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„Merlin!“, der Schrei Arthurs hallte durch das ganze Schloss. Manch einer der Dienerschaft konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen, hatte dieser Ausruf doch schon Tradition. Und ein jeder wusste, was darauf folgte: Merlin würde entweder die Stiefel, die Rüstung und das Zimmer des Königs auf Hochglanz bringen müssen, oder aber ein Jagdausflug stand bevor und Merlin hatte die ehrenvolle Aufgabe die Armbrust des Königs zu tragen.
„Mylord, ich habe nur schnell...“, setzte der Diener an, wurde aber sogleich von Arthur unterbrochen: „Es ist mir egal, was du nur schnell tun wolltest. Erkläre mir lieber, was das hier soll!“ Dabei deutete er auf einen Haufen Pferdeäpfel, der sich mitten im Zimmer befand. „Wie kommt das dort hin, wenn du der Einzige bist – abgesehen von den Rittern –, der hier Zutritt hat?“
„Vielleicht hat sich einer der Ritter einen Scherz mit Euch erlaubt?“
„Sicherlich... Jedenfalls darfst du jetzt raten, wer der Glückliche ist, der diesen Unrat wieder beseitigen darf.“ Arthur konnte beobachten, wie sich das Gesicht von Merlin zu einer Grimasse verzog. Dann fügte er noch hinzu: „Danach sattelst du die Pferde. Wir machen heute Abend noch einen kleinen Ausritt. Ich muss hier raus.“
Mit diesen Worten verließ der König seine Gemächer und ließ seinen Diener mit dem stinkenden Haufen alleine.
Merlin schnaubte, er hatte Gwaine gesagt, dass es definitiv keine gute Idee wäre so etwas, als Geschenk zum Jungesellenabschied, neben dem Bett des Königs zu hinterlassen, aber wie sollte es anders sein, dieser hatte nicht auf ihn gehört. Und jetzt durfte er sich damit herum schlagen. Und er konnte sich definitiv Schöneres vorstellen, als dampfenden Pferdemist durch halb Camelot zu transportieren. Obwohl... Er hatte schließlich noch eine Alternative. Er warf einen Blick zur Türe, sie war verschlossen und es wirkte nicht so, als würde im nächsten Moment jemand hereinkommen wollen. Der junge Mann richtete also seine Hand in Richtung des Haufens und murmelte ein paar Worte. Im nächsten Moment leuchteten seine Augen golden auf und der Fußboden war gesäubert.
Wie einfach doch alles durch die Magie wird...
Dann machte sich der Diener auf zu den Pferdeställen. Denn auch, wenn eine hohe Chance bestand, dass der König ihn mochte, oder zumindest in einem gewissen Maße schätzte, ihn allzu sehr zu verärgern wäre unklug.
In einem schnellen Tempo preschten die beiden, Arthur und Merlin, auf ihren Pferden durch das Unterholz. So lange, bis sie zu einer Lichtung mitten im Wald kamen.
„Hier bleiben wir. Hol Holz, sonst wird es in der Nacht zu kalt.“
„Ihr wollt hier bleiben? Ich halte das für keine gute Idee...“
„Hast du etwa Angst, Merlin?“
„Nein, aber Ihr heiratet morgen. Ihr könntet zu spät kommen.“
„Ich weiß genau was ich tue. Und jetzt geh Holz holen!“
„Habt Ihr etwa Angst vor eurer Hochzeit?“
„Merlin!“
„Ich habe es schon verstanden, Sire. Ihr seid der König und müsst Euch nicht vor mir, einem einfachen Diener, rechtfertigen.“
„Wie es aussieht, hast du es ja doch verstanden.“
Nach einer spöttischen Verbeugung, machte Merlin sich auf den Weg. Er hatte schon etwas in dieser Richtung vermutet, als sie Camelot verlassen hatten. Er kannte Arthur schließlich lange genug, um zu wissen, wie dieser dachte und handelte.
Als er befand, dass er genug Brennmaterial für die ganze Nacht hatte, machte er sich auf den Weg zurück zu ihrem Lagerplatz. Dort schichtete er einen Teil der Äste zu einem Haufen auf und zog seine Zunderbüchse heraus, um das Feuer anzuzünden.
