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Psychotic Kühlschrank

1.025
18.10.20 17:06
18 Ab 18 Jahren
Heterosexualität
Homosexualität
Bisexualität
In Arbeit

Clay

Es lief nicht besonders gut. Ich stand schon viel zu lange dort, und langsam ging es mir auf den Geist. Das Junkiemädchen neben mir war auch schon ungeduldig. Vielleicht hatte sie zu lange keinen Schuss mehr, oder es war ihr erster Deal, und sie hatte Angst vor der Polizei. Je länger man warten muss, umso mehr Zeit haben die Bullen, einen zu entdecken. 

Ich sah sie eine Weile von der Seite an und versuchte abzuschätzen, was in ihr vorging. Sie sah noch nicht so besonders abgerissen aus, deshalb vermutete ich eher, dass es ihre Angst war, die sie nervös hin und her laufen ließ. „Was ist jetzt?" fragte sie mich schon wieder, „Wann kommt der endlich?" „Ich habe keine Ahnung", erklärte ich ihr nochmal und zündete mir eine Zigarette an. 

Sie betrachtete mich skeptisch. Vielleicht glaubte sie mir nicht. Vielleicht dachte sie plötzlich, ich wollte sie abziehen. Aber ich hatte wirklich keine Ahnung. Sergej war sonst immer zuverlässig. Es kam nur äußerst selten vor, dass er mich warten ließ. 

Junkiemädchen wusste das aber nicht. Sie nahm all ihren Mut zusammen und starrte mich wütend an. „Hör mal, du Arsch, wenn du mich verarschen willst...!" fauchte sie mich an. Ich hob langsam, beschwichtigend die Hände und musste mich anstrengen, um nicht zu lachen. Jetzt war ich sicher, dass es ihr erster Deal war. Und dass ihre Nervosität zusammen mit ihrer Angst zunehmen würde, je länger wir noch warten mussten. 

„Hör zu, ich ruf ihn mal an", schlug ich ihr vor und kramte nach meinem Handy in der Innentasche meiner Jacke. Sie sah mich an, dankbar, dass endlich etwas passierte. Ich lächelte sie charmant an und drehte mich von ihr weg. Ich musste die Nummer von Sergej eintippen und ich wollte nicht, dass sie mich dabei beobachtete. Aber sie ließ sich nicht so einfach abschütteln, kam um mich herum und schaute mir neugierig beim Tippen zu. Ich fand sie plötzlich äußerst überflüssig. 

Aber dann dachte ich an das Geld, das ich mit ihr verdienen würde, die shore, und deshalb beschloss ich, ihre Aufdringlichkeit hinzunehmen. Ich versuchte sogar zu lächeln. Sie lächelte zurück, was mich sehr überraschte, wo sie mich doch vor einer Minute noch einen Arsch genannt hatte. 

Ich tippte die Nummer schnell und hob mein Handy an mein Ohr. Sergej war fast augenblicklich in der Leitung. „Ich bin's, Clay, was ist los, ich warte!" erklärte ich ihm. Ein Blick auf die Uhr des Handys verriet mir, dass ich tatsächlich schon eine halbe Stunde auf ihn wartete, was wirklich verdammt lang war. „Ich muss auch noch warten, zehn Minuten", meinte Sergej in seinem ukrainischen Akzent. „Okay", bestätigte ich und drückte den Knopf fürs Auflegen. 

Junkiemädchen sah mich neugierig an. „Höchstens noch zehn Minuten", versicherte ich ihr und zog an meiner Marlboro. Ihr Blick wurde wieder skeptisch. „Er kommt bestimmt, keine Angst", versuchte ich, sie zu beruhigen. Sie schnaufte verächtlich und zündete sich eine Zigarette an. 

Ich betrachtete sie noch eine Weile. Sie drehte sich von mir weg und lief ein Stück Richtung Friedhof. Sie sah eigentlich recht gut aus, fiel mir plötzlich auf. Vielleicht würde ich sie später mit zu mir nach Hause nehmen.

Sean

Die Probe war eine Katastrophe gewesen und ich war stinksauer, weil Clay sie wieder einmal geschwänzt hatte. Mir war klar, dass es nur deshalb so ätzend gelaufen war. Clays Rolle war viel zu wichtig, als hätte man sie außer Acht lassen können. Ohne ihn hatten wir uns nur knapp eine halbe Stunde ziemlich ratlos auf der Bühne herumgedrückt und unentwegt gestritten. Dann waren alle wütend abgehauen. 

Und ich wusste nicht wohin. Ich hatte keine Lust, nach Hause zu gehen, aber ich musste irgendwohin. Ich trieb mich einige Minuten in der Eule herum. Aber es waren nur Leute dort, die ich nicht sehen wollte, deshalb war ich schnell wieder draußen. Es war auch schon nach sieben und der Abend hatte schon angefangen. Und ich wollte ihn nicht allein verbringen. 

Einige Zeit trieb ich mich in der Stadt herum, dann lief ich weiter. Ich rauchte viel und lief noch ein langes Stück. Aber erst, als ich vor dem Haus stand, in dem er wohnte, wurde mir klar, dass ich den Abend mit Clay verbringen wollte. Oder ich wollte ihm eine reinhauen, weil er nicht bei der Probe gewesen war. 

Ich lief die Treppen hoch und klopfte gegen seine Tür. Niemand öffnete. Ich trat ein paarmal gegen das Schloss, aber es hielt, seit er es das letzte Mal ausgewechselt und verstärkt hatte. Nach noch ein paar Tritten gegen Tür und Wand ging ich wieder hinunter. 

Ich zündete mir eine Zigarette an und guckte mich ein wenig um. Ich hatte keine Lust, wie ein Idiot auf ihn zu warten. Ich wollte ihn nicht mal sehen. Ich hasste ihn. Dann liebte ich ihn und hatte ein bisschen Sehnsucht. 

Dann machte ich mich auf den Weg zu Eliza, wo ich ihn vielleicht finden würde. Ich versuchte, mich nicht zu sehr darauf zu verlassen, um nicht enttäuscht zu werden. Ich verfluchte Clay. Ich wünschte mal wieder, ich hätte ihn nie kennengelernt. Dann wollte ich ihn unbedingt sehen und lief schneller. Ich versuchte mir vorzustellen, wie er mich ansehen würde, wenn ich ihn verprügelte.

Eliza

Ich war mit der Arbeit viel früher fertig geworden, hatte jetzt sogar ein paar Tage frei, und das beschloss ich ausgiebig zu feiern. Ich hatte lange gebadet, mich hübsch gemacht, viele Klamotten anprobiert und wieder verworfen, bis ich zum roten Sommerkleid gefunden hatte, obwohl noch Winter war. Ich versuchte, den Abend zu planen, und wog meine Möglichkeiten ab. Ich war noch unschlüssig, ob ich überhaupt Lust hatte auszugehen. Vielleicht würde ich mir einfach nur eine DVD reinziehen und auf der Couch rumhängen. Oder vielleicht würde ich doch noch irgendwas erleben, wenn ich mich aufraffte, das Haus zu verlassen. 

Vorsichtshalber ging ich wieder ins Badezimmer und fing damit an, mich zu schminken. Ich machte es mit besonders viel Sorgfalt. Ich träumte ein bisschen herum. Als die Türklingel schellte, war ich gerade mit dem Schminken fertig. Ich lief wie erlöst zur Tür, keine Ahnung warum. Das Klingeln freute mich total. Aus irgendeinem Grund vermutete ich dahinter ein Abenteuer. 

Aber es war keins. Es war nur Sean. Vielleicht wird das doch noch interessant, versuchte ich mich aufzubauen. Ich öffnete ihm, und er kam die Treppen hoch gerannt. Völlig außer Atem stand er dann vor mir auf dem Treppenabsatz, ich im Türrahmen, und er fragte: „Ist Clay bei dir?" Ich betrachtete ihn eine Weile lächelnd. Natürlich hatte er mich nach Clay gefragt. Es war Sean Valmont, der außergewöhnlich hübsche Mann aus dem Theater. Er atmete laut vom Rennen und sah verzweifelt aus. 

Ich beobachtete ihn eine Weile. Er wurde verlegen und zündete sich eine Zigarette an. Ich beschloss, seine Frage einfach zu ignorieren. „Komm doch rein", lud ich ihn ein, trat zurück und öffnete die Tür weit und einladend. Er zögerte. Er schaute mich überrascht an. Dann siegte seine Sehnsucht, und er kam herein und guckte sich suchend um. „Ist Clay bei dir?" fragte er nochmal. Ich schloss die Tür hinter ihm. Halt doch einfach den Mund, dachte ich. 

Sean war sehr attraktiv, es war eine Freude ihn anzusehen. Leider war er so durch und durch schwul und so hoffnungslos verliebt in Clay Banton, dass es mir schwer fiel, mir noch irgendetwas vorzustellen. 

Ich seufzte und ging ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher anschaltete. Es war noch früh am Abend, dachte ich, ich konnte immer noch einfach die Tür aufmachen und hinausgehen. Ich setzte mich auf das Sofa und klopfte neben mich. Dabei sah ich Sean auffordernd an, der nun im Türrahmen stand und maßlos enttäuscht war. Man sah ihm förmlich an, wie seine Hoffnung verpuffte, als ihm klar wurde, dass Clay sich nicht in meiner Wohnung aufhielt. 

Ich grinste ein bisschen und zappte dann durch die Kanäle. Sean ließ sich zögernd neben mir nieder. „Hast du eine Ahnung, wo er ist?" fragte er mich mit seiner attraktiven, sanften Stimme. Er sah müde aus. Resigniert. Ein Mann, der schon lange auf der Suche war. „Nein, ich habe keine Ahnung!" sagte ich mit Nachdruck. Eigentlich sollte Sean langsam wissen, dass ich mich nicht mehr für Clay Banton interessiere, dachte ich. „Du solltest wissen, dass Clay mich nicht mehr interessiert!" warf ich Sean dann vor. Er lächelte müde und zog an seiner Kippe. „Natürlich interessiert er dich noch!" meinte er amüsiert. 

Ich musste ihm recht geben. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, noch länger in der Wohnung zu sitzen. Der Gedanke an Clay drückte meine Stimmung. Ich wollte nicht an ihn denken. Ich wollte überhaupt nicht denken. „Willst du mit mir schlafen?" fragte ich Sean spontan und wünschte mir, ich wäre betrunken. Sean starrte mich irritiert an und stand abwehrend auf. „Nein", versicherte er mir dann, schwankend zwischen Spott und Entrüstung, „Nein, das will ich wirklich nicht!" 

Selbstverständlich wusste ich das. Ich hatte nur so gefragt. Ich hatte gefragt, weil ich etwas erleben wollte nach den anstrengenden Wochen im Krankenhaus. Aber eigentlich war ich langsam zu alt, um noch an Wunder zu glauben.

Clay

Sergej tauchte endlich auf und alles lief dann doch noch glatt. Ich sah ihn schon von Weitem und forderte das Junkiemädchen auf, mir ihr Geld zu geben. Sie tat es zögernd, immer noch ängstlich. Immer noch auf der Hut vor mir, vor meinem Betrug. Dabei habe ich noch nie jemanden wirklich abgezogen. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. 

Ich gab Sergej einen Teil ihres Geldes, den Rest stecke ich mir ein, ohne dass sie es mitbekam. Obwohl sie uns aus einiger Entfernung die ganze Zeit misstrauisch beäugte. Es ging dann aber zu schnell, viel zu routiniert für ihre Anfängeraugen. Sie bekam ihren Teil der shore, der Rest war für mich. Ich betrog sie, ohne dass sie es merkte, und darin besteht auch die größte Kunst bei dieser ganzen Geschichte. Dass am Ende alle zufrieden sind und ich meinen Gewinn eingesackt habe. So war es letztendlich auch diesmal. 

Und ich fragte mich langsam, was ich mit dem angebrochenen Abend noch anfangen sollte. Das Junkiemädchen wollte sich in die Büsche verdrücken zum Konsumieren und ich ergriff die Gelegenheit und fragte sie spontan: „Hör mal, willst du nicht mit zu mir kommen? Ist doch gemütlicher, als hier im Gebüsch!" Ich lächelte charmant und fast ohne Hintergedanken. Sie war nicht mehr ängstlich jetzt, sie war tatsächlich zufrieden mit ihrem pack, ohne hineingesehen zu haben. Ich lächelte noch ein bisschen. 

Sie nickte schließlich. „Darf ich mir bei dir einen Knaller machen?" wollte sie wissen. „Klar darfst du das!" versicherte ich ihr, und dann ging ich schon vor zu meinem Auto. Sie folgte mir völlig arglos. Sie dachte nur noch an die shore. Es war ihr egal, was weiter passierte, wenn sie nur ihren Knaller machen konnte. 

Ich stieg in meinen MG. Sie ließ sich neben mir auf dem Beifahrersitz nieder und sagte kein Wort. Ich ließ den Motor an und lächelte weiter. Sie betrachtete mich, zum ersten mal ernsthaft interessiert. „Wie lange bist du schon drauf?" wollte sie nach einiger Zeit von mir wissen. Ich schaltete das Internet-Radio ein, denn ich hatte eigentlich keine Lust auf dumme Konversation. Aber ich war doch bereit, dieses Opfer zu bringen, wie jedes mal. „Ich kann mich nicht erinnern", beantwortete ich ihre Frage leise und drehte die Musik lauter. 

Sie kicherte amüsiert. Ich warf ihr einen Blick zu und gab Gas. Sie war wirklich noch sehr jung, sehr unschuldig für ein Junkiemädchen. Und noch ziemlich hübsch, fand ich. Sie ist bestimmt noch nicht lange drauf, vermutete ich. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie wohl im Bett wäre. Diese Vorstellung gefiel mir. Ich fragte mich, ob sie noch Lust auf Sex hätte, nach ihrem Knaller, oder ob das Heroin ihre Lust töten würde. Ich überlegte, ob ich ihn wohl noch hoch kriegen würde, mit so viel shore im Gehirn. Aber eigentlich war mir sogar das egal.

Sean

Ich hielt mich einige Minuten bei Eliza auf und ergriff hastig die Flucht, als sie unerwartet damit anfing, mich anzubaggern. Dieser Umstand irritierte mich maßlos, weil sie mich ansonsten eigentlich immer nur beschimpfte. Ich wollte selbstverständlich keinen Sex mit ihr. Ich wollte noch nicht einmal mehr Sex mit Clay. Ich war sauer auf ihn, weil er nicht aufzutreiben war, weil er nicht bei der Probe gewesen war. Ich überlegte verwirrt, wohin ich nun gehen sollte. 

Ich kaufte mir in irgendeinem Laden Hochprozentiges und goss es in mich hinein. Es schmeckte widerlich, wirkte aber nach einer Weile. Ich fühlte mich ziemlich einsam und litt ein bisschen. Dann riss ich mich zusammen und ging ins Stardust. Die Musik war recht gut, und ich tanzte ein wenig und trank ziemlich viel. Später traf ich irgendwann jemanden auf dem Klo und hatte rasend schnellen, fast gefühllosen Sex. Ich erinnere mich kaum. Es war wirklich nicht aufregend. Eigentlich dachte ich die ganze Zeit nur an Clay. Ich war ein verdammter Idiot. Und ich versuchte verzweifelt mich zu erinnern, ob das je anders gewesen war.

Eliza

Sean Valmont sah wie immer so verdammt gut aus, dass mir fast schwindelig davon wurde. Ich versuchte aus irgendeinem Grund verzweifelt ihn anzumachen, ihn irgendwie bei mir zu behalten, aber er ging natürlich nicht darauf ein, sondern bekam es sofort mit der Angst zu tun. Ich versuchte nicht ihn aufzuhalten, als er meine Wohnung fast fluchtartig verließ. Eigentlich ist es besser so, dachte ich. Ich sollte mich wirklich besser im Griff haben. Was zur Hölle wollte ich von Sean Valmont?! 

Der Gedanke an Sex mit Sean erschien mir plötzlich wieder genauso abwegig, wie er zweifellos war. Ich überlegte stattdessen, ob ich noch ausgehen sollte. Aber dann war ich doch zu müde von der vergangenen Woche voller Arbeit. So legte ich eine DVD ein und knallte mich mit dem Film Himmel über der Wüste zu, sehr traurig und sehr John Malkovich. Ideal zum Träumen. Ich rauchte zu viel und machte mir zu viele Gedanken. Irgendwann schlief ich auf meiner Couch ein.

Clay

Junkiemädchen war sehr beeindruckt von meiner Wohnung, meinem Atelier und den Bildern an meiner Wand. Und sehr gierig auf ihren Schuss. Sie setzte sich ziemlich bald auf das Sofa an dem niedrigen Tisch und holte aus ihren Jackentaschen all ihre Junkie-Utensilien hervor. Ich setzte mich auf den Sessel und spielte ihr ein paar Songs auf der Gitarre vor, während sie sich ihren Schuss zubereitete. Meine Musik schien ihr zu gefallen, denn sie lächelte mich immer öfter an. Ich lächelte zurück und überlegte, ob ich sie flachlegen wollte. 

Ich fühlte mich ein wenig müde. Es war eigentlich eine anstrengende Woche gewesen. Ich hatte einige Auftritte gehabt, zu viele Proben, Malerei, Konzerte, Termine bei der Agentur und beim Label. Ich versuchte dann, nicht mehr an meine Arbeit zu denken, sondern an die Musik, die ich fabrizierte. Ich sang ihr ein paar Songs vor und war erleichtert, dass sie an der Menge der shore nichts auszusetzen hatte. Sie hatte viel zu viel für diese Menge bezahlt, aber das war ihr offensichtlich nicht bewusst. 

Sie war noch kein abgefucktes Junkiemädchen, das wusste ich jetzt genau, sie war tatsächlich eine Anfängerin. Ich fragte mich, warum sie mit diesem scheiß Zeug anfangen wollte. Im nächsten Moment war es mir egal. Ich beobachtete sie nur. Ich spielte nur und sang ein paar traurige Texte dazu. Ich lächelte sie an. Ich signalisierte mein Interesse an ihr. Aber nicht zu viel, damit sie nicht jetzt schon einen Grund hatte, mich abzuweisen. 

Doch zunächst interessierte sie sich sowieso viel mehr für die shore in ihrer Spritze. Sie band sich ihren dünnen Arm mit ihrem Gürtel ab. Ich hörte auf zu spielen und stellte die Gitarre an ihren Platz. Es war jetzt ganz still. Ich hatte die Deckenfluter extra nur gedimmt. Es war gerade hell genug, damit sie eine Ader finden konnte.

„Willst du denn nicht?" fragte sie mich aufgeregt und deutete einladend auf das aufgeklappte pack auf dem Tisch. „Klar, darf ich?" fragte ich zurück und lächelte charmant und dankbar. Sie nickte. „Natürlich darfst du! Du warst korrekt zu mir, dann bin ich auch nicht geizig, weißt du!?" erklärte sie ernsthaft und stach in ihrem Arm herum, ohne eine Ader zu finden. Ich war nicht halb so korrekt zu ihr gewesen, wie sie dachte. „Dank dir", flüsterte ich und beugte mich nach hinten, um die Rolle Silberpapier hervorzuholen, die aus irgendeinem Grund auf dem Boden hinter dem Sofa lag. 

Ich nahm die Rolle, setzte mich an den Tisch, riss ein Stück ab und brannte es mit dem Feuerzeug ab. „Du ballerst nicht?" wollte das Mädchen von mir wissen. Sie brauchte viel Zeit, um in ihrem dünnen Arm eine passende Ader zu finden, was sie aber scheinbar nicht nervös machte. Ihr Arm sah gar nicht zerstochen aus, wie ich mit einem Seitenblick bemerkte. Sie stach also wohl nicht allzu oft in ihre Haut, zumindest nicht in ihren linken Arm. Ich fragte mich, warum sich sich unbedingt auf diese Art verletzen wollte. Irritiert wandte ich mich ab, um nicht mehr hinzusehen, und konzentrierte mich darauf, mit dem kleinen Messer shore auf mein Stück Silberpapier zu schaufeln. Dann nahm ich eins der Zugrohre vom Tisch, die ich alle aus Zeichenpapier, Tesafilm und Alufolie selbst gebastelt hatte.

„Warum ballerst du nicht, wo das doch so viel mehr reinhaut?!" verlangte Junkiemädchen von mir zu wissen. Ich rauchte den ersten Chinesen sehr bewusst, bevor ich ihr antwortete. Ich hielt den Qualm sehr lange in meinen Lungen. Danach guckte ich sie wieder an. Sie hatte inzwischen eine Vene gefunden und drückte sich das Gift langsam in den Körper. Dann lächelte sie mich wieder an, erfreut, so gut getroffen zu haben. Erfreut, weil die shore wirklich gut war. Und das merkte ich auch, schon nach dem ersten Chinesen. 

„Ich kann es mir nicht leisten zu ballern", erklärte ich ihr und schaufelte mir den nächsten Chinesen aufs Papier. „Was soll das denn heißen?" kicherte sie verständnislos, offensichtlich jetzt ziemlich angetörnt vom Rauschgift, von der Situation. Vielleicht auch von mir, dachte ich einen Moment lang und musste grinsen. Es ging mir wirklich gut, die shore war klasse. „Ich kann keine Einstiche haben. Ich bin Schauspieler!" setzte ich ihr auseinander, während ich noch einen rauchte. Ich zündete mir eine Marlboro dazu an. Dann rauchte ich noch einen. 

Sie reagierte auf meine Tätigkeit genauso, wie fast alle reagieren, wenn sie mich noch nicht kennen. „Du bist ein Schauspieler? Echt?" rief sie überrascht. Ihr Interesse war definitiv geweckt. Sie betrachtete mich nun ganz offen. Ich lächelte und legte mir noch einen auf. Ihr pack war schon fast leer. Aber Sergejs shore war echt gut zur Zeit. Die Menge reichte aus, um uns beide zufriedenzustellen. 

Und das Mädchen hatte jetzt auf einmal viel mehr Interesse an mir, als am Gift. Sie zog sich die gun aus dem Arm und wusch sie in ihrer Wasserflasche aus. Dann packte sie alles wieder ein und schaute mich an. „Was spielst du denn so für Rollen?" fragte sie ehrlich interessiert. „Nur im Theater", wiegelte ich ab und legte das Zugrohr und das Messer zurück auf den Tisch. „Wieso nur!?" meinte sie und sah sich neugierig in meinem Wohnzimmer um. „Von wem sind diese Bilder?" wollte sie wissen und deutete auf die Zeichnungen und Gemälde an den Wänden. „Die sind richtig toll!" setzte sie beeindruckt hinzu. „Die sind von mir", gab ich zu, und dann stand ich auf. Sie lachte auf. „Du bist also auch ein Maler!" stellte sie fest, ganz offensichtlich bewundernd. 

Ich ging langsam ins Badezimmer, schloss die Tür und pinkelte mühsam. Dann wusch ich mir die Hände und betrachtete mich einige Zeit im Spiegel. Es war ein so alltägliches Spiel. Es begann mich zu langweilen. Ich fragte mich, warum ich sie wohl mit hierher genommen hatte. Wollte ich wirklich noch Sex mit ihr? Die gute shore machte mich extrem träge, auch in sexueller Hinsicht. Die Aussicht, mit dem Junkiemädchen zu schlafen, erregte mich kaum noch. Die Gewissheit, dass sie mich offenbar bewunderte, langweilte mich plötzlich. Sie war keine Herausforderung mehr. Sie würde wahrscheinlich alles mit sich machen lassen.

Sean

Ich torkelte ein wenig, als ich endlich das Stardust verließ. Mein Kopf dröhnte ziemlich. Es war schon dunkel draußen, aber nicht kalt, eigentlich ziemlich warm für März. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Im Stardust spielten sie nur noch Schwuchtelmusik, es waren nur noch Tunten dort, deshalb ging ich weg. Ich wusste immer noch nicht wohin. Ich wollte jetzt nicht allein zu Hause sein, auch nicht meine Wohngefährten treffen. Ich wollte immer noch bei Clay sein. Aber ich hatte keine Lust, den ganzen langen Weg zurück zu seinem Haus zu laufen, denn das Laufen fiel mir schwer und alles drehte sich. 

Ich landete schließlich stattdessen irgendwie im Stadtpark, setzte mich auf eine Bank, unter eine Laterne. Ich saß eine Weile dort und versuchte nachzudenken. Dann kam ein Pärchen vorbei und ich rannte weg. Ein Stückchen weiter drin im Park setzte ich mich auf eine andere Bank, die völlig im Dunkeln lag. Ich versuchte, nicht mehr an Clay zu denken. Ich wartete eine Weile, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. 

Dann nahm ich mein Handy und tippte seine Nummer ein. Ich legte wieder auf. Dann wählte ich nochmal seine Nummer. Endlich hob ich mein Handy an mein Ohr und wartete mit klopfendem Herzen. Es dauerte viel zu lange, bis er dranging. „Ja?" rief er. Ungeduldig. Ich habe ihn bei irgendwas gestört, dachte ich, mit wem er wohl jetzt gerade zusammen ist? Ich fragte mich, wer bei ihm war, und wurde ziemlich eifersüchtig. „Ich bin's", überwand ich mich dann zu sagen. Mein Hals war wie zugeschnürt. Ich hustete und betete, dass Clay mich erkennen würde. Dass er jetzt nicht nachfragen würde, wer dran sei. 

Es war lange Zeit still und da wusste ich, dass er mich tatsächlich sofort erkannt hatte. Wahrscheinlich hatte er aber einfach nur vor dem Abnehmen auf sein Handy-Display geguckt und dort meinen Namen längst gelesen. 

„Was gibt's?" durchbrach er das Schweigen. Er hörte sich müde an, beinahe gelangweilt. Aber er hatte mich sofort erkannt. Vielleicht denkt er an mich, baute ich mich innerlich auf. „Nun... ähm... was machst du?" fragte ich ihn betont fröhlich. Mein Herz klopfte laut. Ich versuchte, nicht zu betrunken zu klingen. Ich konnte Clay lachen hören. Solange er sich noch amüsiert, ist alles in Ordnung, beruhigte ich mich. Clay holte tief Luft. „Ich ficke ein Junkiemädchen", kicherte er verwegen in den Hörer. „Was?" entfuhr es mir entsetzt. Clay lachte laut. Ich fragte mich, ob er das nur gesagt hatte, um mir wehzutun, oder ob er tatsächlich mit einem Mädchen zusammen war. „Es geht dich verdammt nochmal nichts an, was ich mache, Valmont!" fauchte Clay nun und hörte auf zu lachen. Ich wusste nichts mehr zu sagen. 

Eine lange Weile war es wieder still. Ich konzentrierte mich darauf, ihn atmen zu hören. Ich versuchte mir vorzustellen, wie er wohl gerade aussah, welche Klamotten er trug. Dann musste ich irgendwas sagen, deshalb fragte ich ihn: „Warum warst du nicht bei der Probe heute?" Er reagierte mit einem genervten Schnaufen, dann meinte er cool: „Du bist betrunken, Sean." und legte einfach auf. 

Ich starrte noch eine Weile in die Dunkelheit, das Handy immer noch in der Hand. Ich sagte ein paarmal seinen Namen hinein. Ich fragte ihn, ob er mich liebte. Die Leitung war längst tot und natürlich bekam ich keine Antwort mehr. Ich weinte ein bisschen und steckte mein Handy wieder ein. Dann bemitleidete ich mich noch einen Moment lang selbst. Später kriegte ich mich wieder ein, zündete mir eine Zigarette an und legte mich auf die Bank.

Clay

Nach einem merkwürdigen Telefongespräch mit Sean Valmont in meinem Badezimmer verspürte ich plötzlich doch wieder die Lust, mit dem Junkiemädchen zu schlafen. Ich sagte mir, warum eigentlich nicht, wenn sie schon mal da ist. 

Als ich aus dem Badezimmer kam, war sie gerade dabei, sich einen zweiten Knaller zu verabreichen. Ich warf einen Blick auf den Tisch und bemerkte, dass ihr pack nun leer war. Ich lächelte und nahm die Fernbedienung, um ein bisschen Musik anzumachen. Ich wählte ein ruhiges Album von Genesis und stellte es auf Endloswiedergabe. The Carpet Crawlers, wie geschaffen für Zärtlichkeiten und bei den Frauen normalerweise sehr beliebt. 

Dann bewegte ich mich vorsichtig auf sie zu und setzte mich dicht neben sie auf das Sofa. Aber meine Vorsicht war unnötig, denn der zweite Schuss knallte bei ihr so stark rein, dass sie tatsächlich nach hinten fiel, die Augen schloss und „Wow" murmelte, oder so etwas. Einen Moment lang kämpfte ich mit aufkommender Panik. Ich befürchtete, dass sie womöglich eine Überdosis erwischt hatte, und ich hatte dann den Ärger mit halbtoten oder toten Menschen in meiner Wohnung, worauf ich echt nicht besonders abfuhr. Aber sie murmelte: „Das haut voll rein." und da wurde mir klar, dass sie tatsächlich nur extrem zugeknallt war. 

Erleichtert legte ich meine Hand auf ihr Knie. Sie schien es nicht zu bemerken. Sie lag auf dem Rücken, auf dem Sofa in meinem Wohnzimmer und hatte ihre Augen geschlossen. Sie fühlte sich sichtlich wohl. Sie genoss ihren Trip in vollen Zügen. Die Nadel hing immer noch in ihrem Arm, was mich ein bisschen beunruhigte, als ich es bemerkte. 

Ich zündete mir noch eine Marlboro an und beobachtete sie eine Weile. Ich beschloss, noch ein wenig zu warten. Ich fragte mich, ob sich dieser Aufwand auch wirklich lohnen würde. Ich fühlte mich ziemlich vollgedröhnt von der shore. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn überhaupt noch hochkriegen würde in dieser Situation. Aber eigentlich war das auch gar nicht so wichtig, dachte ich dann. 

Das Junkiemädchen brauchte ein paar Minuten, um sich wieder einzukriegen. Dann richtete sie sich auf, lächelte mich glücklich an und zog sich endlich die gun aus dem Arm. Sie leckte sich das Blut ab, säuberte ihre Spritze in ihrer Wasserflasche, fädelte ihren Gürtel zurück in ihre Jeans und zog ihre Jacke aus. Dann verstaute sie ihre Sachen wieder in ihrer Jackentasche. 

Endlich wandte sie sich mir zu. „Du bist also ein richtiger Künstler, was?" fragte sie mit leicht schleppender Stimme. Ihre Augen waren grün mit winzigen Pupillen. Sie war mindestens zehn Jahre jünger als ich. Sie sah aber immer noch recht gut aus. Ich beschloss also, es zu wagen. „Nicht wirklich", gab ich mich bescheiden, drückte meine Kippe im Aschenbecher auf dem Tisch aus und rückte noch näher an sie heran. Sie lächelte verwundert, aber nicht abgeneigt. Ich streichelte ihr vorsichtig über den Kopf. Ihre Haare waren dunkelrot und reichten ihr weit bis über die Schultern. Ihr Haar fühlte sich gut an, richtig weich. 

Ich streichelte sie weiter und wartete auf ihre Reaktion. Sie war zu verwundert und viel zu stoned, um sofort auf meine Annäherungsversuche zu reagieren, deshalb ließ sie mich eine Weile gewähren. Ich streichelte ihre Wange. Ich versuchte, ihren Hals zu küssen. Sie roch nach einem billigen Deodorant und nach Schweiß, aber nicht allzu schlecht. Genau genommen sogar ziemlich antörnend. 

Aber irgendwann zuckte sie plötzlich von mir weg. Ich zog mich zurück und lächelte entschuldigend. „Hey, Moment mal, warte mal", sagte das Junkiemädchen träge, und sah mich verwirrt an, „Was soll das denn eigentlich? Was machst du da?" Sie hörte sich nicht wirklich entrüstet an, nur schüchtern, deshalb machte ich mir keine Sorgen. „Was hast du denn vor?" setzte sie noch hinzu. „Ich weiß nicht, sag du es mir!" forderte ich sie heraus. Sie betrachtete mich eingehend.

Ich lächelte weiter, und ich fand sie automatisch immer begehrenswerter, je mehr sie sich zurückzog. „Hör mal! Ich habe einen Freund!" betonte sie jetzt. „Das stört mich nicht", erwiderte ich grinsend. Sie lachte nervös auf. Ich lachte auch und rückte wieder näher zu ihr, was sie geschehen ließ. „Machst du das immer so?" wollte sie wissen, während ich erneut damit anfing, ihr weiches Haar zu streicheln. „Was denn?" flüsterte ich. „Dass du Leute mit in deine Wohnung nimmst, damit sie deine Drogen konsumieren können, und dann legst du sie flach?" fragte sie mich lauernd und schob mich halbherzig von sich weg. „Nein", behauptete ich und schaute sie an. „Ich will dich nicht flachlegen", versicherte ich ihr. „Warum dann das alles?" begehrte sie verständnislos auf. 

Sie wollte aufstehen, um sich mir zu entziehen. Ich hielt sie am Arm zurück. „Ich will doch nur ein bisschen Nähe", erklärte ich ihr sanft. Sie blieb sitzen und starrte mich verwirrt an. Dann lächelte sie endlich. „Was? Nähe?" kicherte sie amüsiert. „Ja, ich mag dich. Du gefällst mir. Was ist daran verkehrt?" sagte ich, und dann küsste ich sie spontan. Sie wehrte sich erst ein bisschen, dann wurde ihre Gegenwehr geringer. Sie fiel tatsächlich zurück, und ich kam halbwegs auf ihr zu liegen, und wir küssten uns noch weiter. Ihre Lippen waren sehr weich. Sie fühlte sich wahrhaftig gut an. Sie war warm und zärtlich. Sie wehrte sich nicht mehr. Sie hatte sich nie wirklich gewehrt.

Eliza

Als ich aufwachte, war es schon weit nach elf und dunkel im Zimmer. Der Film war längst zu Ende. Der Bildschirm war leer. Ich ärgerte mich, dass ich eingeschlafen war und diesen Abend schon wieder so sinnlos vergeudet hatte. 

Aber dann wurde mir klar, dass ich höchstwahrscheinlich auch draußen nichts wirklich Aufregendes erlebt hätte. Es gab einfach scheinbar nichts mehr, was mir nicht schon hinreichend bekannt war. Ich fühlte mich viel zu alt, als könnte mich noch irgendetwas überraschen. Der Gedanke frustrierte mich eine Weile. 

Dann stand ich auf und schaltete das Licht ein. Ich ging aufs Klo und sah mir mein Gesicht im Spiegel an. Die Schminke war verschmiert und ich wusch sie ab. Dann ging ich in mein Zimmer, um einige Sätze in mein altmodisches Tagebuch zu schreiben. Ich schrieb einige Zeit, dann hörte ich Rowina nach Hause kommen. Ich schob mein Tagebuch zurück in den Schrank und ging ihr im Flur entgegen. 

Sie sah fröhlich aus. Perfekt gestylt. Eine Frau, die einen perfekten Abend erlebt hat. Aber nein, sie war allein nach Hause gekommen. Also hatte doch nicht alles geklappt, freute ich mich gehässig. Außerdem war es viel zu früh für Rowina, um nach Hause zu kommen. „Na, wie war's?" fragte ich. Sie verzog das Gesicht und ging ins Badezimmer. „Wie schon!" meinte sie verächtlich. Ich konnte sie pinkeln hören. „Wo warst du? Habe ich was verpasst?" fragte ich weiter. Rowina zog das Klo ab, wusch sich die Hände, dann kam sie zu mir und nahm mich in den Arm, was mir sehr gut tat. 

„Ich war im Stardust", erzählte sie mir dann, während wir in die Küche gingen. „Was? In dieser Tuntendisco?" entfuhr es mir. Sie lachte und fing damit an, sich einen Toast zuzubereiten. „Ja, und du hast nichts verpasst", meinte sie. Ich setzte mich an den Küchentisch. Ich überlegte, ob ich Hunger hatte. „Weißt du, wen ich dort gesehen habe?" fragte Rowina augenzwinkernd und holte ihren Toast aus dem Toaster, um ihn mit Margarine zu bestreichen. „Wen?" wollte ich wissen, nicht wirklich interessiert, oder vielleicht doch. „Sean Valmont!" eröffnete Rowina mir.

