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Yuki und Yûki

117
21.06.20 00:30
16 Ab 16 Jahren
Homosexualität
Fertiggestellt

4 Charaktere

Bakura (Thief King)

Ein Dieb im alten Ägypten, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Pharao und seine Gefolgsleute für ihre Verbrechen zu bestrafen. Sein Heimatdorf wurde von den Soldten des damaligen Pharaos zerstört und außer ihm gibt es keine Überlebenden.

Ryo Bakura

Ryo Bakura ist ein unscheinbarer Junge, der von seinem Vater den Mileniums Ring geschenkt bekommt, in dem ein böser Rachegeist eingesperrt ist, der besitz von ihm ergreift und somit in einige gefährliche Situationen bringt.

Marik Ishtar

Marik ist ein Grabwächter und Besitzer des Milienium Stabs. Auf Grund von Umständen entwickelt er eine wahnsinnige zweite Persönlichkeit, die aber im Laufe der Geschichte bezwingen kann. Er ist zudem ein guter Duellant.

Yuugi Mutou / Yugi Muto

Träger des Millenium Puzzles, erlebt gemeinsam mit seinen Freunden Jônouchi Katsuya/Joey Wheeler, Honda Hiroto/Tristan Taylor und Anzu Mazaki/Téa Gardner dank dem beliebten Kartenspiel "Duel Monsters" einige Abenteuer. Er versucht, dem Geist des Puzzles dabei zu helfen, seine Erinnerungen wieder zurück zu erlangen.
Das Haar, so weiß wie der Schnee.
Die Haut so hell, wie die Flocken, die vom Himmel fallen.
Das Haar, so weiß wie der Schnee.
Die Haut so dunkel, dass man sie im Schneestrum nicht verlor.
Ein perfektes Team.


Leise fielen die weißen, kalten Schneeflocken vom dunklen Himmel auf die Erde herab. Die Hausdächer waren bereits vollständig vom Schnee bedeckt und auch die Bäume trugen eine mehr oder weniger leichte Sicht der kleinen Flöckchen.
In dicke Mäntel eingewickelt hetzten die Menschen von einem Geschäft in das nächste. Bald war Ladenschluss und bis dahin wollte jeder noch die letzten notwendigen Dinge für das Fest der Liebe besorgt haben.
Der Räumdienst hatte seine Arbeit nicht allzu genau genommen und somit fuhren die Autos zur Abwechslung mal vorsichtig. Die Gehwege und Straßen waren an manchen Stellen eisglatt. Manch einer fiel auf seine vier Buchstaben. Kinder lieferten sich eine Schneeballschlacht im Stadtpark, Mütter kauften ein und ihre Ehemänner durften die Packesel spielen. Alles ganz normal. So war es jedes Jahr im Winter. Wahrscheinlich würde sich das auch nie ändern. Obwohl, man sollte doch niemals „nie“ sagen, richtig?

Die Schaufenster waren mit Lichterketten, bunten Kugeln, Tannenzweigen und viel rotem Stoff verschönert worden. In den Läden wurde Weihnachtsmusik rauf und runter gespielt und alles kostete etwas mehr, als sonst.
Ein großer, kunstvoll geschmückter Weihnachtsbaum stand in der Mitte der kleinen Stadt. Er war in den letzten Wochen der Treffpunkt von vielen Jugendlichen gewesen, wenn alles hier vorbei war, würde er verschwinden und als Brennholz dienen.

Fröhlich schlenderte ein weißhaariger Junge zusammen mit einem jungen Mann, welcher die gleiche ungewöhnliche Haarfarbe besaß, durch die Einkaufsstraße.
Auch wenn er die Kälte verabscheute, so mochte er den Winter. Dieses Jahr war ein sehr besonders Jahr für ihn und seinen Freund, der interessiert von links nach rechts und wieder zurück sah. Hier gab es aber auch so viel zu sehen. Man wusste gar nicht, wohin man seinen Blick zuerst wenden sollte. Überall leuchtete beziehungsweise blickte Etwas. Einige Ladenbesitzer hatten sogar lebensgroße Figuren aufgestellt, die einem ein fröhliches Weihnachten wünschten.
Die langen, weißen Haare fielen dem Jugendlichen bis über die Schultern. Ein roter Schal bedeckte den blassen Hals und die weißfarbigen Handschuhe schützen die zierlichen Hände vor der bitteren Kälte. Der schneeweiße Mantel war fest geschlossen und betonte die Figur des Jungen, welcher davon aber nichts wissen wollte.
Sein Blick war geradeaus gerichtet. Er kannte sich hier gut aus und schenkte seiner Umgebung kaum Beachtung. Ihn interessierten die anderen Menschen nicht und all die angepriesenen Angebote waren in seinen Augen sowieso nur Betrug. Erst wurden die Preise erhöht und dann wieder um ein paar Yen gesenkt. Somit entstand der Eindruck, dass, zum Beispiel, der Teddybär günstiger wäre. Gut, in gewisser Weise stimmte dies sogar, aber für ihn war das dennoch Blödsinn. Man wollte den Leuten nur das Geld aus den Taschen ziehen. Ach herrje, er sah mal wieder alles negativ. Dabei sollte man sowas an einem so festlichen Tag nicht machen.
Die Sonne wurde von einer dicken Wolke verdeckt.

Das Ziel der beiden Weißhaarigen war das große Einkaufszentrum, welches sich in der Stadtmitte befand. Sie mussten noch ein paar Meter laufen.
Ein kalter Windhauch wirbelte leicht den Schnee, der sich am Straßenrand türmte, auf. Da ihm kalt wurde, zog er den Gurt des weißen Mantels enger zusammen. Sein Hintermann beobachtete ihn dabei.
„Ryo, von hinten siehst du gerade, wie ein Mädchen aus“, meinte jener und kassierte dafür einen bitter bösen Blick.
Wenn sie nicht in der Öffentlichkeit gewesen wären, hätte er sich eine Ohrfeige eingefangen. Vielleicht auch mehrere.
Da hatte der andere aber noch einmal Glück gehabt.
Beleidigt beschleunigte der Angesprochene seine Schritte.
„Hey, jetzt sei doch nicht gleich beleidigt. Ich habe es ja nicht böse gemeint“, rief der andere hinterher.
Das konnte ja jeder im Nachhinein sagen.
Inzwischen hatten sie das Einkaufszentrum erreicht.

In der Eingangshalle stand ein kleiner Weihnachtsbaum. Um ihn herum standen ein paar Bänke, die bereits von einigen älteren Leuten und einer Gruppe Jugendlicher in Beschlag genommen worden waren.
Unbeeindruckt von dem gewaltigen Gebäude und dem vielen glitzer Schmuck steuerte Ryo auf die Rolltreppe, die in das erste Stockwerk führte, zu. Dicht gefolgt von dem älteren, der aber von den ganzen für ihn unbekannten Dingen abgelenkt wurde und daher seinen kleinen Freund beinahe aus den Augen verloren hätte, wenn er nicht darauf geachtet hätte, jenen immer vor sich zu wissen.

In der ersten Etage angekommen suchten sie gemeinsam ein Elektrogeschäft auf.
Das Stockwerk war kunstvoll geschmückt, so wie alles andere hier, und besaß drei kleine Brunnen, an deren Rand man sich hinsetzten konnte. Außerdem gab es vier Lebensmittelläden und fünf verschiedene Restaurants.
Ob die anderen Etagen auch so aussahen?

In dem recht kleinen Laden wollte Ryo ein bestelltes Handy abholen, das für den zweiten Weißhaarigen bestimmt war. Jener hatte nämlich noch keines.
Während der jüngere sich um das Bezahlen kümmerte, nahm der andere die vielen verschiedenen Geräte unter die Lupe.
Die ganzen Angaben sagten ihm nichts und daher ging sein Interesse auch schnell wieder verloren.
Geduldig wartete er also neben der Tür auf seinen kleinen Freund. Noch immer hatte er nicht verstanden, was hier genau los war.
Diese Welt war schon seltsam!
Zwar hatte er inzwischen begriffen, dass es Feste gab, die die Menschen dazu brachten, wie aufgescheuchte Hühner herum zu laufen, aber wieso und was genau dahinter steckte, war ihm schleierhaft. Auch wusste er nicht, welches Fest vor der Tür stand.
Tja, hätte er nur besser aufgepasst, als man ihm alles erklärt hatte.
Nachfragen war auch eine Möglichkeit sich die fehlenden Informationen zu holen, doch dazu konnte er sich nicht durchringen. Außerdem würde der Kleine sicherlich wütend werden, denn dieser hatte sich bei seinen Erklärungen so unglaublich viel Mühe geben. Wenn da doch nur nicht die kleinen Kommunikationsprobleme wären. Sie verstanden zwar, was der andere wollte, aber von Zeit zu Zeit kamen sie auch an ihre Grenzen und keiner wusste so wirklich, was er tun sollte.
Fleißig lernten sie die Sprache des anderen, doch so richtig voran kamen sie nicht.
Dämliche Sprache!

Jemand zog an dem weißen Ärmel des dicken Pullovers über den der junge Mann eine rote Daunenweste trug. Ryo stand neben ihm und wollte weiter gehen. Wortlos verließen sie das Geschäft und begaben sich wieder eine Etage höher.
Wohin wollte der Oberschüler mit ihm?
Während der Fahrt nach ob, sah er sich die ganzen Dinge, die ihm immer noch ein Rätsel waren, an. Da wo er herkam gab es das alles nicht.
Dort hatte es nicht einmal dieses weiße, kalte Zeug, welches vom Himmel fiel und den Namen „Schnee“ trug geben.
Obwohl es in diesem Land und zu dieser Jahreszeit viel kälter war, als er es gewohnt war, fror er nicht. Dafür aber sein Vordermann - zumindest wenn er sich nicht gerade in einem warmen Gebäude befand -, dieser hatte inzwischen die Handschuhe und die gleichfarbige Mütze abgenommen und ihn die schwarz-weiß karierte Umhängetasche gesteckt. In der linken Hand trug er die kleine blaue Tüte, die er in dem vorherigen Geschäft erhalten hatte. In jener befand sich logischerweise das Handy.
„Akefia, wir setzten und da auf die Bank und dann erkläre ich dir mal, wie du ein Handy benutzt“, meinte Ryo fröhlich und ließ sich schon auf die freie, hellbraune Bank nieder. Der Angesprochene folgte wortlos.
Was sollte er auch großartig sagen?
Ohne lange Umschweife war das kleine elektronische Gerät ausgepackt und angeschaltet.
Den Akku hatte Ryo aus seinem alten Handy heraus genommen und in das neue eingesetzt. Da es das gleiche Model war, nur mit etwas mehr Extras, gab es da auch keine Probleme.
So gut es eben ging, versuchte der jüngere Weißhaarige zu erklären, wie man einen Anruf annahm oder tätigte und wie man eine sogenannte SMS schrieb.
Aufmerksam sah und hörte Akefia zu. Zwar ergab nicht alles, was gesagt wurde einen Sinn für ihn, aber wie sagte man heutzutage doch so schön „learning by doing“, oder so.
Ach, diese Welt und ihren ganzen fremden Sprachen machten ihn noch fertig!
„Hast du alles verstanden?“
Ein Nicken war die Antwort.
Sanft strich Ryo ihm durch sein Haar.
„Wäre schön, wenn wir eine Sprache sprechen würden, nicht wahr?“
„Ja.“
Wie sie sich unterhalten konnten, obwohl sie kein Wort von dem verstanden, was der andere sagte?
So genau wussten sie das selbst nicht, aber es war doch auch egal. Hauptsache sie konnten sich irgendwie verständigen und irgendwann würden sie dieselbe Sprache sprechen, das nahmen sie sich beide ganz fest vor.
 



Kalter Wind wehte um die Häuser und ließ den weißhaarigen Jungen, welcher gerade aus einem riesigen Gebäudekomplex trat, frieren.
Es war der zweite September.
Eigentlich war heute keine Schule, dennoch war er hingegangen. Yugi, ein Klassenkamerad und irgendwie auch Freund, hatte ihn hier her bestellt.
Noch war außer ihm niemand hier. Er war bereits durch die gesamte Schule gelaufen.
Wieso waren die Türen überhaupt offen?
Da konnte ja jeder kommen und sich umsehen.

Seine Laune befand sich gerade auf dem direkten Weg zum tiefsten Tiefpunkt.
So hatte er sich seinen Geburtstag nun wirklich nicht vorgestellt. In den letzten Jahren war ihm an diesem Tag schon vieles zu gestoßen, aber irgendwie hatte dies alles schon immer kommen sehen. Nur hier war das was anders.
Yugi hatte ihn die vergangenen Wochen zugelabert, dass er heute, am zweiten September, auch ja pünktlich in die Schule kam.
Tja, und jetzt war der andere nicht da.
Ganz toll!
Ihm war zum Schreien zu Mute.
Er war wütend auf seinen Mitschüler – aber wer wäre das an seiner Stelle nicht?
Noch fünf Minuten würde er warten!

Ein kalter Regentropfen fiel auf seinen Kopf.
Und immer, wenn man dachte, es könnte nicht schlimmer kommen, kam es noch viel dicker!
Wieso eigentlich immer er?
Was hatte er verbrochen?
Er musste in seinem vergangenen Leben ein Massenmörder gewesen sein!
Gut, wenn der Stachelkopf jetzt nicht sofort um die Ecke bog, würde er gehen. Seinen Geburtstag musste er nicht hier im Regen verbringen.
Es gab bessere Möglichkeiten solch einen bedeutenden Tag zu verbringen, zum Beispiel, könnte er es sich daheim gemütlich machen und fern sehen beziehungsweise ganz entspannt ein Bad nehmen. Aber nein, er, Bakura Ryo, stand lieber mutterseelenalleine auf dem Schulhof und fror sich halbtot.
Immerhin hatte er ja nichts Besseres zu tun.
Sein Gemütszustand verschlechterte sich zunehmend.

„Hey, Bakura-kun!“, rief jemand.
Da der Gerufene mit dem Rücken zu der Person, die ihn nach ihm gerufen hatte, stand, drehte er sich um und sah, wie Yugi auf ihn zu gelaufen kam. Hinter ihm trottete der Pharao, welcher inzwischen nicht mehr erinnerungs- und namenlos war, her. Die dritte Person, die nur wenige Schritte nach dem ehemaligen ägyptischen Herrscher auf ihn zu kam, kannte er nicht, weder vom Aussehen her noch vom Namen.
Ein Verwandter von Atemu?
Nein, das war unmöglich, oder?
Sie sahen sich auch nicht wirklich ähnlich.
Wer war der unbekannte, junge Mann?

„Hi, Yugi. Du bist spät.“
Er klang vorwurfsvoll und das war gut so!
„Tut mir leid, aber wir hatten ein kleines Problem mit unserem neuen Freund.“
Ein neuer Freund?
„Was war denn?“
„Naja, diese Welt ist ihm nicht ganz geheuer. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr er sich gegen das Busfahren gewehrt hat. Deswegen sind wir schlussendlich zu Fuß hergekommen, was auch der Grund für unser zu spät kommen ist.“
Inzwischen waren auch die beiden Ägypter bei den zwei Oberschülern angekommen.
„Also, Ryo, das ist „Bakura“. Wir haben ihn so getauft, weil wir seinen richtigen Namen nicht wissen und er ja mal von „deinem Bakura“, also dem Ringgeist, besessen war. Der Pharao hat ihn zwar schon öfters gefragt, wie denn nun sein richtiger Name wäre, aber eine Antwort haben wir bis jetzt nicht erhalten.“
Bedrückt sah der weißhaarige Schüler zu Boden. Auch wenn die Sache mit dem Ringgeist schon einige Monate zurück lag, so wollte er noch nicht darüber reden, vor allem nicht mit Yugi. Wenn er ehrlich war, dann vermisste er „sein anders Ich“ sogar irgendwie. Seit dessen verschwinden fühlte er sich so einsam, aber ihm war klar, dass es so, wie es jetzt war, am besten war. Niemand würde mehr zu Schaden kommen.
„…und deshalb dachten wir, dass er bei dir am besten aufgehoben ist“, beendete der kleinste der Vier seine Rede.
Verwirrt sah der anscheinend Angesprochene auf.
Ryo hatte nicht aufgepasst.
Worum ging es gerade?
„Was?“, fragte er daher nach.
Verwundert wurde er angesehen.
Was denn?
Auch er konnte mal gedanklich in einer anderen Welt sein und nicht mitbekommen, wie man ihm etwas erklärte. Man hätte ihn ja früher sagen können, dass eine wichtige Rede bevor stand. Er hätte sicherlich aufgepasst.
„Yugi meinte, dass unser Freund hier bei dir am besten aufgehoben wäre, weil ihr beide den selben Verrückten „in“ euch hattet. Er denkt, dass er sich mit dir besser verstehen würde, als mit uns“, fasste der Pharao die Worte „seines anderen Ichs“ zusammen.
Skeptisch musterte Ryo den schweigsamen jungen Mann, welcher ihn ebenfalls von oben bis unten überprüfte. Ihre Blicke trafen sich kurz.
„Versteht er denn japanisch?“, wollte der Weißhaarige wissen.
„Ja, also deswegen...“, fing Yugi zögerlich an.
Verlegen kratze jener sich am Hinterkopf und sah fast schon hilfesuchend zu seinem älteren Spiegelbild.
„Noch kann er es nicht, aber er lernt fleißig. Mach dir da mal keine Gedanken. Ich bin mir sicher, dass ihr dieses Problem schon irgendwie lösen werdet.“
Moment mal!
Noch hatte er nicht zugestimmt den anderen bei sich aufzunehmen. So was musste wohl überlegt sein. Immerhin musste er sich auch überlegen, wie er die plötzliche Anwesenheit des weißhaarigen Ägypters seinem Vater erklären konnte. Auch wenn jener kaum Zuhause war, würde er irgendwann dahinter kommen.
Sein alter Herr war nicht dumm!

Seufzend stimmte er dem Ganzen dann schlussendlich doch zu.
Was sollte er auch machen?
Er konnte den Mann ja nicht einfach bei Yugi, der schon genug mit dem Pharao zu tun hatte, lassen. Vor allem würde es nur zu Spannungen zwischen dem ehemaligen Herrscher und dem Weißhaarigen kommen, da war er sich sicher.
„Gut, Yugi, ich nehme ihn zu mir. Aber sollte er irgendetwas anstellten, bist du dafür verantwortlich! Ich möchte nach der ganzen Sache eigentlich meine Ruhe haben.“
„Geht klar, Ryo. Ich bin mir aber sicher, dass „Bakura“ eigentlich ein ganz Lieber ist. Vielleicht sagt er dir ja auch seinen richtigen Namen. Dann musst du ihn nicht immer „Bakura“ nennen. Ist bestimmt auch ein seltsames Gefühl, nicht?“
War das jetzt eine rhetorische Frage?
Wenn nicht, würde er dem anderen einfach empfehlen, mal den Pharao einige Tage mit „Muto“ an zu sprechen, dann würde er schon merken, wie sich das anfühlte.
Wobei, es wäre nicht dasselbe.

Um nicht noch länger in der Kälte zu stehen und um den aufkommenden Regen zu entgehen, beschloss Ryo jetzt Heim zugehen. Sanft berührte er den Größeren an dessen Hand und forderte ihn mit einem „komm“ auf ihm zu folgen. Diese Geste wurde wahrscheinlich nur verstanden, weil Atemu dem etwas verloren wirkenden namenlosen Mann alles übersetzt hatte, während die anderen beiden Jungen sich unterhalten hatten.
Nun gut, dass konnte lustig werden.
Wortlos traten sie den Weg zu Ryos Wohnung an.
 



Neugierig beobachtete der junge Mann die verschiedenen Kunden, die hektisch an dem kleinen Café, in welches er sich zusammen mit dem Schüler gesetzt hatte, um sich von der inzwischen fast zwei stündigen Einkaufstour zu erholen, vorbei liefen.
Sein Gegenüber hingegen sah eher gelangweilt aus dem großen Fenster und nippte an seiner Schokomilch. Zwischendurch seufzte jener auch mal.
Ob alles in Ordnung war?

„Du, Ryo.“
Der Angesprochene sah ihn an.
„Wieso küssen sich diese Leute immer an der selben Stelle?“
Um sich verständlicher zu machen, zeigte er auf ein Pärchen, welches sich gerade innig küsste. Kaum waren die beiden damit fertig, kamen auch schon die nächsten beiden Liebenden, die sich ebenfalls ein Küsschen aufdrückten.
So ging das einige Zeit, bis Ryo verstanden hatte, was genau Sache war. Anfangs war er nämlich auch darüber verwirrt gewesen. Anders als Akefia aber kannte er die verschiedenen Bräuche zur Weihnachtszeit und konnte sich das „seltsame“ Verhalten schnell erklären, jetzt musste er es nur noch dem anderen verständlich machen. Was auf Grund der sprachlichen Differenzen nicht allzu leicht war.
„Also, das ist so: An Weihnachten gibt es einige Leute, die sogenannte Mistelzweige aufhängen. Wenn man unter solch einem steht ist es Brauch, dass man die Person, die zusammen mit einem darunter steht einen Kuss zu geben. Auf diese Art und Weise kann man auch sehr gut Verliebte miteinander verkuppeln. Wenn du etwas nach oben siehst, dann kannst du sehen, dass so ein Mistelzweig an der Metallstange, die so festlich verziert ist, hängt.“
Es dauerte ein bisschen bis Aki das besagte Teil entdeckt hatte.
Schweigend sah er zu, wie das nächste Paar sich küsste.
Er war sich nicht ganz sicher, ob er Ryo richtig verstanden hatte, aber falls doch, dann musste er gestehen, dass dieser Brauch höchst seltsam war.
Wirklich!
Vor allem, weil man ihm doch vor ein paar Monaten noch erzählt hatte, dass man sich in Japan nicht öffentlich küssen sollte, da es nicht so gerne gesehen wurde.
Dieses Land war schon komisch.

Da er das Geschmiere, das man hier als Schrift bezeichnete, nicht entziffern konnte, hatte sich der weißhaarige Ägypter auch eine Schokomichl bestellt. So schlecht schmeckte diese nicht.
Schweigend saßen die beiden noch gute fünfzehn Minuten da und sahen durch die saubere Glasscheibe. Jeder ging seinen eigenen Gedanken nach.

„Gibt es noch etwas, dass du sehen möchtest oder willst du lieber wieder gehen?“, durchbrach der braunäugige Junge die Stille zwischen ihnen mit einem Mal.
Verwirrt sah der Mann mit den lavendelfarbenen Augen zu diesem.
„Willst du hier bleiben oder gehen?“, wiederholte jener sich daraufhin.
„Gehen.“
Lächelnd bat der Jüngere sogleich nach der Rechnung und zahlte für sie beide.
Gemeinsam verließen sie das Café und begaben sich zu einem der kleineren Springbrunnen, um sich dort auf eine der leeren Bänke zu setzten.
Es war nicht so, dass sie zu müde waren, um weiter zu laufen, viel mehr war es so, dass sie einfach keine große Lust dazu hatte.
Ryo hatte seine Geschäfte erledigt und Akefia wusste eh nicht so genau, was er hier überhaupt sollte. Zwar entdeckte er viele neue Dinge und konnte so auch etwas mehr von der Welt erleben, welche nun sein neues Zuhause war, aber so wirklich wohl fühlte er sich hier nicht. Dafür war der Unterschied zwischen seiner eigentlichen Welt und dieser zu groß – viel zu groß. Wenn es doch wenigstens schön warm wäre und nicht so verdammt kalt. Man holte sich ja fast den Kältetod.
Schrecklich!
„Ist alles in Ordnung bei dir? Du schaust so böse“, sprach der andere ihn an.
Akefia wusste nicht, was er antworten sollte. In neun von zehn Fällen verstand er, was der Schüler von ihm wollte, doch ausgerechnet jetzt musste der letzte Fall ein treten. Genau, er hatte keine Ahnung, was der andere gesagt hatte. Die Worte kamen ihm bekannt vor, aber er konnte sich nicht mehr an ihre Bedeutung erinnern.
Verdammt!
Warum ausgerechnet jetzt?
Fragend sah er zu seinem wohl einzigen Freund.
Jener begriff sofort, was los war und überlegte sich auch gleich, wie er seine Frage umformulieren konnte, sodass man ihn verstand.
Immer dieses bescheuerte Sprachproblem!