Arthur beobachtete seinen Diener dabei gedankenverloren. Manchmal hielt er es wirklich für ein kleines Wunder, dass Merlin sich noch nie von seinem Stand hatte abschrecken lassen. Er war nie einer dieser Speichellecker gewesen, der nur das sagte, was er – der König, oder damals noch als Prinz – hören wollte. Dies lag vermutlich an ihrem ersten Aufeinandertreffen. Mit einem Schmunzeln dachte Arthur daran zurück. Merlin, der damals noch neu in Camelot war und auch deshalb den Prinzen noch nie gesehen hatte, legte sich mit ihm an, weil er einen seiner Diener beim Training etwas zu hart rangenommen hatte. Dann folgte ein kleines Duell auf dem Marktplatz, bei dem sich Merlin sich wesentlich besser geschlagen hatte, als er damals vermutete. Die Meisten wären wohl viel eher zu Boden gegangen.
„An was denkt Ihr gerade?“
Arthur hatte nicht mitbekommen, dass Merlin inzwischen fertig war, fing sich jedoch schnell wieder. „An unser erstes Aufeinandertreffen.“
Jetzt grinste auch Merlin. „Damals wart Ihr wirklich noch ein arroganter, selbstverliebter Trottel.“
Arthur zog eine seiner Augenbrauen hoch und blickte seinem Diener prüfend an. „Und wie sieht es jetzt aus?“
„Jetzt?“ Merlin brauchte nicht lange, um seine Antwort zu formulieren: „Jetzt seid Ihr nur noch ein Trottel.“
„Da bin ich aber froh, dass ich mich so gebessert habe.“ Die Ironie in Arthurs Stimme war nicht zu überhören, allerdings hatte er in den Worten seines Dieners noch etwas anderes lesen können, nämlich, dass dieser ihn inzwischen wertschätzte. Er wusste nicht weshalb, aber darüber war er mehr als nur froh. „Ich denke, wir sollten uns langsam schlafen legen. Ich sollte morgen nicht allzu spät kommen.“
„Besser wäre es. Ihr würdet Gwens Wutanfall nicht überleben, wenn Ihr nicht rechtzeitig auftaucht.“
„Guineveres Wutanfall? Du übertreibst, sie könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun. Du kennst sie doch.“
„Ihr seid auch keine Fliege, Mylord.“
Den beiden war es jedoch nicht vergönnt lange zu schlafen. Mitten in der Nacht wurden sie von einem Geräusch geweckt. Bis Merlin sich aufgerappelt hatte, war Arthur bereits kampfbereit. Er stand in Angriffsstellung, mit dem Schwert in der Hand, direkt vor seinem Diener und blickte in Richtung des Waldes. Kurz darauf spürte der junge Zauberer etwas und er begriff, was diesen Lärm verursachte und sich ihnen näherte.
„Ich denke nicht, dass Ihr mit einem Schwert dagegen ankommen werdet.“
„Wovon redest du?“
„Dreht Euch einfach um.“
„Warum sollte ich mich... Merlin! Du sagtest doch, dass ich ihn getötet habe.“
Merlin hatte zwar eine Reaktion von Arthur erwartet, doch auf jeden Fall nicht diese. „Habe ich das?“, fragte er in einem verzweifelten Versuch, sich zu rechtfertigen. Doch die Antwort Arthurs hörte er nicht einmal, da er sich in Gedanken währendessen an Kilgharrah wandte: „Was willst du hier?“
„Die Dinge etwas beschleunigen.“, antwortete dieser ihm auf die Selbe Art und Weise. Er landete und baute sich vor den beiden Männern auf, woraufhin Arthur ein Stück zurückwich. Er hatte bereits gesehen, zu welchen Untaten das Tier im Stande war.
„Merlin, bleib hinter mir.“ Doch der Angesprochene bewegte sich keine Handbreit und starrte den Drachen nur an. Er hatte ein ungutes Gefühl und im nächsten Moment schien es sich schon zu bewahrheiten, denn der Drache machte einen Schritt auf sie zu.
Jetzt war auch Merlin gezwungen zurückzuweichen, wenn er nicht zertrampelt werden wollte. Des Scheins halber, stellte er sich nun auch etwas hinter Arthur, nicht viel, aber nur so würde er rechtzeitig eingreifen können, würde Kilgharrah Arthur angreifen wollen.