Sie ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Ich war mit Rowina völlig einer Meinung, dass Sean ein extrem begehrenswerter, verdammt hübscher Mann war. Aber es überraschte mich absolut nicht, dass sie ihn in einer Männerdisco gesehen hatte. „Ach wirklich!" rief ich deshalb aus. „Weißt du, was er gemacht hat?" spielte Rowina ihr Spiel weiter. Ich schenkte mir eine Antwort, weil sie sowieso fast platzte, bis sie es mir endlich erzählen konnte. „Er ist tatsächlich mit Eric Dentor aufs Klo gegangen, stell dir das vor!" eröffnete sie mir aufgeregt. 

Aber ich war nicht halb so entrüstet wie sie. „Du hast ihn also die ganze Zeit beobachtet, was?" stellte ich fest. Sie nickte nur. „Dieser Typ ist ein schöner Anblick", meinte sie achselzuckend, „Aber dass er mit Dentor mitging, hat mich ziemlich angewidert." Ich grinste, denn ich fühlte mich von dieser Information kein bisschen angewidert. Im Gegenteil. Ich fand die Vorstellung irgendwie aufregend. 

„Bist du dir sicher, dass die beiden zusammen aufs Klo gegangen sind?" hakte ich interessiert nach. Sie bestätigte das mit Nachdruck, legte eine Scheibe Käse auf ihren Toast und setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. Ich sah sie eine Weile an. „Er war hier", informierte ich sie dann. „Wer? Sean?" fragte sie sofort. Ich nickte. „Und?" lechzte Rowina nach einer Sensation. Aber ich konnte ihr keine liefern. „Nichts und. Er hat natürlich nur nach Clay gefragt, nichts weiter! Also vergiss es!" machte ich ihr klar. 

Rowina seufzte enttäuscht und biss in ihren Toast. Dann sagte sie mit vollem Mund: „Ich verstehe einfach nicht, was jemand an diesem blöden Macho finden kann. Clay Banton ist doch der hinterletzte Arsch!" Sie lächelte mich grimmig an. „Zum Glück seid ihr nicht mehr zusammen!" setzte sie dann mit Nachdruck hinzu. „Ja", erwiderte ich nur, stand auf und ging zurück in mein Zimmer. 

Plötzlich musste ich an Clay denken. Meine Zeit mit ihm. Einige sehr erotische Situationen. Lustige Situationen. Ich hatte keine Ahnung, warum ich auf einmal so traurig war.

Clay

Ich war mit dem Junkiemädchen nur wenig vorangekommen. Sie lag halbwegs unter mir. Ich küsste ihren Hals, und ich tastete mit meiner Hand nach ihren kleinen Brüsten und zwischen ihre Beine. Ich versuchte, die Knöpfe ihrer lila Jeanshose zu öffnen. Sie streichelte sacht meinen Rücken unter meinem Hemd. Ich bekam keinen Ständer und versuchte verzweifelt, mich mehr zu konzentrieren. Sie fühlte sich gut an, und eigentlich hätte sie mich mehr antörnen müssen, dachte ich nervös. 

Meine Hand war dann irgendwann an ihrer Unterhose und versuchte ihre Jeans runter zu schieben. Das klappte nicht wirklich gut. Ich konnte mit meinen Fingern kaum den Ansatz ihrer Schamhaare fühlen, da hielt sie auch schon energisch meine Hand fest. Ich sah fragend in ihr Gesicht. Sie öffnete ihre dichten Heroin Augen und schüttelte hastig den Kopf. „Nein, hör auf damit! Ich möchte das nicht!" behauptete sie viel zu laut. 

Ich nahm ihr das aber nicht ab. Ich fragte mich, was zum Teufel ihr plötzlich diese Skrupel verursachte, wo wir doch inzwischen schon recht lange auf dem Sofa rummachten. „Ach, komm schon", versuchte ich es und tastete mit meiner Hand wieder zwischen ihre Beine, die sie jetzt abwehrend zusammenkniff. „Ich habe Nein gesagt!" rief sie daraufhin und schubste mich gewaltsam von sich weg. 

Ich seufzte enttäuscht und setzte mich langsam auf. „Das fühlt sich doch gut an. Du fühlst dich gut an", setzte ich ihr auseinander, aber sie zog sich ihre Kleidung zurecht und stand auf. „Ich muss jetzt gehen", meinte sie nur, nahm ihre Jacke und ging in die falsche Richtung davon. Ich hatte Mühe damit, so schnell aufzustehen, denn ich war ziemlich zugeknallt. 

Ich lief ihr hinterher in die Küche und versuchte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mir wurde erst jetzt bewusst, wie verdammt stoned ich von diesen paar Chinesen war. Ich dankte Sergej in Gedanken dafür, dass seine shore zur Zeit so gut war. Ich freute mich schon auf das abgezockte pack in meiner Jackentasche. Aber zuerst wollte ich noch unbedingt dieses kleine Mädchen haben. 

Sie verlief sich in die Küche und schaute sich verwirrt in dem dunklen Raum um. Ich stand im Türrahmen und lächelte sie an. Sie sah plötzlich genervt aus. „Komm schon, zeig mir den Ausgang!" verlangte sie von mir. „Warum willst du denn schon gehen?" fragte ich ganz sanft. Sie konnte mir diese Frage nicht beantworten. „Lass mich gehen!" meinte sie nur drohend, drückte sich an mir vorbei und schubste mich weg, als ich nach ihr greifen wollte. 

Dann lief sie in die andere Richtung, die Treppe hinauf ins Atelier. Ich folgte ihr. Auch hier war es dunkel, aber durch die Oberlichter schien der Mond herein. „Verdammt!" fluchte das Junkiemädchen, als sie registrierte, dass sie den Ausgang nicht finden konnte. „Das bedeutet, dass du noch hierbleiben sollst", erklärte ich ihr leise. 

Sie stieß verächtlich die Luft aus und kam ganz dicht an mich heran. Sie war viel kleiner als ich, aber schaute drohend zu mir auf. „Hör gut zu, du Dealer. Ich bin mit dir mitgegangen, weil ich mir einen Knaller machen wollte. Ich bin dir dankbar, dass du mich nicht betrogen hast. Aber das war's dann auch. Und jetzt möchte ich gehen!" erklärte sie mir mühsam beherrscht. Ich strich ihr ganz sanft über den Kopf. Ich küsste sie flüchtig auf die Wange. „Ich finde das echt schade", versuchte ich ihr klar zu machen, „Ich würde gerne noch länger mit dir zusammen sein." Sie holte tief Luft. „Du meinst wohl, du würdest gerne mit mir schlafen!" fauchte sie aggressiv und stieß mich wieder weg. Ich verlor das Gleichgewicht und taumelte rückwärts. Es fiel mir schwer, nicht die Treppe hinunterzufallen. Das Junkiemädchen war schon wieder unten im Wohnzimmer und versuchte angestrengt, sich zu orientieren.

Langsam fing sie an, mich zu nerven. Ich wollte sie aus irgendeinem Grund jetzt unbedingt, deshalb ging ich ihr nach und griff sie einfach an. Ich handelte völlig spontan, ohne darüber nachzudenken. Ich umschlang sie fest und riss sie mit mir hinunter auf den Boden. Ich wünschte, die shore hätte sie noch dichter gemacht, dachte ich nur, dann wäre ihre Gegenwehr nicht so stark. Ich wünschte mir, das Junkiemädchen würde damit aufhören, so laut zu schreien.

Ich hielt ihr eine Weile den Mund zu und kam schließlich auf ihrem Bauch zu sitzen. Natürlich hatte sie keine Chance gegen mich. Als sie anfing zu weinen, nahm ich meine Hand von ihrem Mund und küsste ihr Gesicht und ihre Augen. „Bitte bleib doch. Bitte bleib doch noch ein bisschen", flüsterte ich ihr ins Ohr und streichelte sie über den Kopf. Sie lag nun ganz still unter mir. Ich legte mich vorsichtig auf sie drauf und schaute sie ziemlich lange an. Sie erwiderte meinen Blick und hörte auf zu weinen. Dann streichelte sie plötzlich über meine Augenbrauen. „Ist schon gut", flüsterte sie und liebkoste tatsächlich mein Gesicht. Ich bekam von dieser zarten Berührung plötzlich eine Gänsehaut und fast augenblicklich eine Erektion, was mich wahrhaftig überraschte. 

Sie merkte das sofort, weil ich so dicht auf ihr lag. Sie lächelte merkbar amüsiert, und ich küsste sie ziemlich heftig, was mich unwillkürlich sehr erregte. Das Mädchen wehrte sich jetzt nicht mehr. Sie wurde sogar richtig fordernd und leidenschaftlich. Sie drängte mich wohl von sich herunter. Ich lag plötzlich neben ihr, ohne dass mir dieser Stellungswechsel richtig bewusst wurde. Sie griff mir ungeniert zwischen die Beine. Ich seufzte ein bisschen, als sie die Knöpfe meiner schwarzen 501 öffnete. Ich drängte ihr entgegen und stöhnte leise an ihrem Hals. Ich sog jetzt ihren Geruch gierig in mich auf. 

Ich wurde echt angemacht von diesem Junkiemädchen. Ihre zarte Berührung an meinem harten Schwanz überwältigte mich nahezu. Sie streichelte ihn sehr vorsichtig. Ich wollte unter ihrem T-Shirt und dem Hemd nach ihrem Busen greifen, aber ihr BH war noch dazwischen, und ich bekam ihn nicht auf. Sie bewegte ihre Hand jetzt fest und schnell, was mich sofort immens aufgeilte. Meine Augen fielen zu, ich stöhnte wohl ein bisschen. Sie tat mir so verdammt gut. Ich war erregt, zugeknallt und zufrieden. Ich genoss ihre Nähe und ihre gezielten Zärtlichkeiten. 

Ich hatte keine Gedanken mehr, nur noch angenehme Gefühle. Ich sah sie nicht an, denn meine Augen waren geschlossen. Deshalb konnte ich auf ihren Angriff nicht gefasst sein. Und ihr Angriff war äußerst brutal. Sie richtete sich urplötzlich auf, sprang auf die Beine und trat mit voller Kraft in meine Eier. Dies war ein verdammt heftiger, völlig unerwarteter Schmerz. Ich schrie gequält auf und versuchte voller Panik, diese empfindliche Stelle mit meinen Händen zu schützen. 

Im gleichen Moment rannte sie schon zur Tür. „Du bist so ein dummes Arschloch, Dealer!" schrie sie mir zu und lachte gehässig. Schon drehte sie sich zum Ausgang, riss die Tür auf und rannte in wilder Hast die Treppen hinunter. Die Wohnungstür ließ sie weit offen stehen. 

Ich lag geschockt und wie betäubt auf der Seite. Ich rollte mich zusammen und versuchte den Schmerz zu verarbeiten, der kaum schwächer wurde. Ich zwang mich, nicht zu kotzen. Die Musik lief immer noch. Ich lag eine Weile reglos da, und dann fing ich an zu weinen.

Eliza

Ich schrak plötzlich auf, weil es sehr laut donnerte und der Regen an das Fenster meines Zimmers prasselte. Ein Blick auf die Leuchtziffern meines Weckers verriet mir, dass es kurz nach drei Uhr nachts war. Ich lag im Bett, nur mit Unterwäsche bekleidet. Ich starrte zur Decke und versuchte wieder einzuschlafen. Aber es war zu laut, ich hatte zu viele Gedanken im Kopf. 

Es dauerte einige Minuten, bis ich dieses Geräusch registrierte, was nicht vom Gewitter stammte. Es war ein Klopfen gegen mein Fenster, in unregelmäßigen Abständen. Ich dachte nur einen Moment darüber nach. Wenn jemand Steine gegen mein Fenster warf, dann konnte es nur Clay Banton sein. 

Eigentlich war ich nicht sehr überrascht. Ich überlegte, ob ich ihn sehen wollte. Ich fragte mich, ob ich ihn nicht lieber ignorieren sollte. Das wäre schlauer, mahnte ich mich. Aber das Klopfen hörte nicht auf, er war wie immer wahnsinnig hartnäckig. Und ich fühlte mich ein bisschen einsam und hatte ein wenig Sehnsucht nach ihm. Trotzdem dauerte es noch eine lange Zeit, viele kleine Steine, die an mein Fenster hämmerten, bis ich mich endlich dazu entschloss, aufzustehen und zum Fenster zu gehen. 

Ich schaute hinunter. Und genau wie erwartet, stand Clay unten auf der Straße, direkt unter meinem Fenster. Als er mich sah, ließ er den Stein in seiner Hand, den er wohl gerade werfen wollte, wieder fallen. Er stand nur dort im Regen, in den sich Hagel mischte, und er starrte zu mir hoch. Ich betrachtete ihn von oben, und er tat mir augenblicklich leid. Ich wollte nicht, dass er mir schon wieder leidtat, aber ich war machtlos dagegen. Dieser Mann stand dort unten ganz allein. Der Regen prasselte hart auf ihn herunter und die Blitze zucken um ihn herum. 

Es donnerte nochmal laut, aber er blieb völlig reglos. Das Licht der Straßenlaterne leuchtete ihn gerade genug an, damit ich seinen Blick erkennen konnte, der bewegungslos auf mich gerichtet blieb. Ich fragte mich, warum zum Teufel er schon wieder so verzweifelt aussah. Und warum mir das schon wieder so naheging. 

Ich zögerte noch einmal ziemlich lange. Dann winkte ich ihn endlich zur Haustür. Er machte sich augenblicklich auf den Weg. Ich konnte nicht erkennen, ob er anfing zu lächeln. Ich wollte sein schönes Lächeln gerne wiedersehen. Ich wollte mich in mein Bett verkriechen und die Decke über mich schlagen. Ich wollte ihn einfach draußen stehenlassen. Aber stattdessen zog ich mir meinen Bademantel an, ging hinaus in den Flur, knipste das Licht an und betätigte den Türöffner. Ich schloss die Wohnungstür auf und wartete auf ihn. 

Er kam langsam die Treppe hoch und stand schließlich vor mir im dunklen Hausflur. Nur das Licht aus meiner Wohnung fiel auf ihn. Er war mehr als klatschnass. Er war sogar so nass, dass sich zu seinen Füßen eine Pfütze bildete. Immer noch sagte er kein Wort. Er stand nur reglos da und sah mich an. Ich bemerkte, dass er geweint hatte. Seine Augen waren rot und verquollen. Ich fragte mich warum. Und gleichzeitig wollte ich es gar nicht wissen. Ich wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen und sofort zurück in mein Bett gehen. 

Aber wie jedes Mal siegte irgendwann mein Mitleid. „Komm schon rein", sagte ich leise, darauf bedacht, nicht zu viel Lärm zu machen, der vielleicht Rowina geweckt hätte. Clay trat in meinen Wohnungsflur, und ich schloss die Tür hinter ihm wieder ab. Er tropfte immer noch, das Wasser sammelte sich jetzt auf meinem Fußboden im Flur, deshalb packte ich ihn kurzerhand am Ärmel seiner Jeansjacke und zog ihn hinter mir her ins Badezimmer. Er folgte mir ohne Gegenwehr. Ich löschte das Licht im Flur, schloss die Tür hinter uns und schaltete das Licht im Badezimmer an. 

Dann betrachtete ich ihn lange. Er stand hilflos dort, wich meinem Blick aus und verursachte eine Pfütze auf den Fliesen. „Was ist los?" fragte ich ihn endlich leise. Er schaute mich an, verzweifelt und nass im Gesicht. Ich fragte mich, ob er immer noch weinte, oder ob diese Tränen nur der Regen waren. „Tut mir leid, Liz", sagte er ganz leise mit brüchiger Stimme, „Ich wollte dich nicht wecken." „Ach, hör schon auf!" fuhr ich ihn ungeduldig an, „Du bist hier! Und jetzt will ich wissen warum!"

Er zuckte unter meiner strengen Stimme zusammen. Er wand sich ein bisschen herum und suchte nach den richtigen Worten. Dann schaute er mich flehentlich an. „Bitte hilf mir", flüsterte er und fing tatsächlich an zu schluchzen. Verlegen drehte er sich von mir weg und schniefte in seine Hände. Er fuhr sich fahrig mit den Fingern über die nassen Augen. 

Ich starrte eine Weile verdutzt auf seinen Rücken. Was ist das wieder für eine Masche, fragte ich mich. Was hat dieser Mann für ein Problem, verdammt nochmal?! Warum lässt er mich nicht einfach in Ruhe?! Clay zitterte vom Heulen oder von der Kälte in seinen nassen Klamotten. Er konnte mich nicht ansehen, versuchte aber mit dem Schluchzen aufzuhören. Von draußen schlug der Regen immer noch gegen das Fenster. Es donnerte noch, aber seltener und leiser. Ich beobachtete ihn noch eine Weile. Dann betrachtete ich den Fußboden. Unter seinen Füßen hatte sich eine Pfütze gebildet. Er zitterte jetzt stark, wahrscheinlich vor Kälte. Er wusste höchstwahrscheinlich selbst nicht mehr, warum er plötzlich in meinem Badezimmer stand.

„Zieh dich aus!" befahl ich ihm und verspürte gleichzeitig eine eigenartige Erregung in mir aufsteigen. Ich hatte ihn wieder einmal in der Hand. Er war in dieser merkwürdigen Verfassung, in der er sich mir vollkommen auslieferte. Weiß der Teufel warum. Weiß der Teufel, was ihm passiert war, was ihn so fertiggemacht hatte. Er war jetzt bei mir, und ich konnte mit ihm machen, was immer ich wollte. 

Jetzt starrte er mich hilflos an, schluckte immer noch an seiner Traurigkeit. Er zögerte. Er wollte etwas anderes von mir. Aber ich war unerbittlich. „Los, zieh dich schon aus! Du bist klatschnass, du wirst dich erkälten!" setzte ich ihm auseinander und zog den Bademantel enger um mich. Er lächelte vage unter seinen Tränen, was sehr schön aussah. 

Langsam fing er damit an sich auszuziehen. Erst die Jacke, die er über die Badewanne hing. Dann knöpfte er sein nasses Hemd auf. Lächelnd blickte er mich an und merkte, dass ich ihn sehr eingehend beobachtete. „Willst du mich nackt sehen, Liz?" flüsterte er aufgeregt und zog sein Hemd aus. Ich stieß spöttisch die Luft aus. „Ich will nur nicht, dass du krank wirst. Bilde dir bloß nichts ein!" machte ich ihm klar. Er hörte nicht auf zu lächeln. Wahrscheinlich glaubte er mir nicht, und er hatte wohl recht damit. 

Er legte sein schwarzes Hemd über die Badewanne und knöpfte dann seine schwarze Jeans auf. Er trug kein Unterhemd, und ich betrachtete eine Weile seine muskulöse, gänzlich unbehaarte Brust. Sie glänzte vor Nässe, was sehr sexy aussah. Ich verlor mich für kurze Zeit in seinem Anblick. Er knöpfte sich die Jeans auf und zögerte nicht, sie herunterzuziehen. Dann streifte er sich die Lederslipper und die schwarzen Herrensocken von den Füßen, die er zusammen mit seiner Hose ebenfalls über den Rand der Badewanne legte. Es roch jetzt intensiv nach nasser Kleidung.

Endlich stand er dort in seinen engen, grauen Boxershorts und schaute mich fragend an. Er weinte nicht mehr, aber er zitterte immer noch vor Kälte. Er war bis auf die Knochen nass geworden da draußen. Warum um alles in der Welt hat er sich mitten in der Nacht, während dieses heftigen Gewitters, auf den Weg zu mir gemacht, fragte ich mich. Und gleichzeitig fühlte ich mich deswegen irgendwie geschmeichelt. 

Ich schaute in sein Gesicht. Dieses vertraute Gesicht. Clay Banton war wohl nicht konventionell schön, eher auf eine geheimnisvolle, verwegene Art. Er war ein Mann, der sichtbar schon viel erlebt hatte. Ein ambitionierter Schauspieler, ein erfolgreicher Grafiker, ein guter Musiker, alles auf einmal. Er war ein wirklich empfindsamer, sehr sensibler Mann, und gleichzeitig war er ein dummer, unberechenbarer Junge. Ich hatte mehr als eine schlaflose Nacht wegen ihm gehabt. Er hatte mir schon viel zu oft wehgetan. Mir wurde bewusst, dass ich ihn trotz allem, auf eine bestimmte Art, immer noch liebte. Und gleichzeitig hatte ich das starke Bedürfnis, mich für all seine Gemeinheiten zu rächen. 

Er stand nun ganz ruhig da und fixierte mich unentwegt, ohne sich zu bewegen. Mir wurde plötzlich bewusst, dass dieser Mann tatsächlich zu mir gekommen war, um sich mir vollkommen auszuliefern. Diese Situation erregte mich zunehmend. Es war dieses vertraute, äußerst angenehme, riesengroße Machtgefühl, das mich überkam. „Ich habe gesagt, du sollst dich ausziehen", forderte ich ihn auf. Er lächelte amüsiert, bewegte sich nicht, schüttelte aber ganz leicht den Kopf. Ich ging sehr nah an ihn heran. Clay wich nicht vor mir zurück, als ich mich dicht vor ihn hinstellte und tief in seine Augen blickte. 

Eine Weile starrten wir uns an. Ich versuchte, in seinen Augen den Grund seiner Traurigkeit zu erkennen. Ich erkannte aber nur, dass er total zugedröhnt war. Seine vom Weinen geröteten, aber immer noch schönen, grün-braunen Augen hatten verhängnisvoll winzige Pupillen. Und ich wusste nur zu gut, was das bedeutete, welche Droge dies bewirkte. Es ärgerte mich maßlos, weil er mir schon viel zu oft versprochen hatte, dieses scheiß Zeug nicht mehr anzurühren. Andererseits waren wir eigentlich gar nicht mehr zusammen, und er durfte jetzt wieder machen, was er wollte. Du bist in meinem Badezimmer, dachte ich, plötzlich voller Gier auf Macht über ihn, und deshalb musst du jetzt genau das tun, was ich von dir will. 

„Zieh dich aus!" beharrte ich leise drohend. Clay hörte auf zu lächeln. Seine Augen fingen an, nervös zu zucken, vielleicht wegen dem harten Klang meiner Stimme. „Los, mach schon!" drängte ich ihn, weil er sich nicht bewegte. Nun schüttelte er abermals den Kopf und sagte leise: „Nein." 

Ich betrachtete ihn sehr eingehend von oben bis unten. Sein schöner, durchtrainierter Körper war durch und durch nass, und je länger ich ihn ansah, umso mehr törnte er mich an. Mein Blick wanderte auf seine Boxershorts, und sofort hob er abwehrend die Hände. „Ich möchte das jetzt nicht, Liz", versuchte er mir hilflos zu erklären. Ich lachte auf und musterte erneut seine traurigen, dichten Augen. „Was ist los, Clay? Schämst du dich vielleicht vor mir?" spottete ich geringschätzig. „Nein, natürlich nicht", versicherte er und wich meinem Blick aus. Vielleicht war ihm endlich eingefallen, dass ich seine winzigen Pupillen bemerken könnte. Zu spät, mein Lieber, dachte ich triumphierend. „Was ist es dann?" wollte ich von ihm wissen und starrte fast trotzig auf seine teure Designerunterhose, die durch die Nässe sehr eng wirkte. 

Clay brauchte eine Weile, bis er mir antwortete. Er schloss die Augen, öffnete sie dann wieder und atmete tief ein. „Wegen Rowina... ich... habe Angst, dass sie hereinkommt", erklärte er mir leise. Überrascht sah ich ihn an. Er guckte verlegen zurück. Was er sagte, war nicht von der Hand zu weisen. Rowina verachtete ihn und würde jede seiner kleinsten Schwächen gnadenlos ausnutzen. Deshalb vermied er jede Begegnung mit ihr und hatte, anstatt zu klingeln, Steine gegen mein Fenster geworfen. Es wäre für ihn mit Sicherheit keine Freude, nackt vor Rowina zu stehen. 

Der Gedanke amüsierte mich plötzlich, denn ich erinnerte mich an ähnliche Situationen. Clay sicher auch, deshalb auch seine Weigerung, sich vollständig auszuziehen. Aber ich beschloss, seine Furcht nicht gelten zu lassen. „Woher willst du wissen, dass Rowina hier ist?" fragte ich ihn lauernd. „Ihr Auto steht vor dem Haus", antwortete er achselzuckend. Ich sah ihm wieder direkt in die Augen. „Und dann bist du trotzdem hierhergekommen? Obwohl du wusstest, dass Rowina zu Hause ist?" hakte ich nach. Clay wich erneut meinem Blick aus. Er ließ die Hände sinken und schloss hilflos die Augen. 

„Ich will doch nur zu dir, Eliza", flüsterte er und schaute mich wieder an, ängstlich meine Reaktion abwartend. Ich fühlte mich geschmeichelt und war gleichzeitig verärgert deswegen. Ich wollte mich nicht geschmeichelt fühlen. Ich wollte diesem Mann nicht so eine Macht über mich geben. Ich wollte mich an ihm rächen, für viel zu viele vergangene Gemeinheiten. Ich wollte nicht zulassen, dass er mich weiter verwirrte. 

Deshalb reagierte ich äußerst spöttisch auf seine Hilflosigkeit. „Warum willst du zu mir, Clay? Was zum Teufel willst du denn von mir?" fuhr ich ihn ungeduldig an. Er zuckte zusammen und fing erneut an zu zittern. „Und hör um Himmels Willen endlich auf zu heulen!" setzte ich hart hinzu. Gleich darauf tat mir das auch schon leid, weil ich merkte, wie verletzlich er im Moment war, und wie sehr mein kalter Ton ihn verletzte. Er stand dicht vor mir und starrte nun auf den Boden. Er zwang sich, nicht länger zu weinen. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen. Eine Weile sah ich ihn nur an. Ich fragte mich, ob ich ihn nicht besser sofort zurück vor die Tür setzen sollte.

Dann fasste ich einen Entschluss. Vorsichtig hob ich meine rechte Hand. Clay blickte mich sogleich an. Er ahnte sofort, was ich tun wollte, und er erstarrte. Völlig reglos beobachtete er meine Hand. Er hielt den Atem an. Ich schob den Bund seiner Boxershorts ein wenig herunter und legte ihm meine flache Hand ganz sanft auf den nackten Bauch. Knapp unter seinem Bauchnabel ließ ich sie liegen und beobachtete ihn mit aufkommender Rührung. Ich hatte mir immer gewünscht, dass ich der einzige Mensch wäre, der dieses private Geheimnis von Clay Banton kannte: Leg ihm einfach deine Hand auf den nackten Bauch und er wird auf der Stelle wunschlos glücklich. Leg ihm deine Hand auf den Bauch und du hast ihn in der Hand. Es war eine so harmlose Berührung, aber diesen Mann konnte man damit absolut entzücken. 

Jetzt schaute er mich mit großen Augen reglos an und atmete schwer. „Liz", brachte er dankbar hervor. Ich lächelte gutmütig. „Siehst du, Clay, ich weiß noch, wie sehr du das magst!" flüsterte ich und küsste ihn flüchtig auf die Wange. Er fühlte sich kühl und nass an. Er rührte sich nicht. Er bekam eine Gänsehaut, seine Brustwarzen wurden hart. Vielleicht von der Kälte oder von aufkommender sexueller Erregung, wahrscheinlich von beidem. Ich lächelte ihn aufmunternd an. Es war ein gutes Gefühl, ihn so unter Kontrolle zu haben. 

„Zieh deine Unterhose aus, Clay! Rowina schläft tief und fest, sie wird bestimmt nicht reinkommen", flüsterte ich ihm ins Ohr, „Du musst sie sogar ausziehen, weil sie total durchnässt ist. Das ist auf Dauer viel zu kalt! Du holst dir eine Blasenentzündung oder Schlimmeres!" Auffordernd sah ich ihn an. Er lächelte endlich wieder. „Du machst dir wirklich Sorgen um mich, was, Eliza?" stellte er ganz leise fest. Es war keine Kunst zu erkennen, wie sehr ihn meine Anteilnahme freute. 

Und plötzlich wurde mir klar, dass er genau deswegen zu mir gekommen war. „Ja, Clay, ich mache mir tatsächlich immer noch Sorgen um dich", bestätigte ich ihm seufzend. Ich meinte das ehrlich. Ich sagte es, weil ich wusste, dass er es hören wollte. In seinen Augen blitzten Glück und Dankbarkeit auf, sie leuchteten nahezu vor Zufriedenheit. Es ist so verdammt einfach, ihn glücklich zu machen, dachte ich, gerührt von seiner kindlichen Freude über meine Worte. Er schloss die Augen, atmete tief und regelmäßig. Meine Hand lag ruhig auf seinem Bauch. Seine Welt war in diesem Moment in Ordnung. Ich glaube nicht, dass ihm bewusst war, dass er wegen diesem Moment zu mir gekommen war. Er hatte wahrscheinlich keine Ahnung. Vermutlich kannte ich ihn viel besser, als er sich selbst.

Sean

Als es anfing zu regnen, stand ich von der Bank auf. Es war in zwischen ganz dunkel im Park und ich wog meine Möglichkeiten ab, die nicht gerade zahlreich waren. Dann wurde der Regen stärker. Es fing an zu donnern, zu hageln und zu blitzen, und ich ging auf eine Wiese, um mir den Himmel anzusehen. Der Regen fiel sehr intensiv auf mich. In kürzester Zeit war ich völlig durchnässt. Es donnerte laut und ich schrie ein paarmal seinen Namen in den Donner. Ich wünschte mir, einer der Blitze würde mich erschlagen. 

Dann törnte der Regen mich plötzlich an und ich beschloss ganz spontan mich auszuziehen, um ihn auf meiner nackten Haut zu spüren. Das tat ich dann in wilder Hast. Meine Klamotten ließ ich achtlos auf dem Boden liegen. Nackt tanzte ich ein bisschen zu imaginärer Musik auf dieser Wiese im Park, durch den kalten, harten Regen, was sich wirklich geil anfühlte. Dann tanzte ich ein paar Szenen aus unserer Performance mit Clay, bis ich merkte, dass er gar nicht da war. Ich fing wieder an zu weinen, setze mich auf die nasse, kalte Wiese und versuchte, mir einen runterzuholen. Aber es klappte nicht, es törnte mich nicht an, deshalb ließ ich es wieder sein. 

Später wurde der Regen schwächer. Das Gewitter war weitergezogen. Mir war plötzlich bitterkalt. Ich bemerkte auf einmal ein paar Lichter von Taschenlampen auf dem Hauptweg des Parks und geriet in Panik, weil ich nicht mehr wusste, wo ich meine Klamotten hingeworfen hatte. Hektisch lief ich auf der Wiese herum und versuchte, sie zu finden. 

„Ist da jemand?" rief eine Stimme vom Weg, und zwei Gestalten kamen auf mich zu. Ich wollte weglaufen, musste aber zunächst meine Sachen finden. „Wer ist da?" fragte ein Mann und leuchtete mich mit seiner Taschenlampe an. „Was machen Sie hier? Warum haben Sie nichts an?" wollte er dann wissen. 

Ich fand endlich meine Klamotten und versuchte voller Panik sie anzuziehen, bevor diese Männer bei mir sein würden. Es gelang mir nicht, denn die Sachen waren klatschnass und eisig kalt. Sie fühlten sich wirklich nicht gut an. Dennoch zog ich sie an, denn ich hatte keine andere Wahl. „Was machen Sie hier?" verlangte der eine nochmal zu wissen. Seine Stimme war sehr laut und streng. „Nichts", stotterte ich verlegen, „Ich habe nur ein bisschen getanzt." 

Die beiden Männer beobachteten mich eine Weile abschätzend und lachten dann laut, als sie die Lage begriffen. „Gehen Sie sofort nach Hause!" forderten sie mich auf. Ich nickte und schämte mich zu Tode. Ich konnte sie nicht richtig erkennen, denn sie leuchteten mir die ganze Zeit blendend ins Gesicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es zwei Polizisten waren, Männer vom Ordnungsamt, oder von einem privaten Wachdienst. Als ich endlich die verdammten Sachen angezogen hatte, rannte ich weg. Ich torkelte ziemlich, das Laufen fiel mir unverändert schwer. Ich fühlte mich sehr betrunken. Sie lachten noch ein bisschen hinter mir her, und ich war froh, dass sie mich nicht verfolgten oder festnahmen. 

Ich lief durch den Stadtpark und versuchte, den Ausgang zu finden. Die Männer waren jetzt weit hinter mir, und ich fiel irgendwie in ein Gebüsch und kotzte mir völlig unvorbereitet beinahe die Seele aus dem Leib. Danach stand ich wieder auf. Meine Zigaretten waren durchnässt und unbrauchbar, deshalb schmiss ich sie weg. Letztendlich machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Eliza

Als ich meine Hand von seinem Bauch nahm und damit anfing, ihm langsam die kalten, engen Boxershorts herunterzuziehen, öffnete Clay die Augen und seufzte unwillig. „Eliza!" protestierte er leise. Aber er wehrte sich nicht. Ich hatte Mühe mit seinen Shorts, weil sie nass an seinem Körper klebten. Ich hockte mich vor ihn hin und zog ihm die Unterhose aus, und er stand einfach nur dort und beobachtete mich dabei. Er rührte sich nicht und wehrte mich nicht ab. Freiwillig hob er dann sogar die Füße, damit ich seine Hose nehmen und über den Rand der Badewanne zu seinen anderen tropfnassen Klamotten legen konnte. 

Dann hockte ich dicht vor ihm und betrachtete sein Geschlechtsteil, was nun direkt vor meinen Augen hing. Sein schöner Penis sah klein und schrumpelig aus, seine Hoden waren durch die Kälte in seinen Körper gewandert und fast nicht zu sehen. Ich hob den Blick und guckte ihm ins Gesicht. Er war immer noch reglos und schaute auf mich herunter. Er atmete jetzt schwer. Ich fragte mich neugierig, ob er sich wohl vor mir schämte, wenn ich seinen Schwanz so eingehend begutachtete. Er wirkte nicht beschämt, nur irgendwie hilflos. Es war ganz still in meinem Badezimmer und eine Weile sahen wir uns nur an. Dann schaute ich wieder auf seinen Penis. 

Plötzlich fand ich diese Situation sehr erotisch und eine heiße Erregung stieg in mir auf. Clays Schwanz zog mich beinahe magisch an. Seine so unterwürfige, hilflose Art hatte eine beträchtliche Wirkung auf mich. Ich hob die Hand und streichelte ganz sanft über seine Geschlechtsorgane, ganz vorsichtig. Seine Körperteile fühlten sich kalt und feucht an. Ich war plötzlich ganz wild darauf, ihn erigieren zu sehen. Aufgeregt schaute ich nach oben in Clays Gesicht. Ich wollte sehen, wie seine Augen sich veränderten, wenn er geil wurde. 

Aber zu meiner Enttäuschung wurde er nicht geil, kein bisschen. Im Gegenteil, meine zärtliche Berührung war ihm offensichtlich sogar unangenehm. Er sah mich an und schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Ich war beleidigt, weil er auf meine Zärtlichkeiten so abweisend reagierte. Ich intensivierte trotzig mein Streicheln. Clay atmete lauter und wurde unruhig, blieb aber vor mir stehen und guckte mich immer noch hilflos an. Ich lächelte ihm aufgeregt zu. „Ich will dich geil sehen", gestand ich ihm leise. Seine Augen weiteten sich beinahe ängstlich, er schüttelte immer noch den Kopf, was ich nicht so einfach akzeptieren wollte. Na warte, dachte ich dickköpfig, ich weiß ganz genau, was dich erregt, Herr Banton! Du bist gar nicht in der Lage, dich mir lange zu widersetzen! 

Kurzentschlossen beugte ich mich vor und küsste seinen schrumpeligen, kalten Penis. Clay stöhnte entsetzt auf und wich zum ersten Mal vor mir zurück. Voller Panik stolperte er ein paar Schritte rückwärts von mir weg und stieß ein verzweifeltes „Nein!" dabei hervor. Ich starrte ihn überrascht an, war gekränkt und plötzlich peinlich berührt wegen meiner eigenen Erregung. Wie konnte dieser Kerl es wagen, sich mir zu widersetzen? Er war schließlich freiwillig mitten in der Nacht in mein Haus gekommen! Er musste jetzt genau das tun, was ich wollte! Das war ja wohl das Mindeste! Seine Ablehnung beleidigte mich extrem. 

