Storys > Romane > Thriller > The Cabin

The Cabin

224
24.03.22 19:30
18 Ab 18 Jahren
Heterosexualität
Homosexualität
Bisexualität
In Arbeit

Das Auto schwankte, als es eine Windböe traf und Melinda starrte verträumt in den dunklen Wald hinein, der an ihr vorbeiraste. Ihr Rücken schmerzte und sie sehnte sich nach Stunden der Anreise endlich am Ziel an zu kommen. Die Finsternis kroch wie Nebel zwischen den Baumstämmen hervor und Melinda wurde schlecht. Mit müden dunkelgrünen Augen schaute sie zu ihrer Freundin.

Das lange blonde Haar fiel ihr von den schmalen Schultern und sie lächelte liebevoll. „Nicht mehr lang.“ Naomis Stimme klang heller, als ihre eigene.

Die beiden Frauen waren nicht nur sehr unterschiedlich anzusehen, ihre Charaktere konnten verschiedener nicht sein. Melinda nickte und strich sich eine rabenschwarze Locke aus dem Gesicht.

„Freust du dich wenigstens?“ Naomis blaue Augen richteten sich auf ihre Freundin. Sie sah blasser aus, als gewöhnlich.

„Eine verlassene Hütte in Norwegen, nur umgeben von Wald ist genau das was ich nach meiner Trennung benötige.“

„Ich musste sofort an dich denken, auch wenn es nicht mein Traumurlaubsziel ist.“

Melinda kräuselte die Stirn und zuckte mit den Schultern. „Da musst du jetzt durch.“ Naomi kicherte und lenkte den Wagen auf einen holprigen Waldweg. „Der Vermieter klang freundlich und freute sich das jemand die Hütte bucht. Er hat die Schlüssel in einem Schließfach hinterlegt.“

Beide stutzten, als sie von weiten einen Pick Up stehen sahen.

Melindas Herz schlug ihr heftig gegen die Brust und sie wusste selbst nicht weshalb. Naomi fuhr das Mietauto die Auffahrt herauf und schaltete den Motor aus. Unsicher blieben die beiden Frauen im Wagen sitzen und beobachteten wie ein Licht in der Hütte angeschaltet wurde. Es dauerte nicht lange und die Hausür öffnete sich. Ein breitschultriger Mann schob sich aus dem warmen Licht der Hütte und blieb still auf der Terasse stehen. Er blickte ihnen stumm entgegen und Melinda sah, wie angespannt er zu sein schien. Naomi fluchte und stieß die Autotür auf. Sie folgte ihr und schlang sich den schwarzen Mantel enger um ihren frierenden Körper.

Der Wind fuhr ihr durch die schwarzen Locken und riss an ihrem Gesicht.

Der Mann trat einen Schritt auf die Beiden zu und das Holz knarzte unter seinem Gewicht. „Kann ich den Damen weiterhelfen?“

Naomi baute sich auf aber es wirkte nicht annähernd bedrohlich wie sie sich vielleicht erhoffte und fauchte ihm ihren Namen entgegen. „Naomi Maiwald! Ich habe die Hütte für zwei Wochen gebucht, zusammen mit meiner Freundin. Wir haben telefoniert.“

Melinda fasste die schmale Schulter ihrer Freundin und versuchte sie zu beruhigen. Der breitschultrige Mann schien zu überlegen und die graugrünen Augen verblieben auf ihrem blassen Gesicht. Bestürzung trat in seine markanten Züge und er schüttelte verärgert den breiten Kopf.

„Ich erinnere mich an ihren Tonfall.“ Seine Stimme war tief und rau, sie vibrierte in Melindas Brust. „Warum sind sie über unsere Ankunft überrascht?“ Er drehte sein Gesicht zu ihr und strich sich über den schwarzen Vollbart. Vereinzelt glitzerten silberne Strähnen.

„Ich fürchte es kam zu einem Buchungsfehler.“

Naomis Gesicht verdüsterte sich und ihre Wangen nahmen eine rote Farbe an, Melinda ahnte schlimmes.

„Wir kommen aus Deutschland nach Norwegen und jetzt das? Bezahlt haben wir ebenfalls.“ Ihre Stimme war ein zittern und der Mann zog sich die schwarze Mütze vom Kopf. Ein schwarzgrauer Haarschopf kam zum vorschein. Er senkte den Kopf und Falten bildeten sich auf seiner Stirn.

„Es tut mir leid das ich so einen Ärger bereite. Ich habe mich geirrt und mich in der Hütte einquatiert aber es gibt genug Zimmer für uns alle. Wegschicken möchte ich euch nicht.“

Naomi fauchte und ihre blauen Augen loderten während Melinda kraftlos und zu müde um zu streiten das feine Gesicht abwandte.

„Ihr bekommt natürlich die Hälfte eures Geldes zurück erstattet. Ihr werdet uns die nächsten zwei Wochen nicht bemerken.“ Er lächelte und trat einen Schritt zur Seite, dabei fiel ein warmer Lichtstrahl auf den weißen Schnee.

Melinda grübelte und setzte zu einer Frage an, wurde aber von Naomi unterbrochen. „Helfen Sie uns wenigstens gefälligst bei unserem Gepäck.“

Der Mann schmunzelte und brummte bestätigend, als er der schlanken Frau dabei zusah, wie sie durch den Schnee stapfte. Melinda stöhnte und versuchte ihr Gesicht vom eisigen Wind zu schützen.

„Mein Name ist Josh.“ Er hielt ihr seine große Hand entgegen. Melinda fühlte seine warme Haut auf ihrer und nickte. „Melinda.“

Joshs schwere Schritte krachten die Holzstufen herauf und die beiden Frauen folgten ihm. Es herrschte Hitze in der Hütte, die von einem Feuer im Kamin ausging. „Wessen Koffer schleppe ich?“

„Meine.“, nölte Naomi und zog die Mundwinkel nach unten. „Warum? Hast du etwas auszusetzen?“ Josh stellte die Koffer auf den Flur und hob beschwichtigend die Hände.

„Richtet euch ein und kommt dann in die Küche. Es gibt Eintopf, etwas warmes tut euch sicherlich gut.“

Naomi schnaufte aus und öffnete die Tür eines der vier Zimmer.

Melinda griff ihren Koffer und senkte den Kopf, als Joshs Augen ihre suchten. Er öffnete ihr die knarzende Holztür und lächelte sachte. Sie bedankte sich leise und trat in den kleinen Raum. Er war relativ klein. In der Mitte des Zimmers auf einem dunkelroten Teppich stand ein dunkelbraunes massives Holzbett. Die dunkle Bettwäsche lud direkt zum Verweilen ein.

Langsam trat sie in das Zimmer und befühlte die schweren grauen Vorhänge. Dahinter verbarg sich ein kleiner Balkon. Automatisch lächelte sie und fühlte sich sichtlich wohler. Neben dem Bett standen kleine alte Beistelltische. Nichts passte in diesem Raum zusammen außer die dunkle Farbwahl. Doch dies machte den Raum so gemütlich.

„Josh?“

Sie drehte sich neugierig um und sah einen schlanken jungen Mann im Türrahmen stehen. Ganz in schwarz gekleidet stand er da und beobachtete sie entsetzt.

Melinda sah ihm in das schlanke kantige Gesicht. Helle Haut, fast wie Alabaster starrte ihr entgegen.

Schmale aber dennoch schöne Lippen drückten sich angestrengt aufeinander. Seine stechenden Augen brannten ungeheuerlich.

„Wer sind Sie?“ Die Stimme Schnitt rau und tief wie ein stumpfes Messer.

Als sie nicht antwortete, beugte er den Kopf ein wenig nach vorn, als wartete er. Dabei fielen ihm schwarze lange Strähnen ins Gesicht und von der Schulter.

Melinda hatte sein Haar in der Finsternis im Flur für eine Kapuze gehalten.

„Entschuldigen Sie ich...“

Die Augenbrauen des Mannes senkten sich und ein fieses Grinsen umspielte seine Lippen. Die langen schlanken weißen Finger schlossen sich, ineinander als er weiter wartete. Hochmütig hob er den Kopf und die schmale gerade Nase streckte sich in die Luft.

„Du bist kein Einbrecher oder?“

Melinda schüttelte heftig den Kopf.

„Also wer bist du dann?“

„Melinda. Meine Freundin und ich haben diese Hütte gebucht.“

Er schüttelte den Kopf. „Nun da muss ein Fehler vorliegen.“ Er lächelte ein wenig und Grübchen erschienen auf seinen Wangen. Sie sah es nur, weil er auf sie zu schlenderte.

Er wirkte wie ein Geist. Ein Alp.

Seine Wangenknochen waren außergewöhnlich hoch und sie betonten sein Gesicht auf unheimliche weise. Doch da war noch etwas. Eine schlanke gewundene Narbe die sich durch seine Lippen bis hinauf durch das linke Auge zog.

Und das Auge war nicht mehr grün.

Es war weiß.

Wie alte Milch.