Während Ryo also so vor sich hin überlegte, versuchte Aki von selbst auf die Bedeutung der Worte zu kommen. Somit verbrachten sie wieder einige Minuten schweigend nebeneinander.
In letzter Zeit kam das oft vor.
Es war zwar nie so gewesen, dass sie besonders viel miteinander geredet hatten, da es früher oder später eh ein mehr oder weniger deprimierendes Ende gefunden hätte, aber ungefähr seit zwei Wochen wechselten sie kaum noch einen Satz miteinander, dabei hörte er die Stimme des Jüngeren doch so gerne.
Sanft wurde seine Hand umschlugen und leicht gedrückt. Verwirrt sah er daher auf und blickte in die traurig wirkenden braunen Augen des anderen.
„Vergiss einfach, dass ich dich etwas gefragt habe. Es war nicht so wichtig“, meinte jener und lächelte leicht.
Gut, das hatte er jetzt wieder verstanden – mehr oder weniger zumindest.
„Lass uns weiter gehen, ich will mehr von dieser seltsamen Stadt und dem weißen Zeug sehen.“
Um seine Worte verständlich zu machen, stand er auf und zog den anderen Weißhaarigen auf die Beine. Gemeinsam begaben sie sich zum Ausgang.
Das ganze Geglitzer störte Akefia, deswegen wollte er hier weg!
Ging das Geblinke und Gedudel den anderen Kunden nicht auch irgendwann auf die Nerven?
Wie konnte man das nur jedes Jahr auf ein Neues ertragen?
Das war doch nicht normal!
 



Der Regen prasselte gegen die kalten Fensterschreiben. Das Geräusch, das dabei entstand beruhigte Ryo.
Die Stille, die zwischen ihm und seinem neuen Mitbewohner auf dem gesamten Heimweg gelegen hatte, hatte ihn nervös werden lassen.
Wie stellte Yugi sich das eigentlich alles vor?
Wie sollte er sich den mit dem anderen verständigen, wenn sie nicht mal ansatzweise die selbe Sprache sprachen?
Sie kannten sich ja gerade mal eine dreiviertel Stunde.
Wieso hatte er zugestimmt?
War er blöd?
Ja, wahrscheinlich.
Diese Geburtstag war mit Abstand der seltsamste, den er je gehabt hatte.
Im Moment stand er in der Küche und verzierte gerade seinen eigenen Geburtstagskuchen. Traurig, aber wahr. Er war wieder alleine. Naja, eigentlich nicht, immerhin saß im Wohnzimmer der Ägypter und versuchte sich an die neue Umgebung zu gewöhnen.
Es musste schrecklich sein, wenn man von heute auf morgen einfach in eine andere Welt gerissen wurde und mit deren neuartiger Technik klar kommen musste.
Wieso hatte man „Bakura“ nicht in Atemus Erinnerungen gelassen?
Dort gehörte er hin.
Dort war er doch irgendwie Zuhause.

An sich hatte Ryo nichts gegen den ehemaligen Dieb, aber dessen Anwesenheit, dass alleinige Wissen, dass jener ebenfalls mit dem Ringgeist zu tun hatte, schmerzte.
Das war doch albern, oder?
Der andere konnte doch nichts dafür, dass er von der Dunkelheit gefangen genommen worden war. Und dennoch konnte er dem anderen nicht in die Augen sehen, wusste nicht, was er sagen sollte, wie er auf ihn reagieren sollte.
Was wenn der Ringgeist wieder auftauchte?
Es sollte aufhören!
Er wollte nur ein ruhiges Leben führen.
Ohne dass er es bemerkt hatte, lief ihm eine Träne über die blasse Wange.
Schnell wischte er sie weg.
Was wenn plötzlich „Bakura“ rein kommen würde?
Jener würde ihn sicherlich auslachen und für einen Schwächling halten und dies wollte er nicht.
Aß der Ägypter überhaupt Kuchen?
Er hatte gar nicht daran gedacht, dass sein Mitbewohner ganz andere Essgewohnheiten hatte, als er. Nun gut, mehr als schief gehen konnte es ja nicht, richtig?
Zum Trinken gab es Wasser, daran konnte ja nichts falsch sein.

Vorsichtige stellte er zwei Gläser, zwei Teller und den Kuchen auf ein Tablett, auf das er auch noch ein paar Servietten und zwei kleine Gabeln legte - den Kuchen schnitt er an bevor er in auf das Tablett legte.
Langsam ging er in der geräumige Wohnzimmer und stellte alles auf den sauberen Glastisch ab. „Bakura“ sah gerade aus dem Fenster.
Wahrscheinlich beobachtete er die vorbei fahrenden Autos und die hektisch herum laufenden Menschen. Die Schüler hatten Ferien, die Erwachsenen durften arbeiten.
Eine Weile stand der weißhaarige Oberschüler schweigend neben dem Sofa.
Wie sollte er den anderen ansprechen?
Er konnte nicht „Bakura“ sagen, es war schon schwer genug diesen Namen zu denken.
Zwar hatte der Ringgeist ihm persönlich nur ein einziges Mal weh getan, aber dennoch verband er seinen Nachnamen nun immer mit „Zorc“, mit der Finsternis und dem Leid, welches durch dieses Wesen hervor gerufen wurde. Wegen diesem Wesen hatte er jahrelang keine Freunde gehabt und als er endlich welche gefunden hatte, die nicht schon nach wenigen Tagen ins Koma fielen, hatte die Schattenkreatur versucht sie zu töten.
Ein anderer Name musste her!
Ryo räusperte sich kurz, um die Aufmerksamkeit des älteren auf sich zu ziehen, was auch funktionierte. Verwirrt wurde angesehen.
„Ähm, ich habe heute Geburtstag, daher habe ich einen Kuchen gebacken. Wenn du willst kannst du auch was davon haben.“
Wohl wissend, dass man ihn nicht verstanden hatte, setzte er sich auf das graue Sofa und nahm sich ein kleines Kuchenstück vom Tablett.
Unschlüssig schien der andere ihn zu beobachten.
Vermutlich dachte jener, dass man ihn hier vergiften wollte.
Lächerlich!
Aber wer konnte es ihm verdenken?
„Bakura“ war Atemus Feind gewesen und ausgerechnet dieser brachte ihn zu einem fremden Junge, welcher ihm einfach so etwas zu Essen anbot, ihn sogar ohne große Wort mit zu sich nach Hause genommen hatte. Alles höchstseltsam.
Da konnte nur etwas faul sein!

Nach dem zweiten Bissen legte der Schüler die Gabel zur Seite.
So schmeckte der Kuchen einfach nicht!
Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich, an seinem Geburtstag alleine zu sein.
Das war er nämlich schon gewohnt.
Erschrocken zuckte er zusammen, als das Telefon anfing zu klingeln.
Wer ihn wohl anrief?
Die meisten Verwandten hatte ihm bereits am Vormittag gratuliert und seine Klassenkameraden hatte ihm über das Internet geschrieben.
Während für ihn das mit einem Mal aufkommende Geräusch normal war, irritierte es „Bakura“ um so mehr. Im alten Ägypten gab es keine Telefone.
Der junge Mann mit den lavendelfarbenen Augen tat ihm so unglaublich leid.

Auch wenn er wusste, dass man keins seiner Wort verstand, versuchte Ryo zu erklären, was los war: „Das ist bloß das Telefon. Du wirst dich bestimmt noch daran gewöhnen, wenn du erst einmal eine Weile hier wohnst.“
Wo sollte „Bakura“ überhaupt schlafen?
Im Gästezimmer?
Er musste jenes noch herrichten.
Mit schnellen Schritt begab er sich zum Festnetztelefon, das im Flur stand und nahm den Hörer ab.
Sein Vater war am anderen Ende der Leitung - unglaublich, dass jener an seinen Geburtstag gedacht hatte.  
Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten. Sie hatten sich schon lange nicht mehr viel zu sagen. Mit den Jahren hatten sie sich einfach vollkommen auseinander gelebt. Sein Vater wusste nichts über ihn. Kannte nicht einmal seine Lieblingsfarbe oder sein Lieblingsessen. Jener hatte auch nie einen seiner Freunde gesehen.
Traurig, oder?
Schon lange interessierte ihn diese Tatsache nicht mehr. Er wollte nicht mehr wegen so etwas weinen. Zu viele Tränen hatte er schon heimlich vergossen.
Wie sehr es doch hasste, zu weinen!

„Wer bist du?“, fragte ihn jemand.
Ryo sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Den Hörer hatte er aufgelegt.
Logischerweise hatte er nicht verstanden, was „Bakura“ gesagt hatte.
Wie denn auch?
Einige Minuten verbachten die beiden damit sich anzustarren, ehe es dem älteren zu blöd wurde und seine Frage noch einmal wiederholte.
Es brachte aber nicht viel.
Er konnte den Satz so oft sagen, wie er wollte. Der Junge konnte seine Sprache nicht.

So merkwürdig es auch klingen mochte, auch wenn Ryo nicht verstand, was man von ihm wollte, so fühlte er einfach, dass der andere wissen wollte, wer er war.
„Bakura Ryo. Und du?“
Ob er Recht hatte?
Schweigen.
Langes Schweigen.
Dann ein zaghaftes Kopfschütteln, das so gar nicht zu der muskulösen Person, die der Ägypter nun einmal war, passen wollte.
Hatte „Bakura“ keinen eigenen Namen?
Konnte er sich nicht an ihn erinnern?
Schade.
Da Ryo keine Ahnung hatte, was er jetzt machen sollte, ging er einfach langsam auf den anderen zu und nahm ihn an der Hand.
Vielleicht hatte er die Frage auch nur falsch verstanden und der andere wollte etwas anderes wissen. Das alles war doch zum Heulen!
„Komm“, forderte er seinen neuen Mitbewohner auf und zog ihn leicht mit ins Wohnzimmer.
Dort beförderte ihn sanft auf das Sofa und stellte ihm ein Stück Kuchen vor die Nase.
„Iss. Ist nicht vergiftet.“
Wieso sprach er überhaupt mit dem anderen?
Er verstand doch eh nichts.

Misstrauisch probierte „Bakura“ einen kleinen Bissen von dem unbekannten Gebäck. In Ägypten hatte er noch nie so etwas gesehen. Es war süß, aber es schmeckte ihm irgendwie.
„Schmeckt es dir?“
Der Schüler erwartete keine Antwort. Er wollte nur etwas sagen, um die Stille zu vertreiben. Es war unheimlich zu wissen, dass man zu zweit war und doch irgendwie alleine. Wie war das noch gleich: Zu zweit ist man weniger allein.
Naja, war hier wohl anders. Jetzt fühlte er sich erst richtig einsam. Morgen würde er mit dem Pharao sprechen. So, wie es jetzt war, konnte es ja nicht ewig weiter gehen. Ein bisschen Sprachunterricht würde nicht schaden. Immerhin konnte er, wenn er ein paar Wörter verstand, auch besser mit „Bakura“  kommunizieren. Vielleicht würde jener sich dann auch eines Tages ein wenig wohler fühlen. Die Heimat würde man ihm nie ersetzten können und Heimweh würde wohl immer ein kleines bisschen präsent sein, aber man konnte versuchen den Schmerz zu lindern.
Ryo hatte Mitleid mit seinem Gegenüber.
Wie konnte man nur jemanden einfach aus seiner Welt reißen?
Was hatte sich der Pharao nur dabei gedacht?
„Ist es in Ordnung, wenn ich dich Akefia nenne?“
Verwirrt wurde er angesehen.
Keine Wiederworte.
 



Die kalte Luft jagte einen Schauer über den blassen Rücken des Oberschülers. Er setzte sich die weiße Mütze auf und „verpackte“ seine Hände in den Handschuhen, die er Anfang Dezember von seiner Oma geschenkt bekommen hatte. Sie waren ebenfalls weiß. Nur der Schal, der war rot. Auch jener war ein Geschenk gewesen. Seine Tante, die Schwester seiner Mutter, hatte ihm das „Prachtstück“ vor einigen Jahren auf einem Familientreffen überreicht. Der Schal hatte einmal seiner Mütter gehört, deswegen war es für ihn mehr als nur ein Schal.

Akefia schloss seine Weste wieder und blieb ein paar Schritte von Ryo entfernt stehen. Jener sah ihn bloß an und blieb ebenfalls stehen.
„Willst du dich alleine weiter umsehen?“
Bei dem Gedanken daran, den anderen alleine durch die noch immer recht fremde Welt zu schicken, wurde dem Schüler ganz komisch.
„Ja.“
Seufzend wurde dem Ägypter daraufhin ein Geldbeutel in die Hand gedrückt.
„Sei um spätestens halb acht bei mir, ja?“
„Ja.“
Damit trennten sich die Wege der beiden Weißhaarigen fürs Erste.

Während der jüngere von ihnen Stadtauswärts marschierte, trieb sich der andere lieber noch in der Innenstadt herum. Dort gab es ein Haufen zu sehen. Außerdem hatte er noch kein Geschenk und soweit er sich erinnern konnte, schenkte man sich doch zu diesen seltsamen Festlichkeiten immer etwas, auch wenn es nur Kleinigkeiten waren.
Geld hatte ja jetzt. Wenn es jetzt noch sein eigenes wäre, wäre es perfekt.
Sollte er sich das Geschenk nicht lieber auf seine Art und Weise besorgen?
Er wollte Ryos Geld nicht dazu verwenden etwas für jenen zu kaufen, das könnte dieser immerhin auch alleine.
Blöde Situation.
Wie sehr er den Pharao doch dafür verabscheute.
Gut, wäre dieser Schwachmat nicht so „freundlich“ gewesen ihn hier her zu bringen, so hätte er niemals den weißhaarigen Oberschüler kennen und lieben gelernt. Sie waren in den vergangenen Monaten zu einer Art Familie geworden, obwohl sie sich kaum kannten und es noch diese dämlichen sprachlichen Probleme gab. Der Junge mit den leuchtend braunen Augen hatte ihm etwas gegeben, wonach er sich schon lange sehnte und dafür war er sehr dankbar. Nichts desto trotz wollte er wieder nach Hause. Er vermisste den warmen Sand, die ständige Hitze und das Gefühl von Freiheit.
Kurz schweifte sein Blick zum Himmel. Er seufzte.
Es klang verrückt, doch der Himmel kam ihm so fremd vor.

Das war nicht der, den er in Ägypten jeden Tag zu Gesicht bekommen hatte.
Das war nicht der, den er in Ägypten jede Nacht betrachten konnte.
Das war nicht der, den er kannte.

Ein wenig Orientierungslos streifte er durch die verschneiten Straßen der kleinen japanischen Stadt. Ab und zu sah er Pärchen, die sich küssten. Jedes Mal hielt er nach einem dieser ominösen Mistelzweige Ausschau. Fand aber nur ein oder zwei Mal einen.
Seltsam!
Hatte Ryo ihn angelogen?
Oder wusste der Kleine gar nicht, dass manche Leute sich nicht an diese komische Regel hielten?
Egal!
Unwichtig!
Er wollte ja ein Geschenk für den anderen kaufen und sich dann umgehend zu jenem begeben.
Hoffentlich fand er den Weg zu ihrem Treffpunkt, denn sie wollten nicht bei dem Schüler Zuhause feiern, sondern an einem speziell ausgesuchten Ort.
Dieser befand sich in einem Waldstück außerhalb der Stadt.
In welche Richtung musste er eigentlich gehen?
Ach herrje!

Ohne es zu bemerken war er zum kleinen Stadtpark gelangt. Nur wenige Menschen waren zum jetzigen Zeitpunkt dort. Die meisten waren Zuhause bei ihren Liebsten im Warmen, die anderen hetzten noch immer von einem Geschäft zum anderen. Ein paar Hundebesitzer machten den letzten Spaziergang mit ihrem treuen Vierbeiner für diesen Tag.
Es war später Nachmittag, aber durch die nicht vorhandene Sonne kam es einem so vor, als wäre bereits Nacht.
Fast schon elegant ließ sich Akefia auf die Parkbank gleiten.
Wann hatte er angefangen sich elegant zu bewegen?
Tat er es vielleicht schon immer?
Wenn ja, warum fiel es ihm erst jetzt auf?
Was sollte er jetzt machen?
Bald würden die Läden schließen und er würde nichts für den Kleinen haben. Wenn er ehrlich war, dann wusste er nicht einmal, was er überhaupt verschenken sollte. Ryo hatte doch schon alles. Der Vater des Schülers erfüllte nämliche jeden noch so unverschämten Wunsch seines Sohnes, welcher dies auch gerne mal ausnutze. Seitdem er bei dem Weißhaarigen wohnte, war ihm schon das ein oder andere Telefonat aufgefallen, in dem der Jüngere seinem alten Herren ein schlechtes Gewissen eingeredet hatte, nur um seinen Willen zu bekommen.
Ein richtiges Schlitzohr, der Kleine, aber nur wenn er wollte.
Zufrieden grinste er.
Es hatte in der letzten drei Monaten – es waren sogar ein paar Tage mehr – viele wunderschöne Momente gegeben, die er niemals vergessen wollte.
Trotz alle dem wollte er wieder Heim.
Er fühlte sich hier so fremd und das war er ja in gewisser Weise auch. Zwar gab Ryo sich sehr viel Mühe damit ihm dieses Gefühl zu nehmen, aber meistens gelang dies nur für wenige Stunden.
Morgen würde er das Thema „Heimweh“ mal kurz ansprechen.
Der Pharao würde ihn doch sicherlich nach Hause lassen, wenn er jenen fragen würde. Davor würde er aber unbedingt mit dem Braunäugigen reden müssen.  Immerhin hatte jener doch ein Recht darauf, von seinen Plänen zu erfahren.
Oder?

Wie lange er auf der Bank schon saß, wusste er nicht. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war.
Sollte er sich nicht lieber auf den Weg zum Treffpunkt machen?
Hatte er noch Zeit eine Kleinigkeit für den Schüler zu finden?
Gerade als er aufstehen wollte, wurde er von jemanden angesprochen.
„Guten Abend, Akefia. Wie geht es dir?“
Verwundert darüber, dass jemand seinen Namen kannte, den er ja von Ryo an ihrem ersten gemeinsamen Tag bekommen hatte, drehte er sich um und entdeckte einen genervt wirkenden, jungen Ägypter.
Seine blonden Haare gingen ihm bis zu den Schultern und wurden von einer schwarzen Mütze vor den weißen Schneeflöckchen geschützt.
„Guten Abend, Malik. Mir geht es gut, irgendwie. Und dir?“
Sie sprachen in Akefias Sprache. Malik musste sie als Kind erlernen, um die alten Schriften zu lesen. Der ehemalige Grabwächter, der seine liebgewonnene Freiheit mehr als nur genoss, war vollkommen in schwarz gekleidet, außer der Schal, der war rot – blutrot. So wie der von Ryo.
War das nicht seltsam?
Nein, wohl eher nicht.
„Mir geht es auch gut. Nur die Kälte stört mich ein wenig.“
Langsam war der Blonde auf den anderen zu gegangen.
„Wo ist Ryo?“
„An unserem Treffpunkt.“
„Hm?“
„Wir feiern an einem Ort außerhalb der Stadt.“
Sollte er Malik fragen, was heute für ein Fest gefeiert wurde?
„Ach so. Naja, ich muss mit meiner Schwester und ihrem Freund zusammen feiern. Dabei würde ich viel lieber nur mit ihre und Rishid zusammen sein. Aber nein, sie muss ja ihren Willen durchsetzen.“
„Mein Beileid.“
„Danke.“
Sie mussten lachen.
Dann schwiegen sie kurz.
Ein kalter Windstoß ließ beide kurzzeitig frieren.
„Was treibt dich hier her?“, fragte Akefia, um die Stille zu vertreiben.
Sie fühlte sich falsch an.
„Ich musste meinen Kopf frei bekommen. Nicht nur du und der ach so tolle Pharao habt einen eigenen Körper bekommen, auch mein anderes Ich läuft jetzt, wie jeder andere, durch die Weltgeschichte. Seitdem er wieder da, gibt es extrem viel Stress zu Hause.“
„Und daher wolltest du einfach mal raus und deine Ruhe haben.“
„Ich werde mit Rishid und Marik zu Kisara ziehen.“
Kisara war die Verlobte des erst Genannten. Sie war eine nette Frau. Auch sie konnte sich gut mit Akefia unterhalten, auch wenn ihr einige Vokabeln fehlten. Rishid und Malik waren aber eh meistens Anwesend, wenn er sich mit ihr unterhielt und so gab es auch da keine Probleme. Die Familie Ishtar half dem Schüler und ihm sehr, wenn es zu Verständnisproblemen kam, aber da sie nicht immer erreichbar war, mussten die beiden irgendwie alleine zurechtkommen.
„Wie läuft es eigentlich bei euch beiden?“
„Es geht. Ich verstehe ungefähr, was er will und umgekehrt. So wirklich kommen wir aber nicht vom Fleck.“
„Deprimierend, nicht wahr?“
„Ja. Sehr sogar.“
„Wirst du den möchtegern König darum bitten, dich wieder nach Hause zu schicken?“
„Ja.“
Ein Nicken seitens Malik.
„Ich sollte jetzt gehen. Ryo wartet bestimmt schon auf mich.“
„Geht klar. Man sieht sich ja sicherlich irgendwann wieder.“
„Bestimmt.“
Ohne weitere große Worte verabschiedeten sie sich und machten sich in zwei verschiedene Richtungen davon. Malik streifte weiter durch den Park und hoffte, dass er noch bis zum späten Abend friedlich seinen Gedanken nachgehen konnte, während Akefia wieder zurück in die Stadt kehrte, um nach zusehen, ob er nicht vielleicht doch noch etwas fand – sofern die Geschäfte noch offen waren.

 




Es war Ende Oktober. Die Temperaturen waren mit jedem Tag weiter gesunken. Die Blätter hingen schon lange nicht mehr an den Ästen.
Es regnete mal wieder.
Scheiß Wetter!
Wie konnte man nur an so einem Ort wohnen?
Hier hielt man es ja nicht aus!

Verwirrt über die vielen verkleideten Kinder wanderte der Ägypter durch die noch immer fremde Stadt. Ryo hatte heute Morgen zwar erwähnt, dass ein Fest anstand, das man „Halloween“ oder so nannte, an stand und man sich da halt als irgendein Monster verkleidete, doch so ganz schlüssig war ihm das nicht.
Für ihn machte das alles keinen Sinn.
Wieso sollte man sowas denn tun?
Seltsam!
Nun gut, die Kinder ließen ihn in Ruhe und somit beschäftigte er sich auch nicht zu genau mit ihnen. Er würde es ja eh nicht verstehen. Zwar konnte er mittlerweile ein paar Worte verstehen, aber das half ihm nun mal nicht wirklich. Er fühlte sich irgendwie erbärmlich.
Wieso tat der Pharao ihm das an?
Ja, er hatte in der Vergangenheit ein paar Fehler begangen, aber das war doch noch kein Grund ihn derartig zu bestrafen.
Konnte man seine Sicht der damaligen Geschehnisse und seine Gefühle, seine Beweggründe nicht verstehen?
Nicht nachvollziehen?

