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Kapitel: | 17 | |
Sätze: | 2.738 | |
Wörter: | 39.809 | |
Zeichen: | 236.374 |
Die Geschehnisse von Punk Hazard lagen gerade einmal zwei Tage zurück und obwohl die Strohhutbande Gäste an Bord ihres Schiffes hatten, war bereits ein gewisser Alltag eingekehrt. Da konnte selbst die nahende Auseinandersetzung mit de Flamingo nichts ändern. Die Stimmung auf der Thousand Sunny war bei – fast – allen fröhlich bis gelassen und man genoss den ruhigen Tag.
„Abendessen ist fertig.“
Der Ruf Sanjis schallte laut über das Deck und der erste, der darauf reagierte war – was hätte man auch anders erwartet – Monkey D. Ruffy, seines Zeichens Käpt’n der Strohhutpiraten. Er hatte sich in Windeseile vom Krähennest hinunter gehangelt und war über das Deck gestürmt, dabei fast Trafalger Law, einen der derzeitigen Gäste, über den Haufen gerannt, um in die Kombüse zu gelangen.
Law hatte bereits begriffen, dass es klug schnell zu sein, wenn es Essen gab, da der Appetit des Strohhutes unberechenbar war. Er beeilte sich also ebenfalls in die Schiffsküche zu gelangen, jedoch ohne sich dabei zu offensichtlich abzuhetzen.
Anders gingen da Momonosuke und Kinemon vor. Sie genossen Sanjis Kochkünste, wollten dementsprechend auch genug davon abbekommen. Auch Lysop, Franky, Chopper und Brook rannten regelrecht, um nicht zu kurz zu kommen. Die Damen des Schiffes, Nico Robin und Nami, ließen sich Zeit. Sie wussten, dass der Smutje es nicht zulassen würde, dass jemand nicht genug bekam. Dabei half es ihnen sicherlich noch zusätzlich, dass Sanji ein Faible für schöne Frauen hatte.
Law hatte sich gerade gesetzt und seine Portion bekommen, als auch Zorro, der Schwertkämpfer der Bande, den Raum betrat. Er hatte wohl eben noch Caesar Crown, der Person, die sie auf der letzten Insel gefangen genommen hatten, um de Flamingo erpressen zu können, etwas zu essen gebracht. Dieser war derzeit in einen der wenigen ungenutzten Räume im Untergeschoss der Sunny untergebracht, da man nicht riskieren wollte, dass er entkam.
Ein lautes Krachen ertönte, als der Kopf des Strohhutes plötzlich auf seinen Teller krachte. „Finger weg von meinem Essen!“ Die Navigatorin hatte Ruffy wohl eine Kopfnuss verpasst, da dieser auch vor ihrem Teller nicht halt gemacht hatte. Die kurze Zeit, in der ihr Kapitän außer Gefecht war, nutzten die anderen, um in Ruhe zu essen. Chopper schlang seine Mahlzeit regelrecht herunter, sodass er sich prompt verschluckte und von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt wurde.
„Ach, meine liebliche Namimaus. Du bist heute wieder so wunderbar wehrhaft!“ Sanji hatte dies nicht einmal mitbekommen, da er von seinem üblichen Liebestaumel eingenommen war.
Zorro konnte das natürlich nicht unkommentiert lassen. „Wundert mich nicht, dass du das bewunderst, Küchenjunge.“
„Wie meinst du das?“ Sanjis Stimme war verdächtig gelassen.
„Ach, ich meine ja nur. Schwächlinge fühlen sich schließlich automatisch von den Starken angezogen.“
Nun war Sanji nicht mehr zu halten. „Das sagt der Richtige! Es ist keine Kunst dich außer Gefecht zu setzen!“
„Ja? Probier’s doch, wenn du dich traust.“
Nach einem kurzen Schlagaustausch waren auch die beiden zu Opfern von Namis rechter Faust geworden. „Könnt ihr euch nicht einmal beim Essen benehmen? Man sollte doch meinen, dass ihr in den letzten zwei Jahren irgendetwas dazugelernt habt!“
Diese Gelegenheit nutzte wiederum Ruffy, der inzwischen wieder zu Bewusstsein gekommen war, um sich die Portionen von Zorro, Sanji und Nami einzuverleiben.
Robin beobachtete die Szene nur mit einem stillen Lächeln. Das gehörte zu den Dingen, die ihr in der Zeit, die sie bei Dragon verbrachte, gefehlt hatte. Ihr Blick wanderte weiter zu Law. Dieser saß so ungerührt, wie es an Bord der Sunny eben möglich war, am Tisch und aß. Seltsamerweise hatte Ruffy es nicht einmal versucht, sich bei ihm zu bedienen, während Kinemon und Momonosuke um ihren Anteil kämpfen mussten. Brook und Franky schienen sich ebenfalls nicht am Treiben bei Tisch zu stören, denn sie unterhielten sich munter, egal ob ihnen etwas vom Teller gestohlen wurde oder nicht, wobei sie immer wieder lachten. Womöglich hatte das Gespräch etwas mit Lysop zu tun, denn dieser mischte sich plötzlich energisch ein.
Da Sanji etwas deprimiert wirkte, womöglich war es ihm zuwider von seiner Nami niedergeschlagen worden zu sein, beschloss Robin ihn etwas aufzumuntern. Wenn auch auf ihre Art und Weise. „Herr Koch“, bat sie, „könnte ich bitte eine Tasse Kaffee haben?“
„Natürlich, Robinschätzchen“, flötete Sanji. „Ich mache dir eine große Tasse mit viel Liebe.“
Zorro grummelte daraufhin etwas, das verdächtig nach ‚dämlicher Love Cook‘ klang. Der Smutje hatte dies glücklicherweise nicht gehört, denn sonst wäre bereits die nächste Prügelei im Gange gewesen.
„Hunger …“ Unglücklich starrte Ruffy auf die leeren Teller und Schüsseln vor seiner Nase und hätten die anderen nicht gesehen, dass ihr Käpt’n den größten Teil davon vertilgt hatte, hätten sie ihm den Verhungernden sogar abgenommen. So war es einfach nur zum Verzweifeln. Oder typisch Ruffy. Je nachdem wie man es sehen wollte.
„Du hattest mehr als genug“, kommentierte Sanji, der wieder neben dem Tisch stand und Robin den Kaffe gebracht und bei der Gelegenheit gleich noch ein Stück Orangenkuchen für Nami dabei hatte. „Lysop, Zorro, ihr seid übrigens mit Spülen dran.“
„Aber ich habe heute früh schon den Abwasch erledigen müssen“, erwiderte der Schütze.
„Na und? Ich habe auch gestern schon einmal gekocht.“
Grummelnd machte sich Lysop auf den Weg zur Spüle. „Ist ja schon gut“, murmelte er. Robin hatte die Teller mit ihren Teufelskräften bereits dorthin befördert, sodass er ihr einen dankbaren Blick zuwarf. Sie lächelte nur weiterhin und stand auf, wobei sie sich verabschiedete, da sie weiterlesen wollte.
Zorro seufzte, als er sah, dass ihm von Nami eine weitere Kopfnuss drohte, würde er sich nicht bewegen, und begab sich zu Lysop, wo beide unter den wachsamen Augen des Smutjes mit ihrer Arbeit begannen. Derweil hatte auch die restliche Mannschaft die Kombüse verlassen.
Als sich Sanji sicher war, dass die beiden sauber arbeiten würden, ging auch er an Deck.
Gedankenverloren zündete er sich eine Zigarette an und lehnte sich an die Reling. So wie es derzeit aussah, würden sie bald ihren Proviant aufstocken müssen. Mit vier Leuten mehr würde er ihnen wohl noch vor Dressrosa ausgehen. Das Beste wäre wohl, wenn er Nami Bescheid geben würde, damit sie nachsehen konnte, ob es hier in der Nähe Inseln gab, bei denen sich ein Versuch an Nahrungsmittel zu kommen lohnte. Mit etwas Glück war eine von ihnen nah genug, um einen Abstecher zu riskieren.
Seine Gedanken schweiften ab als er das Meer betrachtete. Es war zurzeit sehr ruhig und lediglich eine Strömung verursachte sanfte Wellen. Man konnte fast meinen, dass es hier immer so friedlich war.
Doch wie um diese leichte Idee zu widerlegen, war im nächsten Moment ein lautes Krachen zu hören, welches aus der Richtung kam, in der sich die Rutsche befand. Sanji drehte sich gar nicht erst um, er konnte sich vorstellen, was passiert war. Tatsächlich wurde seine Vermutung, dass ein gewisser Strohhutbengel und Chopper – Lysop war mit Sicherheit noch beschäftigt –, für den Lärm verantwortlich waren, denn Namis Moralpredigt drang klar zu ihm. Er konnte jedes einzelne Wort verstehen und musste leicht schmunzeln. Ruffy würde es in diesem Leben wohl nicht mehr lernen, dass es unklug war die Navigatorin zu stören.
Eine Weile später zog er noch ein letztes Mal an seiner Zigarette, um den Stummel, der übrig blieb, über Bord ins Meer zu schnipsen. Die Ladys sahen dies zwar ungern, aber diese alte Angewohnheit, welche noch aus der Zeit, die er im Baratié verbracht hatte, stammte, wurde er einfach nicht los.
Er schloss seine Augen, um für einen Moment die wiedereingekehrte Ruhe zu genießen, ehe er sich auf den Weg machte, um Nami zu suchen. Dabei musste er über Zorro steigen, der es sich neben der Kombüse auf den Planken bequem gemacht hatte. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, dass Ruffy, Momonosuke und Chopper gebannt an Lysops Lippen hingen, der anscheinend eine Geschichte darüber erzählte, wie er das Angeln erfunden hatte. Von den anderen war dagegen nichts zu sehen.
Sanji beschloss sein Glück in der Bibliothek des Schiffes zu versuchen. Er hatte Glück. Tatsächlich befand sich die Navigatorin dort.
„Insel in Sicht!“ Der begeisterte Ruf Ruffys, der auf der Galionsfigur saß und Ausschau hielt, war nicht zu überhören. Es hatte nur einen halben Tag gedauert, um die nächste Insel zu erreichen. Wie Nami vor der Mannschaft bereits bekannt gab, handelte es sich dabei um Slifers Island, welche vornehmlich unbewohnt war. Jedoch befand sich eine etwas größere Stadt namens Miartz im Westen der Insel, wo sie gute Chancen hatten alles zu finden, das sie benötigten.
„Es wäre besser, wenn wir unser Schiff etwas versteckt ankern lassen, da ich leider keine Ahnung habe, ob es hier eine Marinebasis gibt“, schloss die Navigatorin ihre Ansprache.
„Gibt es nicht“, meldete sich Law überraschenderweise zu Wort. Sich bewusst, dass nun alle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet war, ergänzte er: „Ich war mit meiner Mannschaft bereits hier. Um Überfälle zu vermeiden ist es allerdings durchaus ratsam nicht den Hafen anzuvisieren. Ich würde als Ankerplatz eine kleine Bucht, die sich nördlich der Stadt befindet, vorschlagen.“
„Ihr habt es gehört, Jungs. Kurs hart Backbord!“
Mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue beobachtete Law das Treiben, das daraufhin einsetzte. Wusste man es nicht besser, würde man vermuten sie war der Kapitän des Schiffes und nicht der Strohhut, denn sogar er befolgte die Befehle der Navigatorin ohne zu zögern.
Kurze Zeit später hatten sie in der Bucht angelegt. Ruffy war daraufhin mit einem freudigen Aufschrei in Richtung Miartz verschwunden. Die Anweisung nicht aufzufallen, die Nami noch gab, hatte er nicht einmal mehr mitbekommen.
Zorro schwang sich gleich darauf über die Reling, wohl um in die Stadt zu gehen. Jedoch musste ihn Chopper, der ihm gefolgt war, in die richtige Richtung bugsieren. Der Orientierungssinn des Schwertkämpfers war wirklich ein Fall für sich.
„Kommst du, Franky?“ Sanji war ebenfalls von Bord gegangen und stand am Strand, wo er auf den Schiffszimmermann wartete. Dieser warf sich nur nacheinander in die verschiedensten Posen. Law konnte hören, wie der Smutje seufzte, was nachvollziehbar war, denn Franky hatte sich kurz zuvor noch beschwert, dass er dringend in die Stadt, müsse, da ihm die Nägel ausgegangen waren, wobei niemand wusste, wohin diese verschwunden waren, da nicht einmal Ruffy Nägel aß.
„Ich komme schon, ich muss nur noch meine SUPER Verabschiedung machen.“
Der Kapitän der Heart-Piratenbande fragte sich wirklich, wie der Strohhut es geschafft hatte, sich solch seltsame Gestalten für seine Crew anzulachen. Dagegen war selbst Bepo noch völlig normal.
Er warf einen Blick auf Lysop, dieser schien sich noch immer am Boden zu winden, wobei er allerdings nicht beachtet wurde, und erzählte etwas von einer Inselallergie, die tödlich enden würde, musste er einen Fuß auf eine setzen. Die Archäologin schien sich weiterzubilden, denn sie saß mit einem Buch in der Hand unter einem Sonnenschirm und die Navigatorin war nicht zu entdecken. Caesar hatte nicht wirklich die Wahl zu entscheiden, ob er gehen oder hierbleiben wollte, da er ein gefangener war. Und Kinemon und Momonosuke schienen in der Bucht bleiben zu wollen, um zu trainieren. Interessiert beobachtete Law die Übungen, wurde jedoch gestört, als ihn Robin unvermutet ansprach.
„Herr Chirurg?“
Mit einem Nicken gab er zu verstehen, dass er ihr zuhörte.
„Würde es dir etwas ausmachen, nach unserem Herr Käpt’n zu suchen? Er zieht das Abenteuer leider an, wie gewisse andere Dinge Fliegen anziehen.“
„Einverstanden“, antwortete er knapp. Vielleicht war ein kleiner Ausflug tatsächlich das Beste, um auf andere Gedanken zu kommen. In letzter Zeit kreisten diese nur noch um seine Zeit bei de Flamingo und Cora-san …
„Warum schaust du so komisch?“
„Du hast mich das erste Mal einfach nur Cora-san genannt.“
Zum Glück lag die Stadt auf einer kleinen Erhebung, sodass sie weit genug über den Wald hinaus ragte, dass man die Dächer ihrer höchsten Gebäude als Orientierungspunkte wählen konnte, sonst wäre es etwas anstrengend geworden Miartz zu finden. Als Law den Ort schließlich erreichte, war nirgends etwas von den anderen zu sehen.
Er überlegte für einen Moment wo er mit der Suche beginnen sollte, als ihm auf einmal eine Idee durch den Kopf schoss. Vielleicht war es nicht schlecht, würde er sich etwas Bestimmtes anfertigen lassen, ehe er seinen ‚Auftrag‘ erfüllte. Er hoffte nur, dass er hier ein Geschäft finden würde, dass die benötigten Artikel führte.
Als er die Straßen entlang schlenderte, bemerkte er, dass auch die Menschen auf dieser Insel versuchten ihm auszuweichen. Nicht dass es eine Überraschung war, dieses Verhalten hatte sich seit damals nicht mehr zum Besseren verändert, genauer genommen war es nach seiner Ernennung zu einem der sieben Samurai sogar noch schlimmer geworden. Jedoch störte ihn das nicht wirklich. Es war so, wie es sein sollte. Wenn er Informationen von den Leuten brauchte, bekam er sie schließlich trotzdem.
Wie um sich dies selbst zu beweisen, erhöhte er seine Aufmerksamkeit. Was er hörte konnte er nicht gutheißen. Es wäre wohl besser, er würde bei nächster Gelegenheit – später im Laden würde er ohnehin warten müssen, wie er die Situation einschätzte – die Navigatorin der Strohhüte informieren.
Während er darüber nachdachte, fiel ihm ein Gebäude, das genau den Laden beinhaltete, nach dem er Ausschau gehalten hatte. Er zog einen Mundwinkel nach oben. Zumindest etwas schien glatt zu laufen.
Er betrat das Geschäft.
„Du hältst das Katana schon wieder falsch. Du musst es so machen.“ Kinemon korrigierte den Griff seines Sohnes ein weiteres Mal. Ein effektives Training scheiterte daran, dass Momonosuke, aus welchen Gründen auch immer, immer wieder vergaß, wie er seine Waffe richtig zu halten hatte.
Lysop stand an Deck der Sunny und beobachtete das Szenario, doch er konnte sich nicht darauf konzentrieren. Ihm war unwohl bei dem Gedanken länger auf der Insel zu bleiben, aber laut Nami war eine kurze Erholungsphase für sie alle nicht verkehrt. Sein Kommentar, dass auf dieser Insel etwas nicht stimmte, hatte sie ignoriert. Jedoch war dieses Mal wirklich etwas im Gange. Eine Bedrohung war dort versteckt, doch zu seinem Leidwesen konnte der Schütze nicht benennen, was genau ihn so beunruhigte.
Irgendwann fiel ihm auf, dass Kinemon und sein Sohn nicht mehr trainierten. Vermutlich waren sie inzwischen wieder unter Deck gegangen. Kinemon hatte gegen Ende immer ungehaltener geklungen, auch wenn Lysop keine Ahnung hatte weshalb, so genau hatte er auch nicht darauf geachtet, was genau um ihn herum geschah.
„-sop?“
Rief in jemand?
„Lysop!“
Tatsächlich, es war Namis Stimme, die inzwischen etwas ungehalten klang. Er brauchte jedoch noch einen weiteren Ruf, ehe er erkannte, dass sich die Navigatorin in der Aquarien-Bar befinden musste. Schnell machte er sich auf den Weg dorthin, um sie nicht weiter zu verärgern. Wenn sie etwas von einem wollte, war es unklug sie warten zu lassen.
Er betrat die Bar. Wobei er bemerkte, dass neben der Navigatorin noch Brook und Robin anwesend waren, was ihn verwunderte.
„Ist etwas passiert?“
„Law hat eben angerufen. Angeblich soll die Marine auf den Weg zu dieser Insel sein. Es wäre wohl doch besser, wenn wir so bald wie möglich von hier verschwinden. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb wir dich gerufen haben. Schau dir mal das hier an.“
Sie deutete auf den Zettel, der vor ihnen auf dem Tisch lag. Neugierig trat Lysop näher. Als er jedoch erkannte, was genau dort abgebildet war, hatte er für einen Moment das Gefühl, dass sein Herzschlag aussetze. Er kannte dieses Zeichen. Er würde allerdings nicht verraten, woher, denn es wäre nicht nur zu seinem Nachteil, sollte er es doch tun.
„Weder Robin noch Brook kennen dieses Bild. Du hast nicht zufällig eine Ahnung, was das bedeuten könnte?“ Lysop schwieg nur, also redete die Navigatorin, die sein Schweigen anscheinend als Unwissenheit fehlinterpretierte. „Mich würde es nur interessieren, was dieser Zettel auf unserem Schiff zu suchen hatte. Es sieht nicht so aus wie etwas, das einer von uns zeichnen würde.“
Lysop schluckte. Er hatte nun die Spur einer Idee, was seine dunkle Vorahnung bedeutet haben könnte. „Sag mal Nami, wo genau hast du diesen Zettel gefunden?“
„Gleich hier im Gang. Wieso?“
„Robin, kannst du bitte nachsehen, ob Caesar noch dort ist, wo er sein sollte?“
Lysop konnte sehen, dass Robin mit Hilfe ihrer Teufelskraft einen Blick in den Raum warf, wo sie ihren Gefangenen untergebracht hatten. Es dauerte nur einen Moment, ehe sie ihm antwortete: „Er ist nicht mehr da. Und unsere beiden Samurai konnte ich ebenfalls nicht finden.“
„Was?“ Nami riss ihre Augen erschrocken auf. Auch Brook sah so aus, als würden ihm die Augen jederzeit aus dem Kopf fallen, vorausgesetzt er hätte welche gehabt. „Wie konnte das nur passieren?“
Lysop fühlte sich so, als wäre er zu Stein erstarrt. Deutlich spürte er, dass nacheinander die Blicke von Brook, Robin und schließlich auch Nami zu ihm wanderten.
„Lysop?“
„Wir … wir müssen den anderen Bescheid sagen. Wir müssen alle zurückholen, ehe es zu spät ist.“
Die Teleschnecke machte sich genau in dem Moment bemerkbar, als Law das Geschäft wieder verließ. Er zögerte einen Moment, ob er drangehen sollte und zog sich in eine Seitengasse zurück. Wer auch immer am Apparat war, nicht sonderlich viele Personen kamen in Frage, es war sicher nicht optimal, wenn zu viele Passanten mithören konnten.
„Law“, meldete er sich knapp.
„Ich bin es, Nami“, kam sofort die Antwort. Gefolgt von einem Vorwurf, weshalb er nicht sofort reagiert habe. Doch ehe er sich rechtfertigen konnte, hatte sie schon weiter geredet und die derzeitige Situation knapp erläutert. „Und hast du Ruffy zufällig schon gefunden?“
„Nein. Aber ich kann mich wieder melden, wenn ich etwas Neues erfahre.“
„Gut, danke. Ich versuche noch Sanji zu erreichen. Du und Ruffy kommt bitte so schnell wie möglich zum Schiff. Wenn ihr einem der anderen begegnet, könnt ihr ihnen sicherheitshalber auch noch Bescheid sagen.“ Sie klang etwas aufgekratzt, wobei das gerade kein Wunder war. Law selbst war ebenfalls beunruhigt. Sollte Caesar nicht wieder gefunden werden, war es nur wahrscheinlich, dass sein Geschäft mit Flamingo nicht funktionieren würde.
Nach ein paar weiteren Sätzen, die jedoch nicht weiter interessant waren, hatte Nami sich verabschiedet und aufgelegt, woraufhin Law die Teleschnecke mit einem kaum hörbaren Seufzen wieder in seine Manteltasche steckte. Er sollte seine Suche nach dem Strohhut besser etwas beschleunigen.
Dieser war nicht gerade schwach, wie er wusste, und ohne Zweifel hatte er mehr Glück als Verstand und genau dieses Glück war dringend nötig, wenn sie ihren, oder eher seinen Plan erfolgreich zu Ende bringen wollten.
Es dauerte nicht lange, bis er vor einem Restaurant, aus dem die unverkennbaren Essgeräusche kamen, welche nur vom Strohhut-ya kommen konnten. Mit gewissen Hilfsmitteln war es wirklich nicht schwer diesen zu finden, jetzt musste er ihn nur noch zurück auf das Schiff bugsieren, was wohl der schwierigere Teil werden würde. Er betrat das Gebäude.
„Bin ich satt“, Law konnte sehen, wie Ruffy mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck seinen Bauch tätschelte und dann auf seinem Stuhl nach unten rutschte, bis er praktisch darauf lag. Der Arzt zog nur eine Augenbraue nach oben, bisher hatte es nicht unbedingt für möglich gehalten diesen Satz jemals aus dem Mund des Strohhutes zu hören.
Im nächsten Augenblick trat ein Herr, es musste wohl der Besitzer des Gasthauses sein, zu Ruffy und gab ihm einen Zettel. „Hier ist Ihre Rechnung, Mister.“
Schnell stand der Strohhut auf und verbeugte sich leicht. „Das Essen hier war wirklich gut.“ Er richtete sich wieder auf und man konnte deutlich sein typisches Grinsen erkennen. „Aber ich habe kein Geld dabei, also kann ich auch nicht bezahlen.“
Die Gesichtszüge des Wirtes entgleisten.
„Hey, Traffy“, rief Ruffy plötzlich und winkte Law zu, der noch immer neben dem Eingang stand. Dann begann er zu lachen und stürmte an ihm vorbei, nach draußen.
In diesem Moment hatte sich der Besitzer des Restaurants wieder gefangen und setzte sein falsches Lächeln wieder auf. Er näherte sich nun Law. „Dann können sicher Sie die Rechnung Ihres Freundes bezahlen.“ Er gab ihm den Zettel.
Als der Pirat den Betrag lesen konnten hatte er für einen Moment das Gefühl, als würden ihm jeden Moment die Augen aus dem Kopf fallen. Der Strohhut hatte sich mit Sicherheit das teuerste Restaurant der Stadt ausgesucht. So viel Geld würde er mit Sicherheit nicht für Nahrung ausgeben. Es wäre besser, würde auch er verschwinden.
Und so kam es, dass der Chirurg des Todes zum ersten Mal in seinem Leben vor einem Normalsterblichen flüchtete.
Derweil saßen Franky und Sanji gerade vor einem Handwerksladen, wo der Cyborg seine Einkäufe neu sortierte, um sie besser transportieren zu können. Er hatte sich mit einigen nützlichen Dingen eingedeckt, darunter auch die Nägel, die er so dringend benötigt. Nebenbei hatte er noch ein paar interessante Hölzer entdeckt – Sanji hatte die Auswahl getroffen –, aus denen ein neues Regal für dich Küche gezimmert werden sollte.
Zuvor waren sie noch auf dem Markt gewesen, der zwar nicht groß war, aber noch immer groß genug, um alles zu bekommen, was der Smutje benötigt hatte. Während der Cyborg noch beschäftigt war, war er in Gedanken bereits wieder in seiner Kombüse und er stellte sich vor, wie er einen kleinen Snack für Nami und Robin vorbereitete. Er konnte ihre Reaktionen, wenn er ihnen diesen servieren würde, schon vor sich sehen.
Nami stürmte direkt auf ihn zu, nachdem sie ihn bemerkt hatte – sie trug lediglich einen knappen Bikini – und rief: „Sanji, mein Prinz. Danke, dass du mir so etwas Leckeres zubereitet hast. Ich liebe dich vom ganzen Herzen!“
„Ich dich auch, Namischätzchen, ich würde alles für dich tun. Und Robinhäschen, möchtest du auch etwas?“
Während er vor sich hin träumte, bemerkte er nicht einmal, dass Franky mit Nami telefonierte.
„Das ist gar nicht SUPER.“
„Ach, wirklich?“ Die Stimme der Navigatorin triefte förmlich vor Sarkasmus. „Das ist mir gar nicht aufgefallen.“ Sie seufzte. „Aber gib mir mal bitte Sanji.“
„Nun ja …“ Verlegen kratzte sich der Cyborg am Kopf. „Da gibt es jetzt auch ein kleines Problem …“
„Und das wäre?“ Die versteckte Drohung war nur schwerlich zu überhören.
„Also, die Augenbraue ist gerade auf und davon. Er hat nur irgendetwas von einer ‚Lady in Not‘ gesagt und ist dann verschwunden.“
Man hörte aus den Lautsprechern der Teleschnecke ein deutliches Knacken von Fingerknöcheln, bevor sich Nami mit zuckersüßer Stimme – Franky zuckte unweigerlich zusammen – wieder meldete: „Dann komm doch zumindest du wieder zurück zur Sunny. Wenn du einem der anderen begegnest, kannst du ihn gerne mitbringen.“
Dann legte sie auf.
Franky sah zweifelnd auf die Teleschnecke, die immer noch Namis gefährlichsten Gesichtsausdruck zur Schau stellte. Manchmal konnte einem diese Frau wirklich Angst machen. Es wäre wohl besser, würde er sich tatsächlich beeilen. Er sah zu den Taschen mit den Handwerkszeug und den Nahrungsmitteln. Es würde sichtlich interessant werden, alles heil zu ihrem Schiff zu bringen.
Unterwegs achtete der Cyborg nicht mehr auf den Weg als nötig, da er genug damit zu tun hatte alles, das er trug, so zu halten, dass nichts zu Boden fiel. So übersah er die Frau, die plötzlich – ebenfalls rennend – aus einer Seitengasse kam und lief in sie hinein. Seine Sachen fielen zu Boden und sie stolperte.
„Oh, Entschuldigung.“ Franky half ihr vorsichtig auf, während er sie zeitgleich musterte. Dabei sah er ihr auch in die Augen. Während ihr rechtes Auge völlig normal aussah, war das linke von vielen feinen, roten Äderchen durchzogen und hatte eine seltsam grünlich schillernde Pupille.
Sie schien schnell bemerkt zu haben, dass er sie anstarrte, denn sie zog ihre Hand weg, um selbst aufzustehen. Kaum dass sie frei stand, bedeckte sie ihr linkes Auge mit einer Hand, sodass der Cyborg keine Chance hatte, einen genaueren Blick darauf zu werfen. „Das Höhlenlabyrinth kostet mehr als nur Menschenleben“, flüsterte sie mit einer seltsam rauen Stimme.
Während Franky irritiert war und sich fragte, was das jetzt sollte, sah die Frau noch einmal hektisch hinter sich, um dann in der nächsten Gasse zu verschwinden. Ihm hatte sie keinen weiteren Blick gewürdigt.
Er blickte ihr hinterher und zuckte dann mit den Schultern. Auf der Grandline begegnete man den seltsamsten Menschen, es war da wohl kaum verwunderlich, dass das in der Neuen Welt sogar noch häufiger geschah. Am besten war es wohl, würde er diese Begegnung einfach ignorieren. Wenn es wichtig war, würde er sich schon wieder daran erinnern.
Als er schließlich die Thousand Sunny erreichte, beeilte er sich an Bord zu kommen. Er stellte die Sachen einfach alle in der Kombüse ab und machte sich auf die Suche nach den anderen. Letztendlich fand er Nami, Lysop, Brook und Robin in der Aquarien-Bar, wo sie über irgendetwas zu diskutieren schienen.
Er unterbrach ihre Unterhaltung mit den Worten: „Die anderen habe ich nicht gefunden, aber ich wäre dann hier.“ Er setzte sich breitbeinig auf die gepolsterte Bank, die sich durch den ganzen Raum zog, und sah seine Nakama erwartungsvoll an.
„Das sehe ich“, grummelte Nami nur. „Und was den Rest angeht, wenn ich denen über den Weg laufe, können sie etwas erleben!“ Dabei sah sie so finster drein, dass die Anwesenden, mit Ausnahme von Robin, beunruhigt schluckten. „Jetzt müssen wir alleine herausfinden, was es mit diesen Entführern auf sich hat. Super … wirklich super …“
„Das schaffen wir schon, Frau Navigatorin.“ Die Archäologin lächelte aufmunternd.
Nami seufzte daraufhin abgrundtief.
Lysop sah sie genau an, fand seinem Gesichtsausdruck nach ihre Stimmungsschwankungen leicht beängstigend. Was auch gut nachvollziehbar war, denn man wusste nie, was als nächstes kam. Der Schütze wandte sich an Robin: „Meinst du wirklich, dass das so einfach wird? Die werden doch wohl kein Schild aufgestellt haben, auf dem man sämtliche Informationen über sie, vor allem über ihre Verbrechen, lesen kann. Natürlich noch mit genauer Wegbeschreibung zu ihrem Unterschlupf.“
„Nein.“ Sie neigte ihren Kopf leicht. „Aber so in etwa. Nicht wahr, Herr Zimmermann?“ Sie hatte wohl gesehen, dass er die Stirn gerunzelt hatte, als er den Zettel mit der Zeichnung entdeckt hatte. Nachdem auch Nami noch einmal nachgefragt hatte, begann er zu erzählen.
„Nun ja. Vorhin habe ich eine Frau getroffen. Ihr linkes Auge sah genau so aus, wie dieses Bild.“
„Was?“ Lysop sprang auf.
Brook nippte nur an seiner Tasse Tee. „Weißt du etwas darüber?“
Der Kanonier hatte sich schnell wieder hingesetzt und bemühte sich, so zu wirken, als ob er keine Ahnung hätte, doch selbst Franky konnte erkennen, dass dies nur geschauspielert war. „Sollte ich das? Ähm, ich doch nicht … ich war nur … überrascht. Genau. Ich war überrascht.“
Skeptisch zog Nami eine Augenbraue nach oben. Sie hatte noch nie erlebt, dass Lysop so miserabel log. Er übertrieb sonst immer nur. Seiner Stimme und seiner Körpersprache merkte man nie auch nur an, dass er nervös war. Doch da er offenbar nicht gewillt war etwas dazu zu sagen, würde sie nicht weiter nachfragen. Wäre die Information, die er hatte, für sie relevant, würde er sie nicht verschweigen. Da war sie sich sicher.
„Hat diese Frau zufällig etwas gesagt, Herr Zimmermann?“ Robin lenkte mit ihrer Frage die Aufmerksamkeit geschickt wieder auf eine andere Person.
Der Cyborg nickte. „Ja, sie meinte, dass das Höhlenlabyrinth mehr als nur Menschenleben kosten würde.“
Grimmig lächelte Nami. „Da haben wir ja einen Anhaltspunkt.“ Sie stand auf und schickte sich an, den Raum zu verlassen. „Ich hole eine Karte der Insel. Ich bin gleich wieder da.“
Franky wagte es nicht den Einwand einzuwerfen, dass diese Frau nicht unbedingt etwas mit den Leuten zu tun haben musste, die ihren Gefangenen und ihre Mitreisenden entführt hatten. Irgendeinen Lichtblick brauchten sie. Und dass eine Verbindung zwischen der Frau und den Entführern bestand war nicht einmal so abwegig. Hoffte er.
Er hatte nicht mitbekommen, dass Nami die Aquarien-Bar wieder betreten hatte, zuckte daher zusammen, als sie mit einem lauten Rascheln die Karte auseinanderrollte. Bei der Karte handelte es sich um eine grobe Übersicht der Insel, die nun auf dem Boden ausgebreitet war. Die Navigatorin deutete auf einen Punkt im Osten von Slifers Island. „Sofern die Karte stimmt, befindet sich in diesem Bereich der Insel mindestens ein Eingang zu einem unterirdischen Tunnelsystem.“
„Diese stammen noch aus Zeiten, in denen hier nach Erzen geschürft wurde. Die Minen sind inzwischen allerdings erschöpft“, ergänzte Robin, nachdem auch sie einen kurzen Blick auf die Karte geworfen hatte.
„Du weißt wirklich viel.“ Die Bewunderung war aus Lysops Stimme deutlich herauszuhören.
„Danke.“ Robin lächelte ihm zu. Sie hatte in den letzten zwei Jahren einige interessante Aspekte über die Vergangenheit einiger Inseln in der Neuen Welt erfahren. Sie schwelgte eine Weile in den Erinnerungen ihrer Zeit bei den Revolutionären, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch schenkte. Viel hatte sie offenbar nicht verpasst, denn die Navigatorin hatte gerade erst damit begonnen das weitere Vorgehen zu erklären.