Er bemerkte, wie sie starrte. Ein sanftes kichern. „Bald ist Halloween. Ich habe mich schon mal vorbereitet.“ Als sie keine Regung zeigte, verfinsterte sich sein Gesicht augenblicklich. Seine schmalen maskulinen Züge wurden hart. So hart das Melinda die Luft anhielt und den Blick senkte. „Ich wollte nicht unhöflich sein. Es tut mir leid.“

Der Mann betrachtete sie ruhig und eingehend.

Sie keuchte und sie hatte das Gefühl, man schnüre ihr die Luft ab.

Noch nie hatte ein Mann sie so in den Bann gezogen, wie er es tat.

„Herr...es tut mir leid ich war unhöflich.“ Kam es Melinda über die Lippen, ohne zu begreifen, wie es geschah. Der Mann entspannte sich sofort und presste ein schallendes bösartiges Lachen aus den zerschnittenen Lippen hervor.

„Schon gut.“ Er strich sich das Haar aus dem Gesicht.

Melinda bemerkte jetzt erst seine bis zum Handrücken reichenden schwarzen Tätowierungen, die aus dem Ärmel seiner Jacke lugten. Sein Schal rutschte ihm über die Schulter, als er sich zu ihr herunter beugte. Er war ähnlich groß wie Josh. Also viel größer als sie oder Naomi.

„Melinda?“

Der Mann drehte sich zu der Tür und sah die schlanke blonde Frau. Naomi machte keine Anstalten ihre Abneigung seinem Aussehen gegenüber zu verbergen.

„Noch eine? Also eine für jeden?“

Naomi riss die Augen auf und stemmte die Hände in die Hüfte, als Josh hinter ihr auftauchte.

„Behalte deine unaussprechlichen Fantasien gefälligst für dich.“

Der Mann brachte ein kratziges Lachen hervor.

„Diese beiden sind jetzt unsere Gäste. Ich habe einen Fehler gemacht.“

Der langhaarige Mann lächelte und nickte langsam. Melinda nahm die ihr angebotene Hand entgegen. Sie fühlte sich warm und schlank an, während seine Stimme kalt durch sie hindurch schnitt.

„Ich bin Nathan.“

Naomi rümpfte die Nase, als sie sich die Lippen an dem heißen Eintopf verbrannte und legte den Löffel zurück in die Schüssel. Melinda pustete und fühlte sich sichtlich unwohl. Die miese Laune ihrer Freundin tat ihr Übriges. Josh und Nathan saßen ihnen am Holztisch gegenüber.
„Das mit eurer Buchung tut mir leid.“
Naomis blaue Augen richteten sich auf den breitschultrigen Mann. „Das sollte es auch.“
Josh konnte sich ein Grinsen nicht unterdrücken. „Warum seid ihr in Norwegen?“
Melinda hielt in der Bewegung inne und dabei zitterte ihre Hand. Eintopf tropfte von ihrem Löffel und Nathan hob den Blick. Er reagierte als Einziger auf sie, während Naomi auf Josh schimpfte und dieser versuchte sie zu ignorieren. Melinda lehnte sich gegen den Holzstuhl und senkte den Kopf. Josh tunkte eine Scheibe Brot in die dampfende Schüssel und schwieg.
„Wir wollten allein sein. Fernab aller Männer.“, murmelte Naomi und sah zu der schweigenden Melinda, die zu ihrer linken saß. Ihr wurde plötzlich mulmig zu Mute und betrachtete ihre Finger unter dem Tisch.
„Melinda hat erst einmal genug von Männern. Wenn man nach so vielen Jahren mit jemanden zusammen ist und von ihm betrogen wird.“ Naomi schaute auf ihre Freundin und bereute ihre Worte sofort. Nathan und Josh hörten auf zu essen und zu ihrem Entsetzen richteten sich ihre Augen auf sie. Verlegen winkte sie ab.
„Wie lange wart ihr zusammen?“, fragte Nathan und sein Blick im hellen war noch unheimlicher als im dunkeln. „Acht Jahre. Wir wollten bald heiraten.“
Nathans Gesicht blieb unbewegt. Nur seine unterschiedlichen Augen richteten sich auf Josh, als er sprach. „Wie lange seit ihr getrennt?“
„Seit einem Monat.“
„Wie alt bist du, wenn du schon heiraten wolltest?“
„Vierundzwanzig.“
Nathan und Josh hoben die Augenbrauen und Melinda wendete das gerötete Gesicht ab. Sie wich ihren Blicken aus und schluckte gegen den Kloß in ihrem Hals an.
„Du warst sechzehn?“
„Offensichtlich. Wir lernten uns mit sechzehn kennen und blieben acht Jahre zusammen.“
Nathan folgte dem Gespräch interessiert, schwieg aber. Doch Melinda spürte seinen Blick. Sie zwang sich, ihre Gedanken zu ordnen und sah Joshs Abneigung. Ihre grünen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und sie hob das Kinn. „Den Grund für meinen Aufenthalt in Norwegen möchte ich im Moment nicht besprechen. Mit niemanden von euch.“
Naomi schloss die Hände ineinander und biss sich auf die Lippen, als Melindas Augen ihre trafen. Die schwarzhaarige Frau krempelte sich die Ärmel ihres Pullovers nach oben und aß ihren Eintopf weiter. Sie ignorierte die brennende Röte auf ihren Wangen, hörte aber ein leises Lachen vor sich. Frustriert hob sie den Blick und sah Nathan mit verschränkten Armen vor der Brust vor sich sitzen. Grübchen bildeten sich auf seinen Wangen, als die zerschnittenen Lippen zu einem Grinsen zerflossen. Er erinnerte Melinda an einen jungen ungestümen Wolf, unfähig seine Kräfte zu beherrschen, sich aber bewusst wie tödlich zu sein, wenn es darauf ankam.

Melinda war zurück in ihrem kleinen dunklen Zimmer und hatte sich im Bad erfrischt. Sie war todmüde und versuchte nach der langen Anreise zur Ruhe zu kommen. Doch dies gestaltete sich schwierig. Grund dafür waren ihre Mitbewohner. Ihre Stimmung war niedergeschlagen, hatte sie sich von diesem Urlaub doch etwas anderes erhofft.
Sie legte ihren schmerzenden Körper in das weiche Bett und schloss die Augen. Der Wind schlug gegen die Scheiben des Fensters und Melindas Herz raste. Schlaf stellte sich nicht ein und die ungewohnte Umgebung bereitete ihr einen Zustand der Unruhe. Zweige wiegten sich im Wind und schlugen gegen das Holz der Außenwand. Sie lauschte und vernahm das Knarzen des Holzes, die schweren Schritte der Männer und leise Stimmen in der unteren Etage. Melinda drehte sich schnaufend auf die rechte Seite. Der Geruch von verbrennendem Holz drang an ihre Nase und sie sehnte sich nach einem wärmenden Kaminfeuer. Eine Tür schlug zu und sie öffnete die erschrocken die Augen. Fluchend setzte sie sich in dem bequemen Bett auf und raufte sich die schwarzen Haare. Melinda schwang die Beine aus dem Bett und erhob sich. Sie streifte sich einen dicken Pullover über den Oberkörper und griff nach der Zigarettenschachtel.
Ihre tätowierte rechte Hand zog die schweren zugezogenen Vorhänge zur Seite und öffneten die Tür zum Balkon. Eine Windböe ergriff ihren frierenden Körper und riss am Stoff ihrer Kleidung. Das Feuerzeug klickte und es dauerte mehrere frustrierende Momente, bis die Zigarette Orange glimmte. Melinda starrte in die vor sich liegende Dunkelheit und konnte den Wald um sich nur erahnen. Die herannahende Nacht glich Finsternis und legte sich wie ein schwerer Schleier über die Hütte.
Melinda inhalierte den Rauch der Zigarette ein und vernahm ein lautes Klacken. Sie horchte auf, sicher nur das Knacken der Bäume unter dem Schnee oder Wind.
Wieder das dumpfe vertraute Geräusch und leises Schnaufen. Ein Bewegungssensor schaltete das helle durchschneidende Licht einer Lampe vor der Hütte an.
Sie trat durch den unberührten Schnee, der sich auf dem Holz des Bodens gesammelt hatte und lehnte sich vorsichtig über die Holzbrüstung.
Das Licht blendete sie und übellaunig kniff sie die Augen zusammen.
Klack.
Holzscheite flogen durch die Luft und landeten im Schnee.
Klack.
Das Beil pfiff durch die Luft und spaltete den großen Holzscheit in zwei Teile. Diese fielen erneut in den Schnee. Nathan beugte sich zu ihnen herunter und schmiss sie achtlos in einen großen geflochtenen Weidenkorb. Er pfiff und summte laut vor sich hin, dabei bemerkte er nicht, wie Melinda ihn von dem kleinen Balkon beobachtete. Seine schwarze Gestalt hob sich vom weißen fast unberührten Schnee ab und verwandelte ihn in einen sich bewegenden Schatten umgeben von Wald.
Melinda schluckte und ihre Lippen schlossen sich um den Filter der Zigarette. Er trug die langen schwarzen Haare zu einem straffen Knoten.
Sie lehnte sich gegen das Holz der Brüstung und beobachtete ihn dabei, wie er Holz hackte.
Klack.
Er bückte sich nach dem Holz und verblieb einen Moment in einer Art Starre. Er hob den Kopf und blickte über seine Schulter.
Die zitternde Frau zog den Kopf ein und sah, wie er sich wieder aufrichtete. Er drehte sich fast vollständig zu Melinda und hob den Kopf. Seine ungleich farbenen Augen suchten ihre und ein Lächeln brach auf den zerschnittenen Lippen hervor.
Er nickte und Melinda wurde mulmig zu Mute, als er sie weitere Sekunden, die sich wie Stunden anfühlten, betrachtete, dabei verlor sich sein Lächeln.
Sie nickte ihm entgegen und Schaute verunsichert zu ihm herab. Nathan hielt das Beil in der rechten Hand und drehte sich zurück zu dem Holzblock. Er schwang das Beil über den Kopf mit einer kraftvollen, fast eleganten Bewegung und das Blatt trieb sich in das Holz.
Er griff pfeifend nach dem Weidenkorb und lief um die Hütte, zurück zur Haustür. Doch nicht bevor er einen letzten Blick auf Melinda warf.