Wusste Ryo überhaupt, dass er einen Mörder, einen Dieb, einen ehemaligen gesuchten Schwerverbrecher zu Hause hatte?
Ja, wahrscheinlich.
Der Pharao und dessen kleineres Ich hatten ihren Freund sicherlich darüber informiert.
Warum hatte jener sich aber dann dafür entschieden, ihn zu sich zu nehmen?
Hatte er keine Angst vor ihm?
Bis jetzt hatte dem Kleinen keinen Grund gegeben ihn zu fürchten, doch die meisten waren schon vollkommen eingeschüchtert, wenn sie ihn sahen.
Ein merkwürdiger Junge, dieser Bakura Ryo.
Bis heute hatte er auch noch nicht so ganz verstanden, warum man ihn „Bakura“ getauft hatte. Der richtige Bakura und er hatten bis auf die Haarfarbe nichts gemeinsam.
Hatte man „Zorc“ auch „Bakura“ genannt?
Er hatte viele Fragen, aber keine Antworten.
Nachfragen wollte er nicht, weder bei Ryo, der ihn eh nicht wirklich verstehen würde, noch beim Pharao und dessen Gefolge.
Er war alleine.
Sehnlichst wünschte er sich zurück in seine Welt. Dort war er zwar auch alleine, aber er kannte sich dort immerhin aus und konnte sich problemlos verständigen. Außerdem war er gerne durch sein zerstörtes Dorf gewandert. Gerne hatte er sich in Erinnerungen verloren und der eigentlich unbeschwerten Kindheit, die nur kurz, dafür aber recht schön - irgendwie halt - gewesen war, nach zu trauern. Im Nachhinein lachte er dann immer über sich selbst.
Wie konnte man nur so schwach sein?
Zum Glück hatte ihn nie jemand dabei gesehen. Das wäre mehr als nur peinlich geworden. Gut, er hätte den Beobachter höchstwahrscheinlich einfach beseitigt, trotzdem wollte dann jedes Mal für sich sein.
Ryo wusste sicherlich von den damaligen Geschehnissen. Der ehemalige Herrscher Ägyptens hatte ihm bestimmt davon erzählt, aber auch die wichtiges Dinge weggelassen – davon war er überzeugt.
Der Schüler hatte bis jetzt nicht nachgefragt, was wirklich passiert war.
Vielleicht interessierte es ihn ja auch einfach nicht oder aber seine Annahme war falsch, was er stark bezweifelte.
Ach, wie gerne würde er sich doch wieder mit jemanden richtig unterhalten.
In Ägypten hatte er manchmal Tage lang mit niemanden gesprochen, aber es hatte sich nie so unangenehm angefühlt.
Lag es daran, dass er nun jemanden hatte, mit dem er reden könnte, wenn sie die selbe Sprache sprechen würden?
Ja.

Seufzend zog er die Kapuze seiner Jacke tiefer ins Gesicht.
Scheiß Wetter!
Ändern konnte er es leider nicht, daher nahm er es hin – musste er ja auch.
Wieso war er überhaupt raus gegangen?
Weil ihn die saubere, ordentlich eingerichtete Wohnung des Oberschülers förmlich erdrückte.
Platz hatte er genug und trotzdem fühlte es sich an, als wäre er in einem kleinen Käfig eingesperrt.

Sein Spaziergang hatte ihn in den Park geführt. In letzter Zeit kam er oft hier vorbei.
Es waren kaum Leute da und das war auch gut so. Er wollte jetzt seine Ruhe und auch im Park bekam man die nicht immer.
Schade nur, dass er sich nicht auf die Bank setzten konnte beziehungsweise es nicht tun sollte. Sie war nass.
Welch ein Wunder.
Auf eine nasse Hose hatte er keine Lust. Sowas fühlte sich unangenehm an und davon hatte er inzwischen echt genug!
Daher stellt er sich vor den Springbrunnen und sah in das sich dortige Wasser, welches durch die Regentropfen kleine Wellen warf.
Akefias Gedanken waren irgendwo im Nirgendwo.
So wie es seit seiner Ankunft in dieser Welt schon des Öfteren vorkommen war.
Zwischendurch seufzte er einige Male.
So viel hatte er in seinem bisherigen Leben noch nicht geseufzt.
Was hatte er nur getan, dass die Götter ihn so straften?
Er wollte doch nur endlich in Frieden ruhen.

Kurzeitig schloss er die Augen und ließ sich all die vergangenen Dinge noch einmal durch den Kopf gehen, um ja nichts zu vergessen und um heraus zu finden, womit er seine nicht vorhandene Ruhe verdient hatte. Ja, sein Hass auf den Pharao und dessen Gefolge hatte ihn dazu verleitet sich der Dunkelheit hinzugeben, aber es war nie geplant gewesen, dass es so zu Ende ging. Sein Ziel war nur die Vernichtung der Verantwortlichen, nur sie alleine sollten büßen.
Wie konnte er nur so blöd sein und glauben, dass ein Wesen der Finsternis Rücksicht auf die Unschuldigen nahm?
Bei Yugi und Co. hatte er sich bereits mehrmals entschuldigt, doch sie sahen in ihm noch immer das Monster, welches nun auf Ewig im Reich der Schatten eingesperrt war. Sie hatten ihn und seine Beweggründe nicht verstanden.
Hatte er sich eigentlich schon bei Ryo entschuldigt?
Sollte er?
Er persönlich hatte ihm ja nichts getan. "Zorc" sollte um Verzeihung bitten. Nein, er musste es auch. Immerhin war er der Grund, wieso der Herrscher der Finsternis überhaupt im Millenniumsring eingesperrt werden konnte. Durch ihn war dieses Wesen in die menschliche Welt gelangt.
Er sollte sich schämen, oder?

"Sei gegrüßt, Leidensgenosse", sprach ihn jemand von hinten an.
Verwirrt dreht er sich um.
Es kam nicht sehr oft vor, dass jemand Akefias Sprache sprach - eigentlich war der Pharao bis jetzt der Einzige gewesen und Malik.
Vor Akefia stand ein Mann, der optisch im gleichen Alter, wie er, war und ebenfalls gebräunte Haut besaß, desweiteren waren die Haare des anderen ebenfalls sehr hell, zwar nicht weiß, so wie seine, aber dennoch ungewöhnlich hell. Am auffälligsten aber waren die fliederfarbenen Augen.
Er war sich sicher, dass er sie schon einmal gesehen hat.
Nur wo?
"Wer bist du?"
Wie er es doch verabscheute Etwas nicht zu wissen!
Ein leises kichern.
Das Kichern klang nicht, wie das von normalen Menschen. Es klang nicht menschlich.
Machte dies Sinn?
Wohl eher nicht.
"Marik, Maliks schlechtere Hälfte", stellte der Gefragte sich vor.
Malik, den Namen kannte der Ägypter.
Vor gut einer Woche, wenn er sich nicht irrte, hatte er den jungen Blondschopf kennengelernt und war mit ihm ins Gespräch gekommen. Marik war aber mit keinem Wort erwähnt worden. Wahrscheinlich war es unwichtig gewesen. Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn er erfahren hätte, dass es diesen gab. Im Moment kam er sich recht blöd vor. Anscheinend war er bekannt, wie ein bunter Hund und das gefiel ihm nicht wirklich. In früherer Zeit hatte man zwar gewusst, dass es ihn gab und die Wachen kannten sein Gesicht und dennoch wusste nie jemand, wer er war, wenn sie ihn trafen.  Damals konnte er sein, wer er wollte.
"Was willst du?"
"Reden."
Worüber wohl?
Sie kannten sich doch gar nicht.
"Warum hast du mich als dein Leidensgenosse bezeichnet?"
Eine wahrlich berechtigte Frage.
"Du bist doch auch nur hier, weil der ach so tolle und gütige Pharao dich her gebracht hat."
Da schien wohl jemand nicht sehr gut auf den kleinen Herrscher zu sprechen zu sein.
Was wohl zwischen den beiden vorgefallen war?
Schweigen breitete sich aus, da Akefia nicht genau wusste, was er darauf erwidern sollte und Marik hatte wohl auch keine allzu große Lust noch etwas an seinen Satz zu hängen.
Der Regen war stärker geworden.

"Anders als du, war ich nie ein Mensch. Ich bin nur der Hass und der Schmerz eines kleinen Jungen. Jahrelang habe ich mich von seinen negativen Gefühlen genährt und alle vernichtet, die ihm Leid zugefügt hatten. Jahrelang war ich an seiner Seite, um ihn zu helfen, den Schuldigen zu bestrafen. Tja, und dann wurde ich einfach beseitigt, dabei habe ich es doch nur gut gemeint. Sie haben Malik für meine Taten verantwortlich gemacht. Sie haben die Tatsache, dass ich nur wegen des Pharaos erschaffen wurde ignoriert. Dir geht es da wohl ähnlich. Immerhin machen sie dich für Zorcs Werk verantwortlich, nicht wahr?"
Während Marik gesprochen hatte, war er auf den anderen Ägypter zu gegangen, welcher sich wieder dem Wasser im Brunnen zugewandt hatte.
Akefia dachte nach. Der andere hatte Recht. Man machte ihn für Zorcs Zerstörungen verantwortlich, man ignoriert sein Leid. Wieder keimte der Hasse und die Abscheu in ihm auf.
"Was willst du von mir?"
Der Weißhaarige konnte das fiese Grinsen seines Hintermannes förmlich in seinem Rücken spüren.
"Wie wäre es, wenn wir unsere Rache endlich umsetzten. Zwar hat der Zwergenkönig meine dunklen Kräfte versiegelt, aber wir beide können dennoch noch so einiges anrichten. Er hat uns und denen, die wir lieben, Schaden zugefügt. Wieso sollte er ungeschoren davon kommen?"
Ja, warum sollte er?
So unschuldig und gut, wie man ihn hinstellte, war der Pharao nicht.
Ganz und gar nicht!
"Die Millenniumsgegenstände sind nicht mehr in dieser Welt, also hat auch der Feind keine Möglichkeit Schattenmagie zu verwenden. Er ist in gewisser Weise schutzlos. Wir wissen immerhin, wie man Leute auch ohne Monster vernichten kann. Nicht wahr, Akefia?"
Zu nah!
Marik war ihm zu nah!
Er wollte endlich ins Totenreich kehren und seine Familie wieder sehen. Es gab für ihn keinen Grund länger auf der Erde zu verweilen. Sein eigener Hass würde ihn an die Welt der Lebenden binden. Er durfte sich nicht verführen lassen, aber es war so schwer zu wiederstehen!

"Hey, Marik! Lass Akefia in Ruhe!"
Wie auf Kommando drehten die beiden genannten Personen sich um.
Malik kam schnellen Schrittes auf sie zu und sah nicht wirklich glücklich aus.
Wer war wohl gestorben?
"Ich grüße dich auch herzlichst, mein geliebter Meister", meinte Marik übertrieben fröhlich.
Was war den bei dem plötzlich kaputt?
"Schieb dir dein "geliebter Meister" sonst wo hin!", fauchte der jüngste der drei Ägypter verärgert, "Ich hoffe doch sehr, dass du nicht gerade dabei warst Akefia zu irgendeinem Schwachsinn zu überreden."
"Nein, wie kommst du nur auf sowas, Malik?"
"Du lügst."
Eine nüchterne Feststellung.
Ohne weiter auf das Ebenbild seines Hasses und seiner Abscheu einzugehen, wandte sich der Junge an Akefia.
"Lass dir von dem nichts einreden, er ist ein bisschen bekloppt im Kopf, was wohl meine Schuld ist. Du solltest im Übrigen lieber wieder nach Hause gehen. Ryo sucht dich schon und ist drauf und dran, dich als vermisst zu melden."
Es tat gut zu hören, dass man vermisst wurde.
"Er war nicht da, als ich gegangen bin, sonst hätte ich ihm schon irgendwie mitgeteilt, dass ich länger weg sein werde."
"Er war einkaufen. Du solltest Heim gehen, wirklich. Nicht das der Kleine dir noch das Essen weg futtert. Du wirst es nicht glauben, aber der kann sehr viel in sich reinstopfen, vor allem wenn er gestresst und nervös ist."
Maliks Lachen hatte einen wundervollen klang.
"Gut, dann geh ich wohl besser."
Wahrscheinlich hatte er nicht sehr glücklich gewirkt, als er diese Worte von sich gab, denn der junge Ägypter fragte nach, ob irgendetwas wäre.
Es war nichts.
Wortlos tat der den Rückweg an.
Ryo wartete auf ihn.

Ein kleines, als Hexe verkleidetes Mädchen, sprach ihn an.
Schweigend sah er zu ihr herunter und kramte nebenbei in der Tasche seiner Daunenweste herum. Wenn seine Vermutung richtig war, dann wollte sie etwas Süßes. Die Personen, bei denen die Kinder an den Häusern läuteten, gaben ihnen zumindest immer Naschereien.
Er hatte noch eine Packung Kaugummis bei sich, die ihm der weißhaarige Oberschüler vor ein paar Tagen in die Hand gedrückt hatte, weil er meinte, sowas würde man von Zeit zu Zeit mal brauchen.
Das Mädchen strahlte vor Freude, bedanke sich und lief weiter.

 


Die Häuser sind fremd.
Die Bäume sind fremd.
Der Himmel ist fremd.
Die Menschen sind fremd.
Die Welt ist fremd.
Beängstigend!


Die Menschenmassen hatten in den letzen Minuten unglaublich schnell abgenommen. Jetzt waren kaum noch Menschen unterwegs. Die meisten saßen jetzt wohl mit ihren Liebsten auf dem Sofa und warteten fröhlich auf die alljährliche Bescherung. So langsam sollte auch Akefia auf den Weg zu Ryo machen. Immerhin waren sie verabredet.
Wo musste noch einmal lang?
Rechts?
Links?
Seufzend fuhr sich der junge Mann mit den lavendelfarbene Augen durch das weiße Haar.  Sein Orientierungssinn war auch schon besser gewesen, wirklich.
Planlos streifte er weiter durch die Einkaufsstraße. Einige Läden waren gerade dabei zu schließen. Jeder wollte jetzt Heim, dort wäre es sicherlich auch viel wärmer.
Das wurde wohl nichts mehr mit dem Geschenk für den Schüler.
Schade.
Jener freute sich doch immer so, wenn man ihm etwas schenkte. Dabei war es egal, wie klein oder groß es war. Letztens hatte Yugi Ryo Spielkarten geschenkt und letzt genannter war vor Freude fast an die Decke gegangen. Es klang übertrieben, doch trotz des Geldes und den teuren Dingen, die der Vater des Oberschüler des Öfteren kaufte, war der Junge nicht glücklich und freute sich viel mehr über kleine Päckchen. Am liebsten hatte jener sogenannte "Duel Monsters"-Karten und Süßigkeiten. Genau diese Dinge hatte er vorgehabt zu kaufen, leider konnte er das wohl vergessen.
Nun gut, man wird ihm schon nicht umbringen, wenn er ohne Geschenk auftauchte. Vermutlich erwartete der Jüngere nicht einmal etwas von ihm.
Obwohl, warum sollte jener ihm dann Geld in die Hand drücken?
Ach verflickst!
Was sollte er denn jetzt machen?

Ohne groß zu überlegen betrat er ein kleines Geschäft, welches laut ihrer Öffnungszeiten noch eine gute Stunde offen hatte, somit hatte er genug Zeit, um sich umzusehen.
Zwar war er nicht in einem Spieleladen, sondern in einem Stofftiergeschäft gelandet, aber das konnte er nicht ändern. Wenn er sich recht erinnerte, dann besaß der jüngere Weißhaarige einen Haufen Stofftiere und er hatte, wenn er sich nicht täuschte, auch mal erwähnt, dass er diese Plüschdinger total gern hatte.
Mit dem Kauf von so einem weichen, tierähnlichem Watteball konnte nichts schief gehen, oder?
Jetzt musste er nur noch das Richtige finden.
"Kann man Ihnen helfen?", fragte eine junge, brünette Verkäuferin.
Sie lächelte freundlich zu ihm und wartete auf seine Antwort.
Akefia musste kurz überlegen, wie er reagieren sollte. Er war ein paar Mal mit Ryo einkaufen gewesen, immerhin brauchte er für diese Welt auch die passende Kleidung und er sollte auch sehen, was er hier alles für Geschäfte gab.
Die gestellte Frage, hatte er schon einmal gehört und zwar an dem Tag, an dem sie für ihn Hosen gekauft hatten. Eine etwas ältere Dame - gut, er selbst war alt, steinalt sogar, aber er sah um einiges besser aus - hatte sie dies gefragt. Folglich wollte das nette Fräulein vor ihm das gleiche, wie die Dame von damals.
Nun war nur noch die Frage, wie er reagieren sollte.
Brauchte er Hilfe?
Nein, eigentlich nicht. Außerdem könnte er sich eh nicht verständlich machen.
Er verneinte die gestellte Frage also, denn "nein" und "ja" konnte er bereits auf Japanisch sagen.
"Sollten Sie etwas brauchen, dann melden Sie sich ruhig", mit diesen netten Worten ging die junge Frau zu einem jungen Ehepaar, dass ein Stofftier für ihre Kleine suchte.
Die einen suchten für ihre Kleine und Akefia suchte für seinen Kleinen.
Lustig, oder?

Bei der Entscheidung, welchem Plüschie er ein neues Zuhause geben sollte, machte es sich der Ägypter nicht leicht. Form, Farbe, Größe, Gewicht, "Weichheitsgrad", "Flauschigkeit" wurden genausten geprüft. Bevorzugt suchte er bei den Kuscheltieren, die wie Kaninchen beziehungsweise Hasen aussahen. Es sollte ein Weißer sein, so weiß wie Ryos Haar und mit braunen Kulleraugen. Leider waren solche Augen sehr selten und die Auswahl somit recht klein. Trotzallem fand er nach sehr langen und intensiven Suchen das passende Tierchen. Stolz wie Oskar brachte er es zur Kasse und zahlte. Auf die Frage, ob die Verkäuferin es ihm einpacken sollte, nickte er nur. Zwar hatte nicht so ganz verstand, was man von ihm wollte, da die nette Dame aber das Geschenkpapier hoch hielt, konnte er es sich erahnen.
Jedenfalls war er nun auf dem Weg zu seinem Ryo, der wahrscheinlich schon "sehnsüchtig" auf ihn wartete. Malik hatte das vor gut drei Tagen gesagt, als sie sich mal wieder zufällig begegnet waren. Die beiden hatten sich ein bisschen verquatscht und ehe sie sich versahen, war es bereits Abend gewesen. Der jüngere Ägypter hatte daraufhin nur gemeint, dass es besser wäre, wenn sie nun nach Hause gehen würden, denn sie beide würden ja schon sehnsüchtig erwartet werden.
Ob Ryo wirklich so sehr auf Rückkehr gewartet hat?
Sie kannten sich doch kaum.
Nun gut, das war jetzt eh alles Vergangenheit. Im Moment musste er sich viel mehr darauf konzentrieren den richtigen Weg zu gehen. Sich hier zu verlaufen gehörte nicht in seine Planung. Vor allem würde er dann sehr wohl zu spät kommen und dies wollte er vermeiden.

Tapfer kämpfte er sich durch den schneebedeckten Wald, der sich etwas außerhalb der Stadt befand. Es war dunkel. Sehr dunkel sogar.
Wieso hatte der Schüler sich nur so einen Ort zum Feiern ausgesucht?
Oder war das am Ende eine Idee vom Pharao, um ihn los zu werden?
Wer wusste schon, was ihn hier wirklich erwartete.
Vielleicht hätte er damals an Halloween auf Marik hören und sich mit ihm zusammen gegen den ehemaligen Herrscher stellen sollen.
Warum dachte er jetzt überhaupt so einen Blödsinn?
Wahrscheinlich lag es daran, dass er müde war.
Seit heute Morgen um sechs Uhr war er auf den Beiden und durfte mit Ryo durch die Gegend wuseln. Früher war er zwar auch immer früh auf gewesen und hatte sich um einiges mehr bewegt, aber in dieser Welt war irgendwie alles anders.
Vielleicht wurde er aber auch einfach nur alt, wobei er dies eigentlich schon war. Er hatte vor gut 3000 Jahren existiert. Eigentlich sollte er jetzt nicht mehr da sein, aber das Thema war ja bereits mehrmals angesprochen worden.
Es hatte angefangen stärker zu schneien.
Er sollte sich lieber beeilen.
Akefia beschleunigte seine Schritte etwas.
Hoffentlich lief er auch in die richtige Richtung, wenn nicht, dann hatte er ein Problem.
Obwohl, er hatte doch noch dieses Ding.
Wie war noch gleich der Name davon?
Handy?
Genau, Handy!
Damit könnte er Kontakt zu Ryo aufbauen und ihn fragen, wohin er musste.
Machte das in einem Wald Sinn?
Dort sah immer hin alles gleich aus. Ein Baum neben dem anderen. So wie Wälder nun mal waren.
 



Kaum war das eine Fest vorbei, stand auch schon das nächste vor der Tür.
Inzwischen war es Dezember und dem entsprechend kalt. Vor gut drei Tagen hatte sich der erste Schnee auf den Weg nach unten auf die Erde gemacht. Die Kinder und Jugendlichen lieferten sich eiskalte Schlachten und warteten voll Vorfreude auf den Besuch eines weißbärtigen, dickbäuchigen Mannes, der auch als Weihnachtsmann bekannt war.
Von alle dem bekam Akefia nur mit, dass mal wieder irgendwas los war. Was die Menschen aber dieses Mal wieder in die Geschäfte trieb, war ihm schleierhaft. Im alten Ägypten gab es zwar auch Fest zu Ehren der Götter, doch das alles war anders. Bei den ganzen Festlichkeiten in dieser Welt schien es ja auch gar nicht um Gotteheiten zu gehen, was ihn durchaus verwunderte. Heutzutage nahm es so und so anscheinend nicht allzu genau mit der Verehrung der Götter. Gut, wenn er ehrlich war, dann hatte auch nie zu denen gehört, die vor ihnen herum gekrochen ist, wie manch anderer seiner Zeit, aber er hatte sie dennoch auf eine gewisse Art und Weise respektiert und als kleines Kind sogar gefürchtet. Nach dem man sein Dorf ausgelöscht hatte, war der Respekt fast vollständig verschwunden und aus der Furcht war Hass geworden.
So gesehen hatte er eigentlich kein Recht sich über die heutigen Menschen zu wundern, er war doch damals auch so gewesen. Die göttlichen Feste hatte er meistens auch nur dazu genutzt irgendwelche Leute auszurauben und gutes Essen abzustauben. Mehr hatte ihn einfach nicht interessiert. Außerdem konnte er so etwas näher an den Pharao heran kommen, zwar nie nah genug, aber es hatte gereicht, um er zu erfahren, wie er aussah und jedes Mal hatte er auch gute Informationen über den Palast bekommen.
In dieser Welt war das aber alles total anders.
Wie der ehemalige Herrscher Ägyptens wohl mit all diesen komischen Festtagen umging?
Wahrscheinlich war jener das alles schon gewohnt, immerhin steckte dieser schon seit längerem in Yugis Körper und hatte somit die Feste bereits durch diesen mitbekommen.
"Zorc" kannte sich mit ihnen vermutlich auch aus, immerhin hatte jener einige Zeit lang Ryos Körper in Anspruch genommen.
Der arme Junge.