„Es ist Zeit, dass sich euer Schicksal erfüllt!“ Während der Drache dies sagte, trat er einen weiteren Schritt nach vorne.
Arthur wollte noch einmal zurückgehen, stolperte allerdings über Merlin, der erneut wie erstarrt war. Dieser wurde bei Arthurs Sturz mit zu Boden gerissen, wobei er unter diesem förmlich zerquetscht wurde.
Kilgharrah beugte seinen Kopf nun in Richtung der beiden Männer und begann Luft zu holen. Als Merlin dies sah, wurde ihm heiß und kalt zugleich. Was hatte der Drache vor? Meinte er mit ‚die Dinge etwas beschleunigen‘, dass er sie töten würde? Eigentlich sollte er dies nicht einmal können, schließlich war er ein Drachenmeister. Und Arthur... Der Zauberer wusste, dass man sich von ihm erhoffte, dass er der König war, der Albion einen und der Magie zu neuer Blüte verhelfen würde. Wer sollte diese Aufgabe übernehmen, wenn Arthur nicht mehr war? Der Drache war wahnsinnig geworden!
Dann atmete Kilgharrah aus und ein Schwall heißer Luft schoss ihnen entgegen, dann wurde es dunkel um sie.
Als sie wieder erwachten, war es immer noch mitten in der Nacht. Doch sie befanden sich nicht mehr im Wald und die Silhouette Camelots ragte vor ihnen auf.
„Was ist passiert?“ Arthur hielt sich seinen Kopf und sein Gesicht war leicht schmerzverzerrt.
„Ich habe keine Ahnung, aber es sieht so aus, als würden wir leben.“
„Aber es fühlt sich nicht so an. Mir tut alles weh...“
„Wer ist jetzt die Mimose?“
„Merlin...“, ein leicht drohender Unterton schwang in Arthurs Stimme mit.
„Ist schon gut. Gehen wir lieber nach Camelot.“
Kaum dass sie die Unterstadt betreten hatten, kam ihnen auch schon eine Patrouille entgegen.
„Halt, stehen bleiben!“
„Ich bin es nur, wir ...“
„Stehen bleiben habe ich gesagt!“ Im nächsten Moment stürmten die Ritter, angeführt von Sir Leon, nach vorne, allerdings nicht um die beiden Männer zu ergreifen, sondern mitten durch sie hindurch.
„Was zum...“
„Ich habe keine Ahnung.“ Merlin drehte sich um, während er dies sagte und bekam gerade noch mit, wie ein Mann, der die Sperrstunde missachtet hatte, verhaftet hatte. Auch wenn er froh war, nicht an dessen Stelle zu sein, irgendetwas lief hier nicht so, wie es sollte.
„Ist dir eigentlich aufgefallen, dass Leon anders aussieht, als heute Mittag?“
Merlin reagierte nicht.
„Er sah wesentlich jünger aus.“
„Habt Ihr das auch gehört?“
„Du hast mich also mal wieder ignoriert. Und wovon redest du überhaupt?“
„Da war eine Stimme.“
„Eine Stimme also? Wir befinden uns mitten in der Stadt, da ist es nur natürlich, dass man auch nachts noch Menschen reden hört.“
„Sie scheint mich zu rufen.“
„Merlin?“
Im nächsten Moment stürmte dieser los, er wollte wissen, zu wem diese Stimme gehörte. Als er sich irgendwann auf der Treppe zur Höhle unter Camelot wiederfand, da wusste er, was ihn erwartete.
„Du solltest nicht hier sein“, zischte Arthur, der ihn inzwischen eingeholt hatte. Er war gemeinsam mit seinen Vater schon einige Male hier unten gewesen.
„Uns sieht hier ohnehin keiner.“
Dann betrat er die Höhle. Er stand auf dem kleinen Vorsprung, direkt an der Tür und blickte auf die riesigen Ausmaße des ausgehöhlten Berges unter Camelot. Er war schon lange nicht mehr hier gewesen. Er spürte, dass Arthur direkt hinter ihm stand. Dann hörte er Schritte auf der Treppe und er lächelte, denn er wusste, dass es er selbst war, der dort kommen würde. Da es der Ruf des Drachen war, den er gehört hatte, war es vermutlich das erste Mal, dass er auf den Drachen treffen würde. Doch auf einmal zuckte er zusammen und begriff, was Kilgharrah vorhatte. Er kniff die Augen zusammen. Es war nun nicht mehr berechenbar, wie dieser Ausflug in die Vergangenheit enden würde.
