Hallo zusammen, willkommen im meinem magischen Krimi! In dieser Playstory erwarten euch lange Kapitel und unterschiedliche Enden. Denn es gibt hier nicht die eine Hintergrundgeschichte, sondern viele verschiedene. Jeder zweite Klick führt euch zu einem anderen Täter und einem anderen Tathergang. Seid ihr bereit, in Minervas Fußstapfen zu treten? Dann viel Spaß beim Lesen!
Noch gibt es ein paar offene Enden. Dies sind: Code1; Code2; Code3; Code4. Sobald diese Handlungsstränge abgeschlossen sind, werde ich den Hinweis hier entfernen.
Minerva fröstelte. Mit einem beherzten Ruck zog sich das schottenkarierte Schultertuch enger um die Schultern, während ihre Füße sie eilig durch den Korridor trugen. Die Scheiben der Fensterflucht zu ihrer Rechten zeigten das silbrige Grau blinder Spiegel. Schwere, opalene Wolken trieben am Horizont vorüber. Eine Flut, die den ganzen Himmel überspannente wie ein Omen nahender Schneestürme. Der Winter war hart in diesem Jahr, dem späten Jahr 1980. Seit über drei Monaten durchstrich ein frischer Luftzug die Korridore von Hogwarts und der Schneefall der letzten Tage hatte etwas von tropfenden Eiszapfen gehabt. Vorbei war die weihnachtliche Heimeligkeit, obgleich in der Großen Halle, die Minerva soeben mit Pomona vom letzten Tannengrün befreit hatte, noch immer der Duft von Zimt und Kardamon lockte. Die Flure jedenfalls waren karg und menschenleer. Gut die Hälfte der Schüler war über Weihnachten nachhause gefahren, die andere verkroch sich in ihren Häusern und so glich Hogwarts einem Geisterschloss. Mit einem kritischen Blick beäugte Minerva im Vorrübergehen das unwirtliche Wetter und das Frösteln zog ihr trotz Schultertuch die Arme entlang bis in die Finger. Dann wandte sie sich stirnrunzelnd von den Bogenfenstern ab. Der wahre Grund ihres Frierens war nicht der harte Winter. Nicht nur die Welt vor den Schlossmauern lag in grauen, unheilverkündenden Schneenebeln, sondern auch die Welt hinter ihrer Stirn. Die Welt ihrer Gedanken. Zum Glück war heute Morgen nirgendwo das Dunkle Mal aufgestiegen. Der Schrecken und der Schauder saßen Minerva noch in den Gliedern. Vorgestern erst, ausgerechnet am ersten Weihnachtsfeiertag, hatten sie es tatsächlich gewagt ihre Gräuel in Hogsmeade zu begehen, das so nahe an Dumbledores Refugium als noch einzig verbliebenes Versteck vor Voldemort galt – bis jetzt. Aberforth, der in seiner Schenke so manche zwielichtige Gestalt gut im Auge behielt, hatte sofort seine silberne Ziege zum Schloss hinauf geschickt. Doch für Charlotte Nostra, der Besitzerin des kleinen Ladens für magische Requisiten, war der Hilferuf in Patronusform zu spät gekommen. Nur noch reglose, graue Augen hatten Minerva angeblickt als sie mit Albus am Tatort eingetroffen war. Von dem flüchtigen Täter fehlte noch jede Spur. Und heute? Heute war Albus außer Haus. Mitten in der Nacht war er zu einem Krisenkongress der Internationalen Vereinigungen der Zauberer aufgebrochen, um diesem Krieg endlich Herr zu werden. Und das bereitete Minerva Sorgen. Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass die Verantwortung für die Schule ein Wochenende lang in ihren Händen lag. Auch nicht das erste Mal in diesen schweren Zeiten des Krieges, in denen Voldemort immer mehr an Macht gewann. Wohl aber das erste Mal, dass die Schlüssel Hogwarts‘ in ihren Händen lagen, während gerade erst vor ihrer Haustür ein Mord geschehen war. Dieses Gefühl zu großer Verantwortung, das sie in ihren ersten Jahren als Stellvertreterin begleitet hatte, war ihr inzwischen recht fremd geworden. Doch irgendetwas saß ihr heute im Nacken. Irgendetwas machte sie nervös als käme da etwas auf sie zu, so schleichend wie der Einbruch des Winters. Minerva wiegte den Kopf. Sie hielt nicht viel von Wahrsagerei, von Vorahnungen und der Weissagung der Zukunft. Dass Albus diese Trelawney eingestellt hatte, erschien ihr als schwerer Fehler. Gewiss, sie verstand warum er die sonderbare Frau nach diesem verhängnisvollen Lauschangriff unter seinen Schutz gestellt hatte. Doch musste sie auch noch unterrichten?! Und dennoch: Es ließ Minerva nicht los. Diese Unruhe verfolgte sie schon, seitdem sie ihre Beine aus dem Bett gehoben hatte. Und weil in den Ferien alle Klassenzimmer verschlossen blieben, fand sie nicht einmal im Unterrichten Ablenkung. Vermutlich nahm sie sich den Angriff in Hogsmeade und die ständigen Meldungen ähnlicher Ereignisse im Tagespropheten und auf den Sitzungen des Phönixordens einfach ein wenig zu sehr zu Herzen. Es waren finsterte, kriegerische Zeiten, da waren Sorgen nicht unberechtigt, erst Recht wenn es auch im Dorf nicht mehr sicher war. Selbst wenn die Schule durch eine Unzahl uralter Zauber geschützt war, gab es immer ein Restrisiko. Endlich hatte sie ihr Büro erreicht und schloss den Raum auf, der sie mit Stille und winterlicher Kühle begrüßte. Sogleich entfachte Minerva ein behagliches Feuer, rieb sich ihre Hände und wärmte sich mit einer heißen Tasse Tee und zwei feurigen Ingwerkeksen auf. Als es im Kamin prasselte und die Funken stoben, trat sie an den Schreibtisch, in fester Absicht einen Stapel voller Hausaufgaben zu korrigieren und stutzte. Jede Pergamentrolle, die sie in die Hand nahm, trug bereits ihre Unterschrift, ihre Korrekturen und eine Note. Hatte sie wirklich bereits drei Klassensätze korrigiert? Seufzend legte Minerva die Pergamente beiseite. Also gab es auch hier nichts für sie zu tun. Keine Arbeit, keine Ablenkung und dann noch diese seltsame Nervosität. Was für ein Wochenende! Minerva war zu gewissenhaft als dass sie es je vor Albus oder einem der Kollegen zugegeben hätte, doch im Grunde wünschte sie sich, sie könnte Hogwarts und ihren Pflichten für ein Wochenende den Rücken kehren. Heute war einfach nicht ihr Tag. Ihre Knochen, die sie seit immerhin schon 65 Jahren durch die Welt trugen, verlangten nach Erholung und dann auch noch der Todesserangriff. Wie viel lieber wäre sie jetzt bei einem Quidditch Match der Holyhead Harpies, auf einem gemütlichen Einkaufsbummel in der Winkelgasse oder einem entspannten Spaziergang rund um den Wald und das Dorf. Nun, das mit dem Quidditch Match konnte sie wohl vergessen - seit Voldemorts Triumpfzug gab es keine ungestörten Spiele mehr - doch…. Minerva wandte sich um und musterte eingehend ihre Wanduhr. Beide Zeiger trafen sich auf der Zwei. Trotz der schrecklichen Ereignisse war es ein ruhiger Tag, an dem die Kinder sich angesichts des tristen, kalten Wetters eher innerhalb als außerhalb der schützenden Mauern der Schule aufhielten. Es hatte nach dem Todesfall keine Anzeichen gegeben, dass die Todesser Hogsmeade noch immer im Blick hatten und unter den Zinnen des Schlosses lebten etliche begabte Zauberer. Wenn sie ihre Angst für einen Augenblick vergaß und es nüchtern betrachtete, so konnte die Schule sie durchaus für eine kleine Pause entbehren. Zwei, drei Stündchen vielleicht, dann wäre sie wieder zurück. In dieser kurzen Zeit dürften die meisten ihre Abwesenheit wohl nicht einmal bemerken, geschweige denn irgendetwas vorfallen, das sie als Schulleiterin in die Pflicht nahm. Und falls doch, so waren alle Hauslehrer berechtigt, sie zu vertreten. Auf Filius und Pomona, das wusste Minerva, konnte sie sich in jedem Fall verlassen. „Kassandra, seien Sie doch bitte so gut und richten Sie den Professoren Flicktwick und Sprout aus, dass ich ein paar Stunden außer Haus bin. Sie können mich spätestens zum Abendessen zurückerwarten“, rief sie einem der beiden Porträts an den Wänden zu, das daraufhin nickte und sofort verschwand, nichts als eine leere Leinwandlandschaft zurücklassend. Dann ging Minerva nach nebenan in ihre Wohnung und rief ihren Reisemantel auf. Ein angenehmes Gefühl, Vorfreude nicht unähnlich, erfasste sie, als sie in den dicken Lodenstoff schlüpfte. Zufrieden und aufbruchsbereit trat sie zurück ins Büro. Nicht ahnend, dass ihr sonderbares Gefühl sie keineswegs getäuscht hatte. Nicht ahnend, dass ihr kleiner Ausflug noch eine Wende nehmen würde, die sie nicht erahnte. Ein letzter Schwung des Zauberstabs und ihr Schlüsselbund verschwand in der Manteltasche. Dann war Minerva fertig und…
brach zu einem Spaziergang am Verbotenen Wald entlang auf
warf Flohpulver ins Kaminfeuer, um zur Winkelgasse zu reisen
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Mit einem lauten Klacken fiel das große Portal hinter Minerva zurück ins Schloss. Sofort schlug ihr eisige Luft ins Gesicht und der Winter verwandelte ihren Atem in Dunst. Tief atmete Minerva durch. Obgleich ihr die Kälte in den Fluren des Schlosses zugesetzt hatte und es hier draußen gewiss noch ein paar Grade kühler sein mochte, fühlte sie sich gleich viel besser. Die frische, unverbrauchte Luft erfüllte ihre Lungen und weckte ihre Lebensgeister. Zudem wärmte ihr Reisemantel ihre Schultern auch besser als ihr Schultertuch, das sie sich nun unter dem Stoff um ihren Hals schlang. Den Spitzhut über dem strengen Dutt zurechtgerückt, die Hände in den Manteltaschen verborgen, ließ Minerva die Treppe hinter sich und schlug in den Schlossgründen den Weg zum Waldrand ein. Ästchen knackten unter ihren Stiefeln, Eulen kreisten vor der graugescheckten Wolkenfront, der Frost sammelte sich als Nebel auf Gräsern und Steinen und leise und lautlos fielen vom Himmel die ersten, zarten Flocken. Von Hagrids Behausung kräuselten sich Rauchsäulen empor. Minerva lächelte als sie zur Hütte hinab blickte und an die wohlige Wärme dachte, die darin herrschen mochte. Sie beschloss, ihm einen kleinen Besuch abzustatten und verbrachte eine Weile bei einem heißen Tee und steinharten Keksen. Mit einem herzlichen Gruß und dem Versprechen, ihn bald wieder zu besuchen, verabschiedete sich Minerva vom Wildhüter und ließ ihn mit seiner Ausbesserungsarbeit an seinem Jagdgewehr allein. Jetzt zog es sie zum Weg, der am Rande des Verboten Waldes entlang zum Dorf hinab führte, fort von der Schule und dem Gelände, fort aus dem Kreis ihrer Verantwortung. Wie still es hier war, wie ruhig, dachte Minerva als sie hinter einer Biegung endlich den Blick auf Hogwarts verloren hatte. Nur die Koppel der Thestrale befand sich noch in der Nähe, sonst schloss die Waldeinsamkeit sie gänzlich ein. Winterkahle Bäume, an denen sich nur vereinzelt noch letzte Herbstblätter im Schneewind wiegten, ragten als dunkle Gerippe neben ihr auf. Tiefer im Herzen des Waldes, unter dem Urforst und immergrünen Nadelgehölzen, herrschte eine allesverschluckende, geheimnisvolle Dunkelheit. Fast verspürte Minerva den Drang, sich zu verwandeln und ein wenig in ihrer Animagusgestalt auf Pirsch zu gehen. Doch das Knacken ihrer Knochen riet ihr davon ab. Solche Verwandlungen gingen immer ins Kreuz. Also setzte sie ihren Weg zu Fuß fort, langsam und gemächlich, während die Wildheit der Natur um sie her noch zunahm. Scharfer Wind umbrauste ihre Ohren, Schneeflocken stoben ihr ins Gesicht. Da plötzlich hielt Minerva inne. Blitzschnell fuhr sie herum und eine Gänsehaut lief ihren Rücken hinab. Was war das? Hatte sie nicht etwas gehört? Vielleicht nur ein Geschöpf, das sich bis an den Rand des Waldes herangetraut hatte. Doch es hatte wie Schritte auf dem kalten Grund geklungen. Schnelle Schritte, hastige Schritte. Minerva spähte in die Ferne, doch sie konnte nichts erkennen. Ihre Hand hatte sie im Reflex schon nach ihrem Zauberstab ausgestreckt, den sie nun fest umklammerte. Dann ließ sie ihn wieder los. Bei Merlin, sie war völlig überspannt! Überall sah sie schon Todesser hinter Bäumen lauern, obwohl es hier draußen vor Tieren wimmelte. Tief atmete Minerva durch, lief weiter. Doch das eigenartige Gefühl, dass jemand ihr folgte, ließ sie nicht los. Nur ein paar Schritte und sie hörte wieder Geräusche, klar und deutlich. Und diesmal war sie sich sicher: Das war kein Tier! Irgendwer verfolgte sie. Sie konnte in der Ferne sein Ächzen, sein atemloses Keuchen hören. Das war es also mit Entspannung. Wenn irgendwer ein paar Tage nach einem Todesserangriff sie, eine bekannte Verbündete Dumbledores, im Verbotenen Wald verfolgte, bedeute das gewiss nichts Gutes. Höchst alarmiert wirbelte Minerva abermals herum, den Zauberstab bereits gezogen, ganz die Kämpferin des Phönixordens. Und da geschah es. Den Weg hinab, ein gutes Stück von ihr entfernt, brach eine kleine Gestalt, kaum größer als ein Drittklässler, in einem dunklen Umgang aus den Bäumen. Doch sie rannte keineswegs auf Minerva zu, wie diese erwartet hatte. Nein, die kleine Person, wer immer es war, schien sie nicht einmal zu bemerken. Hektisch, panisch fast, eilte sie über den Waldweg, stolperte, stürzte. Dabei öffnete sich ihre Umhängetasche und etwas fiel zu Boden. Doch der Fremde kümmerte sich nicht darum, sondern rappelte sich wieder auf und schlug sich in die Felder. Minerva, die schon bereit gewesen war, ihren Angreifer zu schocken, ließ den Zauberstab sinken. Obgleich sie verschont worden war, wusste sie, dass die Sache noch nicht ihr Ende gefunden hatte. Wovor rannte der Schüler davon und was bei Merlins Bart hatte er hier überhaupt verloren? Wenn es denn ein Schüler war. Kobolde und freigelassene Hauselfen waren auch von kleiner Statur und Voldemort hatte alle möglichen Kreaturen auf seine Seite gebracht. Wer wusste, ob der Mord im Dorf nicht noch ein Nachspiel hatte? Eigentlich sollte sie den Fremden verfolgen. Doch die Gestalt begann schon als schwarzer Punkt kleiner zu werden. Sie würde sich sputen müssen, um überhaupt eine Chance zu haben, ihn noch einzuholen. Und dann war da noch die Sache, die er verloren hatte, die ebenfalls nach ihrer Aufmerksamkeit verlangte. Sollte hier wirklich ein Diener Voldemorts am Werk gewesen sein, wer wusste, ob das Ding nicht vielleicht Aufschluss über das Verbrechen im Dorf geben könnte? Doch würde sie die Stelle später noch finden, nähme sie jetzt die Verfolgung auf? Eine Sekunde lang starrte Minerva abwechselnd der Gestalt hinterher und musterte das Etwas auf dem Boden. Dann holte sie tief Luft und
folgte dem Fremden
beschloss den Gegenstand genauer in Augenschein zu nehmen
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Ohne auch nur einen weiteren Gedanken an den Gegenstand auf der Walderde zu verschwenden, rannte Minverva los als hätten ihre Füße die Entscheidung gefällt und nicht ihr Kopf. Zum Glück bewegte sich die kleine Gestalt weniger zügiger voran als sie zunächst geglaubt hatte. Oder - konnte das sein – wurde langsamer? Als Minerva schließlich querfeldein einen Wiesenhügel passiert hatte, hielt der Punkt in der Ferne endlich an. Doch nicht irgendwo mitten im weiß getupften Grün der Dezembergräser, sondern an einem groben Lattenzaun: der Einzäunung der Thestralkoppel. Minerva runzelte die Stirn. Was wollte ein Schüler, oder wer immer das da unten auch sein mochte, von den Kutschpferden? Der Fremde jedenfalls machte einen verwirrten Eindruck. Er wiegte den Kopf, blickte hierhin und dorthin als hielte er verzweifelt Ausschau nach einer Regung auf der Koppel, suche nach einem Zeichen der Existenz der Tiere. Und Minerva spürte die Anspannung wie einen regennassen Umhang von ihren Schultern gleiten. Offenbar konnte die Person dort unten die Thesatrale nicht sehen, die direkt vor ihrer Nase weideten und das schloss einen von Voldemorts Gefolgsleuten aus. Erst steckte sie den Zauberstab beiseite, dann ging Minerva auf den Fremden zu. Sie erwartete einen Schüler vorzufinden, dem sie alsbald die Leviten lesen würde und tatsächlich erkannte sie beim Näherkommen, dass es sich bei dem schwarzen Umhang, den die Gestalt trug, um ein Wintercape der Schule handelte. Und als ob es noch eines weiteren Beweises bedurfte, lugte unter dem dichten Haar des Kindes ein geringelter Schal hervor. Minerva stöhnte innerlich auf. Sie hatte ein wenig Abstand, ein wenig Ruhe gesucht und jetzt galt es doch wieder, Schüler zu maßregeln. Sie hätte in die Winkelgasse reisen sollen! Doch das Zaudern half nichts, die Pflicht rief. Inzwischen war Minerva nah genug und baute sich hinter dem Kind auf, das noch immer die Koppel in Augenschein nahm und sie daher nicht bemerkte, setzte eine strenge Miene auf und räusperte sich. „Hm-hm. Ich weiß zwar nicht, wer Ihnen die Flausen in den Kopf gesetzt hat, dass es eine gute Idee wäre, sich hier draußen herum zu treiben, während Hogsmeade von Todessern heimgesucht wird. Doch darf ich Sie daran erinnern, dass der Verbotene Wald für Schüler strengstens verboten ist. Würden Sie mich bitte ansehen, damit ich erkennen kann, wer Sie sind?“ Wie sie erhofft hatte, zuckte der schwarze Schulumhang zusammen und drehte sich sogleich zu ihr um. Minerva wartete. Minerva beobachtete. Minerva sah dem Kind direkt ins Gesicht… und hatte plötzlich das Gefühl, von einem kalten Waschlappen getroffen zu werden. Was sie sah war so gewöhnlich und zugleich so sonderbar, dass sie glaubte, einem schlechten Scherz aufgesessen zu sein oder aber die Gläser ihrer Brille seien nicht mehr in Ordnung. Ja, vor ihr stand ein Mädchen. Eine ganz gewöhnliche junge Hexe von etwa dreizehn Jahren, mit einer gewöhnlichen Umhängetasche und einer gewöhnlichen Schuluniform. Eine Bilderbuchausgabe einer Hogwartsschülerin mit nur einem kleinen Haken: Es war keine Hogwartsschülerin. Das Gesicht, in das Minerva blickte, war ihr gänzlich fremd. Kein Namen, keine Erinnerung daran, diese Jugendliche in ihrem Unterricht oder der Großen Halle gesehen zu haben. Und sie kannte all ihre Schüler. Die junge Hexe indessen schien weder von der scharfen Zuweisung noch von Minervas Überraschung sonderlich Notiz zu nehmen oder davon gar eingeschüchtert zu sein. Im Gegenteil: In dem Moment als sie Minerva in die Augen sah, atmete sie tief auf als wäre sie geradezu erfreut über ihre Begegnung und ihre verkrampfte Haltung entspannte sich wie bei jemanden, dem man eine schwere Last von den Schultern genommen hatte. „Professor McGonagall!“, sprach sie, erleichtert und flehentlich zugleich. Doch Minerva hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Ihr war etwas ins Auge gestochen. Das goldene Blitzen um den Hals des Mädchens und auf dessen Brust unter dem Umhang. Sicherlich hatte sie die feine, goldene Kette und das Schmuckstück schon bemerkt als das Mädchen sich zu ihr umgedreht hatte, doch erst jetzt fiel ihr die merkwürdige Form des Amuletts auf. Eine Form, die etwas in Minerva anstieß, ganz leicht wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Sie schärfte ihren Blick, nahm den Gegenstand ins Visier und traute abermals ihren Augen nicht. Scharf sog sie die Luft ein. Unmöglich! Und doch war es wahr, ihre Sinne betrogen sie nicht. Minerva blickte auf, sah dem Mädchen ins Gesicht. Ihr war sofort klar, dass die Klärung dieses Falls mehr Zeit in Anspruch nehmen würde als eine Standpauke vor der Thestalkoppel, viel mehr. Dass sie in eine Geschichte geraten war, die größer war als es zunächst den Anschein gehabt hatte und sie von dem, was auch immer geschehen sein mochte, nur ein Puzzleteil in den Händen hielt. Und auch, dass irgendwo irgendetwas gewaltig schiefgelaufen sein musste. Dass sie hier vor den Spuren eines Problems stand, das sie nicht allein würde bewältigen können. Sie würde Albus bescheidgeben müssen. Doch Albus war auf einem wichtigen Kongress. Nun, vielleicht würde sie sich auch erst einmal allein daran machen, Licht ins Dunkel zu bringen und warten bis er zurückkehrte. Das würde sie auf Rückweg zur Schule entscheiden. Jetzt war es erst einmal wichtig, dass sie mehr über die Geschichte der jungen Hexe erfuhr. „Bei Merlin, Kind, wer sind Sie? Was ist geschehen?“, fragte sie und sah dem Mädchen, das ihre Entdeckung wohl bemerkt hatte und für einen Augenblick verstummt war, direkt ins Gesicht. Den kostbaren Gegenstand, den es wie ein Amulett um den Hals trug, hatte Minerva noch nie mit eigenen Augen gesehen. Doch gelesen hatte sie darüber genug und auch vieles gehört. Diese Gegenstände waren selten und ungeheuer mächtig. So mächtig, dass das Ministerium sie alle unter Verschluss hielt und nur unter strengen Auflagen herausgab. Und es war ihr schleierhaft wie eines dieser Dinger in die Hand einer minderjährigen Hexe geraten konnte. Denn dieser Gegenstand war nichts Geringeres als ein Zeitumkehrer! In diesem Moment öffnete das Mädchen die Lippen: „Mein Name ist…