„… mal los. Ich bleibe hier auf der Sunny, um sie zu bewachen. Sie alleine hier zurückzulassen wäre nicht sinnvoll, da wir nicht wissen, wer oder was sich sonst noch hier herumtreibt.“
Man konnte Lysop deutlich ansehen, dass er sich ein Schnauben, oder ein Kommentar, welches in die Richtung ‚Du hast doch nur Angst‘ ging, verkniff. Wenn auch nur aus dem Grund, dass Nami ohnehin begreifen würde, dass er auch hierbleiben wollte.
Brook nippte wieder nur an seiner Tasse Tee. Ihn schien die Tatsache nach Verbrechern suchen zu müssen wenig zu beunruhigen.
„Wenn ihr dem Rest begegnet, schickt sie bitte in Richtung der Tunnel. Ich schaffe es leider nicht, sie über die Teleschnecke zu erreichen. Wieso auch immer.“
„Ist gut, Nami.“ Lysop war Franky einen Blick zu, der klar sagte, dass es wahnsinnig war der Navigatorin zu wiedersprechen. Franky zuckte nur mit den Schultern, schien sich auf den bevorstehenden Kampf sogar etwas zu freuen. Dass es einen Kampf geben würde, bezweifelte niemand von ihnen. Es wäre das erste Mal, dass die Strohhutbande in Schwierigkeiten geriet und ohne eine ordentliche Prügelei wieder herauskäme. Ergo wäre es nicht normal. Aber was war schon normal?
„Sollen wir uns aufteilen?“, wollte Brook plötzlich wissen.
Robin nickte. „Ja. Auch wenn wir nur einen kleinen Bereich der Insel absuchen müssen, sind unsere Chancen, dass wir etwas finden, so höher. Und sollten wir unterwegs aufgehalten werden, würde es in diesem Fall nicht alle betreffen.“
Lysop schluckte, während Franky begeistert kommentierte: „Das wird sicher interessant! Ich komme mit dir, Robin.“ Er begann wieder damit, sich in verschiedene Posen zu werfen, die seiner Meinung nach heldenhaft wirken sollten.
Der Schütze seufzte. Ob aus dem Grund, dass er lieber mit Robin als mit Brook unterwegs gewesen wäre, oder ob er Frankys Einstellung zweifelhaft fand, war nicht zu erkennen.
Nachdem alle zusammengesucht hatten, was sie benötigten, brachen sie auf. Robin und Franky gen Osten, während sich die anderen beiden leicht nördlich richteten.
„Kommst du?“ Jemand – man konnte es in der Düsternis nicht gut erkennen, aber die Vermutung, dass es sich dabei um einen jungen Mann handelte, war naheliegend – rannte in einen Raum, der klar als eine Mannschaftskajüte eines Schiffes erkennbar war. „Der Sturm wird stärker, wir brauchen jede Hand!“
Der andere Mann drehte sich um und nickte, doch sein Gegenüber wirkte nicht erfreut, wich sogar ein Stück zurück.
„D… dein … dein Auge!“ Wohl vor Schreck. Oder vor Angst.
Der andere reagierte schnell, tarnte sein Auge wieder auf die für ihn übliche Weise, und stand auf. „Es ist besser, wenn du das niemanden erzählst.“ Dass sich hinter diesen Worten eine Drohung versteckte, war klar. „Das hier schnell zu vergessen, ist für dein Seelenheil die einzige Möglichkeit.“
Der eine konnte nur nicken. Der Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, machte ihm das Atmen schwer, machte es ihm unmöglich darauf zu antworten.
„Gut. Ich hoffe für dich, dass du dies als einen Schwur ansiehst. Wenn nicht …“ Er machte eine unmissverständliche Geste.
Die eine Person nickte ein weiteres Mal. Als er alleine in der Kajüte war sank er in sich zusammen.
„Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?“
„Ja, hier geht es definitiv in Richtung Schiff.“
„Wenn du meinst …“ Chopper war mehr als nur skeptisch, aber da auch er nicht den blassesten Dunst einer Ahnung hatte, wohin sie mussten oder wo sie überhaupt waren und ihnen zudem noch ihre Teleschnecke abhanden gekommen war, er also auch nicht die anderen um Hilfe bitten konnte, war er gezwungen auf Zorros praktisch nicht vorhandenen Orientierungssinn zu vertrauen.
„Mir kommt die Gegend hier bekannt vor“, murmelte Zorro. Allerdings sagte er dies nicht zum ersten Mal und hatte das auch sicher nicht zum letzten Mal von sich gegeben.
Das Arztrentier schüttelte leicht den Kopf. So gerne er seinen Nakama auch hatte, das hier war hoffnungslos.
Schließlich deutete der Schwertkämpfer auf die kleine, heruntergekommene Gasse rechts von ihnen. „Wir müssen dort entlang.“
Chopper runzelte die Stirn, was man bei seinem dichten Fell allerdings nicht gut erkennen konnte. „Wir sind von dort gekommen, Zorro.“
Der Schwertkämpfer grummelte, schlug aber dennoch den entgegengesetzten Weg ein. Das Rentier musste sich beeilen hinterherzukommen, da der andere nicht wirklich langsam unterwegs war, und hier in der Stadt wollte er nicht alleine unterwegs sein. Die ganze Gegend sah ungefähr so vertrauenserweckend aus wie das Innere einer Marinebasis. Jedenfalls sofern man das Ganze aus der Sicht eines Piraten betrachtete. Wobei man bei der Marine immer noch wusste, worauf man sich einließ. Meistens zumindest.
Chopper sah um sich, nur um zu bemerken, dass auch ihm die Gegend dieses Mal bekannt vorkam. Er hoffte schon, dass sie dem Schiff wirklich näher gekommen war, als er bemerkte, dass sie sich an derselben Kreuzung befanden, von der sie gestartet waren.
Auch Zorro schien dies bemerkt zu haben, denn er fluchte leise, ehe er laut sagte: „Ich mache erst einmal eine Pause. Wir können auch später weitersuchen.“
„Aber du kannst doch nicht …“
Doch der Protest von Chopper verhallte ungehört, denn der Schwertkämpfer war bereits eingeschlafen, wie das feine Schnarchen zeigte. Er hatte sich gegen die nächstbeste Hauswand gelehnt, seine Schwerter hielt er fest umklammert.
Resigniert seufzte das Rentier. „Naja … vielleicht schadet es wirklich nicht, sich kurz auszuruhen. Dann haben wir für später mehr Energie.“ Er tapste in seiner kleinsten Gestalt zu dem Schwertkämpfer, um sich gegen ihn zu lehnen. Dieser grummelte zwar leise, schob Chopper aber nicht weg. Kurz darauf war der Kleine ebenfalls eingeschlafen.
„-och schon einmal gesehen.“ Zorro war von einer ungewöhnlich tiefen Stimme aus dem Schlaf gerissen worden. „Wer ist dieser Grünhaarige nur? Hm, Grüne Haare …“
Der Schwertkämpfer öffnete sein Auge nur halb, der Typ, zu dem die Stimme gehörte, musste schließlich nicht sofort merken, dass er mitbekommen hatte, dass er beobachtet wurde. Zorro konnte erkennen, dass derjenige, der vor ihm stand, ein gutes Stück größer war als der Durchschnitt. Dann fiel sein Blick auf die linke Seite seines Gegenübers und er grinste kaum merklich. Der Kerl war ebenfalls ein Schwertkämpfer. Das sah nach einem unterhaltsamen Zeitvertreib aus. Er öffnete sein Auge nun komplett und schob das noch schlafende Rentier vorsichtig von sich hinunter. Dann stand er auf.
„Jetzt hab ich’s!“ Der andere grinste nun ebenfalls. „Du bist Lorenor Zorro, der Piratenjäger.“ Er zog sein Schwert.
„Ich weiß, wer ich bin“, antwortete Zorro nur knapp und zückte seine Waffen. „Und du hast keine Chance gegen mich, solltest du es wirklich auf einen Kampf anlegen.“
„Das werden mir sehen. Ich, Salmor, werde dich besiegen. Merk dir meinen Namen ruhig, Piratenjäger, denn mich wirst du noch um Gnade anflehen.“ Er holte aus.
Zorro folgte dem Schwert mit den Augen. Und er konnte nicht anders, er war erstaunt, vielleicht auch etwas beeindruckt, denn bei dem Schwert handelte es sich um eines der fünfzig Meisterschwerter. Und es war jenes, das der Vorgänger seines Wado Ichi Monji war.
Dieser Moment der Ablenkung kostete ihm den Sieg.
Er konnte dem Schlag nicht mehr ausweichen, sondern war gezwungen ihn zu blocken, was bei der Wucht, die dahinter steckte, ein Kraftakt war, der seinesgleichen suchte.
„Ufz.“ Zorro keuchte. Und er war sauer auf sich selbst. Sauer darauf, dass er sich so leicht hatte ablenken lassen.
Und Salmor schien noch nicht einmal seine volle Kraft genutzt zu haben. Er lachte dreckig. „Du bist wohl doch nicht so gut, wie man behauptet.“ Er holte ein weiteres Mal aus.
Zorro wich zurück, da er einen weiteren Schlag dieses Kalibers in diesem Moment aus dieser Nähe nicht vernünftig blocken konnte, stolperte dabei aber über Chopper, der gerade erst aufwachte. Damit war es endgültig entschieden.
Das Schwert traf ihn nur mit dem Rücken, was jedoch ausreichte, um alle Luft aus seiner Lunge zu pressen und ihm eine saftige Prellung zu verpassen. Er krachte gegen die Hauswand und durchbrach die Bretter. Chopper folgte ihm keinen Wimpernschlag später.
Bei dem Anblick seines dadurch bewusstlosen Nakamas begann die Wut in Zorro zu brodeln, doch er konnte sich nicht rühren, so sehr er sich auch anstrengte. Er hatte sich zu stark verkeilt.
Salmor kam mit einem seltsamen Lächeln auf ihn zu und hob dabei die drei Schwerter vom Boden auf, die Zorro gezwungenermaßen fallenlassen hatte müssen.
„Nein!“ Zorros Augen weiteten sich.
„Du kannst sie dir ja wiederholen, wenn du dich traust.“ Der andere Schwertkämpfer trat noch einen Schritt näher. „Ich denke, dich leben zu lassen, wird die Schmach deiner Niederlage nur vergrößern.“
Zorro rappelte sich auf, war bereit auf den anderen zuzustürmen.
„Guten Flug, ihr beiden.“ Der Grünhaarige spürte einen stumpfen Schmerz in seiner Magengegend, Salmor hatte ihn getreten, bevor ihn der Rücken des Königsschwertes erneut traf. In dem Schlag steckte genug Wucht, um ihn hinfort zu katapultieren, ohne dass er etwas dagegen ausrichten konnte.
Nach nicht einmal so langer Zeit endete der Flug abrupt mit einem Aufschlag auf der Wasseroberfläche und einem lauten Platschen. Zorro und Chopper waren mitten im Meer gelandet.
Der Schwertkämpfer verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. Auch wenn er es nie zugeben würde, das eben hatte mehr als nur etwas weh getan. Es war ein Wunder, wenn er sich nichts gebrochen hatte. Er fluchte leise, als er sich bewegte und eine Schmerzwelle durch seinen Körper fuhr. Gerade konnte ihn ohnehin niemand hören, da konnte er sich das erlauben. Dann fiel ihm ein, dass Chopper durch seine Teufelsfrucht nicht schwimmen konnte und er fluchte erneut. Er begann nach dem kleinen Rentier zu tauchen. Irgendwo hier musste es sein.
Zorro konnte nicht sagen, wie lange er schon im Meer trieb, aber er war mehr als froh, als er endlich wieder Land unter den Füßen hatte. Er hoffte, dass er noch auf derselben Insel war, auf der die Strohhüte angelegt hatten, denn seit Bartholomäus Bär sie vom Sabaody Archipel aus über die halbe Welt verteilt hatte, würde ihn diesbezüglich nichts mehr wundern.
Er zog Chopper an Land und begann damit, das Wasser aus dessen Lunge zu pumpen. Nach einigem Würgen spuckte das Rentier auch einen ganzen Schwall aus und atmete langsam aber sicher wieder normal, anstelle des grausigen Röchelns, das es zuvor von sich gegeben hatte. Es schien auch langsam wieder zu sich zu kommen, wenngleich es noch zu benebelt war, um etwas Sinnvolles von sich zu geben.
Der Schwertkämpfer nutze den Moment, um sich umzusehen. Die Gegend, in der sie sich befanden, war karg. Neben Steinen gab es nicht viel mehr zu sehen. Zorro kniff die Augen zusammen, meinte, dass er am Horizont einen leichten Grünschimmer ausmachen konnte. Wenn er Glück hatte, würde dort hinten ein Wald sein. Das wäre schon einmal eine Steigerung zu der Steinwüste, in der sie sich augenscheinlich zurzeit befanden.
Er warf wieder einen Blick auf Chopper, dieser war zwar inzwischen wach, schien aber derzeit nicht fähig sein, sich zu bewegen, weshalb der Schwertkämpfer ihn kurzerhand hoch hob, um ihn zu tragen. Dann marschierte er los.
Die Steinchen unter seinen Sohlen knirschten leise bei jedem Schritt. Vor einer Weile war der harte Felsboden zu einer dünnen Schicht aus Steinstaub und kleinen Kieseln übergegangen.
Ohne es zu bemerken, war Zorro ein ganzes Stück nach rechts abgedriftet. Auf den Wald hielt er schon eine ganze Weile nicht mehr zu. Er war mehr damit beschäftigt immer wieder besorgte Blicke auf seinen Nakama zu werfen, der noch immer nicht wirklich ansprechbar war. Offenbar waren der Schlag und das anschließende Bad im Meer zu viel für ihn gewesen. Da wäre es nicht verkehrt, würde der Schwertkämpfer bald einen geeigneten Rastplatz für sie beide finden.
Chopper räkelte sich leicht auf Zorros Armen. Er blinzelte mehrmals, kam wohl endgültig wieder zu sich. Schließlich fragte er mit müder Stimme: „Was ist passiert?“
„Dieser Salmor hat mir meine Schwerter abgenommen, uns ins Meer geschleudert und du bist fast ertrunken“, fasste Zorro knapp zusammen und schaffte es dabei nicht, seinen Ärger zu verbergen.
„Was?“
Zorro knurrte nur leise.
Chopper, der wohl begriffen hatte, dass dieses Knurren nicht ihm galt, fragte weiter: „Und wo sind wir?“
„Ich habe keine Ahnung.“
„Oh …“ Chopper zappelte wieder etwas. „Ähm, kannst du mich bitte runterlassen?“
Ohne einen Kommentar dazu abzugeben, kam der Schwertkämpfer der Bitte seines Freundes nach. Ihm war das nur recht, denn ihm war es irgendwie unangenehm, seinen Nakama durch die Gegend zu tragen. Sicher, er würde es jederzeit wieder tun, aber er wollte nur ungern so gesehen werden, und außerdem war es so gut wie immer ein Zeichen dafür, dass einer seiner Nakama verletzt war, wenn jemand diesen durch die Gegend tragen musste. Und auch wenn er es nur sehr selten zeigte, er hasste solche Situationen abgrundtief.
Das Rentier torkelte anfangs noch leicht, hatte aber schnell seinen sicheren Stand wiedergefunden. Dass er sich in seine vierfüßige Form transformiert hatte, war für seine Standsicherheit dabei mit Sicherheit kein Nachteil.
„Wir sollten weiter“, merkte Zorro an, nachdem er sich sicher war, dass Chopper mit ihm mithalten konnte.
Das Rentier nickte nur, sparte seine verbliebenen Kräfte zum Laufen auf.
So setzten sich die beiden wieder in Bewegung.
Chopper richtete seinen Blick auf den Boden und beobachtete, wie er einen Schritt vor den anderen setzte. Mit dem Gedanken, dass es nicht so weit war, bis sie sich ausruhen konnten, trieb er sich an. Wenn er ehrlich war, wollte er nicht mehr laufen, aber er würde das nicht vor Zorro zugeben. Dieser gab schließlich auch nie auf, egal wie erschöpft er war. Er selbst war in den letzten Jahren stärker geworden, also konnte er auch durchhalten.
Schließlich erreichte er die Kühle des Waldes; er war einfach dem Geruch frischer Blätter gefolgt, der sich fast schon penetrant verbreitet hatte. Als er sich umsah, bemerkte er, dass von Zorro nichts mehr zu sehen war. Chopper sackte leicht in sich zusammen und seufzte. War es doch immer das Gleiche. Manche Dinge würden sich nie ändern. Und dazu zählte mit Sicherheit auch der miserable Orientierungssinn des Schwertkämpfers.
Zorro war derweil fast ganz im Norden der Insel gelandet. Er stapfte zwischen Vulkanen und Geysiren herum, darauf bedacht nicht in die kleinen Lavaseen oder Heißwasserpfützen zu treten, die sich überall gebildet hatten.
Missmutig blickte er umher. Auch wenn er gerade nichts mehr daran ändern konnte, er hatte sich diesen Tag nicht ganz so katastrophal vorgestellt. Er war sich mittlerweile sicher, dass es selbst in der brennenden Hälfte von Punk Hazard kälter war als hier. Der Schweiß lief ihm nämlich in Strömen hinab.
„Wo ist eigentlich Chopper“, murmelte er. Ihm war gerade aufgefallen, dass von dem Arztrentier nichts mehr zu sehen war. Und das schon eine ganze Weile nicht mehr. Er überlegte, ob er sich auf die Suche nach ihm machen sollte, kam aber letztendlich zu dem Schluss, dass das Arztrentier alleine zurechtkommen würde. Dafür musste er dringend an einen Ort mit mehr Menschen, damit er sich orientieren konnte.
Als er nach einer gefühlten Ewigkeit noch immer zwischen den Vulkanen herumlief – herumirrte traf es eventuell eher –, beschloss Zorro einen von ihnen hinaufzuklettern, um sich einen Überblick zu verschaffen. Vielleicht konnte er so herausfinden, in welche Richtung er sich am besten wenden sollte.
Der Aufstieg war dank der Hitze anstrengend, doch von so einer läppischen Kleinigkeit durfte er sich nicht aufhalten lassen, wollte er schließlich der beste Schwertkämpfer der Welt werden. Da war jedes Training Recht.
Er wischte mit einer Hand den Schweiß von seiner Stirn. Gerade eben war zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit ein Stein von oben auf ihn hinunter gekracht. Nur knapp hatte er sich auf dem kleinen Vorsprung halten können. Im Normalfall hätte er diese einfach gespalten, aber ohne seine Schwerter war nicht daran zu denken. Sein ‚Null-Schwerter-Stil‘ war dazu noch nicht ausgereift genug. Zumindest wusste er nun, woran er arbeiten sollte, sobald er wieder auf der Sunny war.
Er zog sich mittels eines kleinen Felsvorsprungs an der steilen Wand hoch. Es war nicht gerade einfach Halt zu finden, da es immer nur schmale Risse und Spalten gab, in denen man sich festhalten konnte. Es war nicht selten, dass sich Zorro lediglich mit einem Arm festhielt.
Doch letztendlich hatte er es geschafft oben anzukommen. Zu seinem Glück war dieser Vulkan bereits erloschen, oder zumindest der Krater verstopft, sodass er sich nicht darum sorgen musste, in die Lava zu fallen. Die kleine Plattform, die sich auf natürliche Weise gebildet hatte, war ein hervorragender Aussichtspunkt.
Und offenbar war der Vulkan höher, als er angenommen hatte. Und der Abstieg würde mit Sicherheit kein Vergnügen werden, wie Zorro nach einem kurzen Blick nach unten festgestellt hatte.
Dann bemerkte er, dass er nicht nur die Insel überblicken, sondern auch das Meer sehen konnte.
Für einen Moment schloss er sein verbliebenes Auge. Es hatte etwas beruhigendes hier oben zu stehen. Alleine. Er atmete tief ein, dann öffnete er das Auge wieder. Aber er musste seine Nakama dringend waren, er hatte keine Zeit hier zu bleiben und zu verschnaufen. Ihm war etwas aufgefallen, etwas Gefährliches.
Die Marine hielt auf die Insel zu.
Daran, dass er noch immer auf Slifers Island war, zweifelte er inzwischen nicht mehr. Er vertraute seinem Instinkt. Und dieser teilte ihm außerdem mit, dass sie alle ein gewaltiges Problem hatten.
„Yohohohoho. Meinst du, wir finden die anderen?“ Brook tänzelte zu einer Melodie durch den Wald, die anscheinend nur er selbst hören konnte.
Lysop konnte über dessen Verhalten nur den Kopf schütteln. Er war von Brook einiges gewohnt, aber das hier war neu. „Ich hoffe doch. Wir können sie schließlich nicht hier lassen.“ In Gedanken fügte er jedoch noch hinzu: ‚Könnten wir ja eigentlich schon. Dann müssten wir uns nicht mit Kaido anlegen. Dass Big Mum hinter uns her ist, ist ja eigentlich schon genug. Warum können wir nicht einfach eine ganz normale Piratenbande sein? Mit ganz normalen Abenteuern. Und Gefahren, die man problemlos bewältigen kann. Oder noch besser, ganz ohne Gefahren …‘
Als hätte das Skelett seine Gedanken gelesen, meinte Brook plötzlich: „Wäre es anders, wäre es langweilig. Nicht wahr?“
„Ja, ja …“ Lysop seufzte erneut.
Im selben Moment zückte Brook seine Klinge, um einen Ast, gegen den der Kanonier sonst gelaufen wäre, zu zerteilen. Im nächsten Moment zerschnitt er einen besonders dichten Dornbusch, der sich mitten in ihrem Weg befand. Dieses Dickicht zu durchqueren wäre anstrengend gewesen, wenn sie keine Waffe bei sich gehabt hätten. Wobei ihnen bislang immerhin keine wilden Tiere über den Weg gelaufen waren.
„Ich frage mich, ob Robin und Franky schon etwas gefunden hatten“, murmelte Lysop.
„Ich glaube nicht.“
„Wie kommst du darauf, Brook?“
„Weibliche Intuition.“
„Weibliche Intuition?“ Der Schütze war irritiert. „Seit wann bist du bitte eine Frau?“
„Yohohohoho …“ Brook schwieg einen Moment. „Das ist eine wirklich gute Frage.“
Lysop krachte zu Boden. Das konnte noch heiter werden.
Franky und Robin folgten zur selben Zeit dem Fluss, der direkt in den Osten der Insel zu führen schien, weshalb sie keinen Sinn darin sahen, sich einen anderen Weg zu suchen.
Während Franky mit seinen Schritten den Boden zum Beben brachte und einen Vogel nach dem anderen aus dem Unterholz und den Bäumen aufschreckte, dabei anscheinend noch Spaß hatte, achtete Robin auf jeden ihrer Schritte. Dabei behielt sie noch das Flussufer im Auge. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber sie vermochte im Moment noch nicht zu sagen, was genau.
„Robin“, meldete der Cyborg sich plötzlich.
„Ja?“
„Du solltest dir das hier einmal ansehen.“ Franky stand ein paar Meter vor ihr und deutete auf eine Tafel, das halb hinter wucherndem Gestrüpp verborgen war.
Neugierig trat sie näher heran, nutze dabei ihre Teufelskraft, um die Pflanzen beiseite zu schieben und stellte schließlich leicht verwundert fest: „Das ist eine Karte dieser Insel.“
„Wieso hängt hier eine Karte?“
„Ich weiß nicht, aber sie ist definitiv nützlich. Siehst du: Hier sind die Eingänge zu den Tunneln eingezeichnet. Sie sind allerdings noch ein gutes Stück von hier entfernt.“ Sie sah Franky nun direkt an. „Hast du eine Teleschnecke dabei?“
Er kratzte sich am Kopf. „Ich wusste doch, ich habe etwas vergessen …“
„Nicht so schlimm. Ich bin mir sicher, wir werden den anderen trotzdem dort begegnen. Früher oder später kommt der Zufall uns immer zur Hilfe. Zumindest war es bisher immer so.“
„Wie meinst du das?“
Robin schmunzelte nur. „Nicht so wichtig, Franky. Wir machen uns aber besser auf den Weg zur Brücke, die dort eingezeichnet ist, dann sparen wir uns den Umweg nördlich um die Quelle herum.“
„Wie du meinst …“ Der Cyborg folgte nach kurzem Zögern der Archäologin, die sich schon wieder auf den Weg gemacht hatte.
Der Wald schien dabei kein Ende zu nehmen, und die beiden hatten inzwischen ein Gespräch darüber begonnen, welche ihrer Freunde die seltsamsten Eigenarten hatten. Franky war dabei der Meinung, dass dies eindeutig Chopper wäre – er konnte gar nicht nachvollziehen, weshalb sich ihr Arzt so seltsam anstellte, wenn er gelobt wurde –, während Robin deutlich zu Zorro tendierte.
„Aber wieso denn?“, warf Franky ein. „Im Gegensatz zu den anderen ist er doch relativ normal.“
Robin schüttelte leicht ihren Kopf, ehe sie nach einem kurzen Moment des Schweigens anmerkte: „Doch, er ist auf seine Weise eigenartig. Ich bleibe hier bei meiner Meinung.“
„Naja, wenn du meinst …“ Der Cyborg schob einen Ast aus dem Weg, sodass er und Robin sich nicht ducken zu brauchten.
Robin lächelte nur. Sie fand Zorros Fähigkeit überall einschlafen zu können, sowie einige andere Facetten seiner Persönlichkeit, durchaus seltsam genug, um ihn hier in der Unterhaltung zu erwähnen. Wobei Franky ihn um Längen schlug, ihrer Meinung nach, doch da es wohl unhöflich gewesen wäre, dies zu sagen, blieb sie bei Zorro.
Und ob seltsam oder nicht, verlassen konnte man sich auf alle.
Noch immer konnte Chopper keinen seiner Freunde riechen
Das kleine Rentier lief inzwischen schon eine gefühlte Ewigkeit durch den Wald, in der Hoffnung auf irgendjemanden zu stoßen. Dass er dabei ausgerechnet Zorro wiederfinden würde, bezweifelte er, aber mit etwas Glück waren die anderen Strohhüte schon auf der Suche nach ihnen, denn sie hätten längst wieder beim Schiff sein sollen.
Er musste jedoch immer wieder und immer häufiger Pausen einlegen, da er zunehmend erschöpfter war. Das Bad im Meer hatte ihm wirklich nicht gut getan. Aber einfach liegen zu bleiben, kam für ihn nicht in Frage. Er wollte nicht länger alleine hier herumirren.
Langsam rappelte er sich wieder auf, wobei sich seine Hufe tief in das Moos des Waldbodens gruben. Seine Nase zuckte. Er hatte etwas gewittert. Eine Pflanze, die nur am Ufer von Süßwasserseen oder Flüssen zu finden war. Und Trinkwasser war genau das, was er gerade dringend benötigte. Aber da er den Fluss, den Bach, oder was immer es war, noch nicht hören konnte, schien er noch ein gutes Stück entfernt zu sein.
Doch da er nun etwas hatte, das ihn wirklich antrieb, kam er viel schneller vorwärts als zuvor. Zumindest wirkte es für Chopper so. Möglicherweise fühlte sich die verstrichene Zeit für ihn einfach nur kürzer an.
Es raschelte jedes Mal leise, wenn er auftrat. Der Boden war von herabgefallenen Blättern bedeckt – die seltsamerweise noch grün waren, genau wie die an den Bäumen – und auch, wenn es sich bei der Insel offensichtlich um eine Sommerinsel handelte, schien sich der Herbst hier bereits anzukündigen. Wenn er näher darüber nachdachte, war es verwirrend, dass jede Insel auf der Grand Line ihr eigenes Klima und ihre eigene Jahreszeiten hatte. Vielleicht konnte er Nami einmal fragen, woran genau das lag. Oder Robin. Eine von beiden würde es schon wissen.
Im Vorbeigehen klaubte er sich einen kurzen Stock vom Boden auf. Dieser hatte genau die richtige Länge, um als Wanderstock zu dienen. Chopper fing sogar an leise zu summen, während er damit im Laub umher stocherte.
Dabei schreckte er auch einen Tausendfüßler auf, dem das Rentier nicht ganz geheuer war, deshalb schnell das Weite suchte. Doch Chopper bekam dies gar nicht mit, denn er hatte inzwischen ein sanftes Rauschen wahrgenommen.
Der Fluss musste inzwischen ganz in der Nähe sein, da war er sich sicher. Das Rentier korrigierte seinen Kurs leicht, um möglichst bald auf den Fluss zu stoßen. Er freute sich schon auf das kühle Nass, denn inzwischen schien ihm seine Zunge schon am Gaumen festgetrocknet zu sein.
Doch plötzlich hörte er ein leises Knurren hinter sich. Er hatte bei weitem nicht alles verstanden, doch das, was er gehört hatte, reichte ihm. Er erstarrte. Das andere Tier kam näher und Chopper konnte eine Art Tiger erkennen. Dieser war nur etwas größer als ein gewöhnlicher und hatte deutlich sichtbare Reißzähne. Erneut knurrte es und dieses Mal verstand der Arzt der Strohhutbande alles.
„Wah!“ Mit einem Aufschrei rannte Chopper davon. „Ich will nicht dein Abendessen werden!“ ‚Warum erwischte es eigentlich immer mich?‘, schoss es ihm durch den Kopf.
Der Säbelzahntiger folgte ihm. Und das Rentier mutierte wieder in seine schnellste Form, nur so konnte er entkommen. Seine Erschöpfung war jetzt fürs erste Nebensache.
„Hast du das gehört?“ Robin wirkte besorgt.
Franky legte nur seinen Kopf schief, ehe er fragte: „Was genau meinst du?“
„Der Schrei gerade klang nach unserem Herrn Schiffsarzt.“
Im selben Moment schoss etwas Braunes an den beiden vorbei, gefolgt von einem anderen Tier, das seinen Vordermann offensichtlich jagte.
Als dieses Tier knurrte, stoppte das andere abrupt, womit es für Robin und Franky deutlich wurde, dass es sich bei dem Verfolgten um Chopper handelte. „Kung Fu Point“, rief er plötzlich und stürzte sich auf den Säbelzahntiger. „Kapier es endlich, ich bin nicht dein Abendessen!“
Der Tiger begriff sehr wohl, dass sich seine Beute nun gegen ihn gewandt hatte und begann seinerseits damit, die Attacken zu verstärken. Mit einem Sprung stürzte er sich auf das Rentier, das sich allerdings zu wehren wusste, und ihn gegen einen Baum schleuderte.
Der Tiger torkelte leicht, als er wieder auf alle viere gekommen war und es dauerte einen Augenblick, ehe er sich wieder auf das Rentier fixiert hatte, aber seine Augen funkelten deutlich vor Angriffslust.
„Robin, meinst du nicht, dass wir eingreifen sollten?“, wollte Franky von seiner Begleiterin wissen, während Chopper gezwungen war einen großen Satz zur Seite zu machen, um nicht zerfetzt zu werden. Der Tiger hatte mit seinen Pranken zugeschlagen, weshalb es Wahnsinn gewesen wäre, den Angriff zu parieren.
Robin lächelte nur. „Ich denke, unser Herr Schiffsarzt schafft das schon.“
„Na, wie du meinst …“ Die Zweifel waren aus der Stimme des Cyborgs deutlich herauszuhören, gerade weil er betont optimistisch klang.
Chopper schlug derweil ein weiteres Mal mit seinen Hufen nach seinem Angreifer. Dabei traf er die Nase des Säbelzahntigers. Dieser machte nach dem Treffer einen Satz nach hinten und begann erbärmlich zu winseln. Offenbar war diese Stelle besonders empfindlich gewesen.
Das Rentier warf seinem ehemaligen Verfolger einen finsteren Blick zu, weswegen dieser sich offensichtlich dazu entschloss, sich zurückzuziehen. Langsam, nicht ohne seinen Blick von Chopper zu nehmen, schlich er rücklings in den Wald zurück, bis er langsam vom Dickicht verschlungen wurde.
Chopper wischte sich den Schweiß von der Stirn, wobei er wieder in seine kleinste Form mutiert war. Dabei schwankte er leicht.
„Chopper?“, fragte Franky halblaut, woraufhin sich das Rentier ruckartig herumdrehte.
Im ersten Moment wirkte es deutlich überrascht, dann war ein klares Grinsen auf seinem Gesicht zu erkennen. „Robin! Franky!“ Er stürmte in Richtung der beiden. „Bin ich froh, dass ich euch begegnet bin. Ich …“ Er kippte um.
„Huch. Was ist mit ihm?“ Ratlos trat der Cyborg auf Chopper zu, richtete seinen Blick auf ihn und ging schließlich neben ihm in die Hocke.
Robin kniete sich neben ihn und griff nach Choppers Vorderhuf, wohl um dessen Puls zu fühlen, auch wenn das bei diesem dichten Pelz alles andere als einfach war. „Er ist ohnmächtig. Wahrscheinlich ist er einfach erschöpft. Ich denke, wir sollten unser Nachtlager hier aufschlagen, dann können wir ihn einfach schlafen lassen.“
„Und wenn wir ihn einfach tragen? Das ist kein Problem für mich, so schwer ist unser Arzt nicht“, bot Franky an.
Robin schüttelte nur den Kopf. „Es wird ohnehin bald dunkel. Und so stressen wir ihn nicht unnötig.“
„In Ordnung. Soll ich Feuerholz besorgen?“
„Das wäre äußerst freundlich, Herr Zimmermann.“
„Stets zu Diensten.“ Franky machte eine Geste, die ansatzweise an eine Salutation erinnerte, weshalb Robin leise auflachte, dann verschwand er im Unterholz.
Chopper konnte Rauch riechen, hatte keine Ahnung, wo er sich befand, und war nicht fähig zu bewegen. Er stöhnte leise. Probierte dann immer wieder, seine Augen zu öffnen, ehe es ihm schließlich gelang.
Das erste, das er bemerkte war, dass es stockfinster war, lediglich ein Lagerfeuer erhellte die Gegend. Dann fiel ihm auf, dass er nicht alleine war. Im selben Moment machte sich auch ein Bedürfnis in ihm bemerkbar.
„Durst …“, murmelte er schwach.
„Hier.“ Neben ihm war einen Hand aus dem Nichts aufgetaucht, die ihm eine Flasche hinhielt. Chopper brauchte ein paar Anläufe, ehe er seine Gliedmaßen wieder einigermaßen sicher unter Kontrolle hatte, aber dann griff er nach der Flasche und trank sie gierig komplett aus.