Melinda biss sich auf die ungeschminkten Lippen und drückte ihre Zigarette im Schnee aus. Es zischte, als die orange glimmende Spitze nass wurde. Sie trat zurück in die Wärme ihres Zimmers, das nun für zwei Wochen ihr alleiniger Rückzugsort sein sollte.
Melinda lehnte sich gegen die kalte Scheibe der Balkontür und hauchte resigniert aus. Sie war sich sicher, von Nathans Gesicht zu träumen.
Melinda zog die schweren Vorhänge zu und trat in das kleine Bad. Sie schaltete das Licht ein und warf die Zigarette in die Toilette. Sie trat an den Spiegel und schaute in das blasse Gesicht, das ihr entgegenblickte. Ihre grünen Augen wirkten müde, doch ihre Gedanken arbeiteten unaufhörlich. Sie wusch sich das kalte Gesicht und lief zurück zu ihrem Bett.
Melinda griff nach dem grau bezogenen Kopfkissen und legte sich gähnend auf die weiche Matratze. Das Holz des Bettes knarzte und sie schloss die schmerzenden Augen.
Melindas Atem wurde leiser und ihr Herzschlag beruhigte sich. Verdrängte Erinnerungen zuckten durch ihren Kopf wie Blitze und sie keuchte.
Das rhythmische Knarzen ihres Bettes im Schlafzimmer, als sie in die vertraute Wohnung trat.
Sie legte den Schlüsselbund auf den alten Beistelltisch, den sie zusammen mit ihrem Freund auf dem Trödelmarkt gekauft hatte. Melinda spitzte die Ohren und hörte die leise Stimme ihres Freundes, als sie durch den Flur lief.
Das Quietschen der Schlafzimmertür und das Aufeinanderprallen zweier nackter Leiber.
Die grünen Augen weiteten sich und ihre tätowierte Hand legte sich schockiert auf den geöffneten Mund, als sie ihren Freund zwischen den gespreizten Schenkeln ihrer Freundin sah.
Melinda richtete sich aufgeschreckt im Bett auf und schrie leise auf. Ihre Augen fuhren hektisch in dem dunklen Zimmer umher, als Panik ihren zitternden Körper ergriff.
Ein Alptraum. Einer der vielen, die sie die letzten Monate ereilte. Der Schweiß lief ihr über die gekräuselte Stirn und ein Fluch entwich ihren Lippen. „Scheiße.“
Melinda legte ihren Oberkörper zurück ins Bett und versuchte sich zu beruhigen. Der fremde Duft des Waschmittels drang an ihre Nase und das leise Gemurmel aus dem Wohnzimmer. Lange konnte sie nicht geschlafen haben. Frust stieg in Melinda auf und ihre Gedanken gerieten zu dem langhaarigen Mann, der sie schamlos beobachtet hatte.
Ob er womöglich das gleiche von ihr dachte?
Melinda schloss die Lider und sah die schlanken großen Hände, die sich um den Holzstiel der Axt legten. Die Muskeln die sich unter dem schwarzen Stoff des Shirts bewegten, als er sie über den Kopf hob. Er drehte den Kopf und sah in Melindas gerötetes Gesicht. Er stand plötzlich am Fußende ihres Bettes und lächelte zart. Das Holz knarzte unter seinem Gewicht, als er sich über sie kniete. Die großen tätowierten Hände öffneten den Gürtel der schwarzen Jeans. Klack.
Die Metallschnalle hing haltlos an ihm herab und das Geräusch des Reißverschlusses war zu hören. Melindas Augen folgten jeder Bewegung der Gestalt in ihrem Wachtraum. Sie keuchte.
Nach Monaten der Qual und des Selbsthasses wollte sie die Scham der betrogenen Frau ablegen. Ihre linke Hand fuhr zielstrebig unter das schwarze Shirt und die schlanken Finger über die warme Haut. Mit Zeigefinger und Daumen umgriff sie die gepiercte Brustwarze, während die rechte Hand ihre überhitzte Körpermitte fand.
Melinda hauchte verzweifelt aus. Ungeliebt und betrogen.
So fühlte sie sich.
Ihre Finger fanden die richtige Stelle und ihre Bedenken waren verschwunden. Der drahtige aber muskulöse Mann grinste wissend, während er sie auf dem Bett kniend betrachtete. Die ungleichen Augen verharrten auf ihrem schmalen Gesicht und lauschten ihren leisen Klagen. Melinda steigerte die Geschwindigkeit, mit der ihre Finger in sie fuhren und keuchte. Sie öffnete die breiten Schenkel weiter und krümmte den tätowierten Rücken.
Die linke Hand krallte sich fast schmerzend in die Brust. Melindas Gedanken und Sinne konzentrierten sich auf Nathans zerschnittene Lippen, die sich um das Brustwarzenpiercing schlossen. Die warme Zunge drang aus dem Mund und entlockte Melinda einen Schauer, gefolgt vom nächsten. Tätowierte Hände legten sich um ihren Hals und seine Narbe auf ihren Mund, als er sie küsste. Melinda stöhnte und warf den Kopf tiefer in das Kissen. Aus dem nichts gesellten sich Joshs raue Hände dazu und erkundeten den molligen Körper. Sie hörte ihn in ihrer Fantasie kehlig und tief aufstöhnen. Das gab ihr den Rest.
Ihre feuchten Lippen formten sich zu einem großen O, als sich die erlösende Welle in ihrem Körper ausbreitete. Ohne zu wissen, was geschah, keuchte Melinda den Namen des Mannes, der sie im Traum zu ihrem Orgasmus brachte.
Sie verblieb schwer atmend und mit geschlossenen Augen in ihren Gedanken versunken, bis sie ein leises Geräusch vernahm. Ein Schock durchfuhr sie.
Nathans ungleich farbige Augen betrachteten sie, als er an dem Rahmen der Tür lehnte. Er hielt den Kopf leicht seitlich geneigt und brummte leise auf.
Die Bettwäsche raschelte. Melindas Atem hob sich schwer und das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Träumte sie seine Anwesenheit so, wie es ihr Wunsch gewesen war?
Wie lange stand er bereits in ihrem Zimmer?
Amüsiert hielt er eine Flasche Bier vor sich in die Luft.
„Ich wollte dich fragen, ob du etwas mit uns trinken möchtest. Teures norwegisches Bier.“
Melinda sah wie er sich auf die Unterlippe biss und das Kinn reckte.
„Wie lange schon?“, stöhnte sie und Nathan verstand was sie meinte.
„Lange genug um zu hören wie du immer wieder meinen Namen gestöhnt hast.“
Sie erhob sich ein wenig und spürte ihre brennenden Wangen. „Nicht nur deinen.“
Nathan zuckte mit den Schultern und lachte bösartig. Er hob den Kopf und sie sah den tätowierten Hals, bis unter sein Kinn.
„Mein Name war doch am deutlichsten zu hören und das Wichtigste ist das es meiner war den du an deinem glorreichen Höhepunkt geschrien hast.“
Er tippte mit seinem schlanken Finger gegen den Hals der Bierflasche.
„Worauf wartest du? Komm.“
Melinda blieb sitzen und schämte sich, gleichzeitig wallte Wut in ihrem Inneren auf. Die langen schwarzen Haare kräuselten sich um ihren ebenfalls tätowierten Hals. Eine Locke  berührte sie im Nacken. Nicht Nathans Hände. Trotzdem bekam sie eine Gänsehaut.
Er atmete aus und seine kehlige Stimme drang durch das Dunkel des Zimmers. „Das nächste Mal bittest du mich, dir zu helfen.“
Melinda schnaufte aus und zog ein ernstes Gesicht. „Um was zu tun?“
Nathan strich sich über das markante Kinn. „Am Anfang nur zum Schauen. Dann irgendwann wenn du meinen Namen stöhnst und dich nach mir sehnst werde ich in dein Bett steigen und dabei die Führung übernehmen. Über deine Hände. Deine Zunge und deinen Körper. Doch für den Anfang nicht. Das würde dich nur überfordern.“