Hermine Granger"
...Sally Nostra"
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„Also hab ich mich in eine dunkle Ecke hinter eine Ritterrüstung gestellt, wo mich keiner sehen konnte und den Zeitumkehrer herausgenommen wie jedes Mal nach dem Unterricht. Aber grade als ich daran drehen wollte, hat mich was an der Schulter erwischt. Ich glaube, es war ein fangzähniges Frisbee und ich wette, es war von Fred und George. Der Zeitumkehrer ist mir durch die Finger gerutscht und… oh Merlin“, das Mädchen machte eine Pause und holte tief Luft, „er hat sich einfach gedreht, auch der große Außenring, der eigentlich feststehen sollte und ich wusste, dass irgendetwas furchtbar schiefgelaufen war, aber ich konnte es nicht mehr ändern, das Außenrad nur anhalten bevor es eine ganze Drehung ausgeführt hatte. Und dann war ich wieder in Hogwarts und ein paar Jungen mit Gryffindorschals kamen den Flur herunter. Aber ich kannte keinen davon und da war mir klar, dass ich viel weiter zurückgereist war als ich dachte. Ich bekam Panik. Ich wollte Hilfe holen, aber es durfte mich ja niemand sehen. Niemand darf einen Zeitreisenden sehen, das ist Gesetz. Ich hab alles darüber gelesen. Alles gelesen, was Zeitreisenden schon Schlimmes passiert ist, wenn sie sich nicht daran gehalten haben. Zauberer, die sich selbst getötet haben und dergleichen. Und Professor McGonagall hat mir das auch nochmal eingeschärft“. Das Mädchen brach ab, warf ihr einen Seitenblick zu und Minerva nickte. Sie vermochte nicht zu sagen, ob die roten Flecken auf der Wange der Drittklässlerin ein Zeichen der Scham waren oder nur vom Tee kamen, mit dem sie das durchgefrorene Mädchen versorgt hatte. Hinter ihnen im Kamin knackte leise das Feuer, tauchte die neugierig gewordenen Porträts des kreisrunden Schulleiterbüros in einen warmen Schein, während auf dem Schreibtisch eine selbstschreibende Notizfeder jedes Wort auf Pergament festhielt: Ein Protokoll für Albus, das Minerva nachher mit einer der Schuleulen nach London schicken würde. Sie hatte sich dagegen entschieden, ihn bei seinem wichtigen Kongress zu stören, solange sich das Problem noch irgendwie ohne seine Hilfe lösen ließ. „So?!“, erhob sich plötzlich eine knurrende Stimme ehe die junge Hexe wieder das Wort ergreifen konnte, „Und was hatten Sie bei der Thestralkoppel zu suchen? Warum haben Sie keinen Lehrer verständigt? Hatten Sie vielleicht noch ganz andere Pläne?“ Skeptisch musterte Minvera die verhärtete Miene ihres Gastes, der das arme Ding, das wie ein Schnappfisch den Mund aufriss, anging als wäre dies das Verhör eines Todessers. „Alastor, bitte“, unterbrach sie ihn leise mahnend, doch ihr Gegenüber wehrte ab. „Immer wachsam!“ erklärte er, während er ihr direkt ins Gesicht sah und dann die Stimme senkte, „Du weißt, dass wir diese Woche einen sehr mysteriösen Todesserangriff in Hogsmeade hatten, Minerva. Wir müssen auf alles gefasst sein.“ Minerva wusste es. Wie konnte sie das tragische Schicksal Charlotte Nostras vergessen, wo sie den ganzen Tag darüber grübelte? Doch das rechtfertigte nicht, eine völlig verängstigte Dreizehnjährige derart in den Schwitzkasten zu nehmen. Die Lehrerin in ihr, die sich für ihre Schüler, gegenwärtige wie zukünftige, verantwortlich fühlte, rebellierte. Dann rieb Minerva sich die Stirn, denn ihre Schläfe hatte zu schmerzen begonnen. Hoffentlich nahm das alles ein gutes Ende. Sie hatte Alastor Moody benachrichtigt und nach Hogwarts bestellt, weil er ihr als die Person erschienen war, die ihr und dem Mädchen am ehesten würde helfen können, nach Dumbledore versteht sich. Nun zweifelte sie an ihrer Entscheidung. Wenn Alastor sich nicht endlich benehmen würde… Grade wollte sie ihm um die Ohren hauen, welche Vorsichtsmaßnahmen sie selbst bereits getroffen hatte, da fand Hermine Granger ihre Stimme wieder. „Das habe ich auch versucht“, rechtfertigte sich das Mädchen, während es an seinem rot-goldenen Schal nestelte, „Ich war bei Professor McGonagalls Büro. Doch da reagierte niemand als ich anklopfte. Und als ich zum Schulleiterbüro ging, wollte mich der Wasserspeier nicht reinlassen und meinte nur, Dumbledore sei nicht im Haus. Also bin ihr zur Bibliothek, um mir die Tagespropheten anzusehen. Ich musste doch herausfinden, in welchem Jahr ich gelandet war und wie ich zurück kommen könnte. Ich dachte, irgendwo in einem Buch muss die Lösung zu finden sein. Aber außer dem Tagespropheten hab ich nichts entdeckt. Doch dann hab ich zufällig belauscht, wie Filch Madam Pince, an der ich mich verbeigeschlichen hatte, etwas davon erzählte, dass Hagrid schon wieder neues Zaumzeug für die Thestrale beantragt hätte und das ziemlich in die Galleonen ginge. Und ich dachte nur: Thestrale, mit denen könnte ich nach London fliegen, hoch über den Wolken, wo mich niemand sieht und dann zum Ministerium und dass mir dort sicher jemand helfen könnte. Also hab ich mich hoch auf den Astronomieturm geschlichen und geschaut, ob ich irgendwo eine Koppel sehe und mir die Richtung gemerkt. Und dann bin ich los. Ich bin einfach gerannt, denn ich wollte nur noch weg und hab sogar meine Schreibfeder verloren. Und dann war ich an der Koppel und ich konnte die Thestrale ja nicht sehen. Aber plötzlich war Professor McGonagall da und ich war so erleichtert. Und… bitte, Professor, bitte ziehen Sie Gryffindor keine Hauspunkte ab. Es war doch nur ein Unfall!“ Die Augen des Mädchens waren angstgeweitet. Doch Minerva legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Schon gut, schon gut, beruhigen Sie sich, Miss Granger. Sie haben uns alles erzählt, was wir wissen müssen. Hier, nehmen Sie sich eins von diesen merkwürdigen Bonbons dort für die Nerven. Ich habe keine Ahnung, was Professor Dumbledore da wieder für Näschereien angeschafft hat, aber ich bin mir sicher, er hätte nichts dagegen.“ Alastor legte die Stirn in tiefe Falten, während Minerva das Mädchen tröstete. „Und das war alles?“, knurrte er, „Klingt reichlich merkwürdig, die Geschichte. Wer weiß, ob sie nicht lügt?“ Minerva sah auf und nahm Moody scharf ins Visier. „Sie spricht die Wahrheit, Alastor!“, fuhr sie ihn geradezu an, „Glauben Sie etwa, ich träfe in diesen finsteren Zeiten nur Vorkehrungen, wenn ich in Ordensangelegenheiten unterwegs bin? Miss Granger hat mir ihre Geschichte unter Einwirkung des schärfsten Wahrheitsserums aus Horace Slughorns Vorräten erzählt. Wenn das eine Lüge ist, schmiedet Albus zusammen mit dem dunkelsten Magier der Zeit Weltherrschaftspläne!“ Das saß. Alastor Moody nickte ruckartig. „Gut, gut“, lenkte er ein, „Die Frage ist nur, was machen wir jetzt mit ihr…“ Noch während er das Mädchen musterte und zu überlegen schien, ergriff Minerva das Wort. „Sie muss in ihre Zeit zurückkehren. Bedenken Sie nur die Konsequenzen!“ Dass sie ihrem zukünftigen Selbst Ärger ersparen wollte, weil eine Schülerin ihres Hauses mit einem Zeitumkehrer von der Bildfläche verschwand, verschwieg Minerva besser. Wie konnte das Ministerium auch so leichtsinnig sein, ein Artefakt von solcher Macht einer übereifrigen Drittklässlerin anzuvertrauen! Nun ja, immerhin sprach das dafür, dass in dreizehn Jahren friedliche Zeiten herrschen würden, wenn solche Tollheiten möglich waren. Ein Wahnsinn war das. „Hmm“, brummte Alastor in sich gekehrt, „Ich weiß nicht, ob das geht!“ Minerva war wie von der Tarantel gestochen. „Nicht geht?! Was soll das heißen, nicht geht?!“ Moody sah ihr ins abermals Gesicht und seine Stirn war von dunklen Zweifeln umwölkt. „Ich werde mein Bestes versuchen, aber ich kann nichts versprechen“, erwiderte er, trat an den Kamin, nahm die Flohpulverdose vom Sims und warf eine Hand voll ins Feuer, „In einer halben Stunde bin ich zurück. ZAUBEREIMINSTERIUM!“ Die grünen Flammen züngelten um ihn und ohne eine weitere Erklärung war Alastor Moody verschwunden. Einen Augenblick lang sah Minerva ihm nach, dann wandte sie sich wieder dem Schulleiterbüro zu, ließ mit einem Schlenker des Zauberstabs die selbstschreibende Feder niedersinken und setzte sich zu Hermine Granger, die inzwischen um einiges ruhiger erschien. Im Zimmer herrschte mit einem Mal Stille. Stille, die die Versuchung wieder heraufbeschwor, die Minerva in den Fingern kribbelte, seitdem das Mädchen ihr zum ersten Mal von der Zeitreise berichtet hatte. Es war wahrlich ein seltsamer Zufall, dass zwei Tage nach jenem mysteriösen Überfall in Hogsmeade sich ein solcher Unfall ereignete. Doch vielleicht war dieser Zwischenfall auch zu etwas nütze. Minerva räusperte sich, gerade als die junge Hexe einen Schluck Tee nahm. „Eigentlich sollte ich Sie dies nicht fragen, Miss Granger“, begann sie zu erklären, „Aber Sie müssen verstehen, dass wir uns in einem furchtbaren Krieg befinden und vielleicht… vielleicht hängen Menschenleben davon ab. Deswegen,
würden Sie erlauben, dass ich mir Ihren Zeitumkehrer mal genauer ansehe?“
könnten Sie mir mehr über Ihre Zeit berichten?“
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Das Mädchen stellte die Tasse ab und schaute Minerva nach einem kurzen Blick auf das Artefakt verdutzt an. „Wieso, Professor? Stimmt etwas nicht damit?“ Minerva atmete tief durch. „Ich bin mir nicht sicher.“ In der Stille des kreisrunden Zimmers musterten die Augen der Schülerin sie eingehend. „Wie Sie mitbekommen haben, Miss Granger, ist vorgestern die Besitzerin eines Ladens für magische Artefakte auf rätselhafte Weise ermordet worden“, fuhr sie fort, „Und nun, keine zwei Tage später, tauchen Sie durch den Unfall mit einem Zeitumkehrer hier auf, der sie möglicherweise noch ein Stück weiter in die Vergangenheit gebracht hätte, hätte sie seine Drehung nicht im letzten Moment aufgehalten. Im Ministerium gibt es gerade einmal zwei Dutzend dieser Geräte und nur im Falle einer irreparablen Zerstörung wird ein neuer angefertigt. Es mag ein Zufall sein, doch es ist zugegeben ein reichlich sonderbarer.“ Das Mädchen hatte inzwischen begonnen, die feine goldene Kette um ihren Hals zu lösen. „Sie glauben, jemand hat meinen Zeitumkehrer manipuliert?“, fragte sie während sie sie über ihren Kopf zog, „Aber wer würde das Gesetz derart übertreten, ich meine so leichtsinnig? Zeitmagie ist doch sehr gefährlich!“ „Es gibt viele Gesetzlose derzeit und ebenso viele Gedankenlose“, erwiderte Minerva und nahm den Zeitumkehrer an sich, „Wenn ich Ihnen den Zeitumkehrer ausgehängt und sie auf die Unbeweglichkeit das Außenrings hingewiesen habe, dann habe ich Ihnen gewiss auch erklärt, welche Bewandtnis es damit hat.“ „Leider nein“, entgegnete das Mädchen, „Sie haben mir nur gesagt, dass er festgestellt ist“. „Nun gut, dann erfahren Sie es jetzt. So ich denn richtig über diese Geräte informiert bin, handelt es sich beim Außenring um ein Sicherheitssystem, mit dem Zeitumkehrer im Falle einer Beschädigung mit exakt einer Umdrehung in die Zeit ihrer Herstellung zurückgebracht werden können. Dazu wird das Rad, das sonst feststeht, auf den Zeitpunkt der offiziellen Inbetriebnahme geeicht. Fragen Sie mich nicht, wie dies genau vonstattengeht. Jedenfalls besitzt jeder Zeitumkehrer eine verborgene, geheime Seriennummer, die Auskunft über das Datum und die Uhrzeit gibt. Eigentlich sollten nur Unsägliche, genauer gesagt die zuständigen Zeitmeister, diese auslesen können. Doch wie das Schicksal es will, habe auch ich Kenntnis des geheimen Zauberspruchs.“ Es hatte seine Vorteile, wenn die eigene Mutter eine Zeitmeisterin a.D. war, die das Ende aller Schweigezauber überlebt hatte und im Delirium auf dem Sterbebett das eine oder andere Geheimnis ausplauderte. Miss Grangers Augen weiteten sich vor Neugier, während Minerva den Zeitumkehrer ganz vorsichtig unter das Licht des Kandelabers auf Albus‘ Schreibtisch hielt, ihre Brille mit einem Scharfsehzauber belegte und langsam mit dem Zauberstab über das Gerät fuhr. „Aha, dachte ich es mir doch. Sie Seriennummer lautet 198012252107. Das steht für den 25. Dezember 1980, 21:07, exakt eine Stunde bevor Charlotte Nostra in ihrem Laden ermordet wurde. Recht seltsame Zeit, um einen neuen Zeitumkehrer zu entriegeln. Weihnachten und dann so spät?!“ Während Minerva grübelte, schien dem Mädchen schier der Atem zu stocken. „Professor McGonagall, Sie sagten Charlotte Nostra hätte etwas von magischen Artefakten verstanden. Glauben Sie, sie hat den Zeitumkehrer auf dieses Datum geeicht? Vielleicht, um jemanden aus der Zukunft um Hilfe zu holen?“ Minerva wiegte den Kopf und legte das Artefakt behutsam beiseite. „Ich glaube nicht, dass Mrs Nostra wusste, dass sie ermordet werden würde. Und ein illegal angefertigtes Exemplar hätte die Mysteriumsabteilung nie übernommen, so dass es in Ihre Hände hätte gelangen können. Nein, Miss Granger, dieser Zeitumkehrer wurde aller Wahrscheinlichkeit nach ordnungsmäßig im Ministerium angefertigt.“ Der Gedanke jagte Minerva einen eisigen Schauer über den Rücken. Denn das bedeutete, dass einer von Voldemorts Leuten im Herzen des Ministeriums saß und die Todesser vielleicht schon längst unbemerkt durch die Zeit reisten. „Also wollte jemand aus dem Ministerium Charlotte Nostra retten?“, fragte Hermine Granger verwirrt. „Wohl eher das Gegenteil“, erwiderte Minerva und erntete ein Stirnrunzeln in einem jungen Gesicht dafür. „Die Abteilung für magische Strafverfolgung führt derzeit in Kooperation mit der Mysteriumsabteilung eine Testreihe durch, Kriegsverbrechen durch Zeitreisen ungeschehen zu machen. Im Tierversuch konnte das Verenden von Flubberwürmern, Streelern und dergleichen bereits verhindert werden. Doch jeder Rettungsversuch eines Menschen, ob magisch oder Muggel, endete bisher damit, dass der Gerettete binnen Minuten nach dem vereitelten Mordanschlag unter mysteriösen Umständen doch noch verstarb. Im skurrilsten Fall wurde jemand von einem versehentlich in ein Monster verwandelten Kessel totgebissen. Es hätte also keinen Zweck durch die Zeit zu reisen, um Charlotte Nostra zu retten und jeder Zeitmeister wüsste das auch. Aber es wäre ein wunderbarer Weg, einen Mord zu vertuschen. Ich selbst bin Zeugin in diesem Fall und soweit ich über die Ermittlungen informiert bin, waren an Mrs Nostras Leiche keine Spuren schwarzer Magie zu registrieren wie es bei der Anwendung eines Avada Kedavras der Fall hätte sein müssen. Darum gibt der Fall den Auroren ja auch so viele Rätsel auf.“ Das Mädchen schwieg für eine Weile, schien zu überlegen. „Aber Professor, wäre das nicht viel zu aufwändig? Extra einen Zeitumkehrer herzustellen, nur um etwas zu vertuschen? Wieso hat der Mörder nicht einfach einen gewöhnlichen Zeitumkehrer genommen?“ „Zeitumkehrer erzeugen Reiseprotokolle, Miss Granger. Jede Zeitreise kann zurückverfolgt werden, wenn nur ein fachkundiger Zauberer oder eine fachkundige Hexe in solches Protokoll abruft. Allein die voreingestellte Reise zum Eichdatum wird-“ Minerva brach ab als das Feuer im Kamin sich auf einmal grün färbte und Alastor Moodys Gesicht darin erschien. Er trat aus den Flammen und mit ihm eine Hexe und ein Zauberer in einem blauen Umhang, die er als Vergissmich und Unsäglichen vorstellte. Die beiden Mitarbeiter des Ministeriums erklärten kurz ihr Vorhaben und sahen dann Hermine Granger an, die ihre Blicke dunkel erwiderte. Minerva seufzte. „Nun, dann ist die Zeit des Abschieds wohl gekommen. Leben Sie wohl, Miss Granger, bis in dreizehn Jahren“. Das Mädchen stand auf, verabschiedete sich und folgte den beiden Minsiteriumsangestellten zur Tür. Besorgt sah Minerva ihnen hinterher und Moody brummte: „Hmm, das wär’s dann ja!“ Er wandte sich ab und war schon im Begriff nach der Flohpulverdose zu greifen, doch Minerva hielt ihn mit einem beherzten Griff zurück. Noch ehe er etwas sagen konnte, senkte sie die Stimme zu einem Flüstern. „Alastor, ich brauche eine Aufstellung aller Zeitmeister der Mysteriumsabteilung“ Moody starrte sie sie mit gehobenen Augenbrauen an. „Warum das denn?“ Minerva holte tief Luft um sich zu sammeln, dann weihte sie ihn in ihren Verdacht ein und auch in ihre Absicht, mehr über die Personen in Erfahrung zu bringen. Am Ende nickte Alastor knapp. „Gut, wer dort arbeitet ist kein Geschäftsgeheimnis, also hol mal Pergament und Feder!“ Minerva befehligte erneut ihre Selbstschreibfeder, die schnell die sieben Namen notierte, die Moody ihr offenbarte. „Danke, Alastor. Hoffen wir, dass wir den Todesser bald entlarven!“, bemerkte sie als das Schreibgerät still stand und erntete abermals ein knappes Nicken während Moody endlich nach der Flohpulverdose griff. „Wenn du etwas herausfindest-“ „-gebe ich dir sofort Bescheid!“ Ein letztes Brummen, ein letzter Blick, dann hatten die grünen Flammen ihren Gast verschluckt. Minerva wandte sich ab, setzte auf Albus‘ Stövchen eine Kanne Earl Grey auf und machte sich sofort ans Werk. Ihr Ziel: Die Seitenkammer mit den Schränken der Akten ehemaliger Schüler. Solange eine Hexe oder ein Zauberer noch lebten, bewahrte die Schule die Erinnerung an sie. Tausende von Karteien, tausende von Notizen und vielleicht der Schlüssel zu diesem Rätsel.