„Ah.“ Er hielt sich den Bauch. „Das hat gut getan. Danke.“
„Kein Problem, Herr Arzt.“ Nico Robin – Chopper hatte sich inzwischen erinnert, dass er auf sie und Franky gestoßen war – hatte sich inzwischen neben ihn gesetzt. Sie hatte wohl die Nachtwache übernommen, denn Franky lag schlafend neben dem Feuer.
„Was macht ihr zwei eigentlich alleine im Wald? Sucht ihr mich oder Zorro?“ Das kleine Rentier hatte sich aufgesetzt und lehnte nun an der Archäologin.
„Nein, eigentlich nicht. Wobei es sicher nicht verkehrt ist, dass wir zumindest dich gefunden haben. Eigentlich haben wir ein anderes Problem. Ceasar ist uns abhanden gekommen.“ Die Archäologin lächelte noch immer, während dem Rentier die Gesichtszüge entgleisten. Das klang gar nicht gut. Es wirkte gerade viel zu sehr nach dem Beginn eines neuen Abenteuers und viel zu vielen Kämpfen.
„Wirklich?“ Er klang leicht verzweifelt.
Robin nickte. „Und wir versuchen ihn zu finden. Wir haben eine ungefähre Ahnung, wo er sich befindet. Nur wer hinter der Entführung – wir sind uns sicher, dass er nicht selbst entkommen ist – steckt, wissen wir noch nicht. Der einzige Hinweis, den wir bisher haben, ist ein Symbol in Form eines Auges.“ Neben ihr war derweil eine Kette aus Armen gewachsen, einen Zettel aus ihrem Rucksack geholt und zu ihr transportiert hatten. Sie hielt ihm den Zettel hin, nachdem sie ihn kurz betrachtet hatte.
„Ich habe so ein Auge schon einmal gesehen“, stieß Chopper plötzlich aus. Er hatte sich zu Robin hinüber gelehnt, um ebenfalls einen Blick auf den Zettel erhaschen zu können.
„Interessant. Unser Herr Zimmerman hat heute jemanden getroffen, der ein solches Auge hatte. Eine junge Frau. Hast du das Auge auch bei einem Menschen gesehen.“
Chopper zuckte zusammen. „Ja. Aber es tut mir Leid, Robin. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Dabei würde ich gerne helfen.“ Betrübt sah er zur Erde und begann damit mit den Hufen darauf herumzukratzen.
„Das macht nichts.“ Die Archäologin wuschelte ihm am Kopf über das Fell. „Wir schaffen das trotzdem.“
„Hm … ich lege mich jetzt besser hin. Ich bin immer noch so müde.“ Chopper gähnte.
„Dann schlaf gut, Herr Schiffsarzt.“„Danke.“ Chopper stand auf, um sich ein paar Schritte weiter, wo er etwas Platz hatte, hinzulegen. Dabei warf er noch einen Blick zu seiner Nakama. Er hatte die dumpfe Ahnung, dass sie genau wusste, was er nicht gesagt hatte. Vor Robin etwas zu verbergen war schwierig, denn sie bekam selbst kleinste Details mit, das hatte er schon vor zwei Jahren begriffen. Er hoffte nur, dass sie dieses Wissen nicht unbedingt brauchen würde.
Er hieß die kühle Luft der Tunnel willkommen. Die Temperaturen draußen waren für ihn noch immer unerträglich, da er das Klima unter der Erde gewöhnt war, auch wenn es in den nächsten Tagen und Wochen höchstwahrscheinlich noch weiter abkühlen würde. Dies war auch der Grund, weshalb er immer wieder überlegte, ob er seine Forschungseinrichtung nicht besser auf eine Winterinsel verlegen sollte.
Was ihn davon abhielt war, dass es dann erheblich schwieriger für ihn war, an neue Forschungsobjekte zu kommen. Auf einer Sommerinsel legten nun einmal mehr Schiffe an als an Winterinseln, weshalb es auch nicht unbedingt auffiel, wenn gelegentlich die eine oder andere Person verschwand.
Sein Weg durch die Tunnel führte zu einem Labor, das mit einer großen Zwei beziffert war, denn dort hielten sich seine neuesten Forschungsobjekte auf. Im Normalfall hätte er sie in das erste gesperrt, aber dieses Labor nutzte er derzeit für seine Experimente. Und zusätzliche Beobachter konnten das Ergebnis gefährden.
Er betrachtete die Tische, die vollgestellt mit Chemikalien waren und schlängelte sich zwischen ihnen hindurch, wobei er sehr darauf bedacht war, keines der Reagenzgläser versehentlich umzuwerfen. Auch wenn die Tische hoch genug waren, oder er klein genug war, dass er sie nicht versehentlich mit den weiten Ärmeln seines Mantels umstoßen konnte, würde ein Stoß gegen die Tische unter Umständen schon ausreichen.
Bei der Wand, die gegenüber der Tür lag, angekommen, betrachtete er seine Gefangenen. Zurzeit waren es überwiegend Männer, lediglich eine Frau war unter ihnen. Es waren zwei gewesen, aber unglücklicherweise war die andere entkommen, als seine Leute die neuen Testobjekte gebracht hatten.
Wobei einer von ihnen mehr als nur eine Versuchsperson war.
Er betrachtete die drei. Der Junge wehrte sich immer noch, seine Handgelenke waren davon schon gezeichnet. Der Mann war noch immer bewusstlos. Womöglich war die Dosis des Beruhigungsmittels bei ihm etwas zu hoch gewesen, aber selbst wenn er sterben sollte, war es kein allzu schlimmer Verlust. Kollateralschaden.
Dann warf er einen Blick auf den letzten, der neuen Gefangenen. Ceasar Crown. Er hatte bereits einiges von ihm und seinen Forschungen gehört und war sich sicher, dass die eine oder andere Erkenntnis auch ihm nützlich sein konnte. Das Giftgas beispielsweise. Aber das, woran er wahrlich interessiert war, waren Ceasars künstliche Teufelsfrüchte. Denn wer diese sein eigen nennen konnte, besaß wahrliche Macht.
Ceasar schnaubte abfällig, als er den Neuankömmling bemerkte. Er wusste sofort, um wen es sich hier handelte, denn er hatte bereits mehrere Angebote von ihm bekommen, als er noch unter Vegapunk gearbeitet hatte.
„Wie ich sehe, ist dir die Eigenständigkeit nicht bekommen.“
Es steckte so viel Spott und Hohn in diesem Satz, dass Ceasar den Sprecher am liebsten erwürgt hätte. Doch da er noch immer mit Seesteinhandschellen an der Wand festgekettet war, würde ein Versuch nur mit großer Schmach für ihn enden. „Ich wette, dir geht es bald ähnlich, Einauge.“
„Ich bitte dich, mein Lieber. Du kennst meinen Namen, es ist nicht so schwer diesen auszusprechen. Frado. Zwei Silben, fünf Buchstaben und der Inbegriff der Genialität.“ Er verlor sich fast in der Beschreibung seiner eigenen Großartigkeit. Dann runzelte er plötzlich die Stirn. „Doch was meinst du damit, dass es mir bald ähnlich ergehen wird?“
„Shurorororo … ich bin sicher, dass dir nicht entgangen ist, dass ich eine Geisel war. Niemand opfert seine Geisel gerne. Die Strohhüte werden bald hier auftauchen.“
„Du bist erstaunlich optimistisch, mein Lieber.“ Frado entfernte sich wieder von ihm und trat an einen der Tische. Ceasar konnte sehen, wie er mit den Fingern über die Öffnungen der Reagenzgläser strich, ehe er sich für eines entschied und dieses hochhob. Er schwenkte es leicht, sodass die beiden sich darin befindlichen Flüssigkeiten sich vermischten. „Aber wir könnten die Sache auch etwas beschleunigen.“ Er entfernte den Stopfen des Reagenzglases und wedelte sich etwas von den Ausdünstungen zu. Angewidert verzog er das Gesicht und verschloss es wieder, um es anschließend wegzustellen. „Du sagst mir, was du über die Erschaffung von Teufelsfrüchten weißt und ich lasse dich gehen.“ Die Prozedur wiederholte er mit einem weiteren Reagenzglas, wobei dieses anscheinend seine Zustimmung fand. „Oder ich werde mir eine andere Methode suchen, um an diese Informationen zu kommen.“ Er ließ etwas der blauen Flüssigkeit auf den Tisch tropfen, wo unter lautem Zischen ein großes Loch entstand.
„Shurorororo … ich denke eher, du bist erstaunlich optimistisch. Wenn du mich tötest, erfährst du nämlich gar nichts.“
„Dann stört es dich doch sicherlich nicht, wenn ich mich erst um deine Freunde kümmere.“
Ceasar zog nur eine Augenbraue nach oben, als er sah, dass Frado auf Kinemon und Momonosuke zutrat. Da glaubte dieser Einfaltspinsel von Wissenschaftler tatsächlich, dass die beiden zu seinen Verbündeten zählten. „Sie sind nicht meine Freunde“, merkte er knapp an.
Frado zuckte mit den Schultern. „Wie du willst, mein Lieber.“ Er trat nun direkt auf Momonosuke zu und lies etwas der Flüssigkeit auf dessen Hand tropfen.
Man konnte deutlich erkennen, dass es sehr schmerzen musste, aber der Junge schrie nicht. Tränen rannen aus seinen Augenwinkeln, aber er gab nicht den leisesten Ton von sich. Ceasar sah, dass Frado immer wieder einen Blick zu ihm warf, doch da er nicht reagierte, seufzte der Einäugige nur.
Ceasar grinste. Für ihn war es kein Problem, was Frado hier tat. Tatsächlich nutze es ihm eher, denn spätestens wenn die Bande das sah, würde das Einauge Schwierigkeiten bekommen.
Frado schnaubte schließlich und verschloss das Reagenzglas wieder. Er stellte es weg, griff nach einem anderen und schüttete den Inhalt über die Hand des Jungens. Da die Verätzungen damit stoppten, musste es sich wohl um ein Gegenmittel handeln. Wahrscheinlich war er dahintergekommen, dass seine Handlung nichts brachte.
„Shurororo … bist ja weich geworden. Und alleine bekommst du anscheinend gar nichts hin. Frado, der wohl unfähigste Wissenschaftler, dem ich je begegnet bin.“
Sein Gegenüber schnaubte ein weiteres Mal und Ceasar hatte die dumpfe Ahnung, dass er der nächste war, der diese Säure abbekommen würde.
Sanji war sich todsicher, dass er eine Lady weinen gehört hatte. Er hasste dieses Geräusch. Und das nicht grundlos. Er hatte eben den Rand der Stadt Miartz erreicht und war sich sicher, im Wald die Quelle des Weinens zu finden. Ebenso wie etwas, das ihm ganz und gar nicht gefallen würde. Sein Instinkt täuschte sich hierbei leider nur äußerst selten.
Er erreichte den Fluss, ließ sich davon aber nicht aufhalten. Mittels seines ‚Sky Walk‘ überquerte er ihn zügig, ohne auch nur kurz anhalten zu müssen. Auf der anderen Seite angelangt, rannte er einfach in der Luft weiter, sank dabei langsam zu Boden, sodass der eine Untergrund langsam zum anderen übergehen konnte.
Die Bäume zu seiner Linken zogen schnell an ihm vorbei und verschwammen zu einer einzelnen grünbraunen Fläche, während auf seiner rechten Seite der Fluss eine Konstante war. Er folgte einfach nur seiner Ahnung, bis er das Weinen schließlich deutlich vernehmen konnte. Er folgte dem Geräusch, noch immer führte ihn sein Weg am Fluss entlang, ehe er sich schließlich nach links wandte und vorsichtig ein Stück in den Wald hineinging.
Dort fand er, an einem umgestürzten Baum lehnend, ein Mädchen. Wie alt es wahr, vermochte er nicht zu schätzen, aber sie war definitiv noch sehr jung. Sie schluchzte und Tränen rannen ihr über das ganze Gesicht.
Langsam trat er auf sie zu und ging neben ihr in die Hocke, darauf bedacht, sie nicht versehentlich zu erschrecken. Er wollte nicht, dass sie sich noch zusätzlich wegen ihm unwohl fühlte. Trotzdem war es unerwartet für ihn, dass sich das Mädchen plötzlich zu ihm herumdrehte und sich an sein Bein klammerte. Sie schluchzte laut auf.
Sanji zuckte leicht zusammen, das Geräusch hallte unangenehm in seinen Ohren wieder. Doch er fing sich schnell wieder und begann beruhigend auf das Kind einzureden.
Tatsächlich wurde das Weinen langsam leiser, bis sie nur noch gelegentlich schniefte. Sie blickte zu ihm hoch und Sanji konnte sehen, dass ihr linkes Auge zugeschwollen und blau war, als wäre sie geschlagen worden. Er schluckte. Dieses Kind brauchte wirklich seine Hilfe.
„Brauchst du ein Taschentuch, kleine Lady?“, fragte er vorsichtig. Besser war es, er würde weiter behutsam vorgehen. Zeitgleich hatte er ein Stofftaschentuch aus der Innentasche seines Jacketts gezogen und hielt es ihr hin.
Sie nickte leicht und griff dann zögerlich nach dem Tuch, um sich dann die Tränen abzuwischen und die Nase abzuputzen.
Während sie beschäftigt war, nahm sich Sanji erstmals die Zeit, sie genauer zu betrachte. Sie war recht zierlich, fast schon mager und hatte struppiges, braunes Haar. Sie trug nur ein einfaches, helles Leinenkleid und war barfuß.
„Magst du mir erzählen, was passiert ist?“, fragte Sanji. Er hasste es, wenn jemand weinte, vor allem wenn es ein Kind war, dem noch dazu etwas angetan worden ist. Dass irgendjemand an dieser Situation Schuld war, stand außer Frage, auch wenn er nicht nachvollziehen konnte, wie man so herzlos sein konnte. Aber vielleicht konnte er gegen diese Person etwas unternehmen und ihr so helfen.
Hektisch schüttelte sie ihren Kopf und wirkte nun noch beunruhigter, als sie es ohnehin schon getan hatte.
So konnte er nichts tun. Er fragte weiter: „Willst du mir zumindest sagen, wie du heißt?“
Erneut schüttelte sie ihren Kopf, wenn auch schon zögerlicher und nicht mehr so beunruhigt wirkend.
„Kann ich dann etwas anderes für dich tun?“, fragte der Smutje nach einem langen Moment der Stille.
Das Mädchen beobachtete ihn genau, dann setzte sie zum Sprechen an, brauchte allerdings mehrere Versuche, um die Worte von sich zu geben. „Bringst du mich in die nächste Stadt? Zum Hafen? Bitte. Ich weiß nicht, wie ich da hinkomme.“ Sie klang heiser.
„Gerne.“ Er lächelte ihr zu, machte dann einige Schritte in die Richtung, aus der er gekommen war. Prüfend sah er zu ihr, wartete ab, ob sie ihm folgte. Als er sich sicher war, dass sie dies tat, ging er weiter.
Sie kamen nur langsam voran und als sich Sanji ein weiteres Mal herumdrehte, um zu sehen, wie weit das Mädchen zurückgefallen war und um auf sie zu warten, bemerkte er, dass sie humpelte und Schmerzen beim Gehen zu haben schien, auch wenn sie versuchte es bestmöglich zu verbergen.
Als sie neben ihm stand, fragte er: „Soll ich dich tragen? Dann wären wir viel schneller.“
„Ich … ähm.“ Sie zögerte. Dann nickte sie leicht.
Sanji ging in die Hocke und deutete ihr an, dass sie auf seinen Rücken steigen sollte, damit er sie huckepack nehmen konnte. Er spürte, wie sie sich mit ihren dürren Armen an ihm festklammerte und stand auf. Anfangs war er noch langsam unterwegs, um sicherzugehen, dass sie sich halten konnte, aber schließlich beschleunigte er seine Schritte, wenngleich er nicht so schnell unterwegs war, wie bei seinem Herweg.
Der Fluss, der nun links von ihm verlief, war ein guter Orientierungspunkt. Anders hätte es wohl etwas länger gebraucht, um den Rückweg zu finden, da er nicht wirklich auf seinen Weg geachtet hatte.
Als er kurz anhielt, um das Mädchen wieder gescheit zu nehmen – es war etwas nach unten gerutscht und er hatte Angst, dass sie sich nicht auf seinem Rücken halten konnte –, fiel ihm auf, dass sie eingeschlafen war.
Er gestattete sich ein kleines Lächeln. Diese Erholung hatte sie definitiv nötig. Doch im nächsten Moment verfinsterten sich seine Gedanken wieder. Sollte er die Person erwischen, die ihr das angetan hatte, würde derjenige ein Erlebnis haben, dass er nie wieder vergessen würde.
Derart von seinen Gedanken abgelenkt, bemerkte er nicht, dass ihm jemand immer näher kam. Er sah diese erst, als es schon zu spät war.
„Da haben wir ja die erste gefunden.“ Eine tiefe Stimme brachte Sanji zurück ins Hier und Jetzt. „Und wohl ihren Helfer gleich mit.“ Vor ihm hatte sich überraschenderweise ein ungewöhnlich großer Mann aufgebaut, sodass der Smutje unwillkürlich einen Schritt zurück machte.
Sanji entdeckte schnell das große Schwert an dessen Seite und trat noch weiter zurück. Mit dem Kind auf den Rücken konnte er nicht richtig kämpfen. Er durfte es nicht einmal probieren, um sie nicht unnötig zu gefährden.
„Hat das Blondchen etwa Angst?“ Spott klang deutlich hörbar in der Frage mit.
„Dir geb‘ ich gleich ein Blondchen!“ Blitzschnell überlegte es Sanji anders. Hier bot sich nur eine Flucht nach vorne an, außerdem war dieser Mistkerl offenbar am Leid des Kindes Schuld. Er legte das Mädchen blitzschnell zwischen zwei Büschen ab – er würde den Typ einfach von hier weg kicken – und stürmte auf ihn zu, holte dabei zu einem kräftigen Tritt aus.
Doch sein Gegenüber ließ sich davon nicht beeindrucken, wich in einer Geschwindigkeit aus, die man ihm nicht unbedingt zutraute, und zog zeitgleich sein Schwert, um Sanji einen Hieb damit zu verpassen.
Aber dieser schaffte es den Schlag abzuwehren und sich vom Schwert abzustoßen, sodass er nun hinter dem Schwertkämpfer stand. Seine regelmäßigen Kämpfe mit Zorro brachten ihm hier einen nicht unerheblichen Vorteil.
Sein Gegner wandte sich schnell um, doch Sanji hatte noch nicht einmal den Versuch eines Angriffs gestartet, weswegen ihn der zur Verteidigung gedachte Schwertstreich völlig unvorbereitet traf.
Sanji schmeckte Blut in seinem Mund. Er hatte sich auf die Zunge gebissen, als er gegen einen Baum geschleudert worden war und ihm taten alle Knochen weh. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er nicht rechtzeitig reagiert hatte. Eigentlich hätten ihm die Schwerter von Zorro, die er auf dem Rücken seines Gegners zu erkennen geglaubt hatte, eine deutliche Warnung sein müssen. „Was hast du mit Zorro gemacht“, knurrte er, während er sich aufrappelte.
„Zorro? Der Piratenjäger? Du kennst ihn?“ Er schien einen Moment nachzudenken. „Du könntest Schwarzfuß Sanji sein. Der Steckbrief sieht dir zwar nicht sehr ähnlich, aber eine solche komische Augenbraue gibt es sicher kein zweites Mal.“
Sanji schnaubte, wie jedes Mal bei der Erwähnung seines Steckbriefes. Er hasste dieses Teil und hoffte inbrünstig, dass die Marine bei seiner nächsten Kopfgelderhöhung, sich um ein neues Foto kümmern würde. Er würde sogar dafür Modell stehen, wenn es sein musste. Dann besann er sich wieder auf den Kampf. Die Bestätigung, dass dieser Typ zuvor Zorro ausgeschalten haben musste, hatte er nun, was ihn beunruhigte. Auch wenn er dies niemals zugeben würde. Zorro war stark und um ihn zu besiegen, musste man schon einiges zu bieten haben. Er musste von nun an wirklich aufpassen.
Er klopfte mit seinem rechten Bein auf den Boden und zündete sich gleichzeitig eine frische Zigarette an. Das Signal, dass er mehr als bereit für die nächste Attacke war, schien bei seinem Gegner deutlich anzukommen, denn er griff im selben Augenblick an.
„Glue Shot!“, rief er.
‚Er hat eine Teufelsfrucht gegessen‘, schoss es Sanji durch den Kopf, konnte aber nicht mehr rechtzeitig ausweichen, da er nicht damit gerechnet hatte. Irgendetwas traf ihn mitten im Gesicht. Doch sein Gegenüber blieb nicht verschont, denn der Smutje hatte sich sofort gerächt, sodass der andere einen kräftigen Tritt abbekam.
„Verdammt!“ Leise fluchte Sanji. Er hatte zwar einen Treffer landen können, aber was auch immer ihn vorhin erwischt hatte, war ihm in die Augen gelaufen, behinderte seine Sicht und brannte furchtbar. Außerdem hatte er keine Zeit, um das Zeug wegzuwischen, denn er konnte bereits die nächste Attacke kommen spüren.
Der Smutje duckte sich und wollte gerade in den Handstand gehen, als ihm die freie Hand des Kerls, zur Faust geballte, direkt am Rücken traf. Er konnte sich nicht mehr halten und kippte um.
Als er am Boden lag, bekam er sofort weitere Attacken ab. Er konnte nur daliegen und sich selbst nach Möglichkeit schützen, schließlich hatte er das Gefühl, sich nicht mehr rühren zu können. Er keuchte.
Eben hatte er gespürt, dass das Mädchen wieder aufgewacht war. Offensichtlich vom Kampflärm. Er hoffte nur, dass sie klug genug war, sich weiter versteckt zu halten.
Ein weiterer Tritt erwischte den Smutje. Dieses Mal direkt im Magen. Er krümmte sich zusammen und schaffte es gerade so, einen Aufschrei zu unterdrücken. Er hatte keinerlei Kraft für weitere Angriffe mehr. Es war hoffentlich alles bald vorbei. Ebenso hoffte er, dass dem Mädchen nichts passieren würde.
Irgendwann, am Rande der Bewusstlosigkeit, schien alles zu enden. Der Kerl hatte endlich von ihm abgelassen.
Sanji konnte hören, wie er mit großen Schritten in die Richtung stapfte, in der sich das Mädchen verborgen hielt. Dann hörte er einen Aufschrei. Er stammte wohl von dem Kind.
„Klappe, Testobjekt Nummer 324“, knurrte der Mistkerl.
Sanji schluckte. Die Art wie das Mädchen angesprochen wurde, hatte eine alte Erinnerung in ihm geweckt. Er wusste, was das Mädchen hatte durchmachen müssen. Er wusste, wer der Angreifer war. Salmor.
Er trieb also noch immer sein Unwesen, wenn auch inzwischen auf der Grandline und nicht mehr auf dem Northblue.
Er dämmerte weg.
Das letzte, das er hören konnte, waren die Schritte von Salmor, der sich schnell entfernte und das leiser werdende Wimmern des Mädchens.
Dann wurde alles schwarz um ihn.
„War ich hier nicht schon einmal?“
Der Schwertkämpfer drehte sich langsam um seine eigene Achse und versuchte an den Bäumen einen Anhaltspunkt auszumachen, in welche Richtung er sich wenden sollte.
Er hatte es tatsächlich noch vor Einbruch der Nacht geschafft, den Waldrand zu erreichen, wobei ihm dies nur wenig nützte, denn er hatte noch immer keine Ahnung, wo genau er sich befand. Hier sah alles gleich aus. Kein Mensch konnte sich hier zurechtfinden.
„Wobei … nein. Vielleicht da entlang?“
Er blickte in Richtung eines besonders hellen Baumstamms, wobei ihm entging, dass in dessen Nähe einige Äste abgebrochen waren und der Boden zertrampelt wirkte, da Zorro von dort gekommen war. Er seufzte kaum hörbar. Hätte er seine Schwerter noch, könnte er sich seinen Weg leicht markieren, oder freischneiden. Wobei es unter seiner Würde war, diese Katana als einfache Messer zu missbrauchen. Er fand sich auch anders zurecht.
Als er seinen Kopf in den Nacken legte, um den Baumkronen einen Blick zuzuwerfen, bemerkte er, dass der Himmel – soweit er dies durch das Blätterdach erkennen konnte – inzwischen schon recht dunkel geworden war. Bald würde er nur mehr wenig erkennen können. Dann weiter herumzulaufen, würde nichts bringen.
Spontan wandte er sich in eine Richtung und stapfte weiter voran, wobei er unterwegs immer wieder handliche Hölzer aufhob. Er hatte beschlossen, dass er, sobald er eine geeignete Stelle fand, ein Lagerfeuer anzünden würde. Nicht, dass er es brauchte, aber vielleicht konnte er so einem seiner Nakama helfen sich zu orientieren, falls sich noch jemand von ihnen im Wald aufhielt.
‚Seit wann denke ich so einen Schwachsinn?‘ Er schlug sich mit der freien Hand gegen die Stirn.
Offenbar hatte die Zeit bei Ruffy bei ihm doch seine Spuren hinterlassen. Er hatte zu wenig Sake intus. Viel zu wenig. Er dachte näher darüber nach und kam zu dem Schluss, dass es wirklich letzteres sein musste, das ihn so seltsam werden ließ.
So vor sich hinmurmelnd, lief er weiter. Hin und wieder hob er noch einzelne Äste auf, aber im Großen und Ganzen ignorierte er die Idee seines Unterbewusstseins.
Als er auf einmal vor einem Fluss stand, blickte er auf. Er konnte sich dumpf daran erinnern, dass man einen Fluss überqueren musste, um zu der Stadt zu kommen, in der er am Vormittag noch gewesen war. Die Frage war nur, in welcher Richtung sich diese befand und ob es überhaupt derselbe Fluss war.
Prüfend blickte er flussabwärts und flussaufwärts und beschloss schließlich, sich nach links, also flussaufwärts zu wenden – hätte er sich für flussabwärts entschieden, hätte es nicht lange gedauert, bis er zur Stadt gelangt wäre –, denn sein Instinkt riet ihm deutlich dazu. Diesem zu vertrauen war im Zweifelsfall immer der richtige Weg.
Als er allerdings bemerkte Zorro, dass entlang des Flusses nur wenig Holz lag, weshalb er für einen Moment überlegte, ob er nicht doch zurück in den Wald gehen sollte. Doch letztendlich blieb er bei seinem Entschluss, dass das Lagerfeuer ohnehin nicht so relevant war, denn er war sich fast sicher, dass ihm etwas Wichtiges entgehen würde, sollte er dem Lauf des Flusses nicht weiter folgen.
Und er sollte Recht behalten.
Nur einige Meter weiter und etwas später, hatte er die dumpfe Ahnung, dass etwas nicht stimmte. Wobei er nicht genau sagen konnte, was genau seltsam war. Suchend blickte er um sich, in der Hoffnung einen Anhaltspunkt für sein ungutes Gefühl zu finden, doch auf den ersten Blick ließ sich nichts erkennen.
Dann fiel ihm etwas Gelbliches ins Auge. Skeptisch zog er eine Augenbraue nach oben. Die Präsenz, die spüren konnte, kam ihm äußerst bekannt vor und verhieß in diesem Fall nichts Gutes. Er trat näher auf das Gebüsch zu, um nachzuprüfen, ob er recht hatte.
Tatsächlich konnte er dann den Smutje ausmachen, der dort lag. Bewusstlos, wie es schien und anscheinend auch verletzt.
Er griff instinktiv nach seinen Schwerter, da er damit das Gestrüpp entfernen wollte, langte aber ins Leere, woraufhin er leise fluchte. Anscheinend musste er das auf die ‚normale‘ Art erledigen.
Die Äste, die er bisher gesammelt hatte, lies er einfach fallen und machte sich dann daran, die Zweige der Büsche zur Seite zu schieben, sodass er hindurchkriechen konnte. Dass diese seine Arme zerkratzten, juckte ihn herzlich wenig. Und auch, wenn es so etwas umständlicher war, dauerte es nicht lange, bis er den Bewusstlosen aus dem Unterholz hervorgezogen hatte.
Als Sanji schließlich direkt vor ihm lag, zögerte Zorro einen Moment, ehe er in die Hocke ging, um seinen Nakama näher in Augenschein zu nehmen. Bis auf ein paar blaue Flecken und Kratzer, auch wenn einige von ihnen nicht sonderlich gut aussahen, schien alles mit ihm in Ordnung zu sein, also würde er auch wieder aufwachen. Hoffte er zumindest. Wenn nicht, musste er entweder den Smutje zurück zum Schiff schleppen, oder darauf hoffen, dass Chopper zufällig hier vorbeikam. Wobei letzteres ebenso wahrscheinlich, wie ersteres bei seinem Orientierungssinn möglich war.
Er seufzte. Dann nahm er den Smutje hoch, um ihn ein Stück in den Wald zu tragen, gerade so weit, dass er den Fluss noch sehen konnte, wo es etwas geschützter war. Dann ging er zurück, um das Holz für das Lagerfeuer zu holen. Es war sicher nicht verkehrt, den Smutje warm zu halten.
Es dauerte einen Moment, bis ein kleines Feuer prasselte und Zorro es sich bequem machen konnte. Er lehnte sich an einen Baumstamm, verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und starrte in die Flammen.
Für einen Augenblick schoss der Gedanke durch seinen Kopf, dass nur noch etwas Sake fehlte, damit es wirklich gemütlich war, aber dann besann er sich wieder, denn der bewusstlose Smutje machte ihm Sorgen.
Dabei ging es weniger darum, dass er sich stark verletzt haben konnte – Zorro wusste, dass der Smutje einiges aushalten konnte und war sich demnach sicher, dass er wieder aufwachen würde und das ohne bleibende Schäden. Was ihn eigentlich beunruhigte war, dass es einiges brauchte, um Sanji Schachmatt zu setzen. Wer auch immer ihn so zugerichtet hatte, musste stark sein. Oder eine Frau.
Fast hoffte Zorro, dass es letzteres war, denn dann ließe sich das Problem beseitigen, aber er hatte die dumpfe Ahnung, dass es nicht ganz so einfach war.
Er seufzte erneut. Auch wenn er es nie zeigte, er hasste es, wenn einer seiner Freunde verletzt war. Er konnte es einfach nicht haben, wenn jemand gezwungen war Schwäche zu zeigen, auch wenn diese Person es nicht wollte.
Die Flammen flackerten und Zorro konnte nicht verhindern, dass er langsam müde wurde. Doch ehe eher endgültig einschlief, schreckte er auf. Ihm war, als hätte er etwas gehört. Angespannt saß er da und blickte in die Dunkelheit rings um sich herum, bis er sich sicher war, dass nichts dort lauerte.
Langsam wurde er hier noch paranoid.
Als er es sich wieder bequem machen wollte, bemerkte er, dass etwas bei Sanji nicht zu stimmen schien. Zuvor hatte er noch ruhig dagelegen, jetzt wälzte er sich unruhig umher.
Der Schwertkämpfer hielt einen Moment in seiner Bewegung inne, ehe er näher auf seinen Kameraden zutrat. Es war besser nachzusehen, was nicht stimmte. Auf den ersten Blick schien alles normal zu sein, doch dann bemerkte er, dass eine seltsame Flüssigkeit aus den Augen des Smutjes lief.
Er brauchte nicht näher hinzusehen, um zu erkennen, dass es sich hierbei nicht um Tränen handelte. Die Flüssigkeit war milchig weiß und auch die Konsistenz war – Zorro hatte mit einem Finger über die Wange des Smutjes gewischt, um die Flüssigkeit zu überprüfen – seltsam. Klebrig.
Es schien dem Zeug zu ähneln, das Lyop immer zum Basteln verwendete, daher war es wohl besser, wenn er sich darum kümmerte, die Flüssigkeit zu beseitigen. Es war sicher nicht gesund, wenn so etwas aus den – oder in die – Augen lief.
Die Frage war nur, wie er das machen sollte. Mit den Fingern war das etwas mühselig. Dann fiel ihm der Fluss wieder ein und er erhob sich. Vielleicht konnte er sein Kopftuch etwas zweckentfremden.
Er löste es während des Gehens von seinem Oberarm und tauchte es, nachdem er den Fluss erreicht hatte, ins Wasser. Vorsichtig wrang er es aus und machte sich dann wieder auf den kurzen Rückweg, um den Smutje zu helfen.
Vorsichtig wischte er die Spuren der Flüssigkeit weg. Dabei konnte er es auch nicht vermeiden, Sanjis Augenlider leicht anzuheben, um an die letzten Reste zu kommen. Er bemühte sich zwar vorsichtig zu sein, war aber dennoch froh darüber, dass der Smutje dabei nicht aufgewacht war. Wobei es ohnehin schwer zu sagen war, ob dieser nur schlief, oder noch bewusstlos war.
Als der Schwertkämpfer seine Arbeit beendet hatte, blickte er mit hochgezogener Augenbraue auf sein verdrecktes Kopftuch. Das würde er wohl noch einmal auswaschen müssen. Dann sah er wieder zum Smutje. Dieser hatte hoffentlich wirklich nichts hiervon mitbekommen.
Sanji grummelte leise. Er hatte das Gefühl, dass sich alles um ihn herum drehte, dabei hatte er die Augen noch geschlossen. Er atmete ruhig, es würde schon vorbeigehen. Derweil konzentrierte er sich auf seine Umgebung. Da er leises Vogelgezwitscher hörte, war er sich fast sicher, dass es noch früh am Morgen war. Links neben sich konnte er etwas Wärme spüren, die wohl von der Glut eines Lagerfeuers stammte.
Kaum war dieser Gedanke zu Ende gedacht, war er in Alarmbereitschaft. Die Erinnerungen an das Ende des Vortages waren nun wieder sehr präsent, er wusste nicht, wer hier noch war. Ruckartig richtete er sich auf und versuchte im selben Moment, sich umzusehen, doch seine Augenlider schienen zusammenzukleben. Er fluchte halblaut, schaffte es gerade noch sich zu bremsen.
Gleich darauf hörte er ein missmutiges Grummeln. „Was hast du, Zwiebelschäler?“
Also war die andere Person, die sich hier befand, nur Zorro. Sanji wusste zwar nicht, ob er sich daran stören sollte, dass ausgerechnet der ihn gefunden und so gesehen hatte, oder ob er besser erleichtert sein sollte, dass ihm nicht jemand schlimmeres über den Weg gelaufen ist. Doch auch ohne einen Gedanken konkret zu verfolgen, fiel die Anspannung merklich von ihm ab. Dann fiel ihm wieder ein, dass der Marimo ihm eine Frage gestellt hatte und es unter Umständen sinnvoll wäre, diesem zu antworten.
