größeres", stellte Ginny fest und dachte nach. „Wieso solltest du sonst eure Beziehung so plötzlich beenden?" 

Sie waren mittlerweile in der Halle angekommen und nahmen an ihrem Haustisch Platz. Ginny hatte ihren Detektivblick aufgesetzt. 

„Also mich soll es ja nicht stören, andererseits ist Ron gerade unausstehlich wegen dir", fuhr sie fort und ein finsterer Ausdruck schlich sich auf ihr Gesicht. 

„Außerdem interessiert mich dein Liebesleben natürlich!", neckte sie die Gryffindor. 

Hermine füllte sich etwas Eintopf in ihre Schüssel. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass nichts dergleichen ist", erwiderte sie matt und begann zu essen. 

„Ich habe da aber so ein ganz merkwürdiges Gefühl bei der Sache", hakte die Weasley weiter nach. „Ich bin deine beste Freundin, denkst du, ich merke so etwas nicht? Hör zu, Mine, ..." 

Während Ginny weiterredete, schweifte Hermines Blick durch die Halle hinüber zum Haustisch der Slytherins. Ihre Augen blieben kurz an Melissa hängen, die gerade ihre Haarmähne über die Schulter warf, aber von Draco fehlte jede Spur. Frustriert widmete sie sich wieder ihrem Essen. Sie war mit ihrem Latein am Ende. Nicht einmal zum Essen kam er mehr. Hatte sie ihn so sehr gekränkt? 

„Wo steckt eigentlich unser neuer Freund Draco?", fragte Ginny plötzlich. Ihrem scharfen Blick war nicht entgangen, nach wem Hermine Ausschau gehalten hatte. 

„Woher soll ich das wissen?", fuhr Hermine sie an. Langsam riss ihr der Geduldsfaden. Glücklicherweise ließ Ginny die Fragerei jetzt sein und beobachtete sie nur nachdenklich. 
 

~*~



Professor Slughorn saß gut gelaunt an seinem Lehrerpult und stöberte im Tagespropheten. „Wie die immer ihre Haare nach hinten schmeißt. Ich würde sie ihr am liebsten ausreißen!", raunte Parvati Hermine grimmig zu und deutete mit einem Kopfnicken unauffällig auf Melissa. Sie hatten Zaubertränkeunterricht immer zusammen mit den Slytherins. 

Hermine beobachtete, wie Melissa sich hochnäsig lächelnd den gekürzten Rock glatt strich. Sie fragte sich, ob die Slytherin vielleicht wusste, was mit Draco los war. Immerhin war sie mit ihm in Kontakt. Die Gryffindor beschloss, sie trotz aller Abneigung darauf anzusprechen. Also arbeitete Hermine schnell und präzise, um ihren Trank fertigzustellen. Kurz vor Ende der Stunde ging sie zu Melissa, die mit ihren Freundinnen an einem der Tische arbeitete. 

„Was suchst du hier, Granger?", fragte Melissa in mitleidigem Ton. 

Hermine ignorierte die Stichelei und fragte die Slytherin direkt: „Hast du Draco gesehen?" 

Die schwarzhaarige Schönheit lachte schrill auf. Mit einen belustigten Blick zu ihrem Gefolge rief sie: „Habt ihr das gehört? Unser kleines, hässliches Entlein vermisst also Draco." 

Hermine versuchte ruhig zu bleiben. Nur so konnte sie Melissa vielleicht Informationen entlocken. „Es wundert dich also nicht, dass Draco plötzlich vom Erdboden verschwunden ist?", fragte Hermine ungeduldig weiter. 

Die Schwarzhaarige warf ihre Haare zurück. „Warum sollte es?", erwiderte sie, hob ihr Kinn und grinste überlegen. „Immerhin hat er mir den hier hinterlassen." Sie holte einen Zettel aus teurem Pergament hervor und warf ihn Hermine zu, die ihn überrascht auffing. 

„Denkst du immer noch, dass ihm etwas an dir liegt, wenn er dir nicht einmal Bescheid sagt?", fragte Melissa gehässig und ihre Freundinnen kicherten. Ihre Worte tröpfelten, eins nach dem anderen kalt Hermines Rücken hinab. In dem Moment klingelte die Schulglocke und die Slytherin verließ mit einem letzten triumphierenden Blick in Hermines Richtung den Saal.
 

~*~



Gedankenverloren strich Hermine über das weiche Fell des Kniesels und starrte dabei auf den Zettel. Er war aus einer Rolle Pergamentpapier herausgerissen worden und darauf stand: 
 

„Liebste Melissa. 

Ich verbringe Weihnachten bei meinen Eltern. Aber warte nicht auf mich, ich habe mich vorerst dazu entschieden, meinen Abschluss bei einem Privatlehrer zu machen. Verzeih, dass du es so erfährst. 

Draco."


Aber warum sollte er das tun? Sie zweifelte an der Wahrheit des Briefes. Nach all dem, was er ihr über seine Eltern erzählt hatte, hatte es so gewirkt, als würde Draco auf keinen Fall zurück nach Hause wollen. Was steckte nur dahinter? 

Aber warum nannte er Melissa „Liebste“? Er hatte ihr doch erklärt, dass er keinerlei Interesse an ihr hatte, was natürlich auch gelogen hätte sein können. Andererseits musste er der Slytherin gegenüber aber auch so gut es ging die Tarnung wahren …

Hatte Melissa vielleicht den Brief selbst geschrieben und so getan, als wäre er von Draco, um die Gryffindor zu verletzen? Hermine betrachtete kritisch den Pergamentfetzen. Nein, dies war eindeutig keine Mädchenschrift. Sie fuhr probeweise einmal mit dem Zauberstab darüber und murmelte etwas, doch es passierte nichts. Der Brief war also auch nicht in irgendeiner Art verzaubert worden.

Wenn sie also annehmen würde, dass das alles so stimmte, war er also direkt am Tag nach dem Weihnachtsball gegangen. Hermine fragte sich verletzt, warum er ihr dann nichts davon gesagt hatte. "Naja, du hast ihn am Abend stehen gelassen und bist direkt am nächsten Morgen zum Fuchsbau abgehauen", schallte eine niederträchtige Stimme durch ihren Kopf. Ein Schauer des schlechten Gewissens durchfuhr sie. Frustriert ließ sie ihren Kopf auf die Knie sinken. Vielleicht war es ihre Schuld, dass er beschlossen hatte zu gehen. 

Sie saß in Hagrids Hütte auf dem Boden. Er hatte sie gebeten auf den kleinen Kniesel aufzupassen, während er eine Klasse in der Pflege magischer Geschöpfe unterrichtete. Der Kleine kletterte unsicher auf ihren Schoß, reckte sich zu ihrem Gesicht hoch und stupste sie mit seiner feuchten Nase an. Lachend nahm sie das süße Fellknäuel in die Arme. Er war in kurzer Zeit viel gewachsen und hatte bereits beinahe die Größe einer ausgewachsenen Katze erreicht. 

Während sie versuchte, den aufgeweckten Kniesel unter Kontrolle zu halten, musste sie weiter über Draco nachdenken. Warum hatte er sich plötzlich dazu entschieden nach Hause zurück zu gehen? Wollte er versuchen sich mit seinem Vater wieder zu versöhnen? Plötzlich kam Hermine ein viel schlimmerer Gedanke: War wirklich alles nur gespielt gewesen, und jetzt, da sie seinen Kuss zurückgewiesen hatte, hatte er keine Lust mehr gehabt, sie an der Nase herumzuführen? 

Ihr kamen das Gespräch, das sie zwischen Melissa und Draco belauscht hatte, die warnenden Worte ihrer Freunde und ihre eigene anfängliche Skepsis wieder in den Sinn. Hatte er wirklich nur mit ihr gespielt? Tränen stiegen ihr in die Augen, als plötzlich die Tür der Hütte aufflog und Hagrid hineingestapft kam. Der Kniesel in ihren Armen sträubte sein Fell und versenkte seine Krallen in ihrem Arm. 