Im nächsten Moment trat sein jüngeres Ich ebenfalls auf den Vorsprung. In der Hand hielt er eine Fackel. Erst blickte er verwundert um sich, ehe er seine Stimme erhob: „Wo bist du?“
Als Arthur den zweiten Merlin sah, begann er langsam zu verstehen. „Du hast dich mit dem Drachen getroffen?“
„Versucht Ihr doch, Euch dem Ruf eines Drachen zu widersetzen“, murmelte Merlin. Weiter erwiderte er nichts.
Das musste er auch nicht, denn kurz darauf ertönten Flügelschläg, die ohnehin jedes weitere Wort überdeckt hätten, und Kilgharrah tauchte vor ihnen auf. Der jüngere Merlin und auch Arthur zuckten vor Überraschung zurück.
„Hier bin ich“, antwortete der Drache. Seine Stimme war tief und schien ihre Körper förmlich zu durchdringen. „Wie klein du doch bist, für so ein großes Schicksal.“ Kilgharrah betrachtete Merlin genauer.
„Wieso? Wie meinst du das? Welches Schicksal?“, fragte dieser neugierig.
„Deine Gabe wurde dir aus einem bestimmten Grund gegeben.“
„Das heißt, es gibt also doch einen Grund?“
„Arthur ist der künftige König, der das Land Albion vereinen wird.“ Nicht nur der jüngere Merlin blickte skeptisch drein, auch Arthur hatte einen zweifelnden Gesichtsausdruck. Und Merlin konnte sich– trotz der Situation, in der er sich befand – ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sein jüngeres Ich mit einem „Natürlich“ antwortete, dass genauso gut ‚und Schweine können fliegen‘ bedeuten konnte.
Der Drache setzte seine Ansprache fort: „Er ist vielen Gefahren ausgesetzt, von Freund und Feind.“
„Ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun hat“, warf der jüngere Merlin ein.
„Ich auch nicht“, ergänzte Arthur nur eine Sekunde später.
„Eine Menge.“ Kilgharrah neigte seinen Kopf leicht. „Ohne dich wird Arthur niemals Erfolg haben.“ Arthur schnaubte leise. „Und ohne dich wird es niemals ein Albion geben.“
„Nein. Nein! Da hast du etwas falsch verstanden.“
„Hier gibt es kein richtig oder falsch. Nur das was ist und was nicht ist.“
„Aber ich meine es ernst! Wenn ihn jemand umbringen will, kann er das von mir aus gerne tun. Ich würde ihm sogar dabei helfen!“
Kilgharrah lachte leise. „Keiner von uns kann sich sein Schicksal aussuchen, Merlin. Und niemand kann ihm entgehen.“
„Nein.“ Merlin schüttelte seinen Kopf. „Kommt nicht in Frage! Es muss einen anderen Arthur geben, denn dieser hier ist ein Idiot.“
„Vielleicht ist es dein Schicksal, das zu ändern.“ Noch während er das sagte, begann er seine Flügel zu entfalten, um sich dann in die Luft zu erheben, die schwere Kette hinter sich herziehend, mit der er an den Felsen gekettet war.
„Warte doch! Moment mal, ich muss noch mehr darüber erfahren!“ Merlin versuchte ihn aufzuhalten, doch der Drache ignorierte seine Bemühungen und ließ ihn zurück. Er wartete noch eine ganze Weile, bevor er wieder nach oben stieg. Er hatte nun etwas, worüber er nachdenken musste.