Ich zog den Bademantel wieder fester um mich und stand wütend auf. Durchdringend taxierte ich ihn. Er stand dort und wich unbehaglich meinem strengen Blick aus. Er wirkte jetzt noch viel hilfloser als vorher, beinahe Mitleid erregend verwirrt in seiner Nacktheit. „Was ist los?" verlangte ich streng von ihm zu wissen. „Ich kann jetzt nicht", seufzte er leise und guckte mich flehentlich an. „Was kannst du nicht?" rief ich wütend, „Kriegst du keinen hoch, oder was?" Meine Stimme war sehr laut. Ich wollte ihn verletzen, mich für diese Peinlichkeit rächen, und das gelang mir auch. Gekränkt schaute er zu Boden und schwieg. 

Eine Weile musterte ich ihn nur und versuchte herauszufinden, was mit ihm passiert war. Mir war schon längst klar gewesen, dass er nicht wegen Sex zu mir gekommen war, denn dann hätte er sich von Anfang an ganz anders verhalten, er hätte unentwegt mit mir geflirtet. Aber normalerweise sagte er nicht nein, wenn ich ihn haben wollte, ganz egal wann oder wo. Es musste irgendetwas geschehen sein, was ihn maßlos abgetörnt hatte. Ich dachte einige Zeit darüber nach, kam aber zu keinem Ergebnis, und das ärgerte mich. Ich hatte keine Lust, für diesen bekloppten Mann den Seelenklempner zu spielen, schon gar nicht mitten in der Nacht. Seine blöden Probleme interessierten mich schon lange nicht mehr. Und außerdem war er mit Sicherheit sowieso selber Schuld an seinem Elend. Ich beschloss, kein Mitleid mehr zu zeigen.

Ich ging langsam auf ihn zu und guckte ihn durchdringend an. Er bewegte sich nicht, doch seine Augen zuckten ängstlich, als würde er tatsächlich Schläge von mir erwarten. „Du kriegst also keinen hoch, was?" spottete ich laut. Clay hob beschwichtigend die Hände. „Bitte, Liz, gib mir ein Handtuch", versuchte er leise abzulenken. „Ich weiß auch, warum du keinen hochkriegst!" ignorierte ich ihn boshaft. „Du bist völlig impotent, weil du bis oben hin voll mit Heroin bist!" warf ich ihm laut vor. Clay zuckte zusammen und sah ertappt aus. Ich hatte augenblicklich die Gewissheit, dass ich völlig richtig lag. „Nein, das stimmt nicht", behauptete er allerdings, was mich sofort rasend machte. „Lüg mich nicht an!" schrie ich erbost, „Ich kann es doch an deinen Augen ablesen, wie verdammt stoned du bist!" Clay duckte sich förmlich vor meinem Zorn und meiner lauten Stimme. Ängstlich wanderte sein Blick zur Tür. „Bitte sei nicht so laut, Eliza, du weckst sonst noch Rowina", bat er mich verzweifelt. 

Ich konnte nicht glauben, wie einfach er meinen Vorwurf überging, und dass er ausgerechnet jetzt an Rowina dachte. „Hast du mich nicht gehört? Ich habe gesagt, dass du voller Heroin bist, verdammt nochmal!" schrie ich ihn hysterisch an. „Eliza, bitte..", seufzte Clay hilflos, aber da ging auch schon die Tür auf und Rowina torkelte schlaftrunken herein. Ich registrierte sie und grinste Clay boshaft an, wusste ich doch, wie peinlich ihm diese Begegnung sein musste. Ich war so wütend auf ihn, dass ich seine Verlegenheit in vollen Zügen genoss. „Was ist denn hier los?" wollte Rowina wissen. Clay stöhnte genervt, wich zurück und blickte sich panisch nach irgendetwas um, womit er seine Blöße bedecken könnte. 

Aber er fand nichts in seiner Reichweite, als Rowina ihn auch schon entdeckt hatte und sich neben mich stellte. Beide starrten wir ihn einträchtig eine Minute intensiv an. „Weck mich, Liz, ich glaube, ich habe einen Albtraum!" meinte Rowina trocken. Ich kicherte belustigt. Clay schloss überfordert die Augen. „Da steht ein nackter Mann in unserem Badezimmer", stellte Rowina fest, und dann betrachtete sie ihn neugierig. Clay stand nur reglos dort, öffnete die Augen wieder und sah sie müde an. Er machte keine Anstalten mehr, seine offensichtliche Nacktheit irgendwie zu verbergen. 

Rowina starrte auffällig an ihm herunter. „Kann es vielleicht sein, dass dir kalt ist, Toni?" kicherte sie dann, ganz klar anspielend auf die Größe seines Penis. Rowina und ich fingen sehr belustigt, richtig albern an zu kichern, und Clay verzog angewidert das Gesicht. „Nein, mir ist nicht kalt", behauptete er gleichgültig. „Und ich heiße nicht Toni!" betonte er verärgert. Er hasste es sehr, wenn Rowina ihn Toni nannte, deshalb tat sie genau das mit Vorliebe. Sie lachte laut über seine Antwort. „Ach, ich wusste ja noch gar nicht, dass du bei dir eine Penisverkleinerung hast durchführen lassen, Toni!" spottete sie und konnte sich gar nicht mehr einkriegen vor Lachen. Clay taxierte mich, und seine Augen blitzten vor aufkommender Wut. Offenbar hatte er keine Lust mehr, zu unserer Unterhaltung beizutragen. Ich erwiderte seinen Blick und wurde gleich darauf wieder ernst. „Natürlich ist ihm nicht kalt. Er ist ja vollgepumpt mit seinem scheiß Heroin", informierte ich Rowina verächtlich, die immer noch kicherte.

Überrascht sah sie mich an und musterte dann Clay sehr abschätzend. Er wich ihrem Blick nicht aus. „Du hast recht!" stimmte Rowina mir endlich zu, „Unser Toni ist ziemlich zugedröhnt! Und deshalb ist er auch so wahnsinnig cool! Sogar sein Schwanz ist absolut cool!" Daraufhin musste sie schon wieder lachen. Clay verdrehte genervt die Augen. „Ach, du bist ja so witzig, Rowina!" sagte er sarkastisch zu ihr. Er war natürlich nicht im Mindesten amüsiert. Rowina hörte sofort auf zu lachen und taxierte ihn eine Weile feindselig. Dann ging sie langsam auf ihn zu. Ich bemerkte, wie sehr Clay sich anstrengen musste, um nicht ängstlich vor ihr zurückzuweichen. Wovor hat er nur solche Angst, fragte ich mich erstaunt, was ist bloß mit ihm los? 

Rowina stand nun dicht vor ihm und starrte ihm intensiv in die Augen. Sie holte tief Luft. „Nein, ich bin nicht witzig, Toni. Und weißt du, warum nicht?" fauchte sie ihn böse an. Er schwieg, betrachtete sie aber wachsam. "Ich bin nicht witzig, weil es mitten in der Nacht ist, weil ich todmüde bin, und weil ich absolut nicht darauf stehe, in meinem Badezimmer plötzlich irgendwelche nackten Vollidioten zu treffen!" informierte Rowina ihn sehr unfreundlich und viel zu laut. 

Im nächsten Moment wurde sie ruhiger. „Weißt du, Clay, ich hasse es nämlich total, wenn ich mitten in der Nacht geweckt werde!" Ihm entging nicht, dass sie ihn auf einmal Clay nannte. Er fing damit an, nervös zu lächeln. „Ich habe dich nicht geweckt, Rowina!" stellte er klar und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. „Nein, dieses scheiß Gewitter hat mich geweckt!" erwiderte Rowina. Ich grinste Clay triumphierend an, weil es also auch nicht meine Schuld gewesen war, dass meine Mitbewohnerin aufgetaucht war. Clay seufzte und guckte Rowina an, die immer noch dicht vor ihm stand. Sie musterte ihn erneut eingehend von oben bis unten. „Und du bist wohl durch den Regen gelaufen, was?" fragte sie ihn lüstern grinsend. Clay erwiderte nichts. 

Nach einiger Zeit wurde es ihm sichtbar unangenehm, so intensiv von ihr gemustert zu werden. Er warf mir einen hilfesuchenden Blick zu und bat leise: „Bitte gib mir ein Handtuch, Liz." Der nackte Mann schämt sich, dachte ich spöttisch und voller Schadenfreude. Er fühlt sich ungeschützt. Er möchte mit dem Handtuch seinen süßen Penis bedecken. Ich genoss Clays Peinlichkeit immens. Ich war immer noch sauer auf ihn, deshalb rührte ich mich nicht. Er registrierte das und seufzte hilflos. 

Rowina amüsierte sich natürlich über seine Hilflosigkeit. Sie merkte, dass sie ihn langsam nervös machte, weil sie so dicht vor ihm stand und ihn eingehend begutachtete. „Du brauchst kein Handtuch, Toni, ich kriege dich schon trocken!" kicherte sie plötzlich und griff völlig unerwartet, spontan nach seinem Schwanz. Er stöhnte erschrocken auf und wich hastig zurück, aber Rowina hatte ihn schon gepackt und ließ ihn nicht mehr los. Lachend sah sie sich zu mir um. „Was meinst du, Liz, kriegen wir ihn trocken, indem wir ihn aufgeilen? Ob die Hitze seiner sexuellen Erregung ihn wohl trocknen lässt?" fragte sie mich ziemlich albern. Ich kicherte amüsiert, irgendwie auch peinlich berührt, bis ich Clays Gesicht sah. Seine Augen waren jetzt weit aufgerissen. Voller Panik fixierte er Rowina und wagte es nicht, sich zu bewegen. 

Er versuchte verzweifelt, ihren Arm von sich wegzuschieben, aber sie fasste nur fester zu und grinste ihn herausfordernd, richtig machthungrig an. Er keuchte schmerzerfüllt: „Nein, lass mich los!" Aber Rowina hatte seinen Penis fest gepackt, und sie dachte nicht daran ihn los zu lassen. „Soll ich dir vielleicht einen runterholen, Toni?" fauchte sie richtig feindselig und schadenfroh. „Nein... tu mir nicht weh...", jammerte Clay leise und drehte sein Gesicht ratlos von ihr weg. Er schloss abwehrend die Augen. Ich stand nur dort, betrachtete diesen hilflosen Mann, und ich fand das alles plötzlich überhaupt nicht mehr lustig. 

„Lass ihn los, Ina", forderte ich sie auf. Sie schaute mich verständnislos an, ich nickte ernst, dann blickte sie auf Clay. Sie ließ ihn los und betrachtete ihn wirklich erstaunt. Eine lange Zeit war es ganz still. Wir beobachteten beide interessiert diesen irgendwie attraktiven, nackten Mann in unserem Badezimmer, der da nun wie ein Häufchen Elend an der Wand lehnte. Er hatte seine Augen geschlossen, als wäre er am liebsten gar nicht da. Er schluchzte tatsächlich leise. 

„Sag mal, heulst du etwa?" fragte Rowina ihn nach einiger Zeit und guckte mich fassungslos an. Ich hob ratlos die Schultern. Ich hatte keine Ahnung, was mit Clay Banton los war, aber plötzlich tat er mir wieder leid. Ich beschloss, dass es jetzt genug der Rache war. Warum auch immer er hier bei mir aufgetaucht war, noch mehr Gemeinheiten konnte er scheinbar im Moment nicht ertragen. Ich griff mir ein Handtuch von der Stange neben der Dusche und ging zu ihm hin. „Hey, komm schon, Clay. Beruhige dich", redete ich sanft auf ihn ein. Er öffnete zögernd die Augen und blickte mich traurig an. Er hatte in der Tat angefangen zu weinen. Ich hielt ihm das Handtuch hin. Er nahm es sofort dankbar und fing damit an sich abzutrocknen. Verlegen wischte er sich die Tränen aus den Augen. 

Rowina und ich beobachteten ihn einige Zeit ratlos. „Was zur Hölle ist mit dir los?" fragte Rowina ihn schließlich neugierig. Clay warf ihr verlegen einen Blick zu. „Mir geht's echt nicht so gut", erklärte er uns beinahe entschuldigend. „Na, das merkt man!" grinste Rowina verständnislos. Im nächsten Moment ging sie zum Klo und verkündete: „Ich muss mal eben pinkeln, Leute, sorry." Völlig ohne Scheu zog sie sich ihr Nachthemd hoch, unter dem sie, wie meistens, nackt war. Sie klappte den Deckel hoch und setzte sich auf die Klobrille. Ich überprüfte neugierig, mit einem schnellen Blick Clays Reaktion auf Rowinas unerwartete, und doch so typisch herausfordernde Aktion und musste mich sogleich anstrengen, um nicht laut loszulachen. Der Mann war sichtbar so irritiert, dass er unvermittelt seine Traurigkeit und alles andere vergaß. Vollkommen verwirrt starrte er Rowina an, die nun auf dem Klo saß und ihn provozierend angrinste. 

Ihr blieb natürlich nicht verborgen, welch unmittelbare Wirkung ihre dreiste Aktion auf Clay hatte. Fast automatisch, unwillkürlich wurde sein Atem schwerer, er krallte nervös das Handtuch um sich und rieb sich unbewusst damit. Es war nicht zu übersehen, dass Rowina ihn plötzlich sexuell erregte, weiß der Teufel warum. Vielleicht, weil sie unter ihrem Nachthemd nackt war, oder weil sie auf dem Klo saß und pinkelte. Clay schien schlagartig zu vergessen, dass ich auch noch da war. Er vergaß scheinbar alles um sich herum. Er war vollkommen gefangen von Rowinas Anblick und konnte sich gar nicht mehr von ihr losreißen.

„Was ist los, Toni, hast du noch nie ein Mädchen pinkeln gesehen?" kicherte Rowina schließlich amüsiert. Ihre Worte rissen ihn unsanft aus seiner Erstarrung. Beschämt drehte er sich von ihr weg und sah mich konfus an. „Nein", behauptete er und wich schuldbewusst meinem Blick aus. Ich wusste nämlich, dass er log. Er hatte mich schon oft pinkeln gesehen, genauso wie ich ihn. Ich grinste ihn an, sagte aber nichts. 

Dann wanderten meine Augen neugierig auf seinen Penis, der unwillkürlich gewachsen war, viel besser durchblutet aussah, aber noch nicht wirklich steif. Clay bemerkte meinen Blick, er wurde tatsächlich rot und drückte sich verlegen das Handtuch vor die Hüften. Dann kam er hastig zu mir. „Lass uns in dein Zimmer gehen, Liz", schlug er leise bittend vor. Rowina beobachtete ihn und kicherte amüsiert. Sie pinkelte hörbar. „Hast du jetzt eine Erektion gekriegt, Toni?" spottete sie laut. Clay fuhr wütend zu ihr herum und starrte sie offen feindselig an. „Sag mal, Ina, hast du vielleicht irgendwann auch mal ein anderes Thema drauf, als meinen Schwanz?!" fauchte er verärgert, offenbar mit seiner Geduld am Ende.

Er war jetzt wütend genug, um den Kampf mit meiner Mitbewohnerin aufzunehmen. Aber wie immer, ließ sie sich nicht im Geringsten von ihm einschüchtern. Sie stand betont langsam auf, zog das Klo ab und klappte den Deckel herunter. Dann kam sie zu ihm und stellte sich abermals dicht vor ihn hin. Er betrachtete sie argwöhnisch, sichtbar gefasst auf einen erneuten Angriff, aber sie grinste nur überlegen. 

Sie öffnete den Mund, um zu antworten, aber Clay war schneller. „Und nenn mich nicht Toni, verdammt!" drohte er ihr laut. Rowina lachte geringschätzig. „Nein, ich habe kein anderes Thema! Und zwar deshalb nicht, weil es an dir absolut nichts Interessanteres gibt, als deinen Schwanz, Herr Banton!" erklärte sie ihm hart. 

Eine Weile starrten die beiden sich feindselig an, dann drehte Clay sich plötzlich von ihr weg und verließ das Badezimmer. Rowina hatte ihn mit ihren überheblichen Worten verletzt, und irgendwie tat er mir schon wieder sehr leid, was mich ärgerte. Sie sah seine Flucht als erneuten Sieg an und grinste zufrieden.

Clay

Diese Episode deprimiert mich, weil ich genug Heroin geraucht hatte und trotzdem nicht gut drauf war. Genaugenommen ging es mir sogar beschissen. Ich erinnere mich viel zu gut an diese hässliche Szene in Elizas Badezimmer, die entwürdigend und äußerst peinlich für mich war. Es gab Spott und Gemeinheiten, die mich verletzten. 

Ich flüchtete bald in ihren dunklen Flur, dann wusste ich nicht mehr weiter. Ich dachte daran, einfach ihre Wohnung zu verlassen und abzuhauen. Aber sie hatte meine Kleidung in ihrem Badezimmer, und deshalb war ich bei ihr gefangen. Ich wollte keine Anzeige wegen ungebührlichen Verhaltens riskieren. Außerdem wusste ich nicht wohin, und ich wollte nicht allein sein. Ich schämte mich, nackt herumzulaufen, und es war viel zu kalt. 

Ich sehnte mich nach ihrer Nähe. Ich wollte ihre Hand auf meinem Bauch fühlen. Ich schlang das Handtuch um mich, taumelte ein wenig durch den Flur und fühlte mich ziemlich erbärmlich. Rowinas offene Feindseligkeit machte mir zu schaffen. Es verletzte mich, dass Eliza ihre beste Freundin erneut nicht davon abgehalten hatte, mich fertigzumachen. Elizas Gehässigkeiten kränkten mich zutiefst. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Ich hatte keine Ahnung, was überhaupt passiert war, warum ich hierhergekommen war. 

Im nächsten Moment fiel mir der Grund meiner Flucht zu Eliza auf einmal wieder ein. Ein junges Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf. Aber ich wollte nicht an dieses fremde Junkiemädchen denken, denn diese Erinnerung schlug schmerzhaft in mein Gehirn und quälte mich. Warum hatte das Mädchen mich so brutal behandelt? Warum hatte ich mir von Eliza Laser Trost versprochen, wo sie doch nur Spott für mich hatte? Warum zur Hölle war da überhaupt nur Verachtung in ihr gewesen? 

Ich stand allein in dem dunklen Flur und hörte Liz und Rowina im Badezimmer über mich reden. Aber ich wollte gar nicht hören, was sie sagten, denn es würde nichts Nettes sein. Ich dachte daran, in Elizas Zimmer zu flüchten. Aber ich erinnerte mich, dass sie mir das verboten hatte. Sie würde wütend werden, wenn sie mich allein in ihrem Zimmer fand. Deshalb setzte ich mich schließlich vor ihre Zimmertür auf den harten Fußboden. Die beiden Frauen redeten immer noch über mich, und ihre Stimmen wurden zu laut, als hätte ich sie länger ignorieren können. Rowina beschwerte sich mit gemeinen Worten über mich. Sie fragte verärgert, warum zum Teufel ich in ihrer Wohnung war, und Liz versicherte ihr beschwichtigend, dass sie keine Ahnung hätte. 

Ich hatte selbst keine Ahnung. Ich wusste gar nichts mehr. Ich war nackt und hilflos und saß auf dem kalten Boden. Ich zwang mich krampfhaft nicht schon wieder zu heulen. Ich wünschte mir, dass ich viel dichter wäre, dass ich viel mehr shore genommen hätte oder irgendetwas anderes, womit ich diese verdammte, entwürdigende Situation besser hätte ertragen können. Ich fühlte mich einsam und von allen verlassen. 

Verwirrt fragte ich mich nochmal, was überhaupt passiert war. Ich erinnerte mich nur vage, aber auf einmal wurde mir sehr kalt. Ich wollte diese starken scheiß Gefühle nicht mehr, diese Mischung aus Verzweiflung und der vertrauten Angst, Eliza so verdammt ausgeliefert zu sein. Gleichzeitig wünschte ich mir, sie würde endlich zu mir kommen, mich in ihr Zimmer einladen und mir ihre Hand auf den Bauch legen. Wenn sie es wollte, dann würde ich vielleicht auch mit ihr schlafen, überlegte ich. 

Im nächsten Moment war ich mir sicher, dass sie es wollte, und das machte mich zunehmend nervös. Die Frau war so scharf auf mich gewesen in ihrem Badezimmer. Und ich zweifelte daran, dass ich ihn in dieser Nacht noch mal hochkriegen würde. Womöglich war ich gar nicht mehr in der Lage, sie so umfassend zu befriedigen, wie sie es mit Sicherheit von mir erwartete. Ich fühlte mich so entsetzlich müde, so verletzt. Ich hatte überhaupt kein Bedürfnis mehr nach Sex in irgendeiner Form. Aber mir war klar, dass Eliza es nicht gut sein lassen würde. Diese Frau wollte ihre Rache und Entschädigung. Ich war erbärmlich. Es gab keinen Ausweg.

Eliza

Ich wünschte Rowina eine gute Nacht, und sie bat mich dafür zu sorgen, dass Clay beim Sex nicht zu laut wurde. Das fand ich ziemlich gemein, weil sie es natürlich besonders laut forderte, damit er es auch ja nicht überhören konnte! 

Ich fand ihn im Flur, auf dem Boden sitzend, und natürlich hatte er jedes Wort von ihr gehört. Er sah jedoch resigniert aus, als könne ihn kein weiteres Wort von Rowina oder mir verletzen. Er war genug verletzt worden. Alles Weitere würde einfach an ihm abprallen, war mein Eindruck. Er hatte einfach keine Kraft mehr, sich aufzuregen oder irgendetwas an sich heranzulassen. Er saß einfach nur dort und erwartete mich. Er würde jetzt alles hinnehmen. Dieser Mann tat mir schon wieder sehr leid, was mich erneut ziemlich ärgerte. Ich spielte einen Moment mit dem Gedanken, ihn vor die Tür zu setzen und seine Klamotten hinterher zu werfen. Aber dann öffnete ich doch nur die Tür zu meinem Zimmer. Immerhin war er höflich genug gewesen, es nicht einfach ohne mich zu betreten. 

„Na los, komm schon", sagte ich leise, und er stand auf und folgte mir in mein Zimmer. Ich schloss die Tür hinter uns ab. Vielleicht tat ich das, um ihn vor weiteren Angriffen von Rowina zu schützen. Vielleicht einfach deswegen, weil ich ihn jetzt ganz für mich allein haben wollte. Allerdings wusste ich noch nicht wirklich, was genau ich mit ihm anfangen wollte. Hatte ich denn überhaupt noch Lust auf ihn, wo er meine vorherigen Annäherungsversuche doch so eindeutig zurückgewiesen hatte? 

Ich schaltete das Licht an und beobachtete ihn eine Weile. Er stand dort, trocknete sich langsam ab und sah sich im Zimmer um, als wollte er herausfinden, ob sich darin seit seinem letzten Besuch etwas verändert hatte. 

„Warum bist du hergekommen?" durchbrach ich endlich das Schweigen. Er schaute mich an und hob die Schultern. „Ich kann mich echt nicht erinnern", behauptete er ruhig. Verärgert blies ich die Luft aus. Aber er wirkte so verwirrt, dass ich ihm glaubte. Er hatte offensichtlich keine Ahnung, was ihn zu mir getrieben hatte. Ich dachte eine Weile darüber nach und fragte mich, ob dieser Umstand wohl ein Kompliment für mich war, oder eher eine Beleidigung. Aber dann hatte ich keine Lust mehr, darüber nachzudenken. Ich war plötzlich sehr müde. Es war mitten in der Nacht, und ich wollte mich nicht länger mit Problemen beschäftigen, die ich ohnehin nicht ändern konnte. Ich wollte eigentlich jetzt nur noch meine Ruhe haben. 

Deshalb zog ich meinen Bademantel aus und hing ihn an die Tür an seinen Haken. Mir entging nicht, dass Clay mich dabei sehr genau beobachtete. Ich beachtete ihn jedoch nicht, sondern legte mich einfach ins Bett und deckte mich zu. „Mach das Licht aus, ich will schlafen!" forderte ich ihn auf. Er guckte mich einen Moment fragend an, aber dann gehorchte er mir. 

Es war nun ganz dunkel und still. Ich schloss meine Augen. Ich versuchte demonstrativ einzuschlafen und diesen Mann in meinem Zimmer einfach zu vergessen. Aber natürlich war das unmöglich. Clay Banton stand nackt in meinem Zimmer und diese Tatsache ließ sich nicht beiseite schieben. Allerdings war er ganz leise. Wenn ich nicht genau gewusst hätte, dass er hier anwesend war, hätte ich es nicht gemerkt. Er bewegte sich überhaupt nicht. Anscheinend stand er einfach so dort in der Dunkelheit. Aber selbstverständlich wusste ich um seine Anwesenheit. Ich horchte eine Weile intensiv in die Finsternis und versuchte ihn atmen zu hören. Aber ich hörte gar nichts. Am Ende bekam ich das Gefühl, diese Situation nicht mehr länger aushalten zu können. 

„Clay?" flüsterte ich deshalb nach einer halben Ewigkeit fragend. Er antwortete nicht. Ich fragte mich irritiert, ob er vielleicht inzwischen eingeschlafen war. Hatte er sich etwa einfach auf den Boden gelegt? Kurzentschlossen knipste ich meine Nachttischlampe an, um nachzusehen, was los war. Clay Banton stand tatsächlich noch ganz genau so reglos am selben Platz, als hätte er sich die ganze Zeit nicht bewegt. Er sah mich immer noch an, blinzelte nur in die plötzliche Helligkeit der Lampe. „Clay!" sagte ich irgendwie vorwurfsvoll. „Liz?" fragte er zurück, und dann lächelte er plötzlich amüsiert. Ich betrachtete ihn und musste ebenfalls lächeln. 

Dort stand dieser nackte Mann in meinem Zimmer herum. Dieser verdammte Idiot, den ich immer noch liebte, wie mir erneut klar wurde. „Was willst du jetzt tun, Clay?" wollte ich lauernd von ihm wissen und setzte mich im Bett auf. Er hob ratlos die Schultern. „Ich weiß nicht. Was soll ich denn tun, Liz?" antwortete er hilflos. Dabei hörte er nicht auf zu lächeln. Ich liebe dieses bezaubernde Lächeln, fuhr es mir unwillkürlich durch den Sinn, ich möchte dieses Lächeln immer sehen. Dieser Mann kann so voller Zuneigung und Wärme lächeln. „Was willst du tun?" ließ ich nicht locker. Clay kam langsam auf mein Bett zu und blieb dann an der Kante stehen. „Ich möchte gerne zu dir ins Bett kommen", eröffnete er mir leise und wartete auf meine Reaktion. Sein Wunsch verwirrte mich. Ich wusste nicht recht, wie ich reagieren sollte. Ich hatte keine Ahnung, ob ich ihn in meinem Bett haben wollte. Ob ich ihn überhaupt in meinem Zimmer haben wollte, in meinem Leben. 

Aber jetzt war er nun einmal da, und ich konnte ihn doch nicht die ganze Nacht dort stehenlassen, überlegte ich. Ich wollte nicht von ihm verlangen, dass er auf dem Teppich schlief. Ich konnte ihn auch nicht vor die Tür setzen, weil er nackt war und seine Klamotten klatschnass waren. Frühestens morgen würde ich seine Kleidung in den Trockner stecken. Die einzige Wahl, die ich hatte, war die, ihn ins Wohnzimmer auf die Couch zu schicken. Aber wollte ich das wirklich? Hatte ich nicht eigentlich schon die ganze Zeit tierisch Bock auf diesen Mann? Ich musste eine Entscheidung treffen. Aber dann wurde mir plötzlich klar, dass ich meine Entscheidung eigentlich längst getroffen hatte, schon ganz am Anfang, als ich ihm die Haustür öffnete. Dennoch wollte ich es ihm nicht zu leicht machen. Also ließ ich ihn noch ein bisschen zappeln. 

„Warum hast du Heroin genommen?" fragte ich ihn ernsthaft und merkte ihm sofort an, wie sehr ihn dieses Thema nervte. Er seufzte tief und schaute mich bittend an. „Können wir nicht morgen darüber reden, Eliza?" versuchte er mich abzuwehren. „Nein, ich will das jetzt sofort wissen, Clay!" Ich musterte ihn durchdringend. Er wich meinem Blick unbehaglich aus. „Es war gar nicht allzu viel. Das hat sich einfach so ergeben", erklärte er mir schließlich widerwillig. Ich lachte spöttisch auf. „Dafür hast du immer irgendeine Erklärung, nicht wahr?" warf ich ihm ungeduldig vor. Er grinste hilflos und flüsterte lächelnd: „Mir ist echt kalt, Liz." Damit wollte er natürlich nur von dem für ihn so unangenehmen Thema ablenken. „Ich verstehe dich einfach nicht, Clay", seufzte ich resignierend. Und das war die traurige Wahrheit. Ich konnte weder begreifen, warum er wiederholt diese harten Drogen nahm, noch, warum er immer wieder bei mir auftauchte. 

Aber inzwischen war ich viel zu müde, um mich noch länger damit auseinanderzusetzen. Clay wusste das natürlich ganz genau, er kannte mich viel zu gut, deshalb lächelte er siegesgewiss mit leuchtenden Augen. Der Mann sah jetzt äußerst hübsch und begehrenswert aus, dort neben meinem Bett. Ich hasste mich spontan dafür, dass ich seine Nähe plötzlich so extrem herbeisehnte. Ich wünschte wirklich, es wäre anders gewesen, aber ich konnte mich gegen meine ungewollten, starken Gefühle nicht mehr wehren. Clay Banton war letztendlich immer zu clever, um gegen mich zu verlieren, oder um überhaupt zu verlieren. Eigentlich bekam er doch immer genau das, was er wollte!

Clay

Ich wusste augenblicklich, dass nun alles gut werden würde, als sie in der Dunkelheit meinen Namen flüsterte. Ich stand dort ganz ruhig in ihrem Zimmer und versuchte, sie anzusehen. Aber es war zu dunkel, sie lag im Bett, und ich konnte höchstens ihren Umriss erahnen. Eine Weile fürchtete ich, sie würde mich tatsächlich die ganze Nacht ignorieren, mich einfach dort stehenlassen. Aber dann flüsterte sie plötzlich meinen Namen, und ich wusste mit einem Mal wieder, warum ich hergekommen war. Ich musste mich zurückhalten, um nicht einfach sofort zu ihr zu gehen und unter ihre Bettdecke zu schlüpfen. Endlich knipste sie das Licht an und sagte meinen Namen nochmal, und da wusste ich, dass sie mich nicht mehr wegschicken würde. 

Eliza sah sehr schön aus, dort in ihrem Bett. Ihr hübsches, rundes Gesicht, die kleine, runde Nase, die schön geschwungenen Augenbrauen. Ihre schmalen Augen, die wunderbaren Lippen. Ihr dunkles, langes Haar umrahmte ihre Schönheit. Ihre dunklen Augen blitzten erwartungsvoll. Ich bekam unvermittelt eine Wahnsinns-Sehnsucht nach ihr. Ich sehnte mich extrem stark nach ihrer Nähe, nach ihrer Hand auf meinem nackten Bauch. 

Aber natürlich ließ sie mich noch eine Weile warten, und ich lächelte nur und versuchte nicht zu gierig auszusehen. Ich versuchte geduldig, ihre dummen Fragen zu beantworten. Letztendlich ließ sie es gut sein, was mich wirklich erleichterte. Die Frau schlug ihre Bettdecke zurück und guckte mich einladend an. Ich zögerte keine Sekunde. Ich bewegte mich auf sie zu und legte mich neben sie in ihr großes Bett. Dort war es sehr warm und weich, sehr angenehm an meiner nackten Haut und es roch sehr sauber. Wahrscheinlich hatte sie es erst vor Kurzem frisch bezogen. Ich fragte mich unwillkürlich, ob sie wohl mit mir schlafen wollte. Dieser Gedanke törnte mich plötzlich enorm an. Meine vorherige Unlust war mit einem Schlag vergangen und ich zwang mich hastig an etwas anderes zu denken. Eliza Laser knipste ihre Nachttischlampe wieder aus, und eine Weile lagen wir so nebeneinander in dem dunklen Zimmer. Ich konnte spüren und hören, wie sie atmete, obwohl sie es auffällig vermied, mir zu nah zu kommen. 

„Möchtest du mit mir schlafen, Clay?" wollte sie nach einiger Zeit plötzlich von mir wissen. Verwirrt dachte ich darüber nach. „Willst du es denn?" fragte ich sie, um Zeit zu gewinnen. Sie lachte spöttisch, was mich nervös machte. Schlagartig fiel mir dieses blöde Junkiemädchen wieder ein und der extrem brutale Schmerz, den sie mir so unerwartet zugefügt hatte. Ich glaubte tatsächlich, diesen Schmerz in meinem Unterleib immer noch zu spüren. Ich geriet auf einmal in Panik, dass ich womöglich total versagen würde, wenn Eliza nun Sex mit mir wollte. Laut stöhnte ich auf und drehte mich spontan von ihr weg auf die Seite. Ich fragte mich konfus, was um Himmels Willen ich jetzt tun sollte und schloss hilflos die Augen. 

Eine Weile war es wieder ganz still und ich spürte Müdigkeit in mir aufsteigen. Vielleicht sollte ich jetzt einfach einschlafen, dachte ich. Vielleicht wird doch noch alles gut und Liz erwartet gar nichts weiter von mir. Es war wirklich schön, einfach so neben ihr in ihrem Bett zu liegen! 

Aber natürlich ließ sie es nicht gut sein, und das hatte ich ja auch gar nicht erwartet. Dazu kannte ich sie viel zu gut. „Was ist los, Clay?" fragte sie nach einiger Zeit seufzend, „Was zur Hölle ist mit dir passiert?" Ihre Hände tasteten unter der Bettdecke nach mir, packten mich und drehten mich energisch zu sich herum. Ich wehrte mich nicht dagegen. Ihre Hände waren sehr warm. Ich bekam das unangenehme Gefühl, jeden Moment den Verstand zu verlieren. Ich fand mich in diesem Moment selbst zum Kotzen, so voller verfluchtem Selbstmitleid. „Jetzt sag es mir schon, um Himmels Willen!" drängte sie ungeduldig. 

Ihre Hand streichelte jetzt vorsichtig über meine nackte Brust, was sich recht gut anfühlte. Nur wusste ich leider überhaupt nicht, was ich ihr sagen sollte. Ich wollte mich nämlich nicht an meine Niederlage erinnern. „Bitte lass es gut sein", wehrte ich ihre Neugier hilflos ab. Sie holte hörbar Luft. „So einfach ist das aber nicht, Clay! Du bist zu mir gekommen, nicht wahr? Du hast gesagt, ich soll dir helfen! Aber das kann ich nur, wenn du mir endlich verrätst, was mit dir los ist!" Ihre Stimme war jetzt laut und fordernd. „Liz...", seufzte ich abwehrend und tastete hastig nach ihr, um sie abzulenken. Ich streichelte ein bisschen über ihr Unterhemd und spürte ihren großen Busen darunter. Sie hatte offensichtlich nichts dagegen, deshalb wandte ich mich ihr ganz zu. „Es ist nichts. Ich wollte nur nicht allein sein", flüsterte ich und küsste ihren Hals. Sie ließ sich das gern gefallen. „Du bist ein Lügner, Clay", stellte sie fest. 

Wir streichelten uns eine Weile sanft und vorsichtig. Sie seufzte leise und zufrieden. Offenbar gefiel ihr meine Zärtlichkeit. Sie sagte nichts mehr, was mich jetzt grenzenlos erleichterte, weil ich ihr natürlich auf keinen Fall den Vorfall mit dem Junkiemädchen beichten konnte. Sie hätte mir vor Eifersucht wahrscheinlich den Kopf abgerissen! Außerdem fühlte sich ihr Körper gut an. 

In dieser Nacht hätte ich es trotzdem gerne bei einer zarten Berührung belassen. Aber Eliza Laser war, wie ausnahmslos alle Hetero-Frauen, beim Sex fixiert auf dieses intime Körperteil, deshalb tastete sie sich natürlich irgendwann zwischen meine Beine und legte mir ihre Hand auf den Penis, liebkoste ihn intensiv, was ich mit der Zeit nur schwer ignorieren konnte. 

„Willst du mit mir schlafen, Clay?" fragte sie erneut, diesmal unüberhörbar fordernd. Ich fand ihre Frage plötzlich unfair, denn ich wollte nicht mit ihr schlafen, nicht in diesem Moment. Und ich war mir sicher, dass sie das auch genau wusste. Sie allein war es, die den Sex mit mir einforderte! Eliza ist tierisch geil auf mich, registrierte ich verwirrt. Denn obwohl mir diese Tatsache auf eine Art ziemlich schmeichelte, fühlte ich mich gleichzeitig von ihr bedroht. 