„Au!", rief Hermine und versuchte das Fellknäuel abzuschütteln. Schließlich kam Hagrid ihr zu Hilfe und nahm  das Tier hoch. Er zog mit seinen Krallen einige Fäden aus ihrem Pullover, bevor er endlich los ließ. 

„Der Kleine scheint dir ja ordentlich wehgetan zu haben", meinte Hagrid mit einem Blick in ihre wässerigen Augen. Schnell wischte sich Hermine mit ihrem Ärmel über die Lider. 

„Nein, ist schon gut, er hat sich ja nur erschreckt", sagte sie beschwichtigend. 

„Ich hoffe, er hat dir sonst keine Probleme gemacht", meinte Hagrid und lächelte entschuldigend. „Danke fürs Babysitten, Hermine." 

„Ach, nicht der Rede wert. Er war lieb, wie ein kleines Kätzchen", scherzte sie und meinte schließlich, „ich muss jetzt aber los, ich habe noch einige Hausaufgaben zu erledigen." Sie verabschiedete sich und stolperte in den Schnee hinaus.

Auf dem Rückweg zum Schloss beschloss Hermine noch schnell bei der Eulerei vorbeizuschauen, da Cole sich manchmal zu fein war ihr die Briefe morgens an den Tisch zu bringen. Also stapfte sie die unebenen Stufen zum windschiefen Turm hinauf und flüchtete sich vor dem ewigen Schneefall hinein. Sie sah sofort, dass Cole wieder einmal auf einem Brief saß, und ihr Herz hüpfte vor Freude. Geschickt lenkte sie die Eule mit einem Leckerchen ab und schnappte sich den Brief. Er war von Ron. Sie bemerkte, wie sich Enttäuschung in ihr breit machte. Insgeheim hatte sie auf einen erklärenden Brief von Draco gehofft. Missmutig riss sie den Umschlag auf und überflog den Inhalt.
 

„Mine,

bitte denk doch nochmal darüber nach, ja? Ich bin dir auch nicht böse, wenn du es wieder zurücknimmst. Ich bessere mich auch, versprochen!
Meine Arbeit beim Ministerium ist klasse und macht Spaß. Alle sind nett zu mir.

Dein Ron"


Es tat Hermine leid, dass sie Ron verletzt hatte. Aber ihre Gefühle hatten ihr keine Wahl gelassen. Ron war ihr Freund, genauso wie Harry. Nicht mehr und nicht weniger. Sie steckte den Brief ein und verließ die Eulerei.
 

~*~



Man hörte nur das Rascheln uralter Buchseiten und das fleißige Kratzen von Federn auf Pergament. Luna und Hermine saßen in der Bibliothek und arbeiteten an einem Aufsatz für Zaubertränke. Hermine hatte wie schon den ganzen Tag Probleme sich zu konzentrieren und starrte schon seit mehreren Minuten auf die gleiche Zeile ihres Aufsatzes, als sich Luna zu ihr hinüberbeugte und flüsterte: „Ich hab dir noch gar nicht erzählt, was auf dem Weihnachtsball passiert ist..." 

Mit einem Mal fühlte sich Hermine schlecht. Sie war so sehr mit sich beschäftigt gewesen, dass sie gar nicht an Neville und Luna gedacht hatte. Also rückte sie näher zu Luna und strich sich die Haare hinters Ohr, um besser verstehen zu können. Luna flüsterte ihr ins Ohr: „Ich habe ihn geküsst." 

„Was?!", rief Hermine überrascht und schlug sich gleich darauf die Hand vor den Mund. Irgendwo im Saal räusperte sich jemand überdeutlich. Luna presste ihren Zeigefinger gegen ihre Lippen und sah Hermine eindringlich an. Hermine nickte entschuldigend und bedeutete ihr weiterzureden. 

„Ich habe ihn geküsst", wiederholte Luna und fuhr dann fort, „aber ihm schien es nicht gefallen zu haben, denn er sah ziemlich wütend aus und ist gegangen." Hermines schlechtes Gewissen verstärkte sich. Ihre Freundin sah eindeutig niedergeschlagen aus und ihr war es nicht einmal aufgefallen. 

„Das tut mir aber Leid, dass das so gelaufen ist", wisperte Hermine zurück und legte der zierlichen Ravenclaw einen Arm um die Schultern. „Ich kann mir nicht erklären, warum Neville so reagiert hat." Luna nickte zustimmend an ihrer Schulter. 

Plötzlich hörten sie ein Geräusch hinter sich. Sie drehten sich langsam um und starrten in das verärgerte Gesicht von Mrs. Pince. 

„Entweder sind Sie jetzt leise oder Sie verlassen die Bibliothek!", sagte sie bestimmt. Die Freundinnen drehten sich wieder um, beugten sich über ihre Pergamentrollen und schrieben eifrig an ihren Aufsätzen weiter. Aufatmend bemerkten sie, wie sich Mrs. Pince wieder entfernte. Sie warfen sich vielsagende Blicke zu und wandten sich dann seufzend wieder ihrer Arbeit zu.
 

~*~



Zum Abendessen saß Hermine mit Ginny und Neville zusammen. Hermine stocherte lustlos in ihrem Essen herum. Ihre beiden Freunde tauschten besorgte Blicke. „Mine, sag endlich, was los ist. Ich seh‘ doch, dass irgendetwas nicht stimmt mit dir!", rief Ginny und Neville nickte zustimmend. 

„Du kannst uns nichts vormachen, Mine", meinte Neville und stupste sie in die Seite. 

Die Angesprochene sah auf und blickte in die treuen Gesichter ihrer besten Freunde, mit denen sie schon durch dick und dünn gegangen war. Schließlich seufzte sie ergeben und brummte: „Draco ist ohne ein Wort zu seinen Eltern verschwunden."

Ginny ließ die Gabel fallen und rief: „Was? Ich dachte, er will nichts mehr mit seinem Vater zu tun haben?" 

„Warum bist du so überrascht?", fragte Neville verächtlich. „Wir reden hier immerhin von Malfoy." 

„Er hat nur einer befreundeten Slytherin einen Zettel hinterlassen, auf dem steht, dass er seinen Abschluss zuhause mit einem Privatlehrer nachholen möchte und nicht hier in Hogwarts", erzählte Hermine. 

„Ach, mach dir nichts draus. Dachtest du wirklich, der hätte sich geändert?", meinte Neville nur und wandte sich wieder seinem Essen zu. 

„Ich dachte, ich wäre die Person, mit der er den engsten Kontakt hatte", erwiderte Hermine leise und gab das Essen schließlich auf. Ihr war der Appetit vergangen. 

Ginny runzelte die Stirn. „Da muss doch irgendwas faul sein. Ich weiß zwar nicht was, aber irgendetwas stimmt an der ganzen Geschichte nicht", murmelte sie nachdenklich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Hermine sich so an der Nase hätte herumführen lassen." 

„Vielleicht ja doch", seufzte Hermine resigniert. 

„Ja, aber wenn er sich mit dir einen schlechten Scherz erlaubt hätte, würde das doch nicht so unauffällig und ohne Pointe enden", fuhr Ginny unbeirrt fort. „Der Malfoy, den wir von damals kennen, hätte es laut und mit einem Knall enden lassen und dich so richtig vorgeführt." Darüber musste Hermine erst einmal stutzen. Ihre Freundin hatte Recht. Sehr viel weiter brachte es sie jedoch nicht. 

„Na, vielleicht kommt ja die große Überraschung erst noch", scherzte sie halbherzig. Vielleicht war es das Beste, Draco einfach zu vergessen. Plötzlich fiel der Gryffindor das Gespräch ein, das sie eben noch in der Bibliothek geführt hatten. Sie blickte zu Neville und musterte ihn prüfend. 