Zurück blieben der ältere Merlin und Arthur. „Was meinte der Drache mit Gabe? Und war ich wirklich so ein Trottel, dass du mich umbringen wolltest? Ich denke, du schuldest mir eine Erklärung, Merlin!“
Dieser schwieg eine Weile und wog ab, was er sagen sollte und was besser zu verschweigen war. Dann begann er zu reden: „Um die zweite Frage zu beantworten: Ja. Und das würde mir, vorausgesetzt Ihr steht nicht gerade neben mir, jeder am Hof bestätigen. Außerdem habt Ihr das gestern schon von mir gehört. Ihr solltet meine Antwort kennen.“
„Du hast davon geredet mich umzubringen!“
„Und Ihr hattet mich kurz zuvor mit einem Morgenstern verletzt.“
„Dann war das hier also direkt nach unserer ersten Begegnung?“
„Ja. Und auf Eure erste Frage zurückzukommen... Ich weiß nicht genau, wo ich hier anfangen müsste.“
„Wie wäre es mit dem Anfang?“
„Was ist, wenn ich nicht weiß, wo der Anfang ist?“
„Dann...“ Arthurs Antwort kam nicht bei dem Diener an, da um sie herum erneut alles Schwarz geworden war. In der nächsten Sekunde standen sie im Bankettsaal Camelots.
„Vater!“ Als der junge König sah, wer in diesem Moment – begleitet von Fanfarentönen – den Raum betreten hatte, wollte er nach vorne stürmen, doch Merlin hielt ihn zurück. Uther würde Arthur ohnehin nicht wahrnehmen können.
Dann entdeckte Merlin sich selbst am Rand stehen, aber noch konnte er die Feier nicht einordnen. Auf Camelot gab es viele Feste.
„Du kannst mich loslassen.“ Arthurs Stimme klang belegt. Seinen Vater zu sehen, hatte alte Wunden aufgerissen. Merlin lockerte seinen Griff und Arthur blieb neben ihm stehen.
Uther Pendragon setzte währenddessen zu einer kleinen Ansprache an: „Seit mittlerweile zwanzig Jahren, leben wir in Wohlstand und Frieden. Dies hat dem Königreich und mir manch Vergnügen eingebracht, aber das ist nichts im Vergleich zu unserem heutigen Ehrengast: Lady Helen of Mora!“
Alle applaudierten und Merlin konnte hören, dass einer der Gäste „Sie singt so schön“ murmelte. Er selbst schüttelte nur leicht den Kopf. Ihr Gesang war zwar schön, aber wahrlich einschläfernd. Auch Arthur konnte sich an diesen Abend erinnern. War das doch der Tag gewesen, an dem ihm sein Vater einen unfähigen Diener zur Seite gestellt hatte. Für den Moment hatte er vergessen, dass Merlin ihm noch eine Antwort schuldete.
Die beiden Männer hatten sich inzwischen an die Wand gelehnt und ihre Aufmerksamkeit auf die Sängerin, die inzwischen auf der kleinen Bühne stand, gerichtet. Diese holte einmal tief Luft und begann dann zu singen.
Ihre Stimme war wahrlich lieblich, doch Merlin presste noch in derselben Sekunde, in der er die ersten Töne vernahm, die Hände auf seine Ohren, er wollte Arthur gerade bedeuten es ihm gleich zu tun, doch das musste er nicht. Als dieser Merlins Reaktion bemerkt hatte, war ihm klar geworden, was an jenem Abend passiert war.
So konnten sie beobachten, wie nach und nach alle in den Bann der Musik gerieten. Die Ersten kämpften bereits mit der Müdigkeit. Man konnte sehen, wie sehr sich der jüngere Arthur zusammenreißen musste, um nicht einzuschlafen. Uther stützte sich auf seine Hand und seine Augen hatten sich geschlossen. Morgana sank in sich zusammen. Dann war es auch um Arthurs Selbstbeherrschung geschehen, er lehnte sich zurück und nickte ein. Um die anderen Gäste des Banketts war es schon eine ganze Weile geschehen. Sie waren bereits im Land der Träume.
Derweil beobachtete Merlin, wie sein jüngeres Selbst, sich die Hände auf die Ohren presste. Vermutlich war er damals nur dank seiner Magie lange genug wach geblieben, um zu begreifen, was passierte und sich zu schützen.
Lady Helen sang weiter und Spinnweben begannen aus dem Nichts hervorzusprießen. Sie begannen alles und jeden zu umschließen. Auch das Licht der Kerzen wurde zunehmend schwächer, so, als würde ihnen die Energie zum Brennen fehlen.
Dann verließ die Sängerin ihr Podest und begann langsam auf den schlafenden Arthur zuzuschreiten. Der andere Arthur bemerkte derweil, dass es neben Lady Helen und seinem Diener noch eine weitere Person gab, die von dem Schlafzauber nicht betroffen zu sein schien. Den damaligen Merlin. Lady Helen hatte diesen offenbar nicht bemerkt.