Wollte ich doch am liebsten einfach nur hier liegenbleiben. Ich wollte sie neben mir spüren, ihre Hand auf meinem Bauch vielleicht. Mein Bedürfnis nach wildem, hartem Sex war an diesem Abend schmerzhaft mit dem verfluchten Junkiemädchen verloren gegangen und bisher auch noch nicht wieder aufgetaucht. Ich fühlte mich hilflos und der Frau ausgeliefert. Und Eliza forderte selbstverständlich eine Antwort von mir. 

„Sag schon!" drängte sie aufgeregt. Sie fing wieder damit an, meinen Schwanz zu streicheln, was sich eigentlich verdammt gut anfühlte. Ich musste eine Entscheidung treffen und wog eilig meine Möglichkeiten ab. Ich konnte natürlich immer noch aufstehen, mich anziehen und nach Hause laufen. Damit würde ich diese Frau ohne Zweifel kränken und verärgern. Sie wäre dann mit Sicherheit sehr wütend auf mich. Sie würde unvermeidlich damit anfangen, mich zu beschimpfen, mich vielleicht sogar schlagen. Das wollte ich nicht riskieren, denn ihre Sanftheit war viel leichter zu ertragen, als ihr gnadenloser Zorn! 

Und wenn dies der Preis dafür sein sollte, dass ich hier in ihrem Bett liegen durfte, dann musste ich es wohl akzeptieren, wurde mir klar. Wenn Eliza Laser Sex mit mir wollte, dann hatte ich eigentlich niemals eine Chance zur Gegenwehr. Sie verlangte jetzt danach, und das schmeichelte mir eigentlich sehr. Ich wollte in dieser Nacht nicht allein sein. Intime, sexuelle Zweisamkeit war mir immer noch lieber, als gar keine! 

Deshalb ließ ich ihre Hand gewähren, die sich schnell ziemlich intensiv mit meinem Penis beschäftigte. Ich sagte nichts, seufzte nur leise und konzentrierte mich ganz auf ihre fachmännische Berührung, die jetzt definitiv sehr geil war. Ich war wirklich erleichtert, als er schließlich richtig hart wurde. Und der Frau war dieser intime Umstand allein Zustimmung genug, glaube ich. „Hast du ein Kondom?" flüsterte sie irgendwann atemlos in der Dunkelheit. Ich seufzte zustimmend. Sex mit Eliza fühlte sich wahrhaftig gut an. Es war alles in Ordnung. Eigentlich ging es mir doch viel zu gut, um mich zu beschweren.
​​​​

Sean

Die Katze sprang zu mir, lief fast über mein Gesicht, und davon wachte ich auf. Die Sonne ging gerade auf. Ich lag auf dem Bett in meinem Dachboden, nur Unterwäsche an, und versuchte keine Kopfschmerzen zu bekommen. Aber kaum hatte ich die Augen geöffnet, waren die Schmerzen auch schon da. Ich versuchte mich zu erinnern, was in der letzten Nacht passiert war. Aber mir wollte nichts einfallen. Ich hatte tatsächlich keine Ahnung, wie ich in mein Bett gekommen war, was mich ziemlich nervös machte. 

Im nächsten Moment bekam ich einen Schreck, weil mir auffiel, dass mein Wecker nicht geklingelt hatte, und ich fürchtete, deswegen irgendwas verpasst zu haben, vielleicht ein Seminar, einen Vortrag oder sonst einen wichtigen Termin. Hastig warf ich einen Blick zur Wand und der Kalender dort verriet mir, dass heute Samstag war. Ich war erleichtert, weil ich Samstags normalerweise keine Seminare gebe. 

Die Uhr neben dem Kalender scheuchte mich auf, weil es nur noch drei Stunden bis zur letzten Probe vor der Vorstellung waren. Ich musste aufstehen und wach werden. Ich musste einen klaren Kopf bekommen. Ich wollte nicht wie ein Haufen Elend auf der Bühne stehen. 

Deshalb stand ich eilig auf, scheuchte die Katze weg, die mich prompt anfauchte, und lief die Treppe herunter zum Badezimmer. Dort stellte ich mich widerwillig unter die kalte Dusche. Als ich das Wasser aufdrehte, traf es meine Haut so eisig, dass ich die Zähne zusammenbiss. Die Kälte half aber ein bisschen und ich wurde langsam klarer im Kopf. Erinnerungen an die letzte Nacht tauchten schemenhaft auf, aber ich wollte daran gar nicht denken. 

Also stieg ich aus der Dusche, trocknete mich ab, rasierte mich gründlich, benutzte viele Pflegeprodukte für mein Gesicht und meinen Körper, manikürte meine Fingernägel und ging wieder zurück in meinen Dachboden, nur mit einem Handtuch bekleidet. Zum Glück traf ich auf dem Weg niemanden. 

In meinem Zimmer trainierte ich nackt vielleicht eine halbe Stunde, ohne dabei ins Schwitzen zu kommen. Danach stellte ich mich vor den Schrank und probierte einige Klamotten an, bis ich genau die fand, die zu meiner Stimmung passten. Angezogen betrachtete ich mich noch eine Weile im Spiegel. Ich fand mich okay so. Ich sah nicht mehr allzu verkatert aus, worüber ich sehr froh war. Eine Minute lang horchte ich nach unten, ob Vincent oder Marc in der Wohnung waren, aber es war ganz ruhig und ich hoffte, dass sie die Nacht woanders verbracht hatten, oder schon wieder weg waren. Ich hatte keine Lust auf die beiden, tatsächlich wollte ich im Moment niemanden sehen. 

Die Kopfschmerzen kamen zurück und ich lief eine Weile in meinem Dachboden herum. Dann fand ich ein bisschen Kokain in dem Versteck hinter dem Dachbalken und nahm eine kleine Nase, wonach es mir schon viel besser ging. Ich wurde ziemlich wach und aufgekratzt, bereit für alles andere. Aber zuerst ging ich nur hinunter in die Küche und bereitete mir ein ganz besonderes Frühstück, was ich letztendlich nur halb aufaß, weil ich plötzlich keinen Hunger mehr hatte. Ich trank eine Menge schwarzen Kaffee, rauchte zu viel, und ich war die ganze Zeit froh, dass in der Wohnung außer mir tatsächlich niemand war. 

Und nur ganz langsam, beinahe vorsichtig fing ich damit an, mich auf den Tag zu freuen. Und auf Clay.

Clay

Als ich wach wurde, ging vor dem Fenster gerade die Sonne auf, aber im Zimmer war es noch dämmrig. Ich schlug die Augen auf und augenblicklich taten mir meine Knochen weh, und ich hatte unheimlich Bock auf einen Chinesen. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Eliza noch schlief, stand ich vorsichtig auf, schloss leise ihre Tür auf und verließ auf Zehenspitzen ihr Zimmer. 

Ängstlich horchte ich in die Wohnung, ob die Gefahr bestand, dass Rowina mir über den Weg lief. Aber es war ganz still. Ich schlich über den Flur zum Badezimmer und pinkelte so leise ich konnte. Dann fand ich meine Klamotten, die unverändert über der Badewanne hingen. Meine Kleidung war immer noch sehr feucht, unangenehm kalt, aber ich zog sie trotzdem an. Ich untersuchte den Inhalt meiner Taschen und stellte mit aufkommender Panik fest, dass sie leer waren. Ich sah mich konfus um, und ich dachte einen Moment, dass Rowina mich vielleicht beklaut hatte. 

Aber dann entdeckte ich meine Sachen auf dem Trockner liegen und vermutete erleichtert, dass Eliza meine Taschen geleert hatte, als sie gestern Nacht ein Kondom aus meiner Jeans geholt hatte. Ich fragte mich, warum sie das wohl getan hatte. Und dann ärgerte es mich maßlos, weil ich das Gefühl hatte, dass die Frau mich ausspionierte. 

Ich griff nach meinem Handy und überprüfte, ob es trotz der Nässe noch funktionierte. Es funktionierte noch, aber ich hatte keine neuen Nachrichten. Ich nahm mein Portemonnaie und überflog den Inhalt. Es fehlte nichts. Ich fand auch meinen Schlüssel. Danach sammelte ich die restlichen Kondome ein, die Liz aus irgendeinem Grund ebenfalls auf den Trockner gelegt hatte. Plötzlich erinnerte ich mich an den Sex mit ihr und hatte das Gefühl, dass dieses Opfer mir eine angenehme Nacht beschert hatte.

Ich bereute nichts, nahm meine Marlboro und zündete mir mit meinem Feuerzeug eine an. Obwohl sie feucht war brannte sie, und ich zog den Rauch tief in meine Lungen. Dann betrachtete ich mich eine Weile im Badezimmerspiegel. Ich sah nicht gut aus, fand ich. Ich fühlte mich nicht gut, genau genommen wurde es immer schlechter. Es wurde Zeit für ein bisschen shore. Ich ärgerte mich, dass ich mir gestern nichts für heute verwahrt hatte. 

Aber im nächsten Augenblick war ich froh darüber, nichts bei mir zu haben, denn auch die Drogen hätte Eliza Laser wohl bei ihrer Spionageaktion gefunden. Und die Frau hätte sich mit Sicherheit tierisch darüber aufgeregt, das wusste ich genau, außerdem hätte sie mir das Heroin garantiert weggenommen. Ich drehte den Wasserhahn auf und hielt meinen Schädel spontan unter den kalten Wasserstrahl, bis mir plötzlich einfiel, dass das vielleicht zu laut war und die Frauen wecken könnte. Schnell drehte ich den Hahn wieder zu und griff mir ein Handtuch, um mein Gesicht abzutrocknen. 

Als ich gleich darauf hoch sah, stand unerwartet Rowina in der Badezimmertür. Sie trug immer noch nur ihr fast gänzlich durchsichtiges Nachthemd. Sie sah verquollen und verschlafen aus, aber immer noch recht hübsch. Wir guckten uns eine Weile nur an und sagten gar nichts. Ich hängte das Handtuch wieder auf die Stange neben dem Waschbecken. Ich bewegte mich nicht und stand einfach so dort. Rowina Ludger betrachtete mich intensiv. 

„Du willst gehen?" wollte sie schließlich wissen, schob mich zur Seite, um am Waschbecken mit Mundwasser zu gurgeln. „Sieht so aus", antwortete ich betont gleichgültig und zwang mich, nicht nervös zu werden. „Und Liz schläft wohl noch, was?" stellte Rowina grinsend fest. Es war nichts Neues, dass ich mich aus dem Haus schlich, bevor der Mensch, mit dem ich die Nacht verbracht hatte, aufwachte. Besonders wenn es mir so mies ging wie jetzt, wollte ich diesem Menschen nicht unbedingt morgens begegnen. Schon gar nicht Eliza. 

Rowina kannte mich gut genug, aber zum Glück war sie wohl noch zu müde für blöde Bemerkungen oder neue Gemeinheiten. Sie schaute mich nur aufmerksam an, bis ich den Blick abwandte. „Also, mach's gut", sagte ich leise, hob grüßend die Hand und bewegte mich zur Tür, bevor ihr einfallen würde, wie sehr sie mich hasste. Es sollte nicht wie eine Flucht vor ihr aussehen, obwohl es das zweifellos war, deshalb ging ich langsam. Ich hoffte inständig, dass sie einfach die Klappe halten und mich gehen lassen würde. Aber sie war Rowina Ludger und deshalb war mein Wunsch ein Ding der Unmöglichkeit.

„Hey, Clay!" rief sie, noch bevor ich aus dem Badezimmer raus war. Ich überlegte ernsthaft, ob ich sie nicht einfach ignorieren sollte, drehte mich dann aber doch zu ihr um. Die Frau saß auf dem Klo und pinkelte. Ich guckte sie einige Zeit betont gleichgültig an. Ich versuchte, mir meine viel zu große Irritation nicht anmerken zu lassen. Sie beobachtete mich neugierig, erwartete wohl irgendeine Reaktion von mir. Ich gab ihr keine, lächelte nur wenig amüsiert. 

„Was soll das, Ina, was willst du damit erreichen?" fragte ich sie schließlich. „Gestern hat es dich doch noch total angemacht mich pinkeln zu sehen!" erinnerte sie mich und stand vom Klo auf. Sie betätigte die Spülung und kam zu mir. Ich wollte zurückweichen, tat es aber nicht. Ich wollte endlich aus dieser Wohnung verschwinden. Meine Knochen sollten endlich aufhören zu schmerzen. „Das ist totaler Schwachsinn!" erwiderte ich gereizt. „Hast du einen Steifen gekriegt?" begehrte sie neugierig zu wissen und grinste belustigt. Ich verdrehte genervt die Augen. „Warum stellst du mir andauernd solche Fragen, Rowina, was zur Hölle bringt dir dieser Scheiß?" fuhr ich sie ungeduldig an. „Welche Fragen meinst du denn?" Sie spielte die Ahnungslose, aber ihre Augen blitzten jetzt amüsiert und kampfbereit. Wie immer machte ihr dieses Scheiß Spiel einen Höllenspaß. Mir war klar, dass ich gegen Rowina nicht gewinnen konnte, dass ich auch gegen diese Frau niemals irgendeine Chance hatte. 

Ich atmete ein paarmal tief, um mich zu beruhigen. „Fragen über meinen Schwanz zum Beispiel", erklärte ich ihr dann so ruhig wie möglich, drehte mich spontan herum und flüchtete nun doch vor ihr in den Flur zur Wohnungstür. Diese Tür war abgeschlossen, und ich spürte Panik in mir aufsteigen, weil kein Schlüssel im Schloss steckte. Ich wollte auf keinen Fall, dass Eliza wach wurde und mich hier antraf. Ich wollte unbedingt weg, und dass Rowina mich endlich in Ruhe ließ. 

Aber natürlich kam sie mir nach, denn sie hatte viel zu viel Spaß an meiner Verlegenheit. „Ich habe dir doch schon erklärt, dass dein Schwanz das einzig Interessante an dir ist, Clay", grinste sie mich gehässig an. „Lass mich einfach in Ruhe!" entfuhr es mir, was mir gleich darauf leid tat, weil ich damit zugab, kapituliert zu haben. Ich starrte sie verwirrt an, und sie begutachtete mich eine Weile interessiert und intensiv. 

Ich stand nur dort und versuchte, nicht die Nerven zu verlieren. „Ich weiß ganz genau, warum du dich aus dem Haus schleichst, Clay, und warum du Liz jetzt nicht treffen willst", sagte sie endlich herausfordernd. „Schließ die Tür auf!" forderte ich sie drohend auf. Sie grinste überlegen. Ich konnte sie nicht einschüchtern. Nichts was ich tat hätte sie jemals auch nur annähernd verunsichert. Wenn sie jetzt nicht die Klappe hält, dann werde ich sie womöglich schlagen, dachte ich beunruhigt. 

Aber ich stand nur dort und guckte sie hilflos an. Sie betrachtete mich noch eine Weile, dann drehte sie sich zu meiner Überraschung um und ging in ihr Zimmer. Ich überlegte ernsthaft, ob ich vielleicht aus dem Fenster klettern oder die Tür eintreten könnte, entschied dann aber, dass es einfach zu hoch oder zu laut sein würde, als Frau Ludger auch schon wieder auftauchte. Sie hatte tatsächlich ihren Schlüssel aus ihrem Zimmer geholt, was ich kaum glauben konnte. Sie schob mich zur Seite und schloss die Wohnungstür auf. Ich nickte ihr dankbar zu, weil ich zu mehr in diesem Moment nicht fähig war. Die Überraschung und Erleichterung waren einfach zu groß. 

Hastig trat ich hinaus in den Hausflur, da hielt Rowina mich plötzlich am Arm zurück. „War es schön für dich, gestern im Bett mit Eliza?" fragte sie mich erstaunlich ruhig. Ich suchte in ihrem Gesicht ein Anzeichen ihres üblichen Spotts, aber diesmal war da nichts. Sie meinte diese Frage scheinbar wirklich ernst, wirkte zu meinem maßlosen Erstaunen sogar irgendwie traurig. „Es war okay", antwortete ich ihr verwirrt, obwohl sie das überhaupt nichts anging. 

Dann drehte ich mich hastig herum und lief eilig die Treppen hinunter, bevor sie mich noch länger aufhalten konnte. „Das hat sich heute Nacht aber um einiges besser angehört, als nur okay!" rief Rowina mir hinterher. Ich war in diesem Moment viel zu glücklich über meine gelungene Flucht aus diesem Irrenhaus. Ich musste mir viel zu dringend neues Heroin besorgen. Mir wäre nicht im Traum eingefallen, auch nur irgendwie über diese Worte nachzudenken.

Eliza

Als ich wach wurde, tastete ich sofort zur Seite nach Clay, noch bevor ich die Augen öffnete. Der Platz neben mir war leer, und da wusste ich, dass er gegangen war. Eine Weile lag ich noch dort und stellte mir vor, wie schön es gewesen wäre, jetzt neben ihm aufzuwachen. Ich versuchte mir einzureden, dass er vielleicht noch in der Wohnung war. 

Aber dann öffnete ich doch die Augen und stellte mich der Realität. Ich wusste längst, dass er weg war, denn dieses Verhalten war typisch für Clay Banton, und ich kannte ihn viel zu gut. Seufzend stand ich auf, zog mir den Bademantel über, ging aus dem Zimmer über den Flur und ins Badezimmer. Ich ging aufs Klo, wusch mir die Hände, putzte meine Zähne und wusch mein Gesicht. 

Dann ging ich in die Küche und traf auf Rowina, die am Küchentisch saß und frühstückte. „Guten Morgen, Lizzie", begrüßte sie mich, „Das Frühstück wartet schon auf dich." Ich sah sie dankbar an, denn sie hatte tatsächlich einen einladenden Frühstückstisch gedeckt. Seufzend ließ ich mich am Tisch nieder und schenkte mir erst mal Kaffee ein. Dann nahm ich mir ein Brötchen, schnitt es auf und belegte es mit Wurst und Käse. 

„Er ist weg", bemerkte Rowina betont beiläufig. „Ich weiß", antwortete ich und schaute auf, „Das ist doch nichts Neues." Rowina blies spöttisch die Luft aus. „Ja, aber weißt du auch, warum er es schon wieder so eilig hatte zu verschwinden?" horchte meine Freundin mich aus und fixierte mich dabei viel zu ernst. Dieser todernste Ausdruck ihrer Augen beunruhigte mich, aber ich ließ mir nichts anmerken. Ich biss in mein Brötchen. „Er ist gegangen, weil er immer geht", sagte ich wegwerfend mit vollem Mund, „Wahrscheinlich kann er meinen Anblick morgens nicht ertragen!" 

Es sollte sich eigentlich spöttisch anhören, aber der Gedanke tat mir weh, und Rowina merkte das auch. Sie schüttelte den Kopf und trank von ihrem Multivitaminsaft. Dann zündete sie sich eine Zigarette an. „Nein, Eliza! Clay Banton ist gegangen, weil er auf Entzug ist. Er muss sich neue Drogen besorgen, das ist der Grund!" erklärte sie mir unvermittelt hart. 

Mir blieb vor Schreck der Bissen im Hals stecken, ich hustete und trank hastig Kaffee hinterher. Ungläubig schüttelte ich den Kopf und schaute sie tadelnd an. „So ein Quatsch, der ist doch längst runter von dem Zeug!" machte ich ihr klar. „Clay und runter von dem Zeug?! Das ich nicht lache!" rief Rowina spöttisch, „Der Kerl war gestern Nacht total zugedröhnt, das hast du doch selber gemerkt!" Ich legte den Rest meines Brötchens zurück auf den Teller. Plötzlich hatte ich keinen Hunger mehr. 

Irritiert betrachtete ich Rowina. Ich fragte mich, warum sie schon am Morgen so boshaft über Clay lästern musste. Eigentlich ließ sie nie ein gutes Haar an ihm, denn sie verachtete ihn schließlich, aber irgendwas an ihrem Blick alarmierte mich plötzlich. „Na und? Das heißt noch gar nichts! Er hat mir gesagt, dass es gestern nur wenig war und nur ein Zufall", versuchte ich Clay zu verteidigen. „Ein Zufall also!" Rowina lachte schon wieder spöttisch, was mich langsam richtig ärgerte. 

„Was soll das, Rowina? Woher willst du überhaupt wissen, dass Clay heute morgen auf Entzug war, wie du behauptest?" forschte ich wütend nach. „Das sagst du doch nur, weil du ihn sowieso nicht leiden kannst!" setzte ich hinzu. Sie hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe ihn vorhin noch getroffen", informierte sie mich dann, „Und er sah wirklich nicht gut aus, das kannst du mir glauben. Du hättest ihn sehen sollen! Dieser irre Ausdruck in seinen Augen hat mir total Angst gemacht! Und du weißt, dass dieser Idiot mich normalerweise nicht einschüchtern kann!" Das waren exakt ihre Worte und sie standen schwer im Raum, und eine lange Weile war es ganz still. 

Ich versuchte diese Information zu verarbeiten. Eigentlich fühlte ich mich noch viel zu müde für solche Neuigkeiten. Plötzlich wurde mir schwindelig und schlecht, als mir die Tragweite dieser möglichen Realität bewusst wurde. Sofort kamen alte Erinnerungen in mir hoch. Diese schrecklichen Zeiten, in denen Clay nur noch seiner Scheiß Droge hinterher gerannt war, während ich hilflos daneben stand. Seine vielen Versuche zu entziehen, mit Tabletten, dem Codein, letztendlich seine Methadonzeiten und unentwegt meine Hilflosigkeit. 

„Nein, Rowina, das glaube ich einfach nicht!" stieß ich endlich hervor und guckte sie fast flehentlich an. „Clay hat immerhin Jahre gebraucht, um davon loszukommen! Er würde das, was er inzwischen alles erreicht hat, nicht mit so einem Scheiß wieder aufs Spiel setzen!" erklärte ich ihr ernsthaft und zwang mich mit aller Kraft, selbst daran zu glauben. Rowina lächelte beinahe mitleidig, was mich ziemlich ärgerte. Sie zog an ihrer Zigarette und ich zündete mir nervös auch eine an. „Ach, Liz!" seufzte sie, „Clay Banton ist nun mal ein Junkie und er wird für immer und ewig ein Junkie bleiben!" behauptete sie sanft. Ich schüttelte trotzig den Kopf. „Nein, du irrst dich total, Ina! Clay Banton ist ein erfolgreicher Schauspieler, Musiker, Maler und Grafiker, und er ist allerhöchstens ein Ex-Junkie, ist das klar!?" Ich biss heftig von meinem Brötchen ab. Dann rauchte ich und starrte sie wütend, kampfbereit an. 

Wenn sie es unbedingt darauf anlegte, dann würde ich mich eben auch am frühen Morgen schon mit ihr streiten. Wie kommt sie überhaupt dazu, so einen Unsinn zu behaupten, dachte ich wütend. Clay Banton war süchtig gewesen, das war kein Geheimnis, aber er hatte diese dunkle Phase seines Lebens doch schon längst hinter sich gebracht! Inzwischen war er sehr erfolgreich und verdiente überraschend viel Geld mit seiner Kunst! Rowina konnte ihn nur nicht leiden, das war alles! 

„Clay ist doch kein Idiot! Er würde nicht wieder mit dieser Scheiße anfangen, die ihn schon einmal fast umgebracht hat!" schrie ich Rowina wütend an. Im nächsten Moment wurde mir bewusst, dass ich sie angeschrien hatte, und ich guckte sie eine Weile hilflos an. Sie betrachtete mich ganz ruhig. Plötzlich war mir zum Kotzen zumute. Angewidert schob ich den Teller mit dem Rest von meinem Brötchen von mir weg und rauchte tief. „Tut mir leid, Rowina", sagte ich leise resigniert. „Ist schon gut", lenkte sie ein, „Ich verstehe nur nicht, warum dir diese Sache so viel ausmacht. Ich dachte eigentlich, dieses Arschloch wäre nur noch dein Ex und würde dich nicht mehr interessieren." 

Einige Zeit war es ganz still, während ich über ihre Worte nachdachte. Sie hatte natürlich Recht. Es ärgerte mich, dass schon allein die vage Möglichkeit, Clay könnte wieder auf Heroin sein, mich beinahe wahnsinnig zu machen schien. Wir hatten doch längst Schluss gemacht mit unserer unseligen Beziehung. Und ich hatte wahrlich genug mit diesem Mann durchgestanden. Ich hatte doch mit aller Kraft versucht, mich auch innerlich von ihm zu verabschieden. Warum zum Teufel war es mir nicht einfach scheißegal, wenn er zurück in sein Unglück wollte? Ich konnte ihm doch sowieso nicht helfen, das hatte ich noch nie gekonnt. 

„Warum zur Hölle hast du diesen Wichser gestern Nacht in unsere Wohnung gelassen?" holte Rowina mich aus meinen Gedanken. Ich guckte sie verwirrt an und versuchte eine Antwort zu finden. „Ich weiß es nicht", musste ich dann zugeben. „Du wolltest wahrscheinlich nur mit ihm schlafen, oder?" vermutete sie und grinste zweideutig. „Nein, das war's nicht", wehrte ich sofort ab. „Du hast es aber getan, und zwar ziemlich intensiv. Ich konnte euch gar nicht überhören, weißt du", grinste Rowina fast vorwurfsvoll. 

Ich betrachtete sie müde. Ihre indiskrete Bemerkung war mir nicht im Geringsten peinlich. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Es fiel mir plötzlich schwer, klar zu denken. Ich drückte meine Zigarette aus und goss mir noch Kaffee ein. Ina beobachtete mich eine Weile. „Ich verstehe dich nicht, Liz. Warum muss es ausgerechnet dieser Mann sein? Fürs Bett laufen da draußen wirklich genug Typen herum, glaub mir!" erklärte sie mir feixend. Ich guckte sie nur an und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht wie du, Ina. Ich habe kein Bedürfnis nach fremden Bettpartnern", versuchte ich ihr zu erklären, aber sie lachte nur amüsiert. 

Sie hatte keine Ahnung. Rowina hatte meine Beziehung zu Clay noch nie verstanden. Zwischen uns war es niemals nur um Sex gegangen. Je länger ich darüber nachdachte, umso klarer wurde mir, dass ich selbst nicht wusste, worum es in unserer merkwürdigen Liebschaft überhaupt gegangen war. Ich spürte nur, dass dieses eigenartig starke Band zwischen Clay und mir noch lange nicht kaputt war, vielleicht nie zerreißen würde. Da konnte ich mich wohl so lange und so stark anstrengen, wie ich wollte.

Clay

Als ich auf der Straße stand ärgerte ich mich, weil ich gestern mein Auto vor meinem Haus hatte stehen lassen und durch die Nacht hierher gelaufen war. Ich hatte wohl das dringende Bedürfnis gehabt, diesen langen Weg zu Fuß zu gehen. Leider bedeutete das aber, dass ich nun kein Fahrzeug hatte und zurücklaufen musste, womit ich sofort stöhnend anfing. 

Meine Gedanken waren bei meinem Affen, der sich immer stärker bemerkbar machte. Ich überlegte fieberhaft, was ich tun könnte, aber alles Nachdenken nutzte mir überhaupt nichts. Es war definitiv noch viel zu früh für Drogengeschäfte jedweder Art. Dieser Mist ist meine eigene Schuld, schimpfte ich mit mir. Ich hätte gestern nicht alles weg rauchen dürfen, dachte ich wütend. Aber dies war ein Fehler, der mir tatsächlich viel zu oft unterlief, weil ich selten an den nächsten Tag dachte, nicht mal an die nächste Minute. Nur jetzt, wenn der Affe schlimmer wurde, dann wurde Zeit auf einmal ziemlich wichtig. Und ich hatte nicht mehr allzu viel Zeit, bis es richtig losgehen würde mit dem Entzug. 

Also lief ich schneller. Es war verflucht kalt und ich fing an zu rennen. Meine Gedanken überschlugen sich beinahe auf der Suche nach einer Lösung für dieses nur allzu vertraute Problem. Irgendwann wurde mir schwindelig, vielleicht vom Rennen, ich taumelte gegen eine Hauswand und blieb stehen. Mir war wirklich zum Kotzen zumute. Ich fühlte mich absolut beschissen. Mein Körper tat mir weh. Meine Seele ebenso. Am Liebsten wäre ich auf der Stelle tot umgefallen. Aber dann zwang ich mich doch wieder, mich zusammenzureißen. Ich holte wider besseres Wissen mein Handy heraus und wählte Sergejs Nummer.

Selbstverständlich ging er nicht ran. Danach versuchte ich noch zwei andere Nummern, aber auch dort war der Teilnehmer zur Zeit natürlich nicht erreichbar. Die Panik nieder kämpfend schaute ich mich um. Ich versuchte mich zu orientieren. Ich sah eine Bushaltestelle, an der gerade ein Bus hielt. Aus einem inneren Impuls heraus gab ich Gas, joggte zum Bus und stieg ein. Ich bezahlte das Fahrgeld beim Fahrer und lief durch den Bus nach hinten. Auf der letzten Bank ließ ich mich nieder. 

Der Bus war ziemlich leer, nur einige Leute auf dem Weg in die Stadt, um ihre Samstagseinkäufe zu erledigen. Ich saß aus einem anderen Grund in diesem Bus. Aus tiefstem Herzen hoffte ich, in der Stadt irgendjemanden zu finden, der mir Heroin oder wenigstens Methadon verkaufen würde. Aber ich wusste nur zu gut, dass die Chance darauf schwindend gering war. Um diese Uhrzeit lagen normalerweise alle potentiellen Dealer noch im Bett. Vielleicht habe ich Glück, versuchte ich mich innerlich aufzubauen, vielleicht ist doch schon irgendwer unterwegs. 

Plötzlich wurde mir schlagartig klar, was ich im Begriff war zu tun. Ich war tatsächlich auf der Suche nach shore, obwohl ich genau wusste, dass es dafür noch viel zu früh am Tag war. Ich wollte die shore, weil ich süchtig nach ihr war, und nicht nur deshalb, weil ich gerade Bock darauf hatte. Mir wurde mit einem Schlag bewusst, dass ich die Kontrolle über dieses verdammte Scheiß Zeug verloren hatte. Wie konnte es nur so weit kommen, fragte ich mich echt verzweifelt, an welchem verdammten Punkt habe ich die Kontrolle diesmal verloren? Welches Mal war das eine Mal zu viel gewesen? Ich wusste es nicht. Und es ging mir zu schlecht, um länger darüber nachzudenken. Ich muss so schnell wie möglich aus diesen verflucht nassen Sachen raus, dachte ich nervös, ich friere mich total kaputt, verdammte Scheiße! 

Als der Bus endlich in der Stadtmitte anhielt, beeilte ich mich auszusteigen. Ich bekam Paranoia und dachte, alle Leute würden mich vorwurfsvoll anstarren. Meine Kleidung fühlte sich feucht und kalt an, und ich dachte, alle Menschen würden das sehen. In der Stadt lief ich dann ziemlich planlos herum und suchte einen Dealer. Ich klapperte die altbekannten Stellen ab, aber selbstverständlich war alles leer und niemand war schon dort, an den ich mich hätte wenden können. 

Menschen bauten Marktstände für den Samstagsmarkt auf, andere kauften Obst oder Gemüse bei ihnen, noch bevor der Stand fertig war. Natürlich würde es keinen Verkaufsstand für Heroin geben, dachte ich konfus. Ich wurde ziemlich wütend, weil ich Geld in meiner Tasche hatte, aber niemand wollte es haben, und kein Mensch hatte irgendwas für mich, was meinen Schmerz gelindert hätte. Der Affe wurde schlimmer und das Laufen fiel mir zunehmend schwerer. Mir war kalt und ich bekam Schüttelfrost. Mein Magen drehte sich herum. Mir wurde die Sinnlosigkeit meiner Suche bewusst. Ich konnte kein Taxi finden. 

Wütend über mich selbst lief ich zurück zur Bushaltestelle und wartete auf einen Bus, der mich in die Nähe meines Hauses bringen würde. An dieser Haltestelle wartete ich eine Ewigkeit, so schien es mir. Irgendjemand sprach mich an, an den ich mich nicht mehr erinnern kann. Später kam der richtige Bus, ich stieg ein und bezahlte nochmal, und dann fuhr ich noch ein langes Stück bis zur Endhaltestelle. Von dort aus musste ich immer noch verdammt weit laufen. 

Die Sonne war inzwischen aufgegangen, aber sie wärmte mich kein bisschen. In dieser Gegend waren keine Menschen mehr auf der Straße. Total verwirrt fing ich damit an, irgendein Lied zu singen und taumelte dabei langsam nach Hause. Ich hatte das starke Bedürfnis, mich an jemanden anzulehnen. Ich wollte unbedingt einen Chinesen rauchen jetzt. Aber gleichzeitig wollte ich dieser verfluchten Droge nicht länger so eine Macht über mich gestatten. 

Es fiel mir wirklich nicht leicht, aber ich beschloss grimmig, dass es so nicht weitergehen durfte. Ich musste unbedingt wieder runterkommen von diesem Gift. Ich musste unbedingt die Kontrolle über mich und das Heroin wieder zurückgewinnen. Erst dann würde es für mich den nächsten Chinesen geben, hämmerte ich mir wütend ein. Ich muss es nur noch bis nach Hause schaffen, dachte ich dann verbissen. Nach Hause, dort ziehe ich diese verflucht feuchten, kalten Klamotten aus, lege mich sofort ins warme Bett und alles wird wieder gut. Alles wird wieder gut. Ich klammerte mich mühsam an diesen Gedanken. Er war der einzige, den ich ertragen konnte und den ich noch haben wollte.

Sean

Ich verließ das Grenzland-Theater, schwang mich auf mein Fahrrad und radelte los. Dann trat ich in die Pedalen so schnell ich konnte. Ich war so wütend, dass ich kaum auf den Verkehr achtete, kaum etwas um mich herum wahrnahm. Ich radelte wie der Teufel durch die Straßen und missachtete sämtliche Verkehrsregeln. 

Ich dachte darüber nach, warum Clay wohl schon wieder nicht im Theater aufgetaucht war. Ich versuchte automatisch, irgendeine Erklärung dafür zu finden, suchte nach plausiblen Entschuldigungen für sein Fehlen. Aber es gab dafür keine Entschuldigung und meine Wut wurde dadurch nicht geringer. 

Überraschend schnell war ich vor Clays Haus und bremste scharf ab. Ich stieg vom Rad und schob es in seinen Hausflur. Ich wollte gar keine Entschuldigungen für ihn finden, diesmal nicht. Ich würde nichts davon gelten lassen, was immer ihm dazu einfiel. Diesmal war Clay dran, schwor ich mir, dieser Arsch konnte sich nicht alles mit mir erlauben. Ich würde nicht zulassen, dass er mit seiner Schlamperei meine Performance kaputtmachte. 

Aber im nächsten Moment mahnte ich mich zur Ruhe. Ich wollte nicht übereilt handeln, deshalb lief ich nochmal vor das Haus, um mich ein wenig zu beruhigen und zu Atem zu kommen. Ich betrachtete seinen MG, der vor seinem Haus stand. Eine Weile stand ich dort und sah mir seinen britischen Sportwagen in metallic-anthrazit an. Ich erinnerte mich, wie euphorisch er gewesen war, als wir zusammen los fuhren, um das neue Auto abzuholen. Wie stolz er sich das erste Mal hinter dieses Steuer gesetzt hatte. Selten hatte ich Clay so glücklich gesehen, wie in diesem Moment. Dieser MG TF 160 mit seinen 160 PS und der teuren Sonderausstattung bedeutete ihm wirklich viel. 

Ich dachte darüber nach, ob es mir eine Genugtuung verschaffen würde, wenn ich ihm den Lack zerkratzen würde, die Reifen zerstechen, das Dach aufschlitzen oder irgend so einen Mist. Aber dann entschied ich, dass das gar nichts bringen würde. Es würde meine Wut in keiner Weise mindern. Ich musste ihm gegenüberstehen und ihm persönlich sagen, was ich von ihm hielt. Ich hatte das dringende Bedürfnis ihn zu prügeln. Ich wollte ihn unbedingt schlagen, ihm so fest ich konnte eine reinhauen, damit er endlich und für alle Zeit begriff, wie verflucht wütend mich sein Verhalten machte. Nochmals atmete ich tief durch, drehte mich herum und lief die Treppen hinauf. 