„Sag mal, Neville, wie fandest du eigentlich den Weihnachtsball?", fragte sie ihn lauernd. „Ich hab euch zwei gar nicht mehr gesehen später." 

Neville stieg unverzüglich die Röte ins Gesicht. „Gut", stammelte er und wich ihrem Blick aus. „Nichts Besonderes passiert. Haben etwas getanzt." 

„Schön", meinte Hermine und hakte weiter nach, „und wie findest du Luna? Magst du sie?" 

„Na-Natürlich", stotterte der arme Neville. „Sie ist eine gute Freundin." 

Bei diesen Worten stutzte Hermine, nun bereits zum zweiten Mal an diesem Abend. „Freundin?", fragte sie verdutzt. 

„Ja", meinte Neville nun verwirrt. „Sie ist doch von uns allen eine gute Freundin, oder nicht?" Hermine und Ginny stimmten zu. 

„Nun, aber du warst doch mit ihr auf einem Date? Was ist denn nun mit euch?“, quetschte die Brünette ihn weiter aus.

Der Angesprochene kratzte sich verlegen am Hinterkopf und versuchte zu erklären: „Ich … ich glaube, … sie ist wohl für mich einfach nicht mehr als eine Freundin … tut mir leid, Leute.“

Hermine nickte nachdenklich. Sie konnte ihn besser verstehen, als er es wahrscheinlich vermuten konnte. Schweigen legte sich über die Gruppe und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. 
 

~*~



Schließlich war es an der Zeit schlafen zu gehen und Hermine schlüpfte in ihr Bett. Sie ließ den Tag Revue passieren und schrieb ihre Erlebnisse in ihr Tagebuch. Als sie das Buch schließlich schloss und das Licht auf ihrem Nachttisch löschen wollte, wischte sie mit ihrem Arm etwas vom Tisch, sodass es auf dem Boden landete. Verwundert richtete sie sich im Bett auf und spähte hinunter auf die drei Pergamentzettel. Sie reckte sich und hob sie auf. Nachdenklich blickte sie auf die elegante Schrift von Draco. Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. 

Hermine sprang auf und kramte den Zettel mit Dracos Abschiedsbotschaft an Melissa aus ihrer Tasche. Dann ließ sie sich zurück aufs Bett sinken und hielt die Zettel nebeneinander unter die Nachttischlampe, um besser sehen zu können. Nun konnte sie es deutlich sehen: die Handschriften waren nicht identisch. Irgendjemand hatte sich für Draco ausgegeben und eine Abschiedsbotschaft geschrieben. Hermine fiel mit einem Mal das Gespräch mit Draco wieder ein, als er ihr verriet, dass ihn jemand beschattete und er seinen Vater hinter all dem vermutete - möglicherweise war er in Gefahr! Hermines Herz begann zu rasen: Wie konnte sie herausfinden, ob ihre Befürchtungen begründet waren? Hermine fasste einen Entschluss.

Der Mond hing hoch am Himmelszelt, halb verhangen von Wolken, und erhellte den sauberen Asphalt. Die Allee lag ruhig da, nur die Blätter der Hecken in den Vorgärten der vorstädtischen Herrenhäuser bewegten sich sanft im Wind. Mit einem leisen „Plopp" erschien wie aus dem Nichts eine dunkle Gestalt, die sich augenblicklich in den Schatten einer besonders hohen Mauer flüchtete, die den Besitzern des Grundstücks als Blickschutz zu dienen vermochte. 

Der Himmel zog sich weiter zu und die Szene verdunkelte sich unter ihnen. Nun beleuchteten nur noch die wenigen, schummrigen Straßenlaternen die Straße. Die Gestalt nutzte die Gelegenheit, um zum Ende der Straße zu huschen. Auf ihrem Weg gab es kaum Möglichkeiten sich ungesehen zu bewegen. Die prunkvollen Anwesen standen in großem Abstand voneinander entfernt. Zwischen ihnen befanden sich große parkähnliche Rasenflächen und die Bäume, die die Allee bildeten. 

Mit einem Mal brach der Himmel wieder auf und ließ das vermummte Gesicht kurz aufleuchten, bevor die Silhouette sich wieder in den Schatten eines Baumes duckte. Hermine schlich gegen die Wand eines Hauses gedrückt weiter. Sie hielt die Luft an und spähte um die Ecke in die nächste, abzweigende Straße. 

Es handelte sich um eine Art Landstraße, die an einer gepflegten Hecke entlang führte. Am Ende des langen Weges konnte Hermine ein riesiges Herrenhaus ausmachen, das vor Eitelkeit nur so stank. 

Sie rümpfte die Nase. Es war das Anwesen der Malfoys und Hermine schauderte bei der Erinnerung an das Erlebte in dieser Villa. Sie war damals im Haus der Malfoys von Bellatrix Lestrange gefoltert worden. Es war schrecklich gewesen. Sie hatte sich gewünscht einfach nur zu sterben. Hermine schüttelte die grausamen Gedanken ab. 

Dann nahm sie ihren Mut zusammen und wollte gerade auf die Landstraße treten, als sie hinter sich ein Geräusch vernahm. Die Gryffindor wirbelte mit gezücktem Zauberstab herum. Hinter einem der Alleebäume trat jemand mit beschwichtigend erhobenen Händen hervor. 

Es war Goldstein. 

„Was zum Teufel machst du denn hier?", flüsterte Hermine überrascht und senkte ihren Stab. 

„Na, meine Eltern wohnen hier", meinte Anthony schulterzuckend und kam zu ihr an die Mauer. 

„Hier in Wiltshire?", fragte sie verwundert und stutzte dann. „Aber es ist doch gerade Schulzeit-“

Weiter kam sie nicht, denn mit einer blitzschnellen Bewegung zog der Ravenclaw seinen Zauberstab und hielt ihn direkt an ihre Schläfe. 

Sie spürte wie Hitze von der Stelle ausging und sich schmerzhaft in ihrem Kopf ausbreitete. Verzweifelt versuchte sie sich zu bewegen, doch durch den Zauber schien sie bewegungsunfähig zu sein. Angsterfüllt starrte sie in Anthonys ausdrucksloses Gesicht, auf dem sich ein verzerrtes Grinsen ausbreitete. Wenige Sekunden später wurde es schwarz um sie herum.  
 

~*~



Ein kleines Mädchen rannte über einen Kiesweg. Schallendes Kinderlachen ertönte. Wo wollte es nur hin? Das weiße Kleidchen wehte im Wind. Weiß wie der Himmel, weiß wie der Boden, weiß wie die leeren Weiten. Plötzlich wurde es still. Das einzige Geräusch war das Knirschen des Kieses unter den zierlichen Kinderschuhen. Nach und nach verdunkelte sich die Szene. Die Atmosphäre kühlte merklich ab. Die Bewegungen des Kindes begannen sich zunehmend in Zeitlupe abzuspielen. Das Anwesen, auf das es zulief, kam stetig näher. Hermine wusste was als Nächstes geschah. Sie sah, wie das Mädchen das Gleichgewicht verlor und stolperte. Der Flug kam Hermine quälend lange vor, bis schließlich der kleine Körper auf dem Kies aufschlug. Doch anstelle des Knirschens des Kieses ertönte das metallische Geräusch eines zuschlagenden Gittertors. Die Szene kam zum Stillstand. Nur der Wind fegte noch immer erbarmungslos über den Boden. Hermine bewegte sich wie in Trance auf das liegende Mädchen zu. Sie wusste genau, wer es war. Sie hatte diesen Traum schon einmal geträumt. Alles in ihr sträubte sich, als sie sich, wie von fremder Hand gesteuert, hinkniete. Eine Windböe blies dem Kind das braune, lockige Haar aus dem schmutzigen Gesicht. Hermines Innerstes zog sich zusammen. Dort wo sich das Gesicht hätte befinden sollen, war eine leere Fläche. Allein die Erhebungen von Nasenrücken und Brauenknochen waren zu erkennen. Seitlich auf der großen, bleichen Fläche, die wohl die Schläfe darstellen sollte, hob sich ein kreisrunder, schwarzer Fleck ab, wie von einer Zauberstabspitze. Während Hermine entsetzt auf den Punkt starrte, begann dieser sich auszubreiten. Wie schwarze Farbe überzog er nach und nach unaufhaltsam den Kopf des Kindes und von dort schließlich über den Hals den gesamten Körper. 