Dann zog diese einen Dolch aus dem linken Ärmel ihres Kleides hervor. Arthur keuchte auf, obwohl er wusste, dass er dies überleben würde. Sein Blick sprang zwischen den beiden Merlin hin und her. Der eine hatte einen grimmigen Gesichtsausdruck aufgesetzt, während dessen jüngeres Ich entsetzt wirkte, fast schon panisch.
Man konnte nun beobachten, dass das Lied ihren Höhepunkt erreichte. Das Gesicht Lady Helens war nun von Hass verzehrt. Im selben Moment, in dem diese ausholte, um den Dolch auf den schlafenden Arthur zu werfen, entdeckte der jüngere Merlin, dass sich die Frau unter dem Kronleuchter befand. Daraufhin leuchteten seine Augen golden auf, der Kronleuchter löste sich aus seiner Verankerung und krachte auf sie herunter. Ihr erster Mordversuch war somit vereitelt worden.
Kaum, dass die Musik verstummte, fingen die Menschen wieder an, sich zu regen. Noch verwundert darüber, was geschehen war, begannen sie sich von den Spinnenweben zu befreien. Doch noch sollte es nicht vorbei sein.
Uther erhob sich und das erste was er sah war, dass das Antlitz Lady Helens, dem einer alten Frau gewichen war, die ihm irgendwoher bekannt vor kam. Allerdings war es ihm unmöglich zu sagen woher. Ein Gemurmel begann, niemand wusste was los war, da erhob sich auch Arthur. Nun begann die alte Frau sich wieder zu regen, sie richtete sich auf und blickte – noch immer voller Hass – auf die Königsfamilie. Und mit einem Schrei warf sie ihren Dolch in Richtung des Kronprinzen.
Der junge Merlin sah dies und zögerte keine Sekunde. Er stürmte auf den Prinzen zu, er musste ihn retten. Er riss diesen nieder und schützte so dessen Leben. Ihr Mordversuch war somit ein zweites Mal vereitelt worden.
Während dieser Arthur noch versuchte zu begreifen, was geschehen war, war der ältere Arthur dabei, etwas anderes zu verstehen. Zu durchschauen, weshalb Merlin ihn damals retten konnte.
„Schicksal...“, murmelte er leise.
Auch Merlin beobachtete die Geschehnisse nicht mehr. Er wusste genau, was nun geschehen würde. Uther würde ihm danken, dass er das Leben seines Sohnes gerettet hatte und würde ihn deshalb zum persönlichen Diener Arthurs ernennen. Damals hatte er sich nicht vorstellen können, dass ihm das bald viel bedeuten würde. Aber das tat es inzwischen.
„Arthur... Wir müssen reden.“ Nur zögerlich verließen diese Worte Merlins Lippen. Dieses Mal, wollte er nichts mehr zurückhalten. Sein König hatte es wahrlich verdient, dass er ihm alles sagte.
„Ich denke das auch. Gehen wir nach draußen.“
Ohne sich um die begeisterte Menge hinter sich – Uther hatte Merlin gerade die Stellung am Königshof verliehen – zu kümmern, verließen die beiden den Saal. Doch als sie durch die Tür traten, standen sie nicht im Gang, sondern in den Gemächern Arthurs. Niemand befand sich dort, aber durch das Fenster konnte man sehen, wie Arthur – gemeinsam mit Merlin und einigen seiner Ritter – offenbar zu einem Jagdausflug aufbrach.
„Setz dich.“ Arthur deutete auf einen der Stühle am Tisch, während er es sich selbst bereits niederließ.