Leise fielen die Schneeflocken vom Himmel und landeten auf der Erde. Einige Zeit sah der ehemalige König der Diebe dem weißen Treiben zu, ehe er sich auf den Weg zu Ryos Schule machte. Sie hatten ausgemacht, dass er den Schüler von dort abholte - es hatte einige Stunden benötigt, um das zu vereinbaren, da sie noch immer nicht die Sprache des anderen beherrschten - und dann gemeinsam in die Stadt ging, um sich mit vielen leckeren Naschereien einzudecken. Was Akefia nicht wissen konnte war, dass der andere Weißhaarige die Clementinen, Nüsse, Süßigkeiten sowie ein kleines Geschenk für den Nikolaus kaufen wollte.
Zwar hätte er auch gut alleine gehen können, doch dann hätte Aki vermutlich viel mehr darauf geachtet, was er mit dem Eingekauften tat, daher musste jener jetzt einfach mit. Außerdem konnte Ryo so die richtigen Leckereien kaufen und der Ägypter würde etwas mehr unter Mensch kommen. Ob jener dies auch wollte, war eine andere Frage.

Nun gut, jedenfalls war Akefia momentan auf dem Weg zur Oberschule von Domino City, die zu Fuß eine gute dreiviertel Stunde von der warmen Wohnung des Schülers entfernt lag. Und da er den Bussen und Zügen noch immer nicht traute, musste er durch die Kälte latschen, was seiner Laune so ungeheuerlich gut tat.
Es mag zwar sein, dass er schon niedrigeren Temperaturen stand gehalten hatte, aber das hieß noch lange nicht, dass er sie mochte.
Ändern konnte er sie nicht, aber über sie schimpfen.
Akefias Weg führte in durch einen kleinen Park, der seit dem ersten gefallen Schnee das Schlachtfeld der Grundschüler war. Folglich folgen hier die Schneebälle einem nur so um die Ohren.
Todesmutig wie Akefia nun mal war, hatte er sich für den Weg durch das zertrampelte Schlachtfeld entschieden. Nicht gerade seine klügste Entscheidung, aber er war ja auch schon etwas mehr als dreitausend Jahre alt, da konnte man manchmal einfach nicht richtig denken. Es kostete ihm sehr viel Selbstbeherrschung, um den kleinen Mistbälgern nicht ihren hübschen, zierlichen Hals um zu drehen. Die warfen ihn doch glatt mit Absicht ab! In seiner Zeit hätte es sowas nicht gegeben! Die Kinder damals hatten Angst vor ihm gehabt, zumindest die, die wussten, wer er war und die anderen hatten sich gar nicht erst für ihn interessiert. Auch wenn er oft von ihnen wegen seiner weißen Haare angestarrt worden war, was ihn aber eher weniger gestört hatte. Mit der Zeit gewöhnt man sich nämlich an so was und überhaupt, es gab schlimmeres.

Mit einem Mal musste er sich an ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren und braunen Augen erinnern. In Ägypten war sowas nicht selten, auch ihr Name hatte zu denen gehört, die so gut wie jedes zweite Mädchen besaß, dennoch war sie ihm auf Anhieb sympathisch gewesen, was aus Gegenseitigkeit beruht hatte. Als er das erste Mal in ihr Dorf gekommen war, war sie so um die fünf Jahre alt gewesen - vielleicht waren es auch ein oder zwei Jahre mehr. Kaum hatte sie ihn erblick, war sie auch schon auf ihn zugelaufen und hatte ihn gefragt, weshalb er so eine komische Haarfarbe habe. Ihre Mutter war ihr gefolgt und hatte sich auch sogleich für das Benehmen ihres Kindes entschuldigt. Eine nette junge Frau. Das Mädchen kam vom Äußeren sehr nach ihrer Mutter, aber das war eher unwichtig. Den Charakter musste die Kleine von ihrem Vater haben.
Akefia hatte damals gelacht. Noch nie war ihm sowas passiert. Mit einem breiten Grinsen hatte er ihr durch das weiche Haare gestrichen und ihr verraten, dass diese Haarfarbe bei alten Leuten ganz normal war und das ihr und ihren Haaren das selbe Schicksal bevorstand. Empört hatte sie ihm geantwortet, dass das nicht stimme und ihre Haare auf Ewig so schön bleiben würden. Sie war ein sehr süßes Mädchen gewesen.
Was wohl mit der Zeit aus ihr geworden war?
Da er für ein paar Tage in dem doch recht abgelegenen Dörfchen geblieben war, hatte er sie nach ihrer ersten Begegnung öfters getroffen. Dabei hatte ihm sehr viel von sich und ihrer Familie sowie den Lebensverhältnissen erzählt. Trotz ihres jungen Alters war sie sehr schlau und verstand vieles, was ihre gleichaltrigen Freunde noch nicht begriffen.
Ihr Vater war laut ihrer Mutter in einer Schlacht gefallen. Seit dem kümmerte sich ihre Mutter alleine um ihre drei Kinder.
Der älteste von ihnen arbeitete im Palast.
Ob er jenem schon mal begegnet war?
Der zweit älteste hatte vor gut einem halben Jahr eine Anstellung bei einem Handwerke in der nächst größeren Stadt gefunden, was genau das für ein Handwerk war, konnte sie ihm aber nicht sagen.
Sie selbst half ihrer Mutter im Haushalt und kümmerte sich auch gerne zusammen mit ihren Großeltern um das kleine Stücken Ackerbau sowie die wenigen Tiere, die sie besaßen.
Im Nachhinein musste er sagen, dass sie damit wohl zu den Wohlhabenden in dem Dorf gehörte.
Wie lange das wohl angehalten hatte?
Ihre liebenswerte Art hatte ihn dazu verleitet noch ein wenig länger im Dorf zu bleiben, was nicht jedem Bewohner gefallen hatte, aber das hatte ihn herzlich wenig interessiert.
In dieser Zeit hatte er dann auch von der Mutter des Mädchens erfahren, dass ihr Mann ab und zu auch geklaut hatte - wieso konnte Akefia leider nicht in Erfahrung bringen. Außerdem hatte er erfahren, dass er den Mann durchaus gekannt hatte. Diese Erkenntnis traf ihn bei ihrer letzten Unterhaltung, er verschwieg es den beiden Frauen. Es war besser so. Das Mädchen sollte glauben, dass ich Vater im Kampf um das geliebte Land gestorben war und nicht durch die Hand der grausamen Wachleute des ach so tollen Herrschers.
Wortlos war er damals verschwunden.

Aber all dies war jetzt Vergangenheit und sollte ihn nicht mehr interessieren. Er sollte aufhören an die vergangenen Tage zu denken, immerhin konnte er sie nicht zurück holen.
Vielmehr sollte er sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren und Ryo abholen. Der wartete sicherlich schon auf ihn.
Hoffentlich waren der Pharao und dessen Miniatur-Ich nicht anwesend. Auf die beiden war er noch immer nicht gut zu sprechen und dieser Sachverhalt würde sich auch nicht so schnell ändern. Diese möchtegern Weltverbesserer hatten in seinen Augen noch nicht sehr viel Gutes vollbracht. Gut, sie hatten ihn und Ryo von "Zorc" befreit, aber das war auch nur aus Eigennutz geschehen, immerhin hätte der Herrscher der Finsternis sie sonst vernichtet. Aber das sollte er lieber für sich behalten, denn er sollte froh sein, dass man ihn überhaupt erlaubte noch einmal ein Leben zu führen, ob er wollte oder nicht. Aber das alles war ja schon einmal erwähnt worden.

Mehr als nur schlecht gelaunt hatte er es dann doch endlich zur Schule geschafft. Strahlend wurde er von dem jüngeren Weißhaarigen in Empfang genommen und sogleich Richtung Innenstadt gezogen.
Dort wurde der Ägypter in jedes Süßwarengeschäft geschleift, dass sie finden konnten beziehungsweise das Ryo fand. Akefia suchte gar nicht erst, was wohl auch daran lag, dass er nicht einmal wusste, was genau gesucht wurde. Gut, nach dem fünften Laden, der bis obenhin muss Leckereien vollgestopft war, hätte er es wissen müssen, aber er stellte sich lieber dumm. Außerdem wollte er wieder Heim!

Nach gut zwei Stunden wurde sein Wunsch auch endlich erfüllt und er konnte sich erschöpft auf das weiche Sofa fallen lassen. Erstaunlich wie wenig Ausdauer er besaß.
Wie hatte er nur die letzten Jahre in Ägypten überstanden?
Als Dieb, vor allem als König der Diebe, brauchte man eine gute Ausdauer.
Die hatte er auch einst gehabt, leider war sie wohl innerhalb der vergangenen dreitausend Jahre verloren gegangen.
Schade!

Während Ryo in der Küche herum werkelte, ruhte sich Akefia aus und dachte ein bisschen über seine jetzige Situation nach. Es ging ihm hier ja gar nicht mal so schlecht. Er hatte jeden Tag etwas sehr leckeres zu Essen, musste also nicht hungern, konnte sich auch täglich, wenn er wollte, waschen und es gab immer frische Kleidung, auch herrschte kein Mangel an Trinkwasser und es war immer schön warm in der Wohnung.
Sein altes Haus, in welchem er als kleines Kind gelebt hatte, war im Vergleich hierzu die reinste Bruchbude gewesen.
Es war schön ein Dach über den Kopf zu haben und vor Wind und Wetter sicher zu sein.

Es gab nur eine einzige Sache, die ihn an diesem Haus störte und das war die Klingel. Jedes Mal wenn jemand meinte, er müsse dieses Dreckteil benutzen erschrak er sich zu Tode. Gut, nicht ganz, immerhin war er noch am Leben - mehr oder weniger zumindest, war jetzt Ansichtssache.
Leider blieb man auch am ach so tollen Nikolaustag davon nicht verschont.
Selbst der Weihnachtsmann oder Nikolaus oder wie der auch immer hieß sein, wäre jetzt gleich tot!
Wobei, kam der nicht eh durch den Schornstein?
Moment!
Wie sollte der Kerl da zu Ryo und ihm kommen?
Sie hatten keinen Schornstein, oder?
Oder verwechselte er da jetzt was?
Bestimmt.
Egal.

Neugierig schlürfte er in den schmalen Flur, um zu sehen, wer denn nun gekommen war. Vom Wohnzimmer aus hatte er nur hören können, wie der weißhaarige Schüler jemanden begrüßt hatte und das Schließen der Tür.
Kaum war er im Flur angekommen, wurde er auch schon fröhlich in den Arm genommen.
War das in dieser Welt eigentlich irgendein Ritual oder so?
"Sei gegrüßt, mein Freund."
Wessen Freund war er?
"Marik, halt deine Klappe, sonst darfst du die Nacht wieder auf dem Boden verbringen!"
Scheinbaren war der Grabwächterverein wieder zu Besuch.  
Hatten die kein eigenes Zuhause?
Oder irgendein altes Pharaonengrab das sie behausen konnten?
Es war nicht so, dass er die beiden nicht mochte. Ganz im Gegenteil, besonders Malik hatte es ihm angetan. Der junge Ägypter war einfach zum Knuddeln und man konnte sie gut mit ihm unterhalten. Bei dessen schlechterer Hälfte sah das schon anders aus, aber jener war ihm um Längen lieber, als der bescheuerte Pharao oder einer von dessen bekloppten Freunden.
Trotzdem wollte im Moment nicht mit ihnen in einem Raum sein. Er wollte jetzt lieber für sich sein und über längst vergangene Tage nach denken.
Aus ihm war ein ziemliches Weichei geworden, nicht wahr?

"Hier."
Lächelnd drückte Malik Akefia eine kleine, braune Tüte in die Hände.
"Ein kleines Geschenk für dich."
Marik beschwerte sich sogleich, dass man ihm nicht auch etwas schenkte.
Er wurde eiskalt ignoriert.
"Im Übrigen sind die Stiefel vor eurer Tür mit irgendwelchen Dingen vollgestopft", meinte er nachdem er seine Beschwerde beendet hatte.
Jetzt wurde Akefia hellhörig.
Wer stopfte da einfach was in seine Schuhe?
Das war doch eine Unverschämtheit!

"Wieso war bei euch der blöde Nikolaus schon da und bei uns nicht!", moserte Malik auch gleich los.
Könnt man ihn mal ausklären?
"Was ist hier eigentlich los?"
Marik hatte in Akefias Heimatsprache gesprochen, während seine bessere Hälfte die japanische vorzog. Dementsprechend konnte der weißhaarige Ägypter zwar genau verstehen, dass jemand etwas in seine Schuhe gestopft hatte, aber die Erklärung - er vermutete dass Malik es erklärt hatte - verstand er nicht.
Die Verwirrung stand ihm wohl ins Gesicht geschrieben, denn sofort kam eine Erklärung, die er verstand. Zumindest sprachlich gesehen.
"Heute ist Nikolaus. Der alte Mann, den man als Nikolaus bezeichnet, stopft dann einfach ein paar Nüsse, Süßigkeiten und Mandarinen in die Schuhe der Kinder und verschwindet dann wieder. Manchmal schaut er auch höchstpersönlich bei den Kindern vorbei und schimpft sie beziehungsweise lobt sie. Aber das ist eh nicht so wichtig, die Hauptsache sind die Naschereien!"
Ach so.
Da packte also irgendein alter Mann Süßigkeiten und so einen Kram in fremde Schuhe.
Der hatte wohl zu viel Freizeit und ein bisschen zu viel Langeweile.
So ein Verrückter, aber davon schien es in dieser Welt eh auffällig viele zu geben.

Hoffentlich waren diese ganzen Feste bald zu Ende!

 


Ein Trum soll es sein, wie im Märchen.
Ein Schloss soll es sein, wie im Märchen.
Ein kleines Zimmer soll es sein, wie im Märchen.
Nur zwei in einem kleinen Zimmer in einem Schlossturm, wie im Märchen.

 


Während sich Akefia auf den Weg durch die Stadt gemacht hatte, war Ryo bereits zu ihrem vereinbarten Treffpunkt gegangen, um dort die letzten Vorbereitung zu vollenden. Den ganzen Weg über grinste der Schüler was das Zeug hielt.
Er war so unglaublich glücklich!
Er war sogar mehr als nur das, er war so glücklich, dass man es gar nicht mir Worten beschreiben konnte.
Bevor Akefia zu ihm gekommen war, hatte er nur gehofft, dass das Jahr so schnell wie möglich vorbei wäre und er Weihnachten einfach verschlafen würde. Alleine feiern war nicht sehr schön, vor allem wenn es doch eigentlich nicht sein musste. Sein Vater, mit dem er hätte feiern können, blieb lieber in irgendeinem fremden Land, bei fremden Leuten und ließ ihn, seinen einzigen Sohn, alleine.

Beim ersten Mal, hatte er nichts gesagt, sowas konnte ja mal passieren.
Beim zweiten Mal, hatte wieder nichts gesagt, nur gehofft, dass es das letzte Mal wäre.
Beim dritten Mal, hatte er erneut geschwiegen, seine Worte hätte doch eh nichts geändert.
Beim vierten Mal, hatte er auch nicht seinen Mund aufbekommen, wortlos hatte er einfach aufgelegt.
Beim fünften Mal, hatte er den Hörer des Telefons gar nicht erst abgenommen.
Fünf Jahre einsame Weihnachten!

Dieses Jahr war das sechste Mal, dass er alleine feiern sollte, doch das hatte sich ja zum Glück geändert.
Akefia war ja jetzt da und auch wenn jener nicht wirklich wusste, was es mit diesem Fest auf sich hatte, so würden sie sicherlich viel Spaß zusammen haben.
Er hatte sich so viele schöne Dinge überlegt, hoffentlich gefielen sie dem Ägypter auch. Wenn nicht, musste er sich was anderes überlegen, aber so schwer würde das schon nicht werden.
Jetzt sollte er sich aber nicht um die Dinge die eventuell passieren oder nicht passieren könnten kümmern, sondern vielmehr um das Essen!
Die benötigten Zutaten hatte er gestern bereits in das Anwesen, welche er für das Weihnachtsfest ausgesucht hatte, gebracht.
Pegasus war so lieb gewesen und hatte eines seiner kleinen "Schlösser" - egal wie groß ein Gebäude war, sobald es von ihm war, war es ein Schloss - überlassen.
Wahrscheinlich hatte er nur Angst gehabt, dass "Zorc" vorbei schauen würde, wenn er die Bitte des weißhaarigen Schülers nicht erfüllte. Erstaunlich, dass der Herrscher der Finsternis durchaus brauchbar war.
Heftig schüttelte Ryo seinen Kopf, um die Gedanken an das dunkle Wesen zu vertreiben.
Weihnachten war das Fest der Liebe und eigentlich auch der Familie, doch letzteres fehlte ihm schon seit Jahren. Es war nicht mehr von Bedeutung, so wie "Zorc". Jener war besiegt worden und irgendwann wären alle Erinnerungen an ihn ebenfalls verschwunden. Dann wäre alles wieder beim Alten.
Er sollte sich freuen.

Seine Schritte waren schneller geworden bei dem Gedanken an "Zorc". So als wollte er vor jenem davon laufen. Schon einmal war er weg gelaufen. Hatte Schutz in einer kleinen Kirche gesucht. In einem Haus Gottes.
Sollte dieser ihn nicht vor dem Monster beschützen, dass damals hinter ihm her gewesen war, in ihm geschlummert hatte?
Immer schneller wurden seine Schritte.
Seinem Vater hatte Ryo von alle dem nichts erzählt.
Wie hätte jener reagiert?
Hätte man seiner Geschichte überhaupt Glauben geschenkt?
Wohl eher nicht.
Von Akefia wusste sein alter Herr auch nichts. Würde es auch nie erfahren, außer er kam nach Hause.
Aber das auch nur, wenn der Ägypter noch da war.
Ryo war nicht dumm, er hatte früh begriffen, dass der andere Weißhaarige sich nicht wohl fühlte und sich nach seiner Ruhe sehnte. Man konnte es ihm ja auch nicht verübeln. Ein Teil von Akefias Seele, so hatte Ishizu es ihm mal erklärt, war zusammen mit "Zorc" im Millenniumsring gefangen gewesen, deswegen konnte jener auch nun in der heutigen Welt existieren. So ganz verstanden hatte er die Erklärung zwar nicht, aber ihm war dadurch klar geworden, dass der "junge" Mann seit über dreitausend Jahren auf den erlösenden Schlaf wartete. Sowas muss ziemlich grausam sein, oder?

Mittlerweile hatte er den Waldrand erreicht. Zuerst würde er dem kleinen Pfad folgen, der nur noch durch den festgetretenen Schnee zu erkennen war, dann würde er einem "geheim" Pfad folgen, den Pegasus ihm vorgestern gezeigt hatte. Man konnte ihn nur finden, wenn man wusste, worauf man achten musste. Neben einer alten Eiche, die ihre besten Tage schon vor einem Jahrzehnt erlebt hatte, gab es eine kleine Absenkung, die einem direkt zu dem unbekannten Weg führte. Der Erfinder des erfolgreichen "Duel Monsters"-Kartenspiel hatte diesen Zugangsweg zu seinem Schloss gewählt, da die meisten den Pfad nicht als solchen erkannten oder keine Lust hatten die doch recht steile Absenkung herunter zu rutschen oder zu fallen. Ryo hätte dies alles nicht abgeschreckt. Da er aber nur selten in den Wald ging und auch nicht darauf achtete, wenn er es dann doch mal tat, wo noch versteckte Wege lagen, konnte er nur vermuten, dass es ihn nichts ausgemacht hätte.
Jetzt war es eh nebensächlich.

Um auch wirklich dahin zu kommen, wohin er wollte, hatte er sich vorgestern ein paar Merkmale des Weges gemerkt. Zum Beispiel befand sich ungefähr zehn Schritte vom Waldrand ein roter Drache in den Ästen eines kahlen Baumes. Er hing von den Ästen herab. Ungefähr weitere fünf Meter befand sich ein Baum, in dessen Rinde ein Liebespärchen ihre Anfangsbuchstaben verewigt hatten. Danach kam ein großer Stein, auf dem sich im Sommer die kleinen Kinder gerne nieder ließen. Kurz darauf erschien die alte Eiche - Pegasus hatte ihm zumindest gesagt, dass es eine wäre.

Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis er am "Schloss" ankam. Dort traf er auf einige Angestellte des ehemaligen Besitzers des Millenniumsauges.
Die Männer und Frauen in schwarz und weiß putzen fleißig die gesamten Räume und zeigten dem Neuankömmling den Weg zur Küche. Diese war bereits aufgeräumt und geputzt. Lächelnd hatte sich die freundliche Dame, die Ryo geführt hatte, verabschiedet und ihm viel Spaß beim Kochen gewünscht. Natürlich hatte sie auch wissen wollen, für wen der weißhaarige Schüler das alles tat, aber der Gefragte hatte geschwiegen. Es musste ja auch nicht jeder Trottel von Akefia wissen, außerdem hätte sie da sicherlich irgendwas hineininterpretiert.

Höchst motiviert packte er die benötigten Materialien heraus und begann dann sogleich mit dem Kochen und Backen. Zur Sicherheit, damit das Zeug nachher auch essbar war, hatte er sich die Rezepte in die Manteltasche gepackt. Diese legte er sich neben die Arbeitsfläche. Den Mantel hatte er auf eine Ablage neben der Küchentür abgelegt.
Seine Haare hatte er zu einem Zopf zusammengebunden, da sie ihn nur stören würden.

Nachdem er alles zubereitet war und er nur noch darauf warten musste, dass die Eieruhr klingelte, beschloss er in den Turm, der der eigentliche Grund für sein Interesse an diesem Gebäude war, zu gehen und dort noch ein bisschen herum zu räumen.
Für den Abend sollte schließlich alles perfekt sein.

Viel befand sich nicht in dem recht kleinen Raum im obersten Stockwerk des Turmes. Es gab einen alten Tisch, drei Stühle, einen Kamin, ein Bett, ein Fenster, ein Sofa und eine leere Vase. Wieso es hier ein Bett und ein Sofa gab, war Ryo ein Rätsel, aber wer wusste schon, für was dieser Raum hier eigentlich gedacht war. Ihm kamen die beiden Gegenstände sowie der Kamin nur recht, denn so konnten Akefia und er hier übernachten ohne befürchten zu müssen, dass sie erfroren.

Die Möbel waren mit einer leichten Staubschicht versehen. Zumindest war hier mal geputzt worden.
Warum hatte das Personal in ihrem Putzwahn nicht auch gleich sauber gemacht?
Nun gut, selbst ist sich der Schüler!
Schnell rannte er die steilen Treppen nach unten, um sich die benötigten Utensilien zu holen, dann ging es auch schon wieder nach oben, wo auch sofort los gelegt wurde.
Kein Staubkorn wurde verschont. Jeder noch so kleine Winkel wurde auf Hochglanz gebracht.  
Der "Frühjahrsputz" nahm einige Zeit in Anspruch, denn der weißhaarige Schüler gab sich nicht so leicht zufrieden. Es musste wirklich alles glänzen. Alles nur für Akefia. Wahrscheinlich hätte er noch stundenlang weiter gewerkelt, wenn nicht die Eieruhr, die er sich auf den Tisch gestellt hatte, plötzlich gemeint hätte, sie müsse klingeln.
Rasch sprang der Junge auf, schnappte sich das kleine Ding und raste in die Küche, um nach dem Essen zu sehen.

Fröhlich begutachtete Ryo sein Werk.
Es roch so gut!
Am liebsten hätte er es sofort verspeist, aber das musste noch warten. Zuerst sollte sowieso Akefia probieren, der ganze Zirkus hier wurde ja nur wegen jenem veranstaltet.
Damit es abkühlte, stellte er das Essen auf eine saubere, freie Arbeitsplatt und räumte dann die noch vorhandenen Überreste seiner Kocharbeit auf.
Jetzt war er fast fertig. Nur noch der letzte Schlief und alles wäre perfekt für den heutigen Abend. Hoffte der Schüler zumindest.
 