„Mutige Gryffindor. Mutige, dumme Gryffindor", murmelte eine kratzige Stimme aus der Ferne. 
Hermine versuchte die Ausbreitung mit ihren Händen aufzuhalten, doch sie griff durch den Körper hindurch wie ein Geist. Hilfesuchend blickte sie auf - und erstarrte. 

Sie wusste nun, wo das Kind die ganze Zeit versucht hatte hinzulaufen.  Sie wusste nun, wovor man sie versucht hatte zu warnen. Das Anwesen, auf das es zugelaufen war, war Malfoy Manor. Mit einem Mal verschluckte sie die Dunkelheit.


Hermines Lider flatterten, als sie mit Mühe die Augen öffnete. Sie konnte im Halbdunkeln eine Reihe von Gitterstäben erkennen und es roch nach einer Mischung aus feuchtem Stein und Angstschweiß. Diesen Geruch würde sie nie vergessen. Hier hatte sie Bellatrix gefoltert. Sie befand sich also im Kerker des Malfoy Anwesens. Ihr Kopf brannte vor Kopfschmerzen. 

„Endlich. Du bist wach." 

Hermine zuckte zusammen und drehte ihren Kopf zur anderen Seite. Dicht an ihr saß Draco und lächelte sie müde an. Er lehnte mit dem Rücken gegen die kalte Steinwand. Hermine ruhte mit dem Oberkörper seitlich an seiner Brust und er hatte seine Arme und Beine schützend um sie geschlungen hatte. 

Durch Hermine strömte eine Welle der Erleichterung. Sie hob ihre Hände an Dracos Wangen und zog ihn näher zu sich, sodass sie ihre Stirn an die seine legen konnte. 

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht!", flüsterte sie mit zitternder Stimme und schloss erleichtert die Augen. Als sie die Lider schließlich wieder öffnete, sah sie in seine sanften Augen. Er lächelte wieder, hob eine Hand und strich ihr über die Wange. 

Hermine konnte ihren Blick nicht mehr von seinem abwenden. Zu viel Angst hatte sie, um ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen und zu riskieren, Draco wieder zu verlieren. Ihre Gesichter waren noch immer eng beieinander und Hermine sah, wie sich Dracos Blick auf ihren Mund senkte. 

Fasziniert beobachtete sie, wie er langsam näher kam und abwechselt in ihre Augen und auf ihre Lippen sah. Dabei glitt seine Hand von ihrer Wange in den Nacken. Den anderen Arm legte er um sie und zog sie so näher an sich. Hermine spürte bereits seinen warmen Atem, als er, kurz bevor sich ihre Lippen berühren konnten, innehielt, wie als würde er um ihre Erlaubnis bitten. 

Ohne zu zögern folgte sie dem Drang, der sich langsam in ihr aufgebaut hatte und schloss den Abstand zwischen ihren Mündern. Seine Lippen fanden die ihren und legten sich weich auf sie. Hermine seufzte und schmiegte sich näher an Draco. Ein wohltuendes, prickelndes Gefühl machte sich in ihr breit, als seine Lippen die ihren sanft liebkosten. Draco drückte sie liebevoll an sich. 

Als sie sich schließlich voneinander lösten, schaute Draco sie freudig überrascht an. Er wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu sagen, als sie ein Rascheln hörten. 

„Das ist ja herzallerliebst", spottete es aus der Dunkelheit von der anderen Seite der Gitterstäbe. Hermine fuhr erschrocken zusammen. Sie spürte, wie sich Dracos Muskeln anspannten. Die eingelassene Tür im Gitter öffnete sich kreischend und Rodolphus Lestrange trat ins morgendliche Sonnenlicht, das durch eine kleine Scharte in der Steinwand einfiel. 

Hermine zog scharf die Luft ein. Sie war davon ausgegangen, dass der Mann von Bellatrix schon längst vom Ministerium gefasst worden war. 

„Wenn das dein Vater wüsste ...", knurrte Rodolphus und kam näher, bis er vor ihnen stand. Er packte Hermine grob am Arm und schleuderte sie gegen die gegenüberliegende Wand. Sie stieß sich den Kopf an den harten Steinen und keuchte auf vor Schmerz. Doch sie riss sich zusammen und blickte zu Draco hinüber. 

Erst jetzt bemerkte sie, wie schwach er eigentlich aussah. Er hatte nicht die Kraft gehabt, sie bei sich zu halten und zu verteidigen. Sie entdeckte mehrere Blutergüsse und Schrammen auf seinen Armen und in seinem Gesicht. Seine Haare waren zerzaust und er sah gefährlich blass aus. Unbändige Wut stieg in Hermine auf, als ihr Bilder durch den Kopf schossen davon, was ihm wohl schon alles angetan wurde, seit er hier war. 

„Hast du denn keinen Stolz? Wie kannst du es wagen ein Schlammblut zu küssen?", schnarrte der Lestrange, richtete seinen Zauberstab auf Draco und rief: "Crucio!"

Der Slytherin krümmte sich zusammen, schloss die Augen vor Qual und stieß einen heiseren, markerschütternden Schrei aus. 

„Aufhören!", schrie Hermine flehend, doch Rodolphus beachtete sie nicht und genoss merklich die Wirkung des unverzeihlichen Fluches. 

Hilflos sah sie zu, wie Draco hellrotes Blut aus der Nase rann. 

Unter Schmerzen rappelte sie sich auf und warf sich mit voller Kraft gegen den ehemaligen Todesser. Dieser kam kurz aus dem Gleichgewicht, fing sich aber schnell wieder. 

Während Hermine zurücktaumelte, stellte sie erleichtert fest, dass der Fluch durch ihren körperlichen Einsatz unterbrochen wurde. 

„Törichtes Schlammblut", knurrte Rodolphus und strich sich die Haare unwirsch aus dem Gesicht. 

Bevor Hermine reagieren konnte, hatte er bereits seinen Zauberstab geschwungen. Durch ihren Körper zog ein unbeschreiblicher Schmerz. Sie knickte zusammen und landete zusammengerollt auf dem Steinboden. 

Ihre gesamte Welt bestand nur noch aus stechendem Schmerz. Sie konnte an nichts anderes mehr denken. Die Qual begleitete ein schriller Schrei. 

Rodolphus ließ seinen Stab sinken und kniete sich zu ihr hinunter. 

„Ich habe dich gewarnt, Schlammblut. Aber du wolltest ja nicht auf mich hören", zischte Lestrange. Hermine schaute irritiert drein. 

„Du hast es immer noch nicht verstanden, oder? Wohl doch nicht so schlau. Vielleicht hilft dir das ein wenig", raunte er boshaft und schwenkte erneut den Zauberstab. 

Sofort war der Schmerz wieder da. Hermine rollte sich zusammen und bemerkte, wie sie langsam ihr Bewusstsein verlor. Kurz bevor sie ohnmächtig wurde, endete der Schmerz.

„Ich gebe dir einen Tipp, Hermine", rief Rodolphus und stand auf. „Ich war es, der dich aus dem Schneesturm gerettet hat, als du dir den Knöchel verletzt hattest." 

Hermine riss geschockt die Augen auf. „V...Vielsafttrank", krächzte sie schwach. „Wo ist er? Was habt ihr mit ihm gemacht?" 

Rodolphus blickte auf sie hinab und begann trocken zu lachen. Er hob seinen Arm, deutete mit seinem Stab durch die Gitter in die Nachbarzelle und sendete einen Lichtzauber ins Dunkel. Die Umrisse einer Person wurden deutlich. 