„Ich weiß nun, wo der Anfang ist.“
„Ich denke, der Anfang ist dort, wo du gelernt hast, die Magie zu beherrschen.“
„Also habt Ihr es bemerkt?“
„Wie hätte ich es übersehen können? Der einzige Grund, weshalb ich noch so ruhig bin, ist, dass du mir mit Magie das Leben gerettet hast. Ich bin bereit, deine Geschichte anzuhören, aber wenn diese nur einen Grund übrig lässt, an dir zu zweifeln, wirst du diesen Raum hier nicht mehr lebendig verlassen.“
Merlin lächelte schief. „Das ist mir klar. Ich wusste schon immer, dass es eines Tages so enden würde. Nun, ich wurde mit der Fähigkeit Magie zu beherrschen geboren. Die Magie ist ein Teil von mir und ich könnte mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen.“ Gedankenverloren entzündete er eine kleine Flamme auf seinem Handteller. „Und bevor ich noch mehr erzähle, lasst mich eines sagen, Arthur: Nicht die Magie ist gut, oder böse. Die Menschen, die sie beherrschen sind es. Sie entscheiden, ob sie anderen helfen, oder schaden wollen. Deshalb verurteilt bitte nie jemanden, nur weil er ein Anhänger der alten Religionen ist.“
„Das habe ich noch nie. Erinnere dich doch einmal an den Druidenjungen. Oder daran, auf welche Weise ich meinen Vater retten wollte.“ Während er dies sagte, zuckte Merlin leicht zusammen, er wurde ungern daran erinnert, wie er damals versagt hatte, doch Arthur bemerkte es nicht.
„Und was ist mit Euren Verwünschungen gegenüber den Druiden allgemein?“
Arthur schwieg.
„Jedenfalls...“
Der König unterbrach seinen Diener: „Wie oft hast du mir mit der Magie das Leben gerettet?“
„Was?“
„Du hast mich schon verstanden. Mir ist nur gerade aufgefallen, dass es nach der Geschichte mit Lady Helen sicherlich noch weitere Male gegeben hat, bei denen du mir mit Magie geholfen hast.“
„Lady Helen war wirklich nur das erste Mal, aber es ist wohl besser, ich erzähle Euch alles der Reihe nach. Ursprünglich wollte ich die Magie nie wieder am Königshof einsetzen, schon gar nicht für ein Mitglied der Königsfamilie, nachdem ich bereits kurz nachdem ich Camelot betreten hatte, einer Hinrichtung beiwohnen durfte und mir eindrucksvoll bewiesen wurde, dass dies hier tödlich enden kann. Aber während des Turniers, wenige Tage nachdem ich Euch zur Seite gestellt wurde, ging es nicht mit rechten Dingen zu und ich konnte es auf dem ungefährlichen Weg nicht beweisen. Damals fing ich an zu begreifen, dass in Maßen, die Magie auch in Camelot Gutes tun konnte. Und dass sie kein Fluch war.“
Merlin erzählte noch weitere Geschichten, wie und wann er Arthur oder Camelot gerettet hatte, doch gewisse Dinge verschwieg er. Das Erste war, dass er es war, der den Drachen freigelassen hatte, das zweite, dass er versucht hatte Morgana zu vergiften, das dritte, dass der alte Zauberer und er ein und dieselbe Person waren. Vor allem letzteres erschien ihm sinnvoll, da er in dieser Gestalt Uther zu heilen versucht und versagt hatte.
„Und wie hast du damals den Drachen verjagt? Da ich ihn offenbar nicht getötet habe und du noch aufrecht standest, bist du anscheinend derjenige, der dem Drachen Einhalt geboten hat.“
„Ihr erinnert euch doch sicher noch an Balinor, den Drachenmeister. Nun, die Kräfte eines Drachenmeisters werden vererbt, vorzugsweise von Vater zu Sohn. Und Balinor war mein Vater. Mit seinem Tod sind diese Kräfte in mir erwacht und ich konnte mit dem Drachen, Kilgharrah, als seinesgleichen reden. Denn wenn man dies tut, dann sind sie gezwungen jedem Befehl Folge zu leisten.“
„Und warum hast du nichts getan, als der Drache uns heute angefallen hat?“
„Ich wusste nicht, was Kilgharrah wollte... Und Ihr wart noch bei Bewusstsein.“
Arthur atmete ruckartig durch die Nase aus, als er den letzten Teil von Merlins Satz hörte. Aus dessen Erzählung hatte er bereits gehört, dass Merlin vorzugsweise gezaubert hatte, wenn er nicht mehr bei Sinnen war. Allerdings waren seine Motive redlich gewesen, weshalb er gewillt war, darüber hinwegzusehen.