Dann stand ich vor seiner Tür und lauschte, konnte aber nichts hören. Mein Herz hämmerte hart vor Aufregung und Wut. Ich muss gut aufpassen, dass Clay mich nicht wieder um den kleinen Finger wickelt, mahnte ich mich beunruhigt, dass er nicht mit einem Lächeln meine Wut verschwinden lässt. Mir war absolut klar, dass Clay Banton dazu fähig war. Aber diesmal nicht, schwor ich mir, diesmal hat er wirklich eine Abreibung verdient. Diesmal werde ich es nicht gut sein lassen mit einem verdammten Lächeln. 

Der Gedanke an sein Lächeln machte mich plötzlich nervös und unsicher. Mir wurde klar, dass ich mich beeilen musste, sonst wäre meine Wut auf ihn schon hier vor der Tür meiner Zuneigung zu diesem Mann gewichen. Ohne noch länger zu zögern begann ich damit, gegen seine Tür zu hämmern. Dieser Idiot hat so eine blöde Luxus-Wohnung, aber nicht mal eine ordinäre Türklingel, dachte ich geringschätzig. Also musste ich noch eine Weile hämmern. Ich bemühte mich, an meine Performance zu denken, die vermasselten Proben, den Grund meines Hierseins, und meine Wut auf keinen Fall zu vergessen.

Als meine Hände anfingen weh zu tun, trat ich mehrmals gegen das Schloss seiner Wohnungstür. Endlich drehte sich von innen ein Schlüssel im Schloss und die Tür wurde geöffnet. Clay Banton stand vor mir, nur mit seiner Unterwäsche bekleidet. Der Mann sah ziemlich fertig aus und ich brauchte einen Moment, um mit seinem fast nackten Anblick fertig zu werden. 

„Sean", stellte er gleichgültig fest. Wen hat er erwartet, fragte ich mich sofort misstrauisch und wurde unwillkürlich eifersüchtig. Außerdem kränkte es mich auf der Stelle, dass ihn mein Auftauchen offensichtlich so wenig interessierte, vielleicht sogar enttäuschte. „Willst du vielleicht meine Tür eintreten?" erkundigte er sich jetzt genervt. Sofort flammte meine Wut wieder auf. Ich holte tief Luft und ging auf ihn zu, drängte ihn zurück in seine Wohnung. „Wen hast du erwartet?" fragte ich ihn drohend und taxierte ihn feindselig. Er betrachtete mich irritiert und wich rückwärts vor mir zurück. „Niemanden!" antwortete er defensiv. Seine Augen weiteten sich voller Angst. Er kannte mich gut genug, um meine Wut auf ihn sofort zu bemerken. Er ahnte meine Absicht, ihn zu schlagen. 

Aber noch bevor er auch nur die Hand heben konnte, um sich zu schützen oder mich abzuwehren, schlug ich ihn schon seitwärts gegen den Kopf. Er schrie schmerzerfüllt auf und taumelte rückwärts gegen die Wand. Ich schlug ihn weiter, er hob hastig die Arme, um sich zu schützen. „Nein, schlag mich nicht ins Gesicht!" bat er verwirrt, ganz der Schauspieler, der um sein Aussehen besorgt ist. 

Ich grinste schadenfroh und boxte ihn einige Male in die Bauch- und Brustgegend. Er rief: „Sean..." und krümmte sich hilflos zusammen. Ich trat ihn mehrmals gegen die Schienbeine und schlug dann noch weiter auf ihn ein. Es tat mir erstaunlich gut, ihn zu verprügeln. Ich hasste und liebte ihn schon viel zu lange. Dies war meine Rache für unzählige durchlittene Stunden und unzählige vergossene Tränen. Es ging längst nicht mehr nur um die von ihm versäumten Proben. Ich schlug ihn, weil ich es wollte, weil er es wahrlich verdient hatte, und weil diese Art von Rache schon längst überfällig war. 

Clay lehnte inzwischen an der Wand, merkwürdig zusammengekrümmt, und versuchte ziemlich hilflos meine Schläge abzuwehren. „Hör doch auf, Valmont", jammerte er leise, „Hör doch bitte damit auf mich zu schlagen." Aber ich zeigte kein Mitleid. Diesmal nicht, du Arsch, dachte ich voller Genugtuung, und dann trat ich ihn ziemlich heftig zwischen seine Beine. Clay stöhnte laut auf und sank an der Wand hinunter auf den Boden. „Sean!" ächzte er schmerzerfüllt und schaute mich zum ersten Mal wieder an. Erst jetzt registrierte ich, dass er weinte. Mir wurde bewusst, dass dieser Mann so gut wie nichts getan hatte, um sich zu verteidigen. Er hatte nicht mal annähernd versucht, auch nur auf irgendeine Art zurückzuschlagen. 

Ich starrte eine Weile wütend in seine verzweifelten, nassen Augen. Ich atmete tief durch, und dann war meine Wut plötzlich verraucht. Der Mann tat mir nur noch leid. „Sean, nicht, bitte", jammerte Clay und vergrub seinen Kopf in seinen Armen auf seinen Knien. Ich stand jetzt dicht über ihm und beobachtete ihn lauernd. Er schluchzte tatsächlich, was mich ziemlich irritierte, weil ich nicht wollte, dass er mir leid tat. Ich bereute es nicht, ihn verprügelt zu haben. Dazu hatte es mir viel zu gut getan. Ich fühlte mich herrlich abreagiert, auf eine dumme Art entschädigt. Ich fühlte mich definitiv wohl in der Nähe von Clay Banton. 

Ich ließ mich dicht vor ihm nieder und streichelte ihm über den Kopf. Er hob seinen Blick und schaute mich defensiv an. „Schlag mich nicht, Sean, mir geht's schon beschissen genug", flüsterte er hilflos. 

Ich betrachtete ihn einige Zeit sehr aufmerksam und dann wusste ich mit einem Mal, was mit ihm los war. Seine Augen verrieten mir seinen Zustand, seine riesigen, pechschwarzen Pupillen und der panische, beinahe irre Blick. Clay Banton war ziemlich heftig auf Heroin Entzug. 

Als mir das schlagartig klar wurde, spürte ich erneut Wut in mir aufsteigen, und meine Gedanken überschlugen sich: Warum war er auf Entzug, verdammt nochmal?! War dieser Idiot etwa erneut auf shore? Hatte er wieder damit angefangen Heroin zu spritzen, ohne dass ich es gemerkt hatte? Warum zum Teufel hatte ich von seinem exzessiven Drogenkonsum nichts gemerkt? Und exzessiv musste der in letzter Zeit schon gewesen sein, sonst wäre er jetzt nicht so umfassend auf Entzug! Verdammter Mist, dachte ich spontan, jetzt geht diese ganze Scheiße womöglich wieder von vorne los! Dieser verdammte, blöde, süchtige Penner! Ich werde nicht zulassen, dass er sich und alles andere ein weiteres Mal kaputtmacht, dachte ich wütend. 

Als Clay registrierte, dass ich seinen Zustand richtig erfasst hatte und darüber natürlich alles andere als erfreut war, seufzte er gequält und hilflos. Er wich meinem vernichtenden Blick aus und vergrub seinen Kopf wieder in seinen Armbeugen. „Tut mir leid, Sean", jammerte er leise und schniefte. Ich betrachtete ihn eine Weile reglos, denn ich brauchte einen Moment, um damit klar zu kommen. In meinem Kopf lief alles durcheinander, denn mit dieser Art von brutaler Realität hatte ich nicht gerechnet. Warum war ich so blind gewesen, dachte ich, warum zum Teufel habe ich es nicht früher gemerkt? 

Dann wurde ich richtig wütend, weil ich dabei war, mir selbst Vorwürfe zu machen, obwohl dies hier zweifellos ganz allein Clays Schuld war. Kurzentschlossen packte ich ihn hart am Hinterkopf an den Haaren und riss ihn zu mir hin. „Ballerst du etwa wieder?" fuhr ich ihn an. Seine Augen weiteten sich erschrocken. „Nein!" behauptete er abwehrend, „Nein, das tu ich nicht!" „Lüg mich nicht an!" schrie ich aufgebracht. 

Für mich stand in diesem Moment aus irgendeinem Grund fest, dass Clay Banton zurück zur Nadel gefunden hatte. Ich glaubte, mir seinen Zustand nicht anders erklären zu können, obwohl ich es eigentlich besser hätte wissen müssen. „Lüg mich nicht an, du Arsch!" wiederholte ich drohend. „Nein, Valmont, ich habe nicht geballert!" seufzte Clay ratlos und verzog schmerzerfüllt das Gesicht, weil ich an seinen Haaren riss. 

„Zeig mir deine Arme!" forderte ich ihn lauthals auf, ließ seinen Kopf los und packte seine Arme. Brutal drehte ich seine Arme herum und untersuchte seine Haut, seine Armbeugen, Hände und Finger nach Einstichen. Er fühlte sich kühl und feucht an, der typisch affige kalte Schweiß klebte auf seinem Körper. Clay roch verschwitzt und irgendwie ungewaschen, was mich aber nicht besonders abtörnte. Tief drinnen fand ich es sogar sehr erregend, mich so eingehend mit seinem, für mich sogar in diesem Zustand begehrenswerten Körper zu beschäftigen. 

Allerdings war meine Wut auf ihn und das, was er getan hatte, im Moment viel größer als irgendwelche erotischen Anwandlungen. „Sean!" seufzte er widerwillig, ließ aber alles mit sich geschehen und wehrte mich nicht ab. Es machte mich paradoxer Weise noch wütender, dass ich keine Einstiche finden konnte. Ich untersuchte die Zwischenräume seiner Finger genau, aber da war nichts. Außer ein paar alten, schon längst vernarbten und kaum sichtbaren Stellen war seine Haut völlig unversehrt. 

„Wo hast du rein gespritzt, Banton?" fragte ich ihn schließlich laut und starrte ihn feindselig an. Er schwieg, schüttelte nur hilflos den Kopf. „Sag es mir lieber gleich!" drohte ich. „Nein, ich habe nicht geballert", beteuerte er nochmal. „Ich mach das nicht mehr! Das ist doch total blöd! Denkst du denn, ich will mit zerstochenen Armen auf der Bühne stehen? Da könnte ich mir ja gleich ein Schild umhängen: Seht mich an, ich bin ein Fixer!" erklärte er mir fast spöttisch. Sein Hohn ärgerte mich, aber ich glaubte ihm das sofort. 

Allerdings gab es viele Wege in seine Venen und er kannte sie alle. „Du verfluchter, blöder, süchtiger Penner!" schrie ich ihn ungeduldig an und schlug ihn ein paarmal ins Gesicht. Er schrie auf und versuchte mir auszuweichen, indem er nach hinten fiel. Ich griff brutal nach seinen Beinen und fuhr unbeirrt damit fort, nach frischen Einstichen zu suchen. Ich untersuchte jeden Millimeter seiner Haut, fing bei den Zwischenräumen der Zehen an und arbeitete mich langsam an ihm herauf. Gnadenlos verdrehte ich ihm die muskulösen Beine, um seine Kniekehlen zu untersuchen. Er stöhnte voller Schmerz: „Hör doch bitte auf, Valmont, ich habe nicht gedrückt, du wirst nichts finden, verdammt!" „Halt's Maul!" schrie ich ihn an, „Halt dein blödes, süchtiges Maul, du Arsch!" Erbost starrte ich ihn an. 

Er war dort so nah vor mir, nur mit seiner Unterwäsche bekleidet, halbwegs auf dem Rücken liegend, und er betrachtete mich verwirrt. Er schwitzte und atmete schwer vor Schmerzen. Ob die, die ich ihm zufügte, oder die vom Entzug, war nicht genau auszumachen. Es war mir auch völlig egal. Ich war jetzt wirklich wütend. 

Erinnerungen an alte Zeiten kamen automatisch in mir hoch, dunkle Zeiten, in denen Clay Banton nur noch für seine Droge gelebt hatte. Es gab diese Zeiten, in denen man ihm kein Wort glauben konnte, weil alles gelogen war, weil er sich sogar ständig selbst belog. Das darf auf keinen Fall schon wieder passieren, schwor ich mir, das werde ich nicht zulassen! Aber dazu muss ich unbedingt erreichen, dass er endlich ehrlich zu mir ist, hämmerte es in mir. Seine ständigen Lügen gingen mir total auf den Sack. Ich atmete tief durch und zwang mich, ein wenig ruhiger zu werden. 

„Wo zum Teufel hast du das scheiß Heroin rein gespritzt, Clay?" fragte ich ihn langsam und betont deutlich. Es kam mir gar nicht in den Sinn, dass er vielleicht die Wahrheit sagte. Ich war davon überzeugt, dass er mich anlog und der verfluchten Nadel längst wieder verfallen war. Dieser Gedanke machte mich beinahe wahnsinnig. Voller Entsetzen und Wut taxierte ich ihn.

Clay wich nun vor mir zurück und schüttelte den Kopf. Seine Augen zuckten nervös. Er fixierte mich lauernd. „Ich habe schon ewig nicht mehr gedrückt und ich habe auch nicht vor, nochmal in meine Haut zu stechen", behauptete er sehr leise. 

Eine ganze Weile war es still. „Du bist ja total verrückt, Valmont", flüsterte er auf einmal, als er registrierte, dass ich ihm nicht glauben wollte. Ich brauchte nur einen Moment, um darauf zu reagieren. „Was? Ich soll verrückt sein? Wer hat denn diese Scheiße hier verbockt?" fuhr ich ihn an und boxte ihn auf die Oberschenkel. Er stöhnte gequält auf. Sofort rückte ich näher zu ihm hin und packte sein Unterhemd, noch bevor er vor mir flüchten konnte. „Sean, nicht!" seufzte er wieder. „Wer sitzt denn hier auf dem Boden und entzieht gerade kalt vom Heroin, hä? Das bist du, Herr Banton, und nicht ich!!" schrie ich aufgebracht und schlug ihn mehrmals gegen den Kopf. Er ächzte überfordert, drehte sich von mir weg und hob die Hände, um meine Schläge abzuwehren. „Du bist verrückt, Valmont!" wiederholte er laut. 

Er sah mich an und versuchte zum ersten Mal ernsthaft, sich gegen meine Schläge zu wehren, indem er anfing, mich von sich wegzuschieben. „Du bist ja völlig durchgeknallt! Lass mich in Ruhe!" forderte er und versuchte mich wegzuschubsen. Ich krallte mich an seinem Hemd fest. Seine Worte machten mich nur noch zorniger. Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein, dachte ich verärgert, was denkt er denn nur, mit wem er es hier zu tun hat? 

„Nein, ich lass dich bestimmt nicht in Ruhe, Banton! Ich will sofort wissen, an welcher Stelle deines Körpers du dir dieses verfluchte Gift eingefahren hast!" beharrte ich ungeduldig. Ich starrte ihn überlegen an und zog ihn am Hemd dicht zu mir hin. Er wich meinem Blick nicht aus. Seine schönen Augen waren immer noch affig, aber auch traurig, feucht von Tränen, doch er weinte jetzt nicht mehr. Ich bemerkte so etwas wie aufkeimenden Widerwillen gegen meine unfreundliche Behandlung. Er fing offensichtlich langsam an, sich über meine Schläge und mein brutales Vorgehen zu ärgern. „Lass mich in Ruhe, Valmont!" forderte er mich nochmal auf und versuchte sich mir zu entziehen. 

Seine Gegenwehr wurde stärker, aber ich hatte ihn fest gepackt und ließ ihn nicht los. „Bleib liegen!" befahl ich ihm finster, aber er war jetzt sauer und nicht mehr gewillt, alles mit sich machen zu lassen. Er hob sogar die Hand, um mich zu schlagen. „Lass mich sofort los!" drohte er plötzlich. 

Eine Weile starrten wir uns gegenseitig feindselig an, dann verfielen wir wieder einmal in eine Art Ringkampf. Clay wollte mich jetzt unbedingt auf Abstand bringen und ich zog ihn nur noch näher zu mir heran. Wir wälzten uns auf dem Boden herum. Mir wurde seine unmittelbare Nähe sehr bewusst und ich fing auf einmal ungewollt damit an, seinen Körper auf eine andere Art zu spüren. Dieser schöne Mann war mir so verdammt nah. Wir kämpften einige Zeit ziemlich heftig, aber er war nicht in der Verfassung, mich auch nur annähernd zu besiegen. Er hatte überhaupt keine Chance gegen mich, weil er affig war, total fertig und angeschlagen.

„Lass mich sofort los, Valmont, lass mich in Ruhe!" fauchte er hilflos, als er schließlich unter mir lag und sich nicht mehr rühren konnte. Wir atmeten beide schwer von der Anstrengung des Kampfes. Ich schaute ihn an und wurde plötzlich erregt von ihm, und das irritierte und ärgerte mich. „Erst, wenn du mir die Wahrheit sagst, Clay!" machte ich ihm klar. Ich versuchte nervös mich abzulenken, indem ich daran dachte, dass er zu oft und zu viel Heroin genommen hatte, und wie sehr mich das ärgerte. 

Aber er war mir zu nah. Es war schwierig, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf seinen wunderschönen, beinahe nackten Körper unter mir. Clay bemerkte natürlich sofort, dass ich ihn jetzt mit anderen Augen ansah. Er kannte mich einfach viel zu gut. Er war über seine Niederlage verärgert. Meine Arroganz und Brutalität machten ihn wütend. Es wurmte ihn, dass er mir im Moment körperlich nicht gewachsen war. Deshalb griff er mich verbal an. Es war die einzige Waffe, die für ihn Aussicht auf Erfolg versprach. 

Er grinste spöttisch, holte Luft und fragte herausfordernd: „Was ist los mit dir, Sean? Hast du es dir anders überlegt? Willst du mich jetzt doch lieber ficken, du blöde Schwuchtel?" Dann wartete er geringschätzig grinsend auf meine Reaktion. Es dauerte eine Weile, bis ich seine gemeinen Worte verdaut hatte. Ich fühlte mich so sehr verletzt, dass ich ihm nur noch wehtun wollte.

Deshalb griff ich ganz spontan nach seinem empfindlichsten Körperteil. Clay ahnte nur einen Moment zu spät, was ich vorhatte. Er schrie entsetzt auf und versuchte mich abzuwehren. Aber im gleichen Augenblick hatte ich ihm schon hart in die Unterhose gegriffen und seinen heißen, feuchten, schlaffen Penis in der Hand. „Wo hast du das Gift rein geballert, Banton, in deinen Schwanz vielleicht, hä?!" schrie ich ihn aggressiv und trotzig an. Es gefiel mir ungemein, dass ich sein fieses, überhebliches Grinsen schlagartig getötet hatte. 

Er fing ebenfalls an zu schreien, weil ich ihm jetzt wirklich sehr weh tat und es sichtbar genoss. „In deinen Schwanz vielleicht, hä? Hast du das scheiß Heroin in deinen blöden Pimmel gedrückt, du verdammter Vollidiot?" fauchte ich ihn immer wieder höhnisch an. Er schüttelte verzweifelt den Kopf und versuchte sinnlos meine Hand von sich wegzureißen. Er fing an zu zappeln und ich schlug ihn mit der freien Hand in den Bauch. „Bleib sofort liegen, verdammt!" befahl ich ihm laut und unfreundlich. „Du tust mir weh!" jammerte er und Tränen schossen erneut in seine Augen, die jetzt voller Angst und Schmerz weit aufgerissen waren und mich flehentlich anstarrten. 

Aber ich war von ihm beleidigt worden. Ich hatte kein Mitleid mit ihm, im Gegenteil. Ich genoss seine Qual und meine Macht über ihn in vollen Zügen. „Bleib ruhig liegen, dann tu ich dir auch nicht weh!" machte ich ihm ernst klar. Er wurde tatsächlich ruhiger und lag schließlich ganz still. Ich hatte immer noch seinen Penis in der Hand. Eine Weile sahen wir uns intensiv an. Clay lag unter mir auf dem Rücken, atmete schwer und schluchzte unterdrückt. Tränen rollten aus seinen Augen über seine Ohren und tropften auf den Boden. 

Einige Zeit beobachtete ich ihn reglos. Plötzlich durchbrach er das Schweigen. „Ich habe gar nichts gespritzt, Sean. Ich verletze mich nicht mehr auf diese gefährliche Art. Und ich habe noch nie in meinem Leben irgendwas in meinen Schwanz geballert!" erklärte Clay angewidert. Seine Stimme war leise, aber unverkennbar trotzig. Danach wich er meinem Blick aus und legte sich die Hände schützend über die Augen. Er versuchte krampfhaft sich zu beruhigen. Erneut tat er mir leid, ohne dass ich es hätte verhindern können. Plötzlich war es mir peinlich, dass ich immer noch seinen Penis in der Hand hielt. Ich wollte ihn jetzt gerne streicheln, aber es schien mir nicht der richtige Augenblick zu sein, deshalb ließ ich ihn los. 

Er drehte sich sofort von mir weg und zog sich hastig die Unterhose hoch. Dann kroch er eilig von mir weg, und ich schaute ihn nur an und hielt ihn nicht auf. Ich fühlte mich plötzlich müde und ausgepumpt. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt machen sollte. Meine Gefühle überschlugen sich schon wieder, schwankten zwischen meiner aufkeimenden Lust auf Clay und immer noch vorhandener Wut auf ihn. Ich beobachtete ihn nur, fühlte mich auf einmal ziemlich hilflos, saß einfach auf seinem Fußboden und rührte mich nicht. Er ist wieder abhängig vom Heroin, pochte es dumpf in meinem Schädel. 

Clay kroch ein Stück von mir weg in Richtung Flur, als wollte er sich vor mir in Sicherheit bringen. Dann drehte er sich wütend zu mir herum. „Ich habe noch niemals irgendwas in meinen Schwanz geballert, Sean! So einen Scheiß würde ich nie tun, das ist total der Schwachsinn und mega gefährlich! Ich könnte verbluten! Außerdem brauche ich ihn noch, ich würde ihn nie dermaßen verletzen!" erklärte er laut und starrte mich beleidigt an. Er schwitzte seinen kalten Affenschweiß und sah kaputt und krank aus. 

Trotzdem wurde mir in diesem Moment plötzlich wieder einmal bewusst, wie sehr ich ihn liebte. „Was meinst du denn, wie viele Männer das tun!? Es ist nur eine von unzähligen Stellen mit Venen, um sich Heroin einzufahren", versicherte ich ihm ruhig. Er schüttelte aufmüpfig den Kopf. „Ich habe noch nie-mals...", betonte er, da unterbrach ich ihn auch schon ziemlich ruppig: „Und du hättest es früher auch getan, Clay, und zwar ohne zu zögern! Wenn du keine andere Stelle zum Ballern gefunden hättest, dann hättest du dir das verfluchte Heroin überall reingedrückt!" machte ich ihm ernst klar. Er öffnete protestierend den Mund, aber ich unterbrach ihn erneut: „Streite das jetzt nicht ab, Clay, du weißt ganz genau, wie recht ich damit habe!" Er schaute mich einen Moment traurig an, dachte darüber nach und war dann still. Er stritt es nicht ab. Er seufzte nur und hielt sich den angeschlagenen, affigen, hübschen Schädel. 

Im nächsten Moment hielt er sich plötzlich den Bauch fest und stöhnte auf. Er drehte sich herum und kroch von mir weg den Flur entlang. „Wo willst du hin?" rief ich ihm alarmiert hinterher. Er hatte es plötzlich eilig, stand mühsam auf und taumelte Richtung Badezimmer. „Mir ist schlecht, Sean, ich fürchte, ich muss kotzen", informierte er mich atemlos und verschwand gleich darauf im Bad. 

Einige Augenblicke später konnte ich ihn würgen und kotzen hören. Clay Banton ist tatsächlich heftig auf Entzug, wurde mir mit einem Schlag schmerzhaft bewusst, und ich kann nicht das Geringste für ihn tun. Dieser blöde Wichser tanzte hier vor meinen Augen den Affentanz, weil er es wieder einmal übertreiben musste mit dem Heroinkonsum. Warum zum Teufel musste Clay Banton immer und ewig alles so dermaßen übertreiben? Warum bekam dieser Mann es einfach nicht auf die Reihe, diese Dinge und sich selbst unter Kontrolle zu behalten? Er ist so verflucht süchtig und so verflucht blöd, dachte ich. Ich liebe ihn so, dachte ich dann, ich möchte ihn gerne berühren. Ich möchte ihm auf der Stelle den hübschen Kopf abreißen für seine Dummheit! Was zur Hölle sollte ich jetzt nur mit ihm anfangen?

Clay

Ich flüchtete vor diesem völlig durchgeknallten Mann in mein Badezimmer. Ich fühlte mich von ihm massiv bedroht und überlegte fieberhaft, wie ich ihm entkommen könnte. Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Mir ging es jetzt wirklich schlecht, ich fühlte mich äußerst übel. 

Ich fragte mich, warum Sean überhaupt zu mir gekommen war. Wollte er mich vielleicht fertigmachen? War er etwa nur hierher gekommen, um mich zu verprügeln? Warum nur? Irritiert spürte ich, wie groß meine Angst vor Valmont war. Ich fühlte mich seinen merkwürdigen Launen so verdammt ausgeliefert. Ich war momentan einfach nicht in der Verfassung, es auch nur annähernd mit ihm aufnehmen zu können. 

Allerdings tat mir sowieso jede verdammte Faser meines Körpers weh, die Schläge von Sean konnte ich unter diesen Schmerzen kaum ausmachen. Nur mein Gesicht brannte unverkennbar von Seans Prügeln. Ich betrachtete mein Gesicht kurz im großen Spiegel über dem Waschbecken und machte mir Sorgen, ob es vielleicht anschwellen und mich entstellen würde. Aber im nächsten Moment wurde mir auch schon klar, dass ich in absehbarer Zeit ohnehin keine Bühne betreten würde, also war sogar das egal. 

Mächtige Übelkeit stieg in mir hoch. Ich taumelte eilig die paar Schritte zum Wasserklosett, riss den Deckel hoch, fiel auf die Knie und kotzte mir beinahe die Lunge aus dem Leib. Mein Körper schüttelte sich in Krämpfen, und ich dachte wirklich, ich würde sterben. 

Aber so schnell, wie sie gekommen war, ließ die Übelkeit nach, und mein Magen beruhigte sich, als er leer war. Ich griff nach dem Klopapier, wischte mir über den Mund und putzte mir die Nase. Dann warf ich das Papier ins Klo und zog ab. Ich versuchte zu Atem zu kommen und mich zu beruhigen. 

Aber mein Körper war affig und unzufrieden. Er schrie jetzt aus vollem Hals nach Heroin und gönnte mir keine Pause. Meine Gedärme rumorten heftigst und ließen mir keine Wahl. Ich musste mich herumdrehen, meine Unterhose bis zu den Knien runter ziehen und mich aufs Klo setzen, weil sich alles entleeren wollte, was noch in mir war. Ich hatte überhaupt keine Chance es aufzuhalten. Die Krämpfe taten weh, ich stöhnte gequält und entnervt von dieser Prozedur. Ich war viel zu beschäftigt, um irgendetwas anderes um mich herum wahrzunehmen.

Deshalb merkte ich nicht, dass Valmont die Tür öffnete und hereinkam. Als ich irgendwann zufällig hoch sah, stand dieser Mann ganz plötzlich in der Badezimmertür. Er beobachtete mich lächelnd, was mir sofort extrem peinlich war. Ich saß schließlich gerade auf dem verdammten Wasserklosett, und ich fühlte mich dort dermaßen schutzlos, dass ich ihn sofort anbrüllte: „Lass es sein, Valmont! Ich will das absolut nicht! Hau sofort ab, verdammt nochmal!" Er lachte nur belustigt, was mich beinahe wahnsinnig machte, und meinte dann gelassen: „Ich weiß, dass es dich nicht antörnt, Clay. Aber ich schaue dir trotzdem gerne dabei zu." „Hau ab! Geh raus!" schrie ich hysterisch los, „Lass mich in Ruhe! Starr mich nicht so an, Valmont! Befriedige deine Perversitäten woanders, du verdammter, blöder, abartiger, schwuler Arsch!" Ich wollte ihn mit diesen Wörtern verletzen, aber das klappte wohl diesmal nicht. 

Ich fühlte mich sehr gedemütigt von seiner Anwesenheit. Es beschämte mich extrem, von Sean so eingehend auf dem Klo beobachtet zu werden. Ich hatte das Gefühl, seinen viel zu neugierigen Blick keine Sekunde länger ertragen zu können. Ich wollte gerne aufspringen und ihm das amüsierte, überlegene, zweideutige Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Aber natürlich konnte ich mich nicht rühren und das wusste er auch genau. 

Sean Valmont zeigte kein Mitleid mit mir, keinen Hauch von Anstand oder Respekt vor meiner Privatsphäre. Er ging natürlich nicht raus aus meinem Badezimmer, ließ mich in dieser äußerst peinlichen Situation einfach nicht allein. Im Gegenteil, er kam sogar näher zu mir, und er hörte nicht damit auf, mich pausenlos anzustarren. Er genoss meine unangenehme Hilflosigkeit sichtbar in vollen Zügen. Womöglich geilt es ihn wirklich auf, mich auf dem Klo zu sehen, vermutete ich beunruhigt. Ich wollte aber nicht weiter darüber nachdenken. Dazu ging es mir einfach viel zu schlecht. Meine Gedärme schienen sich nach außen stülpen zu wollen. Ich hielt mir gequält den Unterleib, er rumorte und krampfte sich weiter stechend zusammen. 

Letztendlich konnte ich nur die Augen schließen und mich bemühen Sean zu ignorieren. Verlegen vergrub ich meinen Kopf in meinen Armen auf meinen Knien, stöhnte und atmete laut ein und aus. „Schon gut, Clay, sei ganz locker", hörte ich plötzlich Sean über mir und sah erschrocken auf. Er stand jetzt dicht vor mir und streichelte tatsächlich mit seiner Hand über meinen Kopf. „Du brauchst dich vor mir nicht zu schämen", flüsterte Sean eindringlich. 

Ich fand es unerträglich, dass dieser Mann in dieser Situation so dicht vor mir stand und mir so gnadenlos überlegen war. Außerdem fand ich sein gutmütiges Grinsen zum Kotzen. Der spinnt doch wohl total, dachte ich verärgert, ich möchte ihn schlagen, diesen blöden, gemeinen, perversen Wichser! „Sean, um Himmels Willen..", seufzte ich hilflos, weil mir nichts Besseres einfiel. „Schon gut, Clay, ist doch okay", versuchte er mich leise zu trösten. Er hörte nicht auf zu lächeln und meinen Kopf zu streicheln. Ich guckte ihn nur an und konnte mich ihm nicht entziehen, ich war dazu verdammt seine Aufdringlichkeit hinzunehmen. 

Zu meiner Erleichterung spürte ich aber recht bald, dass die Krämpfe endlich nachließen. Ich fühlte mich jetzt vollkommen entleert, echt kaputt und müde. Ich versuchte mich zusammenzureißen. Sean Valmont beobachtete mich weiter beunruhigend liebevoll und streichelte pausenlos über meinen affigen Schädel. Ich langte hastig hinter mich und zog das Klo ab. Das kalte Wasser spritzte gegen meinen nackten Hintern, weil ich immer noch auf der Schüssel saß. 

Jetzt wollte ich unbedingt aufstehen, aber nicht, solange der Mann vor mir stand. Also fixierte ich ihn flehentlich. „Sean, lass mich allein, um Himmels Willen, bitte geh raus!" bettelte ich ihn an und fühlte mich dabei total erbärmlich. Es fiel mir schwer, nicht gleich wieder loszuheulen. Sean musterte mich irgendwie traurig und zog seine Hand von meinem Kopf zurück. „Warum schämst du dich vor mir, Clay?" wollte er allen ernstes wissen, und er schien tatsächlich irgendwie gekränkt deswegen. Mir fiel so schnell keine Antwort ein, da redete er schon weiter: „Denkst du etwa, ich habe noch nie auf dem Klo gehockt?" „Wirst du dabei auch gerne eingehend beobachtet?!" fuhr ich ihn wütend an, was mir gleich darauf leid tat. Ich befürchtete, dass Sean sauer wurde und wieder anfangen würde mich zu schlagen. 

Aber zu meiner Erleichterung war er wohl nicht mehr wütend, höchstens enttäuscht von mir. Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging langsam zur Tür. Ich stand hastig auf, bevor er es sich anders überlegen konnte, und griff nach dem Klopapier. Ich säuberte mich gründlich, warf das Papier ins Klo, klappte den Deckel zu und betätigte die Spülung. Dann drehte ich mich um. Valmont stand erneut in der Tür, sein Blick schien mich fast in sich aufzusaugen. Er hat mich natürlich auch dabei beobachtet, dachte ich, ich war nur zu beschäftigt, um es zu merken. Ich schämte mich, ärgerte mich über seinen speziellen Voyeurismus und zog mir hastig die Unterhose hoch. 

Dann öffnete ich das große Fenster, um frische Luft hineinzulassen. Es kam aber auch ein eisiger Wind herein, der sich unangenehm kalt auf meiner nassgeschwitzten Haut anfühlte. Ich stöhnte wieder gequält und ging zur Tür, notgedrungen auf Sean zu. Ich wollte jetzt nur noch zurück in mein warmes Bett. Oder tot umfallen. Sofort. 

„Geht's dir besser?" fragte Sean lächelnd, als ich vor ihm stehen blieb. Er stand im Türrahmen und ich hatte den Eindruck, dass er mich aus irgendeinem Grund nicht vorbeilassen würde. „Nein, mir geht's nicht besser, Valmont, absolut nicht!" antwortete ich ihm gereizt und wollte an ihm vorbei, zurück in mein warmes Schlafzimmer gehen. Aber Sean packte mein Unterhemd und hielt mich daran fest, was mich nicht überraschte, weil ich es ja schon geahnt hatte. „Wo willst du hin?" wollte er lauernd wissen. 

Es ärgerte mich maßlos, dass dieser Mann sich so aufspielte. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, sein anmaßendes Verhalten einfach so defensiv hinzunehmen. „Was denkst du denn, wo ich hin will, Sean?" erwiderte ich laut und guckte ihn feindselig an. Was denkt er denn, fuhr es mir durch den Kopf, denkt er vielleicht, ich wäre in der Lage jetzt lange Spaziergänge zu machen, oder was?! 

„Ich denke, dass du zu Sergej fahren willst", warf Sean mir vor und taxierte mich streng. Ich brauchte einen Moment, um diesen Gedanken zu verdauen. Natürlich hatte Sean recht. Selbstverständlich wollte ich zu Sergej! Der Entzug sorgte schon dafür, dass ich nichts anderes mehr wollte. Allerdings hatte ich mich dazu entschlossen, diesem Bedürfnis nicht nachzukommen, ganz egal wie dringend es auch vorhanden war. Genaugenommen konnte ich den bloßen Gedanken an Sergej und seine gute shore kaum ertragen. Ich fand es unerträglich ätzend von Sean, dass er mich an meinen Dealer erinnert hatte. Auch wenn ich vielleicht in meinem Hinterkopf an nichts anderes dachte, wollte ich doch diesen Namen nicht ausgesprochen hören, nicht gerade jetzt. 

„Wenn ich zu Sergej wollte, dann wäre ich schon längst dort!" schrie ich Valmont an, „Glaubst du denn wirklich, ich würde mich hier herumquälen, wenn ich es nicht so wollte, du blöder Arsch!" Ich hob intuitiv den Arm, um ihn ins Gesicht zu schlagen. 

Aber Sean war schneller, denn er war in einer sehr viel besseren körperlichen und seelischen Verfassung, als ich im Moment. Viel zu schnell hatte er mein Handgelenk gepackt und verdrehte mir schmerzhaft den Arm auf dem Rücken. „Sean!" protestierte ich hilflos, entsetzt und schmerzerfüllt. Er drehte meinen Arm noch weiter herum. „Ich glaube nicht, dass du den Entzug gewollt hast, Clay! Ich denke viel mehr, dass du einfach mal wieder zu blöd warst, diese verdammte Sache unter Kontrolle zu behalten!" machte er mir überlegen klar. Ich stöhnte vor Schmerz und ging in die Knie, um mich ihm irgendwie zu entziehen. 

Endlich ließ er meinen Arm los. Ich saß jetzt auf dem Boden und sah beschissen unterwürfig zu ihm hoch. Er stand über mir und starrte mich mit einer Mischung aus Wut und Mitleid an. „Du hast diese Scheiße hier nicht gewollt, Clay! Mach dir doch nichts vor!" betonte er eindringlich. Ich wich seinem Blick aus und musste mich nochmal anstrengen, um nicht schon wieder loszuheulen. Ich fühlte mich beschissen. Alles tat mir weh, meine Seele schmerzte sogar. Ich fühlte mich klein und hilflos. 