Ende November war Ryo endlich die Idee für das kommende Weihnachtsfest gekommen. Seit Anfang Oktober hatte er überlegt, wo er feiner sollte. Das es Etwas ganz besonderes werden sollte, war gleich klar gewesen. Die Frage war nur, wie sollte es besonders werden.
Ziellos war er also oft stundenlang durch den Wald nahe Dominos gestreift und hatte nachgedacht. Durch Zufall war er auf ein riesiges Gebäude gestoßen, das fünf hohe Türme besaß. Da es verlassen ausgesehen hatte, hatte der Oberschüler beschlossen mal einen Blick zu riskieren - es war nicht abgeschlossen.

Auf den Möbeln lag eine Zentimeter hohe Staubschicht. Hier war also schon lange niemand mehr gewesen. Wachsam schritt der Weißhaarige durch die große Empfangshalle.
Wer wusste schon, was hier alles auf ihn lauern könnte?
Anstatt sich die unteren Räume zuerst an zu sehen, stieg er gleich die mit rotem Teppich ausgelegten Stufen nach oben. Dort hingen viele Gemälde und Kerzenhalter an den Wänden. Durch den Staub waren die Personen, die portraitiert worden waren, stellenweise schlecht zu erkennen. Ihm fiel aber auf, dass vor allem eine blonde, sehr hübsche, junge Frau öfters zu sehen war.
Wer sie wohl war?
Oder besser, gewesen war?

Die erst beste Tür, die er entdeckte, versuchte er auch gleich zu öffnen. Da sie nicht abschlossen war, klappte der Versuch auch problemlos.
Zögerlich trat er in den Raum.
Es war ein Arbeitszimmer.
Viel gab es hier nicht zu sehen, also ging er wieder.
Auch die anderen Zimmer waren uninteressant.

Da Ryo davon ausging, dass er auch nichts besonders in den unteren Zimmern finden würde, machte er sich gleich zu den Türmen. Die vier Ecktürme zogen ihn nicht so an, wie der, der sich zwischen den hinteren beiden Ecktürmen befand.
Irgendwas an diesem Turm war anders.

Ryo hatte erwartet, dass die Tür zu dem hohen Turm verschlossen wäre, doch er hatte sich geirrt.
Vielleicht gab es dort drinnen auch nichts Besonders.
Vorsichtig stieg der weißhaarige Oberschüler die straubigen Steinstufen nach oben.
Er musste mehrere Pausen einlegen, da die Treppe ziemlich steil war und so viele Stufen war er noch nie in seinem Leben gelaufen.
Wieso hatte man nicht einen Lift eingebaut, den hätte man ja irgendwie tarnen können oder so.
Aber gut, seiner Gesundheit würde es wohl nicht schaden, oder?
Bewegung war doch gut für den Körper, richtig?
Ja, wenn dieser blöde Staub nur nicht wäre, dann wäre es gar nicht mal so schlimm.
Morgen würde er sich auf die faule Haut legen, heute hatte er bereits genug Sport für eine Woche gemacht - mindestens!

Am Ende der endlos erscheinenden Treppe lag eine dunkelbraune Holztür. Auch sie war nicht abgeschlossen. Quietschend ging sie auf, als Ryo sie an stupste. Ihm kam das alles, wie in einem billigen Hollywoodstreifen vor. Skeptisch sah er in den hellen Raum. Und wieder überall Staub.
Durch das recht kleine Fenster, das schon etwas mitgenommen aussah, schien die Sonne. Verwelkte Blumen standen in einer weißen Vase.
Einige Minuten ließ der Oberschüler diesen Anblick auf sich wirken, ehe ihm die Idee kam.
Weihnachten an einem ganz besonderen Ort?
Aber so was von!

Strahlend vor Freude nahm er das Zimmer genauer unter die Lupe. Dabei entdeckte er ein Bild, welche eingerahmt auf einem Stuhl neben dem Bett stand. Vorsichtig strich er die Staubschicht weg.
Zum Vorschein kamen die junge Frau, die er bereits von den ganzen Portraits in der Villa kannte und ein junger Mann, der ihm unheimlich bekannt vor kam.
Woher kannte er dieses silberne, lange Haar nur?
Mal ganz scharf nach denken.
So schwer konnte es ja nicht sein.
Wie viele Leute, die er kannte, hatten schon so eine Haarfarbe?
Nur einer!
Pegasus!

Auch wenn "Zorc" damals seinen Körper kontrolliert hatte, so hatte er durchaus mitbekommen, was in seiner Umgebung vor sich ging. In seinem Schloss auf dem Königreich der Duellanten des Erfinders des berühmten "Duel Monsters"-Kartenspiels hatte es ebenfalls ein Bild von seiner Geliebten gegeben. Es hatte sich auch in einem Turm befunden.
Dann gehörte das Gebäude also Pegasus. Auch gut, dann wusste er, wenn er fragen konnte. Immerhin wollte er nicht ganz ohne Erlaubnis hier einfach feiern, außerdem konnte er ihn fragen, ob er ein paar Leute zum Putzen engagieren könnte, da er alleine hier vollkommen überfordert wäre und wahrscheinlich hundert Jahre brauchen würde.
Plan gefasst, jetzt zur Ausführung.
Die Schritte waren ziemlich einfach: erst würde er versuchen aus dem Wald zu kommen, dann würde er sich zu Kaiba begeben, denn dort war Pegasus zur Zeit zu Besuch, sobald er den Silberhaarigen gefunden hatte, würde er ihn um Erlaubnis fragen und wenn er die hatte, würde er sofort alles andere in die Wege leiten - er musst sich ja noch was für die Dekoration überlegen.
Sollte er überhaupt dekorieren?
Gut, das musste er sich noch in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Jetzt erst einmal zu Pegasus.
Zum Glück hatte er Akefia bei Malik abgegeben.
Der andere Weißhaarige sollte von alle dem nichts wissen - es sollte ja eine überraschende Überraschung werden.

Es dauerte gute fünfundvierzig Minuten, bis Ryo endlich aus dem Wald heraus fand. Bis Weihnachten musste er sich überlegen, wie er den Weg ohne Probleme wieder fand. Aber jetzt war sowieso erst einmal Pegasus finden angesagt, über alles andere konnte er später nach denken.

Vom Waldrand aus konnte er sich dann recht gut orientieren. Schnell hatte er die Stadt erreicht und nahm sich einen Bus in Richtung Hauptsitz der Kaiba Corporation. Hoffentlich war der Silberhaarige noch dort. Er wusste nämlich nicht, wo der andere seine Bleibe für seinen Aufenthalt hatte. Der gute Herr hatte die Angewohnheit sich einen schwer auffindbaren Ort auszusuchen.
Wie üblich kam der Bus zu spät. Dieses Mal waren es gute zehn Minuten. Scheiß Teile! Gut, der Busfahrer konnte herzlich wenig für den Verkehr, aber es war dennoch ärgerlich. Immerhin stand er somit zehn Minuten lang in der Kälte und vielleicht wären die paar Minuten ausschlaggebend, ob er Pegasus noch antraf oder nicht.

Unruhig saß der weißhaarige Oberschüler auf seinem Platz und sah immer wieder auf die digitale Anzeige, die die nächste Haltestelle angab. Von seiner Zielhaltestelle musste er ungefähr fünf Minuten gehen, bis er bei der erfolgreichsten Spielefirma ankam. Den Weg kannte er nur, weil er Yugi mal dorthin begleitet hatte und auch ein paar Mal wegen neu entwickelte Spiele. Kaiba hatte ihn, Bakura Ryo, allen Ernstes nach seiner Meinung gefragt. Wie der Braunhaarige auf ihn gekommen war, verstand er zwar nicht, aber er hatte damals so das Gefühl gehabt, das Yugi den Firmenchef mit einer langen Rede dazu überredet hatte. So lang war das alles zwar nicht her, aber dem Schüler kam es vor, als wäre das vor Jahren geschehen. Es wäre ihm lieber.

Die Fahrt dauerte eine halbe Stunde.
Den Fußweg legte er in zweieinhalb Minuten zurück, weil er recht schnell ging. Er musste aber aufpassen, dass er nicht ausrutsche, denn es hatte in der Früh geregnet und nun war es eiskalt, sodass Glatteisgefahr bestand.
Glücklicherweise blieb er unversehrt.
Ja, auch ein Bakura Ryo hatte mal Glück.

Ein weiteres Mal hatte er Glück, als er direkt vor dem gigantischen Firmengebäude stand, denn die Gesuchte Person kam mit schnellen Schritten auf ihn zu. Das lag wohl aber mehr daran, dass er genau vor der großen Glastür stand und man somit automatisch an ihm vorbei musste, wenn man rein oder raus wollte.

Pegasus schien ihn bereits aus der Ferne zu erkennen.
Verwundert wurde er von jenem angesehen.
"Guten Tag, Bakura", grüßte der silberhaarige Geschäftsmann den Oberschüler, "Möchtest du zu mir oder bist du mit Kaiba-boy verabredet?"
Verabredet.
Wie das klang.
Bakura.
Wie er diesen Namen doch verabscheute, obwohl es sein eigener war.
"Guten Tag, Pegasus", grüßte Ryo zurück.
Im Moment fühlte er sich nicht wirklich wohl in seiner Haut. Er klang nicht einmal so freundlich, wie er es eigentlich wollte.
Lag es an seinem Nachnamen?
"Ich wollte zu Ihnen."
Verblüfft wurde er gemustert.
Dachte der andere etwa, dass er ihn gleich abstechen würde?
Nein, da wäre nur "Bakura" zu zutrauen, nicht ihm.
Er war Ryo.
"Ich wollte Sie etwas fragen, wenn es recht ist."
Am besten er brachte das hier ganz schnell hinter sich.
"Frag nur, Junge. Lass uns das aber lieber in meinem Auto besprechen, hier draußen ist es so kalt."
Wenn einem kalt war, sollte man sich halt wärmer anziehen!
Stumm nickte der Schüler lediglich und folgte dem Mann dann ins Auto. In jenem war es angenehm war. Aber das war nebensächlich.
"Du hast doch nichts dagegen, wenn wir ein Stückchen durch die Stadt fahren? Ich hatte noch nicht so viel Zeit mir Domino City anzuschauen."
"Ich habe nichts dagegen."
Es war ihm sogar ganz recht.

Nachdem sie ungefähr drei Minuten gefahren waren, wandte sich der Silberhaarige an den Schüler.
"Bakura, du hast vorhin gemeint, du hättest eine Frage."
Fast vergessen!
Schande über Ryos Haupt!
"Oh, ja, also, es geht um die Villa im Wald."
"Was ist damit?"
"Ich wollte fragen, ob ich Weihnachten dort feiern dürfte."
So, jetzt war es raus und jetzt würde man ihn sicherlich auslachen. Es war ja auch eine blöde Idee. Eine total blöde! Wie kam er nur immer auf so einen Blödsinn?
"Du möchtest dort Weihnachten feiern?", fragte Pegasus nach und sah den Jungen neben sich skeptisch an.
"Ja. Ich würde es auch ganz alleine putzen."
Wieso hielt er nicht einfach die Klappe.
Vor wenigen Sekunden hatte er doch noch die Einsicht gehabt, dass die Idee bescheuert war und jetzt schlug er auch noch vor, dass riesige Gebäude alleine zu säubern - was er niemals alleine rechtzeitig schaffen würde, wie bereits zu Beginn festgestellt hatte.
Wo war seine Intelligenz, wenn er sie mal brauchte?
Woher kamen jetzt eigentlich diese Zweifel?
Er sollte endlich damit aufhören sich selbst im Wege zu stehen.

"Wieso möchtest du denn ausgerechnet dort feiern. Es gibt sicherlich viel schönere Orte."
"Weil dieses Jahr etwas Besonders werden soll. Sie wissen doch sicherlich, dass der Pharao und Yugi "Bakura" zu mir gegeben haben? Ich möchte mit ihm zusammen in der Villa feiern, immerhin ist es sein erstes Weihnachten."
Und das sollte ihm in Erinnerung bleiben.
Nachdenklich sah der Silberhaarige aus dem Fenster.

Die Minuten vergingen und Ryo wurde immer unruhiger.
Aus dem Radio tönte leise ein Popsong, welches seit kurzem in den Charts vertreten war. Der Oberschüler mochte das Lied nicht. Zum Glück war es schon bald zu Ende.
"Nun gut, Bakura. Du kannst die Villa haben, aber wehe es kommt etwas weg."
Er konnte die Villa haben?
Hatte er richtig gehört?
Ein breites Lächeln legte sich auf seine Lippen.
Das war ja fantastisch!
Am liebsten hätte er einen Freudenstanz aufgeführt, aber das war ihm dann doch zu peinlich.
"Und putzen musste du auch nicht alleine. Mach dir da mal keine Sorgen ja."
"Vielen Dank."
Das war einfach zu schön, um wahr zu sein.
"Nichts zu danken, Bakura. Dein fröhliches Gesicht reicht mir."
Gut, das war jetzt doch etwas seltsam.
Aber wahrscheinlich lag das einfach an der Tatsache, dass Weihnachten näher rückte und da wurden die Leute ja bekanntlich netter und großzügiger - außer Kaiba Seto natürlich, der war so wie immer.

An der nächsten roten Ampel stieg der Braunäugige aus. Bedankte sich gefühlte hundert Mal und lief dann in Richtung Park. Von dort aus wollte er dann zu den Ishtars gehen. Zwar hätte er auch den Weg durch die Stadt nehmen können, aber der Park war so schön und ruhig.
Er würde jetzt Akefia abholen und dann die Weihnachtsfeier genau planen. Wobei, wäre es nicht besser, wenn er den anderen nicht noch eine Weile bei der ägyptischen Familie lassen würde? Dort gefiel es dem ehemaligen Grabräuber immerhin und bei Ryo Zuhause würde der ältere Weißhaarige nur vor dem Fernseher sitzen und gelangweilt durch das Programm schalten.
Eine schwere Entscheidung.
Nun gut, er würde eh erst fragen müssen, ob es recht war, wenn Akefia noch ein bisschen dort blieb. Maliks große Schwester hatte nämlich am Morgen den Eindruck erweckt, als hätte sie am späten Nachmittag noch etwas vor. Und so fürsorglich, wie sie war, wollte sie ihren kleinen Bruder nicht mit einer Person, wie dem Dieb, alleine lassen, vor allem wenn auch noch Marik anwesend war. Da hätte selbst Rishid kräftetechnisch Probleme.
 


Erst ein Lächeln.
Dann kommen die Zweifel.
Wieder ein Lächeln.
Dann kommen die Tränen.
Ein erneutes Lächeln.
Bleibt es?
Wenn ja: Wie lange?


Fröhlich vor sich hin summend, was eigentlich überhaupt nicht seine Art war, schlenderte ein weißhaariger junger Mann durch den verschneiten Wald.
Warum er so glücklich war?
Ihm war vorhin wieder eingefallen, was der Oberschüler ihn vor einiger Zeit gefragt hatte. Es war die Frage, die der Kleine ihm in den letzten Wochen, Monaten sehr oft gestellt hatte und er, Volltrottel, hatte die Bedeutung dieser Worte vergessen.
Er sollte sich was schämen!
Sobald er am Treffpunkt war, würde er Ryos Frage beantworten und dann würden sie dieses komische Fest – von dem er immer noch nicht wusste, welches es nun genau war – feiern.
Der Schnee knirschte unter den Füßen des Ägypters.

Fasziniert von dem großen Gebäude, welches er nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte, sah sich der ehemalige Dieb im Inneren um. Überall schienen wertvolle Gegenstände zu stehen und es viel ihm wirklich sehr schwer nicht einfach eines der Dinge ungefragt an sich zu nehmen.
Ach, die Macht der Gewohnheit war manchmal schon teuflisch!
Aber er hatte Ryo versprochen, nichts mitgehen zu lassen.
Versprochen war versprochen und wurde auch nicht gebrochen.
Wenn er nämlich jemanden, der ihm etwas bedeutete, versprach, dann hielt er sich auch daran. Er wollte ja, dass der andere ihm vertraute, ihn mochte.

Das Geschenk für den Oberschüler befand sich in einer bunt verpackten Box, welche sich wiederherum in einer weißen Tüte befand, die er „Lady-like“ hin und her schwang. Dies hatte er einmal in einen dieser seltsamen Spielfilme der modernen Welt gesehen und insgeheim wollte er es unbedingt einmal ausprobieren. Hier im Wald sah ihn ja keiner. Zumindest hoffte er, dass in dem Gebäude außer ihm und Ryo niemand war.
Wenn jemand anders ihn so sehen würde, wäre das seiner Meinung nach nicht so erfreulich.
Zwar machte er sich nicht viel aus der Meinung anderer, aber er wollte dennoch nicht, dass man ihn für bekloppt hielt, weil er so einen Alltäglichkeit – er glaubte zumindest, dass es eine war – für etwas Besonderes hielt. Für ihn fühlte es sich halt so an.

Ryo hatte ihm gesagt, er solle zum mittleren Turm gehen und die Treppen bis nach ganz oben steigen, was er auch tat.
Akefia musste zugeben, dass er mit jedem Schritt nervöser wurde.
Was ihn wohl erwarten würde?
Wie sollte er sich überhaupt verhalten?
Musste er irgendwas Bestimmtes machen?
Als er vor der Holztür stand, zögerte er erst, bevor er den Türgriff nach unten drückte und in den kleinen Raum dahinter trat.
Jetzt gab es für ihn kein Zurück mehr!
 



Zufrieden mit sich und der Welt besah sich der weißhaarige Oberschüler den kleinen, nun festlich geschmückten Raum. Das Fenster hatte er kurzzeitig geöffnet gehabt, um frische Luft herein zu lassen. Leider war das Zimmer dadurch ausgekühlt und den Kamin bekam er blöderweise nicht an. Zuhause nutzte er meistens die Heizung. Der Kamin kam nur dann zum Einsatz, wenn sein Vater da war. Akefia hatte das Teil auch das ein oder andere Mal an bekommen, aber jener war momentan nicht anwesend. So ein Dreck aber auch! Nun gut, konnte man jetzt aber auch nicht ändern. Dann würden sie halt näher zusammen sitzen müssen, um nicht zu erfrieren. Ein breites Lächeln legte sich auf seine Lippen.

Die Geschenke für den älteren Weißhaarigen hatte Ryo liebevoll unter den kleinen, festlich verzierten Weihnachtsbaum gelegt. So genau hatte er nicht gewusst, was er kaufen sollte, aber da es ja auf den Gedanken ankam, hatte er schlussendlich wohl ein bisschen zu viel besorgt. Es gab einfach so unglaublich viele Dinge, die er Akefia zeigen und schenken wollte. Was Selbstgemachtes war auch dabei. Lange hatte er überlegt, was er denn machen konnte. Leider besaß er kein richtiges Talent. Schlussendlich hatte er sich für etwas "Einfaches" entschieden. Sollte Akefia wieder nach Hause gehen, so würde er es wahrscheinlich nicht brauchen, doch vielleicht blieb der andere ja doch. Wenigstens noch ein paar Jahre. Der Oberschüler wollte nicht alleine sein. Sein ägyptischer Freund sollte ihm die Einsamkeit nehmen. Er sollte am besten für immer hier bleiben, doch dies war wahrscheinlich nicht möglich. Es war nicht zu übersehen, dass der andere Heimweh hatte.
So würde es jedem gehen.
Auch wenn bereits ein paar Monate vergangen waren, so gab es immer noch erhebliche sprachliche Probleme und die trugen nun wirklich nicht zu einer angenehmen Atmosphäre bei. Hier war alles anders.
Der Gedanke daran, wie sich Akefia unwohl fühlte, machte den Schüler traurig. Es musste schrecklich sein.
Wäre es nicht besser, wenn sie das ganze einfach beenden würden?
Warum hatte der Pharao "Bakura" hergebracht?
Dämlicher Pharao!
Wieso musste sich dieser Trottel nur immer als Held aufspielen?
Woher kam diese Wut ihn ihm?
Bis jetzt war es ihm egal gewesen, was der ehemalige Geist des Millenniumspuzzels so anstellte. Es hatte ihn nie wirklich betroffen - außer es hatte mit "Bakura" zu tun gehabt.
Rasch schüttelte der Weißhaarige seinen Kopf.
Er sollte jetzt nicht an solche Dinge denken!
Heute sollte er sich zu Abwechslung mal freuen und nicht heulend in der Ecke hocken!

Um auf andere Gedanken zu kommen, begab er sich zu dem kleinen Tisch und rückte die sich dort befindenden Teller, Gläser und Dekorationen zurecht. In der dezent verzierten Vase standen rote, künstlich Blumen. Sie sahen wie echt aus.
Als er dann nach einigen Verrückungen wieder zufrieden war, schritt er zum Bett, das er vorhin frisch bezogen hatte. An so kalten Wintertagen, wie den heutigen, war ein warmes, weiches Bett ein Segen. Hoffentlich sah Akefia dies genauso.

Ryo nächstes Opfer war der kleine Tannenbaum, der bis jetzt tapfer seinen Baum gestanden hatte. Skeptisch wurde er von oben bis unten gemustert. Ab und zu wurde eine bunte Kugel zu Recht gerückt und die oder andere elektrische Kerze wurde an einen anderen Ast versetzt.

Ja, er war nervös!
Verdammt nervös sogar.
Während seines gefühlten hundertsten Prüfungsdurchgang sah er, wie so oft an diesem Tag, zu der Tür.
Würde Akefia überhaupt kommen?
War wirklich alles so wie es war in Ordnung?
Hatte er auch nichts vergessen?
Würde es dem anderen gefallen?
War er noch richtig im Kopf?
Wohl eher nicht.

Er musste sich jetzt erst einmal beruhigen. Am besten er würde sich jetzt einfach auf den Stuhl, den er neben das Fenster gestellt hatte - so genau hatte er nicht gewusst, wohin mit dem dritten Stuhl -, setzen und warten bis der Ältere kam.
Genau, das würde jetzt machen!
Seufzend ließ er sich also nieder und starrte nach draußen.
Leise - wie auch sonst - fielen die weißen Schneeflocken vom Himmel.
Schon als kleiner Junge hatte Ryo es geliebt dem Schnee beim fallen zu zusehen, vor allem wenn er Himmel von schwarzen Wolken bedeckt war. Es hatte irgendwas Magisches an sich. Manchmal hatte er sogar die Flöckchen gezählt, aber dies hatte er dann auch schnell wieder aufgegeben. Um die Zeit rum zu bringen, war das aber eine sehr gute Idee. An so manchen einsamem Wintertag hatte er damit Stunden verbracht ohne es zu merken.
Er war schon erbärmlich, nicht wahr?
Langsam sollte er mal erwachsen werden und nicht ständig im Selbstmitleid versinken.
Er sollte anfangen mit anderen Jugendlichen raus zu gehen. Wenn er immer nur in seinem Zimmer saß und Spiele spielte, würde er niemals Freunde finden und die Einsamkeit würde nie verschwinden.
Wollte sein Vater deswegen nicht bei ihm sein?
War er ihm zu verweichlicht, zu langweilig?
Seufzend legte er seinen Kopf an die kühle Fensterscheibe.
Das Denken sollte er für heute echt sein lassen!
 



Zum Glück wurde die alte Holztür aufgeschoben, weshalb jene ein lautes Quietschen von sich gab und den Jungen aus seinen Gedanken riss. Tolles Timing!
Freudig sprang der Braunäugige auf und lief zur Tür.
Jetzt war eh alles egal. Wenn jetzt irgendwas schief ging, wäre es zu spät, um es zu ändern. Er sollte das Beste aus allem machen!
Freudig empfing er Akefia, der sehr fröhlich zu sein schien.
Was wohl passiert war?
Egal, erst einmal dem anderen aus der Daunenweste helfen, auch wenn jener dies auch alleine schaffen würde.