„Ich kann meine Augen nicht öffnen“, sagte er knapp.
„Oh …“
Sanji verkniff sich einen Kommentar. Diese Antwort war so typisch für diese Kugelalge: Kein bisschen hilfreich.
„Ähm, gestern ist übrigens etwas aus deinen Augen gelaufen. War klebrig“, fügte Zorro nun noch hinzu.
Vielleicht waren die Antworten seines Nakamas trotzdem hilfreicher als gedacht. Jetzt wusste Sanji immer hin, dass das – was auch immer er bei seinem Kampf in die Augen bekommen hatte – nicht so harmlos war, wie er eigentlich gehofft hatte.
Er fluchte erneut, dieses Mal nahm er kein Blatt vor den Mund. „Wenn ich Salmor erwische, bringe ich ihn um!“, schloss er schließlich mit einem extrem mordlustigen Ton in der Stimme, der ihn selbst etwas erstaunte.
„Salmor?“ Wenn Zorro der Ausbruch des Smutjes überrascht hatte, war ihm dies kein bisschen anzuhören.
„Der selbe Kerl, der dir offensichtlich die Schwerter abgeknöpft hat“, antwortete Sanji knapp.
„Tze“, gab Zorro von sich. Sanji war sich sicher, dass der Schwertkämpfer ihn direkt ansah, als dieser mit leicht spöttischer Stimme antwortete: „Du brauchst eigentlich gar nichts dazu zu sagen, dich hat er sogar ausgeknockt.“
Sanji zog nur eine Augenbraue nach oben. Dieser Punkt ging an den Marimo, ausnahmsweise. Aber beim nächsten Kommentar dieser Art, würd er seine Rechnung dafür schon bekommen.
Vorsichtig tastete der Smutje sich voran, um einen Baumstamm zu finden. Es war wirklich nicht sonderlich praktisch, nichts sehen zu können. Er spürte die raue Rinde unter seinen Fingern und drehte sich so herum, dass er den Baum als Lehne zu benutzen konnte. Wenn er könnte, würde er jetzt zum Fluss gehen – Wasser konnte er deutlich hören –, aber er wollte es nicht riskieren vor den Augen des Mooskopfes geradewegs gegen einen Baumstamm zu krachen oder über den Boden zu robben. Am Ende würde es noch so weit kommen, dass er sich helfen lassen musste, und das wollte er nun wirklich vermeiden. Er griff in seine Jackettasche und zog Zigaretten und sein Feuerzeug heraus. Die Handgriffe, um sich eine anzustecken, beherrschte er im Schlaf, sodass sie auch blind kein Problem waren.
„Es ist immer wieder verwunderlich, dass ein Koch raucht“, gab Zorro auf einmal von sich.
Sanji erwiderte nur trocken: „Sagt gerade der größte Säufer von allen.“
„Naja, Nami ist da auch noch …“ Der Schwertkämpfer unterbrach sich selbst mitten im Satz. Er hatte wohl gespürt, dass Sanji von seiner Antwort nicht gerade begeistert war.
Dieser musste nur grinsen, als er dies bemerkte. Es war immer wieder amüsant, wenn der Marimo von selbst bemerkte, dass er zu weit ging. Da konnte man fast meinen, dass er ein schlechtes Gewissen hatte.
Das Grinsen erlosch aber so schnell wieder, wie es gekommen war. Den Geräuschen nach war Zorro eben aufgestanden und kam auf ihn zu. Sanji spürte die plötzliche Nähe des anderen deutlich, versuchte dabei aber möglichst nicht nach außen zu zeigen, dass es ihm unangenehm war. Er hatte keine Ahnung, was Zorro von ihm wollte. Er hasste es, wenn er Situationen ganz und gar nicht unter Kontrolle hatte. Und jetzt schien sich der Schwertkämpfer auch noch zu ihm hinunter zu beugen, unwillkürlich drückte sich der Smutje ein Stück näher an den Baumstamm.
„Um deine Augen herum klebt es schon wieder.“
„Was?“ Sanji wusste nicht, womit er jetzt gerechnet hatte, aber damit mit Sicherheit nicht.
„Ich glaube, du solltest das besser wegwischen.“
‚Was ist mit dem denn los?‘, wunderte sich der Smutje in Gedanken. So fürsorglich kannte man ihn gar nicht. Sanji war sich nun sicher, dass der Marimo sich nun endgültig von seinem Verstand verabschiedet hatte. Allerdings hatte er wohl recht. Es war besser, das Zeug bald zu entfernen, denn er hatte das Gefühl, dass es aus seinen Augen gekommen war. Und das Letzte was er wollte war, dass diese nie wieder brauchbar waren.
Er zog aus seiner anderen Jackettasche ein Taschentuch hervor und begann damit, die Krümel wegzuwischen. Probehalber rubbelte er mit bloßer Hand darüber, ließ aber schnell davon ab, da das Zeug stark klebrig war.
Dabei bemerkte er, dass sein Pony nicht, wie inzwischen gewohnt, über seine rechte Gesichtshälfte fiel. Ihn wunderte es, dass ihm das nicht eher aufgefallen war, aber mit geschlossenen Augen, war das ohnehin egal. Dass seine beiden Augenbrauen sichtbar waren war, auch wenn es etwas seltsam aussah, kein sonderlich großes Problem für ihn. Die Haare strich er aber dennoch schnell wieder ins Gesicht.
Gewohnheit war eben Gewohnheit.
Zorro musste sich inzwischen wieder entfernt haben, denn Sanji nahm ihn nicht mehr so deutlich wahr. Wahrscheinlich hatte er sich wieder hingesetzt und döste schon vor sich hin. Alles andere wäre untypisch für den Schwertkämpfer.
Innerlich war der Smutje immer noch etwas enttäuscht davon, dass ihn ausgerechnet der Marimo gefunden und so schwach gesehen hatte. Wenn es zumindest eine der Ladys gewesen wäre … Alleine bei dem Gedanken wurden seine Augen zu Herzen. Die Vorstellung von Nami oder Robin in der Kleidung einer Krankenschwester war einfach nur traumhaft.
„Wieder auf dem Damm, Schnitzelklopfer?“, holte ihn Zorros Spott wieder in die Realität zurück.
„Klappe, Marimo. Außer du willst dich unbedingt prügeln.“ Da war sie wieder, die gesegnete Normalität.
„Ich schlag mich nicht mit Blinden.“
„Hast du etwa Angst? Du triffst mich doch eh nicht. Da müsstest du mich schon noch zusätzlich fesseln, damit du eine Chance hast … wobei, nicht einmal dann.“
„Ach, geh einfach wieder zurück in die Küche, Blondchen.“
„Ich sag’s ja, Angst. Warst ja nicht einmal stark genug, um deine geliebten Zahnstocher zu beschützen.“
„Jetzt reicht es! Ich kann genauso ohne Schwerter kämpfen.“ Zorro sprang auf, Sanji konnte den Luftzug spüren, und stürzte sich direkt auf den Smutje, rechnete anscheinend fest damit, dass dieser zurückschlagen würde.
Doch dieser kaum Zeit zum Reagieren, da er nicht rechtzeitig gemerkt hatte, was los war. Er duckte sich, rollte sich zur Seite. Zum Parieren wäre er nicht erst gekommen. „Spinnst du?“, rief er.
Er merkte deutlich, wie sich seine Herzfrequenz sich beschleunigt hatte. Und er wusste nun, was ihn die ganze Zeit schon gestört hatte. Seine Hakifähigkeiten waren blockiert. Er konnte nicht mehr so gut wahrnehmen, wenn sich jemand ihm unerwartet näherte.
Zorro hatte noch immer nicht reagiert, aber Sanji war sich sicher, dass er noch immer dort stand, wo er sich zu Beginn seiner Attacke befunden hatte.
Der Smutje atmete tief durch, versuchte wieder runterzukommen. Letztendlich war ja nichts passiert. Und selbst wenn Zorro ihn erwischt hätte, wäre das auszuhalten gewesen. Aber trotzdem. Es hätte durchaus in die Hose gehen können. Er begann zu schimpfen. „Wenn ich diesen Kerl in die Finger bekomme, ist er dran! Verdient hätte er es!“
„Ich bin ein Trottel.“ Zorro klang erstaunlich zerknirscht.
„Schön, dass du das endlich einsiehst, Spinatschädel, aber ich meinte nicht dich.“
„Häh?“ Der Schwertkämpfer klang verwirrt. Er hatte wahrscheinlich erwartet einen kräftigen Tritt zu kassieren, oder dass er eine Moralpredigt über sich ergehen lassen musste.
Der Smutje richtete sich wieder auf und lehnte sich erneut gegen den Baum. Leise seufzte er. „Ich rede von Salmor. Oder anders gesagt: Einem Schatten aus der Vergangenheit.“
„Hm?“
Es war nicht mal ein richtiges Wort gewesen, aber der Smutje war trotzdem erstaunt. Die indirekte Frage klang weniger verwundert, mehr interessiert. Und dass Zorro so reagierte, war nicht gewöhnlich, weshalb er versuchte, diesen abzuwiegeln. „Nicht so wichtig.“
„Von meiner Vergangenheit habe ich dir auch erzählt.“
Sanji wusste genau, worauf Zorro hier anspielte. Als Chopper gerade zu ihrer Bande hinzugestoßen war, hatte sich Kuinas Todestag gejährt, was damals niemand gewusst hatte. Da seine Nakama daher wissen wollten, wieso Zorro noch mieser drauf war als üblich, hatten Nami und Ruffy ihn gezwungen Zorro bei seiner Nachtwache Gesellschaft zu leisten, wo dieser ihm tatsächlich erzählt hatte, was mit ihm los war.
Es wäre daher eigentlich nur fair, Zorro auch zu erzählen, woran er nun denken hatte müssen. Vergangenheit gegen Vergangenheit, oder so ähnlich. Mit etwas Glück interessierte es den Schwertkämpfer trotzdem nicht und er hörte nicht wirklich zu. Sanji überlegte einen Augenblick. Selbst wenn doch, der Schwertkämpfer war niemand, der Dinge weitererzählte. Er konnte schweigen wie ein Grab und tat dies bevorzugt auch.
Außerdem waren sie, wenn auch auf eine verquere Art und Weise, Freunde. Er konnte ihm ruhig vertrauen. Auch wenn es um eine Geschichte ging, die bisher gerade einmal Jeff kannte.
„Meinetwegen“, murmelte er. „Du weißt, dass ich im North Blue geboren bin?“ Er wartete nicht ab, ob Zorro ihm antwortete. „Jedenfalls, vor einigen Jahren … ich glaube zwölf oder dreizehn, es war jedenfalls kurz nachdem ich auf der Orbit als Küchenjunge angeheuert habe, ist etwas passiert, das mich nachhaltig verändert hat. Das Schiff hatte gerade an einer Insel angelegt und ich hatte etwas Freizeit bekommen. Es war mitten im Winter, ich weiß noch, wie ich mit den Kindern des Dorfes, im Schnee gespielt habe.“ Sanji klang an dieser Stelle etwas wehmütig. „Eigentlich hätte ich längst wieder an Bord gewesen sein müssen, aber ich wusste, dass wir noch nicht so bald auslaufen würden, weshalb ich diese Zeit nicht sonderlich ernst genommen habe. Eigentlich war das sogar noch mein Glück. Ich habe keine Ahnung, was passiert wäre, wenn ich etwas eher durch das Dorf gegangen wäre.“ Ein bitterer Unterton begleitete die nächsten Worte. „Eigentlich war da schon alles vorbei, als ich, oder besser wir, das Dorf erreicht hatten. Das was ich dort gesehen habe … es war … es grausig.“
Ab hier stockte der Smutje oft. Er beschrieb die Szene, den Leichenberg, der mitten auf dem Dorfplatz gelegen hatte. Er beschrieb, wie er erkannt hatte, dass dort fast sämtliche Bewohner des Dorfes lagen. Die nette alte Frau, die ihm immer wieder ein paar Kekse zugesteckt hatte. Die Mutter eines Mädchens, das er dort kennengelernt hatte. Das ihn Ohnmacht gefallene Mädchen, nachdem es seine Mutter gesehen hatte. Er beschrieb, wie er losrannte, in Richtung seines Schiffes, um Hilfe zu holen und wie er dabei an der Taverne vorbeirannte.
„Ich hörte, dass drinnen etwas los war und wollte wissen, wer feierte, während sich so etwas draußen abgespielt hatte. Wenn ich etwas nachgedacht hätte, wäre ich sicher darauf gekommen, dass es sich nur um diese Typen handeln konnte, die dieses Massaker angerichtet hatten. Hab ich aber nicht. Ich bin nur direkt neben der Tür stehengeblieben und habe gelauscht. Die Piratenbande, die sich darin befand nannte sich ‚Das Auge‘ – ich habe das allerdings erst später erfahren – und gehörte damals zu den gefürchtetsten Banden im North Blue. Wahrscheinlich war sie auch eine der größten. In der Bande waren auch einige Wissenschaftler, darunter auch deren Kapitän, die es als ihre große Aufgabe sahen an Menschen zu forschen.“ Dass der Smutje nichts von deren Gesinnung hielt, war deutlich herauszuhören. „Sie haben damit geprahlt, an ein paar der Dorfbewohner Experimente durchgeführt und interessante Ergebnisse bekommen zu haben. Als ich das gehört habe, bin ich ausgeflippt und einfach hineingestürmt. Nachträglich gesehen, war das definitiv die mieseste Idee, die ich jemals hatte.“
Er schluckte. Sein Mund war zu trocken, um weiterzureden. Etwas zu erzählen war für seinen ohnehin vorhandenen Durst nicht gerade förderlich gewesen. Der Schwertkämpfer schien dies nach einem weiteren, deutlich hörbaren Schlucken von Sanji bemerkt zu haben.
„Hier“, gab Zorro klar vernehmbar von sich. Zeitgleich spürte und hörte der Smutje einen Luftzug – er ähnelte stark dem, den Zorro mit seinen Schwertern verursachen konnte, auch wenn dieser hier nicht schneidend war – und hob instinktiv die linke Hand, um abzufangen, was auch immer da kommen mochte.
So schnappte er – mehr oder minder elegant – eine Wasserflasche, wie er nach kurzem fühlen erkannt hatte. Er leerte sie in nur einem Zug und legte sie dann neben sich, ehe er weitererzählte. Er wollte die Erzählung so schnell wie möglich beenden.
„Sie haben keine Minute gebraucht, um mich einzufangen. Ich wurde als Nummer 14 betitelt und einer der Piraten – ich würde heute einiges darauf verwetten, dass das Salmor war – hat angefangen sich Notizen zu machen, auf einem grausam grünen Klemmbrett. Wobei das noch das angenehmste an der Situation war. Denn ich musste … sie zwangen mich …“ Ihm fehlten plötzlich die Worte.
„Überspring es einfach, wenn du nicht darüber reden kannst.“
Sanji verkniff sich eine Antwort, sie wäre nicht angemessen gewesen dafür, dass der Mooskopf erstaunlich viel Verständnis zeigte. Eigentlich war es ja nicht einmal so, dass er es ihm nicht erzählen wollte, er konnte es schlichtweg nicht. „Gut“, fuhr er schließlich fort. „Es endete jedenfalls damit, dass man mir etwas ins linke Auge getropft hat. Diese Schmerzen werde ich wohl nie vergessen. Könnte aber auch daran liegen, dass ich seitdem auf diesem Auge blind bin. Es ist anscheinend sogar deren Markenzeichen, ihre Opfer zumindest auf einer Seite zu blenden.“ Er spürte deutlich, dass Zorro ihn nun eindringlich musterte.
„Aber dein linkes Auge sieht doch ganz normal aus.“
„Das war ursprünglich mein rechtes Auge, Marimo“, erklärte Sanji, während er sich nebenbei eine weitere Zigarette ansteckte. „Die letzten zwei Jahre auf Momoiro-Island haben mich in mehr als einer Hinsicht verändert. Eine der Transen dort hat die Tausch-Tausch-Frucht gegessen. Als ich ihr in die Hände gelaufen bin, hat sie sich einen Spaß daraus gemacht, diverse Körperteile von mir zu vertauschen. Die Augen sind nie zurückgetauscht worden.“ Er paffte einen kleinen Rauchkringel aus.
„Hm.“ Zorro wusste offenbar nicht, was er nun sagen sollte. Alles andere hätte Sanji auch endgültig verwundert, da Redegewandtheit nicht gerade zu den Stärken des Schwertkämpfers zählte.
Gedankenverloren rieb sich der Smutje mit dem Ärmel seines Hemdes über die Augen. „Oh“, machte er. Er wischte erneut über eines seiner Augen, strich dabei auch die Haarsträhnen beiseite, sodass man wieder sein gesamtes Gesicht sehen konnte. „Ich glaube, das rechte Auge hat nicht so viel abbekommen. Ich kann es wieder öffnen. Eigentlich echt schade, dass ich hier nichts sehe.“
Auch wenn er die Rektion seines Nakama nicht beobachten konnte, war er sich sicher, dass dieser sein Auge entweder entsetzt oder fasziniert anstarrte. Wobei er zu letzterem tendierte. Es war immer wieder aufs Neue bizarr, wie die Menschen, sofern sie davon wussten, auf sein Auge reagierten. Jeff hatte nach einer Weile höflich weggesehen. Chopper wollte sofort alle möglichen Tests durchführen, Sanji hatte ihn regelrecht bremsen müssen. Lysop war vor Schreck fast umgekippt. Allerdings musste der Smutje zugeben, dass er dem Kanonier gegenüber nicht sonderlich angemessen reagiert hatte, da er vermeiden wollte, dass alle davon wussten.
Alternativ konnte der fast-Kollaps von Lysop aber auch damit zusammenhängen, dass das Auge wirklich nicht gesund aussah. Während Sanjis, damals noch rechtes, Auge völlig normal aussah, hatte das ursprünglich linke eine seltsam grünliche Pupille und war von einem feinen Adergeflecht durchzogen.
Ruckartig ließ der Smutje die Haarsträhnen zurück an ihren Platz fallen. Zorro hatte inzwischen genug gestarrt. „Wir sollten die anderen suchen gehen“, sagte er und erhob sich. Die Zigarette hatte er inzwischen fertig geraucht und den Stummel in einer kleinen Abfallbox verstaut.
Er lauschte, konnte aber nicht hören, dass Zorro sich bewegte. Er brauchte wohl noch einen Moment, um alles zu verarbeiten. „War das etwa zu viel für deinen kleinen Kopf, Kugelalge?“, spottete Sanji, jedoch ohne die übliche Schärfe in der Stimme, da er ahnte, weshalb sein Gegenüber nicht in die Gänge kam.
„Ach, sei ruhig, Küchenschabe“, kam es leise grummelnd zurück. Sanji hörte, dass Zorro sich inzwischen doch erhoben hatte und langsam näher kam. „Die Marine ist übrigens auf den Weg hierher“, erwähnte der Schwertkämpfer spontan noch.
„Ich weiß. Im Gegensatz zu dir habe ich nämlich Ohren. In Miartz reden sie schon darüber, scheint wohl die monatliche Sicherheitspatrouille hier zu sein. Wie hast du das mitbekommen? Bist du in die Soldaten reingelaufen?“
„Klappe. Sag mir lieber, wie du dir das vorstellst, nicht sofort gegen den nächsten Baum zu laufen, sobald wir unterwegs sind.“
„Verdammt.“ Dem Smutje wurde eben etwas klar. „Marimo?“
„Ja?“ Anscheinend hatte es auch bei Zorro zu dämmern begonnen, während Sanji sich gedanklich fragte, seit wann der Schwertkämpfer eigentlich ohne weiteren Protest auf diesen Spitznamen reagierte.
„Wenn ich wegen dir irgendwo dagegen laufe, bist du erledigt.“
Wenn es nicht so abwegig wäre, hätte Sanji geschworen, dass der Mooskopf jetzt lächelte. „Dann erwarte ich einen fairen Kampf, Gemüseputzer.“
Sanji setzte sich abrupt in Bewegung. „Kannst du haben, Einauge.“
Wider erwarten kommentierte der Schwertfuchtler das nicht weiter, sondern überbrückte lediglich die kurze Distanz zwischen ihnen und legte Sanji eine Hand auf die Schulter, um ihn wenn nötig zu lenken oder zu bremsen, ohne große Worte verlieren zu müssen. Und der Smutje wusste, dass ihn sein Nakama tatsächlich nirgendwo dagegenlaufen lassen würde.
Sie mussten lediglich noch den richtigen Weg finden.
Innerlich stöhnte Sanji auf, nachdem ihm klar wurde, was das eigentlich bedeutete. Er musste darauf vertrauen, dass diese orientierungslose Kugelalge wieder zum Schiff finden würde. Das würde definitiv noch interessant werden. Alternativ auch ein einziger Irrweg.
„Auch wenn ich eigentlich nichts gegen diese Viecher habe, ist das hier definitiv nicht sonderlich lustig“, schimpfte Lysop, während er sich eine Unzahl weißer, klebriger Fäden – auch Spinnennetze genannt – von den Klamotten streifte.
„Findest du?“, fragte Brook, den die Spinnweben kein bisschen zu stören schienen.
„Es krabbelt übrigens gerade eine Spinne aus der Augenhöhle.“
„Was?“ Mit einem Entsetzenschrei sprang Brook auf und rannte umher, zerriss dabei weitere Spinnennetze und klaubte dabei noch das eine oder andere weitere Tier auf.
Lysop schüttelte nur den Kopf. Es war immer wieder amüsant, dass ausgerechnet er die geringsten Probleme mit Krabbeltieren aller Art hatte. Nami oder Sanji hatten etwas größere Probleme mit Spinnen. Brook störte sich im ersten Moment wenig an Insekten, aber sobald sie sich innerhalb seines Körpers befanden, insofern man bei einem Skelett überhaupt davon sprechen konnte, drehte er durch. Chopper hatte etwas gegen Ameisen, auch wenn Lysop keine Ahnung hatte weshalb. Franky und Robin dagegen … nun, immerhin schleppten sie nicht – wie Ruffy – alle naselang Hirschkäfer an. Wobei es ein Wunder war, dass der Strohhut noch nicht aus den Kopfnüssen Namis gelernt hatte. Dachte er näher darüber nach, war es offensichtlich, dass diese auch Käfer nicht sonderlich leiden konnte.
Lysop schüttelte gerade die letzte Spinnwebe ab, als er hinter sich einen leisen Seufzer vernahm. Er drehte sich herum, gerade noch rechtzeitig, um ein paar vor Brook flüchtende Spinnen zu sehen.
Das Skelett stand nun mit einer Tasse Tee in der Hand da, woher auch immer es ihn herhaben mochte, und beobachtete den Kanonier: „Bist du fertig? Wir sollten weiter, bevor uns die Spinnen noch auffressen. Und das, obwohl ich nur noch aus Knochen bestehe. Yohohohoho!“
„Ist schon gut, Brook.“ Auch wenn seine Witze manchmal wirklich gut waren, genauso oft waren sie absolut fehl am Platz.
Am Vortag waren sie eine gefühlte Ewigkeit durch diesen Wald geirrt, ehe sie irgendwann von der Dunkelheit überrascht worden waren. Sie hatten beide nicht bemerkt, dass die Sonne dabei war unterzugehen, weshalb sie sich keinen Unterschlupf gesucht hatten und auf dem blanken Waldboden hatten nächtigen müssen.
Nicht, dass dies sonderlich ungewöhnlich war, bei ihren Abenteuern hatten sie das schon mehrmals tun müssen, es war aber dennoch ärgerlich. Vor allem, da sie dieses Mal nicht einmal ein Lagerfeuer hatten, da sie im Dunkeln nicht nach brauchbaren Holz suchen konnten.
Sie stapften noch immer, inzwischen verstärkt mit dem Wunsch bald etwas zu finden, das ihnen weiterhelfen würde. Sie hatten beide nicht wirklich eine Idee, wo das Versteck der Entführer von Ceasar, Kinemon und Momonosuke war. Klar, sie hatten ein grobes Zielgebiet, aber das mussten sie erst einmal erreichen. Und selbst wenn sie dort waren, war es wie die Suche nach einer Nadel in einem Heuhaufen.
„Meinst du, wir finden erst Zorro oder Ruffy, oder auf die Leute, die hinter diesem komischen Auge stecken?“
Brook stoppte und dachte wohl nach. Dabei schaffte er es erneut eine Tasse Tee herzuzaubern. Er nahm einen großen Schluck, verschluckte sich daran und blickte anschließend Lysop an. Mit dunkler Stimme raunte er: „Das Schicksal ist unergründlich.“
Der Kanonier krachte zu Boden. Eigentlich hätte es ihm klar sein müssen, dass er keine vernünftige Antwort bekommen würde.
„Wie wäre es, wenn wir hier entlang gehen?“, schlug Brook vor, als wäre nichts gewesen. In der Richtung, in die er zeigte, schien der Wald sich zu lichten.
„Meinetwegen“, stimmte Lysop ihm zu. „Schlimmer kann es ja eigentlich nicht mehr werden.“
„Yohohohoho. Doch, das geht.“
„Wie zum Beispiel?“ Fragend sah Lysop seinen Nakama an.
„Naja, die Marine könnte vorbeikommen.“
„Ich hoffe doch, dass das nicht passiert. Mir hat Smoker vor ein paar Tagen schon gereicht.“ Er verzog sein Gesicht zu einer missmutigen Grimasse, als er an ihr Aufeinandertreffen dachte. Es war eigentlich mehr als nur ein Wunder, dass sie sie hier unbeschadet davongekommen waren. Obwohl Smoker da eigentlich nur das kleinere Übel war. Eigentlich sogar eine Hilfe, wenn man es genauer betrachtete.
Die beiden hatten inzwischen den Waldrand und damit eine Steinwüste erreicht. Der Übergang war abrupt und wahrscheinlich nicht natürlichen Ursprungs. Doch das war für sie gerade nicht relevant.
Sie versuchten darauf zu achten, den Wald immer im Rücken zu haben, damit sie immer dieselbe Richtung halten konnten und nicht in die Irre liefen. Mit etwas Glück waren sie so auf dem richtigen Weg.
Zumindest die grobe Himmelsrichtung schien zu stimmen, wie Lysop am Stand der Sonne ablesen konnte.
„Was ist das denn?“, wunderte sich Brook.
„Was meinst du?“
„Das da hinten.“
„Hm.“ Lysop blickte in die Richtung, in die das Skelett zeigte und erkannte schließlich, was es meinte. Dort hinten schien sich eine größere Ansammlung gigantischer Felsbrocken zu befinden, was er dem anderen so auch mitteilte.
„Hm.“
„Wir könnten uns das auch einfach mal anschauen“, überlegte Lysop laut, obwohl er ein extrem ungutes Gefühl bei der Sache hatte.
Brook nickte und marschierte direkt los. „Kommst du?“, rief er dem Kanonier zu, als dieser keinerlei Anstalten machte, zu ihm aufzuschließen.
„Ja, ich komme schon“, murmelte dieser und folgte seinem Nakama.
Es dauerte nicht lange, bis sie die Felsansammlung erreicht hatten und Lysop war zugegebenermaßen trotzdem recht froh, als sie dort waren, da er dort etwas Schatten hatte. In der Sonne war es langsam etwas warm geworden, auch wenn hier bereits Herbst zu sein schien.
Lysop lehnte sich gegen einen der Felsen und beobachtete Brook, der sich näher umsah. Dabei fiel ihm eine seltsame Stelle nicht unweit von ihm auf. Er richtete sich auf und trat interessiert näher an sie heran. Versteckt zwischen zwei Felsen befand sich ein Loch im Boden, durch das problemlos mehrere Menschen passen würden.
„Dort unten könnten Geister sein, yohohohoho.“
Mit einem Aufschrei sprang der Kanonier zurück. Er hatte nicht bemerkt, dass Brook hinter ihm gestanden hatte. „Spinnst du?“, rief er.
Brook zuckte nur mit den Schultern. „Ich frage ja nur.“
Lysop warf einen erneuten Blick auf das Loch. Dabei war er sichtlich beunruhigt. „Naja … bei meiner Geisterallergie wäre es nicht so klug, wenn ich da hinunter steige. Sieht so aus, als müsstest du alleine hinein.“
„Yohohohoho.“ Erst schien sich das Skelett darüber zu amüsieren, dann auf einmal, als wäre ihm etwas klar geworden, klang seine Stimme seltsam tonlos. „Das ist nicht gut.“ Er schwieg einen Augenblick. „Wie wäre es, wenn wir auf die anderen warten? Die wollen sicher auch noch etwas zu tun haben, wir können schließlich nicht alles für sie erledigen.“
Sofort war Lysop wieder auf dem Damm. „Ja, das ist eine wirklich hervorragende Idee. Genau diesen Plan wollte ich eben auch vorschlagen.“
„Sag mal, hörst du das eigentlich auch?“
„Was denn?“ Der Kanonier trat wieder auf Brook zu, der sich aus dem Schatten des Felsens bewegt hatte und nun in die Ferne starrte.
„Die Marine ist hier.“
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ Er drehte sich selbst in die Richtung, in die das Skelett blickte. „Verdammt!“ Panisch sah er sich um, ehe er einen Ort entdeckte, an dem sie sich beide verstecken konnten. „Komm mit.“
Keine Sekunde später war er in einer Felsnische verschwunden und hatte Brook einfach mit sich gezogen. Ein Teil der Marinesoldaten hielt genau auf das Loch im Boden zu, der Rest von ihnen versammelte sich auf der freien Fläche zwischen den Steinen.
„Vizeadmiral Mozambia, wir haben den Eingang zum Tunnelsystem gesichert. ‚Das Auge‘ muss es sich hier unterirdisch eingerichtet haben.“ Ein sichtlich sehr junger Soldat war vor den Vizeadmiral getreten, der durch seinen Mantel deutlich als der Ranghöchste der Gruppe erkennbar war. Für einen Menschen war er groß gewachsen. Sein grimmiger Gesichtsausdruck und die Narbe auf seiner linken Wange stachen ebenfalls sehr deutlich aus der Menge an Soldaten heraus.
„Gut“, meinte er. „Dann wollen wir die Ratten mal aus ihrem sinkenden Schiff locken. Noch einmal werden sie sich nicht an den Erfindungen von Doktor Vegapunk bedienen.“
„Ja, Sir. Was genau sollen wir jetzt tun?“
„Schickt ein paar Soldaten nach unten. Nicht so viele, dass sich der Kampf komplett nach unten verlagert, aber auch nicht so wenige, dass sie keine Chance haben. Ich will sie nach oben locken. Sie werden ihrer gerechten Strafe nicht entkommen!“
Lysop schluckte. Ein Glück, dass sie sich versteckt hatten. Sie mussten ja auch ausgerechnet einem Vizeadmiral über den Weg laufen. Seine Vermutung, dass je weiter man auf der Grandline kam, man diesen immer öfter begegnete, schien sich wieder einmal zu bestätigen.
„Wird Ceasar nicht auch von der Marine gesucht?“, flüsterte er Brook zu.
Dieser zuckte mit den Schultern, meinte aber dennoch: „Aber er hat sich anscheinend auch an Vegapunks Erfindungen bedient. Hat zumindest Law erzählt.“
„Das ist nicht gut. Das heißt, dass wenn die Marine Ceasar erwischt, wir unseren Plan Flamingo herauszufordern und so Kaido zu schwächen vergessen können.“ Er überlegte einen Augenblick. „Wobei … so schlecht wäre das nicht einmal. Wir könnten uns einige Kämpfe sparen. Ich glaube, wir sollten uns zurückziehen.“
„Also ich finde einen wütenden Trafalgar Law gefährlicher.“
„Danke für deine Unterstützung, Brook.“ Lysop seufzte. Er ahnte genau, worauf das hier hinauslaufen würde. Er schwieg wieder und bedeutete dem Skelett ebenfalls leise zu sein. Sie waren anscheinend noch nicht bemerkt worden, aber wenn sie weiter redeten, war dies nur eine Frage der Zeit. Vielleicht konnten sie, wenn sie leise waren, auch noch die ein oder andere nützliche Information erlauschen.
„Wer von euch hat meine Schwertpolitur mitgenommen?“
„Vizeadmiral, ich habe sie.“ Ein anderer Soldat, ebenso jung wie der Vorherige, salutierte und hielt seinem Vorgesetzten ein Fläschchen hin.
„Sehr gut.“ Mozambia nahm dieses entgegen und ließ sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. Zur allgemeinen Verwunderung begann er damit, sein Schwert genauestens zu überprüfen und letztendlich zu polieren.
„Sollten wir nicht …“, wagte es einer der Soldaten anzusetzen, doch er wurde vom Vizeadmiral unterbrochen.
„Die Waffe sollte immer perfekt in Schuss gehalten werden, denn daran hängt euer Leben. Lieber überprüft ihr ihren Zustand einmal öfter als es notwendig ist, als einmal zu wenig. Das könnte nämlich euer Tod sein. Und da uns hier keine unmittelbare Gefahr droht, die Situation ist kontrollierbar, ist der Moment perfekt dafür.“
„Aye, aye, Sir!“
Jetzt überprüften, zur Belustigung von Lysop und Brook, fast sämtliche Soldaten ihre Waffen aufs Genaueste. Die beiden mussten sich inzwischen sehr anstrengen, um ihr Lachen zu unterdrücken. Irgendwann konnte Lysop sich nicht mehr halten und war kurz davor, laut heraus zu prusten, als sich eine Hand vor seinen Mund legte.
Es dauerte einen Augenblick, ehe er sich wieder beruhigt hatte. Und exakt in diesem Moment, zog sich die Hand wieder zurück. Er wollte sich schon bei Brook dafür bedanken, als ihm einfiel, dass es nicht Brooks Hand gewesen sein konnte, da die seine nicht mehr auf Fleisch und Blut bestand.
Er drehte sich um sich selbst und rief – unglücklicherweise in voller Lautstärke, da er die Marine für den Moment komplett vergessen hatte: „Wer ist da?“ Die Folgen bekamen die beiden sofort zu spüren.
„Ich glaube, wir haben hier ein kleines Problem“, kommentierte Brook. Gleichzeitig wurden die beiden unsanft aus ihrem Versteck gezerrt, da sie noch zu perplex waren, um sich zu wehren.