Melinda hob ihren Oberkörper und griff nach der Decke, um sich sicherer zu fühlen. Seine Augen folgten ihr. Er blieb stehen und schien nicht den Wunsch zu hegen ihr Zimmer zu verlassen. Es klirrte, als sein Ring gegen die Flasche schlug. Nathan hauchte resigniert aus und stellte das Bier auf den Boden. Dabei knarzten die Dielen. Er presste die Lippen aufeinander. Ein resignierter Laut drang an ihre Ohren und er ließ die Hände an den Seiten herabfallen.
„Es war nicht meine Absicht, dich zu verschrecken.“
„Aber genau das provozierst du mit deinem Verhalten.“, flüsterte die schwarzhaarige Frau. „Ich kenne dich nicht und du beobachtest mich ungeniert, ohne darauf zu achten, wie ich mich fühle oder ob ich Angst habe.“
Er zog die rechte Augenbraue nach oben und eine Seite seiner Lippe. Dabei entstand ein Grübchen auf der Wange. „Du hast Recht, entschuldige.“ Er lächelte falsch und verschränkte die Arme vor der breiten muskulösen Brust. „Wir sind uns fremd und dennoch sind deine Gedanken bei mir, während du dich berührst. Abstrus nicht wahr?“
Er sah, wie sich ihre Wangen röter färbten, er hätte nicht gedacht, dass dies möglich war.
„Schließe das nächste Mal deine Tür dann komme ich nicht in Versuchung dein Zimmer zu betreten.“ Aus seiner Stimme sprach leise Verachtung und sie fragte sich weshalb.
„Entschuldige dich.“
Nathan hob herausgefordert das Kinn und überlegte eine Weile. Er neigte den Kopf und die dicken schwarzen Haare lösten sich hinter seinem Ohr. Sachte fielen sie ihm um das blasse markante Gesicht. „Bitte entschuldige.“ Die Reue in der tiefen Stimme tropfte vor Sarkasmus und Melindas Augen verengten sich streitlustig. Er griff nach der Türklinke und öffnete die Tür.
„Sieh her, ich zeige dir, wie man eine Tür schließt.“ Nathan grinste und zeigte die weißen Zähne. Es glich einer Drohgebärde.


Naomis Lippen schlossen sich um die Bierflasche, als sie einen Schluck nahm und ihr Gesicht verzog sich angeekelt.
Josh lachte schallend. „Was hast du?“
„Bier ist nicht grade mein Favorit.“
Der breitschultrige Mann strich sich durch den Bart und zuckte mit den Schultern. „Dann sag das doch.“ Sie strich sich verlegen durch das blonde Haar und die blauen Augen strahlten.
„Ich wollte nicht unhöflich sein.“
Josh stellte die Bierflasche auf den Tisch und schien ihr nicht zu glauben.
„Du warst bei eurer Ankunft nicht der Inbegriff der Höflichkeit.“ Er lief in die Küche und Naomi hörte, wie er den Kühlschrank öffnete. Sie nickte und bedankte sich, als er ihr eine Limonade brachte. Das war schon mehr nach ihrem Geschmack.
Beide saßen sich in dem gemütlichen Wohnzimmer gegenüber und plauderten entspannt. Zumindest versuchte Naomi es. Josh war nicht der Typ Mann, der viel sprach. Das hatte seinen Reiz. Ein stiller Mann, dessen Schultern so breit waren, dass er Probleme hatte, durch die Tür zu kommen. Das graue Shirt spannte sich über die muskulöse Brust und Naomi fiel es schwer, die Augen abzuwenden. Sein Bart wies einige silberne Haare auf.
Naomi lächelte und er sah es. Unterbewusst strich er sich durch den schwarzen Bart.
Scheinbar war er sich über seine Wirkung nicht im Klaren.
„Ich weiß ich bin ziemlich aus der Haut gefahren. Aber die Ankunft hat mich frustriert.“
„Mich zu sehen?“, er legte seinen Arm auf die Lehne des Sessels und feixte.
Naomi verdrehte theatralisch die Augen. „Ja. Melinda und ich brauchen Ruhe.“
„Vor was?“
Sie überschlug die Beine und schaute auf das Etikett der Limonadenflasche.
„Vor unserem Job und Männern.“
Joshs Augenbrauen zogen sich in die Höhe. „Das war nicht meine Absicht. Nathan und ich werden sicherlich unterwegs sein dann habt ihr eure Ruhe.“
Naomi nickte und ihre hellblauen Augen schweiften durch den Raum. Das Wohnzimmer war groß und dunkel eingerichtet. Es roch nach Holz und Staub. Bücherregale reihten sich aneinander und unzählige Bilder rahmten die Wände. Das Feuer im Kamin knisterte und Flammen zuckten um die Holzscheite. „Eine gemütliche Hütte wenn auch zu dunkel eingerichtet für meinen Geschmack. Eine Unmenge an Büchern. Du scheinst viel zu lesen.“
Josh nahm einen großen Schluck aus der Flasche und räusperte sich. Die graugrünen Augen richteten sich auf das Feuer. „Sie gehört nicht mir. Es ist Nathans Hütte.“
Naomi pfiff beeindruckt.
„Sie gehörte seinen Eltern, es handelte sich um einen Nebensitz der Familie. Ich verbrachte in den Ferien Zeit mit ihnen.“ Joshs Kiefer pressten sich aufeinander.
„Ihr seid seit der Kindheit Freunde?“
Er brummte und schien über die Frage verunsichert. Naomi fragte sich weshalb.
„Nicht direkt.“ Er sah zu der Holztreppe und senkte die Stimme, in der Hoffnung das Nathan ihn nicht hörte. „Es ist kompliziert.“
Naomi lehnte sich in dem Sofa zurück und schwieg gespannt.
„Nathans Eltern starben bei einem schweren Autounfall. Da meine Eltern eng mit seinen befreundet waren, nahmen wir ihn auf, da er sonst niemanden hatte. Wir sind sozusagen Stiefbrüder. Zumindest sagen wir das jetzt nach einigen Jahren übereinander. Gezwungener Maßen.“ Joshs Blick war in die Vergangenheit gerichtet.
Naomi hauchte aus. „Nathan ist Norweger? Deine Familie aber nicht? Du hast einen schweren amerikanischen Akzent.
„Ja. Sie wanderte nach Norwegen aus. So wurde aus zwei unterschiedlichen Familien eine. Und das wegen eines schweren Schicksalsschlags.“
„Das war sicherlich nicht einfach.“
Josh lächelte müde. „Nathan hat mich mehr Nerven gekostet, als alles andere in meinem Leben.“
„Weshalb?“
Joshs Gesicht nahm einen beunruhigten Ausdruck an. „Nathan schloss sich einer einflussreichen Sekte an und es war mir unmöglich, zu erfahren, ob er überhaupt lebte.“
Naomi biss sich auf die vollen Lippen und sah, wie er ihrem durchdringenden Blick auswich. „O Gott.“
„Mit Gott hat das nichts zu tun.“
„Was war das für eine Sekte? Wie ist er entkommen?“
„Er spricht nur wenig darüber und ich dränge ihn zu nichts.“ Über Joshs versteinertes Gesicht huschte ein Schatten. „Aber der Ausflug in diese Hütte weckt alte verdrängte Geschichten. Ich sehe, wie Nathan die Erinnerungen an die Sekte quält, und ich werde die Gelegenheit nutzen, um mehr zu erfahren.“ Er nippte an seinem Bier und es blieb still, bis Naomi es brach.
„Nathans Narbe...“, ihre Stimme versagte und sie traute, sich nicht weiter zu fragen.
Josh verstand. „Ich weiß es nicht. Vorher hatte er diese noch nicht.“
„Dann ist unser Timing besonders schlecht, hier den Urlaub zu verbringen.“, sagte Naomi nur um irgendetwas zu erwidern. Dieser wirkte unbekümmert und zuckte mit den Schultern.
„Es tut mir nur leid für euch, Nathan ist in seiner Art mitunter sehr beunruhigend.“
Naomi dachte an die unterschiedlichen durchdringenden Augen und schwieg.
Auf der Treppe knarzten verstohlene Schritte und sie drehte sich um. Nathans muskulöse Gestalt blieb vor dem Treppenabsatz stehen und ein unergründliches Lächeln schwebte ihm auf den Lippen. Das Bier in seiner Hand war verschwunden.
„Wo ist Melinda?“ Naomis Nackenhaare stellten sich auf, als ihr bewusst wurde, wie viel Zeit vergangen war. Er kratzte sich den Hals und räusperte sich. Sein Blick hob sich genervt, als wäre ihm ihre Frage lästig. „Melinda wird uns nicht Gesellschaft leisten, mir scheint, sie ist im Moment mit den Gedanken wo anders.“
Josh sah Nathan in das hochmütige Gesicht und Wut trat in seine Züge. „Was hast du gemacht?“
Der langhaarige Mann reagierte zuerst nicht auf die ihm gestellte Frage und kramte in den Taschen seines schwarzen Mantels, der am Wandhaken hing. Er fand sie. „Warum ist dein erster Gedanke und die Frage an mich, was ich gemacht habe?“ Nathans Stimme war leise aber es lag eine beunruhigende Ungeduld darin und ein Hauch von Ärger. „Ich habe einen Scheiß gemacht, sondern Melinda gestört, wie sie unser beider Namen geseufzt hat.“
Joshs Hände schlossen sich angespannt um die Lehnen des Sessels.
Naomis Gesichtsfarbe wechselte von blass zu Purpurrot.
Josh schloss quälend langsam die Augen.
„Siehst du alter Mann, einige wenige Frauen scheinen dich dennoch reizvoll zu finden.“