Dankend gab Akefia dem anderen einen Kuss auf die Stirn und beantwortete strahlend die vor Stunden gestellte Frage des Jüngeren. Welcher ihn daraufhin wortlos in den Arm nahm.
Es war eine recht kräftige Umarmung, was man von dem schwächlich wirkenden Jungen nicht erwartet hätte.

Viele Jahre hatte der ehemalige Dieb auf die Nähere eines anderen Menschen verzichten müssen. Klar, ab und zu hatte er sich auch mal mit einer Dame die Zeit versüßt, aber das was Ryo ihm in den letzten Monaten gegeben hatte, war etwas anders.
Viel wertvoller!
War es falsch, sich nach Haus zu wünschen?
Sollte er nicht lieber hier bleiben?
Hier bei Ryo.

Jener sah fragend auf die Tüte, welche sich in Akefias rechter Hand befand. Ziemlich neugierig der Bursche, fand der "junge" Ägypter.
Aber das war ja auch irgendwie verständlich.
Lächelnd holte er das Geschenk für den anderen heraus und überreichte es ihm.
War das jetzt der richtige Zeitpunkt?
Wohl eher nicht, aber er wollte es jetzt machen!
Ryo schien auch nicht länger warten zu wollen, denn kaum hatte das Geschenk in den Händen, wurde das bunte Papier herunter gerissen und achtlos auf den Boden geworfen, die Schachtel folgte so gleich.
Diese Seite des Oberschülers kannte Akefia nicht, weswegen er ein bisschen verwirrt war. Normalerweise war der andere total ordentlich. Die gesamte Wohnung glänzte vor Sauberkeit und jetzt wurde das Papier einfach zu Boden geworfen.
Unglaublich!
Lag das vielleicht an diesem Festtag?
Ihm war schon aufgefallen, dass die Menschen in dieser Welt an solchen Tage immer anders waren, als sonst. Ryo machte da sicherlich keine Ausnahme.
Irgendwie war das süß.
Der Anblick des kleineren Jungens war gar nicht in Worte zu fassen.
Dieses glückliche Lächeln, die vor Freude leuchtenden, braunen Augen und das ehrliche "danke" ließen den ehemaligen Dieb eine Wärme spüren, die er noch nie zuvor gefühlt hatte.
Es fühlte sich wundervoll an.

Ohne groß darüber nach zu denken, nahm Ryo seinen Gegenüber in den Arm und gab ihm dann einen sanften Kuss auf die Lippen. Auch wenn das Geschenk recht kindlich war, so liebte er es dennoch. Hätte sein Vater ihm ein Kuscheltier geschenkt, wäre er sicherlich enttäuscht gewesen, aber bei Akefia war das was anders. Jener kannte ihn noch nicht so lange und so gut, aber er war sich sicher, dass der andere sich bei der Auswahl des Geschenkes viel Mühe gegeben hatte. Das Plüschie würde sich bei den anderen Kuscheltieren bestimmt wohl fühlen. Ja, er mochte diese weichen Dinger, aber dies gab er nicht gerne öffentlich zu - immerhin war er schon sechzehn Jahre!
Akefia sah sich nach dem Kuss kurz nach einem Mistelzweig um, aber fand keinen.
Also irgendwie war dieser Brauch doch für die Katz', wenn sich niemand daran hielt!

Da blöd rumstehen mit der Zeit langweilig wurde, beschlossen die beiden sich an den Tisch zu setzen. Das süße Häschen musste mit dem Bett vorlieb nehmen. Aber dies sollte das niedliche Ding nicht stören.
Die beiden Weißhaarigen froren beide fürchterlich, aber keine wollte etwas sagen und daher beschäftigten sie sich mehr mit dem warmen, leckeren Essen. Aber nur so lange, bis es nicht mehr ging. Innerlich schlug Ryo sich mehrmalig für seine bescheuerte Idee im Winter das Fenster seines Turmes zu öffnen, in dem es keine Heizung gab.
Wie konnte man nur so dämlich sein?
Netterweise schwieg Akefia diesbezüglich und kümmerte sich wortlos um den Kamin.
Von Feuer machen hatte er nämlich Ahnung!
Ryo beschloss derweilen den Tisch näher an den Kamin zu schieben, damit die Wärme des Feuers sie schneller erreichen konnte. Natürlich stellte er ihn so hin, dass der Ältere noch aufstehen und sich an seinen Platz setzen konnte.
Essen wollten sie ja schließlich zu zweit.

Es dauerte nicht lange, bis das Feuer entfacht war und die Zwei gemeinsam am Tisch saßen. Sie sprachen nicht viel miteinander, da sie nicht wirklich wussten, was sie erzählen sollten und irgendwie wollten sie auch nicht reden.
 



"Du möchtest sicherlich deine Geschenke haben", meinte der Braunäugige sanft, während er über die gebräunte Hand des anderen strich. Er tat es aus Langeweile.
Ryo hatte vergessen was er alles geplant hatte. Seine Zweifel und seine Nervosität hatten ihn alles vergessen lassen.
Momente, wie diese, ließen ihn sich fragen, wie er es nur so weit in der Schule bringen konnte. Seine Noten waren immerhin alles andere, als schlecht. Ganz im Gegenteil, sie waren sogar sehr gut.
Nun gut, musste er halt das Beste daraus machen.
Akefia nickte.
Schnell stand der Schüler auf und ging zu dem kleinen Weihnachtsbaum, um eines der bunten Päckchen zu holen.
Es war das selbst gemachte Geschenk.
Es war nichts Besonders, sondern eher einfallslos.
Aber besser, als nichts, oder?

Neugierig löste der Ägypter das Papier von dem Packet.
Was wohl da drin war?
Vorsichtig holte er das lange Wollstück heraus.
Fragend sah er zu dem Weißhaarigen.
Jener lächelte ihn an und nahm dem anderen die Wolle aus der Hand.
"Ich habe dir einen Schal gemacht. War mein erster Versuch."
Da der ehemalige Dieb ein wenig vom Tisch weg gerückt war, da er das Geschenk auf seinem Schoß geöffnet hatte, konnte sich Ryo auf eben diesen setzten und den hellblauen Schal um den Hals des größeren zu legen.
Wieso er so handelte, konnte er nicht sagen. Es war einfach so ein Impuls. An Weihnachten war es doch fast schon Pflicht mit jemanden zu kuscheln und genau dies tat er jetzt. Mehr oder weniger zumindest.  
"Im Winter ist es ziemlich kalt, wie du sicherlich schon feststellen musstest. Daher habe ich dir deinen eigenen Schal gestrickt. Ich weiß, dass du ihn in Ägypten nicht gebrauchen kannst, aber wenn du noch ein wenig hier bleibst, dann kann er bestimmt nützlich sein."

Natürlich wusste er, dass Akefia nach Hause wollte.
Natürlich hoffte er, dass Akefia hier bei ihm blieb.
Natürlich war es egoistisch, immerhin ging es dabei nur um ihn und seinen Wunsch, der Einsamkeit zu entkommen.

Wie er das mit seinem Vater regeln würde, würde er sich überlegen, wenn es so weit wäre.
Er machte sich mal wieder zu viele Gedanken über Dinge, die wahrscheinlich nie geschehen würden.

Sanft drückte Akefia den kleineren Jungen näher an sich.
"Danke."
So genau wusste er nicht, was er sagen sollte. Es gefiel ihm, dass der Junge so an ihm zu hängen schien, aber es brach ihm doch irgendwie das Herz. Er würde gehen. Nur wann, war die Frage.
Ihm war schon aufgefallen, dass der Braunäugige oft alleine war. Die Eltern des Jungen hatte er noch nie gesehen, außer auf Bildern. Sowas kannte er nicht. Bis zu ihrem Tod waren seine Eltern immer für ihn da gewesen. Auch wenn sein Vater oft lange weg war, um genug Geld für die Familie zu verdienen, so hatte er sich immer viel Zeit für ihn genommen, wenn er mal Zuhause gewesen war.
Schade dass der Junge auf seinem Schoß dieses Glück nicht hatte. Dabei war er doch so ein liebes Kind, wobei "Kind" nicht die richtige Bezeichnung war. Von all den "Kindern", die man hier auch "Jugendliche" nannte - er sprach von den "Kindern" in Ryos Alter -, die er in dieser Stadt getroffen hatte, war sein Kleiner, wie er ihn ab und zu gedanklich nannte, was ihm aber erst vor ein paar Tagen aufgefallen war, einer der erwachsensten unter ihnen. Irgendwie war er stolz auf ihn. Ein wirklich toller Jugendlicher. Wenn er so darüber nachdachte, hatte er sich nie Gedanken über eine Familiengründung gemacht. Aber wenn er wüsste, dass seine Kinder genauso, wie der Kleine sein würden, dann würde er dem ganzen eine Chance geben. Immerhin bedeutete eine Familie Geborgenheit und Wärme. Etwas, dass er sich kurz nach dem er mit ansehen musste, wie man sein Dorf vernichtete, oft gewünscht hatte.


"Du bleibst doch noch ein Weilchen, oder?"
"Weiß nicht."
Er unterstrich seine Antwort mit einem Schulterzucken. Klar, er hätte "ja" sagen können, aber wenn er nur eine Woche oder so blieb, dann würde er denn Kleinen sicher sehr verletzen. Unter ein "Weilchen" verstand Ryo sicherlich mehr als nur eine Woche.
"Verstehe."

Seufzend stand Akefia auf, wobei er den Jungen mit hoch hob. Das Ziel des Ägypters war das Bett. Es war immerhin schon spät - sah zumindest so aus.
"Ich würde gerne bei dir bleiben, aber ich vermisse meine Welt einfach. Das verstehst du doch, oder?"
"Ja."
Natürlich verstand Ryo, aber es war dennoch schwer zu akzeptiert. Bis vor einigen Monaten war er nur alleine gewesen und es war für ihn das normalste der Welt, doch dann kam Akefia und er gewöhnte sich an die Anwesenheit einer weiteren Person. Sich von dieser dann wieder zu trennen war schwer. Die Einsamkeit würde ihm dann nur viel klarer werden.
"Wir sollten die Zeit, die wir noch gemeinsam haben, genießen."
Der heutige Tag sollte doch schön werden, so wollte es Ryo doch auch.
Wenn nicht, dann hätte sich den Kleine doch nicht so viel Mühe mit alle dem gegeben.
Der weißhaarige Schüler nickte stumm.
"Wir sollten mal ein Foto von uns machen. So als Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit. Dann ist es vielleicht auch nicht so schwer, wenn du wirklich wieder in deine Zeit, in deine Welt zurückkehrst."
Fotos.
Keine schlechte Idee.
Wenn er sich nicht irrte, dann waren "Fotos" diese Bilder, die überall in der Wohnung des Oberschülers zu finden waren.
"Wie willst du diese Fotos machen?"
"Na, mit einem Fotoapparat. Ich habe einen in meiner Tasche."
Liebevoll legte der Ältere den Jungen, der unglaublich leicht war, auf das Bett und holte dann dessen Tasche, die sich neben der Tür befand. Da er aber keine Ahnung hatte, wie so ein Fotoapparat aussah, nahm er sie mit zum Bett und ließ Ryo das Teil raus suchen. Außerdem wollte er nicht einfach in den Sachen anderer herum wühlen. Gut, er hatte früher Leute bestohlen und sehr wohl fremde Sachen durchsucht, aber das hier war etwas anders. Wenn man es genau nahm, war der sechzehn Jahre alte Junge kein Fremder mehr. Zwar verstanden sie kaum ein Wort des anderen, aber sie hatten trotzdem vieles über den anderen gelernt.
Genauer betrachtet gab es keinen Grund, wieder nach Hause zurück zu kehren, stellte Akefia fest, während Ryo dabei war die Tasche in ihre Einzelteile zu zerlegen.
Wo war nur dieser scheiß Fotoapparat?
Verdammtes Ding!


Irgendwann habe ich angefangen dich zu mögen.
Irgendwann habe ich angefangen dich zu lieben.
Irgendwann war mir klar geworden, dass ich dich mochte.
Irgendwann war mir klar geworden, dass ich dich liebte.
Hoffentlich war es nicht zu spät.


Bei Ryo gab es immer sehr leckeres Essen.
In der Wohnung war es warm und sicher.
Er hatte sein eigenes Zimmer, in dem er ganz ungestört tun und lassen konnte, was er wollte.
Das Bett war ein Traum.
Darin fühlte er sich immer, wie ein König.
Wobei er sich sicher war, dass der bescheuerte Pharao in seinem Palast nicht so ein grandioses Bett gehabt hatte.
Die vielen neumodischen Geräte waren zwar anfangs ziemlich verwirrend und auch irgendwie beängstigend gewesen, aber jetzt, da er sich mit ihnen auskannte, fand es sie klasse.
Außerdem hatte er hier Freunde gefunden, bei denen er nicht fürchten musste, dass sie ihn an die Palastwachen verrieten.
Und Ryo gab ihm das Gefühl wieder eine Familie zu haben, was ihm unheimlich viel bedeutete.
Aber dies alles würde niemals laut aussprechen.
Er doch nicht.
Man könnte doch glatt denken, dass es ihm hier gefiel und wer wusste schon, was sich dieser Volltrottel von möchtegern Herrscher - gut, er war Herrscher gewesen, aber trotzdem schien er mehr, wie so ein Möchtegern - darauf ein bildete.
Sicherlich erwartete der Depp sowas, wie Dankbarkeit oder so einen Blödsinn.
So weit käme es noch.
Er der König der Diebe - gut, ehemaliger König der Diebe - entschuldigte sich beim ach so großen Pharao - ehemaligen Pharao.
Nein, der sollte gefälligst zu ihm kommen und auf seinen pharaonischen Knien vor ihm herum rutschen und um Verzeihung betteln - was nichts bringen würde, aber der Anblick wäre köstlich.
Bei dieser Vorstellung musste Akefia einfach fröhlich Grinsen.
Ach, wie schön wäre es doch, wenn dies Wirklichkeit werden würde.
Leider sah der "Friedensstifter" gar nicht ein, dass er etwas falschen getan haben könnte und somit würde es wohl auch nie zu einer der artigen Entschuldigung kommen.
Wie konnte man nur so von sich überzeugt sein?
Nicht einmal diese kleinen, nervigen Biester, die sich Freunde nannten, sahen irgendetwas Negatives am Handeln des Pharaos. Aber gut, wahrscheinlich war das bei Freunden so.
Wie stand Ryo eigentlich zu dem ganzen?
War der Kleine diesbezüglich auf seiner Seite oder fand auch er, dass der Dieb an seinem Leid selbst schuld war, dass er Schuld war, dass die Dunkelheit in die Welt gelangen konnte.
Sollte er mal nachfragen?
Jetzt?
Oder lieber Morgen oder Übermorgen oder erst nächste Woche, nächstes Monat oder einfach gar nicht?
Er wollte diesen doch eigentlich recht schönen Tag nicht mit seinen Fragen, die der Kleine vermutlich nicht einmal verstand, zerstören.
Dämliches Sprachproblem!
Das Teil sollte verschwinden.
Sofort!

"Akefia, alles in Ordnung?"
Ja, sicher doch - irgendwie.
Seine Gedanken waren nur ein wenig seltsam.
"Ja."
Ryo hatte seine Tasche auf den Boden neben dem Bett fallen lassen, nachdem er das Gesuchte gefunden hatte.
"Dann ist ja gut."
Lächeln zog der Weißhaarig den Älteren zu sich aufs Bett, so dass sie nun nah nebeneinander lagen.
Das Stofftier hielt er im linken Arm, während er den Fotoapart mit der rechten bediente.
"Du musst lächeln, Akefia."
Leichter gesagt als getan. Immerhin war der Angesprochene gegenüber dem kleinen quadratischen Ding sehr misstrauisch.
Wie sollte so ein Teil denn "Fotos" machen?

Das plötzliche Licht verwirrte ihn erst recht. Komisches Teil.
Überhaupt war alles in dieser Welt seltsam.
Schnell griff Akefia nach dem Fotoapparat und sah ihn genauer an, aber er musste gestehen, dass er doch ein wenig überfordert war. Diese ganzen kleinen Knöpfchen mit ihren für ihn verwirrenden Symbolen überforderten ihn einfach.
Wie es nun mal Ryos Art war, erklärte dieser dem anderen gleich, wie das Gerät funktionierte, auch wenn man ihn höchstwahrscheinlich kaum verstand. Aber das Thema war ja bereits durchgekaut.
"Lass uns noch ein Bilder machen, ja? Wenn wir dann wieder daheim sind, können wir sie ausdrucken und uns Fotoalben anlegen und das ein oder andere Foto können wir ja auch aufstellen, wenn du willst."
Dem Schüler gefiel diese Idee. Bis jetzt hatte er immer die Gesichter seiner Familie gesehen, wenn er sich in der viel zu großen Wohnung um gesehen hatte. Sie hatten ihm immer wieder bewusst gemacht, dass er alleine war, dass seine Familie zerbrochen war - war Familie überhaupt noch die richtige Bezeichnung für ihn und seinen Vater, der eh so gut wie nie da war?
Es wäre sicherlich wundervoll, wenn ihn jemand, der in seiner Nähe war, ihm entgegen lächeln würde. Selbst mit Malik und Marik, die sowas wie Freunde waren, hatte er bis jetzt keine Fotos gemacht.
Wieso eigentlich?
Vielleicht sollte er diese Tatsache ändern, immerhin mochte er die beiden, auch wenn Marik ein bisschen sehr verrückt war und ihm etwas sehr viel Angst machte. Tief in seinem nicht vorhandenem Herzen war Marik ein lieber Kerl, daran glaubte Ryo und Malik wohl auch, sonst würde er sein anders Ich nicht so vor seiner Schwester verteidigen.
Aber vielleicht lag Maliks Verhalten auch dem zu Grunde, dass Marik eben sein anders Ich war - ein Teil von ihm. Ryo hätte sich auch für "Bakura" eingesetzt, auch wenn er dessen Handeln nicht immer für richtig angesehen hatte.
Ob Yugi sich dessen Bewusst war, dass einer seiner "Freunde" auf der Seite des "Feindes" gestanden hätte, wenn es ihm möglich gewesen wäre?
Wohl eher nicht.
Ja, es war nicht wirklich logisch, dass er sich für den Ringgeist eingesetzt hätte und auf der anderen Seite froh war, dass jener nun für immer weg war. Im Leben musste ja nicht immer alles logisch sein.
Wenn man immerzu auf Logik achten würde, dann wäre Akefia jetzt sicherlich nicht bei ihm, richtig?

"Lass uns noch Fotos machen", wiederholte sich der Braunäugige und drückte den Ägypter wieder in die weichen Laken, was aber nur möglich war, weil der andere sich nicht wehrte.
Mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht nahm er den Fotoapparat wieder an sich und kuschelte sich an den Älteren.
"Weißt du, Amane und ich haben es geliebt uns irgendwo hin zu kuscheln und Fotos zu machen. Sie hatte dabei immer das kleine Stoffhäschen bei sich, dass ich ihr mal geschenkt hatte. Die Fotos liegen jetzt aber in einer Kister irgendwo in der Abstellkammer."
"Amane?"
"Meine kleine Schwester. Sie starb vor einigen Jahren mit meiner Mutter bei einem Unfall. Seit dem Arbeitet Vater auch mehr. Und ich bin öfters alleine."
Behutsam legte Akefia einem Arm um seinen Kleinen.
"Ich verstehe nicht, wieso er mich alleine lässt. Klar, er ist jetzt der Einzige der Geld verdient, aber wir sind nur noch zu zweit und wir bräuchten beispielsweise keine große Wohnung mehr und ich könnte versuchen eine Genehmigung für einen Nebenjob zu bekommen und dann müsste er nicht ständig Monate lang in einem Land verbleiben."
Falsches Thema!
Ganz falsch!
"Ich habe manchmal so das Gefühl, dass er mir einfach aus dem Weg gehen will. Traurig, oder?"
Eine einzelne Träne ließ über die blasse Wange des Oberschüler. Schnell wischte er sie weg.
 



Freudig hüpfte ein kleines, weißhaariges Mädchen durch die Wohnung. Ihr Kleid, welches ebenfalls weiß war, flatterte dabei hin und her.
Ach, wie sie das doch liebte.
Ihre Mutter und ihr Vater waren mit dem Weihnachtsbaum beschäftigt, immerhin würde heute doch das Christkind kommen und ihnen Geschenke bringen und da musste das Bäumchen doch hübsch sein.
Das ganze Jahr über war sie brav gewesen. Artig hatte sie ihr Gemüse gegessen, nicht gelogen und immerzu "bitte" und "danke" gesagt. Den Wunschzettel hatte sie auch rechtzeitig geschrieben - gut, ihre Mutter hatte geschrieben, aber das war ja auch egal. Es gab also keinen Grund, warum man ihr ihre Wünsche nicht erfüllen sollte.

Es war bereits dunkel Draußen. Fasziniert von den weißen Punkten, auch Schneeflocken genannt, sah ihr Bruder, der auch weiße Haare hatte - was eigentlich komisch war, da ihre Eltern beide eine andere Haarfarbe besaßen -, aus dem großen Wohnzimmerfenster.
Als sie ihn da so sitzen sah, lief sie zu ihm und nahm ihn in den Arm. Sie mochte seine Nähe. Er war immer nett zu ihr und das Häschen, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, liebte sie so sehr, dass sie es überall mit hin nahm, auch wenn ihre Eltern meinten, sie wäre doch schon zu alt, um es wirklich überall mit hin zu nehmen.
"Was machst du da, Ryo?", fragte sie mit ihrer lieblichen Kinderstimme und sah den Angesprochenen ganz lieb an.
"Ich schaue den Schneeflocken beim Fallen zu und versuche sie zu zählen, aber es sind so viele."
"Soll ich dir beim Zählen helfen?"
"Nein, aber wenn du willst, dann können wir was spielen."
Natürlich wollte sie etwas mit ihrem Bruder spielen.
Sie legte einen ihrer kleinen, zierlichen Finger an ihr Kinn und dachte nach.
"Wie wäre es mit diesem Monsterkarten Spiel?"
Wie hieß das noch gleich?
"Wenn du es spielen willst, sicher doch."
Ryo unternahm gerne Dinge mit seiner kleinen Schwester, sie war einfach zu süß. Vor allem, wenn sie etwas spielten in dem sie gut war und fast immer gewann. "Duel Monsters" gehörte nicht zu ihren Stärken, aber sie schlug es eigentlich so gut wie immer vor.
Vielleicht weil er es so gerne spielte. Leider fanden seine Klassenkameraden das Spiel doof und somit stand er ziemlich alleine da. Glücklicherweise gab es ja noch niedliche keine Schwesterchen, die gerne mit einem eine Runde spielten oder auch zwei, drei.
"Sicher will ich spielen, sonst hätte ich es doch nicht vorgeschlagen, oder?"
Sie war nicht nur süß, sondern auch klug. Sehr klug sogar.
"Gut, dann komm, wir gehen in unser Zimmer. Mama und Papa wollen sicher ungestört den Weihnachtsbaum bestaunen."
Sollte es nicht eigentlich so sein, dass die Kinder vor diesem standen und sich die Augen aus den Höhlen starrten?
Irgendwas ließ in dieser Familie ein bisschen, aber wirklich nur ein bisschen, schief.
"Geht klar."
Freudig sprang das kleine Mädchen auf und lief los.
Seit dem Moment an, an dem sie Gehen gelernt hatte, wollte sie nur noch laufen. Sie liebte den Wind, der ihr dabei durch die langen Haare wehte. Sie liebte ihre Haare. Sie waren ganz weich, so wie die ihrer Mutter. Ihre waren zwar noch nicht so lang und schön, aber das würde sich bestimmt noch ändern.
Da sie als erste im Kinderzimmer ankam, suchte sie schon mal die Karten heraus, was gar nicht so leicht war, wenn man das Chaos, welches in den Schränken ihres Bruders herrschte, betrachtete.
Warum mussten Jungs auch immer so unordentlich sein?
Nun gut, dafür war sie um so glücklicher, als sie das Gesuchte dann endlich gefunden hatte. Sie war eine richtige Abenteuerin. Neben bei hatte sie sogar ein paar tolle Plüschtiere entdeckt. Ryo hätte sicherlich nichts dagegen, wenn sie ihnen ein neues Zuhause gab.
"Hast du die Karten?", fragte ihr Bruder, der in der zwischen Zeit auch angekommen war und bereits eine kuschlige Decke auf dem Teppichboden ausgebreitet hatte, damit sie es schön weich und warm hatten, während sie auf dem Boden saßen beziehungsweise lagen und spielten.
"Ja."
Stolz hielt sie sie hoch.
"Mama hat gesagt, dass sie uns was zum Naschen und so bringt."
Ach, ihre Mutti war doch die Beste!
"Gut. Lass uns jetzt aber endlich anfangen, ja?"
Auch wenn sie so gut wie jedes Mal verlor, so machte es ihr unheimlichen Spaß. Die Monster mit all ihren besonderen Eigenschaften, die vielen verschiedenen Zaubersprüche und gemeinen Fallen faszinierten sie enorm. Aus Langeweile hatte sie sogar mal die Menschen in ihrer Umgebung mit den Kartenmonstern verglichen und dabei beschlossen, dass ihr Bruder einem der Magier, die sie besaßen, sehr ähnlich war. Gesagt hatte sie ihm dies aber nicht.
Warum auch?
Es war unwichtig.