„Wer seid ihr?“, wollte einer der Soldaten wissen. Sein Schwert war gezückt und seine Spitze richtete sich genau auf ihre Hälse.
„Nun, wir sind Forschende. Genau, wir reisen auf der Grandline umher, um Gesteine zu untersuchen“, begann Lysop seine Erklärung.
„Und warum seid ihr so im Verborgenen gesessen?“
„Das ist eine gute Frage“, antwortete Brook, der sich inzwischen mit einer Tasse Tee in der Hand gegen einen Felsen gelehnt hatte. Laut schlürfend trank er ein paar Schlucke.
„Hört nicht auf ihn“, versuchte Lysop abzuwiegeln, „er ist nur mein Gehilfe. Wir untersuchen hier nämlich die Art des Gesteins.“ Er klopfte auf den Felsen, neben dem er stand. „Diese hier haben zum Beispiel einen ganz speziellen Dichtegrad, den man sonst nirgendwo auf der Grandline findet.“
„Und um welchen Stein handelte es sich genau?“, mischte sich nun auch Mozambia ein.
„Ähm.“ Der Kanonier überlegte. Spontan fiel ihm nur Sandstein ein, aber selbst ein Blinder konnte erkennen, dass die Felsbrocken hier aus einem anderen Material waren.
„Ist auch nicht so wichtig.“ Der Vizeadmiral lächelte nun, dann wandte er sich an seine Männer. „Die beiden dürften zur Strohhutbande gehören. Nemt sie fest.“
„Yohohohoho. Das ist wirklich nicht gut.“ Brook griff nach seinem Gehstock und zog daraus seine Klinge hervor.
„Auch schon gemerkt?“ Lysop zückte sein Kabuto. Er musste etwas Abstand bekommen. So nah an seinen Gegnern konnte er nicht kämpfen. Er wusste nicht, auf wen er zielen sollte.
Das Skelett hatte sich derweil schon auf die Soldaten gestürzt.
„Ein bisschen noch“, murmelte Chopper und drehte sich etwas. Die Augen hatte er geschlossen und er wünschte sich, dass diese Störung aufhörte. Irgendetwas rüttelte an ihm und schien nicht nachzulassen. Dann meinte das Rentier plötzlich eine Stimme zu hören, die ihn rief.
„Chopper.“
„Mhh.“ Er drehte sich in die andere Richtung und rollte sich zusammen.
„Chopper, aufwachen.“
Er schreckte hoch, konnte seine Augen aber kaum aufhalten. Noch verschlafen begann er diese zu Reiben. „Was ist?“, fragte er leise.
„Wir sollten weiter“, sagte eine Frau mit sanfter Stimme. Es dauert einen Moment, ehe das Rentier diese Frau als Nico Robin identifiziert hatte.
„Hm, ja“, antwortete er daher mit einiger Verzögerung.
Doch ehe Robin noch etwas darauf sagen konnte, schrie Franky zu ihnen herüber: „Hat einer von euch meine Cola gesehen?“
Chopper kratze sich am Hinterkopf und blickte sich, noch immer verschlafen, um. Dann fiel ihm auf, dass er die Flasche anscheinend als Kopfkissen missbraucht hatte. Eigentlich war sie sogar sehr bequem gewesen, wie er zugeben musste. Oder zumindest bequemer, als man es von einer Flasche erwarten konnte.
„Sie liegt hier“, antwortete er.
„SUPER! Wirf sie rüber.“
Chopper mutierte zu einer etwas größeren Form und griff nach der Cola, um sie zum Cyborg zu schleudern, der sie locker fing und sogleich aufschraubte, um etwas davon zu trinken. Wie es schien, wollte er sein Frühstück heute nur darauf beschränken.
Robin hatte dem Rentier derweil eine Lunchbox aus ihrem Rucksack hervorgekramt und ihm diese überreicht. Im selben Moment, war Chopper wieder zu seiner kleinsten Form zusammengeschrumpft.
Langsam öffnete er den Deckel. Er entdeckte ein paar Reisbällchen darin, die allerdings nicht so aussahen, wie die von Sanji. Er schnüffelte prüfend an ihnen, ehe er sie vorsichtig probierte. „Wer hat die eigentlich gemacht?“ Inzwischen war ihm auch wieder eingefallen, dass Sanji verschwunden war, denn Robin hatte ihm dies am Vorabend erzählt.
„Nami“, antwortete Franky.
„Achso. Das schmeckt nämlich gut.“ Chopper lächelte.
„Naja, sie hat versehentlich Zucker in die Reisbällchen getan.“
Robin schmunzelte daraufhin. Das Rentier vermutete, dass sie es wieder amüsant fand, dass er süße Dinge so sehr mochte. In einer ruhigen Minute hatten die beiden sich einmal über die Essgewohnheiten der einzelnen Crewmitglieder unterhalten und dabei festgestellt, dass sich die Vorlieben und Abneigungen zum Teil wirklich gravierend unterschieden. Die Archäologin hatte es faszinierend gefunden, dass Sanji es dennoch schaffte, so zu kochen, dass es allen schmeckte und Chopper konnte dem nur zustimmen. Er selbst hätte damit Probleme gehabt. Abgesehen davon konnte er nicht einmal kochen, hatte es noch nicht einmal probiert.
Von einem Rascheln aufgeschreckt, wurde das Rentier aus seinen Gedanken gerissen. Robin hatte inzwischen ein Blatt Papier aus ihrem Rucksack gezogen und betrachtete es näher. Auch wenn es für ihn kopfüber war, konnte er erkennen, dass es sich hier um eine Karte der Insel handelte. Wahrscheinlich schaute sie nach, ob sie noch auf dem Richtigen weg waren.
Dann blickte sie auf und sah kurz zu ihren beiden Nakama. „Können wir dann los?“, fragte sie.
„Einen Moment noch“, schallte es ihr daraufhin entgegen, denn Franky und Chopper hatten gerade erst damit begonnen die wenigen Dinge, die sie dabei hatten, zusammenzupacken.
„Fertig“, meinte Chopper schließlich und lächelte zufrieden.
„Gut“, meinte Robin, „aber da fällt mir noch etwas ein. Ich habe etwas für dich, Herr Schiffsarzt.“ Sie zog ihren Rucksack wieder hervor und begann, etwas darin zu suchen. „Hier. Ich habe deine Arzttasche mitgenommen. Du hast sie ja auf unserem Schiff gelassen, als du in die Stadt gegangen bist.“
„Danke, Robin.“ Das Rentier grinste bis über beide Ohren, als die Archäologin ihm seinen blauen Rucksack überreichte. Dann runzelte er die Stirn, was man durch sein Fell kaum sehen konnte. „Sag mal, wie viel passt in deinen Rucksack eigentlich hinein? So groß ist der doch gar nicht?“
Robin lächelte nur und antwortete nicht auf die Frage. Franky, der seine Sachen inzwischen auch zusammengepackt hatte kratzte sich nur an der Stirn und beobachtete die beiden. „Können wir dann los?“, wollte er nach einem längeren Moment der Stille wissen.
Die Archäologin nickte und Chopper folgte den beiden einfach, als sie schließlich losmarschierten.
Bäume zogen an ihnen vorbei und bis auf eine Baumschlange, die der Meinung war, dass Franky eine gute Mahlzeit abgeben würde und sich deswegen fast die Zähne ausbiss, hatten sie keinerlei Schwierigkeiten, was wohl nicht zuletzt auch daran lag, dass sie eine Karte hatten und damit den größten Problemen aus den Weg gehen konnten.
„Wieso gehen wir eigentlich nicht mehr am Fluss entlang?“ Das interessierte Chopper schon eine ganze Weile. Nicht, dass er Robins Kartenlesekünste in Frage stellte, aber merkwürdig fand er es trotzdem. „Wir könnten uns doch viel besser orientieren, wenn wir den als Wegweiser benutzen.“
„Wir würden dann aber auch viel länger brauchen. An der Flussbiegung müssten wir eine ganze Weile in Richtung Westen gehen, um die Brücke zu erreichen. Wenn wir querfeldein gehen, so wie jetzt, kürzen wir den Weg um ein gutes Stück ab“, antwortete sie, während sie sich mit Hilfe ihrer Teufelsfrucht gerade einen Weg durch das Dickicht bahnte.
Chopper ging dicht hinter ihr und nutzte so die entstandene Schneise direkt mit. „Aha, deswegen also.“
Der letzte in ihrer kurzen Reihe war Franky, der eine Spur der Verwüstung hinter sich ließ, da er mit seinem breiten Körper immer wieder Äste streifte und abbrach. Außerdem trampelte er Wurzeln, oder kleine Pflanzen nieder.
Zudem schien der Wald nach und nach dichter zu werden, was es allerdings für alle anstrengender machte, voranzukommen. Die größten Probleme hierbei hatte Chopper. Er war immer mal wieder etwas unaufmerksam, was dazu führte, dass sich Gestrüpp in seinem Fell verfing, weil er zu dicht an einem Busch vorbei ging, oder über eine Wurzel am Boden stolperte.
Er seufzte. Wenn es noch länger so weiterging, kämen sie nie an ihr Ziel. Langsam hatte er genug davon irgendwo mitten in der Pampa herumzurennen. Er schloss seine Augen und atmete langsam aus.
Plötzlich spürte er etwas an seinem Fuß und er bewegte sich ruckartig nach vorne. Was keine gute Idee gewesen war, wie er nun feststellte. Offenbar handelte es sich nur um eine Wurzel und er hing mit seinem Fuß daran fest. Er sah den Boden rasant näher kommen, versuchte sich abzustützen, was ihm gerade so gelang.
Als er sich jedoch wieder aufrichten wollte, rutschte er zur Seite weg, hinein in das Gebüsch neben ihn, fast hindurch, direkt an den Rand eines tiefen Grabens, der sich mitten durch den Wald zog.
Mit geweiteten Augen starrte er darauf. Er sah sich schon dort hinunterfallen und sich brechend, obwohl er sich nicht mehr bewegte.
„Chopper?“ Robin wendete sich direkt an ihn, doch das Rentier reagierte nicht.
Dann spürte er, wie er zurückgezogen wurde.
„Ich glaube, ich trage unseren Schiffsarzt lieber“, hörte er nun Franky sagen und wurde sogleich von diesem auf dessen Schultern gesetzt.
Robin nickte. „Gut.“ Dann warf sie einen prüfenden Blick auf ihre Karte. „Weit dürfte es bis zur Brücke nicht mehr sein, wenn wir annehmen, dass diese Karte korrekt ist.“ Man sah ihr an, dass sie fremde Karten nicht so sehr mochte, wie die von Nami. Diese zeichneten sich nämlich durch eine hohe Akkuratesse aus. Doch diese Insel wurde eben noch nicht von ihr vermessen.
Sie waren nur wenige Meter weitergegangen, als Chopper plötzlich ein leises Rauschen vernahm, das wohl wieder vom Fluss stammen musste. Etwas später schien auch Robin es hören können, denn die Anspannung wich sichtlich aus ihrem Gesicht.
Bald darauf schälte sich schon die Brücke aus dem Dickicht. Am Anfang war sie kaum zu erkennen, doch je näher sie kamen, desto deutlicher schimmerte der rötliche Stein aus dem Dickicht hervor. Zum Teil war der Stein mit Moosen überwachsen.
Franky trat näher heran und klopfte bewundert darauf. „Das nenne ich solide Baukunst. Hat sicher schon ein paar Jährchen auf dem Buckel.“
Auch die Archäologin trat nun näher und strich über das steinerne Geländer der Brücke. „Wenn sie reden könnte, hätte sie sicher eine interessante Geschichte zu erzählen.“ Sie nahm einen kleinen Steinbrocken, der sich gelöst hatte, in die Hand und betrachtete ihn näher. „Das ist Vulkangestein.“
„Sicher?“, wunderte sich Franky.
„Ja.“
„Hier gibt doch keine Vulkane. Ist es nicht unsinnig Vulkanstein von anderen Inseln zu holen, als normale Steine zu benutzen, die es auch hier gibt?“
„Hier gibt es schon Vulkane. Nördlich von hier, relativ nah an der Küste.“
„Oh …“
„Ehm, Franky, kannst du mich bitte wieder runterlassen?“, meldete sich nun auch Chopper wieder zu Wort.
„Natürlich“, antwortete der Cyborg und hob seinen Nakama wieder von seinen Schultern, um ihn am Boden abzusetzen, der sich sogleich streckte.
„Wir sollten weitergehen“, merkte Robin nun an, „auch wenn es hier ganz interessant ist, andere Dinge haben Vorrang.“
„Ja“, stimmte Chopper zu. „Ich hoffe nur, du hast mit deiner Vermutung Recht, Robin. Was machen wir eigentlich, wenn wir Kinemon, Momo und diesen Ceasar nicht finden?“
„Das entscheiden wir, wenn es so weit ist.“ Robin seufzte kaum hörbar. „Aber ich denke nicht, dass wir sie nicht finden. Es gibt so gut wie keine anderen Versteckmöglichkeiten auf dieser Insel, wenn man lange unbemerkt bleiben will. Und nach dem was Franky gesagt und du und Lysop nicht gesagt haben, müssen die Personen, die hinter dieser Entführung stecken, schon eine Weile existieren.“
„Hm …“, machte Chopper nur. „Ja, da hast wahrscheinlich Recht.“ Er überlegte erneut, ob es die richtige Entscheidung gewesen war zu schweigen, doch ehe er noch etwas sagen konnte, war Robin schon verschwunden.
Als er sich suchend umsah, bemerkte er, dass sie bereits dabei war die Brücke vorsichtig zu überqueren. Auch Franky schickte sich schon an, den Übergang zu betreten, also beeilte sich das Rentier aufzuschließen.
Er schluckte, als er einen Fuß auf die Brücke setzte. Er mochte es nicht, wenn nur etwas bröckelnder Stein ihn vor dem Wasser schützte. Außerdem hatte die Brücke nur auf einer Seite ein Geländer, was die Angelegenheit noch einmal unangenehmer machte.
Doch er setzte weiter einen Fuß vor den anderen, hatte den Fluss letztendlich sicher überquert und damit auch den Waldrand erreicht. Sie standen nun am Rand einer gigantischen Steinwüste.
„Und jetzt?“, wollte das Rentier wissen.
„Dort entlang“, antwortete Robin und deutete nach Nordosten, woraufhin die kleine Gruppe aufbrach. Und auch, wenn es eine Steinwüste war, war es dort – zu Choppers Glück – nicht viel wärmer als im Wald.
Er fuhr sich mit dem Huf über sein Kopffell und zog sich ein paar kleine Ästchen heraus. Er würde sich wohl erst einmal gründlich bürsten müssen, wenn er wieder auf dem Schiff war.
„Kommst du, Chopper?“ Franky hatte sich zu ihm herumgedreht. Robin war inzwischen ein gutes Stück voraus.
Das Rentier setzte sich als Antwort wieder in Bewegung. Als es auf der Höhe von Franky war, ging auch dieser weiter.
Nach einer Weile hatte Chopper das Gefühl, dass er schon einmal hier gewesen war. Prüfend schnüffelte er und schaffte es tatsächlich schwache Spuren von Zorros Geruch aufzunehmen. Wahrscheinlich waren sie hier gemeinsam vorbeigekommen. Möglicherweise war es sogar die Stelle, an der er Zorro verloren hatte. Aber wusste es nicht.
Die Steine knirschten leise unter seinen Hufen. Franky dagegen bewegte sich mit einer erstaunlichen Lautstärke vorwärts. Robin konnte man gar nicht hören, so leicht setzte sie ihre Füße auf.
Chopper ließ seinen Blick über den Horizont schweifen und meinte etwas erkennen zu können. Als näher kamen, sah er, dass es sich bei dem Etwas um eine Ansammlung größerer Felsbrocke handelte.
„Dort ist es“, bestätigte Robin seine unausgesprochene Vermutung, dass dort ihr Ziel war.
Als sie noch ein Stück näher kamen, konnten sie auch eine größere Menschenmenge erkennen. Aufgrund der Tatsache, dass sie alle weiß gekleidet waren, war es nicht weiter schwer, sie als Marinemitglieder zu identifizieren.
Die Strohhüte stoppten.
„Was machen wir jetzt?“
Robin schloss die Augen und überkreuzte ihre Arme. „Ojos Fleurs!“ Es dauerte einen Moment, ehe sie weitersprach. „Lysop und Brook sind schon da. Sie haben sich zwischen ein paar Felsen versteckt.“
„Sind sie in Schwierigkeiten?“, wollte Franky daraufhin neugierig wissen.
„Nein“, antwortete Robin. „Dos Fleurs!“ Nach einer Weile löste sie ihre Teufelskraft. „Jetzt allerdings schon, wir sollten uns beeilen, ehe es zu spät ist.“ Sie begann zu rennen und kletterte mit Hilfe ihrer Teufelsfrucht am Zielort einen der größeren Felsen hinauf, während Franky und Chopper – die beiden waren ihr nach einem Moment des Begreifens gefolgt – einfach zwischen diesen hindurch und auf die Soldaten zu stürmten.
„Strong Hammer!“ Der Cyborg schaltete die ersten Soldaten aus. Ohne auf die weiteren Marinemitglieder zu achten, wandte er sich direkt an Brook und Lysop. „Braucht ihr vielleicht etwas Hilfe?“
„Yohohoho. Das wäre tatsächlich nicht schlecht. Mir blieb bis eben das Herz vor Angst schon dauernd fast stehen … dabei habe ich nicht mal ein Herz! Yohohoho. Skull Joke!“ Brook ließ sich von den Soldaten, die ihn umzingelt hatten ebenfalls nicht weiter stören.
„Waaah!“ Der Aufschrei Lysops sorgte dafür, dass sich die beiden und Chopper herumdrehten, in Sorge, er könnte tatsächlich ernsthafte Probleme haben. Allerdings konnten sie lediglich beobachten, wie Robin den Kanonier mit Hilfe einer Kette ihrer Arme aus der Gefahrenzone brachte und ebenfalls auf einem der höheren Felsen absetzte.
„Danke, Robin“, murmelte Lysop schließlich. Dann rückte er seine Brille zurecht und ging mit seinem Kabuto in Angriffsstellung. Binnen Sekunden hatte er in seine übliche Überheblichkeit zurückgefunden. „Macht euch auf etwas gefasst! Green Star: Devil! Hier in der neuen Welt mag die Marine zwar stärker sein, aber ich bin ein tapferer Krieger der Meere.“ Er gab mehrere Schüsse ab. „Nehmt das, ihr feigen Hunde!“ Eine weitere Salve ging auf die Marinesoldaten nieder.
Die kurzzeitige Verwirrung nutzte Chopper. „Kung Fu Point!“ Er mutierte und schleuderte so ein paar Angreifer zur Seite.
Der anwesende Vizeadmiral ließ sich von diesem Auftritt und der Tatsache, dass die Strohhüte scheinbar keine Schwierigkeiten gegen seine Männer hatten, wenig beeindrucken. Er dachte wohl, dass er selbst jederzeit das Ruder herumreißen konnte, würde er nur wollen.
„Donnerschlag!“ Es krachte, als der fliegende Schwerthieb den Felsen durchschnitt, auf dem Nico Robin stand. Sie krachte mit den Trümmern zu Boden.
Ein weiterer Schwerthieb folgte. Dieses Mal erwischte es den Standort Lysops, der nun ebenfalls zusammenstürzte.
Zeitgleich begannen Menschen aus dem Loch im Boden stürmen. Auch wenn maximal zwei gleichzeitig ins Freie treten konnten, wurden es in einem rasanten Tempo immer mehr. Und diese Männer hatten eine bizarre Gemeinsamkeit: Sie alle hatten ein linkes Auge mit einer seltsam grünlichen Pupille, das zudem von einem feinen, aber deutlich sichtbarem Adergeflecht durchzogen war.
„Du bleibst jetzt hier, Strohhut-ya!“
„Aber wieso denn?“, wollte dieser wissen, blieb aber dennoch stehen.
Law, dessen Geduld seit der Aktion im Restaurant ohnehin schon leicht überstrapaziert war, war kurz davor endgültig die Nerven zu verlieren. Seekönige, die Marine, Eustass Kidd, Kopfgeldjäger, Kaido, Blackbeard … all diese Gefahren waren wahrlich nichts gegen einen Tag mit dem Strohhut. Alleine. Ohne dessen Nakama.
„Weil ich keine Lust darauf habe, dass du wieder Tiger, die nebenbei bemerkt Säbelzähne hatten, auf mich schleuderst, oder anfängst mit Baumschlangen zu ringen und deshalb fast gefressen wirst.“
Ruffy grinste breit. „Was ist daran so schlimm? War doch lustig!“
Law atmete tief ein und ganz langsam wieder aus. „Du hast noch nie etwas von Rücksichtsnahme gehört, oder?“
„Nö“, antwortete er.
„Dachte ich mir …“ Law seufzte leise. Er seufzte ein weiteres Mal, dieses Mal deutlich lauter, als er bemerkte, dass der Strohhut schon wieder verschwunden war.
Inzwischen war es ihm ein einziges Rätsel, wie er es jemals für eine gute Idee halten hatte können, eine Allianz mit der Strohhutbande zu bilden. Sicher, einen gewissen Ruf hatten sie und schwach waren sie ebenfalls nicht, aber die Mannschaft bestand fast nur aus Kindsköpfen. Einzig bei Nico Robin war er sich sicher, dass sie wirklich Verstand besaß.
„Schau mal, was ich gefangen habe!“ Der Schrei eilte seinem Besitzer ein gutes Stück voraus. Es dauerte noch eine Weile, ehe Law Ruffy durch das dichte Blätterdach hindurch sehen konnte. Schließlich ließ sich der Strohhut direkt vor ihm auf den Boden fallen. In der Hand hielt er eine weitere Baumschlange die gerade versuchte, sich mit ihrem hinteren Körperdrittel um den Gummimenschen zu winden und ihn zu zerquetschen, was diesen jedoch nicht sonderlich zu stören schien.
Law antwortete nichts darauf, sondern zog nur eine Augenbraue nach oben.
„Daraus könnte man sicher einen leckeren Snack machen.“ Ruffy begann zu sabbern und starrte mit einem merkwürdigen Ausdruck auf die Schlange, die nun entschlossen hatte, sich stärker zusammenzuziehen. „Fleisch …“ Sein Blick wurde traurig und aus großen Augen starrte er Law an. „Traffy, ich habe Hunger.“
„Es ist noch keinen halben Tag her, seit du das Gasthaus leergefressen hast“, erwiderte er nur knapp.
„Aber es ist trotzdem zu lange her. Viel zu lange.“ Dann hellte sich sein Gesicht plötzlich auf. Er wickelte die Schlange nicht sehr sanft von seinem Körper, schmiss sie irgendwo ins Gebüsch und zog sich an einem Ast wieder nach oben. „Bis später, Traffy!“
„Bis später … Strohhut“, murmelte Law leise. Ruffy hätte es ohnehin nicht gehört, denn er war bereits auf und davon. Er selbst würde einfach weitergehen und hoffen, dass Ruffy noch eine Weile beschäftigt war. Und so unwahrscheinlich es auch war, dass der Strohhut wieder auf ihn stieß, es würde mit Sicherheit passieren.
Unterm Gehen zog der Chirurg des Todes einen kleinen Zettel aus der Hosentasche und legte ihn offen auf den Handteller seiner rechten Hand. Er hatte sich im Laden heute Morgen eine Vivre Card des Strohhutes anfertigen lassen, da diese sicher noch nützlich werden würde. Im Moment bewegte diese sich in dieselbe Richtung, in die er unterwegs war, zuckte jedoch hin und wieder leicht nach links oder rechts.
Ruffy war nicht lange genug an einem Ort, als das die Karte hilfreich werden könnte. Mehr als zur groben Suche nützte sie nichts.
Law duckte sich leicht, um nicht gegen einen größeren Ast zu laufen, der direkt auf Augenhöhe über dem Trampelpfad hing und schob gleichzeitig ein paar dürre Ästchen beiseite, um nicht an ihnen hängen zu bleiben.
Stellenweise war der Weg nur mehr schwach zu erkennen, lediglich dort, wo Ruffy direkt durch das Gebüsch gebrochen war, konnte man leicht vorankommen. Und diese Stellen bestätigten Law zudem, dass er auf dem richtigen Weg war.
Hätte er gekonnt, wäre er einfach zurück zur Thousand Sunny gegangen. Aber das war – leider – nicht möglich. Zum einen deshalb, weil Ceasar gefunden werden musste – an Kinemon und Momonosuke verschwendete er keinen weiteren Gedanken –, zum anderen hatte er die Orientierung verloren.
Nachdem sie vor dem Wirt geflohen waren hatte Law mehr darauf geachtet den Strohhut nicht aus den Augen zu verlieren, als auf den Weg, sodass er nicht sagen konnte, von wo sie gekommen waren. Und da er die dumpfe Ahnung hatte, dass sie mehrmals im Kreis gelaufen waren und der Strohhut ihn zudem einmal über die Baumwipfel hinweg geschleudert hatte – dass er das unbeschadet überstanden hatte, wunderte ihn noch immer – machte es auch keinen Sinn, wenn er einfach den Spuren in die andere Richtung folgte. Sehr zu seinem Leidwesen.
Inzwischen war das Gestrüpp sogar noch undurchdringlicher geworden. Law zog Kikoku aus der Scheide und schuf sich mit einem gezielten Hieb einen Weg durch das Dickicht. Jedoch führte dies nur zu einem äußerst kurzweiligen Erfolg. Bereits drei Meter weiter kam er erneut kaum voran.
Er hatte inzwischen das starke Bedürfnis zu fluchen. Lediglich die Erkenntnis, dass Ruffy der erste seit einer gefühlten Ewigkeit war, der es geschafft hatte, ihn an den Rand eines Nervenzusammenbruchs zu bringen, hielt ihn davon ab, seiner Genervtheit Ausdruck zu verleihen.
‚Eine typische Fähigkeit des D’s‘, schoss es ihm durch den Kopf. Niemand, wirklich niemand, schaffte es so leicht jemanden auf der Nase herumzutanzen wie jemand, der ein D. im Namen trug.
Ohne es zu merken war Law inzwischen stehen geblieben und hatte sich gegen einen Baumstamm gelehnt. Er zog sich seine Mütze über die Augen und schloss diese für einen Augenblick. Dabei bemerkte er, dass es zu ruhig hier war. Viel zu ruhig. Abgesehen von einem leisen Rascheln der Blätter, das vom Wind kam, war nichts zu hören.
Er rückte seine Mütze zurecht und richtete sich wieder auf. Law war sich fast sicher, dass jeden Moment etwas passieren musste, aber der Moment verging und er beschloss, weiterzugehen.
Die Vivre Card, die er eben herausgeholt hatte, bewegte sich inzwischen konstant in eine Richtung, woraus er schloss, dass sich Ruffy irgendwo niedergelassen hatte. Law zog eine Augenbraue leicht nach oben. Er hatte nun eine reelle Chance, den Strohhut wieder einzuholen. Auch wenn das hieß, dass seine ursprüngliche Prognose, das Ruffy ihn wiederfinden würde, falsch war.
Die Dämmerung hatte inzwischen eingesetzt. Da es im Wald ohnehin relativ dunkel war, machte es ohnehin kaum einen Unterschied, aber als die Sonne endgültig untergegangen war, war Law froh um seine guten Augen. Andernfalls hätte er ernsthafte Schwierigkeiten gehabt, sich zurechtzufinden.
Als er die Hoffnung, heute noch an sein Ziel zu kommen, fast begraben hatte, entdeckte er einen schwachen Lichtschimmer, der genau in derselben Richtung war, in die auch die Vivre Card zeigte. Dort musste der Strohhut stecken.
Tatsächlich stieß er, als er der Richtung folgte, nach kürzester Zeit auf eine Lichtung in deren Mitte ein kleines Lagerfeuer brannte.
„Strohut-ya.“ Er nickte Ruffy leicht zu, als er sich zu ihm ans Feuer setzte. Law warf einen prüfenden Blick darauf, doch wider erwarten hatte Ruffy sauber gearbeitet und Steine so ums Feuer geschichtet, dass keine Gefahr bestand, einen Waldbrand auszulösen.
„Traffy!“ Ruffy sah erfreut aus, denn er grinste breit. „Willst du auch was?“ Dabei deutete er auf einen gewaltigen Brocken Fleisch, der über dem Feuer hing.
Law hatte die dumpfe Ahnung, dass es sich dabei um ein paar Baumschlangen handelte, dennoch nickte er.
„Gut“, meinte Ruffy, „ein bisschen dauert es aber noch.“ Während er das sagte, war sein Blick allerdings so stark auf das Fleisch fixiert – außerdem sabberte er leicht –, dass Law bezweifelte, dass der andere es durchhalten würde, so lange zu warten. Diese Willenskraft besaß er einfach nicht. Zumindest nicht, solange es um Nahrung ging.
Law lehnte sich zurück, gegen einen Baumstamm, und verschränkte seine Arme hinter seinen Kopf, um es bequemer zu haben und starrte in die Flammen. Es schien so, als würde das Feuer tanzen. Es flackerte wild und zeigte eine brutale Schönheit. Er wusste, dass das Feuer alles verbrennen konnte, wenn man es nur ließ, doch andererseits war es wunderschön anzusehen und sorgte auch dafür, dass sie überleben konnten.
Und es brachte Erinnerungen an damals zurück. An die Zeit in Frevence. Oder eher an das Ende von Frewence. An das Ende seiner Kindheit.
„Essen ist fertig!“ Ruffy drückte dem verdutzten Law einfach etwas in die Hand und wartete nicht bis er reagierte, als hätte er gespürt, dass dessen Gedanken einen äußerst düsteren Weg gegangen waren.
„Danke. Strohhut.“
Dieser grinste einfach nur und stürzte sich auf seine Portion, die erheblich größer war als die von Law.
Doch letzeren störte sich daran nicht weiter. Es konnte schließlich nicht jeder einen dehnbaren Magen haben. Die Fleischmenge, die er hatte, war durchaus ausreichend für ihn.
Nach ihrer Mahlzeit legte sich Law auf den Boden, schob sich die Hände erneut hinter den Kopf und starrte in den Himmel. Doch bevor seine Gedanken wieder einen bestimmten Weg einschlagen konnten, wurde er abgelenkt. Ruffy hatte damit begonnen zu schnarchen.
Law seufzte leicht und drehte sich zur Seite, sodass sein Rücken zum Feuer lag. Er erwartete nicht einschlafen zu können, doch mit der angenehmen Wärme im Rücken und durch die Erschöpfung war er schnell weggedämmert.
Es krachte. Dann spürte Law einen merkwürdigen Druck auf seinem Brustkorb. Mühsam öffnete er die Augen.
Er blinzelte mehrmals, doch das einzige was er sehen konnte blieb grün.
Einen Moment später begriff er, dass er Blätter direkt vor seinen Augen hatte. Einen weiteren Moment später begriff er, dass der Druck auf seinem Brustkorb von einem etwas größeren Ast stammte. Noch einen Moment später begriff er, dass ein gewisser Kapitän einer gewissen Strohhutbande auf diesem Ast saß.
„Room“, murmelte er. „Shambles.“ Im nächsten Moment saß er auf dem Ast und Ruffy lag darunter. Langsam und ohne jede Eile stand der Chirurg des Todes auf. In seinen Haaren hingen Blätter und Äste. Seine Kleidung war verknittert und leicht verdreckt. Dennoch sah er äußerst gelassen aus.
„Ups“, meinte Ruffy, der sich inzwischen vom Ast befreit hatte.
„Ja, ups“, antwortete Law. Auch seine Stimme war ruhig. Zu ruhig. In seinem Inneren brodelte es.
Ruffy schien dies zu spüren, denn er zog sich etwas zurück. Grinste aber noch immer breit, wie er es eigentlich immer tat.
Aber Law seufzte nur. Wie so oft in letzter Zeit. Es war das Beste, seinen Groll hinunterzuschlucken. Was blieb ihm auch anderes übrig? Gegen den Strohhut zu kämpfen wäre pure Zeitverschwendung.
So klopfte er sich lediglich den Dreck aus seinen Klamotten, zog sie zurecht und entfernte das Zeug aus seinen Haaren. Danach warf er einen Blick auf seine Umgebung, doch außer Ruffy – der inzwischen schon wieder herumsprang – war niemand zu entdecken, auch wenn er für einen Moment das Gefühl gehabt hatte, dass sich noch jemand außer ihnen hier befand.
Nach einem kargen Frühstück, das aus den wenigen Resten des Vorabends bestand, brachen sie auf. Gemeinsam. Denn nach einer kurzen Diskussion hatte Ruffy, wenn auch widerwillig und nur, weil er wegen der Weckaktion ein schlechtes Gewissen hatte, zugestimmt, bei Law zu bleiben und nicht wieder vorauszustürmen, sodass dieser dieses Mal eine Sorge weniger hatte.
Ihr Vorankommen gestaltete sich zum Glück sogar weniger schwierig, denn der Wald lichtete sich nach und nach, sodass das Gestrüpp immer weniger wurde und Law dieses Mal auf die Verwendung seines Schwertes verzichten konnte.
„Du, Traffy?“, fragte Ruffy auf einmal und zog dem anderen am Jackenärmel.
Law zog eine Augenbraue nach oben. „Was ist?“
„Findest du eigentlich auch, dass ein Säbelzahntiger mit blauem Auge merkwürdig aussieht?“ Ruffy legte seinen Kopf schief, sodass sein Strohhut von seinem Kopf rutschte und lediglich von einem dünnen Band gehalten wurde, das Nami vor einer ganzen Weile angenäht hatte, nachdem Ruffy einmal seinen Hut inmitten eines riesigen Waldes verloren und deswegen ein mindestens ebenso großes Theater veranstaltet hatte, da er ihn nicht sofort wiedergefunden hatte.
„Ja, ein solcher Tiger würde seltsam aussehen“, antwortete Law nach einer Weile. Bei sich dachte er allerdings, dass das Seltsamste daran wäre, dass es um einen Säbelzahntiger handelte, da diese auch auf der Grand Line schon seit geraumer Zeit als ausgestorben zählten.
Dann drehte er seinen Kopf in die Richtung, in die sein Weggefährte schon die ganze Zeit starrte. „Was zur …“, setze er an. Dort stand, gut erkennbar, ein Säbelzahntiger. Und er hatte ein – trotz des Fells – klar erkennbares blaues Auge.