Naomi klopfte an der Tür und öffnete sie, ohne nachzudenken.
Melinda saß mit offenen lockigen Haaren in dem alten Holzbett und trank das teure norwegische Bier. Ein wenig verstört sah sie auf, als Naomi die Tür schloss.
„Was ist passiert?“
Sie zuckte die Schultern. „Als ob du das nicht schon wüsstest.“
Naomi kicherte ein wenig und Melindas Gesicht nahm eine ungesunde Röte an.
„Nathan hat es uns im Wohnzimmer mitgeteilt.“
Melinda schliefen zuerst sämtliche Gesichtszüge ein, doch entschloss sich dann, herzhaft zu lachen. „Mist, ich bin nicht einmal sechs Stunden in Norwegen angekommen und blamiere mich. Und das Schlimmste: Mir stehen noch vierzehn Tage bevor.“
Naomi lehne sich gegen das hölzerne Kopfteil des Bettes und schüttelte den Kopf.
„Warum ausgerechnet er?“
Melinda erhob sich aus dem Bett und öffnete eine Seite des Fensters. „Keine Ahnung. Ich bin frustriert und sehne mich nach ein wenig Nähe. Ist das verwerflich?“
„Nicht im geringsten aber dieser Mann?“
„Ja, ein fremder Mann, der sich in meine Gedanken geschlichen hat. Es hätte jeder sein können.“ Melinda drehte sich zu ihrer Freundin, diese rümpfte die Nase und ein Schauer erfasste ihren Körper. „Wie ein Alptraum, der einen nicht loslässt.“
 
 
 
 
 

Melinda war kalt, als sie aufwachte. Weißes Licht drang durch einen Spalt zwischen den geschlossenen Vorhängen. Genüsslich streckte sie sich und gähnte laut. Wie ein Schlag traf sie die Erinnerung an den gestrigen Abend. Resigniert schnaufte sie aus. Allmählich kehrten die Bilder ihres Traumes zurück, als sie die Augen schloss.
Ein Traum als hätte Nathan ihn geträumt.
Sie erinnerte sich, allein in einem Zimmer gewesen zu sein, es war dunkel und warm. Seile zwängten sie in eine nicht selbst gewählte Position. Die breiten Oberschenkel waren angewinkelt und weit geöffnet. Die Arme hatte man ihr hinter den Rücken gefesselt. Nathans muskulöse Gestalt schob sich aus der Dunkelheit und betrachtete den nackten molligen Körper, der allein ihm gehörte.
Mühsam rappelte sie sich auf und sah auf ihr Handy. Es war sieben Uhr. Ein ihr bekanntes Geräusch ließ sie aufhorchen. Klack.
Melinda schaute aus dem Fenster, als sie den Vorhang zur Seite schob. Ihr Atem drang an die Scheibe und sie beschlug.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie Josh im Garten sah, umgeben von schneebedeckten Bäumen und Sträuchern. Sie sah den ihr zugewandten Rücken. Seine Muskeln tanzten, als er das Beil durch die Luft hob. Das Blatt spaltete mit Leichtigkeit das Holz. Zwei Scheite flogen ungebremst in den Schnee.
Wieder bewegten sich seine Muskeln unter der leicht gebräunten Haut. Sie hauchte aus und trat vom Fenster zurück. Sie benahm sich wie ein pubertierender Jugendlicher.
Melinda trat aus dem Zimmer, nachdem sie geduscht hatte, und stieg die knarzenden Holzstufen hinab. Naomi deckte in der Küche den großen Tisch für ein gemeinsames Frühstück. Sie lächelte warm und schien ausgeruht. Anders als Melinda. Dunkle Augenringe zierten ihr Gesicht.
„Morgen! Kaffee?“
Melinda nickte und bedankte sich leise.
„Was haben wir an unserem ersten Tag vor?“ Naomi grinste und griff nach der Kaffeekanne.
„Lass uns etwas einkaufen und dann weiter sehen.“ Melinda antwortete ihrer Freundin knapp.
Naomi stellte den frisch gekochten Kaffee auf den Tisch und setzte sich. Als sie sprach schnitt sie sich ein Brötchen auf.
„Und schon überlegt wie du ihnen peinlich berührt entgegentrittst?“
„Halt den Mund.“
Ihre Freundin lachte. „Du hast dich aber rausgeputzt.“
Melinda hob die grünen Augen, die ein schwarzer Lidstrich umrahmte. Die Lippen hatte sie rot geschminkt. „Ich sehe immer so aus und das weißt du.“
Naomi kicherte und schaute auf die zwei anderen gedeckten Teller. Die Haustür öffnete sich und Melinda spannte sich. Dies entlockte der blonden Freundin ein verhaltenes Glucksen.
Josh lief in das Wohnzimmer, vorbei an der Küche und legte Holzscheite in den Kamin. Sein Shirt spannte sich über den breiten Rücken und Schweißflecken zeichneten sich ab. Er sah in die Küche und begrüßte die Frauen mit knapp gewählten Worten. Naomi erhob sich von ihrem Stuhl und griff nach der Kanne Kaffee.
„Frühstückst du mit uns?“
Er schien überrascht und nickte. „Gern. Danke.“
Naomi goss Kaffee in die Tasse, als er sich setzte.
Josh lächelte ihr freundlich entgegen. Melinda hingegen wich er aus. Er roch nach Schweiß und Holz. Die Haustür öffnete sich erneut und kalte Luft drang in die Küche. Nathan streifte sich die Stiefel von den Füßen und roch den frisch aufgebrühten Kaffeeduft. In dem grauen Pullover, den er trug, hingen Holzspäne und Dreck.
Er setzte sich lächelnd an den großen Holztisch und schnappte sich den Kaffee.
Naomi brach das Schweigen. „Wisst ihr, wo wir etwas einkaufen könnten?“
Josh hob den Blick und nickte kauend. „Im nächsten Ort. Circa eine Stunde Fahrt von hier.“
Während er versuchte Naomi den Weg zu erklären biss Melinda schweigend in ihr Brötchen. Vorsichtig linste sie zu Nathan, der sich die Ärmel hochgezogen hatte. Die Arme waren komplett tätowiert, sowie sein Hals bis unter das markante Kinn. Sie betrachtete ihn genauer. Ihre Augen trafen die des Dämonenkopfs auf Nathans Kehle. Frivol streckte er ihr die gespaltene Zunge entgegen. In Melinda stieg Hitze auf und sie fragte sich, was sich unter dem Pullover befand.
Nathans ungleiche Augen hoben sich und hielten ihren Blick gefangen. Dezent lächelnd nippte er an seinem Kaffee. Die Narbe verformte sich grässlich, als er breit grinste. Grübchen bildeten sich auf den Wangen und Melinda senkte das gerötete Gesicht.
„Lasst uns doch gemeinsam nach Trondheim fahren und einkaufen.“
Josh sah zu seinem Bruder und schien verwundert. „Sie wollen sicherlich allein sein.“
Naomi überlegte und stützte sich auf der Holzplatte ab. „Lasst uns zusammen in die Stadt fahren und dort trennen sich unsere Wege. Zurück in der Hütte kochen wir gemeinsam.“
Melinda nickte, sagte aber nichts, da ihre Stimme sonst gezittert hätte.
Naomi klatschte in die Hände und alle erschreckten sich. „Dann lasst uns zeitig losfahren.“