Staub flockte im schummrigen Licht des Kandelabers auf als Minerva das nächste Dokument aufschlug. Inzwischen herrschte hinter den Bogenfenstern rabenschwarze Nacht und die Schulleiterporträts beschwerten sich schlaftrunken über Ruhestörungen durch den Lichtschein. Doch Minerva McGonagall hörte nicht auf ihre Klagen noch empfand sie den leisesten Anflug von Müdigkeit. Die Gier danach, Charlotte Nostras Mörder zu finden und damit vielleicht auch von Hogwarts eine Gefahr abzuwenden, schürte die Glut des Eifers. Fünf Hexen und Zauberer, darunter auch den Unsäglichen, der Miss Granger behilflich gewesen war, hatte sie schon überprüft ohne etwas Auffälliges an ihrer Schülerbiografie feststellen zu können, nun knöpfte sie sich Nummer Fünf vor. ‚Eingeschrieben: 1942; Exmatrikuliert: 1949‘, verriet ihr die Akte und Minerva runzelte die Stirn. Charlotte Nostra hatte Hogwarts von 1946 bis 1953 besucht. Damit war Nummer Fünf die erste Person, deren Schulzeit sich mit jener der Ladenbesitzerin überschnitt. Zu dumm, dass sie in einen Zeitraum fiel bevor Minerva ihren Posten antrat. Sie las weiter. Haus Slytherin… Die Zeugniskopien offenbarten hervorragende Noten in Zauberkunst, Verwandlung und Wahrsagen… Ernennung zum Vertrauensschüler… verwandelte das Abzeichen in ‚in Nachfolge Tom Riddles‘. Minerva fröstelte. All das gefiel ihr gar nicht und der grausame Verdacht wuchs. Und dann, als sie die nächste Zeile las, war es plötzlich kein Verdacht mehr. Es war Gewissheit. ‚Angriff auf ungewöhnlich begabte Schülerin der zweiten Klasse - Charlotte Nostra, Ravenclaw. Beschimpfung als Schlammblut und der Magie unwürdig. Von Miss Nostra in Notwehr verhext und nach St. Mungo eingeliefert, möglicherweise irreparable Zuckung der linken Augenbraue. Schwur, sich irgendwann an Miss Nostra zu rächen‘, stand dort. Minerva schlug die Akte zu und wandte sich der Porträtwand zu. „Everard, suchen Sie Alastor Moody in seinem Büro auf. Ich glaube, wir haben unseren Todesser!“
Es ist ein Mann
Es ist eine Frau
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„Ich kann es immer noch nicht glauben. Augustus Rookwook!“ Arthur Weasley schüttelte den Kopf, während er die Schlagzeile im Abendpropheten zum wohl gefühlt hundertsten Mal las: UNSÄGLICHER VOM ZAUBERGAMOT WEGEN MORDES ZU LEBENSLANGER HAFT VERURTEILT. „Ludo Bagman hielt immer so große Stücke auf ihn!“ „Arthur, das hast du jetzt schon zum fünften Mal erklärt. Wie wäre es, wenn du mir mal mit dem Abendessen helfen würdest? Nein, Fred, George, legt das sofort wieder hin!“ Die beiden Zweijährigen, die gerade Eulenmist aus einem Käfig puhlten, blickten mit erschrocken Augen auf und irgendwo schrie ein Baby. Molly stöhnte. Auf eine ganze Rasselbande aufzupassen, war eine nervenzehrende Aufgabe. Doch jemand Anderes am Tisch war völlig entspannt. Jemand mit einem langen, silbernen Bart und einer Halbmondbrille. „Unsere Feinde verstecken sich überall, Arthur, selbst in unseren eigenen Reihen sind wir nicht immer sicher“, erklärte Dumbledore ruhig, während Mister Weasley die Zeitung beiseitelegte und sich um die Getränke für die Tafel kümmerte, „Wir können von Glück reden, dass Minerva so einen wachen Geist bewies.“ „Wo bleibt sie eigentlich?“, fragte Arthur, dem ein quängelnder Junge von vielleicht sieben Jahren um die Beine strich und nach dem Kürbissaft grabschte, während sein jüngerer Bruder dem älteren bei dessen Hausaufgaben über die Schulter schaute. „Ich glaube, sie wollte mit Alastor noch-“ Dumbledore brach ab als das Feuer im Kamin der Weasleys sich grün färbte und zwei Gestalten, eine ernst und mürrisch, die andere lächelnd und mit alkoholgeröteten Wangen, aus den Flammen trat. „Was für ein Tag für ein Goldlackwasser“, erklärte Minerva beschwipst, „Aber nach dieser Verhandlung braucht man ja noch ein Beruhigungsmittel“. Dumbledore grinste. „Ja, die Verhandlungen des Zaubergamots sind immer sehr zermürbend. Ich lobe mir den alten Hackleburn, der die Angewohnheit hatte, jede Sitzung mit einer kleinen Anekdote zu eröffnen. Ich glaube, seine Lieblingserzählung war-“ „-Albus“, unterbrach Minerva ihn sanft. Genau in diesem Moment trat Molly mit einer Schüssel heißer Pasteten ins Zimmer, erblickte die Neuankömmlinge und lächelte. „Willkommen zum Festessen!“
ENDE
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„Ophelia Malfoy, tatsächlich?!“ Arthur Weasley schüttelte den Kopf, während er dem Bericht Moodys lauschte, der noch immer vor dem Kamin stand anstatt sich zu setzen. „Lucius wird nicht begeistert davon gewesen sein, dass sie seine Mutter verurteilt haben.“ „Nicht im Geringsten!“, knurrte Moody. „Arthur?! Arthur, Hilf mir doch mal bitte mit dem Abendessen! Nein, Fred, George, sofort weg da!“ Die beiden Kleinkinder, die der Stimme ihrer Mutter folgend in die Küche getappst waren und die Händchen nun nach dem heißen Ofenrost ausstreckten, blickten erschrocken auf und irgendwo schrie ein Baby. Molly ächzte. Ihre Nerven lagen blank. Sie hatte zu viele kleine Kinder im Auge zu behalten und dann noch die Hausarbeit. Wenn es keine Magie gäbe… Remus Lupin jedoch, der heute nach einer harten Mission im Werwolfsviertel schon früh im Hause der Weasleys erschienen war, saß ganz ruhig an seinem Platz und seufzte nur leise. „Sirius kann ein Lied davon singen. Die Malfoys blicken wie die Blacks auf eine sehr lange Familientradition zweifelhafter Ansichten zurück. Ein Vorfahre soll schon im Mittelalter vorsätzlich Muggel getötet haben ohne dass man es ihm nachweisen konnte und ein anderer hat um die Zeit des Geheimhaltungsabkommens eine hetzerische Zeitschrift gegründet. Ein Glück, dass Minerva McGonagall die Sache aufdeckte.“ „Wo bleibt sie eigentlich?“, fragte Arthur, der Beedles Märchenbuch beiseitelegte, aus dem er drei weiteren seiner Söhne vorgelesen hatte und aufstand, um seine Frau zur Hand zu gehen. „Wollte mit Dumbledore noch ein-“, knurrte Moody und brach ab als das Feuer im Kamin der Weasleys sich grün färbte und zwei Gestalten lächelnd und mit alkoholgeröteten Wangen aus den Flammen traten. Beide trugen sie Brillen, die eine halbmondförmig, die andere viereckig. „Was für ein Tag für ein Goldlackwasser“, erklärte Minerva beschwippst, „Aber nach dieser Verhandlung braucht man ja noch ein Beruhigungsmittel“. Dumbledore grinste. „Ja, die Verhandlungen des Zaubergamots sind immer sehr zermürbend. Ich lobe mir den alten Hackleburn, der die Angewohnheit hatte, jede Sitzung mit einer kleinen Anekdote zu eröffnen. Ich glaube, seine Lieblingserzählung war-“ „-Albus“, unterbrach Minerva ihn sanft. Genau in diesem Moment trat Molly mit einer Schüssel heißer Pasteten ins Zimmer, erblickte die Neuankömmlinge und lächelte. „Willkommen zum Festessen!“
ENDE
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„Ich meine, ist ER besiegt?“, konkretisierte Minerva sich. All die Sorgen um Hogwarts, all das Entsetzen über den ungeklärten Todesserangriff, machten ihr noch immer zu schaffen. Wenn mit dem Wissen über die Zukunft vielleicht weitere Morde verhindert werden könnten, dann wollte diese Chance auch genutzt werden. Einen Augenblick lang starrte das Mädchen sie verunsichert an. Überlegte die junge Hexe oder konnte sie nicht fassen, dass ihre strenge Lehrerin es wagte, das Gesetz zu übertreten? Wer Zeitreisende gezielt über die Zukunft ausfragen wollte, brauchte eigentlich eine Sondergenehmigung des Ministeriums. „Ja, ist er“, antwortete Hermine Granger nach einem Augenblick, „das heißt nein. Er ist besiegt und irgendwie doch auch nicht.“ Minerva runzelte die Stirn, während die junge Hexe tief Luft holte. „Also es ist so: Er hat die Potters angegriffen, dabei sind Harrys Eltern gestorben. Harry war fast noch ein Baby als das geschah.“ Minerva brauchte einen Augenblick, um die Worte sacken zu lassen. Lily und James! Also hatte die Prophezeiung doch Auswirkungen, Voldemort hatte sie ernstgenommen und die Familie gejagt. „Wann geschieht das?“ „Halloween 1981“, antwortete das Mädchen, „Aber Harry hat überlebt. Er ist berühmt deswegen. Denn er ist der erste, der einen Todesfluch überstanden hat.“ Minerva staunte. „Als Voldemort ihn angriff, hat ihm das irgendwie den Rest gegeben. Seitdem ist er verschwunden. Viele glauben, er sei tot. Aber das ist nicht wahr. Er ist noch irgendwo da draußen und versucht wieder an die Macht zu kommen. Und jetzt ist Sirius Black aus Askaban ausgebrochen und hinter Harry her.“ „Sirius Black?!“ Minerva staunte noch mehr und das Mädchen schluckte. „Ja. Wir… wir sollten es eigentlich nicht wissen“ stammelte sie, „Aber er hat die Potters an Voldemort verraten, nachdem Dumbledore sie mit einem Fideliuszauber verstecken wollte. Er war der Geheimniswahrer und… und ein Anhänger Voldemorts. Er hat sie verraten! Sie und Dumbledore dürfen ihm nicht trauen!“ Minerva hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen. Sirius, ausgerechnet er! Er war Lilys und James‘ Trauzeuge, der Pate ihres kleines Sohns, der beste Freund der Familie. Gewiss, Albus mutmaßte schon lange, dass es einen Spion in ihren Reihen gab. Der Feind war zu gut über jeden Schritt des Orden des Phönix‘ informiert. Doch nie, niemals hätte sie auf Sirius getippt. Dieser Krieg hatte ein wahrlich hässliches Gesicht. „Und weiter?“, ermutigte Minerva das Mädchen. Doch Hermine Granger schüttelte nur den Kopf. „Mehr weiß ich nicht.“ Für eine Weile saßen sie da und schwiegen. Doch Minerva brannte es noch immer unter den Nägeln. „Sagen Sie, Miss Granger. Sind in der Zukunft Todesserangriffe auf Hogsmeade im Spätherbst 1980 dokumentiert? Vielleicht sogar auf Hogwarts? Ich muss es wissen, die Schule steht derzeit unter meiner Obhut. Und Sie sind ja sehr belesen wie es scheint und über alles bestens im Bilde“. Doch Hermine Granger schüttelte den Kopf. „Die Schule wurde nicht angegriffen. Nicht, dass ich wüsste. In ‚Die Geschichte von Hogwarts‘ ist nur ein Todesfall aus den 40gern erwähnt“ Ihre Antwort beruhigte Minerva mehr als sie in Worte fassen konnte. Grade wollte sie etwas erwidern als plötzlich ein grüner Lichtschein auf sie fiel. Flohfeuer! Sie drehte sich um. Aus dem Kamin traten drei Personen: Alastor in Begleitung eines Zauberers und einer Hexe, wobei die Hexe einen blauen Umhang trug und einen Holzkasten mit sich führte. „Das sind Taddäus Traged vom Magischen Unfall-Umkehr-Kommando und Hillary Chanton, eine Unsägliche“, stellte Alastor die beiden vor und man schüttelte einander die Hand. „Die Umkehr einer versehentlichen Zeitreise ist entgegen landläufiger Meinung durchaus möglich, solange sich der Reisende weniger als zwölf Stunden in der Vergangenheit aufhält“, begann Mister Traged ohne Umschweife zu erklären, „Die Mysteriumsabteilung streut in dieser Hinsicht falsche Gerüchte, um Hexen und Zauberer vom Missbrauch der Zeitumkehrer abzuhalten.“ Er warf seiner Kollegin einen Blick zu, die zustimmend nickte. Minerva atmete innerlich auf und das Mädchen seufzte erleichtet. „Allerdings“, fuhr Mister Traged fort, „ist die Umkehr eines Zeitreiseunfalls mit einigen Hürden und Unannehmlichkeiten verbunden. Hillary?“ Die Hexe im blauen Umhang räusperte sich und übernahm das Wort und Minerva hing ihr mit einiger Besorgnis an den Lippen. „Die Rückreise in die angestammte Zeit erfolgt mit einem sogenannten Tempuskasten, den ich hier mit mir führe“, sie deutete auf die Kiste, „Diese Geräte sind in der Lage, die Magie der Zeitumkehrer umzupolen, so dass sie beim nächsten Gebrauch den letzten Zeitsprung rückwärts verfolgen. Allerdings gibt es einige Risiken. In einem von dreißig Fällen hat die Zeitmagie negative Auswirkungen auf den Reisenden selbst und lässt ihn um etwa ein Zehntel des zu überbrückenden Zeitraums altern. In einem von zehn Fällen arbeiten die Zeitumkehrer nicht exakt es kommt bei der Rückreise zu Abweichungen von bis zu drei Monaten. Und in einem von fünf Fällen zerstört die Rückreise den Zeitumkehrer, da diese Geräte eigentlich nicht auf eine Zukunftsreise ausgelegt sind.“ Hermine Granger wurde blass. „Und… und es geht wirklich nicht anders? Ich meine, im Zauerbeiministerium gibt doch bestimmt Experten für Zeitumkehrer. Jemand, der diese Gefahren abwenden kann und-“ „-Ich fürchte, dieses Risiko werden Sie auf sich nehmen müssen“, unterbrach Minerva sie matt. Einen Moment starrte das Mädchen die Erwachsenen an, dann atmete es tief durch und nickte. „Gut“, entgegnete die Unsägliche, „Dann führen Sie mich bitte zum Unfallort. Mister Moody erzählte uns bereits, dass es irgendwo hier im Schloss passiert war.“ Hermine Granger ging voran und gemeinsam verließen sie und Hillary Chanton das Büro. „Das war es dann wohl“, erklärte Minerva als die beiden gegangen waren. „Nicht ganz“, erwiderte Mister Traged und Alastor blickte ihn mit gehobener Augenbraue an. „Was denn noch?“, fragte Minerva stirnrunzelnd Der Ministeriumszauberer räusperte sich. „Gemäß der Internationalen Zeitreisegesetze, müssen die Gedächtnisse aller Zeugen eines Zeitreiseunfalls so verändert werden, dass jedwede Erinnerung an den Vorfall aus ihrem Geist gelöscht ist. Als ausgebildeter Vergissmich werde ich die Oblivation gleich vor Ort vornehmen“. Minerva erschrak. Das bedeutete, dass all sie die wertvollen Informationen, die das Mädchen ihr anvertraut hatte, verloren wären. Sie wollte protestieren, wollte einwenden wie entscheidend ihr Wissen vielleicht diesen Krieg beeinflussen könnte. Doch sie wusste, gegen das personifizierte Gesetz war jeder Kampf vergebens. Sie hatte verloren. „Sind Sie beide die einzigen Zeugen?“, fragte der Vergissmich. „Nein“, erwiderte Minerva, „Professor Slughorn hat ebenfalls Kenntnis von dem Vorfall. Ich hole ihn.“ Unter Moodys wachsamem Blick schickte sie eines der Porträts los, um den Tränkemeister zu suchen, der wenig später an die Tür klopfte. Als sich alle im Schulleiterbüro versammelt hatten, teilte Mister Traged Phiolen mit einer blau-silbrigen Flüssigkeit aus, die das Einsetzen der Vergessens nach seinen Obliviatezaubern so weit hinauszögerte, dass er den Ort des Geschehens verlassen konnte und so keine Spur in den Gedächtnissen der Behandelten hinterließ. Widerwillig ließ Minerva die Prozedur über sich ergehen. Widerwillig nahm sie zur Kenntnis, wie der Vergissmich sich verabschiedete und ins Flohfeuer trat, wie ihm Alastor mit wenigen Abschiedsworten auf dem Fuß folgte und auch Horace sie wieder verließ. Dann wandte sie sich ab, schickte ihren Brief an Albus mit einem Evanesco ins Nirwana und notierte nur die knappen Worte: Sirius Black im Auge behalten. Mit einiger Enttäuschung betrachtete sie ihre Notiz. Fünf Worte. Fünf Worte waren keine große Ausbeute. Vielleicht hätte sie das Mädchen noch ausfragen sollen. Vielleicht hätte sie auch noch ganz andere Fragen stellen sollen. Doch es war zu spät dafür. Draußen dämmerte bereits der Abend und der Dezemberwind blies Schneeflocken gegen die Bogenfenster als mit einem ziehenden Kopfschmerz das Vergessen begann. Minerva trieb in einem Meer aus Erinnerungen, die ihr alle entglitten und verblassten, bis nichts mehr blieb. Einen Augenblick später war ihr als tauche sie aus einer Trance auf. Im Kamin stoben noch immer Funken empor. Sie sah ihnen zu, beobachtete für eine Weile wie sie tanzten. Was hatte sie an diesem Tag eigentlich gemacht? Ja, sie war zu einem Waldspaziergang aufgebrochen, um ihre Nerven zu beruhigen und hatte Hagrid besucht. Doch was dann geschehen war, war hinter einer grauen Nebelwand verborgen. So wie der Mord in Hogsmeade, den die Aurorenzentrale noch nicht aufgeklärt hatte. Sie schüttelte den Kopf. Vermutlich wurde sie langsam wirklich alt. Müde wandte Minerva sich ab und beschloss, in ihr eigenes Büro zurückzukehren. Doch etwas war anders als noch am Morgen. Ruhe, eine tiefe Ruhe. Minerva war endlich völlig entspannt und sah dem Rest des Wochenendes trotz des Todesserangriffs unten im Dorf gelassen entgegen. Sie konnte nicht erklären, woher sie diese Gewissheit nahm, doch irgendwie wusste sie einfach, dass Hogwarts während Albus‘ Abwesenheit nichts zu befürchten hatte. Fast so, als hätte es ihr jemand zugeflüstert. Jemand, der die Zukunft kannte.