Nur eines schmerzte, als Merlin alles vor ihm offenlegte. Der Vertrauensbruch. Merlin hatte ihm nie genug vertraut, um das alles von sich selbst aus zu erzählen. Es hatte erst den Anstoß durch den Drachen gebraucht.
Allerdings verstand er die Gründe, zumindest zum Teil. Anfangs, als er noch der Kronprinz war, hasste er die Magie mit ganzem Herzen, er wäre zu seinem Vater gegangen und es hätte mit Merlins Flucht, oder dessen Tod geendet. Dann als er langsam begonnen hatte seinen eigenen Weg zu gehen, hatte Merlin dies vermutlich nicht zerstören wollen. Dann starb sein Vater – durch Magie – und er hatte erst einmal nichts mehr davon hören wollen. Egal, was zuvor gewesen war. Und dann war da noch Morgana. Eine Magierin und ihr einziges Ziel war es, Camelot zu schaden. Er sehnte die Zeiten zurück, in denen dies noch nicht so war, denn er vermisste es, Morgana an seiner Seite zu haben.
Arthur sah in Merlins Augen und dieser erwiderte den Blick, wie er es auch vorher immer schon getan hatte. Die anderen Bediensteten hatten sahen immer weg, meistens zu Boden. Merlin war noch derselbe, auch wenn es nicht mehr das Gleiche war, wie zuvor.
Der König erhob sich, zog sein Schwert und trat auf seinen Diener zu. Dieser rührte sich nicht. „Wenn ich dich jetzt wegen Hochverrat töten würde, was würdest du tun?“
„Nichts.“ Merlin schloss seine Augen, als würde er erwarten, dass Arthur ihn richten würde.
„Nichts?“
„Ich kann Euch nicht verletzen oder gar töten, nicht, nachdem ich euch jahrelang beschützt habe.“
„Dann soll es so sein.“ Arthur konnte beobachten wie Merlin sich anspannte. Doch der König steckte lediglich sein Schwert zurück in seine Scheide. Dann legte er seine Hand auf Merlins Schulter. „Du bist wahrlich ein loyaler Freund, Merlin.“
Als dieser das hörte konnte man den Stein, der ihm vom Herzen fiel, fast hören. Zudem hatte ihn Arthur noch nie als Freund bezeichnet. Doch er war sich sicher, dass dieser es ernst meinte. Er stand nun ebenfalls auf. „Ich danke Euch, dass Ihr mir noch immer vertraut.“
„Und ich danke dir, dass du mir mein Leben und Camelot schon so oft gerettet hast.“
Nun begann sich zum vierten Mal alles um sie herum aufzulösen. Als die Dunkelheit wich, standen sie wieder zu Kilgharrahs Füßen. Dieser sah sie genau an, bevor er sagte: „Nutzt euer neues Wissen und Vertrauen gut. Morgana darf nicht die Oberhand über diesen Krieg gewinnen. Der letzte Kampf mag zu eurem Vorteil geendet haben, aber ich kann nicht versprechen, dass dies beim nächsten Mal auch geschieht.“
Ohne eine Antwort abzuwarten erhob der Drache sich, er wusste, Merlin und Arthur würden sich seine Worte zu Herzen nehmen. Als er den Erdboden schon weit hinter sich gelassen hatte, meinte er ein leises „Danke“ von Arthur gehört zu haben, aber sicher war er sich nicht. Seine Ohren waren schon lange nicht mehr so gut, wie noch vor tausend Jahren.
Ausnahmsweise gibt es noch ein kleines Nachwort, wenn auch nur, um zu sagen, dass die Szenen in der Vergangenheit aus Folge 1 von Merlin „Der Ruf des Drachen“ stammen.
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pseudonym0gDHW • Am 15.01.2017 um 13:51 Uhr | |||||||
Gosh (Hier passt auch Merana... weil das ne Kreuzung aus Merlin und Morgana ist.) Ich habe das Ende der Serie gehasst, aber auf positive Art. Es hat mich überrascht und auch wenn ich danach völlig unzufrieden war, war es gut so. Aber es ist schön eine FF zu lesen, die wohl ein anderes Ende der Geschichte verursachen würde. Hier und da sind mit die Reaktionen nicht wirklich ganz incharacter und auch sprachlich holpert es das ein oder andere Mal, aber im großen und ganzen kann ich nicht viel meckern :) Mehr anzeigen |
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