Und Sean hatte natürlich wieder recht, und ich konnte mich gegen ihn nicht verteidigen. Eine Weile saß ich einfach dort und versuchte mich zu beruhigen. Irgendwann fühlte ich plötzlich Seans Hand auf meinem Kopf, die mich sanft streichelte. „Niemand will einen Affen schieben, Clay", flüsterte er beunruhigend liebevoll. Ich schaute alarmiert zu ihm hoch. Er lächelte mir aufmunternd zu. Ich überlegte fieberhaft, wie ich ihn loswerden könnte, ohne ihn zu verletzen oder zu verärgern. Gleichzeitig wollte ich vielleicht gar nicht, dass er ging. Womöglich wollte ich in meinem Elend auf keinen Fall allein sein.

Verwirrt starrte ich auf den Boden und versuchte sein Streicheln zu ignorieren, obwohl es sich recht gut anfühlte. Er streichelte jetzt meine Schultern und hockte sich dicht vor mir auf den Boden. „Warum hast du es denn bloß schon wieder übertrieben, Clay?" flüsterte er verständnislos. Ich konnte ihn nicht ansehen. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Er streichelte über meine Brust und ich schwieg verwirrt. „Erkläre es mir bitte, Clay! Ich möchte es wirklich gerne verstehen!" drängte Sean unverkennbar atemlos. 

Ich schaute ihn endlich an, und ich bemerkte sofort seine beginnende Erregung, was mich ziemlich beunruhigte. Alarmiert und irritiert schob ich seine Hand von mir weg und kroch Richtung Whirlpool, um ihm irgendwie zu entkommen. Valmont ist geil auf mich, registrierte ich konfus. Ich war nicht sicher, ob ich dem gewachsen sein würde. Ich war mir nicht sicher, ob ich es zulassen wollte, deshalb flüchtete ich vor ihm zu den Stufen meines Whirlpools. Diese Situation überforderte mich maßlos, denn sie fühlte sich an wie ein entsetzliches Déjà-vu. 

„Ich weiß nicht, warum ich zu viel shore genommen habe. Es ist einfach passiert, ohne dass es mir bewusst war", versuchte ich so etwas wie eine Erklärung für ihn zu finden. Ich saß ratlos auf den Stufen meines Whirlpools und guckte ängstlich zu ihm hin. Sean hockte immer noch in der Tür und beobachtete mich amüsiert. Er lächelte jetzt liebevoll. „Dieser Scheiß passiert dir ständig einfach so, Clay!" grinste er belustigt. „Und deshalb wirst du es auch immer wieder ausbaden müssen, du Idiot!" setzte er hinzu, und dann kam er langsam auf mich zu. 

Ich starrte ihn nervös an und der Schweiß brach mir aus. Kalter, ätzender Affenschweiß vom Entzug und vor Panik. Ich spürte aufkommende neue Krämpfe in mir und stöhnte gequält und verwirrt. Das ist mir alles zu viel, spürte ich hilflos. Sean Valmonts fordernde Nähe war mir zu viel im Moment. Aber vielleicht hast du auch Lust auf ihn, überlegte ich im nächsten Augenblick gierig, womöglich willst du sogar mit ihm ficken. Vielleicht wäre das jetzt gar nicht so eine schlechte Idee. Eventuell würde es mich von meinem Elend ablenken, wenn auch nur für eine kurze Weile. Von diesen echt intensiven Gedanken überfordert schnappte ich nach Luft. 

„Du solltest lieber froh sein, dass ich mich heute dazu entschlossen habe zu entziehen, anstatt mir diese blöden Vorwürfe zu machen", sagte ich hastig, um mich von meinem Gedankenchaos abzulenken. Sean lächelte und setzte sich neben mich auf die Stufen des Pools. Er hörte nicht auf, mich auf diese spezielle Weise anzusehen, deshalb wich ich beunruhigt, hilflos vor ihm zurück. 

„Soll ich dich jetzt auch noch beglückwünschen, weil du wieder viel zu abhängig bist?" stieß er spöttisch aus. Ich schüttelte ungeduldig den Kopf. „Nein, ich meine, es ist doch immerhin etwas, dass ich heute hier geblieben bin und mich dem Entzug stelle! Es wäre, weiß Gott, viel einfacher für mich, mir sofort neue shore zu kaufen!" machte ich ihm aufsässig klar. Er saß jetzt neben mir, kam mir aber nicht zu nah und berührte mich nicht. Er betrachtete mich nur sehr eingehend, mit diesem typisch besitzergreifenden Ausdruck in seinen Augen. „Ja, du hast recht, Clay, das ist mutig von dir. Diesen Entschluss zu entziehen rechne ich dir hoch an", lenkte er leise ein und streckte seine Hand nach mir aus, um mich anzufassen. 

Aber ich rückte unwillig von ihm weg und er ließ seinen Arm sofort wieder sinken. Plötzlich verlegen starrte er auf den Boden. Eine ganze Weile saßen wir schweigend in einigem Abstand auf den Stufen. Ich beobachtete Sean verstohlen und versuchte mir darüber klar zu werden, was ich eigentlich wollte. Ob ich tatsächlich Lust auf ihn hatte. Oder ob es mir nicht viel zu dreckig ging, um Sex zu haben, mit wem auch immer. 

Oder ob ich nicht lieber sofort meinen affigen Schädel auf die Marmorfliesen meines Badezimmers knallen sollte, bis er zersprang. Gepeinigt von neuerlichen Krämpfen und kaltem Schüttelfrost stöhnte ich auf und krümmte mich zusammen. Es ging mir definitiv viel zu schlecht für sexuelle Freuden, aber das wollte ich nicht einfach so hinnehmen. Valmont soll mich anfassen, mir einen runter holen, gierte es plötzlich mächtig in mir. Verdammte Scheiße, dachte ich derangiert, so ein verdammter Mist! „Fuck!" entfuhr es mir gequält. 

Daraufhin sah ich aus den Augenwinkeln, wie Sean näher rückte. Ich konnte diesmal nicht darauf reagieren, wahrscheinlich hatte ich auch gar nichts dagegen. Schon war er dicht neben mir, nahm mich spontan in den Arm und streichelte mir sanft über den Kopf. „Es ist schon gut, Clay, es wird alles wieder gut. Es geht vorbei, das weißt du doch", redete er sanft und tröstend auf mich ein. 

Ich lehnte mich an ihn und genoss seine Nähe und sein Streicheln ganz instinktiv, ohne weitere Gedanken. „Mir ist so verdammt kalt, Sean. Ich friere so, ich möchte zurück in mein warmes Bett", jammerte ich leise. Gleich darauf bereute ich es, mein Bett erwähnt zu haben. Du blöder Idiot, schalt ich mich, Sean wird dir ins Bett folgen, warum zur Hölle hast du ausgerechnet von deinem Bett gesprochen, verdammt! 

Sofort verkrampfte ich mich panisch bei dem Gedanken an mein zu erwartendes klägliches Versagen im Bett. Sean spürte das und ließ mich los. Ich seufzte, saß verlegen und absolut überfordert neben ihm und versuchte erneut mich zusammenzureißen. „Ich habe eine bessere Idee!" eröffnete Sean mir plötzlich. Überrascht, verwirrt guckte ich ihn an. Er lächelte aufmunternd und schob sich zum Whirlpool-Computer. Er tippte einige Befehle ein und das Wasser begann dampfend, laut und schnell den Pool zu füllen. 

Ich starrte nur den Strudel an und fragte mich, ob man sich wohl in einem Whirlpool ersaufen konnte. „Du nimmst jetzt ein schönes, warmes Bad, Clay!" lächelte Sean, als wäre seine Idee die beste der Welt. Sofort schüttelte ich abwehrend den Kopf. „Nein, ich..." „Komm schon, Clay! Warmes Wasser ist das Beste, was du gegen die Krämpfe und Schmerzen tun kannst, das weißt du doch genau!" versuchte er mich zu überreden, und er lächelte unverkennbar erwartungsvoll dabei. 

Ich schaute ihn an und hatte ungewollt eine Vision von mir und Sean in diesem Whirlpool, in der Vergangenheit, nackt, unsere Körper rieben sich aneinander. Ich erinnerte mich, wie gut er sich anfühlte. Aber gleich darauf spürte ich wieder meinen Affen mit voller Gewalt und mir wurde klar, dass ich ihn sowieso nicht hochkriegen würde, selbst wenn ich es wollte. Und ich wollte es eigentlich auch nicht. Nicht gerade jetzt. 

„Das sagst du ja nur, weil du mich ficken willst, Valmont!" rief ich unüberlegt, erfasst von panischer Angst, dass dieser Mann sich nicht würde beherrschen können. Sean schaute mich gekränkt an. Schon tat es mir leid, so heftig geworden zu sein. Ich fragte mich, wovor ich eigentlich solche Angst hatte, war völlig verwirrt und wich fassungslos seinem traurigen Blick aus. „Tut mir leid", flüsterte ich und hielt mir den schmerzenden Bauch. „Das stimmt nicht", meinte Sean durch das Rauschen des Wassers hindurch, „Ich will dich jetzt nicht ficken, Clay." „Natürlich willst du das!" beharrte ich ungeduldig, plötzlich ziemlich genervt von dieser ganzen prekären Situation. Angespannt fixierte ich ihn. Er betrachtete mich irgendwie nachdenklich.

„Warum hast du Angst vor mir?" wollte er dann tatsächlich verwundert wissen. Ich konnte das nicht fassen und atmete tief ein. „Weil du mich verprügelt hast, du Arschloch!" brüllte ich ihn spontan an und schnappte nach Luft. Sean beobachtete mich merkwürdig interessiert, er reagierte kaum auf meinen Vorwurf. Ich stöhnte überfordert und starrte zu Boden. Ich wollte wirklich tot umfallen. Ich hatte das unangenehme, dringende Gefühl, diese Sache hier nicht mehr viel länger ertragen zu können. 

Unvermittelt hörte das Rauschen des Wassers auf. Der Whirlpool war jetzt voll mit schäumendem, automatisch temperiertem Wasser. Ich fragte mich unwillkürlich nervös, welche Temperatur Sean wohl eingestellt hatte, ob er den Pool nicht vielleicht viel zu kalt programmiert hatte, nur um mich weiter zu quälen. Ich beugte mich vor und streckte prüfend einige Finger ins Wasser. Die Temperatur schien okay zu sein, sogar angenehm warm. Im nächsten Moment fragte ich mich, warum ich über so einen Scheiß überhaupt nachdachte, und zog meine Hand verärgert zurück. 

„Warum hast du mich geschlagen, Sean?" interessierte mich plötzlich. Lauernd guckte ich ihn an. Er beobachtete mich immer noch mit diesem erwartungsvollen, gutmütigen Lächeln. „Wieso? Warum zur Hölle hast du mich verprügelt?" drängte ich ihn ungeduldig. „Weil du nicht bei der Probe warst", erklärte er mir grinsend. Seine Antwort war wie ein Schlag vor den Kopf. „Weil ich nicht bei der Probe war?" wiederholte ich fassungslos. Er nickte, hörte nicht auf zu grinsen, und ich hätte ihn deswegen gerne geschlagen. 

„Ich war schon ziemlich oft nicht bei einer deiner scheiß Proben!" fuhr ich ihn an. Ich konnte das wirklich nicht begreifen. Zwar hatte ich noch nicht darüber nachgedacht, aber von allen Erklärungen, warum Sean Valmont wohl einen Grund hatte, dermaßen wütend auf mich zu sein, um mich so hart zu schlagen, erschien mir diese Antwort als die Abwegigste. „Ich war schon oft nicht bei deinen blöden Proben, Sean!" wiederholte ich eindringlich. Er lachte jetzt amüsiert. „Ich weiß, Clay." „Warum zum Teufel hast du mich deswegen verprügelt, du Arsch!?" schrie ich ihn entgeistert an. 

Plötzlich bekam ich das dringende Bedürfnis eine zu rauchen. Fahrig fuhr ich mit den Händen meinen Körper ab, aber ich trug nur Unterwäsche und hatte deshalb natürlich keine Zigaretten in Reichweite. „Es war eben das eine Mal zu oft, Clay", erklärte Sean mir jetzt ruhig. Er beobachtete mich immer noch höchst interessiert, meine sinnlose Suche nach den Zigaretten, meine fahrigen Bewegungen. Er studierte neugierig die körperlichen Begleiterscheinungen meines Entzugs. Es nervte mich tierisch, von ihm auf diese gierige Art angestarrt zu werden. Ich konnte ihn plötzlich nicht mehr ertragen. 

Spontan wollte ich aufstehen und abhauen, egal wohin, nur weg von diesem verrückten Mann, aber schon griff er nach mir und hielt mich unerbittlich am Arm zurück. „Wo willst du hin?" fragte er streng und zog mich brutal dicht zu sich hin. Ich fiel ungewollt gegen ihn und versuchte auf der Stelle ziemlich hektisch ihn irgendwie abzuwehren. „Lass mich los!" fauchte ich unfreundlich. Er ließ mich überraschender Weise los, hörte aber nicht damit auf mich interessiert zu beobachten. Ich wich seinem Blick stöhnend aus, saß jetzt dicht neben ihm und wusste nicht weiter. Diese ganze Situation ging mir langsam tierisch auf den Sack. Ich fühlte mich äußerst unwohl, hauptsächlich wegen dem verdammten Affen, und ich hatte unheimlich Bock auf ein paar Chinesen. 

Ich fing unwillkürlich an, ernsthaft darüber nachzudenken einen Anruf zu tätigen. Sergej anzurufen. Mir einfach sofort shore zu besorgen und damit der entwürdigenden Quälerei hier abrupt ein Ende zu setzen. Warum zur Hölle tat ich mir das alles eigentlich an? Und warum wagte dieser Mann es überhaupt mich zu verprügeln, und nur deshalb, weil ich seine scheiß Probe versäumt hatte? Nur wegen einer bekloppten Theaterprobe, die überflüssiger gar nicht sein konnte, denn diese scheiß Performance spielten wir schließlich schon ewig und drei Tage lang! 

Ich konnte diese Absurdität nicht fassen. Das alles hier war doch nichts als der absolute Irrsinn! Ich befand mich in einer extrem verletzlichen, hilflosen, unangenehmen körperlichen Verfassung. Und Sean Valmonts überlegende Anwesenheit machte meine Demütigung perfekt. Warum ließ ich mir überhaupt so viel von ihm gefallen? Dieser Mann war doch in keiner Weise besser als ich. Meine Gedanken überschlugen sich förmlich. 

Ich warf Sean einen deutlich feindseligen Blick zu. Er fing ihn sichtlich überrascht auf, hörte aber nicht auf damit, gutmütig zu lächeln. „Was ist los, Clay?" fragte er sanft, „Was geht in deinem hübschen Kopf vor, hm?" Er hob den Arm, um mir liebevoll über den Kopf zu streicheln, aber ich fauchte genervt los und wich ihm eilig aus. „Es geht dich einen Scheißdreck an, Valmont, was in meinem Kopf los ist!" schrie ich ihn wütend an und wollte abermals aufstehen, um seinem Blick und seiner Überlegenheit zu entkommen. 

Aber erneut war er schneller als ich, packte wieder meinen Arm und hielt mich fest. Ich konnte das in diesem Moment nicht mehr ertragen, konnte mich aber auch nicht gegen ihn wehren, und deshalb fing ich an zu schreien. „Lass mich los, du blöder Wichser, lass mich sofort los! Was fällt dir eigentlich ein?! Du hast überhaupt kein Recht dazu, mich zu verprügeln!" brüllte ich wie am Spieß und fing hastig damit an ihn zu schlagen, nach ihm zu treten und ihn ziemlich übel zu beschimpfen. Ich versuchte voller Entsetzen mich ihm zu entziehen. 

Aber er war leider in diesem Moment viel stärker als ich, viel besser drauf zur Zeit, deshalb hatte ich keine Chance gegen ihn. Er packte mich einfach und riss mich herum. „Beruhige dich!" redete er beschwörend auf mich ein. Aber ich konnte mich nicht mehr beruhigen. Jede einzelne Faser meines Körpers tat mir weh. Mein Herz schlug mir vor Aufregung bis zum Hals. „Du darfst mich nicht schlagen! Kein Mensch hat das Recht dazu, mich zu schlagen!" schrie ich völlig außer mir. 

Ich lag auf den Fliesen und Sean hatte mich immer noch gepackt. „Du forderst es aber so oft heraus!" behauptete er beinahe entschuldigend. Das konnte ich nicht gelten lassen. „Nichts, was ich jemals tue, kann es rechtfertigen, dass ich geschlagen werde, du blöder Arsch!" brüllte ich echt wütend herum. Meine ohnmächtige Hilflosigkeit trieb meine trainierten Stimmbänder zu Höchstleistungen an. 

Sean nickte zu meiner Überraschung irgendwann zustimmend und murmelte: „Ja, Clay, du hast ja recht." glaube ich. Ich konnte ihn aber kaum noch hören. Ich schnappte von der Anstrengung keuchend nach Luft. Mein Körper schrie äußerst schmerzhaft nach Heroin. Meine Muskeln krampften sich immer häufiger vegetativ zusammen. Wir rangen auf den harten Marmorfliesen meines Badezimmers, halb auf den Stufen des Whirlpools. „Beruhige dich doch!" rief Sean immer wieder, „Beruhige dich, Clay, dreh doch nicht durch, verdammt!" Ich wollte und konnte mich aber nicht mehr beruhigen. Ich hatte echt die Schnauze voll.

Sean

Die Situation im Badezimmer spitzte sich dramatisch zu, als Clay zunehmend die Kontrolle über sich verlor. Eigentlich war es eine sehr intime Situation gewesen, sehr angenehm – zumindest für mich. Der Mann, den ich über alle Maßen liebte, war mit mir in diesem Raum. Er war mir sehr nah und deshalb ging es mir gut. 

Natürlich war offensichtlich, dass es ihm überhaupt nicht gut ging. Er war auf Entzug, das war nicht zu übersehen. Aber ich dachte, das geht vorbei. Das hatten wir ja nun wirklich schon oft genug. Er wird sich schon wieder einkriegen. Ich musste nur bei ihm bleiben, ihn beruhigen, ihm seine Schmerzen einfach weg streicheln. Das tat ich natürlich gerne, obwohl er sich mir hartnäckig entzog. 

Wie heftig sein körperliches Verlangen nach dem Heroin aber tatsächlich war, das wurde mir erst richtig bewusst, als seine Muskeln sich einfach selbstständig machten. Er verlor jegliche Gewalt über sich und fiel direkt ins Bodenlose. 

Clay beschwerte sich lautstark darüber, dass ich ihn verprügelt hatte. Er behauptete, niemand hätte das Recht dazu, ihn zu schlagen, womit er zweifellos recht hatte. Dennoch konnte ich nicht behaupten besonders reumütig zu sein. Dazu genoss ich dieses Gefühl der Macht über ihn viel zu sehr. 

Er zappelte heftig herum, versuchte mich zu schlagen und nach mir zu treten. Aber ich hielt ihn nur ganz fest. Sein Unterhemd rutschte hoch und ich betrachtete hingerissen das Spiel seiner Bauchmuskeln. Er schwitzte stark und rang nach Luft. Ich streichelte ihn ein wenig. Seine Haut fühlte sich heiß und nass an. Ich wollte ihn gerne küssen, aber er wich mir andauernd aus. Seine Augen waren vor Panik und Unbehagen weit aufgerissen. 

Lass mich los!" heulte er beinahe. Ich betrachtete ihn selig und hielt ihn fest in meinen Armen. Meine Liebe zu ihm hatte in diesem Moment ganz die Oberhand gewonnen. „Ist schon gut, beruhige dich doch", flüsterte ich. „Nichts ist gut, Sean!" jammerte er und versuchte abermals mit allem ihm verbliebenen Temperament, sich meinem Griff zu entwinden. „Ich weiß", lächelte ich verständnisvoll. 

Clay war zwar böse auf Entzug, aber durch sein beständiges Training immer noch voller Kraft. Seine Gegenwehr wurde richtig stark, und ich bekam echte Mühe damit, ihn irgendwie zu bändigen. Schließlich konnte ich ihn nur dadurch überwältigen, indem ich mich mit meinem ganzen Gewicht auf ihn drückte. 

Er lag letztendlich auf dem Rücken, auf seinem Marmorboden, und starrte mich ziemlich wirr an. Er knurrte verärgert und schnappte nach Luft. Sein attraktiver Körper schien bis zum Zerreißen angespannt zu sein. „Beruhige dich doch!" beschwor ich ihn wiederholt. Er schüttelte nervös den Kopf. „Mann, halt doch endlich dein Maul!" murmelte er mühsam. Nur einen Augenblick später erstarrte er irgendwie, seine Augen weiteten sich panisch. Er brachte nur noch „Fuck!" hervor, dann verabschiedete sich seine Körperbeherrschung vollkommen von ihm. 

Ziemlich erschrocken musste ich zusehen, wie Clay Banton in eine Art epileptischen Anfall abdriftete. Seine schönen, grün-braunen Augen verdrehten sich dermaßen, dass fast nur noch das Weiße darin zusehen war. Seine sämtlichen Gliedmaßen zitterten verkrampft und völlig unkontrollierbar. Seine Zähne schlugen aufeinander, und ich fing unwillkürlich damit an, mir richtig Sorgen zu machen. Was, wenn er seine Zähne abbrach oder sich die Zunge abbiss? Was, wenn er seine Zunge verschluckte, keine Luft mehr bekam und elendig ersticken würde? 

Wie konnte es nur dazu kommen, warf ich mir geschockt vor, wieso habe ich nicht gemerkt, dass er so viel Heroin genommen hat? Der Mann war nicht mehr ansprechbar. Spucke lief ihm in Blasen aus dem Mund, und ich versuchte total überfordert, ihn irgendwie festzuhalten. Seine Krämpfe waren aber zu stark, als dass ich ihn hätte beruhigen können. Seine Arme und Beine zitterten so stark, dass sie hart gegen die Stufen des Pools schlugen. Sein Kopf knallte mehrmals laut gegen den Marmor. Das geht so nicht, merkte ich entsetzt und außer mir, der hat gleich eine Gehirnerschütterung! Ich muss ihn irgendwie vor seinem eigenen Körper schützen, ich muss dafür sorgen, dass er sich endlich entspannen kann.

Mir fiel schließlich nichts besseres ein, als Clay Banton hochzuheben, was gar nicht so leicht war, weil er so zappelte. Ich packte ihn dennoch irgendwie, hob ihn hoch und warf ihn in seinen sündhaft teuren Whirlpool. Der Gedanke dahinter war, dass sich sein Körper in dem warmen Wasser vielleicht schneller wieder beruhigte. Ich hoffte inständig, die Dauer seines Anfalls auf diese Weise abkürzen zu können, denn es tat mir sehr weh, ihn so hilflos zu erleben. Ich machte mir Sorgen um ihn. 

Der Mann fiel mit solchem Schwung, dass das Wasser durch das halbe Badezimmer schwappte. Er fiel ins Wasser und tauchte sogleich unter. Nervös beobachtete ich ihn. Ich betete tatsächlich, dass sein Krampfanfall sich in der Wärme des Pools auflösen würde. Aber das passierte leider erst einmal nicht. Clay lag nun unter dem Wasser, fast auf dem Boden seines Whirlpools, und sein ganzer Körper zuckte immer noch haltlos. Komm schon, Clay, dachte ich beschwörend, komm schon, beruhige dich endlich! Hör doch um Himmels Willen endlich auf mit diesem Scheiß! 

Es waren wahrscheinlich einige Minuten, in denen ich nervös auf dem Rand des Pools saß und gebannt hinein starrte. Ich beschwor ihn gedanklich, aber Clay beruhigte sich nicht. Er strampelte und zuckte weiterhin völlig unkontrolliert herum.

Irgendwann fiel mir plötzlich auf, dass er nicht zum Atmen an die Oberfläche kam. Als mir das endlich bewusst wurde, erschrak ich fürchterlich. Ohne noch weiter zu zögern oder nachzudenken sprang ich gehetzt in den Pool. Ich packte ihn irgendwie und hob seinen Kopf hastig über die Wasseroberfläche. 

Zu meiner grenzenlosen Erleichterung schnappte er sofort panisch nach Luft. Er hustete, spuckte jede Menge Wasser aus, aber er atmete tief. Ich saß also nun in diesem Whirlpool, Clay dicht vor mir, ich umarmte ihn von hinten. Sein Hinterkopf lag an meiner Schulter. Er japste und atmete hektisch ein und aus. Sein Körper krampfte sich noch einige Male heftig zusammen. Seine Gliedmaßen erzitterten gewaltig. Dennoch konnte ich genau spüren, wie er sich sehr langsam beruhigte. Die Anfälle wurden ganz behutsam weniger. Er entspannte sich zunehmend.

Ich hatte das Gefühl, noch nie in meinem Leben erleichterter gewesen zu sein. Meine Hände lagen auf seinen Bauch- und Brustmuskeln, und ich fühlte genau, wie die Erstarrung aus ihm wich, wie er endlich wieder weicher, biegsamer wurde. Ich war dermaßen glücklich, dass es mich fast überwältigte. Ich umarmte ihn ganz feste, drückte ihn selig gegen mich, während er auf meinen Oberschenkeln saß. Clay schnaufte laut, spuckte Wasser, erschauderte, rang nach Luft. Er entspannte sich nur langsam, wurde ruhiger. Sein Hinterkopf sank erschöpft auf mein Schlüsselbein. 

Eine ganze Zeit lang war es sehr still. Wir saßen einfach dort. Das Wasser war angenehm warm. Ich hätte ewig so mit ihm sitzen können. Ich wollte ihn ewig so umarmen, ihn gegen meinen Bauch drücken. 

Aber irgendwann drehte er den Kopf, als wollte er überprüfen, wer ihn da eigentlich im Arm hielt. „Sean", murmelte er verwirrt, „Willst du mich vielleicht hier drin ertränken?" Plötzlich war ich verlegen. Ich lockerte meinen Griff und er drehte sich noch weiter zu mir herum. „Was ist passiert?" fragte er einigermaßen irritiert. Er guckte sich prüfend um, anscheinend konnte er sich tatsächlich nicht erinnern, wie er in den Pool gelangt war. 

Als er bemerkte, dass ich in voller Montur im Wasser saß, verzog sich sein Gesicht amüsiert. Ich betrachtete ihn und ich dachte, noch nie etwas Schöneres gesehen zu haben, als dieses Lächeln. Es bedeutete nämlich, dass Clay Banton wieder Herr seiner Sinne war. 

„Sag mal, badest du immer in deinen Klamotten?" fragte Clay mich lächelnd. „Ich habe dir gerade dein Leben gerettet!" erzählte ich ihm, „Du hattest einen verdammten epileptischen Anfall oder so was!" Er wurde auf der Stelle ernst. „Echt?!" entfuhr es ihm beunruhigt. 

Und dann schien er sich plötzlich auch wieder seines Entzuges zu erinnern. Er stöhnte unbehaglich und guckte mich eine Weile hilfesuchend an. Ich erwiderte seinen Blick ratlos, denn ich hatte immer noch keine Idee, wie ich ihm wirksam durch den Entzug helfen konnte. Gleich darauf bewegte er sich in Richtung des Computers. Er drückte einige Tasten und das Wasser fing direkt an, beruhigend um uns herum zu sprudeln. Clay knurrte jetzt behaglich, lehnte sich an den Rand und schloss die Augen. „Ich wusste, dass es dir gut tut", sagte ich nicht ohne Genugtuung. „Ja, Valmont, du hast wie immer recht", meinte Clay seufzend. 

Eine Weile beobachtete ich ihn. Er schien das warme Wasser zu genießen. Ich begann mich zu fragen, ob er es jetzt zulassen würde, wenn ich mich ihm auf diese Weise näherte. Plötzlich hatte ich große Sehnsucht nach seiner Nähe. Ich wollte ihn fühlen. Ich wollte, dass er sich mir hingab. Diese Gedanken erregten mich. 

Nervös saß ich dort und musterte ihn, seinen hübschen Kopf, die dunklen, nassen, kurzen Haare. Seine geschlossenen Augen, die gerade Nase, der sinnliche Mund mit den vollen Lippen. Sein männlicher Hals, die Schultern, seine Knochen unter der Haut, seine Muskeln an den Oberarmen. Unter dem Wasser konnte ich seinen restlichen Körper nur erahnen. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn so ansah. Mein Atem wurde schwerer. Ich dachte ernsthaft darüber nach, mir einen runterzuholen. Es fiel mir extrem schwer mich zurückzuhalten und nicht einfach über ihn herzufallen. 

Irgendwann öffnete Clay seine Augen, als hätte er meine Sehnsucht gespürt. Dieser Mann erfasste meinen Zustand mit einem Blick, weil er mich viel zu gut kannte. Er drehte sich zu mir herum und betrachtete mich schmunzelnd. Solange er grinst, ist alles in Ordnung, versuchte ich mich zu beruhigen. Ich fühlte mich plötzlich verletzlich aufgrund meiner aufgeloderten Geilheit. Ich hatte Angst, von ihm abgewiesen oder verachtet zu werden. 

Aber er lächelte jetzt mit funkelnden Augen. Ich wich seinem Blick beschämt aus. „Wir sollten uns vielleicht ausziehen, wenn wir baden wollen", sagte Clay mit einem Mal herausfordernd, aber nicht unfreundlich. Ich zwang mich ihn anzusehen. Er kannte mich viel zu gut, als hätte ich meine Gefühle vor ihm verbergen können. „Was denkst du denn?" brachte ich hervor und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Clay lachte belustigt. „Ich denke, dass du einen mächtigen Ständer in deiner Hose hast", kicherte er albern. 

Ich drehte mich von ihm weg und versuchte mich zu beruhigen. Ich versuchte, nicht gekränkt zu sein. Aber sein Spott verletzte mich trotzdem. Eine Weile war es ganz still. Ich konnte Clays Blick spüren. 

Im nächsten Moment sah ich aus den Augenwinkeln, wie er sich sein graues Hemd und die graue Unterhose auszog. Meine Augen wanderten automatisch zu ihm hin. Er legte seine klatschnasse Unterwäsche auf den Rand des Whirlpools und drehte sich zu mir. Er lächelte immer noch. Sein Lächeln war wunderschön, provozierend und spitzbübisch. Seine Augen leuchteten erwartungsvoll. Er hätte mich nicht stärker aufgeilen können in diesem Moment. Und ich glaube, das wusste er ganz genau. „Clay...", seufzte ich unwillkürlich. „Vielleicht solltest du dich auch ausziehen, Sean Valmont", flüsterte er einladend. 

Abwartend saß er dort, nackt, und lächelte mich an. Ich konnte mich nicht rühren. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Ich versuchte mir darüber klar zu werden, ob Banton mich nur verarschen wollte, oder ob dies wirklich eine Einladung zum Sex sein sollte. Ich fand keine Antwort. Mir wurde nur bewusst, dass ich meine vorherige Macht über ihn in diesem Moment an ihn abgegeben hatte. 

Es fiel mir schwer, zu ihm hinzusehen. Ich tat es zögernd und fühlte mich ihm plötzlich sehr ausgeliefert. Es wäre für ihn jetzt ein Leichtes, mich total fertig zu machen, merkte ich voller Panik. Er könnte sich jetzt so einfach bei mir für meinen brutalen Überfall rächen, für all die Schläge, die ich ihm verpasst habe. Er könnte es mir mit seinem Spott richtig heimzahlen. 

Aber er war Clay Banton, und er lächelte mich nur an, interessiert und freundlich. Als mir das richtig bewusst wurde, fiel mir eine zentnerschwere Last vom Herzen. Augenblicklich fühlte ich mich wieder wohl und meine Liebe zu ihm flammte automatisch mit aller Macht auf. Denn Clay Banton war kein Mensch, der auf Rache aus war. Clay ließ es einfach gut sein und wandte sich neuen Dingen zu. Es war okay. Es war nicht so wichtig, ob er letztendlich mit mir schlafen würde. Er hatte nicht vor, mich fertig zu machen. Niemals war er nachtragend. Sein Lächeln war beinahe liebevoll. Und das war alles, was zählte. Alles weitere würde jetzt einfach passieren.

Clay

Diese Phasen von vermindertem Bewusstsein während eines heftigen Entzuges sind eigentlich recht angenehm. Man verliert zwar die Kontrolle über sich, aber auch das Gefühl für diese hässlichen Schmerzen in allen Körperteilen. In diesem Zustand wird der Affe für kurze Zeit erträglich. Aber leider sind diese Erholungsphasen nie sehr lang. Sie wechseln sich ab mit Zeiten extremer Körperwahrnehmung und damit extremer Qualen. 

Ich weiß nicht genau, was in meinem Badezimmer passierte. Anscheinend schmiss der Mann mich gewaltsam in den Whirlpool. Ich habe einen Filmriss, aber als ich langsam wieder klar wurde, da spürte ich sofort, wie angenehm das warme Wasser meinen affigen Körper zu beruhigen vermochte. Ich aktivierte sämtliche Luftdüsen des Pools und ließ mich am Rand nieder. 

Es tat gut, das warme Wasser um mich herum sprudeln zu spüren. Die Krämpfe und Schmerzen schienen nachzulassen. Es war angenehm, den kalten Schweiß auf meiner Haut loszuwerden. Ich schloss die Augen und versuchte, alles andere auszublenden. Ich wollte den Affen einfach ignorieren. Ich versuchte Sean Valmont zu ignorieren. Aber beides gelang mir nicht. Die äußerst wütenden Fasern meines Körpers schrien immer heftiger nach Heroin. Seans Anwesenheit war etwas, das ich nicht so einfach vergessen konnte. 

Also öffnete ich nach einiger Zeit meine Augen und sah zu ihm hin. Er saß tatsächlich vollkommen bekleidet in meinem Whirlpool, was ich mir nicht erklären konnte und ziemlich merkwürdig fand. Das warme Wasser sprudelte um ihn herum. Er war ganz still und musterte mich intensiv. Unsere Blicke trafen sich und im selben Moment hatte ich seine sexuelle Erregung erfasst. Er hat mich beobachtet und sich allein daran aufgegeilt, merkte ich amüsiert. Diese Tatsache schmeichelte mir auf irgendeine komische Art. 

Ich betrachtete ihn und fand ihn plötzlich unwiderstehlich. Er war jetzt verlegen, wich meinem Blick aus. Er wirkte verletzlich, gefangen in seiner Erregung, die er nur noch schwer beherrschen konnte. Ein Zittern durchlief meinen gesamten Körper völlig unwillkürlich. Meine Knochen und Muskeln schmerzten heftig, und ich bekam das dringende Bedürfnis nach einem anderen Gefühl. Ich war sehr erschöpft von dieser Quälerei und sehnte mich nach Erleichterung. Deshalb schlug ich ihm vor sich auszuziehen. Er soll mich anfassen, mich hart ficken, gierte es ziemlich unkontrollierbar in mir.

Aber Sean war irgendwie beschämt. Er bewegte sich nicht, wahrscheinlich hatte er wieder seine blöden Hemmungen. Deshalb zog ich kurzentschlossen meine Unterwäsche aus und legte sie auf den Rand des Pools. Das sprudelnde Wasser zwischen meinen Beinen erregte mich auf der Stelle. Nun komm schon, Valmont, zieh dich endlich aus, dachte ich ungeduldig und starrte ihn auffordernd an. Aber dieser verklemmte Mann brauchte noch eine ganze Weile, bis er sich endlich dazu entschließen konnte, sich seiner Kleidung zu entledigen. 

Dann ging es allerdings überraschend schnell. Er zog seine Schuhe und Strümpfe aus, seine Jacke, sein Hemd, T-Shirt, Unterhemd, Jeans und Unterhose, bis er, wie ich, vollkommen nackt war. Die triefend nassen Klamotten legte er auf den Rand des Pools. Er lächelte atemlos und kroch langsam durch das Wasser an mich heran. 

Ohne noch länger zu zögern fing er damit an meinen Kopf zu streicheln, meine Augenbrauen, meine Ohren, meine Nase, meine Lippen, er massierte meine Schultern und meinen Hals. Seine sehr zarte Berührung war irgendwie elektrisierend. Ich versuchte ganz still zu sitzen, aber mich erschauderte heftigst. Er war ganz sanft und vorsichtig und es erregte ihn zunehmend. Sean geriet völlig aus der Fassung, indem er mir die Schultern massierte! Das war eine Tatsache, die mich einen Augenblick ziemlich amüsierte. 