ENDE
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Minerva brauchte einen Augenblick, um sacken zu lassen, was das Mädchen soeben gesagt hatte. Dann wandte sie ihren Blick vom Zeitumkehrer ab und sah ihrem Gegenüber wieder ins Gesicht. „Nostra? Aber das ist doch der Name der getöteten Ladenbesitzerin, unten im Dorf!“ „Oh ja“, bestätigte das Mädchen und zögerte einen Augenblick lang, „Sie war meine Großmutter“ Stille. Die Worte zerstoben im fallenden Schnee. Minerva fühlte die kalten Flocken in ihrem Gesicht schmelzen und zugleich etwas in ihrem Inneren immer tiefer sinken. Hinter diesen Worten, so leichthin gesagt, stand eine große, traurige Geschichte. Und so sehr ihr dieses fremde Mädchen ein Rätsel war, war Mitleid alles, was sie in Augenblick empfand. „Ach je, das tut mir leid“, erwiderte Minerva ruhig, während das Mädchen den Blick gesenkt hielt. Sie reichte ihm ein Taschentuch, obwohl Sally Nostra nicht weinte und legte ihm behutsam eine Hand auf die Schulter, „Kommen Sie, ich bringe Sie nach Hogwarts. Dort können Sie sich aufwärmen und auf dem Weg dorthin erzählen Sie mir Ihre Geschichte. Ich würde ja zu gern wissen, wieso jemand, den ich noch nie gesehen habe, meinen Namen kennt und eine Uniform unserer Schule besitzt“. Sally Nostra nickte stumm, ohne auf Minervas ohnehin mehr zu sich selbst gesprochenen Worte einzugehen und ein sonderbares Lächeln stahl sich über ihre Lippen. Mangels einer besseren Erklärung beschloss Minerva es als Erleichterung zu interpretieren, doch blieb ein nagendes Gefühl, das irgendetwas nicht stimmte. Nachdem sie sich nach dem Befinden sowie dem Alter des Mädchens erkundigt und ein wenig über Hogwarts erzählt hatte, nahm sie den Faden wieder auf. „Mir war nicht bekannt, dass Mrs Nostra eine Enkelin hat. Noch dazu eine, die Hausunterricht erhält. In unseren Schulakten ist Ihr Name nicht erwähnt, das wüsste ich“. Der Name Nostra war Minerva keineswegs unbekannt. Die alte Charlotte war mit ihr in einem Jahrgang gewesen, auch wenn sie sich nur flüchtig an sie als Schülerin erinnerte. Und auch ihre beiden Söhne hatten Hogwarts besucht. Auf einmal blieb Sally Nostra stehen und funkelte Minerva mit einem schwer zu deutendem Blick an. „Ich bin keine Hexe“, erklärte sie monoton, „ich bin eine… eine… eine Squib!“ Minerva erwiderte den Blick des Mädchens überrascht. Doch nicht die Worte verwunderten sie als vielmehr die Art und Weise, wie Sally Nostra sie aussprach. Es war der Jugendlichen deutlich anzumerken wie viel Überwindung sie das Geständnis gekostet hatte. Sie hatte das Wort Squib geradezu ausgespien gleich einer verdorbenen Speise. Doch so viel Verachtung für sich selbst?! Minvera runzelte die Stirn. Dieses Mädchen war wirklich sonderbar. Und vielleicht war es dieser Gedanke, der ihr endlich über die Lippen trieb, was ihr schon die ganze Zeit durch den Kopf ging. „Und warum tragen Sie dann eine Schuluniform von Hogwarts? Wieso kennen Sie meinen Namen?“ Sie bremste sich, ehe sie das Mädchen noch auf den Zeitumkehrer ansprach. Diese Sache wollte mit mehr Vorsicht angegangen werden. „Ach die“, erklärte Sally Nostra, „die gehörte meiner Großmutter. Sie hat sie mir gezeigt als sie mir von ihrer Schulzeit erzählte und wir das Jahrgangsfoto anschauten und sie sagte, dass ein paar ihrer alten Mitschüler jetzt selbst in Hogwarts unterrichten. Ich hatte so schnell nichts anderes zur Hand zur Flucht. Die Uniform und die Tasche voll mit Sandwiches und Kürbissaft. Aber den Kürbissaft hab ich vorhin verloren.“ „Flucht?“ Minerva wurde hellhörig. Bisher hatte sie angenommen, dass das Mädchen ihre Großmutter heute, kurz nach Weihnachten besucht hatte und dann von der Todesnachricht in Schock versetzt, in den Wald gelaufen war. Immerhin lag der Todesserangriff schon ein paar Tage zurück. Sollte die Enkelin tatsächlich bei Charlottes Tod im Haus gewesen sein? Falls ja, war sie eine wichtige Zeugin. „Ich hab die Weihnachtsferien bei ihr verbracht“, fuhr Sally Nostra fort, „Ich war da als sie kamen und...“ Sie brach ab. „Und?“, fragte Minerva. Für einen Moment war ihr Aufklärung des Mordfalls wichtiger als die Befindlichkeiten des Mädchens. Die Todesser waren noch immer nicht gefasst worden. Wieder lag ein sonderbarer Schleier in den Augen der jungen Squib. „Ich hab es gesehen“, raunte sie und blickte sich hastig nach Beobachtern um, „ich hab gesehen, wie sie sie getötet haben!“ Und da geschah es. Minerva konnte es nicht glauben: Sally Nostra brach in Lachen aus. Sie lachte tatsächlich. Ein kaltes, schrilles, völlig überdrehtes, Lachen. Das Entsetzen trieb Minerva einen kalten Schauer den Rücken hinab. Was der Schock mit Menschen anrichten konnte! Das Mädchen war ja völlig von Sinnen! „Es war eine Frau. Eine Frau mit schwarzen Haaren. Sie hat die Maske abgenommen, bevor sie disappariert ist. Sie hat sie getötet“, kicherte Sally Nostra und für einen Moment vergaß Minerva ihr kleines Verhör, gebannt in ihrer Fassungslosigkeit. Doch dann überkam sie, schleichend wie Katzenpfoten im Schnee, der Zweifel. Etwas passte da nicht zusammen. Wenn das Mädchen tatsächlich gesehen hatte, wie Charlotte Nostra ermordet worden war, wieso warf sie dann an der Thestralkoppel ihren Blick wild hin und her als könne sie die Tiere nicht sehen? Die junge Squib hatte deutlich nach etwas gesucht. Und was bei Merlin hatte sie dort überhaupt verloren? Von dem Rätsel um den Zeitumkehrer ganz zu schweigen. Minervas ungutes Gefühl wuchs. Doch sie kam nicht dazu, ihre Fragen zu stellen. Endlich hatte sich Sally Nostra beruhigt und fuhr mit düsterer Miene und bitterem Ernst fort: „Es ging alles so furchtbar schnell. Großmutter zeigte mir in ihrer Werkstatt gerade die Sachen aus ihrer Schulzeit, ich durfte die Schuluniform anprobieren. Da hörten wir oben im Haus etwas und ich bekam Panik. Ohne nachzudenken hab ich einen der Zeitumkehrer genommen. Sie hat sie entworfen, wissen Sie, drei Stück. Sie meinte, es wäre illegal und darum müsse es unser Geheimnis bleiben. Dann bin ich in den Werkschrank im Flur, hab mich eingeschlossen und alles durchs Schlüsselloch gesehen. Zum Glück haben sie mich nicht erwischt. Als es vorbei war, blieb ich noch immer da drin, die ganze Zeit, ich weiß nicht wie lange.“ Minerva runzelte die Stirn. Noch ein Widerspruch. Sie und Albus hatten das Haus mit einem Homenum Revelio durchsucht. Niemand war dort gewesen außer ihnen und der Leiche. „Ich habe versucht, durch die Zeit zurückzureisen. Ich wollte sie retten. Aber das Ding ist kaputt, ich bin nicht eine Sekunde in die Vergangenheit gekommen. Und dann hab ich mich an Hogwarts erinnert und dachte, wenn mir jemand helfen kann, dann dort. Also bin ich losgerannt, die Treppe hoch, raus und in den Wald. Aber plötzlich hab ich das Schloss nicht mehr gesehen. Ich bekam Panik und bin nur noch gerannt. Und dann war da diese Koppel. Ich hab mich umgeschaut, aber da war niemand und ich war schon verzweifelt und dachte jetzt ist alles aus. Aber dann kamen Sie, genau wie Großmutter Sie beschrieben hat, ja. Und… können wir jetzt ins Schloss, nach Hogwarts?“ Minerva ließ den Zauberstab sinken, mit dem sie Sally Nostra, ohne dass diese es bemerkt hatte, das magische Siegel an den Umhang gezaubert hatte, das sie als legitimer Gast der Schule auswies. Während das Mädchen geredet hatte wie ein Wasserfall, hatten sie die magische Schwelle mit den Schutzbannen passiert und befanden sich nun auf dem Schulgelände. Wieder lag ein seltsames Funkeln in den Augen der jungen Squib, das Minerva nicht zu deuten wusste. Es erschien ihr fast wie Gier. Aber das konnte nicht sein, vielleicht war es die Hoffnung in der Verzweiflung. Sie zögerte die Frage des Mädchens zu beantworten. Charlottes Enkelin tat ihr leid. Doch alle Vernunft mahnte sie davor, Sally Nostra ins Innere der Schule zu führen. Irgendetwas an diesem Mädchen und ihrer Geschichte stimmte nicht. Zu sonderbar war ihr Verhalten, zu widersprüchlich ihre Erzählung. Hier war Vorsicht geboten. „Gleich“, erwiderte Minerva schließlich, „Da Dumbledore-“ Das Mädchen zuckte bei der Erwähnung des Schulleiters für eine Sekunde zusammen, unauffällig, doch Minerva bemerkte es sehr wohl. „Da Dumbledore außer Haus ist, werden wir noch einen kleinen Umweg machen müssen“. Und Minerva wusste, wohin dieser Umweg führte. Unter dem finsteren Blick ihrer Begleiterin, war er traurig oder empört, beschwor sie ihren Patronus herauf und sandte ihn als Bote zu Hagrids Hütte. „Professor McGonagall, Miss Nostra, kommen Sie rein“, begrüßte der Wildhüter sie nur ein paar Minuten später, „hab den Tee nochmal aufgebrüht“. Wohlige Wärme strömte Minerva entgegen als sie eintrat und sie merkte erst jetzt, wie durchgefroren sie war. Dem Mädchen schien es ähnlich zu gehen. Doch anders als die junge Squib ließ Minerva sich nicht von der heimeligen Atmosphäre einlullen. Kaum saß das Mädchen und war mit einer Tasse Tee abgelenkt, zog sie den Besitzer dieser Gemütlichkeit vorsichtig beiseite und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. „Rubeus, haben Sie noch etwas von Horaces Zungenlöser? Ich bin mir nicht sicher, was es mit diesem Mädchen auf sich hat und ich würde gern die Wahrheit wissen, bei dem was derzeit in Hogsmeade vor sich geht.“ Der Wildhüter sah sie einen Moment lang verdutzt an, doch dann nickte er. „Ja, hab’s drüben im Regal in ner Keksdose. Ist aber nicht mehr viel. Ich geh‘s holen“. Minerva wartete und beobachtete dabei das Mädchen, das ihr nun im warmen Licht des Kaminfeuers plötzlich doch irgendwie vertraut vorkam. An irgendjemanden erinnerte die Dreizehnjährige sie. Keine derzeitige Schülerin, aber vielleicht eine ehemalige? In diesem Moment riss Hagrid sie aus ihren Gedanken indem er ihr ein Fläschchen reichte. Veritaserum. Es hatte vor einiger Zeit einige sonderbare Zwischenfälle bei den Bewohnern des Verbotenen Waldes gegeben. Professor Slughorn hatte dem Wildhüter den Wahrheitstrank gebraut, um die Sache aufzuklären. Natürlich hatte eine der Kreaturen, die auf Voldemorts Seite gewechselt waren, dahinter gesteckt. „Danke, Rubeus“, erwiderte Minerva, dann kehrte sie zum Tisch zurück und nahm neben dem Mädchen Platz, das sie aufmerksam musterte. Sie räusperte sich. „Ich danke Ihnen, Miss Nostra, dass Sie mir Ihre Geschichte anvertraut haben. Hogwarts war und ist ein Zufluchtsort für alle Verfolgten und ich würde Ihnen gern helfen, den Tod Ihrer Großmutter aufzuklären. Leider befindet sich die Zaubererwelt in Kriegszustand und auch für uns ist höchste Vorsicht geboten. Daher hoffe ich, haben Sie Verständnis, dass ich erst die Richtigkeit Ihrer Geschichte prüfen muss. In diesem Fläschchen befindet sich ein Wahrheitsserum, das es unmöglich macht zu, lügen. Ich muss Sie leider darum bitten, es einzunehmen, so dass ich Ihnen ein paar Fragen stellen kann. Nur der Sicherheit halber.“ Minerva legte die Phiole auf den Tisch. Glasklar schimmerte die Flüssigkeit darin, glasklar wie die Wahrheit. Die Augen des Mädchens weiteten sich, Blässe trat in ihr Gesicht. Sally Nostra musterte die Phiole,
und zögerte
gab sich einen Ruck und trank.