Es war Anthony. 

Er lag auf dem Boden und ein feines Rinnsal getrockneten Blutes klebte an seinem bleichen Mund. Seine Augen waren unnatürlich weit nach oben verdreht und er rührte sich nicht – Anthony Goldstein war tot. 

Hermine keuchte auf bei dem Anblick. Unbändige Wut und Trauer stiegen in ihr auf. „Ihr grausamen Schweine!", rief sie zornig. 

„Schweig!", brüllte Rodolphus und richtete erneut seinen Zauberstab auf sie.

Zitternd kauerte sie sich zusammen und wartete auf den Schmerz. 

Doch er kam nicht. 

Stattdessen hörte sie neben sich einen dumpfen Aufschlag. Vorsichtig hob Hermine den Kopf. Vor ihr auf den Steinen lag regungslos Rodolphus. Langsam setzte sie sich auf und kroch zu Draco. 

„Alles in Ordnung? Wie hast du das gemacht?", fragte sie verwundert und half ihm sich aufzusetzen. 

„Das war ich nicht, Hermine", raunte Draco mit rauer Stimme. 

Plötzlich vernahmen sie ein Knacken hinter dem Gitter. Hermine wirbelte herum. Aus dem Schatten traten mit gezückten Zauberstäben hintereinander Harry, Ron, Neville und Ginny. 

„Mine!", rief Ginny, stürzte auf ihre Freundin zu und umarmte sie fest. 

„Ginny, du musst leiser sein, bei Merlin!", zischte Ron seiner Schwester zu und blickte ängstlich über seine Schulter. 

„Was tut ihr denn alle hier?", flüsterte Hermine und hätte vor Erleichterung weinen wollen. 

Ginny löste sich von Hermine und hielt sie eine Armlänge auf Abstand, um sie forschend zu mustern. 

„Ich habe mir Sorgen gemacht nach unserer Unterhaltung gestern. Und als ich heute aufgewacht bin, warst du nicht mehr da", erklärte die Rothaarige mit gedämpfter Stimme. „Und dann habe ich den Zettel von Draco auf deinem Bett gefunden. Der hat mich schließlich hergeführt." 

Hermine musste lächeln. „Danke, dass ihr hier seid", raunte sie leise. Dann wandte sie sich Draco zu und zog ihn auf die Beine. Sie musste ihn stützen, damit er nicht sofort wieder einknickte. Sie legte ihm kurzerhand eine Hand um seine Taille und zog ihn an sich, um ihn besser halten zu können. 

Als sie aufsah, traf ihr Blick den von Ron. Seine Augen pendelten zwischen ihr und Draco hin und her. Entgeistert starrte er sie an. Ginny und Harry tauschten vielsagende Blicke. Eine Minute herrschte unangenehmes Schweigen.

„Wir müssen hier so schnell wie möglich raus!", drängte Ron schließlich, nachdem er aus seiner Schockstarre erwacht war. Er drehte sich steif um und ging voraus. Ginny reichte Hermine Rodolphus Zauberstab und ihre Freundin nickte ihr dankbar zu. 

Die kleine Gruppe folgte Ronald den kurzen, dunklen Korridor entlang. Links und rechts gingen jeweils weitere Einzelzellen ab. Hermine wollte sich nicht vorstellen, was hier unten bereits für schreckliche Dinge passiert waren. Sie stießen kurz darauf auf eine steinerne Treppe, die bis unter die Decke führte und dort im kalten Gestein endete. 

An der Steinwand befand sich ein Kettenmechanismus, den Harry rasch bediente. Beinahe lautlos schob sich ein Teil der Decke zur Seite und legte eine Öffnung frei. Draco beugte sich zu Hermines Ohr hinunter. 

„Danke, Hermine, ich komme jetzt alleine klar", flüsterte er, drückte kurz ihren Arm und machte sich dann von ihr los. Er bedeutete den Anderen stumm, dass er nun die Führung übernahm. Alle nickten zustimmend. Schließlich kannte sich Draco hier am besten aus. 

Besorgt beobachtete Hermine, wie Draco langsam, sich mit einer Hand vor Schwäche an der Wand abstützend, die Treppe hinaufschlich. Vorsichtig lugte er über die Kante und gab kurz darauf ein Handzeichen, dass sie ihm folgen sollten. 

Als Hermine aus der Öffnung trat, befand sie sich in einer großen Eingangshalle. Am einen Ende des Raumes war eine imposante, breite Treppe, die zunächst hinaufführte und sich dann nach links und rechts aufspaltete. 

Der obere Teil der Halle bestand also auf beiden Seiten aus jeweils einem Gang mit Geländer, von dem Türen abgingen. Die Balustrade wurde von Säulen im römischen Stil gestützt. Ein großes Buntglasfenster zierte die hohe Wand über der Treppe und warf Licht auf die Couchlandschaft und die teuren Teppiche. Hier empfingen die Malfoys vermutlich ihre Gäste. Hermine rümpfte instinktiv die Nase vor so viel Prunk. 

Der Slytherin hatte sich hinter eine lange Couch gekniet. Als alle hinter ihm waren, deutete er durch den Raum. Hermines Blick folgte der Richtung und da entdeckte sie am anderen Ende der Halle die Tür zur Freiheit. Dies war ihr Ziel. 

Einer nach dem anderen folgte Draco in geduckter Haltung durch den Schatten der Möbel. 

Plötzlich vernahm Hermine ein leises Lachen. Verwirrt drehte sie sich zu ihren Freunden um, doch die schauten sie genauso verunsichert an. Als Nächstes schlug knapp neben ihrem Kopf ein Fluch in der Wand ein. Reflexartig suchte jeder Deckung hinter Möbelstücken und Säulen. Putz bröckelte auf den Boden und eine Staubwolke umhüllte sie.

Das Lachen wurde lauter. „Heute muss mein Glückstag sein", sagte eine kalte, leise Stimme. „Ich hatte nur mit dem Schlammblut gerechnet, doch siehe da - die Truppe ist sogar komplett." 

Erneut ertönte ein unterdrücktes Kichern. 

Hermine, die sich an eine Säule presste, versuchte die Position der Person auditiv zu erfassen, jedoch war die Halle so groß, dass es zu sehr schallte, um eine Geräuschquelle genau ausmachen zu können. 

Ein weiterer Fluch bohrte sich durch den Sessel, hinter dem Ginny kauerte, verfehlte sein eigentliches Ziel aber. Federn platzten aus den Kissen hervor und regneten auf sie nieder. 

Doch Hermine hatte die Fluglinie des Zaubers gesehen und wusste so, woher dieser kam. Oben auf der Balustrade stand Lucius Malfoy mit erhobenem Kopf und diabolischem Grinsen. 

„Wie praktisch", fuhr Lucius fort, „sogar Potter ist hier. Der Junge, der zweimal überlebte. Unverdient." 

Auch Hermines Freunde hatten mittlerweile den Übeltäter gesichtet. 

„Wer hätte gedacht, dass es so einfach werden würde, meinen Meister zu rächen?", fragte Dracos Vater in den Raum hinein, ohne eine Antwort zu erwarten. 

Mit einem Mal feuerte Harry aus seiner Deckung einen Fluch in Richtung Lucius. Ohne jede Mühe wehrte dieser jedoch den Angriff ab und schlenderte die Treppe zu ihnen hinab. 

„Wer hätte gedacht, dass mein nichtsnutziger, verweichlichter Sohn doch noch zu etwas gut ist?", lachte Lucius höhnisch und blieb schließlich an der gegenüberliegenden Wand von ihnen stehen - den Zauberstab im Anschlag. 

Doch sein heiterer Gesichtsausdruck änderte sich nun schlagartig. 