Aber dann tauchte seine Hand unter das Wasser, strich sanft über meine Brust, meine Rippen, meinen Bauch, und wanderte dann ganz langsam tiefer. Ich erschauderte erneut heftigst. Mein gesamter affiger Körper fing unwillkürlich an zu zucken. Mein Schwanz streckte sich seiner Hand förmlich ganz von allein gierig entgegen. Meine Geilheit steigerte sich so schnell und so gewaltig, dass ich irgendwie die Kontrolle verlor. 

Ich spürte nur, dass meine sexuelle Erregung höchst angenehm war. Und mich verlangte echt enorm nach angenehmen Empfindungen in all meinem Elend. Sean vermied es auffällig meinen Penis anzufassen. Er wollte diese Sache hier genussvoll hinauszögern, sie so lange wie möglich genießen, nehme ich an. Aber ich war nicht mehr in der Verfassung, mich dieser Sache auf diese Art zu widmen. Mein Körper verselbstständigte sich mal wieder mit all seiner affigen Aufsässigkeit. Ich konnte nicht mehr anders, als mich an Sean zu reiben. Ich küsste ihn ziemlich brutal, denke ich. Ich stöhnte vielleicht ein bisschen zu laut, keine Ahnung.

Dies hier war in diesem Moment eine Möglichkeit meinen Schmerzen zu entkommen, und deshalb ergriff ich sie mit all meiner verbliebenen Energie. Ich stürzte mich gedankenlos auf Seans Körper, presste ihn voller Begehrlichkeit an mich, rieb meinen Schwanz irgendwo gegen seine Hüfte vielleicht. Es war ein äußerst triebhafter Genuss und er war natürlich viel zu schnell vorüber. Ich hatte keine Kontrolle über mich, und deshalb konnte ich es auch nicht mehr bremsen. In höchstens einer Minute hatte ich meinen Höhepunkt erreicht. Ich kam und spritzte gegen Sean ins Wasser, und dann rang ich erschöpft nach Luft. 

Leider hatte ich wieder einmal nicht bedacht, dass während eines Entzugs jeder Orgasmus nur eine weitere Steigerung der körperlichen Qualen bedeutet. Das heißt, nach der viel zu kurzen Erleichterung der sexuellen Entladung folgt unweigerlich die geballte Brutalität der körperlichen Schmerzen. 

Mein Körper zitterte gewaltig, mir brach aus allen Poren der kalte Schweiß aus. Mein leerer Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Ich wandte mich von Sean ab und kotzte Luft und Speichel. „Oh, Fuck!" fluchte ich, überwältigt von der Intensität meiner körperlichen Beschwerden. Mein Orgasmus war innerhalb kürzester Zeit nur noch eine schöne Erinnerung. Ich trieb auf dem Wasserstrudel, auf der Seite irgendwie, ich kotzte, krümmte mich zusammen und schnappte nach Luft. 

Es dauerte einige Momente, bis ich realisierte, dass Sean mir wieder näher gekommen war. Dieser Mann umarmte mich sanft von hinten und strich mir beruhigend über den Kopf. „Ach, Scheiße, Sean, das tut mir leid!" stöhnte ich wirklich schuldbewusst. Ich hatte es nämlich gründlich vermasselt. In der nächsten Zeit würde ich keine Erektion mehr zustande kriegen, das wusste ich nur zu gut. „Schon okay", flüsterte Sean äußerst verständnisvoll. „Das wollte ich nicht! Das tut mir leid!" seufzte ich traurig. „Mach dir keine Gedanken", erwiderte Sean und streichelte mich liebevoll. Seine Finger wanderten irgendwie kunstvoll über meinen Körper, als würde er ein Bild malen, und das fühlte sich richtig gut an. 

Eliza

Zuerst sah ich sein Auto vor seinem Haus am Straßenrand stehen und hoffte noch, dass er zu Hause wäre. Ich wollte ihn zur Rede stellen, mich von Rowinas Behauptung, er wäre wieder abhängig vom Heroin, selbst überzeugen. Ich wollte ihm die Chance geben, mir das Gegenteil zu beweisen. Ich hoffte inständig, dass er mir das Gegenteil beweisen würde. 

Dann aber sah ich Seans Fahrrad im Hausflur stehen, und da war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich Clay wirklich besuchen sollte. Ob ich ihn noch sehen wollte, jetzt, wo offensichtlich Sean Valmont bei ihm war. 

Ich stand eine Weile im Hausflur, sah mir das Fahrrad an und dachte nach. Unwillkürlich kamen mir viele Erinnerungen in den Sinn, Situationen, in denen ich Sean und Clay zusammen überrascht oder sie heimlich beobachtet hatte. Erotische Situationen waren das gewesen. Es schien kaum ein privates Zusammentreffen dieser beiden Männer zu geben, was nicht mit wilden Sexualakten gewürzt wurde. Ich erinnerte mich zu gut, und ich wurde wieder einmal eifersüchtig auf Sean Valmont. Es wollte mir nicht einleuchten, was er an sich hatte, was Clay regelmäßig schwach werden ließ.

Es dauerte eine Weile, bis ich entschieden hatte, was ich tun wollte. Ich war nahe daran umzukehren. Aber dann fielen mir Rowinas Worte wieder ein, und mir wurde bewusst, wie verflucht wichtig diese verdammte Sache war. Wahrscheinlich lebenswichtig für Clay. Vielleicht lebensbedrohlich, falls er tatsächlich wieder abhängig war. Ich musste mir unbedingt jetzt Klarheit verschaffen. Ich konnte nicht länger mit dieser Behauptung von Rowina leben, ohne Gewissheit zu haben. Wenigstens Gewissheit. Dann würde ich weiter sehen. 

Ich atmete nochmal tief durch und lief dann die Treppen hinauf. Clay würde mir jetzt die Wahrheit sagen, dafür würde ich sorgen! Oh ja! Und wie ich dafür sorgen würde! Es würde jetzt keine weiteren Lügen oder Ausflüchte mehr für ihn geben! Nur noch die Wahrheit, so schlimm sie auch vielleicht war! Energisch sprach ich mir Mut zu. 

Im nächsten Moment kam ich an seine Wohnungstür und merkte erstaunt, dass sie offen stand. Das war sehr ungewöhnlich. Ich stand vor der Tür und lauschte. Ich konnte es plätschern hören, eindeutige Seufzer dazwischen, und da wusste ich, dass er mit Sean im Whirlpool war. Oh nein, verdammt, nicht ausgerechnet der Pool, dachte ich sofort genervt. Es versetzte mir einen Stich, dass Clay sich tatsächlich mit Sean vergnügte, während ich mir schon wieder Sorgen um ihn machte. Er ist es einfach nicht wert, dieser Arsch, dachte ich wütend. 

Kurzentschlossen betrat ich seine Wohnung und steuerte sofort auf sein Badezimmer zu. Die Geräusche wurden lauter. Die Maschine des Whirlpools brummte leise, regelmäßig, und es war nicht zu überhören, dass diese beiden Männer intensiven Sex miteinander hatten. Das steigerte meine Wut beträchtlich. Ich war ziemlich eifersüchtig auf Sean und das ärgerte mich enorm. Ausgerechnet der Whirlpool! Ein sehr intimer Ort, den ich gerne für Clay und mich reserviert hätte! Aber nein, dieser geile Bock trieb es wahrscheinlich ohnehin mit jedem dort! Und nicht nur dort! 

Ich ging ins Badezimmer und blieb an der Tür stehen. Eine Weile beobachtete ich sie, ohne dass sie mich bemerkt hätten. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Mit ihrer offensichtlichen Lust aufeinander. Ich stand also dort, beobachtete die beiden Männer reglos, und in meinem Kopf lief einiges durcheinander. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Klar, es war, weiß Gott, nicht das erste mal, dass ich Clay mit jemand anderem in sexueller Aktivität sah, insbesondere mit Valmont. Aber trotzdem fühlte ich mich spontan betrogen und verletzt. Es ärgerte mich maßlos, dass mir dieser Scheiß immer noch so viel ausmachte. Ich sollte gehen, dachte ich, ich sollte mich einfach umdrehen und hier verschwinden. 

Aber ich blieb wie angewurzelt stehen, zündete mir eine Zigarette an und beobachtete sie weiter. Denn obwohl ich mir das niemals eingestanden hätte, so erregte mich ihr Anblick doch unwillkürlich. Dort waren zwei attraktive Männer beim Sex. Sie hatten beide die Augen geschlossen. Sie taten beide nichts, um ihre Leidenschaft unter Kontrolle zu behalten. Offensichtlich fühlten sie sich sicher und ungestört. 

Je länger es dauerte, bis sie mich bemerkten, umso mehr freute es mich, sie stören zu können. Ich hatte diese Macht, wurde mir bewusst, und es bereitete mir jetzt grimmiges Vergnügen, ihre Intimitäten unterbrechen zu können. Die nackten Männer in mächtige Verlegenheit zu bringen. Besonders Sean Valmont würde ich allein durch meine Anwesenheit beschämen, denn Sean war äußerst schnell peinlich berührt. Es würde ihm viel mehr ausmachen als Clay, dass ich ihn beobachtete. 

Dieser Gedanke machte mir jetzt Spaß, und ich ging langsam auf den Whirlpool zu, ohne die beiden aus den Augen zulassen. Im nächsten Moment öffnete Clay die Augen, als hätte er meine Präsenz oder Bewegung irgendwie gespürt. Er blinzelte in meine Richtung und brauchte sichtbar einige Sekunden, um meine Anwesenheit richtig zu realisieren. Ich studierte ihn genau, und der Ausdruck seiner Augen beunruhigte mich sofort. Ich kannte diesen Ausdruck zur Genüge. Es war der panische, irre Blick des Entzugs. Dies war ein Ausdruck, den irgendwann auch seine größte Erregung nicht mehr überdecken konnte. Und eigentlich war er auch gar nicht so sehr sexuell erregt, das merkte ich direkt, denn ich kannte ihn gut. 

Clay war jetzt überrascht, irgendwie verlegen, hilflos vielleicht. Er schob Sean vorsichtig von sich weg, der dicht an seinem Rücken lag und noch viel länger brauchte, um die Situation richtig zu erfassen. Denn Herr Valmont war äußerst erregt, auch das war nicht zu übersehen. Sean Valmont war der einzige in diesem Badezimmer, den seine sexuelle Lust völlig im Griff hatte. Deshalb wollte und konnte er es nicht akzeptieren, als Clay sich plötzlich von ihm zurückzog. „Was denn...", stöhnte Sean verständnislos, drängend, und versuchte verzweifelt, sein Spielzeug wieder zurück zu sich zu ziehen. Clay fixierte mich und sagte leise: "Eliza." 

Daraufhin zuckte Sean schlagartig zusammen und fuhr panisch zu mir herum. Seine vor Geilheit trüben Augen weiteten sich vor Schreck und unangenehmer Überraschung. Es bereitete mir grimmiges Vergnügen, seine riesige Verlegenheit mitzuerleben. Seine umfassende Hilflosigkeit. Seine totale Unfähigkeit, seinen peinlichen Zustand auch nur ansatzweise vor mir zu verbergen.

Oh, Fuck!" stöhnte Sean völlig überfordert. Er wandte sich sofort von Clay und mir ab und bewegte sich durch das sprudelnde Wasser ans andere Ende des Whirlpools. „Fuck, Fuck! Verdammt!" fluchte er dabei atemlos. „Schick sie weg!" forderte er Clay auf. „Wie zum Teufel kommst du in meine Wohnung, Liz?" wollte Clay von mir wissen. Seine Stimme hatte etwas Drohendes. Er war unverkennbar verärgert über mein plötzliches Auftauchen. „Deine Tür stand offen!" erklärte ich ihm trotzig. 

Dann schaute ich zu Sean und lachte gehässig. „Habe ich euch vielleicht bei irgendwas gestört, Jungs?" „Zieh hier nicht so eine beschissene Show ab, Eliza!" fauchte Clay mich an und blickte konfus, überfordert von mir zu Sean, der am anderen Ende des Pools hockte und vergebens versuchte, sich irgendwie zu beruhigen. Sean starrte ihn beinahe flehentlich an. Er atmete schwer, hatte die Knie schützend hochgezogen und wirkte zum Zerreißen angespannt, als würde er jeden Moment explodieren. 

Dieser wunderschöne Mann war beinahe Mitleid erregend seiner eigenen Sexualität ausgeliefert und so gut wie nicht in der Lage, sich halbwegs zu kontrollieren. „Verdammt, Clay! Schick sie weg!" seufzte er leise voller Panik, "Verdammt, ich..." „Hast du ein Problem, Valmont?" spottete ich lauthals. Ich hatte jetzt riesigen Spaß an dieser Situation. Ich hatte nämlich ihre schwule Intimität empfindlich gestört. Beide Männer waren mir so herrlich ausgeliefert, ich fühlte diese unbändige Macht über sie. Und ganz abgesehen davon waren die beiden nackt ein ziemlich erbaulicher Anblick. 

Ich zog an meiner Zigarette und blies den Rauch grinsend Richtung Pool. Dann drückte ich die Zigarette in den Aschenbecher, der kunstvoll in die Stufen eingearbeitet worden war. „Was willst du hier?" wollte Clay plötzlich unfreundlich wissen und wand sich unbehaglich herum. „Hau ab, Eliza! Geh sofort raus! Du bist hier echt nicht erwünscht!" knurrte er wütend. 

Ich beachtete ihn nicht, sondern trat kurzentschlossen zum Computerterminal. Clay ahnte meine Absicht sofort und schrie: „Nicht!" Aber da hatte ich schon den Knopf gedrückt, der das Wasser gurgelnd ablaufen ließ. Bald würden die beiden Männer auf dem Trockenen sitzen. Und das geschah ihnen ganz recht! 

Sean stöhnte genervt auf und guckte sich panisch nach etwas um, das seine Blöße verdecken konnte. „Gib ihm ein Handtuch!" forderte Clay mich drängend auf, aber ich schüttelte nur grinsend den Kopf. Es machte mir Spaß, Sean Valmont in seiner Verlegenheit zu beobachten. Denn dieser extrem gut aussehende Mann war genau so absolut peinlich getroffen, wie ich es erwartet hatte, obwohl es wirklich nicht das erste Mal war, dass ich ihn in dieser Situation überraschte. 

Clay warf mir einen vernichtenden Blick zu. Dann stand er auf, beugte sich mühsam weit aus dem Pool und griff sich ein Handtuch von der Ablage. Er warf es Sean zu, der es dankbar auffing, während Clay stöhnend zurück in den Pool sank. Das Wasser war schon fast abgelaufen.

Valmont wickelte sich hastig das Handtuch um die Hüften. Er kroch aus dem Whirlpool und verließ fluchtartig das Badezimmer, wobei er fast auf dem nassen, glatten Marmor ausrutschte. Ich lachte ihm gehässig hinterher. „Wo will dein heißer Liebhaber denn hin? Was hat er denn für ein Problem?" fragte ich Clay und musterte ihn spöttisch, „Soll ich dir mal etwas über Herrn Valmont erzählen, Clay? Er geht mit Eric Dentor zusammen auf die Toilette im Stardust!" Ich beabsichtigte, ihn damit irgendwie zu schocken, aber Clay reagierte zu meinem Bedauern überhaupt nicht auf diese aussagekräftige Information. 

Er saß nun allein in seinem leeren Whirlpool. Der Blick seiner Augen tötete mein Grinsen sofort. Da war er wieder, dieser irre Ausdruck. Ich hatte mich nicht getäuscht. Clay Banton war ziemlich heftig auf Heroin Entzug. Und jetzt war er auch noch total wütend auf mich. Der Ausdruck seiner Augen und die abweisende Härte seines Gesichts machten mir für einen Augenblick beinahe Angst. 

Aber dann hatte ich mich schnell wieder im Griff. „Was ist passiert, Clay? Hast du keinen hochgekriegt?" fragte ich ihn angriffslustig mit meinem Blick zwischen seinen Beinen. Er zog abwehrend die Knie hoch. „Nein, hab ich nicht", gab er gleichgültig zu und murmelte: „Als ob es darauf ankäme!" „Was willst du hier, Liz?" wollte er im nächsten Moment erneut wissen. „Warum hast du keinen hochgekriegt, Clay? Törnt Valmont dich vielleicht nicht mehr an?" ignorierte ich seine Frage mit beißendem Hohn. 

Clay wandte sich genervt von mir ab. Er hatte offensichtlich keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit mir. Er zitterte jetzt vor Kälte. Er war nackt und sein Körper war völlig nass. Durch das offene Fenster wehte ein kalter Wind auf seine Haut. Ich streckte die Hand aus und wollte ihn berühren. Aber er wich mir fauchend aus und betrachtete mich voller Abscheu. „Das hättest du dir sparen können, Eliza! Ich habe keinen Bock auf solche beschissenen Eifersuchtsszenen!" meinte er und stand mühsam auf. 

Er krabbelte aus dem Pool und ging schwankend zu seinem Schrank. Dort holte er seinen weißen Frottee-Bademantel heraus und zog ihn hastig an. Ich brauchte eine Weile, um seine Worte zu verdauen, und beobachtete ihn deshalb nur fassungslos. Er stand vor dem Spiegel und betrachtete sich, suchte eine Weile in seinem Gesicht nach möglichen Blessuren. Ich ging auf ihn zu. Erneut war ich wütend auf ihn. Ich fand seine Arroganz zum Kotzen. „Ich bin nicht eifersüchtig! Was bildest du dir eigentlich ein!" schrie ich ihn an, fasste ihn am Arm und zog ihn zu mir herum. Er torkelte unsicher. Stöhnend hielt er sich den Kopf. Offensichtlich ging es ihm nicht gut. 

„Was ist denn los mit dir?" fragte ich ihn, obwohl ich es genau wusste. Ich wollte es von ihm hören. Oder vielleicht wollte ich auch viel lieber eine harmlose Begründung für den gehetzten Ausdruck seiner Augen hören. „Bevor du kamst, war alles in Ordnung!" behauptete er stur und versuchte sich aus meinem Griff zu lösen. „Das glaub ich dir nicht, Clay!" schrie ich los, „Ich sehe doch, was mit dir ist! Du schiebst einen beschissenen Affen, du blöder Arsch!" Erfasst von Wut schlug ich plötzlich auf ihn ein, und er sank einfach in sich zusammen. 

Überrascht musste ich feststellen, dass Clay kraftlos auf die Fliesen seines Badezimmers sank und dort sitzen blieb, ohne meine Schläge abzuwehren. Es ging ihm noch schlechter, als ich befürchtet hatte. Eine Weile sah ich auf ihn herunter und wusste wieder einmal nicht weiter. Ich wollte ihn gerne schlagen. Ihn für seine Blödheit bestrafen. Aber andererseits wollte ich ihn in den Arm nehmen und trösten. Ich war wie erstarrt und plötzlich maßlos überfordert. Es gibt keine harmlosen Begründungen mehr, wurde mir schmerzhaft bewusst. Es ist alles mal wieder viel zu spät. Dieser Typ ist absolut fertig mit der Welt. 

Er hatte tatsächlich wieder angefangen mit den scheiß harten Drogen. Und ich hatte es tatsächlich nicht gemerkt. Ich wurde noch wütender und fing wieder an ihn zu treten und auf ihn einzuschlagen. „Lass mich in Ruhe! Hör auf!" stöhnte er, hob nur träge schützend die Arme, wehrte mich aber kaum ab. Ich versuchte meine hilflose Wut irgendwie brutal an ihm abzureagieren. Aber das klappte nicht besonders gut.

Sean

Plötzlich stand Eliza Laser im Zimmer und ich dachte, ich müsste sterben. Ich war so extrem geil auf Clay, so verflucht ausgeliefert meinen sexuellen Trieben. Es war schwer sie unter Kontrolle zu kriegen. Und ich schaffte es auch nicht wirklich. Ich wollte Clay nur noch die Seele aus dem Leib ficken, aber stattdessen flüchtete ich schließlich in sein Schlafzimmer. 

Dort legte ich mich wie elektrisiert auf sein Bett, vergrub mein Gesicht in seinen Kissen, atmete seinen Duft tief in mich ein und holte mir hastig einen runter. Mit einem Ohr hörte ich die ganze Zeit hinaus auf den Flur. Ich fürchtete, dass Eliza mir folgen würde, um meine Demütigung zu maximieren. Aber zum Glück tat sie das nicht, und es dauerte höchstens zwanzig Sekunden, bis ich explodierte. Ich versuchte, dabei ganz leise zu sein. Ich wollte auf keinen Fall, dass Eliza hörte, was ich tat. Ich drückte mein Gesicht in Clays Kissen und spritzte in seine Laken. Ein zwar geiler, aber viel zu verkrampfter Orgasmus. 

Danach eine kurze Weile lang Entspannung, ganz tief atmen. Und im nächsten Moment weinte ich leise vor mich hin. Es war entwürdigend. Ich fühlte mich in diesem Augenblick verletzt und sehr einsam. Meine Demütigung war kaum zu ertragen. Ich war wütend auf Eliza, auf Clay, auf mich selbst, weil ich anscheinend die Wohnungstür offen gelassen hatte. 

Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich mich wieder beruhigte. Mir wurde bewusst, dass ich nackt war und meine Kleidung nass im Badezimmer zurückgelassen hatte. Also stand ich auf, trocknete mich mit seinem Handtuch ab und öffnete danach Clays Kleiderschrank, der wie immer tadellos aufgeräumt war. Ich suchte mir eine seiner sündhaft teuren Markenunterhosen heraus. Sie roch angenehm frisch gewaschen und ich zog sie an. Dann fand ich eine Jeans und ein Sweatshirt und schlüpfte hinein. 

Eine Weile genoss ich den Gedanken und das gute Gefühl, Clays Kleidung auf meiner Haut zu tragen. Mein Blick wanderte neugierig durch sein Schlafzimmer, bis ich auf einmal sein Handy auf dem Nachttisch liegen sah. Ich nahm es spontan, ohne darüber nachzudenken. Ich hatte das dringende Bedürfnis mich zuzuknallen. Ich wollte unbedingt, dass Clay mir dankbar war. Ich wollte ihn glücklich sehen. Ich konnte es nicht mehr länger ertragen, ihn in diesem scheiß affigen Zustand zu erleben. Es war mir scheißegal.

Vielleicht wollte ich auch nur Eliza bestrafen, die mich in so peinliche Verlegenheit und um einen wundervollen Fick mit Clay gebracht hatte. 

Sergej war sofort in der Leitung und es wunderte mich nicht einmal, dass ich seine Nummer noch auswendig wusste. „Hier ist Sean. Wie sieht es aus?" fragte ich ihn. „Sean?!" erwiderte Sergej überrascht. „Ja. Was ist nun?" drängte ich ungeduldig. „Es sieht gut aus", meinte Sergej amüsiert. „Kann ich kommen? Zehn Minuten?" wollte ich wissen. Der Dealer aus der Ukraine bestätigte dies und ich legte zufrieden auf. 

Ich würde mir Clay nicht von so einer blöden Schlampe wegnehmen lassen. Denn ich konnte etwas, wovon sie keine Ahnung hatte. Ich konnte ihm Heroin besorgen. Und ich wusste ja nur zu genau, wie sehr er danach verlangte. Und ganz nebenbei würde auch noch meine Performance heute Abend gerettet sein, denn wenn Clay nicht schnell gesund wurde, dann müssten wir die Vorstellung definitiv absagen. 

Mit einem unbändigen Wohlgefühl im Bauch verließ ich das Schlafzimmer und ging hinüber ins Badezimmer, wo Clay sich zu meiner Überraschung mit Eliza auf dem Boden wälzte. Anscheinend verprügelte sie ihn, allerdings nicht sehr wirkungsvoll, denn Clay war höchstens genervt, nicht aber verletzt von ihren Schlägen. „Sag mir jetzt die Wahrheit, Clay!" forderte Eliza ihn ungeduldig auf. Clay sagte jedoch nichts, stöhnte nur gequält. 

Ich ignorierte die beiden und ging zum Rand des leeren Whirlpools, wo meine Schuhe und Strümpfe lagen. Sie waren total durchnässt, aber ich zog sie trotzdem an. Auch meine anderen Sachen trieften vor Nässe. Leicht beunruhigt überprüfte ich den Inhalt meiner Jacke. 

Alles war nass, deshalb legte ich meine Geldbörse und mein Handy auf den durch die Fußbodenheizung erwärmten Boden. Ich dachte, dass mein Handy wohl lieber erst trocknen sollte, bevor ich es das nächste Mal anstellte, sonst würde es wahrscheinlich kaputtgehen. Ich steckte einige Geldscheine aus der Börse und meine Schlüssel ein. Dann sah ich hinüber zum Pool. Einen Moment hatte ich eine Vision von Clays nacktem Körper dicht vor meinem. 

„Sean!" rief Clay plötzlich. Ich drehte mich zu ihm. Er lag auf dem Boden, Eliza halbwegs auf seinem Rücken. Sie schlug tatsächlich auf ihn ein, und er wand sich herum und starrte mich an. Hilfesuchend streckte er die Arme nach mir aus. „Hilf mir, Sean! Bitte!" stöhnte er restlos überfordert. Er war dem Wahnsinn nahe. Es dauert nicht mehr lange, bis er zurückschlägt, kam mir in den Sinn, die Frau hat keine Ahnung, auf welch dünnem Eis sie sich da bewegt. 

Ich ging zu Clay und ließ mich vor ihm auf den Boden sinken. Er griff sofort nach meiner Hand, die ich ihm hinhielt. „Hilf mir! Sag ihr, sie soll aufhören!" ächzte Clay hilflos. „Halt's Maul, du blöder, süchtiger Penner!" fauchte Eliza boshaft und schlug ihn ins Genick. Er hob abwehrend die Hände, konnte sie aber nicht an weiteren Schlägen hindern. 

„Du kannst jetzt gehen, Valmont!" bemerkte Eliza schroff und hielt im Schlag inne. Beide schauten mich nun an. „Hör auf ihn zu schlagen, Liz. Clay hat für heute schon genug Schläge kassiert!" sagte ich zu ihr. Sie fauchte nur spöttisch. „Hast du dir einen runter geholt?" wollte sie von mir wissen, natürlich in der fiesen Absicht, mich aufs Neue in Verlegenheit zu bringen. Aber ich konnte sie ignorieren, denn ich hatte ein Geheimnis. 

Ich guckte Clay an. Seine Augen waren immer noch dunkel und affig, ein irrer Ausdruck des Entzugs. Er war jetzt völlig überfordert mit dieser ganzen Geschichte. Es ging ihm so richtig voll mies. Ich strich ihm sanft über den Kopf. Er betrachtete mich fragend. „Lass deine schwulen Wichsgriffel von ihm!" zischte Eliza gehässig. Aber ich beachtete sie gar nicht. 

„Ich helfe dir, Clay!" eröffnete ich ihm lächelnd. Er guckte mir nur kurz überrascht in die Augen, dann hatte er mich auch schon verstanden. Wir hatten jetzt beide ein Geheimnis vor Eliza, und das verschaffte mir eine unglaubliche Genugtuung. „Echt?" fragte Clay ungläubig. Er konnte es nicht fassen. Ich nickte, strich ihm nochmal über den Kopf und stand dann auf. „Eine viertel Stunde", sagte ich zu ihm. 

Fast augenblicklich ging es ihm sichtbar viel besser. Er blühte förmlich auf, ein Ausdruck seiner psychischen Abhängigkeit vom Heroin. Unendlich dankbar guckte er mich an und lachte im nächsten Augenblick ein bisschen wirr. „Okay, Valmont!" kicherte er erleichtert. Ich warf einen Blick auf Eliza, die selbstverständlich nicht verstand, was da vor sich ging. „Was soll das heißen, Sean? Was ist in einer viertel Stunde los? Was passiert dann?" begehrte sie sofort zu wissen. Sie betrachtete mich fragend und zweifelnd. „Mach's gut, Eliza!" sagte ich nur zu ihr. 

Ich ignorierte genüsslich ihre Fragen, drehte mich voller Glück herum und ließ das Badezimmer hinter mir. „Was ist hier los? Was hat er gemeint?" stürmte sie sofort auf Clay los. Ich verließ zielstrebig Clays Wohnung und ging die Treppen hinunter zu meinem Fahrrad. Alles würde wieder gut werden, dachte ich, während ich mich auf den Weg machte. Ich würde schon sehr bald zurückkommen, und dann würde Clay endgültig mir gehören. Endgültig. Scheiß auf Eliza Laser!

Clay

Es ging mir wahrhaftig nicht gut jetzt. Meine Knochen rissen heftigst, alles krampfte sich in mir zusammen und ich hatte üblen Schüttelfrost. Im warmen Whirlpool, mit Sean war es irgendwie erträglich gewesen, aber nun wurde es immer schlimmer. Ich spürte, das ich es nicht mehr viel länger aushalten konnte. Ich wollte aufspringen, Sergej anrufen, mir shore besorgen, irgendwas.

Aber ich trug nur einen Bademantel, und Eliza schlug mich ständig und rief unsinnige, blöde Dinge. Ich konnte sie kaum hören. Mein Kopf dröhnte gewaltig. Ich wollte sterben oder sie schlagen. Ich wollte in Ruhe gelassen werden. Mich in mein Bett verkriechen. 

Aber Eliza war zu real, zu allgegenwärtig. Sie tat mir mit ihren Schlägen weh, sie war viel zu laut, unangenehm und nervig. Sie verstärkte den Irrsinn in meinem Gehirn ganz wesentlich. „Sag mir die Wahrheit!" forderte sie mich pausenlos auf, „Sag mir, ob du wieder auf Heroin bist!" Ich antwortete ihr nicht. Sie war so dumm. Was hätte ich darum gegeben, jetzt auf Heroin zu sein. Aber ich war ja genau das Gegenteil davon. Ich war viel zu nüchtern. Viel zu brutal klar im Kopf. „Sag mir die Wahrheit, Clay! Ich will jetzt keine Ausflüchte mehr hören!" redete Eliza weiter auf mich ein. Ihre Stimme war viel zu laut, beinahe hysterisch. Ich überlegte ernsthaft, wie ich sie endlich zum Schweigen bringen könnte und musste mich wirklich zwingen, nicht auf sie einzuprügeln. 

Irgendwann tauchte plötzlich Sean Valmont wieder auf. Er erschien mir in diesem Moment wie ein Rettungsanker, weil er zumindest nachfühlen konnte, was ich gerade durchmachte. Sean lächelte mich an, sein verschwörerisches, süßes Lächeln, was mir sehr an ihm gefiel. Er versprach wahrhaftig mir zu helfen. Seine Augen blitzten verwegen. Und auf der Stelle wusste ich, welche Art von Hilfe ihm vorschwebte. Es war die einzige Hilfe, die ich mir jetzt noch wünschte. Ich konnte es nicht fassen, aber er meinte es tatsächlich ernst. Der Mann war wütend auf Liz, weil sie ihn so beschämt hatte. Er wollte sich an ihr rächen, indem er mir Heroin besorgte. Irgendwie so musste das wohl sein. 

Aber es war mir echt total egal, aus  welchem Grund Sean so handelte. Es war mir nur wichtig, dass er es tat. Und es ging mir augenblicklich besser, als mir langsam bewusst wurde, dass meine unwürdige Quälerei schon bald ein Ende haben würde. Sean Valmont, diese göttliche Theaterschwuchtel, würde mich retten! 

Ich war nahezu überwältigt vor Erleichterung. Er erwähnte eine viertel Stunde, und da wurde mir klar, dass er Sergej schon längst angerufen und sich mit ihm verabredet hatte. Ich kicherte freudig, maßlos erstaunt, und plötzlich amüsiert von dieser merkwürdigen Dreiecks-Geschichte hier. Wenn Eliza bewirkt hatte, dass Sean los ging, um mir shore zu besorgen, dann konnte ich ihr sogar ihre Schläge und ihre Dummheit verzeihen. 

Valmont machte sich dann tatsächlich auf den Weg. Ich konnte dieses Glück kaum realisieren. Ich versuchte mich zu Liz umzudrehen, die schwer auf meinem Rücken hockte und mich immer noch schlug. „Was meint Valmont mit dieser viertel Stunde, verdammt!?" fauchte sie. Sie war wütend, weil sie nicht in unser Geheimnis vordringen konnte. Dieser Umstand amüsierte mich echt, denn ich fand nicht, dass Seans Absicht besonders schwer zu erraten war. 

Aber zu meinem Glück und Erstaunen blieb Eliza tatsächlich ahnungslos. „Ich soll zur Probe kommen...", versuchte ich eine lahme Lüge. Ich drehte mich herum, was eine große Kraftanstrengung war. Nun lag ich auf dem Rücken unter ihr und guckte sie an. Sie saß jetzt auf meinem Bauch und ich versuchte ein Lächeln. Ich hielt ihrem zweifelnden Blick stand, unendlich froh darüber, dass sie endlich damit aufhörte, mich zu schlagen. 

„Verarsch mich nicht, Clay!" drohte sie und knuffte mich in die Rippen. „Nein, ehrlich..", beteuerte ich und überlegte fieberhaft, wie ich Eliza in einer viertel Stunde loswerden konnte, ohne dass sie Verdacht schöpfte. Sie war schon wütend genug. Sie war verletzt, weil sie mich schon wieder beim Sex mit Sean erwischt hatte. Ich war viel zu krank für weitere Auseinandersetzungen mit ihr. Mir tat alles weh, und ich sehnte mich nur noch nach Ruhe. Meine Kräfte waren endgültig verbraucht. 

Deshalb lächelte ich sie versöhnlich an und streichelte sanft über ihren Arm. „Wir haben heute Abend eine weitere Vorstellung, und Sean besteht nun mal auf diese unzähligen Proben, das weißt du doch!" erklärte ich ihr. Es fiel mir wahnsinnig schwer, mich zusammenzureißen. Ich wollte eigentlich losschreien vor Unbehagen. Der Affe machte mich total verrückt. Aber Eliza sollte davon nichts merken. Sie hatte sowieso schon viel zu viel gemerkt. 

Nur der Gedanke an Sean und die nahende Rettung machten es mir möglich, so normal zu wirken. Und Eliza war nur zu gerne bereit, meine Lügen hinzunehmen. Vielleicht hatte sie auch keine Lust mehr auf traurige Wahrheiten. Sie glaubte mir nicht wirklich, aber sie ließ es endlich gut sein, rutschte von mir herunter und setzte sich dicht neben meiner Hüfte auf den Boden. 

Sie fing damit an, meinen Körper neugierig zu betrachten, was mich ziemlich nervös machte. Ich lag auf dem Rücken, den Bademantel halb offen von unserem Kampf. Ich war immer noch nackt darunter. Ich fühlte mich nass und mir war verdammt kalt. Irritiert zog ich den Bademantel über mir zusammen. 

„Warum hast du wieder mit diesem Scheiß Zeug angefangen?" flüsterte Eliza betrübt, schob den Bademantel dreist auseinander und streichelte über meine Rippen. Ich seufzte müde, aber sie missdeutete das als wohlige Zustimmung. Ihr Streicheln wurde sofort intensiver. Ihre Hand wanderte an meinem Körper hinab zu meinem Bauch. „Warum, Clay?" begehrte sie zu wissen und musterte mich traurig. Ich lächelte hilflos. „Ich weiß nicht", antwortete ich ihr ausweichend.

Ich schloss die Augen und dachte angestrengt darüber nach, wie zum Teufel ich sie endlich loswerden konnte. Sean würde nämlich sehr bald zurückkommen. In einer viertel Stunde. Und er würde shore dabei haben. Ich musste nur dafür sorgen, dass Eliza dann nicht mehr hier wäre. Die Frau musste verschwinden. So schnell wie möglich. Leider hatte ich keine Idee, wie ich das anfangen sollte. Das Nachdenken fiel mir schwer. Diese ganze Geschichte war definitiv viel zu anstrengend auf Affe. Ich fühlte mich krank, kaputt, leer und ausgeliefert.

Eliza streichelte sich jetzt zwischen meine Beine. Ich öffnete hilflos die Augen. Ich wollte eigentlich nicht von ihr angefasst werden. Nicht gerade jetzt. Aber ich konnte sie nicht noch mehr verletzen, indem ich sie zurückwies. Ich hatte zu viel Angst, dass sie wieder wütend werden könnte und mir weh tun würde. Die Frau dachte wahrscheinlich, sie würde mir einen Gefallen tun, wenn sie mir einen runter holte, oder so was. 