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Minerva beobachte das Mädchen mit Argusaugen. Von Sekunde zu Sekunde fühlte sie ihren bösen Verdacht mehr bestätigt. Irgendetwas an dieser Sally Nostra ging nicht mit rechten Dingen zu. Die junge Squib hatte inzwischen wieder an Farbe gewonnen. „Und Sie glauben, der Trank ist wirklich nicht gefährlich für mich?“, fragte sie und Minerva meinte einen Hauch von Ironie, von Spott aus ihrem Tonfall herauszuhören. Fast so als hätte sie versucht, Sally Nostra eine Falle zu legen und das Mädchen wäre sich dessen nur zu bewusst. „Ich versichere Ihnen, die Einnahme dieses Tranks ist völlig unbedenklich für Ihre Gesundheit“, erwiderte Minerva ein wenig barsch. Allmählich verlor sie die Geduld. Sally zögerte noch immer und Minerva sammelte sich für eine gehörige Standpauke. Doch sie kam nicht mehr dazu. Denn plötzlich klopfte es an die Tür der Hütte. Minerva und Hagrid tauschten einen verdutzten Blick. Vorsichtig trat der Wildhüter ans Fenster und warf einen Blick hinaus. „Is nur Filch!“, sagte er dann gelassen, ging hinüber öffnete die Tür. Der Schein einer Laterne schwankte im Grau der Abenddämmerung über die Schwelle und dahinter erschien das Gesicht des Hausmeisters. „‘N Abend. Professor McGonagall ist nicht da?“ „Doch!“, rief Minerva, „Was gibt es denn, Argus, ich bin gerade beschäftigt!“ „Hab ‘ne wichtige Botschaft auszurichten, unter vier Augen.“ Entnervt ließ Minerva das Veritaserum auf dem Tisch liegen und stand auf. „Gut, Ich komme! Hagrid, bitte passen Sie doch so lange auf unseren Gast auf bis ich wieder da bin.“ In den Augen des Mädchens meinte sie im Vorrübergehen wieder ein Blitzen zu sehen. Dann schloss Filch mit einem Nicken die Haustür hinter ihnen und sie standen im eisigen Winterwetter. „Professor Slughorn schickt mich“, erklärte der Hausmeister ohne Umschweife, „Er will sie sofort sprechen, ist in keinem guten Zustand. Er wartet oben in der Krankenstation auf Sie. Offenbar wurde er in Hogsmeade überfallen“. „Horace überfallen“, wiederholte Minerva und ihr Puls begann von einer Sekunde auf die andere zu rasen, „Bei Merlins Bart!“ Noch ehe Argus Filch die Zähne wieder auseinander bekam, war sie bereits losgelaufen. Atemlos hastete sie der Schule entgegen. Und während ihre Füße sie den Berg hinauftrugen, fiel ihr plötzlich noch eine Sache ein, die an Sally Nostra nicht stimmte. Charlotte Nostra war für Minerva keineswegs eine Unbekannte. Sie hatten gemeinsam die Schule besucht, auch wenn ihre Bekanntschaft sich darin erschöpft hatte, im selben Klassenzimmer zu sitzen. Doch fiel Minerva jetzt wieder ein, dass Charlotte Nostra in Hufflepuff gewesen war. Ihre Enkelin indessen trug einen Slytherinschal, der angeblich ihrer Großmutter gehört hatte. Minerva schüttelte innerlich den Kopf, dachte aber nicht weiter über den Wiederspruch nach. Jeder Gedanke ging unter in der Sorge um ihren Kollegen. Endlich hatte sie das große Portal erreicht und stürzte ins Foyer, um bald darauf vor den Flügeltüren der Krankenstation zu stehen. „Poppy, Poppy, was ist geschehen?“, rief sie der Heilerin entgegen als sie eingetreten war, „Du meine Güte, Horace!“ Professor Slughorn lag in einem der hinteren Betten und zitterte am ganzen Leib. Um den Kopf trug er einen dicken Mullverband. Minerva atmete tief durch, dann wandte sie sich Poppy zu, die ihren Blick auch ohne Worte deutete. „Offensichtlich ein Folterfluch, danach ein Schockzauber. Der Wirt des Eberkopfs fand ihn bewusstlos auf der Herrentoilette“ „Horace…“, murmelte Minerva betroffen und ließ sich auf einem Stuhl neben dem Bett ihres Kollegen nieder, „Wie ist das passiert?“ „Ich war ein Dummkopf“, keuchte Horace, „Ein Dummkopf, der sich in eine Falle hat locken lassen. Sie wissen, Professor McGonagall, dass ich eine Linzenz habe, Zaubertränke zu verkaufen und mir so etwas nebenbei zu verdienen.“ Minerva nickte. „Erzählen Sie weiter.“ „Gestern bekam ich einen anonymen Brief. Jemand habe von einem Freund eine Empfehlung für meine Tränke erhalten und fragte, ob ich ihm etwas Verjüngungstrank verkaufen könne. Ich schickte ihm eine Eule und wir verabredeten uns für heute Nachmittag im Eberkopf. Doch der geheimnisvolle Kunde verspätete sich und meine Blase drückte. Also bin ich auf die Toilette, habe dabei aber meinen Zauberstab draußen im Mantel gelassen.“ Minerva traute ihren Ohren nicht. Welche Fahrlässigkeit! „Sie Dummkopf!“, polterte sie und bereute es im nächsten Moment. Horace hatte den Preis für seine Unachtsamkeit bereits bezahlt. „Entschuldigung. Meine Nerven liegen seit dem Mord in Hogsmeade blank. Wie ging es weiter?“ „Plötzlich wurde ich angegriffen, schwarze Robe, weiße Maske!“ „Todesser?“ „Eher Todesserin. Bevor diese entsetzlichen Schmerzen einsetzten, gelang es mir, ihr die Maske vom Kopf zu reißen. Oh, Minerva, ich hab in allem versagt. Es war keine Unbekannte!“ „Wer?“, Minerva schnürte es die Kehle zu und ihr Herz schlug bis zum Hals, „Wer, Horace?!“ Slughorn verzog das Gesicht vor Schmerzen. „Bellatrix Lestrange!“
Die Welt stand still. Für einen Augenblick vergaß Minerva zu atmen. Bellatrix Lesstrange?! Der Name fiel und mit ihm der Groschen. Natürlich! Der Slytherinschal, die vage Ähnlichkeit mit einer ehemaligen Schülerin, die Abscheu vor dem Wort Squib, das seltsame Funkeln in den Augen des Mädchen und nicht zuletzt das Lachen über Charlotte Nostras Ermordung – ‚eine schwarzhaarige Frau hat sie getötet!‘ „Bei Merlins Bart!“ Minerva sprang auf und wirbelte zu Madam Pomfrey herum. „Poppy, gehen Sie durchs Haus, alarmieren Sie alle Lehrer. Bellatrix Lestrange befindet sich auf dem Schulgelände, durch einen Zaubertrank verjüngt auf das Alter von etwa dreizehn Jahren, aber gefährlich wie eine Dreißigjährige“ „Ich kann hier nicht weg! Meine Patienten brauchen mich“, protestierte Poppy. „Dann rufen Sie eine Hauselfe!“ Und mit diesen Worten war Minerva aus der Flügeltüre getreten und stand im Flur, nur noch von den Gemälden umgeben. Mit einem Sonorus verstärkte sie ihre Stimme. „An all Porträts: Verständigen Sie die Lehrer und Vertrauensschüler. Alle Kinder sind auf Ihre Häuser zu bringen. Alle Eingänge zur Schule zu verriegeln. Dies ist ein Befehl der Schulleitung. Bellatrix Lestrange, eine Todesserin, ist aufs Schulgelände eingedrungen!“ ‚Und ich habe sie hereingelassen‘, dachte Minerva in einem schwachen Moment und fühlte wie ihre Knie weich wurden. Doch es war keine Zeit für feiges Bedauern. Bellatrix Lestrange war gefährlich und Voldemort vollkommen ergeben. Wenn sie in seinem Auftrag handelte, wenn ihre Aufgabe war, ein Scharnier in die Schule zu öffnen, dann stand Hogwarts der Kampf bevor, den Minerva befürchtet hatte. Das Grauen im Nacken und doch keineswegs bereit, sich von ihren Sorgen oder von Bellatrix Lestrange in die Knie zwingen zu lassen, eilte sie zum großen Portal hinaus und wieder hinab zu Hagrids Hütte. Vielleicht hatte sie Glück. Vielleicht hatte Rubeus das Mädchen, nein die Todesserin, noch einen Augenblick lang in Schach halten können. Doch als Minerva näherkam, sah sie etwas, das ihre Hoffnung wie ein Kartenhaus zusammenfallen ließ: Die Tür der Hütte war völlig aus ihren Angeln gerissen. Wenn nur Hagrid nicht…. Minerva wagte nicht weiterzudenken. Sie raste, ihr Puls raste. Endlich hatte sie die Hütte erreicht. Ein ersticktes Keuchen drang ihr entgegen und ein Stein fiel ihr vom Herzen. Er war am Leben! Im nächsten Augenblick fand sie ihn. Er lag in den Trümmern und dem Staub am Boden, Blut tropfte von seiner Schläfe. „Rubeus“, rief sie und stürzte zu ihm, „Was ist geschehen? Wie geht es Ihnen?“ „G-Geht. Sie hat’n Zauberstab, Professor, hat ihn plötzlich gezogen. Konnt‘ nix mach’n, nur mich wehr‘n. Hät‘ Dumbledore mir den Schirm nich gegb’n, ich wär… ich wär…“ „Schon gut, Hagrid. Ich bring Sie hoch in die Krankenstation. Poppy wird sich um Sie kümmern.“ Minerva stand auf und richtete ihren Zauberstab auf Hagrids Küchentisch. In Windeseile hatte dieser sich in eine geflügelte Krankentrage verwandelt und Minerva hievte mit einem Mobilcorpus den Wildhüter darauf. „Flieg ihn zur Krankenstation!“, befehligte sie die Trage und folgte ihr hinaus ins Freie. Erst als Hagrid bereits in die Lüfte entstieg, fiel Minerva ein, dass sie die wichtigste Frage vergessen hatte. „Halt!“, rief sie, „Rubues, wohin ist das Mädchen verschwunden? Ins Schloss oder…“ ‚Oder in die Vergangenheit‘, wollte Minerva fragen. Doch es war zu spät. Hagrid schwebte den Türmen des Schlosses entgegen und hörte sie nicht mehr. Einen Augenblick lang sah Minerva ihm nach. Dann kniff sie die Augen zusammen, wild entschlossen, den eisernen Kampfgeist Gryffindors in den Adern. Es war egal, ob Bellatrix Lestrange sich im Raum oder in der Zeit versteckt hatte. Minerva würde die Verfolgung aufnehmen. Sie würde sie jagen und stellen, um die Schule zu schützen. Der Kampf hatte begonnen.
Fortsetzung folgt - Code1
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Beruhigt und überrascht zugleich registrierte Minerva, dass Sally Nostra die Phiole bis auf den letzten Tropfen leerte. Sie hatte mit irgendeiner Finte, irgendeinem Trick gerechnet. Dass das Mädchen das Wahrheitsserum stattdessen freiwillig einnahm, konnte bedeuten, dass diese seltsame Geschichte tatsächlich der Wahrheit entsprach, dass die Jugendliche noch unverfrorener war als Minvera erwartet hätte oder aber, dass Sally Nostra nicht mehr war als eine Figur in einem noch größeren Schachspiel, das von einer unsichtbaren Hand geführt wurde. Noch immer herrschte in Hagrids Hütte schummriges Licht. Gegenstände, Möbel, Gesichter und Wahrheiten – alles lag im Halbschatten. Erwartungsvoll blickte das Mädchen Minerva an und Minerva räusperte sich erneut. „Miss Nostra“, sprach sie eindringlich, „Als Sie mir auf dem Weg hier her ihre Geschichte anvertrauten, haben Sie mir nach besten Wissen und Gewissen die volle Wahrheit erzählt?“ Es war nur eine einzige Frage. Doch eine Frage, die alles entscheiden würde. „Ja“, antwortete das Mädchen schlicht und damit waren die Würfel gefallen. Minerva blinzelte und kam sich wie vor den Kopf gestoßen vor. In 65 Jahren hatte sie schon manches Seltsame erlebt. Doch, dass eine solche hanebüchene Erzählung wahr sein sollte…! Plötzlich kam Leben in das Mädchen. „Bitte, Sie müssen mir helfen, den Zeitumkehrer zu reparieren“, flehte die junge Squib, „Mein Vater will mich am Freitag nach der Arbeit abholen, dann wollen wir mit einem Portschlüssel zusammen ins Wochenende reisen. Wenn ich ihm sagen muss, was geschehen ist. Großmutter, Großmutter…!“ Endlich, endlich nach wahnwitzigem Lachen und sonderbarem Funkeln in den Augen, kamen dem Mädchen die Tränen, auf die Minerva schon so lange gewartet hatte. Sally Nostra schluchzte laut und weinte. Erfüllt vom Mitgefühl legte Minerva Charlottes Enkelin tröstend die Hand auf die Schulter. „Beruhigen Sie sich, Miss Nostra. Bis Freitag haben wir noch eine Woche Zeit, um den Fall zu klären“. Sie wagte nicht, die junge Squib über die Schattenseiten des Zeitreisens aufzuklären, nicht in diesem Zustand. Da blickte Sally Nostra auf, sah Minerva direkt ins Gesicht und ließ jeden Versuch des Trosts wie ein Kartenhaus zusammenstürzen. In den hellen Augen blitzte Panik auf. „Was?!“, stöhnte das Mädchen, „Nein, Sie verstehen nicht. Nicht nächste Woche, wenn die Ferien enden. Heute Abend!“ Minerva, verwirrt von den Worten, die auf einmal etwas anstießen, das sie noch nicht ganz zu fassen bekam, schwieg als Hagrid das Wort ergriff. „Na, ich will meinen, heute ist Samstag. Glaub nicht, dass mein Kalender lügt. Was meinen Sie, Professor?“ „Bitte?! Nein, das kann nicht sein. Freitag! Freitag ist heute, zweiter Weihnachtsfeiertag“, protestierte das Mädchen, der Verzweiflung nahe. Minerva legte die Hände aufeinander als das namenlose Etwas eines Verdachtes endlich Gestalt annahm. Veritaserum brachte Wahrheiten ans Licht. Doch die Wahrheit war nicht immer die Wirklichkeit. Menschen konnten auch etwas Falsches erzählen ohne zu lügen. Alles war eine Frage des Blickwinkelns. „Miss Nostra“, unterbrach Minerva mit fester Stimme das Streitgespräch, „Als sie aus dem Haus gestürmt sind, lag da… lag da ihre Großmutter noch in der Werkstatt?“ Für einen Moment herrschte Schweigen. Sally Nostra sah Minerva mit großen Augen an und fast meinte Minerva zu hören, wie es in dem Gehirn arbeitete. Wieder tat das Mädchen ihr leid. Ihre Mühen würden mit aller Wahrscheinlichkeit vergebens sein. „Ich, ich weiß es nicht“, gab die junge Squib schließlich zu, „ich kann mich nicht erinnern“ Verwirrt fasste sie sich an die Stirn. Doch Minerva nickte nur. Das war der Beweis, den sie sich erhofft hatte. Noch während das Mädchen grübelte, wandte sie sich Hagrid zu. „Rubeus, ich fürchte, ich muss unseren Gast auf die Krankenstation bringen. Hoffen wir auf das Beste und Danke für Ihre Bewirtung. Miss Nostra, kommen Sie, ich möchte Sie jemandem vorstellen, der vielleicht aufklären kann, was geschehen ist!“ „Gern geschehen, Professor“, murmelte Hagrid und sah ihnen neugierig und nicht weniger verdutzt als Miss Nostra hinterher. Ein schlechtes Gewissen hatte Minerva schon, als sie ihn einfach so stehen ließ. Doch für Erklärungen war keine Zeit, sie würde es bei Gelegenheit nachholen. Erst einmal galt es dem Mädchen zu helfen. Inzwischen war die Dämmerung über Hogsmeade hereingebrochen und der Aufstieg vom Schloss war eine Wanderung durch grauen Himmel und weiße Erde. Der Frost saß Minerva abermals schmerzvoll in den Gliedern als sie mit ihrer jungen Patientin die Krankenstation erreichte. „Poppy?“, rief sie in die nahezu leere Halle. „Minerva!“, schallte es fröhlich zurück und bald schon lagen sich zwei alte Freundinnen herzlich in den Armen. Erst dann registrierte Madam Pomfrey das Mädchen, das inzwischen sehr still geworden war. „Wen hast du denn da mitgebracht? Die Schülerin kenne ich gar nicht! Vielsafttrankunfall?“, bemerkte sie und musterte Sally Nostra, die unter ihren Blicken errötete, von Kopf bis Fuß. „Das ist Miss Sally Nostra, eine junge Squib und eine furchtbar lange Geschichte. Ich fürchte, ich werde Albus schreiben müssen. Doch was ich dich fragen wollte: Kannst du feststellen, ob auf jemanden ein Verwechslungszauber gewirkt wurde? Und falls ja, den Schaden beheben?“, sie trat einen Schritt zurück, so dass sie das Mädchen und die Heilerin im Blick hatte, „Ich fürchte, Miss Nostra, irgendjemand, der es nicht gut mit Ihnen meint, hat Ihr Gedächtnis manipuliert“. Die Angesprochene blickte entsetzt auf. Ihre Wangen röteten sich und es kam nicht von der Kälte, denn auf der Krankenstation war es ebenso warm wie in Hagrids Hütte. „Was?! Heißt das, dass-“ „-Beruhigen Sie sich, gutes Kind. Madam Pomfrey ist eine äußerst begabte Heilerin. Sie wird Ihnen gewiss helfen können.“ Doch Poppy wiegte den Kopf. „Feststellen ja. Beheben, das kann ich nicht versprechen.“ „Bitte, versuch dein Bestes“, entgegnete Minerva, „Du siehst, wie schlecht es dem armen Kind geht“. Poppy nickte. „Nun gut, dann kommen Sie mal mit, Miss Nostra und setzen Sie sich dort drüben aufs Bett. Keine Angst, es wird nicht weh tun.“ Besorgt verfolgte Minerva wie Poppy den Zauberstab zog und die blassblauen Diagnosezauber den Kopf des Mädchens umschwirrten. Dann, als die Lichter erloschen, wandte Poppy sich zu ihr um, die Stirn dunkel umwölkt. „Und?“ „Ihr Gedächtnis wurde tatsächlich magisch verändert. Ob durch einen Verwechslungszauber, einen Obliviate oder einen anderen Zauber, das kann ich nicht sagen. Aber…“ „Aber?“ Poppy seufzte. „Die Wiederherstellung ihrer wirklichen Erinnerungen übersteigt meine Kräfte. Es tut mir leid.“ Die Worte fielen weich wie Schnee. Doch ihre Bedeutung traf Minerva hart wie Eis. Da saß sie, vor ihr auf dem Bett: Eine Zeugin des Mords in Hogsmeade. Und all deren Erinnerungen waren verloren. Minerva konnte weder dem Mädchen helfen noch das Mädchen ihr. Wenn es doch nur noch einen anderen Weg gäbe, der Wahrheit die Schliche zu kommen. Es musste mit den Zeitumkehrern zu tun haben, so viel war gewiss. Wollten die Todesser sie in ihren Besitz bringen? Hatten sie auch Miss Nostras Gedächtnis verändert? Aber wenn, warum hatten sie das Mädchen am Leben gelassen? Jeder, der es gewagt hatte, sich Voldemort in den Weg zu stellen und nicht rechtzeitig den Zauberstab zog, bezahlte mit dem Leben. So viele offene Fragen. Minerva zerbrach sich den Kopf. Sie war noch nicht gewillt, aufzugeben! Irgendwie musste dieses Rätsel doch zu lösen sein. Sinnend betrachtete sie das Mädchen mit dem kaputten Zeitumkehrer, dessen Erinnerungen im Nebel lagen. Und dann, mit einem Mal, wusste sie, was zu tun war. Sie würde…
sich Sally Nostras Erinnerungen in Albus‘ Denkarium ansehen
den kaputten Zeitumkehrer mal genauer unter die Lupe nehmen
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„Ich habe vielleicht eine Idee, wie wir ihre Erinnerungen wieder herstellen können“, sprach Minerva in das gedrückte Schweigen hinein. Poppy musterte sie skeptisch, doch schwieg. „Ich danke dir für deine Mühen“, sprach Minerva zu ihrer alten Schulfreundin, „vielleicht hast du gerade mitgeholfen, den Mordfall in Hogsmeade aufzuklären.“ „Na, das wäre was“, erwiderte Poppy, „Es gibt zu viele Todesser, die nie geschnappt werden!“ „Hast du vielleicht noch ein Fläschchen Beruhigungssaft für mich? Dem armen Mädchen steht noch eine schwere Stunde bevor. Sie ist die Enkelin des Opfers“. Ihre Kameradin musterte Minerva einen Augenblick lang ernst, dann nickte sie. „Natürlich. Ein paar Flakons Trunk des Friedens müsste ich noch da haben. Warte einen Augenblick.“ Während die Heilerin nach nebenan ging, setzte Minerva sich zu dem Mädchen. „Was Ihnen wiederfahren ist, tut mir sehr leid, Miss Nostra. Ich kannte Ihre Großmutter, wenn auch nur flüchtig. Aber ich werde mein Bestes zu tun, um Ihren Tod aufzuklären. Wären Sie bereit, mich ins Schulleiterbüro zu begleiten. Dum-“ Minerva brach ab als sie sich an das Zusammenzucken des Mädchens bei der Erwähnung von Albus‘ Namen erinnerte. Noch ein ungeklärtes Rätsel. „-Ich habe dort ein Gerät, mit dem wir vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen.“ Das Mädchen nickte nur noch matt und noch immer glitzerten Tränen in ihren Augen. „Das ist alles so schrecklich und so verwirrend“, hauchte sie. „Ich weiß“, erwiderte Minerva, „aber vertrauen Sie mir, bald wissen wir mehr.“ In diesem Moment kehrte Poppy zurück und reichte ihr eine kleine Zaubertrankphiole. Mit einem Dankeswort verabschiedete Minerva sich und nahm das Mädchen mit.
„Everard, bitte finden Sie Albus im Zaubereiministerium und richten Sie ihm aus, dass ich ihn sprechen muss, sobald sein Kongress einmal Pause macht“, rief Minerva der Porträtwand hinter dem thronartigem Stuhl zu, nachdem sie das kreisrunde Büro erreicht hatten. Sie konnte seine Reaktion nicht sehen, denn das Zimmer lag in Finsternis. Doch als sie mit einem Lumos die Lichter entflammen ließ, war sein Goldrahmen leer. Staunend blickte Sally Nostra sich um und Minerva war froh, in den Augen des Mädchens für einen Augenblick etwas anderes zu sehen als Trauer, ein seltsames Funkeln oder die Leere des Schocks. „Setzen Sie zu mir und nehmen Sie sich eins von diesen merkwürdigen Bonbons dort für die Nerven. Ich habe keine Ahnung, was der Schulleiter da wieder für Näschereien angeschafft hat, aber ich bin mir sicher, er hätte nichts dagegen. Wir werden vermutlich eine Weile warten müssen.“ So saßen sie vielleiht eine Stunde lang beisammen, tauschten Belanglosigkeiten aus und schwiegen, während die Nacht sich allmählich wie eine Decke über die Welt senkte, bis das prasselnde Kaminfeuer sind endlich grün färbte und sich ein Gesicht mit einem langen Bart und einer Halbmondbrille darin zeigte. „Minerva, was gibt es? Ist alles in Ordnung?“, rief Dumbledore besorgt und Minerva sprang erleichtert und des Wartens müde auf. „Ach, alles zu erklären würde Stunden dauern“, erwiderte sie ihrem engsten Vertrauten und beschied sich mit einer kurzen Zusammenfassung der Ereignisse. „Denkst du, es ist möglich, damit ihre Erinnerungen wieder herzustellen?“ Albus nickte zögerlich. „Ich vermute es. Die meisten Verwechslungszauber und Oblivationen wirken oberflächlich, sie löschen die Wahrheit nur aus dem Bewusstsein, nicht aber aus den Tiefenschichten des Gedächtnisses. Doch ich habe es selbst noch nie unter diesen Umständen probiert.“ Minerva nickte, die Wirkweise gedächtnisverändernder Zauber war ihr bekannt. „Dann erklär mir, wie ich das Gerät funktioniert und wir werden den Erstversuch wagen. Ich will Charlottes Mörder in Askaban sehen!“ „Der Zauber zur Anwendung an einer anderen Person heißt Ostendo Memoria. Konzentriere dich auf den Zeitraum, den du ansehen willst. Sobald du den Gazestreifen um den Zauberstab gewickelt hast, brauchst du ihn nur noch ins Wasser zu geben und einzutauchen. Durch die Berührung der Oberfläche mit dem Zauberstab kannst du noch genauere Zeiträume auswählen. Und Minerva?“ Minerva, die sich abgewandt hatte, um eine Selbstschreibfeder zu befehlen, drehte sich wieder zu ihm um. „Ja, Albus?“ „Viel Glück euch beiden! Voldemorts Schreckensherrschaft währt schon viel zu lange. Zu viele Familien wurden schon auseinandergerissen. Wenn es schon keine Hoffnung gibt, so vielleicht wenigstens ein wenig Licht im Dunkeln.“ Mit einem schweren, vielsagenden Seufzen wandte er sich ab und das Feuer wurde wieder orange. Für einen Augenblick lang sah Minerva in die Flammen und fühlte wie ihr Herz sank. Sie wusste, was Albus meinte und es graute ihr vor dem Moment. Dem Moment der Wahrheit, in dem sie Sally Nostra die schlimmste Wunde noch würde zufügen müssen. Doch jetzt galt es erst einmal, ein Verbrechen aufzuklären. „Miss Nostra, Sie haben zugehört“, rief Minerva dem Mädchen zu, das bei Dumbledores Anblick zitternd auf ihrem Stuhl erstarrt war, „Ich brauche ein paar Erinnerungen von Ihnen“.