Law durchlebte eben einen dieser Momente, in denen er sich fragte, ob die Regierung wirklich nicht im Geheimen mit verschiedenen Züchtungen experimentierte und diese dann, wenn sie nicht mehr benötigt wurden, einfach auf irgendwelchen Inseln freiließ. Anders war es nicht wirklich zu erklären, dass so viele ausgestorbene Tierarten irgendwann plötzlich wieder auftauchten.
Er betrachtete den Tiger genauer, der jetzt offenbar bemerkte, dass er beobachtet wurde, denn dessen Augen waren nun klar auf Law und Ruffy gerichtet.
Während Ruffy einfach die Hände verschränkte, zuckte Laws Hand an den Griff seines Schwertes. Er wollte vorbereitet sein, wenn das Tier angriff.
Doch der Tiger wirkte auf einmal extrem nervös. Er legte seine Ohren an und schlich vorsichtig rückwärts Schritt für Schritt davon. Nachdem er eine gewisse Entfernung zurückgelegt hatte, drehte er sich um und stürmte davon. Was immer dieser Säbelzahntiger erlebt hatte, er hatte definitiv Angst vor Menschen.
„Gehen wir weiter.“ Law hatte inzwischen das Gefühl, dass ihnen die Zeit nicht nur davonlief, sondern förmlich zwischen ihren Fingern zerrann. Je länger Caesar verschwunden blieb, desto schlechter standen seine eigenen Chancen De Flamingo – auch wenn es offiziell um Kaido ging – zu stürzen.
Irgendwann zog Ruffy ihm erneut am Ärmel. „Traffy?"
Dieses Mal nickte Law nur, um zu signalisieren, dass er zuhörte, und hoffte, dass der Strohhut etwas Kleines, Harmloses gefunden hatte, das ihnen nicht noch mehr Zeit kosten würde.
„Hörst du das eigentlich auch?“
Er konzentrierte sich einen Moment ausschließlich auf sein Gehör, doch außer dem Rascheln von Blättern konnte er nichts vernehmen. „Nein“, antwortete er daher knapp, womit die Sache für ihn auch erledigt war.
Doch dann spürte er, wie sich Ruffys Hand um sein Handgelenk schloss. Der Strohhut stürmte davon und zog Law einfach mit sich, der aufpassen musste, nicht geradewegs gegen einen Baum zu knallen. In diesem Moment beschloss er eines, er würde über die Zeit im Wald schweigen. Er hatte einen Ruf zu verlieren. Der wäre hinüber, wenn herauskäme, dass er sich von Strohhut Ruffy herumziehen ließ.
„Da vorne sind Zorro und Sanji“, weihte Ruffy Law nun schließlich ein und ließ sein Handgelenk los, dass sich dieser daraufhin rieb. Es schmerzte leicht.
Die beiden standen nun am Waldrand und keine zehn Meter weiter standen tatsächlich der Smutje und der Schwertkämpfer der Strohhutbande und stritten offensichtlich. Es war bis seinem eigenen Standort deutlich vernehmbar, was sie sagten.
„Hauptsache wir kommen aus dem Wald heraus?“, schimpfte Sanji lautstark. „Wir sind in die komplett falsche Richtung gelaufen, wenn das hier tatsächlich eine Steinwüste ist! Miartz war von einer Wiese umgeben, Marimo, einer Wiese. Grün. Gras. Wie deine Moosbirne. Verstehst du?“
„Dann laufen wir einfach am Waldrand entlang. Irgendwann finden wir die Stadt schon. Reagier doch nicht immer gleich so über, du dämlicher Kartoffelschäler!“ Auch Zorro war kein Deut ruhiger.
„Ich. Reagiere. Definitiv. Nicht. Über!“ Das letzte Wort hatte der Smutje geschrien.
Law konnte deutlich erkennen, dass es dem Smutje juckte, dem Schwertkämpfer einfach einen Tritt zu verpassen, doch er war sich noch nicht ganz sicher, weshalb Sanji sich zurückhielt. Und auch Zorro war noch nicht mit seinen Schwertern auf den anderen losgegangen, auch wenn von ihm eine klare Angriffslust ausging.
Spott lag in der Stimme Zorros. „Nein, tust du ganz und gar nicht.“ Er schnaubte.
„Ach, und du bist etwa …“, setzte Sanji an, wurde jedoch von Ruffy unterbrochen.
Dieser hatte sich inzwischen von den beiden Streithähnen unbemerkt genähert und umklammerte – vermutlich sollte es eine Umarmung sein – die beiden. „Schön euch wiederzusehen!“ Dann ließ er die beiden los, woraufhin sie etwas zurückstolperten. Ruffy warf nun einen genaueren Blick auf seinen Smutje, worauf sich Verwunderung in seinem Gesicht zeigte. „Wieso hast du deine Augen verbunden, Sanji?“
„Ruffy? Wo kommst du jetzt her?“ Der Smutje klang überrascht.
Inzwischen hatte auch Law zur Gruppe aufgeschlossen.
„Also, was ist los? Sanji, Zorro?“ Ruffys Stimme klang nun etwas fordernder, wenn auch eher neugierig, als befehlend.
Zorro zog eine Grimasse, als wüsste er nicht was er sagen sollte. Aber dann wurde er von Sanji erlöst, der anfing zu erklären.
„Es gab da eine kleinere Differenz mit einem Kerl Namens Salmor.“ Law hatte inzwischen erkannt, dass es sich bei dem Tuch, mit dem die Augen des Smutjes verbunden waren, um das Kopftuch des Schwertkämpfers handelte.
„Und was hat das damit zu tun, dass deine Augen verbunden sind?“ Ruffy hatte noch nichts verstanden.
Dieses Mal war Zorro schneller. „Der Smutje hat bei dem Kampf etwas abbekommen und sieht deshalb nichts mehr. Und da die verletzten Augen etwas empfindlich auf Licht reagieren, sind sie verbunden.“ Er klang dabei extrem sachlich.
„Also ist der Typ schuld daran, dass du nichts mehr siehst, Sanji?“ Ruffy knackste mit seinen Fingerknöcheln. „Den puste ich weg!“
Sanji lächelte nur grimmig. „Das erledige ich schon selbst!“
Im selben Moment griff Zorro an die Stelle, wo er gewohnheitsmäßig seine Schwerter hängen hatte, wie Law auffiel. Offenbar hatte auch der Schwertkämpfer noch eine Rechnung mit diesem Salmor offen.
„Wenn du willst“, antwortete Ruffy.
„Strohhut, wir sollten uns noch um etwas kümmern“, erinnerte Law.
„Hm, ja. Kannst du dir vorher Sanjis Augen anschauen?“
„Ich bin Chirurg, kein Augenarzt.“
„Aber …“, setzte Ruffy an, wurde aber von Sanji unterbrochen.
„Das ist wirklich nicht nötig.“
„Doch! Law kennt sich immer noch besser damit aus, als einer von uns.“
Law nickte leicht. Gewissermaßen hatte der Strohhut Recht. Er hatte ein gewisses medizinisches Grundwissen. Auch über Augen. Und gerade bei diesen war es wichtig, wenn man sich möglichst früh um Verletzungen kümmerte, da sonst die Gefahr der dauerhaften Erblindung bestand.
Sanji verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, da er den versteckten Befehl erkannt hatte. „Einverstanden.“
„Gut.“ Law trat auf den Smutje zu, wurde dabei genauestens von Zorro beobachtet, und löste das Kopftuch. Sanji hielt die Augen geschlossen und der Chirurg erinnerte sich an die Lichtempfindlichkeit, die der Schwertkämpfer erwähnt hatte. „Ich führe dich wieder zurück in den Wald, wenn es dich nicht stört. Dort ist es schattiger, weswegen die Reaktion auf Licht nicht ganz so heftig ausfallen wird.“
Der Smutje nickte knapp, was Law als Hilfserlaubnis nahm. Zorro folgte den beiden, während Ruffy weiter in der Steinwüste herumturnte und Aufwärmübungen durchführte.
Während Law einen Blick auf die Augen des Smutjes warf – er kommentierte das grünliche Auge mit keinem Wort –, setzte er die beiden knapp über die Entführungen und den Zettel in Kenntnis. Dabei konnte er beobachten, wie sich Sanjis Gesicht deutlich verfinsterte.
„Wir müssen uns beeilen.“ Ruffy war plötzlich neben ihnen aufgetaucht und er schien noch aufgeregter zu sein als sonst.
„Ich bin ohnehin fertig“, meinte Law. Dann wandte er sich direkt an Sanji: „Deine Augen sind nicht dauerhaft geschädigt. Ausgewaschen hast du den Giftstoff schon, daher müssten sie sich irgendwann in den nächsten Tagen erholen. Die volle Sehkraft hast du spätestens in zwei Wochen zurück.“
„Danke“, antwortete Sanji knapp. Man konnte ihm aber deutlich anhören, dass er erleichtert war.
Ruffy sprang umher. „Los, los.“ Dann stürmte er einfach davon. Tiefer in die Steinwüste.
Law folgte ihm. Dabei war er angespannt. Inzwischen war ihm mehr als nur klar, dass man die Intuition des Strohhutes keinesfalls unterschätzen durfte. Was immer dieser spürte, es war mit Sicherheit nichts Angenehmes. Aus dem Augenwinkel konnte Law sehen, dass auch Sanji und Zorro ihnen folgten. Sanji lief voraus – die Augen hatte er sich wieder verbunden – und Zorro direkt hinter ihm, gelegentlich Sanjis Kurs korrigierend. Der Chirurg schmunzelte unweigerlich, als er dies sah. Er hätte nicht erwartet, dass diese Streithähne tatsächlich zusammenarbeiten konnten.
Es dauerte nicht lange, ehe eine Felsansammlung am Horizont zu erkennen war. Von dort war unverkennbar Kampflärm zu hören, der nur kurz überdeckt wurde, als sich Ruffy mit einem Jubelschrei direkt ins Getümmel stürzte.
Ruffy begann damit, die Soldaten aus dem Weg zu räumen. Er hatte vorhin gespürt, dass seine Freunde in Gefahr waren und hier konnte er direkt etwas gegen die Gefahr unternehmen.
Als er gerade einem Marinesoldaten davonschleuderte, fiel ihm auf, dass neben diesen auch noch andere Soldaten mit im Schlachtgetümmel kämpften, die allesamt ein merkwürdiges Auge besaßen. Und auch diese schienen seinen Freunden an den Kragen zu wollen.
Ruffy knurrte leicht. Er würde es nicht zulassen, dass irgendjemand seine Nakama verletzte, denn sie waren alles, was er hatte. „Gum Gum Bazooka!“ Er wusste nicht genau, wie viele er getroffen hatte, aber es war ein guter Auftakt gewesen. Er grinste wieder.
Ruffy konnte beobachten, dass Lysop Gegner mit Pfefferkugeln bombardierte, wie er es schon früher immer getan hatte. Robin verdrehte eben einen der Männer mit den seltsamen Augen die Wirbelsäule.
Dann sah der Strohhut, dass sich auch Law mit in den Kampf einmischte und eine Kuppel erschuf, in der einige Soldaten gefangen waren. Der Chirurg des Todes lächelte, ehe er eine unmissverständliche Handbewegung machte.
Auch Sanji und Zorro hatten den Schauplatz des Kampfes inzwischen erreicht. Es hatte nur wenige Sekunden gedauert, bis der Schwertkämpfer Marinesoldaten Schwerter abgenommen hatte. Sanji hielt sich weiterhin dicht neben dem Schwertkämpfer, der inzwischen ein äußerst dreckiges Grinsen aufgesetzt hatte. Die beiden stürzten sich gemeinsam ins Getümmel.
„Gum Gum Gatling!“ Ruffys Arme bewegten sich so schnell, dass sie kaum mehr zu sehen waren. Sehr zum Nachteil der Angreifer, die den Attacken nicht wirklich etwas entgegensetzen konnten.
„Ruffy!“, durchbrach plötzlich Choppers Freudenschrei den Kampfeslärm.
Dieser winkte nur zurück und lenkte damit die Aufmerksamkeit Vizeadmiral Mozambias auf sich und die anderen Neuankömmlinge.
„Strohhut Ruffy“, murmelte der Vizeadmiral. „400 Millionen Berry sind bei weitem nicht genug für dich.“ Er stoppte seine Angriffe, die gegen Brook, Robin, Lysop, Franky und Chopper gerichtet waren und drehte sich in Richtung des Kapitäns der Bande. „Es wird Zeit, dass sich jemand um dich kümmert.“ Dann lief er los, direkt auf Ruffy zu.
„Oh yeah! Radical Beam!“ Franky hatte anscheinend nichts davon mitbekommen, denn er war noch immer damit beschäftigt Felsen zu zertrümmern und die Brocken auf die Soldaten zu schleudern und sie damit außer Gefecht zu setzen. Plötzlich stolperte er.
Es krachte. Risse gingen von Frankys Aufprallpunkt aus.
Chopper, Law, Zorro und Sanji, die inzwischen alle vier Rücken an Rücken kämpften, befanden sich genau im Ausbreitungsradius der Risse, ebenso wie einige Marinesoldaten und der anderen Angreifer.
Man hörte einen kurzen Aufschrei, dann waren sie verschwunden. Und Teile des Bodens mit ihnen. Ein gigantisches Loch klaffte an dieser Stelle.
„Uh, verdammt“, murmelte Franky.
Dann krachte es erneut. Ein paar der größeren Felsbrocken, die durch den Steinrutsch den Halt auf einer Seite verloren hatten, begannen zu kippen. Der Cyborg konnte gerade noch zur Seite springen, ebenso wie Ruffy und Mozambia, die sich ebenfalls nahe der Einsturzstelle befanden.
Im nächsten Moment fielen die Felsbrocken auf das Loch, sodass die Gefallenen darin gefangen waren. Doch Ruffy hatte keine Zeit, sich um seine Nakama zu kümmern, denn Mozambia begann damit ihn anzugreifen. Er wich aus.
„Was bist du denn für einer?“, verlangte der Strohhut zu wissen.
„Ich bin Vizeadmiral Mozambia.“ Er streifte sich seinen Umhang ab und ging erneut in Angriffsstellung. „Und ich werde dich töten.“
Ruffy atmete tief durch. Er war sich inzwischen sicher, dass seinen Freunden nichts passiert war und sie zurechtkommen würden, also konnte er sich auf das hier konzentrieren. Er griff sich mit der linken Hand an die rechte Schulter und begann seinen Arm kreisen zu lassen. „Probieren kannst du es ja mal.“
Zorro, Sanji, Chopper und Law hatten das Glück nach dem harten Aufprall noch ein Stück weiter geschlittert oder gerollt zu sein, denn dort, wo sie eben noch aufgekommen waren, lagen nun mehr als menschengroße Felsbrocken, die sie problemlos zerquetschen hätten können.
Ein paar der Marinesoldaten und anderen Angreifer schienen nicht so viel Glück gehabt zu haben, doch der Großteil von ihnen hatte den Sturz überlebt, wenn sie auch mehr oder minder ausgeknockt auf dem Boden lagen.
Zorro rieb sich das rechte Handgelenk, das schmerzte, da er damit ungünstig gegen einen Felsbrocken geprallt war. Dabei hatte er zu seinem Pech auch seine erbeuteten Schwerter verloren, die er nirgends entdecken konnte, also vermutlich unter dem Schutt begraben waren.
Der Schwertkämpfer konnte sehen, wie sich der Smutje unweit von ihm aufrappelte und sich mit der Hand mehrmals durchs Haar fuhr. Er wirkte leicht fahrig, da ihn der Sturz wohl überrascht hatte. Allerdings nicht auf eine Art und Weise, bei der es einem Fremden aufgefallen wäre.
Auch Chopper sprang nun auf. „Ist jemand verletzt?“, wollte er wissen. Er blickte nacheinander zu Law – dieser klopfte sich gerade den Dreck von der Hose –, Zorro und Sanji. Bei letzterem blieb sein Blick hängen. Offenbar hatte er gesehen, dass dessen Augen verbunden waren.
„Was ist passiert? Was ist mit deinen Augen?“ Er stürmte zum Smutje. „Soll ich mir das mal ansehen?“
Sanji setzte zum Reden an und öffnete gerade den Mund, als Law sich zu Wort meldete: „Ich habe mir das schon angesehen. Im Moment können wir nicht wirklich etwas machen. Erst Mal sollten wir uns darum kümmern, so schnell wie möglich wieder nach draußen zu kommen. Die Augen erholen sich meiner Einschätzung nach von selbst.“
Chopper fragte: „Bist du dir sicher?“
„Ja“, war die knappe Antwort Laws.
„Gut.“
Zorro zog seine Stirn in Falten, es wäre besser gewesen, wenn sie sich um die verbliebenen Marinesoldaten gekümmert hätten, als diese noch außer Gefecht waren. Sie hatten die Zeit, in der alle ihre Aufmerksamkeit auf Sanji gerichtet hatten, genutzt, um sich wieder zu sammeln und waren jetzt mehr als Bereit, um anzugreifen.
Ein kaum hörbares Seufzen entwich dem Schwertkämpfer. Eigentlich war es ganz und gar nicht seine Art feige von hinten anzugreifen – ihn hatten die Soldaten nicht im Blick, da er versteckt hinter einem Felsen stand –, aber die Soldaten selbst würden es auch nicht anders halten, wenn sie seine Freunde attackierten. Und ohne Schwerter wäre ein direkter Angriff von vorne etwas schwieriger.
Er stürmte nach vorne. Nach zwei Handgriffen waren zwei Soldaten entwaffnet und Zorro ausreichend bewaffnet. Einen Schwertstreich später war die Hälfte von ihnen ausgeknockt. Einen weiteren Schwertstreich später war die andere Hälfte ebenfalls bewusstlos und seine Nakama hatten registriert, was hinter ihrem Rücken los war.
„Tse“, gab Zorro leicht kopfschüttelnd von sich. „Die waren auch schon einmal stärker.“ Er stand nun direkt vor seinen Begleitern, sodass er genau sehen konnte wie Law eine Augenbraue leicht nach oben zog und sein Gesicht leicht verzog.
Sanji öffnete seinen Mund, setzte zum Sprechen an, als Zorro etwas aus dem Augenwinkel wahrnahm. Er griff nach seinem Kameraden und riss ihn zu Boden und unterbrach ihn so. Law und Chopper, die von der plötzlichen Bewegung alarmiert waren, duckten sich ebenfalls, sodass die vier nur knapp einer Salve kleiner Geschosse ausweichen konnten.
„Sag mal, spinnst du?“, fuhr Sanji Zorro an.
Dieser ging jedoch nicht weiter darauf ein, rollte sich lediglich zur Seite, sodass sowohl Sanji als auch er aufstehen konnten. Als sich sein Kamerad jedoch nicht rührte, gab er eine knappe Erklärung von sich. „Wir werden angegriffen.“
„Hoppala“, eine unangenehm schrille Stimme hallte im Tunnel wieder, der an der großen Höhle anschloss, in der sich die Strohhüte und Law derzeit befanden. „Da hätte ich euch fast getroffen. Das tut mir aber Leid.“ Doch da der Tunnel nach ein paar Metern eine Biegung hatte, war den vieren der Blick auf ihren Angreifer versperrt.
Eine weitere Salve zischte um die Ecke und splitte sich auf halben Weg auf, sodass erneut alle von den Geschossen bedroht waren.
Chopper schrie auf, als eine Nadel – endlich konnten sie sehen, um was genau es sich bei den Geschossen handelte – sich in seine empfindliche Nase bohrte und ihn weitere nur knapp verfehlten. Zorro fluchte deutlich hörbar, da er Sanji erneut aus der Schussbahn hatte bringen müssen, da dieser ohne sein Augenlicht und ohne sein Haki erhebliche Schwierigkeiten hatte, den Nadeln auszuweichen. Lediglich Law verzog auch beim zweiten Angriff nicht die Miene.
„Schon wieder vorbei … unmöglich.“ Jetzt endlich bekam die Stimme eine Gestalt. Ein kleingewachsener Mann mit braunem, wild vom Kopf abstehendem Haar trat hervor. Er trug eine dunklblaue, zerschlissene Hose und ein weißes Shirt. Auf dem ersten Blick hatte er keine Waffe bei sich. „Mein Name ist Accus und ich habe von der Akupunkturfrucht gegessen“, bestätigten seine nächsten Worte Zorros unausgesprochene Vermutung: Teufelskräfte.
Law runzelte die Stirn. Zorro schien beschlossen zu haben zu verhindern, dass der Smutje der Strohhüte nicht verletzt wurde, was beide für diesen Kampf unbrauchbar machte. Auch Chopper schien Probleme damit zu haben, mit diesem Gegner klarzukommen. Also blieb nur er selbst, um diese Mission voranzubringen.
„Den hier übernehme ich“, stellte er daher klar, nur um im nächsten Moment mit gezogenem Schwert auf Accus zuzustürmen. Den Strohhüten nahm er damit einerseits die Gelegenheit zu widersprechen und gab ihnen andererseits die Gelegenheit an diesem Gegner vorbeizukommen.
Chopper nutzte sie sofort und sprintete in den Tunnel. Nach einem Augenblick folgten auch Sanji und Zorro, wobei es nicht zu übersehen war, dass es zumindest letzteren stark in den Fingern juckte, bei dem Kampf mitzumischen.
Law warf ihm einen finsteren Blick zu, der genau besagte, dass es sich hier nicht um Zorros Kampf handelte, da er wusste, dass dieser so etwas verstehen würde.
„Heh! Ich habe noch gar nicht gesagt, wieso ich euch überhaupt angreife!“, protestierte auf einmal Accus.
Der Chirurg des Todes verkniff sich ein Seufzen und attackierte seinen Gegner ein weiteres Mal. Dieser reagierte prompt mit einer erneuten Nadelsalve, die Law jedoch problemlos mit seinem Schwert abwehren konnte.
„So wird das nichts“, murmelte Accus. „Was könnte ich denn noch machen?“ Dann plötzlich stürmte er auf Law zu und berührte ihn mit dem rechten Zeigefinger an dessen linken Unterarm. „Needle-Pressure-Shot!“
Law konnte spüren, wie sich etwas in seinen Arm bohrte und Muskeln, Nerven und Adern durchtrennt wurden. Die gigantische Nadel schrammte knapp an seinem Knochen vorbei, wurde davon abgelenkt, sodass seine Ader nicht nur punktiert, sondern förmlich zerrissen wurde.
Ein feines Klirren ertönte, als die Nadel austrat und auf den Boden fiel.
Accus kicherte. „Unverwundbar bist du also nicht. Man muss nur schnell genug sein. Kein Problem. Kein Problem.“
Das schnelle und laute Keuchen Laws war für einen Augenblick das einzige Geräusch, das zu hören war. Seine Gedanken rasten, als er in Angriffshaltung ging. Er gab sich selbst noch etwa zwei Minuten, in denen er den Kampf beenden musste, damit er sich danach noch selbst verarzten und den Strohhüten folgen konnte. Durch die Wunde verlor er viel zu viel Blut, um eine Entscheidung lange hinauszögern zu können. Er musste gewinnen. Und das schnell.
„Room.“ Die für seine Teufelskraft typische Kuppel bildete sich um beide Kämpfer herum. Law keuchte wieder stärker. ‚Das halbiert die Zeit‘, schoss es ihm durch den Kopf, da die Fähigkeit von seiner derzeitigen Ausdauer abhing und es um diese gerade nicht wirklich gut stand.
„Das nützt dir nichts. Nichts und wieder nichts.“ Accus sang dies fast, während er wieder auf Law zustürmte. „Nadelkanone!“ Aus seiner Handfläche schossen weitere Nadeln.
Mit mehr Mühe als zuvor wich Law den Salven aus. Die Zeit arbeitete dabei deutlich gegen ihn, weshalb er trotz eher ungünstiger Position selbst einen Angriff startete. „Shambles“, murmelte er und tauschte damit die Nadeln gegen ein paar feine Staubpartikel aus, die sich direkt hinter Accus befanden.
Dieser stöhnte auf, als die Nadeln ihn am ganzen Körper trafen und er sackte zusammen. Ein besonders großes Exemplar hatte ihn anscheinend an einem Vitalpunkt an seiner Schulter getroffen, sodass sein rechter Arm nun nutzlos herunterhing. Er blutete aus vielen kleinen Wunden.
‚Fast geschafft‘, dachte Law. Nun war es Zeit für einen finalen Schlag. Doch nicht nur er war dieser Meinung.
„One-Needle-Blade!“ Aus der Handfläche von Accus schoss eine einzelne Nadel, die größer war, als alle bisherigen, und sich rasend schnell um sich selbst drehte. Es war praktisch eine rotierende Schwertklinge, die nun auf den Chirurgen des Todes zuraste.
„Change.“ Law nutzte seine Teufelskraft, um sich auf die gegenüberliegende Seite der Kuppel zu teleportieren. Er holte mit seinem Schwert auf.
Für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Accus Augen weiteten sich ganz langsam, als er realisierte, was passiert war und drehte sich im selbigen Tempo um sich selbst. Laws Klinge bewegte sich langsam aber kontinuierlich nach unten, auf Accus zu. Die Nadel, die dieser abgeschossen hatte, bohrte sich dabei – ebenfalls im gleichen Tempo – in Laws Fleisch. Da sie den Chirurgen schon berührt hatte, als er sich teleportiert hatte, war es für ihn gerade nicht möglich gewesen, sie abzuschütteln.
Dann löste sich Laws Kuppel auf und die Zeit gewann ihre normale Geschwindigkeit wieder.
Law drehte sich zur Seite, um zu vermeiden, dass man ihn erneut angreifen konnte. Dabei zog er Kikoku quer über Accus Seite und hinterließ eine blutrote Spur.
Das Geräusch, das sich ergab, wenn ein Körper auf Stein fiel hallte im Tunnel wieder, als Accus zu Boden ging, während der Chirurg des Todes zwar erschöpft war, aber noch stand.
„Das war’s dann.“ Er lehnte sich gegen die Wand und rutschte an ihr hinunter, um sich hinzusetzen. Jetzt musste er nur noch seine Wunde versorgen und sobald er wieder genug Kraft gesammelt hatte, würde er den Strohhüten folgen.
Diese waren derweil, sogar ohne allzu oft in einer Sackgasse zu landen, in einem großen Raum angelangt. Er war komplett mit weißen Fliesen gekachelt und verströmte daher eine unangenehm sterile Atmosphäre. Die einzigen Kontraste bildeten drei Stahltüren an je einer Wand des Raums, die mit grünen Nummern beschriftet waren.
Zudem stand mitten im Raum eine Person, die Sanji und inzwischen auch Zorro wohlbekannt war.
„Ach, ihr seid auch schon da.“ Salmor verlagerte sein Gewicht und grinste die drei an.
Nun bemerkten Zorro und Chopper auch die zweite Person, die neben Salmor stand. Ein Mann, der sich von der breiten Masse, durch eine Besonderheit deutlich abhob. Denn Menschen, die statt zwei Augen nur ein einziges großes hatten, gab es wahrlich nicht wie Sand am Meer.
„Ihr gehört also zur Strohhutbande? Der Bande, die unter Monkey D. Ruffey dient?“ Die Stimme dieses Mannes war ungewöhnlich tief.
Zorro hatte für ihn nur ein verächtliches Schnauben übrig. Der Typ wirkte auf ihn wie jemand, der sich für den Größten hielt, sich aber, sobald es ernst wurde, hinter anderen versteckte. Eine Antwort hatte er nicht verdient.
„Und wenn es so wäre?“, antwortete Sanji mit deutlicher Verachtung in der Stimme.
„Es ist eigentlich völlig egal, ob es so ist oder nicht. Interessante Versuchsobjekte werdet ihr so und so abgeben.“
Die plötzliche Verfinsterung von Sanjis Aura entging Zorro nicht.
„Wenn ich daran denke, was ich mit euch machen könnte“, fuhr der Mann fort. „Ich habe hier ein paar interessante Toxine, die ich gerne einmal testen würde. Außerdem wollte ich mir an lebenden Objekten die Wirkung eines Mittels ansehen, das vermutlich das Wachstum von Knochen hemmt. Davor muss ich euch die Knochen natürlich brechen.“ Er lächelte. „Und dann am Ende bekommt ihr die Krönung meiner Forschung zu spüren: Augentropfen, die …“
„Wie kann man die Wissenschaft nur missbrauchen, um jemanden zu schaden?“ Chopper war in seine größte Form mutiert, die er ohne die Hilfe seiner Rumble Balls erreichen könnte. Die Wut war ihm deutlich anzusehen. „Man soll anderen helfen und ihnen nicht vorsätzlich wehtun!“
„Helfen? Schaden? Gegensätze ziehen sich an“, meinte der Mann nur.
„Double Sprint.“ Das Rentier mutierte. „Lauf, wenn du kannst. Ich kriege dich sowieso.“
Tatsächlich sprintete der Kerl los und Chopper folgte ihm. Binnen kürzester Zeit hatten sie den Raum durchquert und waren hinter der Tür mit der Aufschrift ‚Labor 1‘ verschwunden. Zurück blieben Zorro, Sanji und Salmor.
„Ich habe noch nie erlebt, dass Chopper so sauer geworden ist.“ Der Schwertkämpfer war verwundert.
„Es ist ganz normal, dass einem bei dem Kerl die Galle hochkommt“, gab der Smutje verbittert von sich. „Ich hoffe, er bekommt ordentlich was ab.“
Zorro beschloss dies nicht weiter zu kommentieren, da er mehr als nur erahnte, dass dieser Typ ebenfalls zu den Männern gehörte, die Sanji damals etwas angetan hatten.
„Jetzt, da Frado weg ist, könnten wir etwas spielen. Was sagt ihr dazu?“ Salmor lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
Die Antworten der beiden Strohhüte war völlig synchron, denn beide Trieb derselbe Gedanke an. Rache. Dabei war es egal, dass sie schlechtere Ausgangssituationen hatten als üblich. Dass dem einen die Waffen fehlten und der andere nichts sehen konnte. Sie beide wollten kämpfen.
„Der gehört mir!“
Es war Nacht.
Die Wellen schlugen hoch, der Wind toste, der Regen prasselte unbarmherzig nieder und Blitze zuckten über den verfinsterten Himmel. In Mitten dieses Chaos befand sich Nami, an Bord der Thousand Sunny, die alleine gegen diese Naturgewalten ankämpfte.
Gerade stand sie am Steuerrad und versuchte ihr Schiff auf Kurs zu halten. Sie durfte sich nicht zu weit von der Insel entfernen, da der Logport sich bereits neu ausgerichtet hatte, was sich als äußerst schwierig gestaltete, da der Sturm ausgerechnet um die Insel herum am stärksten war. Ein paar Meilen weiter draußen wäre er kaum mehr als ein starker Wind, das spürte sie.
„Komm schon“, murmelte Nami, was durch den tosenden Lärm, der vom Unwetter verursacht wurde, kaum zu verstehen war. Nicht dass es einen Unterschied gemacht hätte, wenn man es hören hätte können, sie war alleine hier draußen.
Nicht zum ersten Mal verfluchte sie die Tatsache, dass sie keinen ihrer Kameraden dazu abkommandiert hatte, das Schiff gemeinsam mit ihr in Sicherheit zu bringen. Oder dass sie zumindest eher einen Ankerplatz gesucht hatte. Sie hatte bis zum Einbruch der Dunkelheit warten wollen, um sicherzugehen, dass die Marine die Sunny nicht bemerkte, und das war ihr zum Verhängnis geworden.
Eine besonders hohe Welle sorgte dafür, dass das Schiff sich gefährlich neigte. Wasser schwappte über die Reling und über die Navigatorin hinweg.
Lediglich das Seil, das sie um ihre Taille geschlungen und am Geländer, welches sich neben dem Steuerrad befand, festgebunden hatte, verhinderte, dass sie von Bord ging. Prustend spuckte sie Wasser aus, das sie geschluckt hatte und rieb sich mit der Hand reflexartig über die Augen, als könnte sie das salzige Meerwasser so aus ihren Augen reiben können.
Ihre Haare standen wirr ab. Ihre Kleidung klebte klatschnass am Körper.
„Steuerbord“, sagte sie zu sich selbst und versuchte das Schiff in entsprechende Richtung zu lenken. Das Ruder bewegte sich, das Schiff drehte sich. Das nur noch zu einem Achtel gehisste Segel fing genug Wind ein, um voranzukommen.
Fast schon zu schnell näherte sie sich ihrem Zielort.
Denn alleine konnte sie nicht anlegen, nicht bei diesem Sturm. Sie musste das Schiff auf Kurs halten und konnte nicht auch noch gleichzeitig den Anker auswerfen und die Segel einholen.
Nami schickte ein Stoßgebet Richtung Himmel. Auch wenn sie nicht an einen Gott glaubte, erst Recht nicht mehr nach Skypia, wenn es irgendwelche höheren Mächte gab, sollten die dafür sorgen, dass sie sicher hier heraus kam.
Dieses Mistwetter durfte nicht dafür sorgen, dass die Strohhutbande ihre Reise nicht fortsetzen konnte. Es wäre schlicht eine Blamage, würden sie an solch einer Lappalie scheitern.
Nami zerrte erneut am Steuerrad. Das Schiff drehte sich.
Die Sunny würde nicht untergehen oder an der Küste zerschellen. Nicht heute. Nicht mit ihr als Navigatorin.
Hoffte sie.
„Der gehört mir!“
Grimmig blickte Zorro zu Sanji. Salmor war sein Gegner. Er hatte mit ihm noch ein Hähnchen zu rupfen, das würde ihm der Kartoffelschäler nicht vermiesen.
„Vergiss es, Moosschädel“, antwortete Sanji, als hätte er Zorros Gedanken gelesen, „ich habe eher das Recht darauf, ihn fertig zu machen.“
„Sicher“, spottete Zorro, „weil du das ohne etwas zu sehen auch hinbekommst.“
„Ach, der Herr ohne Schwerter ist da etwa besser dran.“
Der Schwertkämpfer zog eine Augenbraue nach oben. Dann fiel ihm wieder ein, dass der Smutje ja nichts sehen konnte und antwortete: „Natürlich.“
Die Diskussion der beiden wurde von lautem Gelächter unterbrochen. Sofort war die Aufmerksamkeit der beiden Streithähne wieder auf ihren Gegner gerichtet. Dieser schien äußerst gut gelaunt zu sein. „Wie wäre es, wenn ihr euch darum prügelt, wer dann von mir ein zweites Mal ausgeschalten wird?“, kommentierte er gut gelaunt.