„Ich wusste ja, dass du ein Ausreißer bist, aber wie kannst du es wagen, dich mit der anderen Seite zu verbünden?", zischte Mr. Malfoy kalt. „Hast du vergessen, wem du dich verpflichtet hast?", schrie er, riss seinen Ärmel hoch und zeigte sein verblichenes Dunkles Mal. In seinem Blick lag ein irrer Ausdruck. 

Draco zog sich an der Lehne des Sessels hoch, hinter dem er bisher Schutz gesucht hatte und begann beschwichtigend: „Vater, lass uns doch bitte-". 

Doch weiter kam er nicht. Lucius hatte seinen Zauberstab auf ihn gerichtet und rief: „Crucio!" 

Im selben Moment stürzte sich jemand von der Balustrade auf Lucius. 

„Nicht mein Sohn!", kreischte die abgemagerte Person und zerkratzte ihm das Gesicht. Lucius schrie vor Schmerz und Überraschung auf, gewann jedoch schnell die Oberhand und schlug der Gestalt mit voller Kraft gegen den Schädel. Die Frau sackte in sich zusammen und blieb regungslos am Boden liegen. 

Hermine erkannte in der mageren Frauengestalt Narzissa Malfoy. 

Mit vor Schreck geweiteten Augen hatten die Freunde die Szene beobachtet. Aus dem Augenwinkel erkannte Hermine, wie Neville sich aus der Starre löste, den Augenblick der Verwirrung nutzte, aus seiner Deckung sprang und einen Fluch auf Lucius feuerte. Der Zauber streifte den Arm des Todessers und hinterließ eine Wunde. 

„Elendiger...", knurrte der Zauberer und schleuderte blitzschnell einen Fluch zurück. Auf seinem Weg durch die Luft teilte sich der Fluch auf und verdoppelte sich bei jeder Teilung. Neville stand in freiem Schussfeld, schaffte es gerade noch einen Schildzauber zu wirken, wurde jedoch von einem Querschläger getroffen. 

Er sackte zusammen und hielt mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Oberschenkel, auf dem eine klaffende Fleischwunde zurückgeblieben war. Seinen Zauberstab hatte er dabei fallengelassen und dieser lag nun außerhalb seiner Reichweite. 

Gnadenlos setzte Lucius zum nächsten Fluch an, zum endgültigen Schlag. Ohne zu zögern rollte sich Draco hinter dem Sofa hervor, packte Neville und wirkte einen stablosen Zauber. Um sie bildete sich eine transparente Kugel, die sich in Bewegung setzte und sie sicher hinter das nächste Regal rollte. 

Der unverzeihliche Todesfluch schlug nur knapp neben ihnen ein. In Rage feuerte Mr. Malfoy einen Fluch nach dem anderen gegen die Deckung seines Sohnes und schrie: „Du dreckiges Balg! Wenn ich dich in die Finger bekomme ...!" 

Hermine nutzte den Moment, lugte kurz hinter ihrer Deckung hervor und schleuderte einen Fluch auf Lucius. Tatsächlich traf sie ihn und er wurde in hohem Bogen hinter eine Kommode geschleudert. 

Stille senkte sich über die imposante Halle.

Hermine drückte sich an den kalten Stein und warf ihren Freunden einen triumphierenden Blick zu. Das Blut rauschte in ihren Ohren.  

„Ich werde mal nachsehen, ihr bleibt hier", raunte Harry und erhob sich. Er war gerade zwei Schritte gegangen, als Lucius hinter einem Schrank hervorsprang. 

Anscheinend hatte er unbemerkt die Deckung gewechselt und war hinter einigen Möbelstücken zum Schrank geschlichen. 

Blitzschnell schwang er seinen Stab und rief: „Avada Kedavra!". 

Wie in Zeitlupe musste Hermine hilflos zusehen, wie der Fluch durch den Raum auf Harry zuflog. 

„Harry!", schrie sie, um ihn zu warnen. 

Doch Harry stand mit dem Rücken zu Lucius und hatte keine Zeit mehr zu handeln. 

Plötzlich sprang Ginny an Hermine vorbei, stürzte sich vor Harry und hob schützend ihre Arme vors Gesicht. 

„Ginny, nein!", brüllte Ron verzweifelt. 

Doch mit einem Mal fing Ginnys Handgelenk an zu leuchten und ein transparentes, golden schimmerndes Schild generierte sich um das Paar, gerade im rechten Moment, um den Fluch abzufangen. Der grünliche Fluch verpuffte mit einem sirrenden Geräusch an der Oberfläche. 

Verblüfft beobachtete Hermine, wie das Leuchten immer stärker wurde und versuchte zu erkennen, was vor sich ging. 

Es war das kleine Vögelchen an Ginnys Armband, dass Hermine ihr geschenkt hatte. Man konnte beobachten, wie es anfing sich zu verformen und plötzlich brach ein riesiger, anmutiger Phönix aus goldenem Licht aus dem Anhänger hervor. 

Ehrfürchtig sahen die Freunde zu, wie das Tier elegant eine Runde durch den Raum segelte und sich dann durch die Säulen hindurch auf Lucius stürzte. Dieser stieß noch einen überraschten Schrei aus, bevor der Phönix wie ein Geist durch ihn hindurch flog. Lucius brach auf der Stelle zusammen. 

Ron rannte mit auf Lucius gerichteten Zauberstab hinter seiner Deckung hervor und hob dessen Stab vom Boden auf. Dann bückte er sich zu Lucius hinunter, um ihn zu untersuchen. Derweil war die Lichtgestalt sanft vor Ginny zu Boden gekommen. Der Phönix schüttelte stolz sein Gefieder und sah ihr in die Augen. Dann stieß er einen hellen, melodischen Ton aus, breitete seine Flügel aus und ging in Flammen auf. 

Hermine eilte sofort zu Neville hinüber. „Wie geht es deinem Bein?", fragte sie besorgt und hockte sich neben ihm auf den Boden. 

„Es geht schon, Mine", antwortete er tapfer, biss seine Zähne zusammen und lächelte gequält.

Die Gryffindor begutachtete die tiefe Fleischwunde. Dann hielt sie die Hände über die Verletzung und murmelte leise einige Wund- und Heilzauber. Ihre Finger leuchteten auf, als das hellrote Blut, das eben noch an Nevilles Bein hinabgelaufen war, zu gerinnen begann. Sie schaffte es zwar nicht die Wunde zu schließen, jedoch hatte sie die Blutung stillen können. 

„Du hattest Glück“, meinte Hermine schließlich an ihren Freund gewandt. „Es hätte ein weitaus schlimmerer Fluch sein können als dieser.“ Schaudernd dachte sie an die Auswirkungen des Sectumsempra-Fluchs. 

Dann riss sie sich aus ihren Gedanken und blickte ruckartig auf. „Neville, wo ist Draco?“, fragte sie irritiert. Er war doch während des Kampfes direkt neben dem Gryffindor gewesen. 

„Der ist noch bevor ihr den alten Malfoy erwischt habt hinter der Deckung entlang weggeschlichen“, meinte Neville und gestikulierte, vorsichtig sich nicht zu viel zu bewegen, hinter sich. 

Stirnrunzelnd erhob sich Hermine. Sie taumelte kurz und wischte sich, als sie sich wieder gefangen hatte, den Schweiß von der Stirn. Die Heilzauber hatten sie viel Kraft gekostet, ganz abgesehen davon, dass sie erst vor kurzem noch von einem ehemaligen Todesser gefoltert wurde. 

Sie ließ den Blick über das Chaos in dem großen Raum schweifen. Umgestoßene und zertrümmerte Holzkommoden, zerfetzte, am Boden liegende Bücher und aus den Steinsäulen geschlagene Stücke waren in der ganzen Halle verteilt. Schließlich blieben ihre Augen an einem hellblonden Haarschopf hängen.

Sich auf quer liegende Stühle und zerstörte Antikmöbel stützend durchquerte sie den Raum. Sie umrundete eine auf der Seite liegende Couch und erstarrte. Dahinter kauerte Draco über seiner Mutter. Seine Schultern wurden von Schluchzern geschüttelt. 