Josh wirkte angespannt und diskutierte mit Nathan, der ein strenges Gesicht zog.
Melinda stand etwas abseits und rauchte schweigend. Josh knurrte laut und der tätowierte Mann erhob effektvoll die Stimme. Sie bekam eine Gänsehaut. Josh verschwand in der Hütte und ließ seinen Bruder im Schnee stehen.
Nathan trug einen eng geschnittenen Mantel, der ihm bis über die Knie reichte. Die dicken schwarzen Haare hatte er zu einem festen Knoten gebunden, der den Blick auf die Tätowierungen im Nacken preisgab.
Grübelnd setzte er sich in Bewegung, ausgerechnet zu ihr. „Hast du ein Feuerzeug für mich?“
Sie reichte es ihm und er nickte knapp. „Was war los?“, fragte Melinda mit schnell schlagendem Herz. Er spuckte in den Schnee und das harte Gesicht versetzte sie in Unruhe. „Er gab zu bedenken, das ich jemandem begegnen könnte, dem ich lieber nicht wieder sehen möchte.“ Nathan schnaufte aus und schaute zu ihr herunter. Sie zu ihm herauf.
„Es tut mir leid.“
Melindas Augen weiteten sich und drehte das Gesicht zur Seite. Nathan beobachtete sie und die Finger wanderten an seinen zerschnittenen Mund. Die schmalen Lippen legten sich um den Filter der qualmenden Zigarette. „Hast du mich gehört?“
Die Frau hob die grünen durchdringenden Augen und sah ihm in das ungewöhnlich ansprechende Gesicht wenn auch entstellt. „Was tut dir leid?“ Nathan blinzelte und biss sich herausgefordert auf die Lippen. Er schluckte und der Adamsapfel hüpfte auf und ab.
„Dich dort liegen zu sehen hat mich angesprochen.“ Nathan suchte nach den richtigen Worten, fand sie aber nicht. „Es fiel mir schwer, die Augen abzuwenden und als du meinen Namen gejammert hast, entschloss ich mich zum Bleiben. Es tut mir leid. Ich weiß nicht wann ich das letzte Mal eine Frau gesehen habe die aus eigenem Willen und für ihr eigenes Vergnügen Hand an sich gelegt hat.“
Melinda sah wie der blaue Rauch aus seinem Mund drang als er sprach. „Wie meinst du das?“ Nathan brummte und schwieg.
„Was hast du alles erlebt?“
„Selbst gewähltes Elend in einer Sekte.“
Melinda begriff nicht, was sie tat, als sie die linke Hand umfasste und damit zu weit ging.
Sein Kopf fuhr herrisch zu ihr herum und umschloss ihr schmales Handgelenk. Sein Griff schmerzte und Melinda zuckte zusammen. Ein leiser Schrei entwich ihr. Fauchend versuchte sie sich mit aller Kraft, aus der festen Umklammerung zu lösen. Ein keuchen und er ließ Melinda los. Sie sah auf die roten Abdrücke auf ihrer Haut.
Nathan fluchte und nahm ihre kleine Hand in seine, um zu sehen, ob er sie verletzt hatte. Sie sah einen wulstig vernarbten Schnitt in der Handfläche.
„Ich bin nicht eine deiner Schlampen und jetzt lass mich los.“
„Wenn du es wärst, wäre der Abend gestern anders geendet.“ Er fluchte auf Norwegisch.
Melinda verzog das Gesicht und spürte den stechendenden Schmerz, der eintrat. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr und hörte schwere Schritte, die sich den Weg durch den Schnee bahnten. Nathan spannte sich und er wurde blasser als gewöhnlich. Melinda wich Josh aus, als er nach dem Hals seines Bruders griff und grob zudrückte.
Nathan ächzte lachte aber gleichzeitig kehlig auf und umschloss Joshs ausgestreckten Arm.
„Wenn du sie je wieder berührst, ohne das sie dich darum gebeten hat, werde ich dir die Scheiße aus dem Leib prügeln. Familie oder nicht. Diese Sekte hat dich zu einem Monstrum erzogen.“ Nathans breites Lächeln bereitete ihr Unbehagen. Er hob die Hände als Zeichen der Unterwerfung und Josh ließ von ihm ab. Seine dunklen Augen gerieten zu Melinda.
„Alles in Ordnung?“
Die schwarzhaarige Frau steckte die kalten Hände in die Manteltaschen und nickte. Naomi trat an ihre Seite und musterte Nathan mit bösem Blick.

Melinda sah auf Joshs verkrampfte Hände, die sich um das Lenkrad schlossen. Seine Fingerknöchel traten weiß unter der Haut hervor. Naomi schluckte und sah auf Nathans tätowierten Nacken. „In was für einer Sekte warst du?“, fragte sie und Melinda senkte den Kopf.
In dem Pick-up herrschte angespanntes Schweigen. Leise Musik drang aus dem Autoradio. Nathan drehte das markante Gesicht zu Melinda, die schräg hinter ihm saß. Sein Profil war messerscharf. Er räusperte sich und schnaufte aus. „Ich schloss mich vor Jahren einer großen und einflussreichen Gruppe von Satanisten an die in Norwegen agiert. Nachdem meine Eltern bei einem Autounfall verstarben, suchte ich Halt und gleichgesinnte.“ Melinda sah, wie er ihren Blick im Rückspiegel erwiderte, und schaute wieder aus dem Fenster.
„Ein Satanist also, passt zu deiner arroganten Blasiertheit.“
Nathan hob überrascht die Augenbrauen und lachte schallend auf das durch den gesamten Pick-up drang.
„Warst du ein hohes Tier?“
Nathan nickte. „Desto schlimmer war es, als ich die Sekte verließ.“

Die Bäume sausten mit schneller Geschwindigkeit an dem Fenster des Autos vorbei. Melinda schnaufte aus und befühlte ihr schmerzendes Handgelenk. Sie war wütend, dass Nathan Hand an sie gelegt hatte. Ihr Blick geriet zu dem Mann, der auf dem Beifahrersitz saß und aus dem Fenster starrte. Er war jeder weiteren Frage zu seinem Leben in der Sekte ausgewichen trotz Joshs drängen. Nathan hatte ihn unterbrochen und gab allen zu verstehen, dass er keine weiteren Fragen duldete. Dabei zitterte ihm die Stimme und Wut verunstaltete seine markanten Gesichtszüge. Melinda sah auf die mit Leder behandschuhten Hände, sie waren zu Fäusten geballt. Sie hob den Blick und bemerkte wie er sie durch den Rückspiegel beobachtete.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Melinda wandt sich ab und sah auf die Häuser, die sie nun umgaben.