Das war der Moment, in dem Zorro beschloss sein Bedürfnis den Smutje auszuknocken endgültig zu unterdrücken. Er verschränkte die Arme und wagte es die Aufmerksamkeit ein weiteres Mal weg von Salmor, hin zu seinem Nakama zu lenken, wenn auch nur kurz.
Sanji wirkte angriffslustiger als noch vor ein paar Sekunden.
Zorros Gesichtsmuskeln zuckten, er zog eine Grimasse, die etwas von einem Grinsen hatte. Vielleicht gab es ja auch noch andere Möglichkeiten, wie dieser Kampf amüsant werden konnte.
„Was ist? Wollt ihr euch nicht langsam an die Gurgel gehen? “ Salmor schien ihr Schweigen eindeutig misszuverstehen.
„Wer zuerst trifft, hat gewonnen?“, wandte sich Zorro an den Smutje. Er ignorierte Salmor jetzt komplett.
„Nah.“ Sanji zog eine Zigarette aus der Westentasche und zündete sie an. Einen Augenblick später blies er bereits erste Rauchwölkchen aus. „Wer ihn k.o. schlägt gewinnt. Anders ist es doch langweilig.“
„Stimmt.“
„Ihr denkt ernsthaft, ihr hättet eine Chance?“ Salmor schüttelte sich nun förmlich vor Lachen.
Da er so seinen Standort perfekt Preis gab, nutzte Sanji den Moment und stürmte nach vorne, doch vergebens. Binnen kürzester Zeit fing sich sein Gegner wieder und wich zur Seite aus, sodass der Tritt des Smutjes ins Leere ging.
„So leicht wird es sicher nicht“, gab er breit grinsend von sich und trat nach dem Smuje, der durch den Schwung, den seine Attacke gehabt hatte, ins Straucheln geraten war. „Eigentlich wird es überhaupt nicht leicht. Ganz und gar nicht. Kein bisschen.“ Sanji wurde quer durch den Raum geschleudert und krachte gegen die Wand. Leise knackte es und man konnte beobachten, wie sich ein feiner Sprung nun quer durch die Wand zog.
Der Smutje blieb liegen.
Gleichzeitig war Zorro losgestürmt. „Null Schwerter Stil“, murmelte er kaum hörbar. Er machte sich bereit Salmor anzugreifen, doch er kam nicht einmal dazu und wurde schon abgeblockt.
Ein kräftiger Fausthieb traf ihn ihm Gesicht. Sein Kopf wurde ruckartig zur Seite gedrückt und Zorro spürte, wie sein Kiefer knackte. Jedoch glücklicherweise nicht brach. Den Geschmack von Blut hatte er dennoch im Mund. Er stolperte zurück und spie aus.
Tatsächlich. Blut.
„Das war schon alles?“, wollte er wissen. Provozierte bewusst. Ignorierte dabei, dass sein Kopf unangenehm dröhnte, denn er hatte schon Schlimmeres durchgestanden.
„Das war der Anfang“, antwortete Salmor. Er kratzte sich am Kopf. „Auch wenn ich mir eigentlich mehr erhofft hatte.“
Er stand mit dem Rücken zu Sanji, sodass er – im Gegensatz zu Zorro – nicht beobachten konnte, wie dieser sich gerade an der Wand wieder nach oben zog. Er strahlte ungebrochenen Kampfeswillen aus. Tatsächlich war sich der Schwertkämpfer sicher, dass der Smutje jetzt erst so richtig aufdrehte. Wie immer in solchen Situationen. Auf eine vermeintliche Niederlage folgt ein gnadenloser Sieg. Hier unterschieden sie beide sich nicht wirklich. Auch wenn er es nie zugegeben hätte.
„Willst du wieder, Kartoffelschäler?“, fragte Zorro laut in den Raum hinein.
Ruckartig drehte Salmor herum. „Du stehst noch?“ Er klang verwundert.
„Hast du etwa Angst nochmal getroffen zu werden, Grasrübe?“, spottete Sanji. Er stand nun wieder frei, verlagerte sein Gewicht auf ein Bein und tippte mit dem anderen Fuß auf den Boden. Die Zigarette hatte er noch immer im Mundwinkel. Erneut blies er Rauch in die Luft.
„Hättest du wohl gerne“, antwortete Zorro nur knapp. Er trat einen Schritt zur Seite, sodass er nicht mehr direkt gegenüber von Sanji stand. Es war immer besser aus der Schussbahn zu gehen, wenn der Smutje aufdrehte.
Salmor schien sich wieder gefangen zu haben und rieb sich die Hände. Er wirkte begeistert, fast schon wie ein kleines Kind an seinem Geburtstag. „Dann kann es ja weitergehen.“
Den Moment nutzte Sanji und stürmte erneut los.
„Glue Shot!“ Auch Salmor war nun dazu übergegangen anzugreifen.
Doch durch das Geräusch vorgewarnt, schaffte es Sanji gerade noch so auszuweichen und sprang seinerseits in die Höhe, mit dem Fuß voraus, auf Salmor zu, streifte ihn jedoch nur leicht. Er kam direkt neben Zorro auf.
Dieser setzte sich daraufhin in Bewegung. Doch kaum, dass er in Reichweite Salmors war, kassierte er zwei starke Tritte in den Magen. Zorro wurde zurückgeschoben, sein Atem beschleunigte sich und er konnte spüren, wie er in kaltem Schweiß ausbrach. Trotzdem schnaubte er nur. „Da sind ja die Tritte des Schnitzelklopfers stärker und die sind schon schwach.“
„Heh!“, kam es von der Seite. Sanji schätzte es nicht sehr, von Zorro beleidigt zu werden. Davon angetrieben griff er Salmor erneut an.
Dieser wich jedoch elegant aus und grinste breit. Schon wieder. „Haki ist schon etwas Schönes“, flötete er.
Zorros Augen weiteten sich, als er sah, wie sein Kamerad auf ihn zugeflogen kam. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Salmor erneut ausweichen konnte, und kassierte nun die Quittung dafür. Der Smutje traf ihn ebenfalls im Magen, woraufhin Zorro ins Straucheln geriet. Instinktiv schlug er nach dem Smutje, um die Wucht des Trittes abzufangen, und traf ebenfalls.
Beide fielen. Lagen keuchend, mehr oder weniger stark angeschlagen, nebeneinander auf dem Boden.
Spontan fühlte sich Zorro an einen Moment zurückversetzt, die inzwischen weit über zwei Jahre her war. Damals, beim Davy Back Fight gegen die Foxy-Bande, hatten es beim K.O.-Ringkampf auch einen Moment gegeben, in dem sie beide etwas angeschlagen nebeneinander auf dem Boden gelegen hatten. Zorros Lippen kräuselten sich leicht. Danach hatten sie zum ersten Mal tatsächlich zusammengearbeitet und es hatte einwandfrei funktioniert. Vielleicht sollten sie sich das für jetzt auch im Hinterkopf behalten. Für den Notfall.
Er richtete seinen Blick auf den Smutje, der inzwischen äußerst mitgenommen aussah, aber im Gegensatz zu ihm schon wieder stand.
„Eine Minute?“, fragte Sanji. In der Hand hielt er einen halb zerbröselten, aber noch immer glühenden Zigarettenstummel, den er jetzt fallen ließ und austrat.
Zorro richtete sich langsam auf. „Geben wir dem Kerl noch eine Chance, ehe wir ihn platt machen.“
„Meinetwegen. Aber wenn es schief geht, bist du Schuld, Marimo.“
„Angst, Smutje?“
„Du vielleicht.“
„Wer meint, wir bräuchten eine komplette Minute.“
„Ich habe nur mit eingerechnet, dass du heute etwas schwächer bist als üblich.“
Zorro knurrte leise. „Kartoffelschäler.“
„Graskopf.“
„Gemüseputzer.“
Salmor runzelte die Stirn. Er hatte wohl das Gefühl, dass sich die beiden Strohhüte nun endgültig von ihrem Verstand verabschiedet hatten. „Euch sollte doch klar sein, dass ihr keine Chance habt. Seht mich an, seht euch an.“ Er lachte. „Ich habe noch gar nichts abbekommen und ihr könnt kaum noch stehen.“
Zorro und auch Sanji kümmerten sich jedoch nicht weiter um ihn, sondern warfen sich weiter gegenseitig Beleidigungen an den Kopf.
Salmor zuckte, nachdem er das eine Weile beobachtet hatte, nur mit den Schultern und bückte sich, um den Boden mit der Handfläche zu berühren. „Floor of Glue“, murmelte er. Von seiner Hand aus breitete sich eine gelbliche Flüssigkeit kreisförmig über den gesamten Boden aus.
„Was riecht hier so komisch?“, wunderte sich Sanji plötzlich.
„Häh? Ich rieche nichts.“ Zorro war sich sicher, dass Sanji unter seinem Kopftuch gerade die Augen verdrehte. Er wollte gerade zu einer weiteren Beleidigung ansetzten, als er plötzlich bemerkte, was der Smutje gerochen hatte. „Verdammt“, fluchte er.
Er wollte zur Seite springen, um zu vermeiden, dass die Flüssigkeit ihn erwischte, aber er hatte etwas zu spät reagiert. Die Ferse von seinem Fuß hatte sie bereits erreicht. Mit etwas Mühe gelang es ihm, sich loszureißen, griff im selben Moment nach dem Smutje, um ihn mit sich zu ziehen. Für lange Erklärungen war keine Zeit. Dafür breitete sich das klebrige Zeug zu schnell aus.
Sanji stolperte und fluchte nun ebenfalls.
„Der Boden klebt gleich überall“, informierte Zorro den Smutje knapp, zog ihn dabei weiter mit sich.
„Sag das doch gleich.“ Sanji setzte sich mit kräftigen, schnellen Tritten in Bewegung und stand gleich darauf praktisch in der Luft. „Sky Walk“, meinte er kurz und bündig, schaffte es dabei allerdings leicht überheblich zu klingen und den Schwertkämpfer so zu triezen, den er irgendwie mit nach oben gezogen hatte und deswegen praktisch an Sanjis Arm baumelte.
Dieser kommentierte das nicht weiter, hoffte stattdessen einfach inständig, dass der Smutje sie beide halten konnte.
„Wie wäre es, die dreißig Sekunden jetzt schon zu beginnen?“, schlug Sanji vor. Er keuchte leicht. Es kostete ihn wohl tatsächlich etwas mehr Kraft, um sie beide in der Luft zu halten.
„Je eher wird das beenden, desto besser“, meinte Zorro daraufhin nur und gab dem Smutje zu verstehen, dass sie wieder landen konnten. Die Masse breitete sich nicht weiter aus und einige Stellen auf dem Boden waren noch immer frei. Die Attacke hatte also keine sonderlich große Reichweite, auch wenn es anfangs so gewirkt hatte.
Kaum über einer solchen Stelle angekommen, ließ Sanji sich fallen. Zorro, der nicht damit gerechnet hatte, dass der Smutje einfach so ‚abstürzte‘, schaffte es gerade noch so sich abzufangen, um nicht erneut zu fallen, während Sanji elegant auf dem Boden aufkam.
Zorro trat auf den Smutje zu und legte seine rechte Hand auf dessen linke Schulter.
Sanji nickte. Er hatte verstanden.
Synchron stürmten sie nach vorne. Zorro hatte seine Hand inzwischen nicht mehr auf der Schulter des Smutjes, dafür hatte dieser nach seinem Handgelenk gegriffen und hielt sich dort fest, damit eine wortlose Kommunikation zwischen den beiden möglich war. Auf diese Weise ließen sich Sanjis fehlendes Augenlicht und derzeit nicht einsetzbares Haki, sowie Zorros fehlende Schwerter hervorragend ausgleichen. Wobei das auch nur möglich war, da sie so oft gegeneinander kämpften und dementsprechend die Reaktionen und Attacken voneinander hervorragend einschätzen konnten. Sie wussten, wie sie sich bewegten und konnten so miteinander harmonieren.
Da sollte Nami noch einmal behaupten, sie würden durch ihre Prügeleien nur die Sunny kaputt machen.
Zorro zog Sanji leicht in die Höhe und ein Stück nach rechts. Der Smutje verstand und stieß sich selbst vom Erdboden ab, um die Bewegung zu unterstützen. Dann trat er zu und landete einen Volltreffer, direkt in Salmors Gesicht, wodurch dieser endlich aus seiner Reglosigkeit geweckt wurde.
Ungläubig starrte Salmor die beiden Strohhüte an. Dann konnte Zorro beobachten, wie seine Gesichtsfarbe sich gefährlich veränderte. Salmor war nun stocksauer und knurrte, dabei griff er nach dem Bein des Smutjes und hätte es wohl auch erwischt, wenn Zorro nicht blitzschnell reagiert und Sanji aus der Gefahrenzone gezogen hätte.
„Glue Shot!“ Salmor schleuderte eine weitere Salve an Kleb-Geschossen auf die beiden Strohhüte, woraufhin diese auseinander gingen, um ihnen auszuweichen, was jedoch davon erschwert wurde, dass die klebrige Flüssigkeit sich erneut weiter ausbreitete.
„Smutje!“, rief Zorro, um Sanji so zu warnen.
„Habs gemerkt“, antwortete dieser nur. Er hielt sich inzwischen wieder in der Luft, hielt auf Zorro zu, der durch seinen Kommentar seinen Standort verraten hatte. Direkt neben ihm landete er wieder und wandte sich trotz Blindheit gezielt in Richtung ihres Gegners. „Wenigstens ist er kein Logia-Nutzer.“
Zorro antwortete nichts darauf, brummte lediglich. Er überlegte bereits, wie sie am besten angreifen konnten, wurde aber aus seinen Überlegungen gerissen, als Sanji erneut – und erstaunlich zielsicher – nach seinem Handgelenk griff. Zorro grinste. Wieso eigentlich groß planen, wenn er auch seinem Instinkt die Führung überlassen konnte. Er stürmte los, zog Sanji dabei mit sich, der sich binnen eines Wimpernschlages an sein Tempo anpasste.
Salmor konnte anscheinend auch selbst von seiner Klebfalle gefangen werden, denn dort wo er stand, war der Boden noch völlig Kleb-Flüssigkeit-frei. Oder es war eine Falle. Zorro war das in diesem Augenblick relativ egal.
„Glue Stick!“, schoss er ihnen entgegen. Der Schwertkämpfer konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken. Einen Moment später und der dünne Klebestab – er hatte gerade die Wand getroffen und fraß sich förmlich in selbige hinein – hätte ihn mitten im Gesicht getroffen, was wohl etwas unangenehm geworden wäre.
Er richtete sich wieder auf, zog den Smutje näher zu sich und drehte ihn dabei, sodass sie sich im Normalfall Auge in Auge gewesen wären. Gleichzeitig brachte Zorro seinen Arm so in Position, dass der Smutje sich beidhändig darauf abstützen konnte, um in den Handstand zu gehen. Zorro trat einen großen Schritt nach vorne und Sanji setzte gleichzeitig zu einem Tritt von oben herab an, der Salmor direkt am Kopf traf und damit zu Boden schickte. Währenddessen löste Sanji die rechte Hand, die er eben als zusätzliche Stütze genutzt hatte, landete dabei wieder auf festem Boden und ging wieder ein paar Schritte zurück – dabei zog er dieses Mal Zorro mit sich –, während sich Salmor wieder aufrappelte und offensichtlich noch nicht genug hatte.
„Ich lasse mich doch nicht von einem Küchenmädchen und seinem Helferlein besiegen“, knurrte er.
Zorro atmete tief durch, innerlich kochte er. Er spürte auch, wie Sanjis Griff um sein Handgelenk fester wurde, was kein gutes Zeichen war. Und als der Smutje dann auch noch mit zuckersüßer Stimme zu sprechen begann, stellten sich Zorros Nackenhaare endgültig auf. Eigentlich war er ja auch angepisst, aber jetzt konnte einem Salmor fast leidtun. Aber wirklich nur fast.
„Ein Küchenmädchen bin ich also? Na, in diesem Fall …“
Zorro ahnte, welche Attacke nun kommen würde und wich einen Schritt zurück, als der Smutje ihn losließ. Tatsächlich wirbelte Sanji nun um seine eigene Achse und sein Bein begann zu glühen. Sanji griff in die Richtung, in der Zorro vorhin noch gestanden hatte, woraufhin dieser dem Smutje seinen Arm hinhielt, damit er sich wieder abstützten konnte.
„… wird dir das Küchenmädchen mal die Macht der Gewürze zeigen“, beendete Sanji seinen Satz. Inzwischen hörte man die Wut deutlich aus seiner Stimme heraus. „Feuertopf!“ Er sprang und Zorro drehte sich dabei so, dass Sanji genau auf Salmors Bauch zielte, verpasste ihm dabei sogar noch einen zusätzlichen Schwung
„Flanchet Strike!“
Die Attacke, die bei Vergo praktisch nichts bewirkt hatte, führte bei Salmor zu einem kompletten Knock Out. Er war geradewegs in die klebrige Flüssigkeit getreten worden, welche nun, da ihr die Energie der Teufelsfrucht fehlte, begann zu erhärten.
„So ein elender Schwächling“, knurrte Sanji, „wie hab ich mich von dem nur aufs Kreuz legen lassen?“ Er ließ Zorro nun endgültig los und begann in seiner Weste nach einer frischen Zigarette zu suchen, die er sich gleich darauf auch erfolgreich anstecken konnte.
Der Schwertkämpfer ließ dies unkommentiert, war in seinen Gedanken bereits bei der Frage, wo er nun nach seinen Schwertern suchen sollte. Doch die Frage erledigte sich schnell, der Weg zu Labor 3, wie das Schild auf der Tür verriet, war der einzige, der derzeit sicher begehbar war. Er warf noch einen prüfenden Blick zu Sanji, ehe er sich in Bewegung setzte. Der Smutje würde schon zurechtkommen.
Im selben Augenblick, in dem der Schwertkämpfer hinter der Tür verschwand, betrat Trafalgar Law das Schlachtfeld. Mit steinerner Miene ließ er seinen Blick über das Chaos wandern. Er blieb schließlich an Sanji, der sich offensichtlich erschöpft an eine Wand lehnte, sich dann dort niederließ und anschließend kleine Rauchwölkchen ausstieß.
Dann blieb sein Blick an einem großen Mann hängen, der ohnmächtig mitten im Raum lag.
„Die Strohhüte sind stärker geworden, als ich gedacht hatte“, murmelte Law kaum hörbar in Anbetracht der Zerstörung. Er griff sich an seine Mütze. Vielleicht hatten sie ja tatsächlich eine Chance gegen De Flamingo. Vielleicht konnten sie sogar … gewinnen.
Ceasar war noch immer an die Wand des Labors gekettet, schenkte aber dem Lärm, der das Zimmer immer wieder erschütterte, anfangs keinerlei Beachtung. Er zerrte an den Seesteinhandschellen, die dabei an seinem Handgelenk rieben. Er hörte erst damit auf, als es begann zu schmerzen.
Dabei fiel ihm auch auf, dass es plötzlich wieder ruhig war. Zu ruhig.
Sein Blick huschte immer wieder durch den Raum, suchte nach etwas, das in Reichweite lag und ihm ermöglichte zu verschwinden, doch da gab es nichts. Immer wieder blickte er auch zu Kinemon und Momonoskuke, die beide bewusstlos waren. Durch die Erschütterungen hatten sich sogar Kinemons Fesseln gelöst, was Ceasar allerdings nichts nutzte.
Selbst wenn Kinemon aufwachte, würde dieser Ceasar nicht helfen. Dementsprechend sah der Wissenschaftler auch davon ab, seine Mitgefangenen zu wecken. Und selbst wenn er es versucht hätte, wenn sie durch den Lärm nicht aufgewacht waren, würde seine Stimme es sicher auch nicht schaffen.
Erneut zerrte Ceasar an seinen Ketten, gab es jedoch nach gerade einer Sekunde wieder auf. Er schluckte. Wie konnten so kleine Wunden nur so wehtun?
Plötzlich begann der Lärm erneut und eine weitere Erschütterung brachte die Wände zum Wackeln. Ceasar sammelte sich kurz und zerrte dann erneut an seinen Fesseln. Es knackte, dann plötzlich riss die Halterung aus der Wand und er war frei. Seine Teufelskräfte konnte er zwar noch immer nicht nutzen, aber sich zumindest schon frei bewegen.
„Geht doch“, murmelte er.
Langsam trat er auf einen der Labortische zu. Es war das, auf dem die Reagenzgläser standen, mit dem Frado sie zuvor gequält hatte. Hier war sicher das ein oder andere Gift dabei, das ihm nützlich war. Es musste ja nicht einmal tödlich sein, auch schwächere Gifte konnten in seinen Händen zu grausigen Waffen werden. Rot, violett, klar, blau, grün – so viel Auswahl. Er griff nach dem Reagenzglas mit der blauen Flüssigkeit, bei der es sich – wenn er sich nicht komplett täuschte – um eine starke Säure handelte.
„Ich, an deiner Stelle, würde das liegen lassen.“
Jemand stand hinter ihm. Ruckartig drehte Ceasar sich herum und fand sich direkt gegenüber von Trafalgar Law wieder. Dieser sah zwar deutlich angeschlagen aus und hielt sein Schwert recht locker, aber wirkte auch so, als wäre er leicht angesäuert. Und in diesem Zustand war mit ihm wahrlich nicht gut Kirschen essen.
Langsam zog Ceasar seine Hand zurück. Jetzt danach zu greifen wäre töricht. „Aber ich mache doch gar nichts“, antwortete er nur. Dann begann er zu lachen. „Shurorororo. Du solltest dich lieber um Frado kümmern, der läuft hier auch noch herum.“
Law zog nur eine Augenbraue nach oben und meinte dann: „Am besten, du machst jetzt keine Probleme und kommst einfach mit.“ Er zog einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und schloss die Fesseln von Kinemon und Momonosuke auf. Die von Ceasar ließ er so, wie sie waren.
„Die anderen Gefangenen bleiben hier. Die Marine soll sich um sie kümmern.“ Er warf sich Momonosuke über die Schulter und deutete Ceasar an, selbiges bei Kinemon zu tun. Als dieser nicht sofort reagierte, fügte er noch hinzu: „Ich könnte dich auch hier lassen. In Einzelteilen.“
Ceasar schnaubte. „Du brauchst mich, Trafalgar.“
„Ich könnte auch nur ein paar Stücke aus dir herausschneiden und hier lassen. Deine Beine oder Arme sind nicht zwangsläufig notwendig.“
Wortlos griff der Wissenschaftler nach Kinemon und hievte ihn auf seinen Rücken.
Die Tür von Labor 1 fiel hinter Chopper zu, der daraufhin im Dunkeln stand, was ihn jedoch nicht wirklich störte, da er den penetranten Körpergeruch Frados noch in der Nase hatte und ihm so auch leicht folgen konnte, ohne etwas zu sehen. Er war noch immer auf hundertachzig und hielt so ein konstant hohes Tempo aufrecht, mit dem er dem Geruch folgte.
Jedenfalls bis er mit ordentlichem Schwung gegen eine Wand lief. Die empfindliche Nase war nun deutlich gereizt, blutete und Chopper hatte Tränen in den Augenwinkeln. Er mutierte in seine kleinste Form und hielt sich die Nase. Leise wimmerte er, so hatte er sich die Sache nicht vorgestellt. Allerdings bekam er durch den Schmerz auch langsam wieder einen klaren Kopf.
„Willkommen in meinem Trainingslager des Todes“, tönte eine blecherne Stimme plötzlich von allen Seiten. Chopper konnte sich kaum darauf konzentrieren, versuchte den Worten aber irgendwie zu folgen. „Hier dürfen meine Probanden ausprobieren, wie sie mit ihren neuesten Modifikationen zurechtkommen. Und wer überlebt darf sogar neue Mittelchen testen.“
In Chopper brodelte es erneut. Wie konnte man Lebewesen nur für grausame, tödliche Versuche missbrauchen? Er verstand es einfach nicht. Sollte es Wissenschaftlern nicht darum gehen, den Menschen zu helfen? Es tat ihm in der Seele weh, dass im Namen des Fortschrittes, der Forschung hier Menschen verletzt wurden. Nun meinte er sogar einen schwachen Blutgeruch wahrnehmen zu können. Ihn schüttelte es.
„Mal sehen, wie du dich hier schlägst, Piratentier ... gutes Überleben!“ Die Stimme begann zu lachen und Chopper war sich inzwischen sicher, dass es sich dabei um Frado handelte, auch wenn sie zu verzerrt war, um sich wirklich sicher sein zu können.
Es klackte und ratterte, der Boden begann zu wackeln. Noch immer schmerzte Choppers Nase und beeinträchtigte dessen Konzentration, aber dennoch schaffte er es in seine Double-Sprint-Form zu wechseln. Auf vier Beinen stand es sich stabiler als auf zweien. Es surrte, danach begannen plötzlich Leuchtröhren an der Decke zu flackern und erhellten nach und nach die Umgebung.
Mit zunehmender Helligkeit vermochte das Rentier zu erkennen, dass er sich am Anfang eines langen Ganges befand, der von Videoteleschnecken gesäumt war. Er drehte sich herum, doch dort, wo eben noch die Tür gewesen war, war nun eine Mauer. Chopper schnupperte, doch der Geruch Frados führte noch immer ins Leere – besser gesagt direkt an die Wand neben ihm. Die Wände waren also nicht fest, sondern ließen sich verschieben. Dementsprechend mussten diese Schwachpunkte sein. Dachte er jedenfalls.
„Double-Horn-Power!“ Das Geweih von Chopper wuchs und selbiger sprintete nun mit gesenktem Kopf gegen die Wand, mit der Intension selbige einzureißen. Es krachte und die Wand wackelte, doch sie rührte sich keinen Millimeter.
Chopper schrumpfte wieder und seufzte. „So geht das nicht.“ Er seufzte und warf nun einen genaueren Blick auf den Gang, da ihm nichts anderes übrig blieb, als diesen Weg zu nehmen. Mit seiner Hufe richtete er seinen Hut, der bei seiner Aktion verrutscht war. „Na dann los!“, sagte er zu sich selbst, wie um sich Mut zu machen. Er tapste los. Vorsichtig, einen Huf vor den anderen setzend, da er nicht ausschließen konnte, dass auch im Boden Fallen versteckt waren.
Doch anfangs passierte nichts. Nach einer Weile erreichte er ein Teilstück, in dem die Wände, links und rechts von ihm, aus Sicherheitsglas waren, sodass er die anderen Bereiche der Halle sehen konnte. Ein Becken, gefüllt mit etwas, das er aus der Ferne nicht identifizieren konnte. Schwebebalken. Von der Decke hängende Messer und Äxte. Kletterwände. Diverse Trainingsgeräte und Waffen waren zu sehen, die nicht unbedingt so wirkten, als wären sie darauf ausgelegt, dass jemand den Kontakt mit ihnen überlebte, und merkwürdige Düsen befanden sich an der Decke.
Chopper schluckte. Hier war er in etwas wirklich Gefährliches hineingeraten. Er musste auf der Hut bleiben. Plötzlich ertönte ein leises Surren und Chopper drehte sich ruckartig herum, konnte beobachten, wie Düsen aus dem Boden fuhren. Von seinem Instinkt getrieben mutierte er erneut und sprintete los. Er musste weg von hier, so schnell wie möglich. Es blubberte und Chopper spürte einen Wasserstrahl an seiner Flanke. Einen kochend heißen Wasserstrahl. Das Rentier legte einen Zahn zu, schlängelte sich zwischen den Düsen hindurch, bemüht dem Wasser auszuweichen und schaffte es gerade noch so den Bereich hinter sich zu lassen, ehe die Düsen wild zu rotieren begannen.
Er keuchte. Wäre er nur etwas langsamer gewesen, hätte er sich grausam verbrüht und das war nur der Anfang. Zudem gab es noch immer keine Spur von Frado, geschweige denn einen Hinweis, wie lang dieser Parcours eigentlich war.
Als vor Chopper eine Rampe auftauchte, stoppte er abrupt, um sie näher zu betrachten. Die Rampe ging etwa drei oder vier Meter in die Höhe und endete bei einer kleinen Plattform, die ein Stück über ein Becken ragte, in dem sich augenscheinlich Wasser befand. Das Becken schloss mit der Wand ab, sodass Chopper nur der Weg über die Rampe blieb, wenn er nicht schwimmen wollte. Und dass er darauf nicht sonderlich scharf war, verstand sich von selbst. Teufelsfrüchte hatten schließlich auch ihren Nachteil.
Die Frage war nur, wie er weiter vorankommen sollte, sobald er auf der Plattform stand. Nichtsdestotrotz ging er voran, denn Umkehren konnte er schließlich immer noch, sollte der Weg sich als falsch erweisen. Erneut setzte er vorsichtig einen Huf vor den anderen, gelangte aber ohne Schwierigkeiten nach oben.
Er setzte gerade den letzten Huf auf die Plattform, als plötzlich ein leichter Ruck durch diese ging. Erschrocken zuckte Chopper zusammen, seine Augen weiteten sich. Doch dann bemerkte er, dass sich lediglich die Rampe gelöst hatte und sich absenkte. Erleichtert entließ er die Luft, die er unwillkürlich angehalten hatte, wieder ins Freie.
„Oh“, machte er. „Wie komme ich jetzt wieder hier runter?“ Er schrumpfte und tapste vorsichtig an den Rand der Plattform und lugte nach unten. So hoch war es eigentlich nicht. Und Ruffy, Zorro und Sanji sprangen gelegentlich sogar aus dem Krähennest, ohne sich zu verletzen. Da konnte er das doch riskieren. Oder?
Ein erneuter Ruck ging durch den Standort des Rentiers und der Abstand zum Boden begann langsam aber kontinuierlich größer zu werden. Gleichzeitig kam ein schmaler Balken immer näher, der quer über das Becken führte und hinter einem Vorhang endete. Was dahinter lag, konnte Chopper beim besten Willen nicht erschnüffeln, geschweige denn erkennen. Das Surren, das das Hochfahren der Plattform begleitet hatte, erstarb und Chopper schluckte. Der Balken war schmal. Sehr, sehr schmal. Und einen anderen Weg gab es nicht.
Er starrte nach unten. Von hier aus sah das Becken so weit weg aus. Der Aufprall würde sicher hart werden und selbst wenn er das unverletzt überstand, schwimmen konnte er trotzdem nicht.
Für einen Augenblick schloss er seine Augen, dann öffnete er sie wieder und strahlte plötzlich pure Entschlossenheit aus. Er würde das schaffen. Seine Freunde verließen sich schließlich auf ihn und er wollte seine Freunde nicht enttäuschen. Sie beschützten und halfen ihm schließlich auch jederzeit und gaben ihr Bestes, da musste er doch selbiges tun. Alles andere wäre unfair ihnen gegenüber.
Er begann sich über dem Becken entlang zu hangeln. Meter um Meter brachte er hinter sich. Das Holz fühlte sich rau unter seinen Händen an und knarzte das ein oder andere Mal bedrohlich, aber es hielt. Im Gegensatz zu einer der Leuchtstoffröhren, die an der Decke hing.
Es krachte und im nächsten Augenblick schon fiel sie von der Decke. Sie verfehlte den Kopf des Rentiers nur um Zentimeter, drehte sich im Flug, schien fast in Zeitlupe zu fallen, kam schließlich auf der Wasseroberfläche auf und versank langsam. Dann löste sie sich auf.
‚Säure‘, durchfuhr es Chopper. ‚In dem Becken ist kein Wasser, sondern Säure.‘ Das war jetzt zwar keine Verbesserung seiner Situation, aber eine Verschlechterung auch nicht wirklich, wenn man es ganz pragmatisch sah.
„Gibst du etwa auf?“, ertönte die Stimme plötzlich, „du hängst hier schon so lange, da kannst du dich auch gleich fallen lassen. Das macht es doch einfacher für uns alle.“
Chopper gab keine Antwort darauf, sondern biss lediglich die Zähne zusammen und arbeitete sich weiter voran. Er würde hier herauskommen. Er würde den Namen der Wissenschaft wieder reinwaschen und er würde seine Nakama so unterstützen.
Frado kommentierte Choppers Vorankommen nicht weiter. Es war wieder völlig still, sah man vom Atem des Rentiers und einem gelegentlichen Knarzen des Holzbalkens ab.
Dann war es endlich geschafft und Chopper hatte die andere Seite erreicht. Erschöpft ließ er sich auf die dortige Plattform sinken, um erst einmal zu verschnaufen. Leicht drehte er den Kopf und betrachtete den Balken aus nur halboffenen Augen. Ruffy hätte hier sicher seinen Spaß gehabt. Der ließ sich von solchen Dingen nicht so leicht aus der Bahn bringen. Hätte sich wahrscheinlich sogar voller Freunde in den Parcours gestürzt.
Langsam normalisierte sich sein Atem wieder und Chopper rappelte sich wieder auf. Er musste weiter. Vorsichtig näherte er sich dem Vorhang und streckte einen Huf nach ihm aus und berührte ihn. Der Stoff fühlte sich samtig an und wirkte völlig normal, weshalb Chopper selbigen langsam zur Seite schob, um auf die andere Seite zu gelangen. Dort begann die Plattform sich abzusenken, wie er erkennen konnte. Dann war er vollständig hindurch, der Vorhang fiel hinter ihm und es war stockfinster.
Chopper schnupperte und tatsächlich konnte er eine leichte Duftnote erkennen, die ihm bekannt vorkam. Sehr bekannt.
Er kam seinem Ziel wieder näher.
Erneut ging er auf alle viere und begann sich vorsichtig voranzutasten, um nicht versehentlich in einem Abgrund zu landen. Kurz vor dem Ziel noch zu scheitern war wahrlich das letzte, das er jetzt noch brauchen konnte.
Der schmale Pfad, auf dem er sich befand, verzweigte sich. Prüfend drehte das Rentier nacheinander in beide Richtungen, versuchte zu erkennen, welcher Weg der Richtige war. Frados Geruch schien stärker zu werden, wenn er sich an den rechten Weg hielt, was jedoch nicht hieß, dass dieser Weg ungefährlicher oder tatsächlich richtiger war. Dennoch entschied Chopper sich dafür, diesen zu nehmen. Hier hatte er zumindest einen marginalen Anhaltspunkt dafür, nicht ins Leere zu laufen.
Im gefühlten Schneckentempo ging es weiter voran und dann endete es an einer Wand. Dieses Mal zwar ohne sich die Nase zu stoßen und ohne Schmerzen, aber dennoch wieder in einer Sackgasse.