Die silbrige Substanz glitzerte und blitze kurz auf, dann ging sie in einem Bildermeer unter. Mit einem leichten Kribbeln in den Adern, einer Aufregung, die sie schon lange nicht mehr empfunden hatte, blickte Minerva hinab ins Denkarium. Das Mädchen an ihrer Seite war stumm, doch lag in ihren Augen wieder jenes seltsame Funkeln. Und diesmal wusste Minerva es zu deuten. Es war die Hoffnung der Verzweiflung. Charlottes Enkelin verbiss sich in den Gedanken, dass sie ihre Großmutter mit der Hilfe von Magie würde retten können und Minerva war flau. „Miss Nosta, ich halte das für keine gute Idee“, erklärte sie zum wiederholten Mal, „Wir bekommen wohlmöglich schreckliche Dinge zu sehen. Sie könnten einen Schock erleiden. Ich weiß nicht, ob ich das verantworten kann.“ „Aber ich habe all das schon einmal erlebt, oder? Es sind meine Erinnerungen! Sie können nicht ohne mich gehen, Bitte!“ Minerva seufzte. „Gut, wie Sie wünschen. Doch dass ich keine Klagen höre. Kommen Sie, nehmen Sie meine Hand!“ Das Mädchen gehorchte. Gemeinsam tauchten sie ihre Köpfe ins Denkarium und fielen in die Tiefe.
Sie landeten in einem kühlen, dunklen Kellerraum, in dessen Mitte eine lange Bank voller magischer Artefakte stand: Die Werkstatt unterhalb des Ladens. Staub glänzte im schummrigen Licht und Sallys Augen weiteten sich vor Befremdung, als ihr Erinnerungs-Selbst hinter einem Schrank, an dem offenbar ein Spiegel hing, hervortrat und sich in der Schuluniform ihrer Großmutter präsentierte. Charlotte Nostra, die ein altes Hogwarts-Jahrbuch in der Hand hielt, lachte, als es plötzlich an der Ladentür klingelte. Großmutter und Enkelin tauschten einen alarmierten Blick. „Die Zeitumkehrer, schnell!“, rief Charotte Sally zu. Das Mädchen packte die drei goldenen Uhren, die auf der Werkbank lagen, steckte eine in ihre Tasche und verstaute die restlichen zwei in einem Geheimfach unter der Werkbank. Im oberen Stockwerk erschallten derweil Stimmen und Schritte bewegten sich die Treppen hinab. „Hallo Charlotte, Ein schönes Fest!“, rief eine Männerstimme in der falschesten Höflichkeit, die Minerva je gehört hatte. „Warum bist du hier?“, erwiderte eine Frau prompt und kalt. Das war Charlotte. „Besucht man an Weihnachten nicht seine Familie, Mutter?“ „Mutter?! Lass dir eines gesagt sein, Joffrey, nur weil ich dich groß gezogen habe, bist du noch lang nicht mein Sohn. Du warst immer das Kuckuckskind dieser Ministeriumshexe, das Lysander mir kurz vor seinem Tod noch ins Nest gesetzt hat und man sieht ja, was daraus wird.“ „Na, na, Charlotte, ich bin ein ehrbares Mitglied der Familie. Mein Herr nimmt nur das reinste Blut auf, das solltest du wissen. Und ich verteidige den Stolz der Zauberer. Wir haben lange genug vor sinnlosen Gesetzen gekuscht, der Sieg für uns Magier ist überfällig. Aber wo wir schon dabei sind, hast du dir mein Angebot durch den Kopf gehen lassen?“ „Angebot?!“, Charlotte schnaubte, „Mit deinem Pack würde ich nicht mal Geschäfte machen, wenn mein Leben davon abhinge. Meine Enkelin ist Squib. Glaubst du, ich gebe meine Erfindungen an Leute, für die sie nur Abschaum ist?!“ Inzwischen hatten die beiden das Ende der Treppe erreicht und ein junger Mann mit langen, schwarzen Haaren, den Minerva noch als Schüler in Erinnerung hatte, betrat die Werkstatt. Er registrierte Sally, die neugierig auf den Flur hinausgelaufen war und nun stocksteif vor einem Schrank stand. Der Mann warf ihr einen undefinierbaren Blick zu. „Ah, wie ich sehe hast du Besuch!“ „Lass sie in Ruhe!“, keifte Charlotte und nahm ihre Enkelin schützend in die Arme. „Keine Sorge, Sally interessiert mich nicht. Also, was ist nun mit den Zeitumkehrern? Der Dunkle Lord könnte sie gut gebrauchen!“ „Nichts“, raunte Charlotte, „Das ist mein letztes Wort.“ „Nichts“, wiederholte der Mann namens Joffrey eisig. Und dann plötzlich entbrach ein furchtbarer Streit. Wie aus dem Nichts packte er den Zauberstab und jagte seiner Stiefmutter einen Fluch auf den Hals. Charlotte schrie vor Schmerz, Sally vor Panik. Das Mädchen versuchte den Mann zu packen, doch dieser entledigte sich ihr mittels eines Zaubers. „Änderst du jetzt deine Meinung und rückst die Zeitumkehrer raus?“, keifte der Zauberer. Doch Charlotte Nostra schüttelte nur den Kopf. Da zog ihr Ziehsohn wieder den Zauberstab und der Streit eskalierte. Sally weinte, schrie und zerrte am Umhang des Mannes, doch sie war machtlos. Wilde Worte, Licht von Zaubern, Chaos und plötzlich ein grüner Blitz. Charlostte Nostra fiel leblos zu Boden. Für eine Sekunde verwandelte Sally sich in eine Salzsäule, das Mädchen in der Erinnerung und das Mädchen an Minervas Seite. Dann ging durch die Erinnerungsgestalt ein Ruck. Sally rannte davon und versteckte sich im Schrank auf dem Flur, versuchte wohl panisch den Zeitumkehrer zu bewegen. Währenddessen holte Joffrey Nostra die anderen beiden per Hand aus dem offenbar mit einem Acciobann belegtem Geheimfach. Dann trat er auf den Flur hinaus und riss die Tür zum Schrank auf. Sally zuckte vor Schreck zusammen und schlang schützend die Hände um die Beine. Doch der Mann sprach auf einmal ganz ruhig auf sie ein. „Komm, Sally, ehe die anderen hier sind. Charlotte hab ich gehasst, aber du bist noch immer meine kleine Nichte. Ich werde dir nichts tun, glaub mir, aber wir müssen fliehen. Jetzt komm!“ Sally, starr vor Angst und betäubt vor Schock, folgte ihm, willenlos. Vor dem Haus zauberte Joffrey Nostra noch das Dunkle Mal in den Himmel, dann sprach er einen Desillusionierungszauber über sich und Sally und schlich in Richtung des Verbotenen Waldes davon.
Minerva nahm das Mädchen neben sich an die Hand und tauchte aus dem Denkarium. Sally Nostra war leichenblass und zitterte am ganzen Leib. „Es war mein Onkel“, murmelte sie, „mein Onkel, mein Onkel, mein eigener Onkel“. Und dann plötzlich lachte sie wieder schrill und laut auf. Minerva, die das befürchtet hatte, griff in ihre Umhangtasche und holte die Phiole mit dem Trunk des Friedens hervor, die sie eigentlich für später aufbewahren wollte. „Hier, nehmen Sie das, für die Nerven, Kind“, erklärte sie. Das Mädchen entkorkte die Phiole, trank und beruhigte sich zusehends. „Ich muss noch einmal zurück“, bemerkte Minerva knapp. Die Erinnerungsszenen waren aufschlussreich. Doch noch blieben Rätsel. Wann hatte Joffrey Nostra das Gedächtnis des Mädchens verändert? Sally Nostra sagte nichts. Sie nickte nur, in sich gekehrt. Minerva beschloss, es mit der der letzten halben Stunde bevor sie einander begegneten zu probieren, richtete mit dem Zauberstab die Erinnerungen aus und war wieder im Denkarium.
Plötzlich befand sie sich in einem heruntergekommenen Haus, einer Bruchbude voller Kisten, Staub und zersplittertem Glas auf dem Boden. Minerva McGonagall erkannte die Behausung sofort: Es war die Heulende Hütte. Mitten in der Stube, die einst einen Werwolf beherbergt hatte und nun einem Todesser als Versteck diente, ging Joffrey Nostra vor seiner verängstigten Nichte auf und ab und fluchte. „Verdammtes Ding, warum funktioniert es nicht!“, damit meinte er wohl einen der Zeitumkehrer, der vor ihr auf einer Kiste lag, „Ich glaub, ich muss nochmal in die Nokturngasse damit!“ „Nimm mich mit!“, rief Sally in diesem Moment hastig. Ihr Onkel wandte sich mit einem bösen Glitzern im Blick zu ihr um. „Was, damit du meinst, abhauen zu können?! So dumm bin ich nicht noch einmal, Mädchen!“ Sally funkelte ihn trotzig an, doch wagte sich nicht, sich zu rühren, sondern umklammerte etwas in ihrer Tasche. Offenbar hatte Joffrey Nostra den dritten Zeitumkehrer noch nicht entdeckt. „Du bleibst schön im Haus, während ich fort bin“, erklärte ihr Onkel kalt, „Dafür sorge ich schon!“ Dann zog er den Zauberstab und war verschwunden. Durch die kaputten Fenster drangen gemurmelte Bannkreissprüche und dann wieder ein Fluchen. Offenbar hatte der Todesser kein Talent für magische Barrieren. Ein Poltern auf der Treppe, dann stapfte er verärgert wieder zur Tür herein. „Gut, dann machen wir es eben anders!“, erklärte er, während Sally ihm noch immer finstere Blicke zuwarf, „Ich wollte dein Leben schonen. Du magst zwar eine nichtsnutzige Squib sein, aber es fließt noch immer das Blut meiner Mutter in dir. Doch gut, wenn du glaubst, weglaufen zu müssen, dann lauf halt weg. Aber verraten wirst du mich nicht!“ Und da geschah es: Er zückte den Zauberstab, sprach den Spruch für den Verwechselungszauber und fixierte Sallys trüben, verklärten Blick. „Du wirst glauben, es sei Freitagnachmittag und wärst direkt von Charlottes Laden davon gelaufen. Du wirst keine Erinnerung mehr daran haben, hier in dieser Hütte gewesen zu sein. Du wirst glauben, du hättest seit seinem Unfall im Schrank gesessen und getan, was immer du gestern in dem Ding auch getrieben hast. Du wirst dich nicht daran erinnern, dass ich sie umgebracht habe, sondern irgendeine fremde Frau. Und solltest du es wagen, in Hogwarts um Hilfe zu fragen, wirst du Professor Dumbledore für das Böse in Person halten und entsprechend reagieren.“
Der Zauberstab sank und Minerva stieg, stieg wieder aus dem Denkarium empor. Sie hatte genug gehört und gesehen. Der Fall war geklärt. „Und?“, fragte Sally Nostra mit großen Augen und fester Stimme. Minerva war erleichtert, dass das Mädchen sich gefasst hatte. „Wie ich befürchtet habe, hat Ihr Onkel Sie verhext. Er hat Ihnen unter anderem eingeredet, Angst vor Albus Dumbledore zu haben. Eine Schande ist das. Albus…“ Minerva bremste sich. Ihr Ärger trug nichts zur Lage bei. Auf einmal funkelten die Augen des Mädchens wieder und Sally Nostra sprang von ihrem Stuhl auf. „Dann können wir jetzt endlich den Zeitumkehrer reparieren und meine Großmutter retten, ja?“, sprudelte sie voller Tatendrang. Minerva brach das Herz. Jetzt war er also gekommen, der Moment, den sie gescheut hatte, der Moment der grässlichen Wahrheit. „Ich fürchte, das wird nicht gehen, Miss Nostra“, erwiderte sie. Das Mädchen starrte sie wie vor den Kopf gestoßen an. „Aber ich dachte, sie wollten mir helfen!“, rief sie, verdutzt und empört. „Das habe ich bereits. Aber ich kann keine Wunder wirken. Bitte, Miss Nostra, setzten Sie sich. Ich fürchte, ich muss Ihnen etwas erklären.“ Widerwillig und schweigend ließ Sally Nostra sich auf ihrem Stuhl nieder. Die Schatten des Kaminfeuers verwandelten die Schulleiterportäts in unheimliche Fratzen als Minerva zu sprechen begann. „Wie Sie als Squib sicherlich mitbekommen haben, befindet sich die Zaubererwelt im Krieg. Können Sie sich vorstellen, warum das Zaubereiministerium in solch schweren Zeiten keine Zeitumkehrer einsetzt, um all die vielen Opfer schwarzer Magie zu retten?“ Die Miene des Mädchens, noch immer hart vor Zorn, wurde um eine Nuance blasser. Minerva holte tief Luft. „Es gibt zahllose Berichte über versuchte Rettungen durch Zeitreisen. Doch alle Versuche änderten nur etwas an den Umständen, nichts an der Tatsache selbst. Wo ein Avada Kedavra verhindert wurde, brach sich der Gerettete einen Augenblick später das Genick. Der Tod hat seine ganz eine Macht, denen auch die mächtige Magie der Zeitumkehrer nichts anzuhaben vermag. Zumindest gilt das für Menschen, bei Tieren ist es vielleicht etwas anderes. Es tut mir leid, Miss Nostra.“ Das Mädchen starrte Minerva leeren Blicks an, noch immer blass wie Schnee und etwas in den blauen Augen zerbrach. Hoffnung, letzte Hoffnung, die in Scherben zu Boden fiel. Die Sekunden schienen sich zu dehnen, zu Minuten, zu Stunden, zu Ewigkeiten zu strecken. „Nein!“, keuchte das Mädchen, erstickt, lautlos erst, dann immer heftiger, immer heiserer schreiend, „Nein, Nein, Nein!“ Verzweifelt schlug Sally Nostra auf die Lehne des Stuhls ein, Tränen brachen aus ihren geröteten Augen hervor. Minerva saß für einen Augenblick völlig starr in Albus‘ Thronstuhl. Dann gab sie der jungen Squib ein Taschentuch und stand auf. „Ich werde jetzt ihre Eltern verständigen.“ ‚Und danach die Auroren in die Heulende Hütte schicken‘, dachte Minerva stumm und trat an den Kamin, „Familie Nostra!“
Keine Viertelstunde später standen die betroffenen Eltern in Albus‘ Büro, um ihre aufgelöste Tochter abzuholen und sich die schrecklichen Hintergründe des Mordfalls anzuhören. Dass Charles Nostra tot war, wussten sie bereits. Der Tagesprophet hatte über den Fall berichtet und sie hatten das Mädchen, das sie am Freitag abholen wollten, einen ganzen Tag lang verzweifelt gesucht. Als Minerva die Mutter begrüßte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Elvira Stubborn, eine ehemalige Ravenclawschülerin! Sally sah ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten und doch hatte Minerva die Verwandtschaft nicht erkannt. Bald schon waren die Nostras gegangen und sie stand der Aurorenzentrale Rede und Antwort. Als auch Alastor mit seinen Leuten aufgebrochen war, wurde es still im Schulleiterbüro. Still und einsam. Eisblumen überwucherten die Scheiben als wollten sie den Schaden verdecken, der nicht zu verdecken war. Eine Weile noch stand Minerva am Feuer und blickte gedankenverloren in die Flammen. Dass ihr die Ähnlichkeit Sally Nostras mit ihrer ehemaligen Schülerin nicht aufgefallen war… Schade, dass sie das Mädchen unter diesen Umständen kennenlernen musste. Hoffentlich würde es die letzte Familie sein, die Voldemort auseinandergerissen hatte, flehte Minerva still und wusste doch, dass ihre Gebete nicht erhört werden würden. Dann löschte sie, schweigend und schwerem Herzen, das Feuer und machte sich auf den Weg in ihr eigenes Büro. Die Nächte waren lang in jener Zeit und der Morgen ungewiss.
ENDE
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Poppy und das Mädchen unterhielten sich noch als Minerva aus ihren Gedanken tauchte. „Vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit, etwas Licht ins Dunkel zu bringen“, unterbrach sie das Gespräch der beiden unsanft und zwei Augenpaare blickten sie verwundert an. „Miss Nostra, Ihre Erinnerungen mögen verloren sein“, wandte sie sich an das Mädchen, „doch vielleicht gibt uns die Erfindung ihrer Großmutter Aufschluss darüber, was geschehen ist.“ Poppy blickte abwechselnd auf den Zeitumkehrer und in Minervas Gesicht. Neugierde spiegelte sich in ihren Augen, doch ansonsten hielt sie sich im Hintergrund, während Minerva mit ihrer Patientin sprach. „Meinen Sie, sie können den Zeitumkehrer reparieren?“, fragte Sally Nostra skeptisch. „Das weiß ich nicht. Aber zumindest können wir versuchen, herauszufinden, was daran kaputt ist und vielleicht verrät uns das auch, was im Haus Ihrer Großmutter wirklich geschehen ist. Ich würde den Zeitumkehrer gern zusammen mit meinem Kollegen für Zauberkunst eingehender untersuchen.“ Endlich zog sich das Mädchen zögerlich die dünne, goldene Kette über den Kopf und reichte ihr das kostbare Artefakt, das Minerva sofort in ihrer Umhangtasche verbarg. „Danke, Miss Nostra. Ich werde Sie sofort in Kenntnis setzen lassen, sobald wir Näheres wissen. Bis dahin überlasse ich Sie der Obhut von Madame Pomfrey“. Minerva verabschiedete sich und wollte zur Tat aufbrechen. Doch Poppy fing sie an der Tür ab. „Denkst du, du und Filius, ihr findet heraus, was mit dem Ding auf sich hat? Ich meine, sollten das nicht eher Fachleuchte vom Ministerium überprüfen?“ Minerva seufzte. „Ich hoffe es. Mein Gefühl sagt mir, dass nicht gut wäre, zum jetzigen Zeitpunkt schon die Auroren zu rufen. Sie würden den Fall übernehmen und wir die Wahrheit nie erfahren. Ich wünschte, Albus wäre hier. Er wüsste bestimmt, was zu tun ist.“ Poppy verzog das Gesicht. „Ich bin froh, dass er außer Haus ist. So sehr ich ihn mag, er versteht einfach nicht, dass Patentien Ruhe brauchen.“ Minerva lächelte amüsiert. Dann legte sie ihrer alten Freundin zum Abschied die Hand auf die Schultern. „Danke, Poppy. Und pass bitte gut auf das Mädchen auf. Ich weiß nicht, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hat und der Tod ihrer Großmutter hat ihr sehr zugesetzt.“ Poppy nickte. „Ich werde das arme Ding schon aufpäppeln!“ Dann schloss sich die Tür zum Krankenflügel und Minerva stand im dunklen Korridor.