Hermine riss sich los, ließ sich neben ihm auf die Knie fallen und prüfte die Vitalwerte der blonden Frau. Sie hatte das Schlimmste erwartet, doch Mrs Malfoy war nur bewusstlos, jedoch hatte sie eine schwere Kopfverletzung. Die Gryffindor bemerkte, dass Draco die Wunde bereits so gut es ging behandelt hatte.

„Draco“, begann die Brünette mit Nachdruck und nahm seine Hand, „sie ist nur bewusstlos, wir können ihr helfen. Lass sie uns ins Sankt Mungos bringen!“ Der Slytherin sah mit tränenüberströmtem Gesicht auf, nickte aber entschlossen. 

Die beiden positionierten sich an beiden Seiten der Älteren und nahmen jeder fest einen Arm in die Hand. Hermine warf einen Blick durch den Raum. Ginny und Ron hatten das gleiche mit Neville gemacht. Die beiden nickten ihrer Freundin zu und kurz darauf war die Dreiergruppe mit einem ‚Plopp‘ verschwunden.  

„Los geht’s“, meinte die Gryffindor dann an Draco gewandt und schloss daraufhin die Augen. Und schon verspürte sie das vertraute Gefühl, als würde sie durch einen Schlauch gedrückt werden.
 

~*~



Hermine ließ sich auf einem Stuhl neben Draco nieder. Sie saßen im Sankt-Mungo-Hospital am Bett seiner noch immer bewusstlosen Mutter. Die Heiler  hatten sie bereits versorgt. Man hatte ihnen mitgeteilt, dass sie zumindest äußerlich weitgehend gesund war. 

Draco sah abrupt auf, als hätte er erst jetzt bemerkt, dass sie neben ihm war und nahm sie bei der Hand. Dann zog er sie zu sich und schloss sie in die Arme. 

„Draco, ich-", begann Hermine überrascht, doch sie wurde von ihm unterbrochen. 

„Zum Glück ist dir nichts passiert", murmelte Draco, während er sein Gesicht in ihren Haaren vergrub. 

Wärme breitete sich in Hermine aus und sie spürte, wie endlich alle Anspannung von ihr abfiel. Sie sah über Dracos Schulter hinweg, wie Narzissas Augenlieder flatterten und sich schließlich öffneten. 

„Draco, sieh‘ doch, deine Mutter!“, rief sie und drückte seine Arme. Er schnellte herum und nahm Narzissas Hand.

„Mutter!“, rief er erstickt. Besorgt bemerkte Hermine, dass in seinen Augen erneut Tränen glitzerten. Sie legte ihm eine Hand auf seine Schulter. Es ärgerte sie, doch mehr als diese Geste des Beistands, konnte sie momentan nicht für ihn tun.

Auf Narzissas Gesicht breitete sich ein erschöpftes Lächeln aus. „Mein liebster Sohn“, flüsterte sie und ihre Hand hob sich zur Wange ihres Sprößlings. „Dir geht es gut, ja?“

Draco nickte. Hermine drückte den Arm des Slytherin, als sie sah, wie seine Lippen bebten. Er hob seine Hand und legte sie zitternd auf die ihre.    

„Sag, mein Schatz, wen hast du da mitgebracht?“, fragte die Blonde und ihr Blick glitt zu der Gryffindor. Sie sprach etwas schleppend und nichts deutete auf die energische Frau hin, die sie einst war. Ihr Gesichtsausdruck blieb freundlich, wirkte jedoch wie benebelt. 

„Das … Das ist Hermine, Mutter“, antwortete ihr Sohn heiser. 

„Hermine. Der Name kommt mir bekannt vor“, meinte Narzissa und blickte nachdenklich der Brünetten ins Gesicht. Dann wanderte ihr Blick zu Hermines Hand, die immer noch unter Dracos lag. Die Gryffindor erwartete Zorn in den Augen von Mrs Malfoy zu finden, doch plötzlich entfuhr Dracos Mutter ein kindliches Lachen.

„Was für ein liebes Mädchen und sie mag dich sehr, das sehe ich ihr an“, lächelte sie, schaute dann wieder zu ihrem Sohn und raunte mit Nachdruck: „Du musst sie festhalten, sie tut dir gut!“ Wieder lachte sie ein helles Lachen.

„Ja, Mutter“, sagte Draco und eine vereinzelte Träne rann ihm die Wange hinab.

„Festhalten … festhalten … musst du sie“, flüsterte die Ältere wiederholt und ihre Augen vernebelten sich mehr. 

„Mutter!“ Der Blonde richtete sich auf und zog die schlaff gewordene Hand seiner Mutter zu sich. „Ich lass dich nie wieder alleine, ich verspreche es dir“, presste Draco schmerzlich hervor.  

Doch die Angesprochene starrte nur in die Ferne und murmelte unverständlich vor sich hin. 

Der Slytherin ließ entkräftet seinen Kopf auf die Brust sacken. Er hatte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Es schmerzte Hermine ihn so zu sehen. Sie betrachtete sein fahles, schmutziges Gesicht. 

„Komm, ich helfe dir zum Waschbecken, dann kannst du dein Gesicht waschen“, schlug die Gryffindor vor. Draco nickte erneut nur willenlos. Sie stand auf und wartete bis der Blonde es ihr gleich tat, doch er schwankte gefährlich, als er sich erhob. Schnell legte sie ihm einen Arm um und stütze ihn.

Als er am Becken den Schmutz von seinen Wangen wusch, fuhr Hermine ihm liebevoll durch sein zerstrubbeltes Haar. „Hast du noch Schmerzen?“, fragte sie ihn fürsorglich. Er nahm ihr das Handtuch ab und bedeckte sein Gesicht damit.

Dann nickte er. „Und wo?“, hakte die Gryffindor nach. 

„Überall“, kam es nach kurzem Zögern gedämpft durch das Tuch. Hermine trat an den Tränkeschrank und holte einige einfache Heil- und Wohlseinstränke heraus. Sie nahm Draco das nasse Handtuch ab, führte ihn zurück zum Stuhl und reichte ihm die Phiolen. Ohne zu zögern kippte er den Inhalt hinunter. 

Die Gryffindor nahm die leeren Glasgefäße entgegen und wandte sich gerade um, um diese wegzubringen, als sie am Arm gezogen und wieder herumgedreht wurde. 

Draco schlang seine Arme um ihre Taille und legte seinen Kopf gegen ihren Bauch. Verblüfft schaute Hermine auf seinen Haarschopf hinab. 

„Bitte bleib‘ noch ein bisschen hier“, murmelte er mit brüchiger Stimme gegen ihren Bauchnabel. Sie stellte die Phiolen auf den Nachttisch und strich dem Slytherin sanft über Kopf und Nacken. Dann beugte sie sich herunter und drückte ihm einen Kuss aufs Haar.

Sie blickte wieder auf und begegnete den blassblauen Augen Narzissas. Dracos Mutter lächelte sie seelig an. 
 

~*~



Kurze Zeit später betrat Hermine das Krankenzimmer von Neville. „Das Ministerium ist informiert. Meine Kollegen haben das Anwesen bereits gesichert", erklärte Harry gerade, der mit Ginny zusammen am Krankenbett stand. Ron saß auf einem Stuhl nahe dem Fenster.

Die Brünette lief zu ihren Freunden und schloss das Pärchen in die Arme. „Ich hatte solche Angst um euch!", sagte sie und Tränen brannten in ihren braunen Augen. 

Ginny lächelte sie erleichtert an und hielt ihr dann das Armband unter die Nase. „Sieh nur, Mine, das Vögelchen!", zeigte ihr die Rothaarige aufgeregt. 

Der Anhänger, der zuvor wie lebendig gewesen war, war nun in der Bewegung erstarrt. Der goldene Vogel hatte seine Flügel ausgebreitet und seinen Schnabel wie zu einem Schrei weit aufgerissen. 