Chopper grummelte leise. Heute war wirklich nicht sein Tag. Wenn wenigstens einer seiner Nakama hier wäre. Zorro könnte die Wand wie Butter zerschneiden und Sanji sie zertreten, als wäre sie aus Papier, aber er hatte hier mit seiner Horn-Power nicht wirklich eine Chance. Aber vielleicht … er tastete die Wand langsam ab. Mit etwas Glück gab es irgendwo einen Mechanismus, der ihm weiterhalf. Wenn nicht, musste er umdrehen und es mit dem anderen Weg probieren. Aber besser war es, nichts unversucht zu lassen.
Rau waren die Steine unter seiner felligen Hand und gaben kein Stück nach, doch dann klackte es plötzlich und der Boden unter Choppers Füßen brach weg und er fiel. Nicht tief, aber dennoch landete er unsanft auf kaltem, wohl gefliestem Boden. Stöhnend rieb er sich das schmerzende Hinterteil. Aber zumindest konnte er nun wieder etwas erkennen, denn ein schwaches Licht – die Quelle war ein gutes Stück entfernt – erhellte seine Umgebung leicht.
Er sah sich um, doch entdeckte nichts, was ihm weiterhalf. Er erkannte lediglich, in welche Richtung er weitergehen musste – es gab nur einen Weg, ein Rückweg war erneut nicht gegeben –, und der Geruch Frados war erneut stärker geworden. Sein Ziel kam näher. Er lächelte. Zudem gab es hier auch keine Möglichkeiten mehr für Teleschnecken, sich zu verstecken, was bedeutete, dass Frado seine Schritte nicht mehr direkt beobachten konnte.
Dieses Mal ging es schneller vorwärts. Ließ die ersten Meter binnen kürzester Zeit hinter sich. Immer wieder hielt Chopper inne, um zu prüfen, ob trotzdem noch irgendwo Videoteleschnecken zu entdecken waren, wurde aber – zu seinem Glück – nicht fündig. Dann erreichte er die erste Leuchtstoffröhre. Von nun an war der Gang komplett beleuchtet und an seinem Ende eine eiserne Tür zu erkennen, die einen Spalt offen stand.
Das Rentier bemühte sich leise zu sein, als es das bemerkte. Er wollte seinen Gegner schließlich nicht vorwarnen, auch wenn dieser wissen musste, dass er kam. Theoretisch.
Chopper konnte hören, wie Frado lautstark schimpfte. Er meinte „Wo zur Hölle ist dieser verdammte Dachs?“ zu hören, ebenso wie einige weitere wüste Beschimpfungen. Es wirkte alles in allem nicht so, als hätte Frado geplant, dass Chopper diesen Weg entdeckte, was jedoch nicht wirklich für die Intelligenz Frados sprach, wenn er diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen hatte.
Schritt für Schritt näherte sich Chopper der Tür und erreichte sie schließlich. Vorsichtig lugte er in den Raum, was nichts anderes bedeutete, dass er die Tür ein gutes Stück aufschob und sich dann extrem auffällig in die entstandene Öffnung stellte, blieb aber dennoch unentdeckt. Abgesehen davon konnte er nun den Wissenschaftler sehen. Dieser saß mit dem Rücken zu ihm vor einem Kontrollpult, das mit Tasten und Hebeln übersät war und mehrere Bildschirme beinhaltete, die verschiedene Bereiche des Parcours oder Labors – wie man es auch bezeichnen mochte – zeigten. Frado prüfte diese wiederholt hintereinander und schien mit jedem Durchgang wüster zu fluchen.
Choppers Augen wurden immer größer und er lief unter seinem Fell rot an. Einige der Wörter hatte er bisher noch nie gehört und er wünschte sich in diesem Moment, dass er sie noch immer nicht kennen würde.
Langsam tapste Chopper näher an das Pult heran, um auch selbst einen Blick auf die Bildschirme werfen zu können. Neben dem Weg, den er genommen hatte, schien es auch noch weitere zu geben, durch die man die Probanden lotsen konnte. Neben den Dingen, die er schon durch die Glasscheiben gesehen hatte, konnte Chopper noch eine große Box voller Spinnen erkennen, einen Raum mit einem gigantischen Ventilator und noch vieles mehr, das er sich nicht vorzustellen gewagt hätte. Zudem waren in einigen dieser Abschnitte auch noch Menschen unterwegs.
Das Rentier wandte seinen Kopf ab. Er wollte nicht mit ansehen, wie andere gequält wurden. Er musste das beenden!
Er atmete ein und mutierte. „Kung Fu Point!“, rief er und stürmte im selben Moment auf Frado zu, um ihn ohne Vorwarnung nach draußen zu schleudern, quer durch die Wand, die dieses Mal sogar nachgab. Normal waren feige Angriffe von hinten nicht das, was Chopper für den richtigen Weg hielt, aber hier schien es die einzige Möglichkeit zu sein, um einen noch größeren Schaden zu verhindern.
Er ließ seinen Blick über das Kontrollpult wandern und fand schließlich das, was er suchte. Ein unscheinbarer Hebel, an der unteren, linken Kante, der mit einer noch unscheinbareren Plakette versehen war, auf der mit kaum leserlicher Schrift ‚Not-Aus‘ stand. Chopper drückte ihn nach unten und ein Knall ertönte. Dann war es still. Und auf den Bildschirmen war zu erkennen, dass sich die Gerätschaften, die Frados Opfern so zugesetzt hatten, nun alle stillstanden, und sich die Menschen verwirrt umsahen.
Doch darum konnte sich Chopper nicht weiter kümmern, denn nun hatte er selbst mit Problemen zu kämpfen. Frado hatte sich inzwischen wieder erholt und war mit gezücktem Schwert wieder hereingestürmt.
Er hieb nach Chopper, doch der duckte sich unter dem Angriff weg und trat Frado erneut nach draußen, ein kleines Stück neben dem vorherigen Loch, und folgte ihm anschließend.
Das Rentier konnte gerade noch so beobachten, wie sich Frado aufrappelte und sich dabei fast selbst mit seinem Schwert massakrierte, ehe er sich unter der nächsten Angriffssalve wegducken musste.
Er war gerade dabei, in seine Double-Brain-Form zu mutieren, als er plötzlich meinte Zorros Stimme zu hören: „Wer nichts von Schwertern versteht, sollte sie am besten gar nicht erst anfassen.“ Chopper richtete sich auf und starrte Frado an, der inzwischen manisch kicherte. Den Brain-Scan konnte Chopper sich sparen, er kannte die Schwäche seines Gegners bereits.
Chopper trat auf den Wissensschaftler zu, woraufhin dieser plötzlich ruhig wurde und einen Punkt hinter Chopper fixierte. Frado grinste. „Was haben wir dann da?“, frohlockte er.
Das Rentier drehte sich leicht panisch herum. Was, wenn sein Hantieren mit dem Kontrollpult nur eine größere Falle ausgelöst hatte? Doch hinter ihm war nichts. Rein gar nichts. Lediglich die beiden Löcher in der Wand.
Seine Augen weiteten sich. Er war auf einen Trick Frados hereingefallen. Erneut drehte Chopper sich um seine eigene Achse, fest in der Überzeugung jederzeit mit einem Angriff rechnen zu müssen, doch wieder in seiner Ursprungsposition angelangt fand er erneut nichts vor.
Im ersten Moment atmete er erleichtert aus, doch dann realisierte er, was es bedeutete. Sein Gegner war abgehauen. Chopper starrte in den Gang vor ihm, der erneut nur eine mögliche Richtung bot, nur um zu sehen, wie Frado gerade um eine Ecke bog. Das Rentier sprintete hinterher. Noch einmal würde er ihm nicht entkommen!
Die einzelnen Fliesen zogen in Sekundenbruchteilen an Chopper vorbei, er driftete förmlich um die Ecke und setzte mit einem großen Sprung über Frado hinweg, um ihm den Weg abzuschneiden und ihn auszubremsen. Tatsächlich lief der Einäugige fast in Chopper hinein. Er wirkte entsetzt. Hatte wohl nicht damit gerechnet, dass das Rentier ihm so schnell folgen konnte. Jedoch fing er sich wieder.
„Dann töte ich dich halt“, meinte er kalt. Das Schwert hatte er noch immer gezogen. Er ging in Angriffsposition.
„Vergiss es“, antwortete Chopper nur und starrte den Wissenschaftler an.
Frado stürmte los, duckte sich, und schlitterte unter Choppers Bauch, der noch immer in seiner Double-Sprint-Form war, um ihn von dort zu attackieren, doch im selben Augenblick mutierte das Rentier erneut. „Double-Plüsch.“
Chopper war nun ein einziges Wollknäul. Etwas zog an seinem Fell und er konnte direkt spüren, wie sich Frado darin – trotz Schwert – verhedderte. „Zu früh gefreut“, kommentierte Chopper das Geschehen. Er war gerade etwas von seiner eigenen Courage erstaunt. Er hatte es tatsächlich geschafft, alleine einen Gegner zu stellen. In den letzten beiden Jahren war er wirklich stärker geworden. Viel stärker.
„Schnitter.“ Ein einziges Wort, gedämpft von Fell, ertönte, dann sah Chopper Fellbüschel fliegen. Offenbar hatte Frado es doch geschafft, seine Waffe korrekt zu benutzen.
Das Rentier sprang nach oben, um nicht verletzt zu werden, wodurch Frado sich endgültig befreien konnte. Er war über und über mit Haaren bedeckt und schien nun noch eine Spur angesäuerter zu sein, als zuvor. Doch erneut wandte er sich von Chopper ab und begann zu fliehen.
Chopper benötigte einen Moment, um zu realisieren, was gerade passierte. War jedoch bald erneut hinter ihm. Quer rannten die beiden über einen kleinen Abschnitt des Testareals – ein Raum, dessen Wände komplett mit Stacheln bedeckt war, sowie eine Box, in der Drahtseile gespannt waren –, dann durch eine weitere Tür, und befanden sich schließlich genau da, wo Choppers Weg durch das Labor begonnen hatte.
Frado stolperte, fing sich jedoch gleich wieder. Es reichte jedoch, um Chopper endgültig die Möglichkeit zu geben, um aufzuholen, den jedoch erneut ein gezücktes Schwert erwartete.
Chopper war frustriert, er wollte die Sache endlich zu Ende bringen. Er senkte seinen Kopf und sprintete auf Frado zu, ignorierte das Schwert dabei vollkommen. Frado würde es nicht schaffen, rechtzeitig eine Attacke anzubringen, dafür führte er die Waffe zu schlecht. Manchmal hatte es doch seine Vorteile, dass Zorro so viel trainierte. Durch Beobachtung konnte man daraus auch etwas für eigene Kämpfe lernen, selbst wenn man selbst andere Waffen nutzte, oder gar keine Waffen.
Frado öffnete die Tür, floh in die Halle. Blieb jedoch ruckartig stehen, als er fast gegen einen Gesteinsbrocken lief. Die Halle glich einem Schlachtfeld und die Brocken waren überall verteilt.
Chopper nutzte den Moment und nahm Frado auf die Hörner und schleuderte ihn gen Decke.
Es krachte und Erde begann herabzurieseln. Kleine Gesteinsbrocken lösten sich. Dann fielen erneut größere Brocken von der Decke. Erst wenige, dann immer mehr.
‚Ups‘, dachte Chopper und starrte nach oben.
Die Tür von Labor 1 fiel hinter Chopper zu, der daraufhin im Dunkeln stand, was ihn jedoch nicht wirklich störte, da er den penetranten Körpergeruch Frados noch in der Nase hatte und ihm so auch leicht folgen konnte, ohne etwas zu sehen. Er war noch immer auf hundertachzig und hielt so ein konstant hohes Tempo aufrecht, mit dem er dem Geruch folgte.
Jedenfalls bis er mit ordentlichem Schwung gegen eine Wand lief. Die empfindliche Nase war nun deutlich gereizt, blutete und Chopper hatte Tränen in den Augenwinkeln. Er mutierte in seine kleinste Form und hielt sich die Nase. Leise wimmerte er, so hatte er sich die Sache nicht vorgestellt. Allerdings bekam er durch den Schmerz auch langsam wieder einen klaren Kopf.
„Willkommen in meinem Trainingslager des Todes“, tönte eine blecherne Stimme plötzlich von allen Seiten. Chopper konnte sich kaum darauf konzentrieren, versuchte den Worten aber irgendwie zu folgen. „Hier dürfen meine Probanden ausprobieren, wie sie mit ihren neuesten Modifikationen zurechtkommen. Und wer überlebt darf sogar neue Mittelchen testen.“
In Chopper brodelte es erneut. Wie konnte man Lebewesen nur für grausame, tödliche Versuche missbrauchen? Er verstand es einfach nicht. Sollte es Wissenschaftlern nicht darum gehen, den Menschen zu helfen? Es tat ihm in der Seele weh, dass im Namen des Fortschrittes, der Forschung hier Menschen verletzt wurden. Nun meinte er sogar einen schwachen Blutgeruch wahrnehmen zu können. Ihn schüttelte es.
„Mal sehen, wie du dich hier schlägst, Piratentier ... gutes Überleben!“ Die Stimme begann zu lachen und Chopper war sich inzwischen sicher, dass es sich dabei um Frado handelte, auch wenn sie zu verzerrt war, um sich wirklich sicher sein zu können.
Es klackte und ratterte, der Boden begann zu wackeln. Noch immer schmerzte Choppers Nase und beeinträchtigte dessen Konzentration, aber dennoch schaffte er es in seine Double-Sprint-Form zu wechseln. Auf vier Beinen stand es sich stabiler als auf zweien. Es surrte, danach begannen plötzlich Leuchtröhren an der Decke zu flackern und erhellten nach und nach die Umgebung.
Mit zunehmender Helligkeit vermochte das Rentier zu erkennen, dass er sich am Anfang eines langen Ganges befand, der von Videoteleschnecken gesäumt war. Er drehte sich herum, doch dort, wo eben noch die Tür gewesen war, war nun eine Mauer. Chopper schnupperte, doch der Geruch Frados führte noch immer ins Leere – besser gesagt direkt an die Wand neben ihm. Die Wände waren also nicht fest, sondern ließen sich verschieben. Dementsprechend mussten diese Schwachpunkte sein. Dachte er jedenfalls.
„Double-Horn-Power!“ Das Geweih von Chopper wuchs und selbiger sprintete nun mit gesenktem Kopf gegen die Wand, mit der Intension selbige einzureißen. Es krachte und die Wand wackelte, doch sie rührte sich keinen Millimeter.
Chopper schrumpfte wieder und seufzte. „So geht das nicht.“ Er seufzte und warf nun einen genaueren Blick auf den Gang, da ihm nichts anderes übrig blieb, als diesen Weg zu nehmen. Mit seiner Hufe richtete er seinen Hut, der bei seiner Aktion verrutscht war. „Na dann los!“, sagte er zu sich selbst, wie um sich Mut zu machen. Er tapste los. Vorsichtig, einen Huf vor den anderen setzend, da er nicht ausschließen konnte, dass auch im Boden Fallen versteckt waren.
Doch anfangs passierte nichts. Nach einer Weile erreichte er ein Teilstück, in dem die Wände, links und rechts von ihm, aus Sicherheitsglas waren, sodass er die anderen Bereiche der Halle sehen konnte. Ein Becken, gefüllt mit etwas, das er aus der Ferne nicht identifizieren konnte. Schwebebalken. Von der Decke hängende Messer und Äxte. Kletterwände. Diverse Trainingsgeräte und Waffen waren zu sehen, die nicht unbedingt so wirkten, als wären sie darauf ausgelegt, dass jemand den Kontakt mit ihnen überlebte, und merkwürdige Düsen befanden sich an der Decke.
Chopper schluckte. Hier war er in etwas wirklich Gefährliches hineingeraten. Er musste auf der Hut bleiben. Plötzlich ertönte ein leises Surren und Chopper drehte sich ruckartig herum, konnte beobachten, wie Düsen aus dem Boden fuhren. Von seinem Instinkt getrieben mutierte er erneut und sprintete los. Er musste weg von hier, so schnell wie möglich. Es blubberte und Chopper spürte einen Wasserstrahl an seiner Flanke. Einen kochend heißen Wasserstrahl. Das Rentier legte einen Zahn zu, schlängelte sich zwischen den Düsen hindurch, bemüht dem Wasser auszuweichen und schaffte es gerade noch so den Bereich hinter sich zu lassen, ehe die Düsen wild zu rotieren begannen.
Er keuchte. Wäre er nur etwas langsamer gewesen, hätte er sich grausam verbrüht und das war nur der Anfang. Zudem gab es noch immer keine Spur von Frado, geschweige denn einen Hinweis, wie lang dieser Parcours eigentlich war.
Als vor Chopper eine Rampe auftauchte, stoppte er abrupt, um sie näher zu betrachten. Die Rampe ging etwa drei oder vier Meter in die Höhe und endete bei einer kleinen Plattform, die ein Stück über ein Becken ragte, in dem sich augenscheinlich Wasser befand. Das Becken schloss mit der Wand ab, sodass Chopper nur der Weg über die Rampe blieb, wenn er nicht schwimmen wollte. Und dass er darauf nicht sonderlich scharf war, verstand sich von selbst. Teufelsfrüchte hatten schließlich auch ihren Nachteil.
Die Frage war nur, wie er weiter vorankommen sollte, sobald er auf der Plattform stand. Nichtsdestotrotz ging er voran, denn Umkehren konnte er schließlich immer noch, sollte der Weg sich als falsch erweisen. Erneut setzte er vorsichtig einen Huf vor den anderen, gelangte aber ohne Schwierigkeiten nach oben.
Er setzte gerade den letzten Huf auf die Plattform, als plötzlich ein leichter Ruck durch diese ging. Erschrocken zuckte Chopper zusammen, seine Augen weiteten sich. Doch dann bemerkte er, dass sich lediglich die Rampe gelöst hatte und sich absenkte. Erleichtert entließ er die Luft, die er unwillkürlich angehalten hatte, wieder ins Freie.
„Oh“, machte er. „Wie komme ich jetzt wieder hier runter?“ Er schrumpfte und tapste vorsichtig an den Rand der Plattform und lugte nach unten. So hoch war es eigentlich nicht. Und Ruffy, Zorro und Sanji sprangen gelegentlich sogar aus dem Krähennest, ohne sich zu verletzen. Da konnte er das doch riskieren. Oder?
Ein erneuter Ruck ging durch den Standort des Rentiers und der Abstand zum Boden begann langsam aber kontinuierlich größer zu werden. Gleichzeitig kam ein schmaler Balken immer näher, der quer über das Becken führte und hinter einem Vorhang endete. Was dahinter lag, konnte Chopper beim besten Willen nicht erschnüffeln, geschweige denn erkennen. Das Surren, das das Hochfahren der Plattform begleitet hatte, erstarb und Chopper schluckte. Der Balken war schmal. Sehr, sehr schmal. Und einen anderen Weg gab es nicht.
Er starrte nach unten. Von hier aus sah das Becken so weit weg aus. Der Aufprall würde sicher hart werden und selbst wenn er das unverletzt überstand, schwimmen konnte er trotzdem nicht.
Für einen Augenblick schloss er seine Augen, dann öffnete er sie wieder und strahlte plötzlich pure Entschlossenheit aus. Er würde das schaffen. Seine Freunde verließen sich schließlich auf ihn und er wollte seine Freunde nicht enttäuschen. Sie beschützten und halfen ihm schließlich auch jederzeit und gaben ihr Bestes, da musste er doch selbiges tun. Alles andere wäre unfair ihnen gegenüber.
Er begann sich über dem Becken entlang zu hangeln. Meter um Meter brachte er hinter sich. Das Holz fühlte sich rau unter seinen Händen an und knarzte das ein oder andere Mal bedrohlich, aber es hielt. Im Gegensatz zu einer der Leuchtstoffröhren, die an der Decke hing.
Es krachte und im nächsten Augenblick schon fiel sie von der Decke. Sie verfehlte den Kopf des Rentiers nur um Zentimeter, drehte sich im Flug, schien fast in Zeitlupe zu fallen, kam schließlich auf der Wasseroberfläche auf und versank langsam. Dann löste sie sich auf.
‚Säure‘, durchfuhr es Chopper. ‚In dem Becken ist kein Wasser, sondern Säure.‘ Das war jetzt zwar keine Verbesserung seiner Situation, aber eine Verschlechterung auch nicht wirklich, wenn man es ganz pragmatisch sah.
„Gibst du etwa auf?“, ertönte die Stimme plötzlich, „du hängst hier schon so lange, da kannst du dich auch gleich fallen lassen. Das macht es doch einfacher für uns alle.“
Chopper gab keine Antwort darauf, sondern biss lediglich die Zähne zusammen und arbeitete sich weiter voran. Er würde hier herauskommen. Er würde den Namen der Wissenschaft wieder reinwaschen und er würde seine Nakama so unterstützen.
Frado kommentierte Choppers Vorankommen nicht weiter. Es war wieder völlig still, sah man vom Atem des Rentiers und einem gelegentlichen Knarzen des Holzbalkens ab.
Dann war es endlich geschafft und Chopper hatte die andere Seite erreicht. Erschöpft ließ er sich auf die dortige Plattform sinken, um erst einmal zu verschnaufen. Leicht drehte er den Kopf und betrachtete den Balken aus nur halboffenen Augen. Ruffy hätte hier sicher seinen Spaß gehabt. Der ließ sich von solchen Dingen nicht so leicht aus der Bahn bringen. Hätte sich wahrscheinlich sogar voller Freunde in den Parcours gestürzt.
Langsam normalisierte sich sein Atem wieder und Chopper rappelte sich wieder auf. Er musste weiter. Vorsichtig näherte er sich dem Vorhang und streckte einen Huf nach ihm aus und berührte ihn. Der Stoff fühlte sich samtig an und wirkte völlig normal, weshalb Chopper selbigen langsam zur Seite schob, um auf die andere Seite zu gelangen. Dort begann die Plattform sich abzusenken, wie er erkennen konnte. Dann war er vollständig hindurch, der Vorhang fiel hinter ihm und es war stockfinster.
Chopper schnupperte und tatsächlich konnte er eine leichte Duftnote erkennen, die ihm bekannt vorkam. Sehr bekannt.
Er kam seinem Ziel wieder näher.
Erneut ging er auf alle viere und begann sich vorsichtig voranzutasten, um nicht versehentlich in einem Abgrund zu landen. Kurz vor dem Ziel noch zu scheitern war wahrlich das letzte, das er jetzt noch brauchen konnte.
Der schmale Pfad, auf dem er sich befand, verzweigte sich. Prüfend drehte das Rentier nacheinander in beide Richtungen, versuchte zu erkennen, welcher Weg der Richtige war. Frados Geruch schien stärker zu werden, wenn er sich an den rechten Weg hielt, was jedoch nicht hieß, dass dieser Weg ungefährlicher oder tatsächlich richtiger war. Dennoch entschied Chopper sich dafür, diesen zu nehmen. Hier hatte er zumindest einen marginalen Anhaltspunkt dafür, nicht ins Leere zu laufen.
Im gefühlten Schneckentempo ging es weiter voran und dann endete es an einer Wand. Dieses Mal zwar ohne sich die Nase zu stoßen und ohne Schmerzen, aber dennoch wieder in einer Sackgasse.
Chopper grummelte leise. Heute war wirklich nicht sein Tag. Wenn wenigstens einer seiner Nakama hier wäre. Zorro könnte die Wand wie Butter zerschneiden und Sanji sie zertreten, als wäre sie aus Papier, aber er hatte hier mit seiner Horn-Power nicht wirklich eine Chance. Aber vielleicht … er tastete die Wand langsam ab. Mit etwas Glück gab es irgendwo einen Mechanismus, der ihm weiterhalf. Wenn nicht, musste er umdrehen und es mit dem anderen Weg probieren. Aber besser war es, nichts unversucht zu lassen.
Rau waren die Steine unter seiner felligen Hand und gaben kein Stück nach, doch dann klackte es plötzlich und der Boden unter Choppers Füßen brach weg und er fiel. Nicht tief, aber dennoch landete er unsanft auf kaltem, wohl gefliestem Boden. Stöhnend rieb er sich das schmerzende Hinterteil. Aber zumindest konnte er nun wieder etwas erkennen, denn ein schwaches Licht – die Quelle war ein gutes Stück entfernt – erhellte seine Umgebung leicht.
Er sah sich um, doch entdeckte nichts, was ihm weiterhalf. Er erkannte lediglich, in welche Richtung er weitergehen musste – es gab nur einen Weg, ein Rückweg war erneut nicht gegeben –, und der Geruch Frados war erneut stärker geworden. Sein Ziel kam näher. Er lächelte. Zudem gab es hier auch keine Möglichkeiten mehr für Teleschnecken, sich zu verstecken, was bedeutete, dass Frado seine Schritte nicht mehr direkt beobachten konnte.
Dieses Mal ging es schneller vorwärts. Ließ die ersten Meter binnen kürzester Zeit hinter sich. Immer wieder hielt Chopper inne, um zu prüfen, ob trotzdem noch irgendwo Videoteleschnecken zu entdecken waren, wurde aber – zu seinem Glück – nicht fündig. Dann erreichte er die erste Leuchtstoffröhre. Von nun an war der Gang komplett beleuchtet und an seinem Ende eine eiserne Tür zu erkennen, die einen Spalt offen stand.
Das Rentier bemühte sich leise zu sein, als es das bemerkte. Er wollte seinen Gegner schließlich nicht vorwarnen, auch wenn dieser wissen musste, dass er kam. Theoretisch.
Chopper konnte hören, wie Frado lautstark schimpfte. Er meinte „Wo zur Hölle ist dieser verdammte Dachs?“ zu hören, ebenso wie einige weitere wüste Beschimpfungen. Es wirkte alles in allem nicht so, als hätte Frado geplant, dass Chopper diesen Weg entdeckte, was jedoch nicht wirklich für die Intelligenz Frados sprach, wenn er diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen hatte.
Schritt für Schritt näherte sich Chopper der Tür und erreichte sie schließlich. Vorsichtig lugte er in den Raum, was nichts anderes bedeutete, dass er die Tür ein gutes Stück aufschob und sich dann extrem auffällig in die entstandene Öffnung stellte, blieb aber dennoch unentdeckt. Abgesehen davon konnte er nun den Wissenschaftler sehen. Dieser saß mit dem Rücken zu ihm vor einem Kontrollpult, das mit Tasten und Hebeln übersät war und mehrere Bildschirme beinhaltete, die verschiedene Bereiche des Parcours oder Labors – wie man es auch bezeichnen mochte – zeigten. Frado prüfte diese wiederholt hintereinander und schien mit jedem Durchgang wüster zu fluchen.
Choppers Augen wurden immer größer und er lief unter seinem Fell rot an. Einige der Wörter hatte er bisher noch nie gehört und er wünschte sich in diesem Moment, dass er sie noch immer nicht kennen würde.
Langsam tapste Chopper näher an das Pult heran, um auch selbst einen Blick auf die Bildschirme werfen zu können. Neben dem Weg, den er genommen hatte, schien es auch noch weitere zu geben, durch die man die Probanden lotsen konnte. Neben den Dingen, die er schon durch die Glasscheiben gesehen hatte, konnte Chopper noch eine große Box voller Spinnen erkennen, einen Raum mit einem gigantischen Ventilator und noch vieles mehr, das er sich nicht vorzustellen gewagt hätte. Zudem waren in einigen dieser Abschnitte auch noch Menschen unterwegs.
Das Rentier wandte seinen Kopf ab. Er wollte nicht mit ansehen, wie andere gequält wurden. Er musste das beenden!
Er atmete ein und mutierte. „Kung Fu Point!“, rief er und stürmte im selben Moment auf Frado zu, um ihn ohne Vorwarnung nach draußen zu schleudern, quer durch die Wand, die dieses Mal sogar nachgab. Normal waren feige Angriffe von hinten nicht das, was Chopper für den richtigen Weg hielt, aber hier schien es die einzige Möglichkeit zu sein, um einen noch größeren Schaden zu verhindern.
Er ließ seinen Blick über das Kontrollpult wandern und fand schließlich das, was er suchte. Ein unscheinbarer Hebel, an der unteren, linken Kante, der mit einer noch unscheinbareren Plakette versehen war, auf der mit kaum leserlicher Schrift ‚Not-Aus‘ stand. Chopper drückte ihn nach unten und ein Knall ertönte. Dann war es still. Und auf den Bildschirmen war zu erkennen, dass sich die Gerätschaften, die Frados Opfern so zugesetzt hatten, nun alle stillstanden, und sich die Menschen verwirrt umsahen.
Doch darum konnte sich Chopper nicht weiter kümmern, denn nun hatte er selbst mit Problemen zu kämpfen. Frado hatte sich inzwischen wieder erholt und war mit gezücktem Schwert wieder hereingestürmt.
Er hieb nach Chopper, doch der duckte sich unter dem Angriff weg und trat Frado erneut nach draußen, ein kleines Stück neben dem vorherigen Loch, und folgte ihm anschließend.
Das Rentier konnte gerade noch so beobachten, wie sich Frado aufrappelte und sich dabei fast selbst mit seinem Schwert massakrierte, ehe er sich unter der nächsten Angriffssalve wegducken musste.
Er war gerade dabei, in seine Double-Brain-Form zu mutieren, als er plötzlich meinte Zorros Stimme zu hören: „Wer nichts von Schwertern versteht, sollte sie am besten gar nicht erst anfassen.“ Chopper richtete sich auf und starrte Frado an, der inzwischen manisch kicherte. Den Brain-Scan konnte Chopper sich sparen, er kannte die Schwäche seines Gegners bereits.
Chopper trat auf den Wissensschaftler zu, woraufhin dieser plötzlich ruhig wurde und einen Punkt hinter Chopper fixierte. Frado grinste. „Was haben wir dann da?“, frohlockte er.
Das Rentier drehte sich leicht panisch herum. Was, wenn sein Hantieren mit dem Kontrollpult nur eine größere Falle ausgelöst hatte? Doch hinter ihm war nichts. Rein gar nichts. Lediglich die beiden Löcher in der Wand.
Seine Augen weiteten sich. Er war auf einen Trick Frados hereingefallen. Erneut drehte Chopper sich um seine eigene Achse, fest in der Überzeugung jederzeit mit einem Angriff rechnen zu müssen, doch wieder in seiner Ursprungsposition angelangt fand er erneut nichts vor.
Im ersten Moment atmete er erleichtert aus, doch dann realisierte er, was es bedeutete. Sein Gegner war abgehauen. Chopper starrte in den Gang vor ihm, der erneut nur eine mögliche Richtung bot, nur um zu sehen, wie Frado gerade um eine Ecke bog. Das Rentier sprintete hinterher. Noch einmal würde er ihm nicht entkommen!
Die einzelnen Fliesen zogen in Sekundenbruchteilen an Chopper vorbei, er driftete förmlich um die Ecke und setzte mit einem großen Sprung über Frado hinweg, um ihm den Weg abzuschneiden und ihn auszubremsen. Tatsächlich lief der Einäugige fast in Chopper hinein. Er wirkte entsetzt. Hatte wohl nicht damit gerechnet, dass das Rentier ihm so schnell folgen konnte. Jedoch fing er sich wieder.
„Dann töte ich dich halt“, meinte er kalt. Das Schwert hatte er noch immer gezogen. Er ging in Angriffsposition.
„Vergiss es“, antwortete Chopper nur und starrte den Wissenschaftler an.
Frado stürmte los, duckte sich, und schlitterte unter Choppers Bauch, der noch immer in seiner Double-Sprint-Form war, um ihn von dort zu attackieren, doch im selben Augenblick mutierte das Rentier erneut. „Double-Plüsch.“
Chopper war nun ein einziges Wollknäul. Etwas zog an seinem Fell und er konnte direkt spüren, wie sich Frado darin – trotz Schwert – verhedderte. „Zu früh gefreut“, kommentierte Chopper das Geschehen. Er war gerade etwas von seiner eigenen Courage erstaunt. Er hatte es tatsächlich geschafft, alleine einen Gegner zu stellen. In den letzten beiden Jahren war er wirklich stärker geworden. Viel stärker.
„Schnitter.“ Ein einziges Wort, gedämpft von Fell, ertönte, dann sah Chopper Fellbüschel fliegen. Offenbar hatte Frado es doch geschafft, seine Waffe korrekt zu benutzen.
Das Rentier sprang nach oben, um nicht verletzt zu werden, wodurch Frado sich endgültig befreien konnte. Er war über und über mit Haaren bedeckt und schien nun noch eine Spur angesäuerter zu sein, als zuvor. Doch erneut wandte er sich von Chopper ab und begann zu fliehen.
Chopper benötigte einen Moment, um zu realisieren, was gerade passierte. War jedoch bald erneut hinter ihm. Quer rannten die beiden über einen kleinen Abschnitt des Testareals – ein Raum, dessen Wände komplett mit Stacheln bedeckt war, sowie eine Box, in der Drahtseile gespannt waren –, dann durch eine weitere Tür, und befanden sich schließlich genau da, wo Choppers Weg durch das Labor begonnen hatte.
Frado stolperte, fing sich jedoch gleich wieder. Es reichte jedoch, um Chopper endgültig die Möglichkeit zu geben, um aufzuholen, den jedoch erneut ein gezücktes Schwert erwartete.
Chopper war frustriert, er wollte die Sache endlich zu Ende bringen. Er senkte seinen Kopf und sprintete auf Frado zu, ignorierte das Schwert dabei vollkommen. Frado würde es nicht schaffen, rechtzeitig eine Attacke anzubringen, dafür führte er die Waffe zu schlecht. Manchmal hatte es doch seine Vorteile, dass Zorro so viel trainierte. Durch Beobachtung konnte man daraus auch etwas für eigene Kämpfe lernen, selbst wenn man selbst andere Waffen nutzte, oder gar keine Waffen.
Frado öffnete die Tür, floh in die Halle. Blieb jedoch ruckartig stehen, als er fast gegen einen Gesteinsbrocken lief. Die Halle glich einem Schlachtfeld und die Brocken waren überall verteilt.
Chopper nutzte den Moment und nahm Frado auf die Hörner und schleuderte ihn gen Decke.
Es krachte und Erde begann herabzurieseln. Kleine Gesteinsbrocken lösten sich. Dann fielen erneut größere Brocken von der Decke. Erst wenige, dann immer mehr.
‚Ups‘, dachte Chopper und starrte nach oben.
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Kapitel: | 17 | |
Sätze: | 2.738 | |
Wörter: | 39.809 | |
Zeichen: | 236.374 |
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