Ohne zu zögern machte sie sich auf den Weg zum Büro des Zauberkunstlehrers. Filius war nicht gerade begeistert von ihrem Ansinnen. „Ein Zeitumkehrer?“, quiekte er, ein wenig blass um die Nase, „Damit hatte ich noch nie zu tun. Ich weiß nur, dass Zeitmagie große Risiken birgt“. Doch Minervas Argumente und nicht zuletzt die Autorität der stellvertretenden Schulleiterin überzeugten ihn schließlich, sie zu unterstützen. Es wäre der reinste Leichtsinn gewesen, sich einem so mächtigen Artefakt allein zu stellen, abgesehen davon, dass die Aufgabe der Reparatur das Wissen und die Fähigkeit ihrer beider Fachgebiete bedurfte. Sie zogen sich in einen alten Klassenraum zurück, der schon seit einigen Jahren nicht mehr genutzt wurde und sicherten ihn mit einem Schutzsiegel, so dass keine Magie nach außen dringen würde. Die sprechende Uhr an der Wand dort verriet ihnen auf Anfrage die exakte Uhrzeit. Schweiß stand ihnen auf der Stirn und das Licht der Öllampen flackerte als sie das Gerät aufs Pult legten und mit ihrer Untersuchung begannen. Zuerst überprüfte Minerva die Funktionsfähigkeit des Geräts mit einem Specialis Revelio, der mächtige Magieströme offenbarte. Gänzlich defekt war der Mechanismus also nicht. Doch warum war es Sally Nostra dann nicht gelungen, durch die Zeit zu reisen? Bevor sie das Artefakt weiteren Zaubern unterzogen, entschieden sich Minerva und ihr Kollege für einen Testlauf mit einem winzigen Stipps des Minutenrädchens. Flitwick, trotz seines Respekts vor dem Gerät ein Gentleman, erklärte sich als Erster zur Reise bereit. Sie waren beide erfahrene Magier und doch konnte Minerva ihre Sorge um den Kollegen nicht verhehlen. „Filius, Bitte, passen Sie gut auf sich auf!“, rief sie ihm zu, als dieser sich die Goldene Kette um den Hals legte. Doch da war Flitwick auch schon verschwunden, nur um plötzlich, einen Wimpernschlag später, wieder im Raum zu stehen. Minerva blinzelte im Reflex. Es war wie das Flackern einer Kerze. „Hat es nicht funktioniert?“, fragte sie. Professor Flitwick wiegte den Kopf. „Ich weiß nicht. Ich meine, einen Ruck gespürt zu haben, aber ich bin mir nicht sicher. Vielleicht sollten wir es mit einer größeren Distanz versuchen.“ Gesagt, getan. Diesmal trat Filius hinter eine zum Paravan gewandelten Tafel, um sich den in der Literatur oft beschriebenen Selbst-Seh-Schock zu ersparen, ehe er den Zeitumkehrer einstellte. Minerva hörte zehn Mal das Quietschen der Metallringe, dann war es still. Verdutzt starrte sie auf den Paravan. Sie hatte erwartet, dass er noch mit dem letzten Schritt seines früheren Selbst hinter den Sichtschutz aus seinem Verstreck hervortreten würde, um sich selbst nicht zu begegnen. Doch nichts geschah. Ganze zehn quälende Minuten lang. Dann erst bewegte sich etwas hinter dem Paravan und er war wieder bei ihr. „Und?“, fragte Minerva skeptisch. Filius strahlte übers ganze Gesicht. „Fantastisch! Ich hätte nicht erwartet, dass eine Zeitreise so angenehm wäre“. Dann wurde er wieder ernst. „Aber dieser Zeitumkehrer arbeitet ganz anders als in der Literatur beschrieben. Ich hatte ihn auf zehn Minuten eingestellt und ich bin auch tatsächlich zehn Minuten in die Vergangenheit gereist. Dort hielt es mich aber gerade mal so lange, dass ich auf die Uhr sehen konnte, plötzlich zog es mich mich hier her. Seit meiner Abreise aber sind schon-“ „- zehn Minuten vergangen“, ergänzte Minerva. Filius nickte und einen Augenblick sahen sie einander an. Beide verstanden. Dann legte ihr Kollege den Zeitumkehrer ab. Minerva betrachtete das Artfakt eine Weile lang sinnend. Wenn Sally Nostra vielleicht fünf Minuten bevor sie und Albus das Haus betreten hatten, erst eine halbe Stunde in die Vergangenheit und dann in Zukunft geworfen worden war, war sie zu dieser Zeit natürlich nicht anwesend. Und auch ihre Verwirrung ob der Wochentage war verständlich, so sie denn wild durch die Zeiten gesprungen war. Aber wer hatte ihren Geist manipuliert? „Ich frage mich, ob es Absicht oder ein Defekt ist“, bemerkte Filius in diesem Moment und riss Minerva damit aus ihren Gedanken. Sie beschlossen, sich das Gerät noch einmal genauer anzusehen, aber sämtliche Aufspührzauber von Flüchen, magischen Barrieren, Zaubereinwirkungen und Spuren dunkler Magie blieben erfolglos. Minerva war schon gewillt aufzugeben, da offenbarte ihnen ein Beschädigungs-Aufspührzauber einen winzigen Haarriss zwischen den Hälften der Sanduhr. Minerva runzelte die Stirn. Sollte das die Ursache sein? Im Reflex zog sie den Zauberstab: „Reparo!“ Es war kindisch und naiv zu glauben, dass ein so einfacher Zauber ein so kompliziertes Gerät wiederherstellen konnte, doch ihre Hand war schneller gewesen. „Soll ich noch einmal…?“, fragte Filius. Doch Minerva schüttelte den Kopf. „Ich gehe selbst.“ Sie wiederholten das Experiment und diesmal funktionierte der Zeitumkehrer einwandfrei. Verdutzt trat Minerva hinter dem Paravan hervor ehe sie ihrem Alter Ego begegnen konnte. Dann bedankte sie sich bei Filius, verabschiedete ihn und blieb ins Grübeln versunken zurück. Wenn der Zeitumkehrer so einfach zu reparieren gewesen war, warum hatte Charlotte Nostra das dann nicht erledigt und ihn bei den anderen beiden Exemplaren aufbewahrt?
Überhaupt, Charlotte Nostra….
Obgleich der Defekt des Zeitumkehrers behoben war, war ihr Tod noch immer ein Rätsel. Einen Augenblick lang betrachtete Minerva das Artefakt in ihren Händen. Ein verführerischer Gedanke kam ihr. Zwischen ihm und seiner Ausführung stand eine Mauer aus Risiken und mächtigen Gesetzen. Minerva schloss die Augen. Sie konnte nicht, sie durfte nicht… und doch, es ging um die Aufklärung eines Mords. Wenn Albus doch nur hier wäre! Was er nur an ihrer Stelle getan hätte? Tief atmete Minerva durch, schlug die Augen wieder auf und überlegte. Albus war gewiss kein Gesetzloser, doch wenn es auf die Vereitelung eines Verbrechens ankam, waren Regeln für ihn durchaus biegbar. Nie hatte er selbst die Gesetze übertreten, doch schon manches Mal wissentlich ein blindes Auge gezeigt, wenn seine Verbündeten es taten, um Schlimmeres zu verhindern. Der Zweck heiligte die Mittel. Noch einmal atmete Minerva tief durch, dann legte sie sich die dünne, goldene Kette um den Hals. Vor dem, was sie im Begriff zu tun, schreckten der Risiken wegen selbst die Auroren als Ermittlungsmethode zurück. Doch Minerva fürchtete sich nicht. „Auf deinen Rat hin, Albus“, flüsterte sie, verbarg sich hinter der letzten Stuhlreihe und drehte an den Rädchen. Sie wusste, niemand würde sie sehen dürfen. Doch würde auch keiner sie zu sehen bekommen, nur den Schatten eines Tieres auf Mäusejagd. Der Raum um Minerva löste sich auf und setzte sich neu zusammen. Als die Welt wieder stillstand, zog sie sich das Artefakt vom Hals, verbarg es in der Schublade des Pults und versiegelte diese magisch. Dann trat sie vor die Tür des Klassenzimmers und eilte auf vier samtenen Pfoten hinaus in die Nacht.
Als sie das Dorf erreichte, waren die Lichter im Laden waren bereits erloschen und die Tür verschlossen. Nur eine Eule hob sich vom Haus empor in die Lüfte. In der Seitengasse aber fand Minerva einen Schacht zum Kellerfenster, der ihr gerade genug Platz bot, um zu sehen und zu lauschen. Ihr Blick fiel direkt in die hell erleuchtete Werkstatt, wo sie und Albus die Leiche gefunden hatten. Und dort drin tanzte gerade Sally Nostra in der Schuluniform ihrer Großmutter vor einem Spiegel an einem Regal. Auch die Besitzerin des Ladens selbst war anwesend, doch wirkte sie im Gegensatz zu ihrer Enkelin keineswegs ausgelassen. Sie betrat soeben mit einem Brief in der Hand den Raum und ihre Stirn lag in tiefen Runzeln. Das alte Jahrbuch, das noch auf der Werkbank lag, schob sie achtlos zur Seite als sie sich setzte und las. Ihre Miene verfinsterte sich immer mehr. Dann, als sie wohl fertiggelesen hatte, starrte sie einen Augenblick lang Löcher in die Luft und sprang plötzlich auf. „Lass den Unsinn, Sally! Zieh das aus!“, blaffte sie ihre Enkelin an als sie deren Modenschau bemerkte und das Mädchen wandte sich erschrocken zu ihr um. „Was ist denn, Großmutter?“ „Wir müssen fort, Sofort. Meine Erfindungen! Die Todesser lassen nicht los und jetzt ist mir auch das Ministerium ist auf den Fersen. Jemand hat mich gewarnt, dass sie morgen eine Hausdurchsuchung durchführen wollen. Die Sachen sind hier nicht mehr sicher. Es tut mir leid, mein Schatz, ich muss sie an einen sicheren Ort bringen und dich nachhause.“ „Kann ich nicht mitkommen?“ Charlotte Nostra seufzte und schüttelte den Kopf. „Sie zu verstecken wird gefährlich und du bist eine Squib. Du kannst ja nicht den einfachsten Zauber! Es wäre die größte Fahrlässigkeit.“ Sally Nostra verzog die Miene. Doch ihre Großmutter achtete nicht darauf. „Hilf mir, Kind, die Sachen zusammenzupacken!“, wies die Ladenbesitzerin ihre Enkelin an, während sie selbst eine Reisetasche aufrief. Sally griff sich einen der Zeitumkehrer. Da plötzlich weiteten sich die Augen der alten Frau und Sally riss den Mund auf. Minerva verstand zuerst nicht, was die beiden so erschreckt hatte. Doch dann hörte sie es selbst. Jemand war in den Laden eingedrungen. „Los in den Schrank auf dem Flur mit dir und keinen Mucks! Hörst du, keinen Mucks!“, rief Charlotte Nostra ihrer Enkelin zu, ihre Stimme schwer von Sorge. Dann zog sie den Zauberstab und verschwand aus Minervas Blickfeld, während Sally sich versteckte. Im oberen Stockwerk musste ein Kampf stattfinden. Denn plötzlich hörte Minerva das Splittern von Glas, gefolgt von einem dumpfen Schlag und Poltern. Offenbar war es dem Angreifer gelungen, Charlotte Nostra zu überwältigen, denn schon im nächsten Moment betrat eine schwarzgekleidete Gestalt mit einer weißen Maske die Werkstatt. Brennender Hass überwältige Minerva. Es kribbelte ihr in den Pfoten, ihr inkognito aufzugeben und den Todesser zu bewältigen. Doch sie wusste, dass dieser gedankenlose Vorstoß seinen Zweck nicht erfüllen würde. Es gab Berichte über Zeitreisende, die Tierwesen und magische Geschöpfe gerettet hatten, doch jeder Versuch den Tod eines Menschen auf diese Weise zu verhindern, hatte bisher damit geendet, dass der Gerettete Minuten später auf rätselhafte Weise doch verstarb. Also hielt sie still und buckelte nur. Charlotte Nostra indessen zeigte sich als agiler als erwartet. Denn schon im nächsten Augenblick stürmte auch sie in die Werkstatt und versuchte den Todesser, der inzwischen die beiden verbliebenen Zeitumkehrer entdeckt hatte, zu entwaffnen. Dieser jedoch wehrte mit einem Protego ab und Charlotte Nostras Zauberstab wurde ihr aus der Hand gerissen. Gerade noch konnte die alte Frau sich abfangen ehe die Wucht sie umwarf. Da erschallte im Flur plötzlich ein Niesen. Sally Nostra war wohl die stickige Luft in ihrem Versteck nicht bekommen. Der Todesser drehte sich nach dem Geräusch um und für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. „Oh, haben wir etwa Besuch!“, lachte er dann dreckig und es war die Stimme einer Frau, „Vielleicht diesen Abschaum von pubertärem Squib? Kranke Äste am Stammbaum muss man stutzen, Nostra!“ Dann zog die den Zauberstab, trat ans Kellerfenster neben Minervas Versteck, hielt ihn empor zum Himmel und murmelte „Morsemordre“. Charlotte Nostra erbleichte als sie ihr plötzlich bewusst zu werden schien, was die Todesserin vorhatte. „Nein“ schrie sie und schüttelte den Kopf, während ihre Gegnerin herumwirbelte, „Nein!“ Und dann geschah etwas so Unglaubliches, dass Minerva fast die Katzenaugen übergingen und ihr Fell sich vor Überraschung sträubte. Dieses etwas ließ den Fall in einem völlig anderem Licht erscheinen und warf zugleich ganz neue Rätsel auf. Mit einem Ruck las Charlotte Nostra ihren Zauberstab vom Boden auf und richtete ihn auf den Rücken ihrer Angreiferin. In ihren Augen blitzte Mordlust. „Finger weg von meiner Enkelin, du Schwein! STUPOR! STUPOR! STUPOR!“ Die Todesserin stürzte, sie verlor ihre Maske, wildes, schwarzes Haar ergoss sich über ihren Rücken. Charlotte Nostra zauberte in wilder Raserei, ein Schockzauber nach dem Anderem, schon als die Angreiferin reglos auf dem Boden lag. Erst als Sally Nostra zitternd und schreiend im Türrahmen stand, Tränen in den Augen, erst dann ließ Charlotte Nostra von ihrem Opfer ab. Das Glühen verschwand aus ihren Augen, sie schien wieder zu Sinnen zu kommen und erbleichte augenblicklich. Mit einem entsetzen Aufkeuchen ließ sie den Zauberstab fallen. Und ihr Blick verriet: Sie hatte verstanden, was sie getan hatte. Sie und Minerva ebenso. Ein Schockzauber war nicht tödlich, doch zwölf davon hintereinander würden selbst einen Bergtroll erledigen! So mechanisch wie eine Puppe und die Augen kalt und starr vor schierem Entsetzen, trat Charlotte Nostra zurück und begann sich an der Werkbank zu schaffen zu machen. „Ich.. ich werde nach Hogwarts gehen und… und Hilfe holen, Albus Dumbledore“, keuchte Sally derweil unter Tränen. „Das wirst du nicht!“, fuhr Nostra ihre Enkelin plötzlich so scharf an, dann selbst Minerva zusammenzuckte, „Dumbledore wird mich ans Ministerium verraten. Hier halt das.“ Sie hatte eine Phiole mit einer schlammigen Flüssigkeit aus einem Geheimfach der Werkbank geholt und entkorkt, die sie ihrer Enkelin in nun in die Hand drückte. Dann, Minerva glaubte sie sähe nicht recht, riss die alte Frau sich ein Haar aus und gab es in die Phiole. Minerva, die lange genug für einen Geheimbund spioniert hatte, in dem gewisse hochwirksame Tränke schon des Öfteren von großem Nutzen gewesen waren, wusste natürlich, was da vor ihrer Nase geplant wurde. Aber das konnte so doch niemals funktionieren! Nicht an einer Leiche und nicht über mehrere Tage hinweg! Und doch trogen ihre Sinne sie nicht. Charlotte Nostra, die offenbar nicht nur die Zeitumkehrer neu erfunden hatte, flößte der Toten Vielsafttrank ein. Und tatsächlich verwandelte sich die Leiche augenblicklich in eine Doppelgängerin. Dann wandte die echte Charlotte Nostra sich ihrer inzwischen verstummten Enkelin zu. „Dein Vater will dich morgen abholen“, sprach sie auf das Mädchen ein, „Bis dahin, bleib im Haus, rühr dich nicht, versteck dich. Ich muss fort, jetzt mehr denn je.“ „Wa-wann du wiederkommen?“, fragte Sally noch immer mit dem Nerven sichtlich am Ende und auf einmal glitzerten in den Augen der alten Frau Tränen. „Ich fürchte nie, mein Schatz. Aber ich hab dich sehr lieb, vergiss das nie. Jetzt aber zurück in den Schrank!“ Das Mädchen tat wie geheißen. Noch während sie davon schritt, nahm Charlotte die Reisetasche mit dem Zeitumkehrern an sich und zog plötzlich noch einmal den Zauberstab. „Obliviate!“ Minerva konnte nicht sagen, welche Erinnerungen die alte Frau aus dem Gedächtnis des Mädchens löschte, an die Mahnung, sich nicht an Albus zu wenden, konnte Sally sich danach ja noch bruchstückhaft erinnern, doch apparierte sie genau in den Moment als ihre Enkelin sich noch einmal umdrehte. Das Zimmer war leer, nur die Tote lag noch am Boden. Die Tote, die Sally Nostra nun als ihre Großmutter erkannte. Leichenblass stürzte das Mädchen zu ihr, brach zusammen, unglücklicherweise direkt auf die Robentasche, in der der Zeitumkehrer lag und ein markerschütternder Schrei ertönte. Minerva wandte sich ab und sprang aus dem Fensterschacht. Sie hatte genug gesehen. Dass eine einzelne Erfinderin sie, Albus und sogar die Aurorenzentrale so täuschen konnte! Sie würde sich die nächsten 48 Stunden im Verbotenen Wald herumtreiben, bis im Schloss die Luft wieder rein war und dann Alastor den heißen Tipp geben, sich Charlotte Nostras Leiche mal genauer anzusehen. Von der Zeitreise durfte sie ihm natürlich nichts verraten und so würden die Hintergründe der Tat wohl im grauen Meer des Vergessens versinken. Doch zumindest würde sie Sally Nostra eine gute Nachricht überbringen können. Das Mädchen tat ihr wahrlich leid wie so viele Kinder, die in diesen schweren Zeiten ihre Familien verloren. Schwarze Katzenspuren im pudrigen Weiß auf den Wegen und Straßen des Dorfs hinterlassend, zog Minerva davon, das Knirschen des Schnees unter ihren Füßen und der Himmel voll blitzender Sterne über ihrem Kopf. Es war Weihnachten 1980, ein Fest mitten im Krieg.