„Es hat sich für dich geopfert", meinte Hermine fasziniert. „Es hat dir das Leben gerettet." Und mit einem Mal erinnerte sich die Gryffindor an die Worte von Mister Marvin. 

„Der Juwelier meinte zu mir, dass der Anhänger Unheil abwenden kann“, teilte sie die Erinnerung mit ihren Freunden. 

„Ginny", unterbrach Harrys raue Stimme Hermine. „Wie kannst du dich nur vor mich werfen? Ich will nicht noch jemanden verlieren!" Der Dunkelhaarige zog seine Freundin in eine enge Umarmung und verbarg sein Gesicht in ihrem Haar. 

Bei diesem Anblick entschied Hermine das Paar fürs Erste in Ruhe zu lassen und trat zu Neville ans Krankenbett.

„Wie geht es dir?“, fragte sie und musterte ihren blassen Freund. Dieser lächelte und meinte: „Schon viel besser. Die Ärzte haben gesagt, dass die Verletzung nicht allzu schlimm ist.“

Erleichtert grinste Hermine zurück. Da öffnete sich die Tür und Draco trat unsicher ein. Seine Augen waren noch immer leicht gerötet, doch er machte insgesamt einen gefassten Eindruck. Auch sein Gesicht wirkte nicht mehr ganz so fahl, doch sein Gang war noch immer etwas wackelig.  

Zu Hermines Überraschung ging Harry auf ihn zu und sagte: „Gute Arbeit, Draco. Ohne dich wäre Neville jetzt sicher … tot." Bedrückende Stille trat ein. 

„Ich habe nur das Richtige getan", erwiderte der Slytherin und Harry nickte daraufhin nur. Dann schritt der Blonde durch den Raum auf Longbottom zu und fragte ihn nach seinem Wohlergehen.

Hermines Blick schweifte zu Ron, der mürrisch aus dem Fenster starrte. 
„Gib‘ ihm Zeit. Es ist nicht leicht für ihn“, meinte Harry mit gesenkter Stimme, tauschte einen Blick mit Ginny aus und fügte hinzu: „Für uns alle nicht.“
 

~*~



„Halt still, ich will dir nicht wehtun", murmelte Hermine konzentriert und tupfte mit einem getränkten Wattebausch über einen Schnitt in Dracos Gesicht. Sie befanden sich in Dracos Zimmer und er saß auf der Bettkante. 

Hermine stand leicht hinuntergebeugt vor ihm und behandelte seine Wunden. 

Sie waren, nachdem sie Neville und Narzissa Malfoy ins Krankenhaus appariert hatten, im Ministerium befragt worden. 

Lucius wurde vorerst nach Askaban gebracht. Seine Anhörung sollte in einer Woche stattfinden, jedoch teilten die Auroren ihnen mit, dass er keine Chance haben würde, sich gegen die Anklagen durchzusetzen. Er und auch Rodolphus Lestrange würden vermutlich zu lebenslänglicher Haft verurteilt werden. 

Anthonys Leiche war ebenfalls geborgen worden. Das Datum der Beerdigung würde innerhalb der nächsten Tage bekannt gegeben werden. 

Danach waren sie zurück nach Hogwarts appariert, wo Madame Pomfrey Draco untersucht hatte und schließlich Hermine mit der Wundbehandlung beauftragt hatte. Da im Schloss eine schlimme Grippewelle in dieser kalten Jahreszeit ausgebrochen war, hatte sie besseres zu tun, als sich um Wunddesinfektion zu kümmern. 

„Erinnert dich das an was?", fragte Draco verschmitzt und blickte ihr in die Augen. 

Hermine war so konzentriert gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie nah ihre Gesichter waren. In ihr breitete sich das Gefühl eines Déjà-vus aus und plötzlich erinnerte sie sich daran, wie sie Draco genauso behandelt hatte, als ihm wegen ihr der Trank ins Gesicht gespritzt war. 

Sofort errötete sie. 

Draco grinste, als er sah, wie sie sich erinnerte, und zog sie auf seinen Schoß.
Empört sah sie zu ihm auf, er war wohl durch die Aufputschtränke ein wenig übermütig geworden. Doch plötzlich fiel ihr Blick auf den Anfang eines schmalen, roten Mals, das an Dracos Hals begann und unter seinem T-Shirt verschwand. 

Stirnrunzelnd hob sie den Saum an, um einen Blick darunter zu werfen und erstarrte. Mit zitternden Händen begann sie sein T-Shirt hochzuziehen. 

„Oh Hermine, warum plötzlich so stürmisch?", lachte Draco und ließ sich von ihr das Oberteil über dem Kopf ziehen. Hermines Augen weiteten sich. 

„Was haben sie dir angetan?", flüsterte sie. Über seinen gesamten Oberkörper verteilt waren dieselben langen, dunklen Male. Vorsichtig fuhr sie mit dem Finger darüber und Draco zuckte bei einigen frischeren Wunden merklich zusammen. „Sind das Narben von Peitschenhieben?", fragte Hermine tonlos und ihre Augen füllten sich mit Tränen. 

„Ein Fluch mit dieser Wirkung. Ja", antwortete Draco ruhig. Er hob seine Hand an ihr Kinn und zwang sie so ihm ins Gesicht zu schauen. Seine blauen Augen waren sanft und er wischte mit der anderen Hand eine Träne von ihrer Wange. „Hermine, es ist vorbei und wir leben", raunte er und lächelte sie an. 

Sie schloss die Augen und genoss die Berührung seiner Hand, die sich an ihre Wange legte. Dann zog er ihr Gesicht zu sich und küsste sie. 

Sie lehnte sich vorsichtig, aus Angst im wehzutun, an ihn, doch Dracos Hände legten sich auf ihren Rücken und drückten sie fest an sich. Ihr Kuss wurde leidenschaftlicher, seine Lippen fordernder und Hermine spürte, wie Dracos Hand unter ihren Pullover wanderte. In ihr breitete sich ein aufregendes, warmes Gefühl aus. 
Dracos Hand fuhr weiter nach oben und zog dabei ihr Oberteil mit sich. Schließlich hob er es über ihren Kopf. 

„Aber ...", protestierte Hermine, doch Draco legte seinen Finger an ihre Lippen. Er zog sie wieder an sich und strich ihr die Haare hinters Ohr, sodass ihr Hals frei lag. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und liebkoste ihr Ohrläppchen. 

„Jetzt sind wir quitt", raunte er ihr ins Ohr und strich ihr über den Bauch, in dem eine ganze Horde Schmetterlinge ihr Unwesen zu treiben schien. Reflexartig neigte Hermine ihren Kopf zur Seite, als Draco mit seinem Mund ihren Hals hinab wanderte und sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut, als sie bemerkte, wie sie sich mehr und mehr entspannte. Als er bei ihrem Schlüsselbein angekommen war, seufzte sie wohlig. 

Sie fühlte noch, wie sich Dracos Mund zu einem verschmitzten Lächeln verzog, dann ließ er sich mit ihr rücklings aufs Bett fallen. Ein Wisch seines Zauberstabs und die Vorhänge seines Himmelbetts wurden wie von Zauberhand zugezogen …

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Autor

LaylaMalfoys Profilbild LaylaMalfoy

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Kapitel: 8
Sätze: 2.851
Wörter: 36.523
Zeichen: 215.829

Kurzbeschreibung

Hermine hatte sich eigentlich nur gewünscht, die Weihnachtsferien gemütlich und ohne Ablenkung durch ihren besten Freund Harry und ihren Freund Ron in der Bibliothek von Hogwarts zu verbringen. Doch dabei wird sie unverschämterweise von einem altbekannten "Freund" unterbrochen und so nimmt das Schicksal seinen Lauf ... ~DM x HG~

Kategorisierung

Diese Fanfiction wurde mit (romantische) Beziehungsentwicklung, Abenteuer und Dramione (Pairing) getaggt.