Lautlos stellte die junge Mutter ihren beiden süßen Kindern ein wenig Naschzeug und Trinken ins Zimmer. Sie war wahrlich froh, so brave Kinder zu haben. Wenn sie da an die ganzen Dinge dachte, die sie von den anderen Müttern hörte. Die schienen alle ein bisschen überfordert, was aber wohl daran lag, dass die Kinder sehr frech und ungehorsam waren. Klar, Amane und Ryo konnten auch sehr stur, sogar sehr stur, sein und auch mal laut werden, aber meistens beschäftigten sich die beiden still miteinander und halfen im Haushalt mit. So liebe Kinder gab es selten. Sie hoffte nur, dass sie auch so blieb. In der Pubertät wurden ja die liebsten Kinder zu Bestien, wenn man Pech hatte.
"Ryo, Amane, ich hole euch, wenn das Christkind die Geschenke vorbei gebracht hat, ja?"
"Geht klar, Mama."
Es war schon süß, wie die beiden gleichzeitig antworteten. Das taten sie öfters, fast wie Zwillinge.
Wortlos ließ sie ihre beiden Kinder dann wieder alleine in deren Zimmer. Sie würde nur beim Spielen stören.
Dieses Jahr zu Weihnachten würden die beiden mehr Geschenke, als sonst, bekommen. Immerhin waren sie dieses Jahr besonders brav gewesen - gut, eigentlich hatte sie ihren Mann mehr oder weniger dazu gezwungen alle gewünschten Dinge zu kaufen, was jener auch murrend getan hatte.
Ja, Weihnachten war doch jedes Jahr auf ein Neues wundervoll.

Und so verging die Zeit. Die Kinder spielten, die Erwachsenen bewunderten noch immer den schön geschmückten Baum und der Schnee fiel leise auf die Erde herab. Ein Weihnachten, wie es im Buche stand.
Zum Kotzen.
Fehlte nur noch ein Weihnachtssong, der im Radio auf und ab gesielt wurde, bis man ihn nicht mehr hören konnte, nicht mehr wollte.
Das blieb aber allen Beteiligten erspart.

Die beiden weißhaarigen Kinder waren bereits bei ihrer vierten Runde "Duel Monsters" - der Junge hatte drei Partien gewonnen.  Sein Schwesterchen wurde aber immer besser, wenn er nicht aufpasste, dann schlug sie ihn irgendwann bei jedem Spiel.
"Du bist wieder, Brüderchen."
"Gut, dann beschwöre ich ein Monster verdeckt im Verteidigungsmodus und lass meine übrigen Monster angreifen."
Der Angriff ging aber ins Leere, da Amane, sein süßes Schwesterchen, mittlerweile von ganz alleine an ihre Fallen und Zauberkarten dachte.
Frech grinsend hatte sie sein Monster auf den Friedhof befördert.
Sehr nett.
"So fiese Tricks habe ich dir nicht beigebracht, Amane."
"Was heißt hier "fiese Tricks", ich mache nur das, was du in den Spielen davor auch gemacht hast", verteidigte die Kleine schmollend ihr Handeln.
Sie sah dabei so zuckrig süß aus.
"Ist ja gut. Ich bin der Böse."
"Ja, bist du!"
Man konnte gar nicht oft genug erwähnen, wie süß sie doch war.
"Naja, egal, ich habe noch zwei weitere Monster. Wie sieht's aus? Hast du noch ein paar Fallen, oder war's das gewesen?"
Schnell prüfte das Mädchen ihre verdeckten Karten und lächelte ihn dann nur lieb an.
Natürlich hatte sie noch ein paar Fallen, aber die würde sie ihrem Bruder sicher nicht auf die Nase binden.

Es stand am Ende unentschieden zwischen den Geschwistern. Sie hatte fünf Partien gewonnen und er ebenso. Jetzt lagen sie auf ihrer gemeinsamen Kuscheldecke und sahen sich die verschiedenen Karten an. Einige würden sagen, sowas wäre langweilig, aber die beiden fanden es toll. Sie überlegten sich immer, wie so eine Monsterkarte so hieß, wie sie eben hieß und gaben ihre Kommentare zu dem Bild auf der Karte ab.
Die Naschereien hatten die beiden verspeist. Kinder eben.
"Willst du noch etwas Süßes, Amane?"
Klar wollte sie!
Sie wollte immer etwas Süßes, sie war ja auch eine Süße.
"Ja!", rief sie begeistert und sah ihren großen Bruder mit leuchtenden Augen an.
"Gut, dann hole ich uns noch welche. Bis das Christkind kommt dauert es ja noch eine Weile."
Eine sehr große Weile sogar.

Leise tapste der Junge durch den Flur in die große Küche, in der sich gerade seine Mutter befand und sich um das Abendessen kümmerte.
Als sie ihn sah lächelte sie wie immer freundlich an und fragte ihn, was er denn bräuchte.
Seine Mutter war einfach die Beste, da konnte man sagen was man wollte.
"Amane und ich würden gerne noch ein bisschen was zum Naschen haben."
"Aber nur ein bisschen und nur ausnahmsweise."
Normalerweise gab es vor dem Essen nichts mehr zum Naschen, aber an Weihnachten konnte man da doch auch mal eine Ausnahme machen, vor allem wenn man so liebe Kinder hatte.
"Sag deinem Papa aber nichts, ja."
Ein kleines Geheimnis.
Eifrig nickte ihr Sohn.
Er liebte Geheimnisse.

Die Süßigkeiten befanden sich in einem der weißen Schränke.
Es gab Kaubonbons, Kaugummis, Lutscher, Gummibärchen und vieles mehr, dass ein Kinderherz erfreute.
Ryo nahm sich bei der Auswahl der Nascherei viel Zeit, da er ja wollte, dass es Amane schmeckte. Gut, eigentlich wäre es egal gewesen solange er nicht Lakritz nahm, die konnte seine Schwester nämlich gar nicht leiden!

Zufrieden mit seiner Auswahl hatte er sich wieder auf den Rückweg gemacht. Amane wartete bereits sehnsüchtig auf ihn und die Leckereien, die er dabei hatte. Gut, sie wartete mehr auf die Süßigkeiten, als auf ihn, aber egal.
"Mama hat gesagt, wir sollen nicht so viel essen, es gibt nämlich bald Abendessen. Und Papa dürfen wir nichts sagen, ja."
Ein kleines Geheimnis.
"Geht klar."
Sie nahm das sehr ernst.
Ein Geheimnis verriet man nicht!
Ryo legte die Süßigkeiten auf das Tablett, welches ihre Mutter vor einigen Stunden zu ihnen gebracht hatte und nahm dann neben seiner Schwester Platz.
"Du, Ryo", meinte diesen dann.
"Ja?"
"Mit welcher dieser Karten würdest du mich in Verbindung bringen. Du darfst nur eine Karte aus jeder Kategorie aussuchen. Also eine Zauber-, eine Fallen- und eine Monsterkarte."
Eine schwere Entscheidung.
Es gab viele Karten, die zu Amane passten. Vor allem die mit den Feen, Elfen und Engeln. Sie waren genauso bezaubernd, wie seine kleine Schwester.
Sorgfältig sah er sich alle Monster an. Las auch ihre Effekte durch, sofern sie welche besaßen. Wirklich keine leichte Entscheidung.
Schlussendlich hatte er dann aber doch etwas gefunden.
Es war eine Magierin. Nicht besonders stark, aber durch ihre besondere Fähigkeit konnte sie, wenn sie auf den Friedhof gelang eine Zauberkarte von dort zurück holen.
Als nächstes einen Zauber.
Das war dann wieder einfacher.
Mit dieser Karte konnte man seine "Life Points" um 1000 Punkte erhöhen.
Solch eine freundliche Tat passte einfach zu Amane.
Jetzt fehlte nur noch die Fallenkarte.
Eine passende zu finden war gar nicht einfach, immerhin war sie viel zu nett, um jemanden in eine Falle zu locken.
Er ging den Stapel mit den Fallen gefühlte zwanzig Mal durch ohne sich entscheiden zu können. Die Weißhaarige neben ihn wurde langsam unruhig.
"Beeile dich doch mal, Ryo. So schwer wird es schon nicht sein."
"Doch ist es."
Und wie schwer das war!
Es dauerte noch ein paar Minuten bis er sich dann endlich entschied.
Seiner Meinung nach was die gewählte Karte keine richtige Falle, immerhin fügte sie niemanden Schaden zu.
Sie sorgte viel mehr dafür, dass der Nutzer der Karte für jede eigens gezogene Karte "Life Points" erhielt.
"So, fertig."
Neugierig besah sich die Kleine die Auswahl ihre Bruders.
"Welch von den dreien, findest du, passt am besten zu dir, Amane?"
"Hm, ich würde sagen, die Zauberkarte."
"Wieso?"
"Weil ich viel zu viel Angst vor dem Schlachtfeld hätte und vor dem Tod. Und eine Falle bedeutet eine andere Person zu verletzen oder sich einen Vorteil zu verschaffen. Daher die Zauberkarte."
So war Amane.
Richtig niedlich.
Ob sie in ein paar Jahren noch genauso denken würde?
"Such' du doch ein paar Karten für mich raus", schlug Ryo vor.
"Gerne."

Die Braunäugige hatte schneller, als er, eine Monster- und eine Zauberkarte gefunden, nur bei der Falle tat auch sie sich sehr schwer.
Wenn er sich nicht täuschte dann brauchte sie gute fünf Minuten, bis sie den Stapel mit den Fallen niederlegte und meinte, sie würde nicht die passende finden.
Irgendwie bekam er jetzt ein schlechtes Gewissen, denn er hatte eine Falle für seine süße, kleine Schwester bestimmt.
Ob sie ihm dies übel nahm?
Hoffentlich nicht.
Sie durfte nicht sauer auf ihn sein.
Jeder, nur nicht sie!
Als Monster hatte sie ebenfalls einen Magier bestimmt.
Jeder bekam für jede Karte, die der Gegner zog 500 Angriffspunkte mehr.
"Wieso er?"
"Na, weil er die ähnlich sieht und ich finde, du wirst auch immer stärker. Tag für Tag. Du merkst es nur nicht."
"Verstehe."
Als nächstes die Zauberkarte.
Auf dem Bild war ein Engel mit einem weißen und einem schwarzen Flügel zu sehen. In den Händen hielt es ein Herz.
Ein schöner Anblick.
"Und welche von den beiden Karten, findest du, passt am besten zu dir, Ryo? Ich bin für den Magier."
Also er selbst tendierte mehr zu dem Engel. Nicht weil er sich als solchen sah, aber der Magier passte auch nicht so richtig zu ihm.
Er war nicht stark und er wurde auch nicht stärker. Genau genommen war er eine richtige Heulsuse und dies wusste Amane auch. Zuhause heulte er ja auch fast schon wegen jeder Kleinigkeit. Ja, er war ein toller großer Bruder - bitte nicht ernst nehmen.
"Ich mag die Zauberkarte mehr."
"Wieso?"
"Einfach so. Sie ist mir sympathischer."
Ihm konnte auch eine einfache Spielkarte sympathisch sein, war doch nicht so ungewöhnlich, oder?
Sein Schwester kicherte.
"Was ist daran denn lustig."
"Nichts."
Sicher doch.
"Du weißt, dass die Karte ein Monster dazu bringt die Seiten zu wechseln."
"Ja."
"Na dann."

Sein sanftes klopfen ließ die beiden zur Tür sehen.
Ihre Mutter stand dort und lächelte sie lieb an.
"Es gibt Essen."
Sofort sprangen die beiden auf.
Das Essen ihrer Mutter war das Beste auf der ganzen Welt, da waren sie sich totsicher!
Außerdem gab es nach dem Abendessen Geschenke und Amane hatte dieses Jahr etwas ganz Besonders für ihren Bruder gebastelt.
Ryo nahm sein Schwesterchen an den Hand, diese nahm ihr kleines Stoffhäschen, welches sie von ihrem Bruder zum Geburtstag bekommen hatte und begab sich dann mit ihrer Mutter, dem Häschen namens Kyô und ihrem Brüderchen ins Esszimmer, in dem ihr Vater bereits auf sie wartete.

Es war ihr letztes gemeinsames Weihnachten.
 



"Amane und meine Mutter starben drei Monate später bei einem Unfall. Meine Schwester hatte sich beim Spielen verletzt und meine Mutter wollte mit ihr zum Arzt. Da sie Autofahren nicht besonders mochte, hatte sie sich entschlossen, mit Amane zu Fuß zu gehen. Naja, sie war gegangen und Schwesterchen hat sich tragen lassen."
Ryo schloss die Augen.
Er war müde.
"Als sie an einer Kreuzung über die Straße gehen wollten, die Fußgängerampel war auf grün, kam ein Auto. Der Fahrer bremste nicht rechtzeitig. Ein Arschloch! Amane und Mutter starben. Mein Vater hatte sich danach in die Arbeit gestürzt und mich vollkommen vergessen. Ich dachte, es würde irgendwann vorbei gehen, aber bis jetzt hat sich nichts verändert."
Akefia hatte sich über den jüngeren Weißhaarigen gebeugt und strich ihm liebevoll eine Strähne aus dem Gesicht. Er hatte Aufmerksam zugehört. Zwar hatte er nicht viel verstanden, aber ihm war klar, dass das, was der Junge ihm im Moment erzählte, von großer Bedeutung für jenen war und dass er sich geehrt fühlen sollte, diese Worte zu hören zu bekommen. Die Worte "Familie", "Mutter", "Vater", "Bruder", "Schwester" und alle anderen Begriffe, die damit zusammenhingen, kannte er. Sie waren die ersten, die Malik ihm beigebracht hatte.
Somit konnte er zumindest sagen, dass es hier um die Familie des Kleinen ging.

Der Fotoapparat hatte sich zu dem pelzigen Plüschie gesellt. Sie hatten genug Bilder gemacht. Mehr als genug.
"Kyô trage ich immer mit mir durch die Gegend. Amane hat ihn nämlich wirklich überall mit hin genommen, um ihn die Welt zu zeigen. Ich wollte für sie weiter machen. Wollte ihm und ihr die Welt zeigen. Mein Vater fand das bescheuert, aber er hat es vor mir nie laut ausgesprochen. Vor mit hat er, jedes Mal wenn er mich sah, so getan, als wäre alles in Ordnung, aber das war es nicht. Das habe ich gespürt und dann hatte er mich einfach alleine gelassen. Kannst du dir das vorstellen? Ein Vater lässt seinen Sohn, der erst seit kurzem zur Schule geht, einfach alleine."
Die Tränen, die sich ihren Weg über seine blassen Wangen bahnten störten ihn nicht. Er konnte sie nicht stoppen und Akefia hatte sie sicherlich schon entdeckt.
Verdammt!
Dabei wollte er doch ein schönes Weihnachten.
Wirklich ganz toll!
Er war so ein Trottel.

Das Feuer war fast erloschen, doch es störte die beiden nicht. Es war Warm genug im Bett.
Zärtlich nahm Akefia das Gesicht des Jungen in seine Hände und küsste die Tränen weg. Das hatte er in einem dieser Frauenfilme, wie einige sie nannten, gesehen. Vielleicht half es ja jetzt.
Zwar stoppte das Weinen des Jungen nicht, aber der Kleine schlang seine dünnen Arme um den Hals des Größeren.
Niedlich.
Vorsichtig legte der ehemalige Dieb seine Arme um den Körper unter ihm und drückte ihn näher an sich. Er konnte den Atem des Schülers in seinem Nacken spüren. Es fühlte sich gut an. Verdammt gut sogar.
Unbewusste streichelte die warme Hand Akefias über Ryos Rücken.
"Als mein Vater an meinem Geburtstag von einer seiner Reisen zurück kam, hatte er den Millenniumsring bei sich. Er schenkte ihn mir und meinte, ich solle gut darauf aufpassen. Ich habe gut drauf aufgepasst. Weißt du, ich war froh - irgendwie -, dass "Bakura" in dem Ring war. Ich war nicht mehr so alleine. Deswegen habe ich meinem Vater nie vom ihm erzählt. Man hätte mir sowieso nicht geglaubt."
Ryo atmete ein Mal tief durch.
Akefias weiche Lippen auf seiner Haut fühlen sich unbeschreiblich gut an.  
Es störte ihn nicht im Geringsten, dass man ihn ganz nebenbei auszog.
Hier bei Akefia im Bett war es angenehm warm.
Die Bettdecke hatte lag über den Rücken des Ägypters. Da sich der Oberschüler nicht sicher gewesen war, ob es für den anderen Ordnung wäre, wenn sie im selben Bett schliefen und auch die selbe Zudecke nutzten, hatte er zwei separate Kissen und Decken besorgt.
Im Nachhinein vielleicht keine so eine gute Idee, oder?
Geplant war das alles hier nicht.
Gut, er musste gestehen, dass er Akefia am heutigen Tag näher kommen wollte, aber so nahe, das war wirklich nicht geplant gewesen.
Vielleicht sollten sie jetzt lieber aufhören.
Aber es fühlte sich einfach zu gut an.
Er konnte gar nicht in Worte fassen, was er gerade empfand.
"Deswegen, Aki, deswegen darfst du jetzt nicht einfach gehen. Ich weiß, dass es egoistisch ist. Ich weiß, dass du deine Heimat vermisst, aber hier geht es dir doch besser, nicht wahr?"
Er verstärkte seine Umarmung um den Älteren.
"Wenn du willst, dann ziehen wir in eine andere Stadt, damit du Yugi und die andere nicht ständig sehen musst. Meinem Vater werde ich schon irgendwie dazu bringen, es mir zu erlauben. Wenn ich mir dann noch einen Nebenjob suche, dann könnten wir beide in einer kleinen Wohnung fast ohne die Unterstützung meines Vaters leben und du wirst dich hier bestimmt dann schneller einleben und die Sprache lernen und ich lerne natürlich deine. Es wird sicherlich schön hier."
Jetzt kam sich der Braunäugige gerade wie eines dieser Mädchen in den Hollywoodfilmen vor, die von einer heilen Welt träumten. Ja, er träumte und dies war ihm durchaus bewusst.

Mittlerweile hatte Akefia ihm das Oberteil vollkommen ausgezogen und es achtlos zu Boden fallen lassen. Ließ seine Hand über die nackte Haut geleiten, gefolgt und seinen gierigen Lippen, die gar nicht mehr von der zarten Haut lassen konnten.
Die Tränen des weißhaarigen Schülers waren längst wieder versiegt. Ein leichtes Lächeln zierte nun dessen Gesicht.
So schön.
"Ich lasse dich nicht alleine, versprochen."
In diesem Augenblick hätte er dem Kleinen wohl alles versprochen, nur um ihn glücklich zu sehen.
Vorsichtig machte er sich an der Hose zu schaffen.
Dabei achtete ganz besonders auf die Reaktion des anderen.
Ging es ihm zu weit?
Fühlte er sich unwohl, gedrängt?
Alles was er zu sehen bekam, war das Gesicht des Jüngeren, dessen Ausdruck Akefia nicht deuten konnte.
"Alles in Ordnung?"
"Ja. Es ist nur seltsam."
Seltsam also?
"Entspann dich."
Schon komisch, dass sie sich manchmal so problemlos verstanden und manchmal auf keinen grünen Zweig kamen.
Versteh einer dieser Welt.

Brav gehorchte Ryo.
"Du bleibst wirklich bei mir?"
"Ja."
"Das ist schön."

Auch die Hose landete auf dem Boden, gefolgt von der Boxershort des Jungen.
"Hey, das ist unfair!", beschwerte sich jener mit einem Mal.
"Was?"
"Ich habe nichts mehr an und du bist noch in voller Montur! Wo ist das die Romantik?"
Romantik?
Die machte zusammen mit der Logik Urlaub in der Karibik.
Ob sie zurück kamen, war fraglich.
"Zieh du mich doch aus."
Also echt, wieso sollte er alles machen?
Der Junge hatte zwei gesunde Hände!

Während Ryo anfing Akefia auszuziehen, was viel Zeit in Anspruch nahm, da der kleine recht verschmust und auch sehr fasziniert von den Muskeln des gebräunten Mannes war.
Der Ägypter überlegte derweilen, was das nun für ein Fest war, dass ihn dazu brachte all diese Dinge zu tun und zu sagen - er war sich sicher, dass an diesem Festtag lag!
In die Realität fand er erst wieder, als er die Lippen des kleinen an einer Stelle spürte, die ein bisschen sehr empfindlich war.
Der traute sich vielleicht was!
Unglaublich!
Da machte der Zwerg immer auf lieb und nett und weiß Gott noch was und dann das!
Unfassbar!
Da fehlten einem doch die Worte.
Sanft aber bestimmt drängte Akefia Ryo zurück in die Laken und legte seinen Lippen auf die des anderen.
Er hatte bereits Erfahrung mit Männern, aber der kleine schien hier auf vollkommenes Neuland zu treffen.
Süß.
Ob er bei seinem ersten Mal auch so war?
Er konnte sich nicht mehr erinnern.
Nicht einmal an sein damaliges Alter erinnerte er sich, aber er war sicherlich jünger, als Ryo gewesen.

"Du, Aki."
Es war fast du ein Flüstern.
"Ja?"
"Das klingt jetzt vielleicht bescheuert, aber ich habe Angst."
"Angst? Wo vor?"
"Vor dem, was danach kommt."
Danach?
Konnte der Junge mal das Denken abstellen?
Wie konnte der jetzt an später denken?
Bei dem lief doch was falsch, aber er musste sagen, dass ihm dies doch sehr gefiel.
"Hör auf zu denken."
Das war der einzige Rat, den er ihm geben konnte.
Was sollte er auch großartig sagen?
Bis jetzt war ihm noch Keiner und Keine untergekommen, der beziehungsweise die so viel gedacht oder geredet hatte, wie der kleine hier. Aber das gehörte halt bei jenem dazu.