In Trondheim angekommen, stiegen sie aus dem Auto und Naomi streckte sich. Melinda strich sich über den schwarzen Mantel und trat um das Auto herum durch den Schnee.
Josh räusperte sich, als die blonde schlanke Frau ihm Geld in die Hand drückte.
„Wir kaufen ein und ihr besichtigt die Stadt.“
„Das ist lieb von euch.“
Melinda sah, wie die beiden lächelten und miteinander redeten, doch sie folgte dem Gespräch nicht weiter. Nathan stand abseits der Gruppe, rauchte und hielt nach etwas Ausschau. Er hatte die Arme vor der breiten Brust verschränkt und presste streng die Lippen aufeinander. Eine sachte Berührung an der Schulter ließ sie zusammenfahren. Josh schaute auf sie herab und dann kurz zu seinem Bruder. „Geht es dir gut?“
Sie war überrascht und nickte.
Die graugrünen Augen richteten sich prüfend auf ihre errötenden Wangen.
„Soll ich ihn verprügeln?“
Melinda grinste und fing an zu lachen, gemeinsam mit Josh und Naomi. Nathans gelangweilter Blick richtete sich auf sie und sie hob herausgefordert das Kinn.
„Schon in Ordnung.“
Sie verabschiedeten sich und liefen in das Stadtinnere.
Die Hand ihrer Freundin schloss sich um ihre. „Was ist da vorhin passiert?“
Melinda sah sich um und zuckte mit den schmalen Schultern.
„Er wirkte traurig und ich nahm seine Hand in meine. Die Berührung gefiel ihm nicht und er brach mir fast das Handgelenk.“ Sie liefen an eng gedrängte Menschen vorbei, die sich vor einem Stand mit selbstgemachten Schmuck versammelte. Naomi erhaschte einen Blick auf das Sortiment, schien aber nicht zufrieden mit der Auswahl und konzentrierte sich wieder auf Melinda. „Ich kann uns eine andere Unterkunft buchen. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl.“
Die schwarzhaarige Frau wich einer Touristengruppe aus und wartete auf Naomi, die sich übelgelaunt durch die Menge kämpfte. Grade durch ohne Rücksicht.
„Mich auch aber lass uns sehen wie es sich entwickelt.“
Sie liefen auf einen Marktplatz, vorbei an Cafés, Läden voller Krimskrams und Kleidungsgeschäften. Naomi blieb an jedem Schaufenster stehen und die blauen Augen leuchteten, als sie ein geblümtes Kleid sah. Melinda hauchte aus und verzog das Gesicht.
„Wozu brauchst du ein Kleid im Winter, in Norwegen?“
„Wir verlassen diesen Ort irgendwann und der Sommer naht.“
Die Menschen um die beiden Touristen liefen geschäftig durch die Fußgängerzone und beachteten niemanden. Norweger blieben scheinbar lieber auf Abstand.
Die beiden Frauen liefen durch schmale Gassen, vorbei an eng gereihte bunte Häuser und betrachteten das wogende Wasser von der Brücke aus. Melinda schluckte und sah auf den Ring an ihrem Finger. Ihr Verlobungsring. Sie hatte es bis jetzt nicht über das Herz gebracht, ihn abzunehmen.
Naomi beobachtete wie Melinda den dünnen silbernen Ring vom Finger zog und ihn in das Wasser fallen ließ. Er verschwand mit einem dunklen Glucksen unter der schwarzen wogenden Oberfläche. Sie liefen über die Brücke und durch die Stadt. Melinda kaufte sich einen schmalen silbernen Ring, der in sich geschlungen ein neues Muster ergab. Eisiger Wind pfiff durch die engen Gassen und der Himmel zog sich mit grauen Wolken zu. Auf den Straßen und Fußgängerwegen wurde es allmählich leerer.
Der warme Kaffeebecher in den Händen der Frauen tat gut. Melinda sah auf ihr Handy und erschrak. „Wir sollten zurück zum Ausgangspunkt. Es ist spät.“
Sie verliefen sich auf dem Weg zum Parkplatz und sahen die beiden Männer schon von weitem auf sie warten. Naomi hob die Arme und entschuldigte sich schreiend, was einige Besucher ebenfalls aufmerksam machte. Melinda lächelte und senkte kurz den Kopf.
„Entschuldigt, wir haben uns verlaufen.“
Josh brummte und verstaute eine der letzten Einkaufstüten in den Pick-Up.
„Das war sicherlich teuer“, murrte Naomi und versuchte einen Blick in die Tüten zu erhaschen. „Danke das ihr das übernommen habt.“
Melinda rauchte und versuchte Nathans durchdringende Augen zu ignorieren. Josh schien es zu bemerken und schloss die Tür des Autos mit einem lauten Knall.
„Lust, noch einen Kaffee zu trinken, oder wollt ihr zurück?“
Melinda zog ein bedrücktes Gesicht und blauer Rauch drang aus ihrem Mund, als sie sprach.
„Gern, warum nicht?“
Naomi nickte und richtete sich den beigen Schal. Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung und lief durch den Schnee bedeckten Parkplatz, zurück ins Stadtinnere. Nathan lief, ohne ein Wort zu verlieren, vor ihnen und senkte den Kopf vor dem auffrischenden Wind.
„Der Einkauf muss ein Vermögen gekostet haben.“, stellte Naomi fest und lachte, als sie Joshs leidenden Blick sah. Er murrte und erzählte ihr auf dem Weg zu dem kleinen Laden, wie viel er bezahlt hatte. Die blonde Frau verschluckte sich heftig am Rauch ihrer Zigarette. Er lachte sie böse aus, so laut, dass Passanten auf der kleinen Straße die Gruppe misstrauisch betrachteten. Melinda kicherte und sah erschrocken vor sich, als sie gegen Nathans Rücken stieß. Er blieb wie versteinert stehen und sie sah, wie sich die breiten Schultern strafften. Melinda streckte die Hand aus, nahm diese aber wieder zurück, als sich der blasse Mann mit starrem Gesicht zu der Gruppe drehte.
Josh war der Einzige der Reagierte und sich an ihr vorbei drängte. Er umfasste Nathans schmales Gesicht und die beiden Frauen starrten schweigend auf die beängstigende Szene vor sich. Nathans Kaumuskeln traten hart unter der Haut hervor und die behandschuhten Fäuste ballten sich ähnlich wie im Auto vor wenigen Stunden.
Melinda wollte den Grund erfahren und streckte sich. Sie blickte ihm über die Schulter und sah in das schockierte Gesicht einer blonden reglosen Frau. Ihre blauen Augen richteten sich auf Nathan, als er sich zurückdrehte und so tat als kenne er sie nicht. Die Frau schluckte und schaute plötzlich hinter sich.
Nathan tat wenige Schritte und blieb abermals stehen. Die Stiefel knarzten unter dem Splitt und er straffte erneut die breiten Schultern. Josh knurrte und murmelte einen verzweifelten Fluch und da bekamen es die Frauen mit der Angst zu tun.
Die blonde Frau drängte sich unsicheren Schrittes an der Gruppe vorbei und senkte den kleinen Kopf. Josh blieb hinter Nathan und vor den Frauen stehen. Er redete mit leiser Stimme auf dem Mann vor sich ein, als er die drei Männer sah die sich grinsend auf sie zu bewegten.
„Ich bitte dich, reagier nicht auf sie. Lass dich nicht provozieren.“
Nathans raue Stimme bescherte Melinda eine Gänsehaut und automatisch senkte sie den Kopf.
„Ich glaube nicht, das dies möglich sein wird.“
Naomis Hand suchte Melindas und fand sie.
Gelächter und raunen ertönte, als die Männer wenige Zentimeter vor Nathan stehen blieben. Ein blonder Mann trat an ihn heran und die hellen grünen Augen fraßen sich abschätzig in jedes Gesicht der Gruppe. Melindas Herz machte einen hässlichen Sprung, als sich Nathans Kopf drehte und ihr in die vor Angst aufgerissenen Augen sah. Der Mann bemerkte ihren kurzen Blickkontakt und kratzte sich das Kinn. „Die beiden Frauen habe ich noch nie hier gesehen.“
Nathan machte einen Schritt nach links und verbaute dem Mann den Blick auf Melinda.
„Ein Wunder dich zu sehen. Du lebst noch?“, stellte der blonde Mann fest und grinste.
Nathan rekte ihm das Kinn entgegen. „Sollte sich daran etwas ändern?“
Er schnalzte mit der Zunge. „Du weißt am besten, was mit Leuten wie dir geschieht.“
Der schwarzhaarige Mann lachte und es klang kalt. Er schaute auf den Boden und ließ die Hand in die Manteltasche gleiten. „Nur bin ich nicht einer von dem Mob.“
„Das du es nicht bist, macht es noch schlimmer. Du bist nicht wertlos wie sie.“
Der Mann mit den hellgrünen Augen trat einen letzten Schritt auf Nathan zu. Melinda sah wie dieser schnell und behände ein Messer zückte und aufklappte. Er hielt es seitlich an seinem Körper versteckt, dennoch so das die Männer es sahen. Alle Augenpaare richteten sich wie in einer Bewegung auf die Klinge. Nathan lachte tief und es klang wie das Grollen eines herannahenden Gewitters. Er sprach ohne ein Zittern in der Stimme.
„Ihr wisst alle, wie geschickt ich mit dem Messer bin.“
Der Blonde lachte, aber sie sahen den Hauch des Zweifels der eigenen Überlegenheit.
„Ja ich erinnere mich. Du bist nicht zu übertreffen. Keiner von uns hat je vergessen, was du Abscheuliches damit angestellt hast. Welchen Horror du über die gebracht hast, die nicht vor deiner gezückten Klinge entkommen konnten.“
Nathans Atem beschleunigte sich und der Mann hob die Hände.
„Schon gut wir verschwinden aber vergessen wirst du uns nie Priester.“ Er tippte unter sein linkes Auge und deutete dann auf Nathans Narbe.
Die Männer schritten an der Gruppe vorbei. Melinda senkte den Blick, als der Blonde ihr tief in die Augen sah. Josh bemerkte, wie Nathan zu zittern begann und den Oberkörper beugte.
Er tippte ihn auf die Schulter und bedeutete ihm, weiter zu gehen. „Nicht hier und steck das Messer weg.“ Melinda war wie versteinert, erst als Naomi sich in Bewegung setzte, folgte sie.
Nathan stand wie zur Salzsäule erstarrt da und reagierte nicht auf die leise gesprochenen Worte seines Bruders.
„Nathan?“, versuchte sie ihn wieder zum Leben zu erwecken. „Lass uns verschwinden. Nathan?“, wiederholte sie sanft und fasste ihn vorsichtig an der Schulter. Sein Kopf ruckte zu ihr herum, doch er schaute durch sie hindurch.
Sachte und in Erwartung das Nathan sie erneut verletzte, umgriff sie dessen Hand und sein schlankes Gesicht. Ihre kalte Hand legte sich auf seine eisige Wange. Wie erwartet, schien er wenig begeistert von ihr berührt zu werden. Die Augenbrauen senkten sich gefährlich, doch weiter tat er nichts. Er schluckte und fluchte. Melinda konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite treten, als er sich in den Schnee übergab.