ENDE
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In einem Stoß atmete Minerva wieder aus. Die Silhouette des Fremden war soeben irgendwo zwischen den weißen Hügeln Schottlands verschwunden. Doch es kümmerte sie nicht mehr. Sie hätte die Verfolgung ohnehin nicht aufnehmen können. Zu groß war die Entfernung. So zumindest kam es ihr vor, hier draußen in der weißen Wüste ließ sich das nur schwer abschätzen. Und so konnte Minerva auch nicht mit letzter Gewissheit sagen, ob sie wirklich einen Schüler auf weiter Distanz oder vielleicht eine Hauselfe beobachtet hatte, die gar nicht so fern von ihrem Standpunkt aus dem Wald gelaufen war. Das Ding auf dem Boden aber, das die Gestalt verloren hatte, bewegte sich nicht und war so leichte Beute. Eine Beute, die ihr vielleicht auch mehr über den Fremden verraten würde, der es so eilig gehabt hatte. Den Zauberstab zu ziehen wagte Minerva allerdings nicht. Verfluchte Gegenstände, schwarzmagische Artefakte oder einfach nur die Schneidigkeit eines frisch geschliffenen Messers: So mancher, der sich das Leben mit einem Accio leichtmachen wollte, hatte seine Faulheit schon mit ebendiesem bezahlt. Mochte es vielleicht nur eine kaputte Schreibfeder aus Flitwicks Erstklassunterricht sein, Vorsicht war besser als Nachsicht. Doch… Minerva kniff die Augen zusammen, um ihren Blick zu schärfen. Nein, das war keine Feder und auch kein Messer! Inzwischen war sie nah genug an die Stelle herangetreten, um erkennen zu können, was da in den weichen Schnee gefallen war und sich in einem Kreis darüber verteilte: Ein ganzes Bündel an Pergamenten.
Erleichtert atmete Minerva durch. Also doch nur ein Schüler! Aber die Ruhe währte nur eine Sekunde, dann kam der Ärger. Warum mussten die Kinder ihr immer das Leben so schwer machen? Sich im Verbotenen Wald rumzutreiben und dann auch noch bei dieser Gefahrenlage! Wer immer das war würde etwas erleben können, wenn sie ihm in die Finger bekäme! Sie würde seinem Haus ordentlich Punkte abziehen, auch wenn er aus Gryffindor war. Gerade, wenn er aus Gryffindor war. Gedankenlos beugte Minerva sich hinab um die Pergamente aufzulesen, als sie innehielt und stutze. Etwas, das sie einen momentlang vergessen hatte, kam ihr wieder zu Bewusstsein. Er waren ja Ferien! Welcher Schüler trug in den Ferien so viele vollbeschriebene Pergamente mit sich? Seit ihrer Schulzeit hatte es keine solchen Streber mehr gegeben und jene Streberin ihres eigenen Jahrgangs beugte sich gerade über ein Bündel Pergamente. Es war nur ein Gefühl, die Spur eines Zweifels, doch Minerva zog den Zauberstab: „Specialis Revilio!“ Im Trott der Gewohnheit wartete sie ab bis der Zauber in die Pergamente eindrang und war plötzlich hellwach.
Was immer sie erwartet hätte, die Offenbarung solch enormer Magie war es gewiss nicht gewesen. Was bei Merlins Bart…! Minerva schwenkte den Zauberstab, blätterte die Pergamente, drei an der Zahl, so um, dass sie die Schriftseite sehen konnte. Tatsächlich waren sie mit einer feinen Handschrift beschrieben. Sie las und verstand: Nichts. Zumindest nicht im ersten Moment. Runenschrift. Und nicht etwa eine der gebräuchlichsten, alten Sprachen, mit denen sie in ihrem Fachgebiet oft zu hatte. Nein, diese Alte Runen erschienen ihr völlig fremd. Sie hatte sie noch nie im Leben gesehen. Oder etwa doch? Minerva runzelte die Stirn. Angestrengt versuchte sie sich an ihre Schulzeit zu erinnern, sie hatte das Fach belegt und tatsächlich erschienen ihr nun einige der Zeichen annähernd bekannt. Doch war sie keineswegs bewandert genug, um sie zu entschlüsseln. Das unwirtliche Wetter tat sein Übriges. Immer wieder fielen Schneeflocken auf die Blätter und verdeckten die Zeichen. Natürlich hätte Minerva den Schneefall mit einem einfachen Zauber aus ihrem Radius fernhalten können, doch das war der Mühe nicht wert. Mit schmerzenden Augen stand sie wieder auf und blickte sinnend in die Ferne.
Ein eisiger Nordwind umbrauste Minerva als sie versuchte sich auf all das einen Reim zu machen. Erst ihre unerklärliche Besorgnis, die sie seit dem Morgen verfolgte. Dann jene mysteriöse Gestalt, die aus dem Verboten Wald geflohen war. Und nun diese Entdeckung. In welch eine merkwürdige Geschichte war sie hier nur geraten? Ob es einen Zusammenhang zum Mord in Hogsmeade gab? Ein Schüler, da war Minerva sich nun gewiss, war das nicht gewesen. Vielleicht eine Hauselfe. Wie sie jetzt auf den zweiten Blick erkannte, war die Gestalt auf diese Entfernung selbst für einen Erstklässler noch zu klein gewesen. Minerva seufzte. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag wünschte sie sich, Albus wäre hier. Er hätte bestimmt gewusst, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Gedankenverloren zog Minerva ein Stofftaschentuch aus ihrer Manteltasche, verwandelte es in eine Aktenmappe und dirigierte die Pergamente mit einem Locomotor hinein. Dann richtete Minerva noch einmal den Zauberstab auf die Aktenmappe: „Signare“. Keine Magie würde jetzt mehr herausdringen oder hinein - alles bereit für den Transport. Minerva hätte die Pergamente auch am Wegrand liegen lassen können. Sie hätte ihren Spaziergang fortsetzen und dabei so tun können als hätte sie nichts bemerkt. Doch das Auge vor mysteriösen Vorgängen so nah an der Schule zu ignorieren wäre verantwortungslos. Und so wusste sie, dass ihr ein langes Wochenende bevorstehen würde. Ein Wochenende voller Fluch-Aufspürzauber und dem Studium der Literatur zu Alten Runen, um ein Rätsel zu lösen. Welche Geheimnisse diese drei Pergamente wohl in sich bargen? Vermutlich wäre es klug, nicht zu zögern und gleich Professor Babbling, die Kollegin für Alte Runen, zu Rate zu ziehen. Doch Minervas Magen knurrte auf einmal schrecklich und in Hogwarts stand das Abendessen auf der Lehrertafel. Seufzend setzte Minerva sich in Bewegung. Sie würde auf dem Rückweg überlegen, ob Sie gleich in den fünften Stock hinaufeilen oder erst einen Abstecher in die Große Halle einlegen würde. In der Ferne schlug die Postamtsuhr von Hogsmeade zur vollen Stunde.
Fortsetzung folgt - Code2
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Das Flohfeuer züngelte warm um Minervas Körper und sie spürte erst jetzt wie durchgefroren sie war. Es war eine gute Entscheidung gewesen, zur Winkelgasse aufzubrechen. Draußen im Wald wäre sie gewiss erfroren. So aber begrüßte sie nach dem Flug an zahllosen Kaminen vorbei die mollige Wärme des Tropfenden Kessels. Minerva trat aus dem Kamin, klopfte sich die Asche ab und fühlte sich gleich geborgen. Wie lange war sie schon nicht mehr hier gewesen, in der guten Stube? Nicht lang genug, um zu vergessen, dass in der Magischen Welt ein Krieg herrschte, beantwortete sie sich im nächsten Moment die Frage selbst. Denn etwas trübte die Heimeligkeit des traditionsreichen Ortes: Stille, Leere und eine spürbare Distanz. Minerva erinnerte sich noch gut an Zeiten, in denen der Tropfende Kessel vor Besuchern barst. In der einige verrückte Musiker auf Zaubetrankesseln trommelten und Goldene Schnatze als Rasseln benutzten und Hexen und Zauberer ausgelassen auf den Tischen tanzten. Heute indessen ließ sich kaum mehr ein Gast an den Tischen nieder und sie erinnerte sich an den Bericht Professor Vektors, die erst neulich hier gewesen war. Ein Bericht über ein Flohfeuer, das gehetzte Gestalten ausspie, die ohne einen Seitenblick nach links oder rechts auf den Hinterhof hetzten und nach spätestens einer Stunde wieder zurückkehrten. Keine Trödeleien, nur das Allernötigste und schnell wieder nachhause. Denn das Pflaster war gefährlich. Irgendwo konnte immer eine Schlacht ausbrechen, in deren Fronten man nicht geraten wollte. Zu viele davon endeten mit einem Dunklen Mal in den Wolken. Von den wenigen Zauberern und Hexen, die es an diesem Samstag tatsächlich gewagt hatten, sich in der Gaststätte niederzulassen, suchten die meisten die schattigen Winkel in den Erkern und Ecken. Und zwischen ihnen: Leere Tische, leere Bänke, leere Stühle. Niemand rückte enger zusammen, niemand wollte dem Sitznachbarn näherkommen. Keiner traute dem anderem. Hinter jedem Gesicht könnte sich ein Spitzel Voldemorts verbergen!
Minerva fühlte wieder die Kälte über ihre Arme streichen. Jene Kälte, die nicht vom Winter kam. Sie hätte wissen müssen, was sie erwarten würde. Und doch hatte sie keinen Gedanken daran verschwendet. Hatte in Howarts, dem letzten Refugium einer heilen Welt, nur vor Augen gehabt, wie es einst gewesen war. War es wirklich die richtige Entscheidung gewesen, hier her zu kommen? Wenn im Tropfenden Kessel schon solch gähnende Leere und Gedrücktheit herrschte, wie mochte es erst draußen auf der Gasse sein? Sie brauchte weder neue Umhänge noch neue Bücher, suchte nur ein wenig Zerstreuung. Zerstreuung, die sie auch sicher zuhause hätte finden können. Doch jetzt war sie nun einmal hier und auf der Schwelle umzukehren wäre unhöflich gewesen. Zudem, so ganz stimmte es auch nicht, dass sie hier nichts zu erledigen hatte. Den schweren Zeiten zum Trotz hatte sie noch immer ein paar nachträgliche Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Sie hätte ihrem Bruder das sehnlich gewünschte Buch auch per Versandeule zuschicken lassen können. Doch in letzter Zeit wurden über London wieder sehr viele Posteulen abgefangen. Jetzt schon wieder zurückkehren kam nicht in Betracht. Blieb nur noch die Frage, ob sie sich der grauen Masse anpassen und ihren Einkauf schnell hinter sich bringen oder vielleicht noch eine Weile im Tropfenden Kessel verweilen sollte, um sich zu stärken. Minerva ließ ihren Blick schweifen, besah sich die Tische und die Tür zum Hinterhof und entschloss sich
im Tropfenden Kessel zu bleiben
zur Winkelgasse durchzugehen
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Es war die Wärme im Schankraum, die sie letztlich überzeugte, dass die Sonderausgabe von Quidditch im Wandel der Zeiten noch eine Weile auf sie warten könne. Nach einem Sitzplatz suchend sah Minerva sich um. Sie hatte die freie Wahl! Ihre Entscheidung fiel auf einem Tisch in der Nähe des Kamins, doch nicht zu nah, um von Reisenden gestört zu werden. Die Holzscheite knackten leise im Kamin und der Duft des Tannengrüns, ein Übrigbleibsel der Weihnachtsdekoration der Schenke, drang ihr in die Nase, als Tom, der Wirt auch schon kam, um ihre Bestellung aufzunehmen: Tee und etwas Shortbread. Als er zurückkehrte, standen zwei dampfende Tassen auf seinem Tablett. Offenbar hatte Tom vor, sich eine Weile zu ihr zu setzen. „Ich hab dich schon lange nicht mehr hier gesehen, Minerva. Heute ohne Albus Dumbledore unterwegs?“, sprach er, während er die Gefäße und das Gebäck abstellte. „Nein, er ist auf einem wichtigen Kongress zur Bekämpfung von… na Sie wissen schon wem“. Tom nickte und das Spiel der Kerzen auf dem Tisch warf Schatten auf sein Gesicht. „Ich hab davon gehört. Zwei Hexen von außerhalb, ganz hohe Tiere, kamen auch hier vorbei und hatten den Schankraum für sich. Es sind finstere Zeiten, sehr finstere, sieh es dir an. Früher hatte ich kaum Platz für alle Gäste und jetzt sitzen die Geister an den Tischen. Eine Dekade schon und man weiß nicht, wann diese Nacht enden wird.“ Betrübt sah er in seinen Tee, träumte von alten, von besseren Zeiten. So saßen sie beisammen, schwiegen für eine Weile vielsagend. Mehr aus Gewohnheit, mehr aus Reflex ließ Minerva noch einmal ihren Blick durch den verwinkelten Schankraum schweifen. An einem Tisch saß tatsächlich ein Geist. Henry, ein kleiner Junge, lebte schon seit Urzeiten im Tropfenden Kessel, unter dessen Dach er einst im späten Mittelalter auf tragische Weise den Tod gefunden hatte. Doch er zeigte sich nur, wenn es ruhig in der Schenke war und niemals minderjährigen Hexen und Zauberern. Gefangen in der Schwere der Melancholie hätte Minerva ihren Blick fast schon wieder abgewandt, um ebenfalls betrübt in ihre Teetasse zu starren. Doch da begegnete sie etwas, das ihre Schwermut mit einem Schlag in Luft auflöste. Sie begegnete Augen. Bekannten Augen, auch wenn sie sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Und die Augen fingen ihren Blick, warfen ihn zurück in einem Schimmer des Erkennens. Minerva sprang auf und jemand auf der anderen Seite des Schankraums tat es ebenso. Auf halbem Wege trafen sie sich und begrüßten einander herzlich. „Emma! Wie lange ist es her?“, fragte die eine. „Ein Leben, Minerva!“, antwortete die anderen. Dann ließen sie einander wieder los und betrachteten einander eingehend im schummrigen Licht der Schenke. Emma war nicht mehr wiederzuerkennen. Ihr Äußeres strafte allen Erinnerungen Minervas ans sie Lügen. Das Mädchen, das sie noch so gut im Gedächtnis hatte, war alt geworden. Runzeln, graues Haar, Altersflecken auf der Haut. Und mit einem leisen Erschrecken erkannte sie, dass dies nur ein Spiegelbild ihres eigenen Selbst war. Die Zeit betrog sie. Minerva kam es vor als sei es erst gestern gewesen als sie im Gemeinschaftsraum vor dem Kamin gesessen und gemeinsam die Bücher gewälzt hatten. Doch die Zeiten, in denen sie auf ihren Besen durch die Lüfte gefegt und den Chauvis des Quidditchteams bewiesen hatten, dass die Mannschaft Gryffindors auf zwei Hexen nicht verzichten konnte, lag ein halbes Jahrhundert zurück. Zu lange hatte Minerva nur durch Briefe noch am Leben ihrer alten Busenfreundin teilgehabt und irgendwann, sie wusste nicht mehr wann, waren auch die Eulen ausgeblieben. „Wie geht es dir, Emma?“, fragte Minerva und fühlte sich seltsam dabei. Zu Minervas Erschrecken, trübte Emmas Blick sich ein ihre Augen schimmerten feucht. „Ich wünschte, ich könnte sagen, alles wäre in Ordnung. Aber das ist eine Lüge. Ich bin auf der Durchreise und der Anlass ist kein freudiger.“ Betroffen griff Minerva in ihre Tasche und kramte ein sauberes Taschentuch hervor, das sie ihrer Freundin reichte, der soeben die Tränen kamen. „Nicht doch, Emma. Hier, nimm. Magst du dich nicht zu mir setzen und mir sagen, was geschehen ist? Du bist ja völlig aufgelöst und vielleicht kann ich helfen!“ Emma nickte und folgte ihr stumm zu ihrem Platz, wo Tom, der Wirt, unter dem Vorwand noch viel zu tun zu haben, gleich den respektvollen Rückzug antrat.
So saßen die beiden zusammen in der leeren Schenke. Und Minerva erfuhr, was ihrer alten Schulfreundin wiederfahren war. Und auch, dass es mehr mit ihren eigenen Sorgen zu hatte als sie geglaubt hätte.
Fortsetzung folgt - Code3
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Mit einem beherzten Ruck zog Minerva sich den Mantel noch ein wenig enger um die Brust zusammen und lief zielstrebig auf dem Durchgang zum Hinterhof zu. Wenn dieser Ausflug ihr schon nicht die erhoffte Ablenkung von ihren Sorgen bescheren würde, dann wollte die Pflicht wenigstens schnell hinter sich gebracht werden. Schon hatte sie die Steine im Mauerwerk angetippt und war durch das Tor auf die Gasse hinaus getreten. Eisiger Schneewind pfiff Minerva um die Ohren, Flocken trieben ins Gesicht und Minerva hielt inne, nur für einen Moment, nur für einen Blick auf die Einkaufsmeile, die sich vor ihren Augen auftat. Die Kälte drang ihr bis ins Mark und ließ sie erschauern. Die Winkelgasse glich einer Geisterstadt. Nur hier und da huschte irgendwo eine Gestalt aus einer Ladentür und verschwand in der nächsten. Und Minerva war sich sicher, dass so mancher davon ein Spitzel Voldemorts war, der die Gasse ‚sauberhielt‘, wie sie es nannten. Ihre Hand schloss sich fester um den Zauberstab und ihre Augen spähten in alle Richtungen, während sie den Weg fortsetzte. Mit jedem Schritt wuchs ihr Grauen. Das Ausmaß des Schreckens, den Voldemort und seine Gefolgsleute über die Zauberwelt brachten, wurde nirgendwo deutlich wie in dieser Gasse, in der einst blühendes Leben geherrscht hatte. Jetzt passierte Minerva auf ihrem Weg so manchen verrammelten, ausgebrannten und bretterverschlagenen Laden, dessen Mauern die Schreie und Flüche konserviert zu haben schien. Die Todesser hatten über die Jahre hinweg jedes Geschäft, das von Muggelstämmigen betrieben worden war, dem Erdboden gleichgemacht und die Besitzer mit dazu. Wer jetzt noch seine Türen hier öffnete und seine Schaufenster bestückte, besaß einen Stammbaum, in dem das reine Blut floß wie das Wasser in der Themse. Endlich hatte Minerva den Buchladen erreicht. Am Schaufenster prangte ein Prüfsiegel mit dem Schlangenschädel, was hieß, dass dieser Laden nur Literatur führte, die voldemortgefällig war. Ihr wurde übel, doch es war die einzig verbliebene Bezugsquelle für den Herzenswunsch ihres quidditchvernarrten Bruders. Den Ladenbesitzern konnte sie schwer Vorwürfe machen. Sie kannte die beiden Cousins Richard Flourish und Kenneth Blott flüchtig und wusste, dass diese Voldemorts Schreckensherrschaft keineswegs unterschrieben. Doch beide hatten Familien und versuchten irgendwie zu überleben. Dennoch hätte Minerva am liebsten den Zauberstab gezogen und das Siegel in die Luft gejagt. Mit dem schlechtesten Gewissen und einer guten Portion Wut schob Minerva die Ladentüre auf und schwor sich, dass sie, sobald sie das Buch in den Händen hielt, auf dem schnellsten Weg heimreisen würde. Wenn sie es denn überhaupt kaufen würde. Ihre Moral und ihre Geschwisterliebe fochten einen harten Kampf miteinander. Doch so oder so war Minerva sich sicher, dass keine halbe Stunde mehr in London bleiben würde. Mit diesem festen Entschluss trat Minerva ein und sah nicht, dass hinter ihr eine dunkel gekleidete Gestalt sie ganz genau musterte, sich abwandte und die Gasse hinab lief.
Fortsetzung folgt - Code4
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1980. Die magische Welt befindet sich im Krieg. Ausgerechnet an Weihnachten morden die Todesser in Hogsmeade. Minerva McGonagall sucht eigentlich nur etwas Ablenkung von ihren Sorgen und befindet sich auf einmal mitten in mysteriösen Ereignissen wieder, die etwas mit dem Fall zu tun zu haben scheinen. Wird sie den Mord aufdecken können? Das liegt ganz an dir!