"Aki, sei lieb zu mir ja. Ich weiß, es klingt kitschig, aber bitte sei so gut."
Ach, wie konnte man bei so einem süßen Ding nur zu so einer knuffeligen Bitte "nein" sagen?
Genau: Gar nicht!
"Sicher doch."
Oh ihr Götter, der Junge ließ ihn verweichlichen, oder?
Oder war er schon immer so gewesen, aber hatte es sie nie eingestanden?
Er sollte ebenfalls mit dem Denken aufhören, da kam jetzt nur noch Schwachsinn heraus.
Vor allem gab es wichtigere Dinge, an die er jetzt denken sollte.
Zum Beispiel an den zerbrechlichen Körper unter sich.
Ein wunderschöner Körper.
So rein.
So weich.
So zerbrechlich.
So verführerisch.
So was von seines!

Sanft schob er die Beine des Junge auseinander.
Strich schachte über die Haut.
Von oben nach unten.
Hinterließ dabei einen angenehmen schauer auf der Haut des Jungen.

Alles war perfekt.
Nur diese Gedanken, die nicht dort bleiben wollten, wo sie hingehörten, störten mal wieder.
Aber im Ignorieren war er schon recht geübt.

"Hattest du eigentlich Geschwister?"

Wie konnte der jetzt überhaupt noch denken?
Oder lag das einfach an der Nervosität, die sicherlich im Inneren Ryos herrschte?
Bestimmt, wer stellte sonst solche unwichtigen Fragen, in einem solchen Moment.

"Ja."
Ein hauchen.
Genaueres konnten sie später besprechen.
 



Wie jeden Tag schien die Sonne gnadenlos auf die Menschen herab. Er war die Hitze schon gewohnt, aber es wäre ihm dennoch lieber gewesen, wenn es ein bisschen kühler wäre.
Alleine saß er vor dem Haus, in dem seine Familie wohnte.
Sein Vater war Arbeiten, seine Mutter kümmerte sich um seine kleine Schwester und seine beiden älteren Brüder hatten auch keine Zeit für ihn. Der eine, weil auch er arbeiten musste und der andere, weil er sich für etwas Besseres hielt, dabei war er nur ein eingebildeter Trottel. Die anderen Kinder aus dem Dorf spielen so gut wie nie mit ihm. Er war einfach zu seltsam. Keiner hatte in seinem Alter bereits weiße Haare. Nur die Alten hatten sie, aber nicht die Jungen.
Selbst seine Großeltern und andere Verwandte sahen ihn mit diesen seltsamen Blicken an. Sie sollten damit aufhören.
Was war denn an weißen Haaren so schlimm?
Er verstand das alles nicht.

"Akefia!"
Seine Mutter rief ihn.
Sie war ein freundlicher Mensch, der die meiste Zeit lächelte.
Er liebte ihr Lächeln.
Es war das schönste von allen und es gehörte oftmals nur ihm, da sie oft kränkelte und somit viel Zuhause war, so wie er.
"Ja?"
Immer wenn sie ihn rief, bedeutete das, dass es etwas zu tun für ihn gab und das freute ihn ungemein. Den ganzen Tag gelangweilt auf dem Boden zu sitzen war nicht unbedingt eine schöne Beschäftigung. Einige Zeit lang hatte er sogar versucht Spiele, die für zwei gedacht war, alleine zu spielen, aber es hatte nun mal seine Gründe, warum man mindestens zu zweit sein sollte. Daher hatte damit eigentlich recht schnell wieder aufgehört.
"Kannst du deinem Bruder bitte eine Nachricht von mir überbringen?"
Sicher konnte er.
Aber wollte er?
Meistens wurde er dann von dem älteren Jungen angeschnauzt und darauf hatte echt keine Lust.
Auf der anderen Seite würde er seine Mutter damit glücklich machen.
Doofe Situation, aber er kannte sie bereits.
"Was denn?"
Ja, er lief mal wieder durch das halbe Dorf, überbrachte die Nachricht, wurde dabei schief angesehen, von seinem Bruder an gemault und lief dann wieder Heim.
So wie immer halt.
Ganz normal.

Und genau so war es dann auch.
So schnell seine Beine ihn tragen konnten rannte er durch das Dorf, wobei ihm der ein oder andere natürlich mit einem seltsamen Blick bedachte und ein paar Jungen, die ihn warum auch immer nicht leiden konnten, riefen ihm irgendwelche Beleidigungen hinterher.
Er ignorierte sie.
Die würden sich noch alle wundern.
Eines Tages würden sie ihr Verhalten schon bereuen.
Dafür würde er schon sorgen!
Jedenfalls kam er dann schon recht bald an seinem Ziel an. Seinen Bruder fand er auch sehr schnell. Der Kerl war einfach nicht zu übersehen.
Er war ein Riese!
Zumindest im Gegensatz zu den anderen Arbeitern.
Sein Gesicht war sehr markant oder auch männlich, wie einige der Frauen immer sagten.
Akefia fand es hässlich!
Aber das war unwichtig.
Seine Meinung war schon aus Prinzip unwichtig.
Ja, er führte ein wundervolles Leben!
"Was willst du?"
Die Stimme seines Bruder war eine kräftige, einschüchternde, vor allem wenn er einen nicht mochte.
Was hatte der Weißhaarige nur verbrochen?
"Mama hat mich gebeten, dir etwas auszurichten."
"Und was?"
Er war hier unerwünscht, aber das war ihm egal.
Er überbrachte einfach die Nachricht, ließ sich blöd anreden und verschwand dann wieder.

Auf dem Rückweg ließ er sich Zeit. Er war noch viel zu müde von seinem vorherigen Marathonlauf. Außerdem gab es jetzt keinen Grund zu Eile. Seine Mutter lief ihm nicht davon, zumindest war sie es bis jetzt nicht.
Die anderen Leute ignorierte er mal wieder.
Hoffentlich musste seine kleine Schwester, so wie seine Brüder, dass nicht durch machen.
Wieso war er eigentlich so anders?

"Bin wieder da!", rief er in das Haus, in dem seine Familie und er lebten.
"Das ist schön. Hast du deinen Bruder gefunden?"
"Sicher doch. Der ist doch nicht zu übersehen."
Während er sprach setzte er sich zu seiner Mutter und seiner kleinen Schwester an den Tisch.
"Darf ich sie auch mal halten?"
"Natürlich."
Wie sie wohl sein würde, wenn sie älter wäre.
Hoffentlich wurde aus ihr eine nette kleine Schwester.
Sie sollte genauso großartig, wie der Älteste der Geschwister werden.
Jener war nicht nur gutaussehend, hilfsbereit, nett und sowieso der Beste, nein, er akzeptierte Akefia, so wie er war. Oft hatte jener dem kleinen sagte, dass er etwas ganz besonders sei, weil er so ungewöhnlich aussähe und dies hatte den Jungen unglaublich stolz gemacht.
Auch sein Vater war so.
Ein wundervoller Mensch, der zwar nicht immer auf ganz ehrenhaften Weg Geld verdiente, aber das Herz am rechten Fleck hatte. Für seine Familie würde der doch schon etwas ältere Mann alles tun. Woher sein anderer Bruder den miesen Charakter hatte, war dem Weißhaarigen schleierhaft.
Lag es vielleicht an ihm selbst?
Fühlte sich der andere vielleicht nicht genug geliebt von der Familie, die hinter dem ungewöhnlichen Jungen stand.
Oder war das Verhalten des älteren nur so, weil er zu den anderen im Dorf gehören wollten?
So oder so, er war ein Trottel.
Ein hässlicher Trottel.
Die Familie war doch das Wichtigste.
Aber gut, wahrscheinlich sah mal wieder nur er dies so.
"Akefia, willst du auf dein Schwesterchen aufpassen, während ich das Essen mache?"
Oh ja, und wie er das wollte!
Wenn er Verantwortung übernahm, dann wären seine Mutter und sein Vater sicherlich ganz stolz auf ihn, außerdem liebte er es mit der Kleinen zu reden, auch wenn jene nur irgendwelche lustigen Laute von sich geben konnte.
"Mach ich lieben gerne, Mama. Ich habe mir letztens auch ganz viele neue Geschichten für sie ausgedacht."
Wer viel Zeit hatte konnte viel Nachdenken. Und da man als Kind nicht über den Weltfrieden philosophierte überlegte man sich halt Geschichten von irgendwelchen Helden. Er wagte es zu behaupten, dass er im Dorf der beste Geschichtenerfinder beziehungsweise Erzähler war. Die Alten konnten zwar viel aus ihrem Leben berichten, aber vieles davon war nur langweilig.
Wobei es einen alten Herrn gab, der tolle Geschichten hatte. Oft hatte er jenem aus der Ferne zugehört.
Ob der Alte wohl im Moment auch wieder Geschichten erzählte?
Sollte er zusammen mit der Kleinen mal nachsehen?
"Du, Mama, darf ich mit ihr ins Dorf gehen?"
Bis jetzt war er nur immer mit seiner Mutter und der Kleinen dort gewesen, alleine mit seinem Schwesterchen war noch nie dort gewesen.
"Was willst du denn dort mit ihr?"
Seine Mutter klang besorgt, aber das war normal. Sobald es um das jüngste Familienmitglied ging sorgte sie sich schneller, als man den Satz, denn man sagen wollte, aussprechen konnte.
Ob sie bei ihm auch so gewesen war?
Bestimmt!

"Ich will nur nachsehen, ob der alte Mann, der immer so spannende Geschichten erzählt, da ist."
"Und dann?"
"Wenn er da ist, dann kann er uns doch ein paar Geschichten erzählen."
Es herrschte kurz schweigen zwischen ihnen.
"Lass uns doch morgen zusammen mit Papa und deinen Brüdern vorbei schauen. Was hältst du davon?"
Was er davon hielt?
Ganz ehrlich?
Gar nichts!
Seine Mutter hatte sich neben ihn gekniet und sah ihn freundlich an.
Sie konnte gar nicht böse schauen.
Seufzend wandte er seinen Blick ab.
Was hatte er eigentlich erwartet?
Das sie ihn gehen ließ.
"Sei nicht traurig, ja. Deine Geschichten sind doch auch spannend."
Ja und?
Am besten jetzt einfach das Thema wechseln.
"Wann kommt Papa?"
Ja, heute würden ihr Vater und der älteste der Geschwister wieder Heim kommen. Beide arbeiteten in der Stadt, die nicht unbedingt gleich um die Ecke lag. Dass sein Bruder auch kam, wusste er nur, weil seine Mutter es mal ausversehen erwähnt hatte - es sollte eine Überraschung werden. Da sie aber nicht wusste, dass er Bescheid wusste, spielte er für sie den Unwissenden.
"Papa ist gleich da. Er holt nur noch unseren Sturkopf von seiner momentanen Arbeitsstelle ab", meinte jemand.
Akefia kannte die Stimme, was ja ganz normal war, wenn man in der selben Familie lebte.
Im Türrahmen stand sein großer Bruder, den er auf jeden Fall tausende Male lieber hatte, als den Trottel, der meinte, ihn immer ärgern zu müssen.
Freudig sprang er auf, sein Schwesterchen hatte er zuvor an seine Mutter weiter gereicht.
Schnell lief er zu dem anderen und ließ sich von diesem auf den Arm nehmen.
Der älteste der drei Jungen war auch der größte, zwar war auch sein Gesicht recht markant, aber alles andere als hässlich. Soweit Akefia wusste, gab es viele Mädchen und junge Frauen, die an seinem Bruder interessiert waren und er konnte sie da sehr gut verstehen. So jemanden, wie diesen, fand man nicht so schnell wieder.
"Sei gegrüßt, mein Kleiner. Warst du denn auch schön brav?"
"Natürlich, frag Mama."
Und wie brav er gewesen war!
Er war das Bravste, das durch die sandige Wüste wuselte.
Wie konnte man das bloß in Frage stellen, also echt.
Eine ungehörige Unverschämtheit!

Es war eine angenehme Atmosphäre in dem kleinen Haus bis der Vater mit dem zweit ältesten Bruder kam. Jener erweckte den Eindruck, als wäre er jetzt lieber ganz wo anders.
Wieso musste dieser Trottel einem immer alles versauen?
Das Essen verlief recht schweigend.
Zuerst erzählte der Vater von seinen Erlebnissen, dann der Sohn. Akefia berichtete von seinen Entdeckungen, auch wenn es nicht sehr viele waren, denn viel gab es halt in einem Dorf, in dem man schon seit der eigenen Geburt lebte, nicht mehr neu zu entdecken.
Außerdem machte es keinen Spaß etwas zu erzählen, wenn nach fast jedem Satz ein blöder Kommentar von der Seite kam.

Es war das letzte Treffen der Familie.
Wenige Wochen später begab sich der älteste Sohn mit der Tochter, welche erkrankt war, in die nächste Stadt, um dort einen Doktor auf zu suchen. Der Vater blieb noch bei seiner Familie.
Die Soldaten des damaligen Pharaos fielen einen Tag nach der Abreise der beiden Kinder ein. Sie töteten jeden - jeden bis auf Akefia.
 



Nachdenklich strich der großgewachsene Mann über den hellen Rücken des hellhäutigen Jungen, der friedlich vor sich hin döste.
Ein wunderschöner Anblick.
Der hellblaue Schal hatte sich zu dem weißen Stoffhäschen und dem Fotoapparat gesellt. Ryo hatte ihn um den Hals des Tieres gewickelt und eine Schleife draus gemacht.
Das Feuer war inzwischen gänzlich erloschen.
Wie spät es jetzt wohl war?

Es war vielleicht keine schlechte Idee hier zu bleiben.
Akefia fühlte sich bei seinem Kleinen sehr wohl, niemand sah ihn schief an und er musste sich nicht ständig in Lebensgefahr bringen, nur um die vielen Tage und Nächte zu überstehen.
Er wollte mehr über den Oberschüler und dessen Welt erfahren.
Nur der Pharao störte, doch dieses Problem würde sich schon irgendwie lösen.
Notfalls müsste er halt mit Marik gemeinsame Sachen machen.
Ryo durfte davon aber nichts erfahren. Ihm war nämlich schon aufgefallen, dass jener bezüglich Marik ein bisschen zwiegespalten war. Zum einen Seite sah er den verrückten Ägypter als Freund, auf der andere hielt er Abstand zu jenem.
Gut, der Kerl war auch nicht unbedingt einfach. Marik konnte eine unglaublich nette und liebenswerte Person sein, genauso gut konnte er aber auch bösartig und brutal gegenüber anderen werden. Es hing meistens von den Personen, die sich in seiner unmittelbaren Umgebung aufhielten, ab. An sich eigentlich normal.
Viele Leute verhielten sich nett, wenn die Menschen, von denen sie etwas wollten, in der Nähe waren - nur bei Marik war das ein bisschen anders.
Viele Leute verhielten sich gemein, wenn sie den Menschen in ihrem Umfeld haushoch überlegen waren oder sich einbildeten besser zu sein - nur bei Marik war das ein bisschen anders.
Jede seiner Launen sollte man mit großer Vorsichtig genießen, denn ein Messer hatte man schnell im Rücken.
Denken einstellen, sofort!
Es wäre besser, wenn er sich endlich an den heutigen Tag erinnern würde.
Also an den Namen des Festes, welches heute gefeiert wurde.

"Aki, wir machen das noch mal, oder?", fragte eine sanfte Stimme ganz leise.
Ryo war also wieder fit?
Das war schön.
So schön der Junge auch war, wenn er schlief, so hatte der "junge" Mann es lieber, wenn der andere wach war. Ab meisten gefiel es ihm, wenn jener auch noch seine manchmal recht wirren Gedanken preis gab. Alleine wie der andere dann gestikulierte war unbezahlbar.
"Klar!"
Und wie sie das nach mal machen würden.
Sie würden es noch ganz oft wiederholen. Wenn es nach ihm ging, dann jeden Tag, aber Ryo erschien ihm nicht wie jemand, der dazu bereit war. Der kleine war ein sehr vernünftiger Mensch, was von Zeit zu Zeit auch nervig sein konnte, aber eine doch recht gute Eigenschaft war.
Außerdem hatte der Kleine immer eine Menge zu tun und wollte dann abends meistens seine Ruhe, was der ehemalige Dieb sehr gut verstehen konnte.
Immer wenn er zu später Stunde in seinem Versteck an kam, wollte auch keinen mehr sehen oder hören. Zu seinem Glück gab es nie jemanden, der auf ihn gewartet hatte, nur um ihn zu nerven. Seine Familie war ja bereits verstorben.
Zwar hatte er sich auf die Suche nach seinem großen Bruder und seiner kleinen Schwester gemacht, aber leider hatte er sie nie gefunden und nachdem er zum Staatsfeindnummer Eins geworden war, war es für die beiden nicht Sicher, wenn man wusste, dass sie mit ihm, dem König der Diebe, verwandt waren.

Irgendwann hatte er aufgehört an sie zu denken.
Irgendwann war seine Vergangenheit egal geworden.
Irgendwann hatte er einfach begreifen müssen, dass sich keiner für ihn und seine ach so tragische Geschichte interessierte.

Er war ein Kind von vielen.
Er war nicht der Einzige, der keine Verwandten mehr hatte.
Es gab hunderte von Menschen, die alleine waren.
Junge und Alte.
Er war einer von ihnen und er musste mit dieser Tatsache klar kommen, ob er wollte oder nicht. Wenn er leben wollte, musste es einfach sein und er wollte leben!
Aber das war wieder ein anderes Thema und es würde ihm nichtdabei helfen den Namen des Festtages herzufinden.

Früher hatte er immer klar strukturierte Gedankengänge gehabt. Seit dem er bei dem Braunäugigen wohnte passierte es immer öfter, dass seine Gedanke sich auf Schleichwege begaben. Abwechslungsreich, aber auch irritierend.
Sehr irritierend sogar.
Der Schüler färbte richtig auf ihn ab.
Ob das nun gut war oder nicht, war fraglich.
Wer wusste schon, was er sich noch alles aneignen würde.
Vielleicht würde er eines Tages ganz mit dem Stehlen aufhören.

"Du hast gesagt, dass du Geschwister hattest."
"Ja."
"Wie waren die so?"
"Unterschiedlich."
Ryo hatte nur Amane gehabt, die wohl ein richtiger Engel gewesen sein musste.
Er hingen hatte zwei ältere Brüder und eine kleine Schwester gehabt, dass durchaus etwas anderes.
Vor allem da er der zweit jüngste und nicht, so wie Ryo, der älteste gewesen war.
"Waren sie dir ähnlich?"
"Nein, weder vom Aussehen noch vom Charakter her."
Ryo lachte leise.
"Hey, was gibt es da zu lachen?"
"Nichts."
Der braunäugige Schüler drehte sich auf den Rücken.
"Wenn ich erwachsen bin, dann möchte ich eines Tages eine Frau, die mindestens genauso wundervoll ist, wie meine Mutter es war, heiraten. Mit ihr möchte ich einen Sohn und eine Tochter bekommen. Wir würden in einem kleinen, aber feinen Haus mit Garten leben. Und wir wären glücklich."
Eine kitschige, unrealistische Vorstellung.
Der Traum eines kleinen Kindes.
"Aber im Moment möchte ich einfach nur hier mit dir liegen bleiben. Pegasus meinte, wir können über die Feiertage hier bleiben, wenn wir wollen."

Sein Kleiner wollte also mal eine Familie gründen.
Vater werden.
Glücklich sein.
Irgendwie traurig.
Warum?
Ganz einfach: Zwei Männer konnten nicht heiraten und auch keine Kinder kriegen.
Sie konnten glücklich miteinander sein, aber nicht mehr.
Schade, nicht wahr?
Vielleicht sollt er dann doch lieber gehen.
"Warum?"
"Was "warum"?"
"Warum willst mit mir hier sein? Wieso willst du meine Nähe? Weshalb willst du, dass ich bei dir bleibe?"
"Weil ich dich mag. Weil ich dich mag und weil ich dich mag."
Ryo mochte ihn also.
Mehr nicht.
Akefia war der Name des Festes wieder eingefallen.
Unwichtig!

Er musste gestehen, dass er enttäuscht war.
Früher hatte er nie irgendetwas Besonderes dabei gespürt, wenn er sich mit anderen vergnügte. Hatte immer nur dann die Lust, die befriedigt werden wollte, gedacht. Doch dieses Mal war es anders gewesen. Er wollte mehr.
Mehr Ryo!
Das jener aber scheinbar nicht mehr wollte stimmte ihn traurig. Er fühlte sich benutzt.
"Ich mag dich mehr, als einen Freund. Mehr als einen besten Freund. Ich mag dich mehr, als es das Wort "mögen" beschreiben kann."
Stopp!
Was jetzt?
"Was?"
"Ich glaube, ich empfinde so etwas, wie Liebe für dich."
Er glaubte?
Nun gut, was nicht war konnte ja noch werden.
Und glauben war ja schon mal ein Anfangen.
Wissen war zwar besser, aber da kam sicherlich noch.
Jugendliche waren immer so unentschlossen.
"Ich bin keine Frau."
"Ich weiß. Stört es dich, dass wir beide Männer sind?"
"Nein. Und dich?"
Ein Kopfschütteln war die Antwort.
Das war gut, sehr gut sogar.
"Wir können keine Familie gründen."
"Wir beide reichen doch als Familie."
Komisches Gespräch.
Aber das war halt so, wenn man sich mit Bakura Ryo abgab.
"Wie willst du das deinem Vater erklären?"
"Ich muss mich vor ihm nicht rechtfertigen. Ich bin ein eigenes Individuum mit einem eigenen Leben. Ich komme auch ohne ihn klar, immerhin organisiere ich mein Leben schon seit Jahren alleine."
Wahre Worte.
"Wir sollten trotzdem nichts überstürzen."
"Natürlich nicht. Aber überlass das mal mir, ja?"
Gerne doch.
Ryo war ein Weltmeister im Denken, dem viel bestimmt ganz schnell eine Lösung für all ihre Probleme ein.
Akefia konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass der Vater des Jungen positiv ihm gegenüber gesinnt war. Und wenn sie, also seiner Kleiner und er, auszeihen würden, dann mussten diese ganzen Geldgeschichten geklärt werden und Ryos Alter stellte auch ein Problem dar.
Verdammt, früher war das alles viel einfacher gewesen.
Nun gut, weg mit den negativen Gedanken.
Der Tag war noch nicht ganz um und die letzten Stunden sollten sie auf jeden Fall genießen.

Der Oberschüler kuschelte sie fröhlich lächelnd an den warmen Körper des Ägypters.
"Lass und schlafen."
Behutsam legte Akefia seine Arme um den anderen und zog ihn noch ein wenig näher an sich heran.
Die Haare des weißhaarigen Jungen rochen unglaublich gut, dass war ihm schon vorhin aufgefallen.

"Happy Thanksgiving, Ryo", nuschelte er in die wilde, weiße Haarpracht.

"Es ist Weihnachten, du Idiot!"

Diese Beziehung fing schon mal gut an.

Autorennotiz

Wieder eine ältere Geschichte von mir, die ich für eine Wichtelaktion geschrieben habe und die eigentlich ein One Shot werden sollte, aber etwas ausgeartet ist. Daher habe ich den One Shot in mehrere Teile geglidert.

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Kapitel: 5
Sätze: 1.276
Wörter: 27.878
Zeichen: 157.790

Kurzbeschreibung

Weihnachten steht dirket vor der Tür und jeder trifft noch die letzten Vorbereitungen. Auch Ryo ist dabei. Dieses Jahr sollte für den Jungen etwas ganz besonders werden, denn er feierte den heiligen Abend zusammen mit einer ganz besonderen Person. * Wichtelgeschichte * Schnuppertext: "Hör auf zu denken." Das war der einzige Rat, den er ihm geben konnte. Was sollte er auch großartig sagen? [...] Aber das gehörte halt bei jenem dazu.

Kategorisierung

Diese Fanfiction wurde mit Fantasy, Romanze, OneShot, Established Relationship und Established Relationship getaggt.

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