Der kleine Laden befand sich in einer versteckten Gasse. Ein Schwall an Wärme und der Geruch von gemahlenen Kaffee schwappte ihnen entgegen, als sie die Tür öffneten. Naomi atmete erleichtert aus und zog sich den hellen Mantel aus. Josh setzte sich fernab aller Blicke, in eine gemütlich aussehende Sitzecke und Melinda platzierte sich neben ihn. Naomi saß ihnen gegenüber. Nathan entkleidete sich ebenfalls, blieb allerdings vor dem Stuhl stehen und griff sich an den Bauch. Er würgte.
Leidend versuchte er sich, unter Kontrolle zu bringen, schaffte es aber nicht. Er ließ die Lehne des Stuhls los, die ihn stützte und wankte auf die Toilette.
Josh bettete das Gesicht in die Handflächen und atmete verzweifelt aus.
„Es muss weh tun, wenn man jemanden liebt und diesen nicht beschützen kann.“
Melinda hörte ihn leise raunen und sah ihn nicken.
„Nathan war über Jahre verschwunden und ich wusste nicht, ob er lebt. Ich hatte keine Möglichkeit, ihn zu erreichen.“ Josh stützte sich auf dem Tisch ab und starrte auf die abgegriffene Holzplatte. „Er ist ein kluger Mann, das war er schon immer. Deshalb hat es mich verletzt, als er verschwand und sich diesen Idioten zugehörig fühlte.“
Sie überlegte und erinnerte sich an die Worte des blonden Mannes. „Er muss sich clever angestellt haben. Sicherlich hat er sein Wissen und charismatische Art eingesetzt, um in der Hierarchie weit aufzusteigen. Priester wird man nicht einfach so. Wenn so jemand dann eine Sekte verlässt, wird ihnen mit dem Tod gedroht.
Josh nickte. „Ich habe Angst, das sie ihre Drohungen in die Tat umsetzen.“
Melinda schwieg eine Zeit lang und hörte das gedämpfte Gemurmel um sich herum. Sie fragte sich, wo Nathan blieb, und erhob sich nach langem hadern. Sie reagierte nicht auf Naomis Frage wohin sie wolle. Mit schnell schlagendem Herz verharrte sie vor der Tür der Männertoilette und öffnete diese einen schmalen Spalt. Sie lauschte und hörte Würgen und plätschern von Wasser. Melinda schloss die Tür und rief seinen Namen.
Nathan keuchte schwer, lachte jedoch gleich darauf leise auf.
„Die Frauentoilette befindet sich auf der anderen Seite.“
Melinda schwieg und schaute auf die geschlossene Kabinentür.
„Was werden die anderen Gäste denken, wenn sie uns hier gemeinsam sehen.“, raunte er. Seine Stimme hallte merkwürdig fremd im Raum umher. Die Tür der Kabine öffnete sich explosionsartig und krachte mit einem ohrenbetäubenden Knall gegen die geflieste Wand. Nathan trat blasser als gewöhnlich an das Waschbecken und zitterte.
„Was willst du von mir?“, knurrte er und spuckte in den Ausfluss.
„Ich wollte nach dir schauen.“
Nathan lachte manisch, als er sich die Hände und das schweißbedeckte Gesicht unter kaltem laufenden Wasser wusch. Es perlte ihm vom Kinn und lief ihm in nassen glänzenden Bahnen von den tätowierten Armen. „Verschwinde.“
„Du hast nicht viel Respekt vor Frauen, die versuchen dir zu helfen.“ Nathan hielt den Rand des Waschbeckens umschlossen und starrte ihr entgegen. Sein Kiefer spannte sich.
„Church of Satan?“
Jetzt grinste er und richtete sich auf. Er trocknete sich Gesicht und Arme schwieg aber. Melinda trat zurück, als er auf sie zu lief, doch er hielt nicht an. Seine Brust spannte sich und die Muskeln traten sichtbar unter dem schwarzen Stoff hervor. Sie schluckte und versuchte seinem durchdringenden Blick standzuhalten. Er kratzte sich den Kopf und lachte gemein auf, als Melinda gegen die geflieste Wand stieß.
Sie hauchte aus und sah erschrocken hinter sich. Ihre Handflächen legten sich auf die kalte glatte Oberfläche. Ihr Rücken krümmte sich. „Warum hast du dich übergeben?“
Nathan stemmte die Hände gegen die schmale Hüfte und betrachtete sie von oben herab. Melinda musste den Kopf heben um ihn ins Gesicht zu schauen.
„Ich habe mich an mein Ekeltraining erinnert. Äußerst unerfreulich.“ Er hob die Hände und stützte sich gegen die weißen Fliesen, als er sie enger an die Wand presste. Sein Körper geriet an ihren und drückte sich an sie. Melinda stöhnte. Nathans Hand legte sich an ihren Hals.

„Sah so aus als wolltest du dich von ihnen lossagen.“ Sie schluckte und spürte, wie er zudrückte.
„Ich bin mühsam erzogen worden zu dem, was ich jetzt bin. Zu dem was vor dir steht.“
Er lehnte sein Gesicht näher an ihres und sah ihr in die grünen stechenden Augen.
„Es fällt mir schwer, abzulegen was ich bin, zumal da ich jemand bin.“
„Nicht ohne deine Meute. Priester.“
In sein Gesicht trat ehrliche Verwunderung, doch sie sah wie der Hass die Oberhand gewann. Dieser Mann konnte ihr ohne weiteres gefährlich werden. Dennoch fand sie seine aufgezwungene Nähe erregend. Er schien es zu bemerken. „Du scheinst dich auszukennen.“
Nathans Daumen strich über ihre Lippen und das rot darauf verwischte.
„Und du scheinst dem hier nicht abgeneigt.“
Melinda hob das Gesicht und ihre Augenbrauen senkten sich. Sie schluckte schwer, da sein Griff um ihren Hals hart war. Ihre Hände gruben sich in seine Arme doch er löste sich nicht von ihr. Im Gegenteil. Lächelnd sah er ihr in die Augen, als Panik in ihr aufstieg. Melinda spürte, wie sich sein harter Körper enger an ihren drückte. Sie stöhnte und schloss die Lider.
Der Sauerstoff entwich aus ihren Lungenflügeln und sie hörte ihn kehlig aufstöhnen. Melinda spürte sein Knie. Es fuhr zwischen ihre breiten Schenkel und rieb sich hart gegen ihre Körpermitte. Nathan verstand es ihr, gerade so viel Luft zu lassen, sodass sie nicht in Ohnmacht fiel. „Ist es das, woran du gedacht hast, als ich dir dabei zugesehen habe?“
Seine Stimme war leise und die Augen halb geöffnet.
Er betrachtete ihr Gesicht genau. „Ich werde dich nicht anfassen. Das muss reichen.“ Melindas Hände schlossen sich um seine Handgelenke, als er sie weiter stimulierte.
„Beweg dein Becken, sonst dauert es zu lange und du wirst ohnmächtig.“
Sie sah ihn lächeln und wie er genoss. Sein rechtes grünes Auge leuchtete dunkler als gewöhnlich während das weiße tot auf sie herabblickte. Nathans Oberschenkel presste sich gegen Melindas Intimbereich und sie jaulte ächzend auf.
Sie stellte das Becken an und ihre Hüfte begann sich zu bewegen. Ihr Rücken drückte sich von der Wand und Nathans Blick fesselte ihr hinreißendes angespanntes Gesicht, als sich ihre Augen nach oben rollten. Der mollige Körper versteifte sich und er lockerte seinen festen Griff nicht. Melinda öffnete den Mund, aber kein Ton drang aus ihm heraus. Nathan genoss ihren erzwungenen Orgasmus und sein Oberschenkel stützte ihren erschlaffenden Körper. Ein Röcheln drang aus Melindas Kehle und erstarb. Nathan umgriff ihren schmalen Oberkörper und ließ sie sachte auf den Boden gleiten.
Melinda keuchte und hätte erwartet das Nathan sie allein ließ, doch er wartete und gab ihr auf dem kalten Fliesenboden Zeit sich zu erholen.

Autorennotiz

Hallo meine Lieben,

ich hoffe hier jemanden zu finden der sich an meiner Geschichte erfreut.
Wenn dem so ist, schreibt mir doch. Ich würde mich wahnsinnig freuen.
Wer einen Hang zur Erotik und BDSM hegt, ist bei mir genau richtig.

Liebe Grüße! :*

Feedback

Logge Dich ein oder registriere Dich um Storys kommentieren zu können!

Autor

Purgatorys Profilbild Purgatory

Bewertung

Noch keine Bewertungen

Statistik

Kapitel: 6
Sätze: 836
Wörter: 9.994
Zeichen: 58.062

Kurzbeschreibung

Melinda kehrt ihrer Heimatstadt und gescheiterten Beziehung den Rücken um in Norwegen etwas Ruhe zu finden. Doch dem Mann, den sie dort begegnet, bringt ihre Gefühlswelt ins Wanken. Ein düsterer Erotik Thriller voller dunkler Begierden. Das zerschnittene Gesicht war die gesamte Zeit auf ihr zartes gerötetes Antlitz gerichtet. Erregung und Angst breitete sich in Melindas Körper aus, als seine unterschiedlich farbenen Augen auf ihr verharrten. Ihre Gedanken rasten und nichts von all dem lässt sich mehr verleugnen. Da war mehr als Anziehung. Vielleicht war ihre aufsteigende Lust ein guter Weg, um die Enttäuschungen zu lindern, die sie in letzter Zeit so oft erfahren hatte. Melinda hielt ihm nicht mehr stand.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Thriller auch in den Genres Drama, Erotik, Alltag und Angst gelistet.