Verwirrt und überfordert stöhnte ich laut los. Liz lächelte, jetzt unverkennbar aufgeregt. „Erkläre mir, warum du mit Valmont in deinem Whirlpool keinen hochgekriegt hast", forderte sie mich auf, lächelte verwegen und umkreiste mit ihren Fingern sanft meinen Penis, ohne ihn direkt zu berühren. Ich griff hinunter, um ihre Hand festzuhalten, aber sie wich mir aus. „Törnt Sean dich nicht mehr an?" drängte Liz. 

Sie hatte jetzt Spaß an dieser Art von Vorspiel. Sie hatte immer Spaß daran, mich in ihrer Hand zu haben, an mir herum zu spielen und mir dumme, irgendwie erotische Fragen zu stellen. Es törnte sie an, wenn ich verlegen war und ihr ausgeliefert. Normalerweise spielte ich ihr sexuelles Lieblingsspiel gerne mit. Es machte mir nichts aus. Es erregte mich sogar meistens auf eine merkwürdige, vage Art. 

Aber nicht in diesem Moment. Nicht mit dem verfluchten Entzug im Nacken, in den Muskeln und den Knochen. Nicht mit dem tanzenden Affen im Kopf. Nicht mit der Gewissheit, dass Sean Valmont in einer viertel Stunde mit shore zu mir zurückkommen würde. 

„Liz, hör mal, ich muss mich jetzt ehrlich anziehen...", machte ich einen ziemlich lahmen Versuch sie aufzuhalten und loszuwerden. „Erst, wenn du meine Fragen beantwortet hast!" erwiderte sie sofort und legte ihre flache Hand auf meinen Penis. „Ich will es wissen, Clay! Ich will alles wissen!" machte sie mir klar. Sie lächelte nicht mehr, sondern betrachtete ernst und traurig mein Gesicht. Ihre Hand lag bewegungslos auf meinem Schwanz. 

Ich griff überaus nervös nach ihrem Handgelenk. „Ich muss gehen, Eliza. Ich habe keine Zeit...", fing ich hilflos an, richtete mich halbwegs auf und wollte ihre Hand von mir wegschieben. „Bleib liegen und rühre dich nicht!" fauchte sie los und schlug meine Hand weg. Ich stöhnte überfordert und sank zurück auf die Erde. Ergeben schloss ich die Augen und lag einfach so da. Ich hatte keine Ahnung, was ich nun tun sollte. Es würde schwierig werden, dieses Mädchen zu vertreiben, dämmerte mir. Sie war immer noch wütend auf mich, immer noch verletzt. Sie gierte schon wieder einmal nach Rache und nach Sex mit mir. 

Verwirrt legte ich mir die Finger über die Augen. Mein Kopf fing an zu schmerzen. Ich fühlte mich verflucht machtlos. Ich war ein blöder, affiger Versager, der nicht mal mit einer Frau fertig werden konnte, wurde mir mal wieder klar. Ich seufzte überfordert. „Warum bist du hier, Liz? Was willst du denn von mir?" fragte ich sie leise, öffnete die Augen und schaute sie an. „Ich wollte wissen, ob Rowina recht hat", antwortete sie und fing aufs Neue damit an, neugierig meinen Körper zu betrachten. 

Ich war zu müde und viel zu kaputt für weitere Gegenwehr. Ich überlegte konfus, ob ich mir nicht schnell einen von ihr runter holen lassen sollte. Vielleicht wäre sie dann zufrieden und würde endlich die Klappe halten, hoffte ich inständig. „Rowina?!" entfuhr es mir ungewollt. Eliza nickte. „Rowina hat behauptet, du wärst wieder auf Heroin", erklärte sie mir todernst, „Und wie ich sehr gut sehen kann, hatte sie leider völlig recht damit." „Rowina hat doch immer recht, verdammt!" rief ich geringschätzig. 

Ein kalter Schüttelfrost durchfuhr mich äußerst unangenehm. Der Gedanke daran, dass Elizas Wohngenossin und beste Freundin erneut blöde Gerüchte über mich verbreitete, machte mich wütend. Andererseits war ich viel zu kaputt, viel zu krank, um mich ernsthaft über Rowina oder sonst wen zu ärgern. 

„Ich kann dich einfach nicht verstehen, Clay!" jammerte Eliza jetzt anklagend, „Warum zum Teufel hast du nur wieder mit diesem Scheiß Zeug angefangen?" „Lass es gut sein, Liz, lass uns ein anderes mal darüber reden. Du musst jetzt gehen", wich ich ihr hastig aus und versuchte mich aufzusetzen. Für diese Art von Gespräch fehlten mir jetzt jegliche Nerven. Ich musste sie endlich loswerden. Die Zeit lief mir davon. Aber Eliza schlug mich brutal gegen die Brust und drückte mich gewaltsam zurück auf den Marmor. „Es gibt keine Ausflüchte mehr, Clay Banton! Ich lasse jetzt keine Ausflüchte mehr gelten, verdammt!" machte sie mir lauthals klar. „Du bleibst so lange liegen, bis du mir die Wahrheit gesagt hast!" bestimmte sie äußerst arrogant. „Was willst du denn hören?" fuhr ich sie an. „Die Wahrheit!" fauchte sie zurück. 

Danach war es eine Weile still. Wir belauerten uns nur. Sie starrte mir mit einer Mischung aus Zorn und Mitleid in die Augen. Ich schlang schützend den Bademantel um mich und lag ansonsten einfach so dort. Ich wusste nicht weiter. Ich hatte echt keine Ideen mehr.

Eliza

Clay lag neben mir auf dem Boden, auf seinem Rücken, nur mit seinem teuren, weißen Bademantel bekleidet. Die Gewissheit, dass er darunter völlig nackt war, noch immer feucht, angenehm frisch gewaschen und nach Badeschaum duftend, erregte mich. Ich wollte ihn so gerne berühren. Es ging ihm offensichtlich ziemlich mies, und ich hatte das starke Bedürfnis, ihm etwas Gutes zu tun. Ihn mit meinem Streicheln zu beschwichtigen. Den blöden Entzug streichelnd aus seinem schönen Körper zu vertreiben. Aber natürlich wusste ich, dass das nicht so einfach funktionierte. 

Seine Augen waren völlig wirr, mit großen, schwarzen Pupillen, die nervös hin und her zuckten. Wir sahen uns an, und er wirkte jetzt vollkommen planlos. Er tat mir leid in seinem Elend. Andererseits dachte ich, dass er es ja schließlich selber schuld war. Es ging ihm ja nur so schlecht, weil er Heroin genommen hatte. Dieser heftige Entzug war eine unweigerliche Folge seines Drogenkonsums. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum er sich diesen Mist schon wieder freiwillig zugemutet hatte. Was zur Hölle ihn bloß dazu bewog, immer wieder in diese unangenehme Situation zu geraten. 

„Sag es mir, Clay, bitte!" flüsterte ich sanft, „Bitte erkläre mir, warum du dir das angetan hast." Er stöhnte widerwillig und drehte den Kopf zur Seite. Sein Körper krampfte sich eigenartig zusammen, er zitterte an Armen und Beinen. Ich schob seinen Bademantel auseinander und streichelte hilflos seine Brust in dem Versuch ihn zu beruhigen. Er wurde auch ruhiger und schaute mich untergeben an. Ich hatte den Eindruck, er würde jeden Moment anfangen zu weinen. 

„Ich weiß es doch selber nicht, Liz! Ich kann dir das nicht erklären!" jammerte er und wich meinem Blick abermals aus. Ich beobachtete ihn eine Weile, schwankend zwischen Mitleid, Wut und aufkommender Erregung. Ich streichelte seine Brust, dann den Bauch. Ich legte ihm die Hand flach auf den muskulösen Bauch und wartete auf seine Reaktion. Ich hoffte, ihn mit dieser Berührung beglücken zu können, wie sonst auch. Aber er schaute mich nur müde an und lächelte kläglich. 

„Willst du mir einen runterholen?" fragte er plötzlich. Wie vor den Kopf geschlagen zog ich meine Hand hastig zurück. Clay seufzte unbehaglich und drehte sein Gesicht verlegen von mir weg. Ich brauchte eine Weile, um auf seine unerwartete Frage reagieren zu können. „Meinst du das ernst?" hakte ich schließlich irritiert nach. Er zuckte nervös mit den Schultern, ächzte in einem aufkommenden Schüttelfrost. Wieder strich ich beruhigend über seine Brust. „Klar... wenn du das tun möchtest...", erklärte er träge, ohne mich anzusehen. 

Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Der Gedanke, ihn sexuell zu befriedigen, gefiel mir. Seine Erregung in meiner Hand würde auch mir Befriedigung verschaffen, das wusste ich aus Erfahrung. Andererseits war seine Frage unverkennbar aus einer mir nicht ganz verständlichen Not heraus entstanden, und das machte mich misstrauisch. Clay wollte in diesem Moment nicht wirklich von mir angefasst werden. Ich kannte ihn viel zu gut, um das nicht zu merken. Er wollte eigentlich etwas ganz anderes. 

„Was ist wirklich los, Clay?" versuchte ich eine Erklärung zu finden. Er stöhnte voller Ungeduld, griff dann plötzlich hinunter zu seinem Schwanz und fing an zu masturbieren. „Gar nichts ist los, Liz, ich schiebe einfach nur einen verfluchten Affen, verstehst du?!" zischte er mich unfreundlich an. „Clay...", protestierte ich verwirrt. Es machte mich verlegen, ihm beim Masturbieren zuzusehen. 

Der Mann wichste nun hastig, beinahe verzweifelt intensiv. Ich hatte nicht den Eindruck, als würde ihm seine Tätigkeit wirklich Spaß machen. Er wirkte eher erschreckend mechanisch und widerwillig. Er starrte mich mit grimmiger Entschlossenheit an, wichste hektisch an sich herum und schnappte nach Luft. „Hör auf!" rief ich geschockt und beschämt, „Was soll das denn jetzt, Clay?" Er lachte atemlos und irre. „Wieso denn, Lizzie, törnt es dich denn nicht an, wenn du mich wichsen siehst?" wollte er herausfordernd wissen. Dann schloss er angestrengt die Augen und konzentrierte sich ganz auf seine hektische Tätigkeit. Mit verzweifelter Wut und Entschlossenheit wollte er seinen Orgasmus erreichen. Er steuerte geradewegs darauf zu. 

Mir war zuerst nicht klar, warum der Mann auf einmal so ausflippte und was er eigentlich damit bezweckte. Es erregte mich überhaupt nicht, was er da tat. Im Gegenteil, es war merkwürdig erschreckend und anstößig. Es hatte nichts Erotisches an sich, war einfach nur traurig und verzweifelt. Mir kam der Verdacht, dieser Mann befriedigte sich nur selbst, um mich zu schockieren. Ja, so musste es sein! Er wichste intensiv vor meinen Augen, damit ich empört aufsprang und seine Wohnung verließ! Herr Banton wollte mich anscheinend unbedingt loswerden! 

Als mir das schmerzhaft bewusst wurde, griff ich sogleich hastig nach seiner Hand an seinem Penis und hielt sie gewaltsam fest. „Hör sofort auf damit, Clay! Hör um Himmels Willen auf mit diesem kranken Mist!" schrie ich ihn verärgert an. Er öffnete die Augen, schnappte nach Luft und versuchte mich wegzuschieben. Als ihm das nicht gelang, stöhnte er verzweifelt auf. Ich hinderte ihn nur mit Mühe und sehr gewaltsam an weiterer Masturbation. 

Er hatte jetzt halbwegs eine Erektion, sein Blick war noch viel wirrer geworden. „Lass mich los!" schrie er völlig außer sich, „Lass mich in Ruhe! Geh weg!" Ich schlug ihn daraufhin spontan auf die Hoden. Nicht besonders feste, aber Clay schrie entsetzt und schmerzerfüllt auf. Er drehte sich hastig von mir weg auf die Seite und zog die Beine schützend an seinen Körper. 

Im nächsten Moment lag er dort und schnappte hilflos und erregt nach Luft. „Lass mich in Ruhe! Geh weg! Hau ab!" jammerte er vor sich hin und fing tatsächlich an zu schluchzen. Ich beobachtete ihn erschüttert, und ich brauchte einige Zeit, um mich von dieser beängstigenden Szene zu erholen. Dieser Irre muss ziemlich verzweifelt sein, wenn er sämtliche Grenzen überschreitet, dachte ich entgeistert. Hat dieser verrückte Mann denn überhaupt kein Schamgefühl mehr? Was ist nur mit ihm los, fragte ich mich verwirrt. War der Entzug vom Heroin denn wirklich dermaßen schlimm? Oder hatte all dieser Wahnsinn einen ganz anderen Grund? Warum wollte er mich so verzweifelt loswerden? 

Eine Weile betrachtete ich ihn ratlos. Dann schob ich mich langsam zu ihm hin. Vorsichtig strich ich über seinen Rücken, seinen Nacken und seinen Kopf. Er bewegte sich nicht, lag nun ganz still und versuchte verkrampft, sein Schluchzen zu unterdrücken. „Was ist denn, Clay? Rede doch mit mir!" bat ich ihn leise. Er atmete tief und drehte sich zu mir. Seine diffusen Augen mit den schwarzen Pupillen waren feucht von Tränen, aber er heulte nicht mehr. 

„Hol mir einen runter!" forderte er mich mit irrer Gier auf. „Nein!" wehrte ich sofort ab. „Bitte, Liz, ich kann nicht...", seufzte er und drehte sich erneut von mir weg. Er holte tief Luft. „Ich kann das nicht mehr aushalten!" klagte er laut und durchdringend. Einen Augenblick später fing er abermals damit an, hektisch an sich herum zu reiben. Er lag nun auf der Seite und drehte mir den Rücken zu. Aber es war unverkennbar, dass er weiter hastig masturbierte. Er atmete jetzt schwer, rang förmlich nach Luft. 

Einige Zeit beobachtete ich ihn ratlos. Allmählich bekam ich richtig große Lust, jetzt sofort einfach aufzustehen und diesen komplett durchgeknallten Mann in seinem offensichtlichen Irrsinn allein zulassen. Clay Banton drehte vollkommen durch! Und ich hatte echt keine Ahnung, in welcher Weise ich ihm helfen konnte. Ich wusste überhaupt nicht, was ich davon halten oder was ich machen sollte. Auf eine sehr merkwürdige Art war ich plötzlich, in all meinem Abscheu, auch irgendwie fasziniert von Clays zweifellos krankhaftem Verhalten. Ich saß nur dort neben ihm, beobachtete ihn verwirrt und fühlte mich hilflos.

Sean

Ich fuhr mit meinem Fahrrad direkt zu Sergej, und der Deal ging erfreulich schnell und glatt über die Bühne. Ich hatte schon ganz vergessen, wie angenehm unkompliziert es war, sich bei Sergej Heroin zu besorgen. Der Treffpunkt am Friedhof war noch genau der selbe wie früher. Sogar der Preis hatte sich nicht verändert. 

Es dauerte vielleicht insgesamt zwanzig Minuten, bis ich zurück vor Clays Wohnungstür stand. Ich fand die Tür offen, wie ich sie zurückgelassen hatte. Nur einen sehr kurzen Augenblick lang hatte ich plötzlich Zweifel, ob es tatsächlich richtig war, was ich hier tat. Vielleicht sollte ich Clay doch lieber seinen Entzug durchstehen lassen? Ihn auf diese harte Weise clean kriegen? 

Aber im nächsten Moment dachte ich auch schon an den dankbaren Ausdruck seiner Augen, der mir sicher war. Ich erinnerte mich an meine Performance, die immer bedeutsame Aufführung derselben, schon sehr bald. Ich beschloss, dass es ohnehin das Allerwichtigste war, dass die Show weiterging. Den Auftritt heute Abend abzusagen war niemals eine Option, schon gar nicht an einem Samstag. In ein paar Stunden musste mein Hauptdarsteller unbedingt wieder fit sein, und das ging eben im Moment nur auf diese drastische Art. 

Ohne noch länger zu zögern betrat ich seine Wohnung. Fast augenblicklich konnte ich Eliza im Badezimmer hören. „Was soll das, Clay? Was zur Hölle tust du denn da nur?!" rief sie unverkennbar entsetzt. Die Frau war also immer noch da. Clay hatte es nicht geschafft, sie rechtzeitig aus seiner Wohnung zu vertreiben. Das wird bestimmt interessant, dachte ich erwartungsfroh und lächelte vor mich hin. 

Ich ging zum Badezimmer, blieb in der Tür stehen und sah mir diese merkwürdige Szene eine Weile an. Clay lag auf der Seite, mir abgewandt auf seinem harten, warmen Marmorboden. Eliza hockte neben ihm und musterte ihn mit einer Mischung aus neugieriger Faszination und verstörter Abscheu. Denn Herr Banton war offensichtlich gerade damit beschäftigt, sich einen runter zu holen.

Allerdings hatte er damit nur mäßigen Erfolg. Seine Bewegungen waren alles andere als so harmonisch, wie sie hätten sein sollen. Er wichste nur eilig an sich herum, mechanisch und verbissen. Ich hatte nicht den Eindruck, als wäre er besonders angetörnt davon. Er will sie loswerden, dachte ich mir amüsiert. Clay Banton griff zum letzten, verzweifelten Mittel, um Eliza Laser zu vertreiben. 

Diese Szene gefiel mir sehr, denn zwischen Clay und Eliza war eine unüberwindbare Mauer. Sie waren so weit voneinander entfernt, wie es überhaupt möglich war, obwohl sie direkt neben ihm saß. Sie begriff nämlich überhaupt nicht, was sie da sah. Und Clay wollte einfach nur, dass sie verschwand. „Hau doch endlich ab, Eliza! Geh weg! Ich will allein sein beim Wichsen!" keuchte er nicht sehr überzeugend. „Du bist ja total durchgedreht!" fuhr sie ihn beleidigt an. Ich hätte laut loslachen können vor Genugtuung. 

Lächelnd trat ich einen Schritt ins Badezimmer. Eliza blickte auf und guckte mich völlig überfordert an. „Banton dreht hier total durch!" beklagte sie sich irritiert bei mir. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Eliza, er holt sich nur einen runter", erklärte ich ihr lächelnd. „Das ist doch nicht mehr normal, verdammt!" meinte sie und sah wieder zu ihm hin. Du hast ja keine Ahnung, dachte ich geringschätzig. 

Clay hatte meine Stimme gehört. Er ließ das hektische Wichsen auf der Stelle sein und drehte sich hastig zu mir hin. „Sean!" zischte er atemlos. Es hörte sich an, wie ein Hilfeschrei. Er starrte mich fragend an. Ich nickte, lächelte vielsagend, und da wusste er, dass ich tatsächlich die harte Droge besorgt hatte, nach der er so verzweifelt verlangte. 

Augenblicklich kam Leben in ihn. Er mobilisierte seine allerletzten Kräfte. „Du musst jetzt gehen, Eliza!" sagte Clay bestimmt und richtete sich mühsam auf. Seine Pupillen waren riesig, nur mäßig erregt, aber schwarz und affig. „Du musst sofort weg!" erklärte er ihr beinahe drohend. Er bewegte sich auf sie zu und versuchte, sie von sich weg zur Tür zu schieben. „Spinnst du?! Ich muss überhaupt nichts, Banton!" wehrte sie ihn beleidigt ab. 

Sie stand auf und warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. „Was ist nur mit ihm los, Sean? Soll ich einen Arzt holen, oder was?" fragte sie mich allen ernstes. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Sie hatte selbstverständlich keine Ahnung, dass ich in diesem Moment der einzige Arzt war, den Clay wollte. Dieser bezaubernde Mann wollte nur noch das, was ich ihm geben konnte, und diese absolute Tatsache gefiel mir ungemein. 

„Nein, ist schon gut. Ich kümmere mich um ihn", erklärte ich Eliza. Sofort guckte sie mich misstrauisch und feindselig an. „War das etwa diese geheimnisvolle viertel Stunde, Sean? Ging es nur darum, dass du wieder hierher zurück kommst? Wollt ihr eure Orgie im Whirlpool fortsetzen, oder was?" fragte sie hart und kam drohend auf mich zu. „Hast du denn immer noch nicht genug von ihm, du blöde Schwuchtel?!" rief sie böse in der ständigen Absicht, mich damit zu verletzen. 

Aber mir ging es in diesem Moment entschieden zu gut, als hätten ihre Worte mir etwas anhaben können. Ich lächelte sie charmant an und schwieg. In dieser Situation war ich ihr haushoch überlegen und genoss es. Ich verachtete sie für ihre Dummheit, den wahren Grund meiner kurzen Abwesenheit nicht zu erraten, obwohl er doch so offensichtlich war. 

Clay stöhnte ungeduldig. Wir drehten uns zu ihm hin. Er saß immer noch auf dem Boden und taxierte uns beide ziemlich wirr. Sein weißer Frottee-Bademantel war offen, und ich guckte mir eine Weile seinen Schwanz an, der gerötet aussah, immer noch hübsch und nur halbwegs steif. Clay bemerkte meinen Blick und schlug beschämt den Mantel über seinem Körper zusammen.

Er atmete schwer und fixierte mich flehentlich. Tu bitte was, sagte sein Blick, hilf mir, mach, dass sie endlich verschwindet! „Vielleicht solltest du jetzt gehen, Eliza", machte ich daraufhin einen lahmen Versuch und schaute sie an. Sie schüttelte energisch den Kopf. „Damit du Clay wieder vernaschen kannst? Niemals!" erwiderte sie entschlossen. „Ich will ihn nicht vernaschen", behauptete ich selig lächelnd. „Quatsch, Valmont, du willst Clay doch immer haben! Immer und überall!" fauchte Eliza aufgebracht. Sie hatte damit irgendwie recht, und ich wusste darauf nichts zu erwidern. 

Ich warf Clay einen ratlosen Blick zu. Er stöhnte nochmal voller Ungeduld und Unbehagen, stand mühsam auf und torkelte auf mich zu. „Komm mit!" keuchte er und griff meinen Arm. Er verließ das Badezimmer und zog mich am Arm den Flur entlang zum Wohnzimmer. „Scheiß doch mal was auf Eliza!" flüsterte er mit irrem Gesichtsausdruck. Ich schüttelte den Kopf. „Das kannst du nicht machen, Clay!" warnte ich ihn. 

Anscheinend wollte der affige Mann das Heroin jetzt unbedingt nehmen, auch wenn Eliza Laser ihm beim Konsumieren zusah. Ich blieb abrupt stehen und sah ihn ernst an. „Das kannst du echt nicht machen, Clay!" wiederholte ich eindringlich. 

Wir konnten das Heroin unmöglich rauchen, solange Eliza noch in der Wohnung war. Diese extrem wütende Frau würde womöglich sogar die Polizei benachrichtigen, und dieses Risiko war ich auf keinen Fall bereit einzugehen. Clay schwankte und beugte sich zu mir. „Ich kann nicht mehr, Sean! Ich halte das nicht mehr aus!" klagte er verzweifelt, kippte um und klammerte sich an mir fest. Ich strich ihm beruhigend über den Kopf. Es tat meiner Seele gut, dass Clay Banton in mir die Lösung seiner Probleme sah. Dass er mich so sehr brauchte. Ich fühlte mich ziemlich wohl in diesem Moment. 

Aber gleich darauf war Eliza auch schon bei uns im Flur und zerstörte diese vertrauliche Situation mit ihrer rasenden Eifersucht. „Was geht hier vor, Sean!? Klär mich auf!" forderte sie mit ernstem Blick. Bald wird sie es erraten haben, befürchtete ich nervös, Laser ist nicht total dämlich. Sie wird bestimmt bald ahnen, dass ich ihm tatsächlich Heroin besorgt habe. 

Hau ab!" brüllte Clay urplötzlich los und ging drohend auf sie zu, „Dort ist die Tür! Dort ist die Tür!" Er hob die Hand und deutete zur Wohnungstür. Als sie darauf nicht reagierte, schubste er sie unvermittelt brutal gegen die Wand. „Hau endlich ab, Laser! Dies ist meine Wohnung und ich will, dass du jetzt gehst! Ich will, dass du sofort gehst!!" Er stand dicht vor ihr und fixierte sie feindselig. Ich war von seinem wütenden Ausbruch nur mäßig überrascht, aber die Frau war vollkommen überrumpelt und geschockt von Clays gewalttätigem Angriff. 

Ihre Augen weiteten sich vor Angst und Unglauben. „Hau ab!" brüllte Clay wie von Sinnen, „Geh weg! Ich will, dass du gehst! Lass mich endlich in Ruhe!" Er war sehr kurz davor die Frau zu schlagen, sie gewaltsam aus seiner Wohnung zu werfen. Ich konnte ihn nur mit Mühe von Eliza wegziehen. „Hey, komm schon, beruhige dich", redete ich auf ihn ein und umschlang ihn sanft aber fest von hinten. Ich genoss seine Nähe sehr. „Sie soll gehen!" schrie er aufgebracht, „Sie soll endlich gehen!" „Schon gut, Clay! Sie geht ja!" redete ich ihm zu und warf Eliza einen eindringlichen Blick zu. 

Sie stand an der Wand, gegen die Clay sie so brutal geschubst hatte, rieb sich die geprellte Schulter und starrte uns ungläubig an. Sie war sichtbar so sehr vor den Kopf geschlagen, innerlich so immens verletzt worden, dass sie mir beinahe leid tat. Ich nickte auffordernd zur Tür hin. Sie brauchte eine Minute, um sich von Clays ungestümer Gewalttätigkeit zu erholen. 

Dann trat sie plötzlich mit festem Blick auf ihn zu und gab ihm ohne zu Zögern eine schallende, richtig harte Ohrfeige. „Du blödes Arschloch!" beschimpfte sie ihn laut, „So behandelst du mich nicht, du kranker Wichser!" „Lass mich in Ruhe!" fauchte Clay sie an. Daraufhin schlug sie ihn schnell und mit Wucht mit der Faust zwischen die Beine. 

Clay stöhnte sofort auf und sank augenblicklich aus meinen Armen hinab auf die Erde, seine Beine knickten einfach unter ihm weg. Mit schmerzverzerrtem Gesicht saß er dort und hielt sich ächzend die getroffene Stelle. Eliza schaute sehr geringschätzig auf ihn herunter. „Sei froh, dass du im Moment unzurechnungsfähig bist. Deshalb werde ich dir das hier vielleicht irgendwann verzeihen. Du bist total krank, Clay Banton. Du bist ein kranker, perverser, brutaler Mistkerl!" schimpfte sie wütend und trat ihn mehrmals, bis ich mich schützend vor Clay stellte. 

„Der hat genug, Liz", bat ich sie leise aufzuhören. Sie beugte sich zu Clay hinunter und packte ihn hart am Bademantel. „Und wenn es dir das nächste mal schlecht geht, Banton, dann komm bloß nicht zu mir! Ich werde dir nämlich nicht mehr helfen, wenn du wieder mal vor meiner Tür auftauchst, nur damit dir das klar ist!" Sie ließ ihn los und er sank stöhnend zurück auf den Boden. 

Sie sah mich an. „Warum tut er so was?" fragte sie mich verzweifelt, „Was um Himmels Willen habe ich ihm denn getan, Sean?" Sie war auf einmal so traurig, dass sie mir leid tat. Ich lächelte aufmunternd. „Nimm das doch nicht so ernst. Clay schiebt einen Affen, da weiß er nie, was er tut. Er wird total unberechenbar. Das ist nur der Entzug, das kennst du doch." „Ja, aber so gewalttätig war er noch nie zu mir", meinte sie resigniert. 

Dann drehte sie sich herum und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung. Die Frau hatte diesen irren Kampf verloren. Sie räumte tatsächlich das Feld und ließ mich mit Clay allein. Sie würde bestimmt nicht so bald wiederkommen. 

Clay

Ich bediente mich notgedrungen der Gewalt, obwohl ich Frauen normalerweise niemals schlage, und am Ende verschwand Eliza aus meiner Wohnung. Sie war wohl echt wütend auf mich, aber das war mir total egal. 

Ich saß schon wieder auf dem Boden und kämpfte mit dem Schmerz zwischen meinen Beinen, den sie mir ziemlich hinterhältig zugefügt hatte. Ich kämpfte auch immer noch mit den mächtigen Auswirkungen vom tanzenden Affen in mir. Es dauerte noch eine Weile, bis ich mich aufraffen konnte. Ich verbrauchte meine allerletzte Kraft, um zum Wohnzimmer zu kriechen. Dann stand ich auf und zog Sean mit mir mit. Ich konnte es nicht mehr erwarten. Ich war voller Gier und Ungeduld. 

Hastig ließ ich mich am Tisch auf dem Sofa nieder und starrte Sean erwartungsvoll an. Er lächelte voller Genugtuung und setzte sich neben mich. Es gefiel ihm ungemein, dass ich in diesem Moment so abhängig von ihm und seinem Heroin war. Sein Triumph störte mich überhaupt nicht, ich wollte nur endlich einen Chinesen rauchen. 

Sean nahm ein Stück Zeichenpapier vom Tisch. Er faltete es fachmännisch, schnitt den Beutel shore auf und schüttete seinen Inhalt vorsichtig auf das Papier. Anscheinend hatte er zweieinhalb Gramm gekauft, was eine durchaus übliche und akzeptable Menge war. Ich riss ein Stück Alufolie von der Rolle auf dem Tisch ab, führte kurz die Flamme des Feuerzeugs darunter her, um es abzubrennen, und hielt es ihm danach gierig hin. Er schaufelte mir mit dem kleinen Messer shore drauf, und ich nahm das Papierrohr, das immer noch gerollt dort lag, und das Feuerzeug. 

Ich rauchte den ersten Chinesen viel zu hastig, hustete unkontrolliert, Spucke lief mir aus dem Maul. Sean beobachtete mich lächelnd. „Sei nicht so gierig, Mann", meinte er und legte sich selbst einen auf, was mich nur wenig überraschte. Dieser Mann hatte das Chinesen rauchen wahrlich noch nicht verlernt. 

Eine ganze Weile konsumierten wir schweigend in merkwürdiger Verbundenheit. Das Heroin wirkte augenblicklich auf mich. Der verdammte Affe verpuffte mit jedem neuen Chinesen mehr. Alle hässlichen Schmerzen lösten sich buchstäblich in Luft auf. Es ging mir jetzt sehr gut. Dieses Zeug fühlte sich so verdammt gut an, es war warm, sanft und angenehm. 

Ich schaute Sean eine Zeit lang verstohlen von der Seite an und war ihm unendlich dankbar. Meine Dankbarkeit steigerte sich automatisch, je länger ich ihn studierte. Plötzlich fiel mir wieder einmal auf, wie überwältigend gut Sean Valmont aussah. Was für ein verflucht hübsches Gesicht er doch hatte. Diese fantastischen, blauen Augen mit den lang gebogenen, schwarzen Wimpern, die geschwungenen Augenbrauen, die schmale, gerade Nase und der große Mund mit den roten Lippen. Welche schlanken, wohlgeformten Hände er doch hatte, mit perfekt manikürten Fingernägeln. Er rauchte äußerst geschickt sein Heroin und irgendwann merkte er, dass ich ihn beobachtete. 

Er guckte mich an, sein Lächeln machte ihn noch schöner. „Na, geht's dir jetzt besser?" fragte er mich, nur ein wenig spöttisch. „Warum hast du das getan?" erwiderte ich, denn seine Frage verstand sich ja wohl von selbst. „Was denn?" fragte er, ohne mit dem strahlenden Lächeln aufzuhören. „Mir shore besorgt." Ich holte tief Luft und wandte mich ihm zu. „Warum bist du für mich zu Sergej gefahren, Sean? Und erzähl mir jetzt nicht, dass du selbst shore haben wolltest. Du warst... wie lange nicht mehr bei ihm? Sechs Monate?" „Wie gut du doch über mich Bescheid weißt", lächelte Sean und zündete sich eine Zigarette an. 

„Hast du was zu Trinken da?" lenkte er dann ab. Ich erhob mich augenblicklich. „Klar! Was willst du?" Ich ging Richtung Küche. „Egal, nur keinen Alkohol", meinte Sean, legte seine Kippe in den Aschenbecher und schaufelte sich mit dem kleinen Messer noch einen Chinesen auf. 

Ich verließ das Wohnzimmer und ging durch den Flur in meine Küche, die irgendwie unbenutzt aussah. Tatsächlich benutzte ich sie fast nie. Ich ging zum Kühlschrank und öffnete ihn. Er war fast leer, was bei seiner beträchtlichen Größe ziemlich armselig aussah. Ich muss mal wieder einkaufen gehen, dachte ich. Valmont ist ein echter Freund, dachte ich dann irgendwie verwirrt. Ich holte eine Flasche Orangensaft aus dem Eisfach und ging zurück ins Wohnzimmer. Ich fühlte mich herrlich voll gedröhnt, viel zu angenehm betäubt für weitere Gedankengänge. 

Behaglich ließ ich mich zurück neben Sean auf dem Sofa nieder und gab ihm die Flasche. Er öffnete sie sofort und trank Saft mit großen Schlucken. Dann reichte er sie mir. Ich trank auch von diesem kalten, süßen Zeug, drehte die Flasche wieder zu und stellte sie neben mich auf den Boden. Sean hielt mir das Silberpapier hin und lächelte mich an. Ich rauchte noch einen Chinesen und er gab mir gekonnt Feuer dabei. 

„Du hast es getan, weil Eliza plötzlich aufgetaucht ist!" nahm ich danach das Thema wieder auf. Sean schaute mich an und legte das Silberpapier auf den Tisch. Dann zog er an seiner Zigarette. „Wie meinst du das?" fragte er und musterte mich fröhlich. „Du wolltest dich an Eliza rächen, indem du mir shore gekauft hast", behauptete ich und betrachtete seine schönen, hellblauen Augen. Sie blitzten jetzt interessiert und amüsiert. „Meinst du?" lächelte er. „Gib es zu, Sean! Du warst stinksauer auf Liz, weil sie uns im Whirlpool gestört hat. Sie hat dich beschämt und um deinen Abgang gebracht, das konntest du nicht gut sein lassen", redete ich los. Neugierig wartete ich auf Seans Antwort. Er hörte nicht auf zu lächeln. Ich guckte ihn an und fand ihn plötzlich extrem begehrenswert. Erstaunt wandte ich meinen Blick von ihm ab. 

„Sie hat mich nicht um meinen Abgang gebracht", flüsterte Sean nach einer Weile. Ich guckte ihn überrascht an. „Aber sonst hast du gar nicht so unrecht", gab er leise zu. Ich nahm mir eine Marlboro aus seiner Schachtel. Aufgeregt spürte ich ein merkwürdiges Kribbeln in der Magengegend, was ganz eindeutig durch Sean Valmonts unmittelbare Nähe ausgelöst wurde. Und offenbar spürte auch er eine gewisse Erotik aufsteigen, denn sein Lächeln veränderte die Intensität. Es war jetzt nicht mehr nur amüsiert. Es war eher ein erwartungsfrohes, einladendes Lächeln geworden. Der Mann kann auf so viele Arten lächeln, dachte ich einen Moment verblüfft. 

Nervös versuchte ich, mich auf seine Worte zu konzentrieren. „Was hast du getan, nachdem du fluchtartig das Bad verlassen hattest?" wollte ich von ihm wissen, denn ich hatte tatsächlich keine Ahnung. Er lachte verlegen auf. „Willst du das wirklich wissen, Clay?" „Ja, sag's mir!" drängte ich, weil ich auf einmal eine geile Vorstellung davon hatte und es unbedingt von ihm hören wollte. Er zögerte und rauchte tief. 

„Ich habe mich in dein Bett gelegt und mir einen runtergeholt", flüsterte er fast, ohne mich dabei anzusehen. „In meinem Bett?!" entfuhr es mir. Er nickte und warf mir einen verlegenen Blick zu. „Ja, Clay, so konnte ich dich wenigstens noch riechen", erklärte Sean mir schüchtern.

Ich dachte eine Weile darüber nach. Irgendwie schmeichelte mir der Gedanke. Das Bild in meinem Kopf erregte mich. Dann fiel mir etwas anderes ein. „Hast du denn wenigstens ein Taschentuch benutzt?" wollte ich alarmiert wissen. Sean lachte nervös und schüttelte den Kopf. „Ich hab so schnell keins gefunden, sorry", kicherte er und wurde rot. „Ich habe in deine Laken abgespritzt", eröffnete er mir und sah mir herausfordernd in die Augen. Eine Weile guckten wir uns schweigend an. Mein Herz fing unwillkürlich an, härter zu schlagen. 

Verwirrt musste ich den Blickkontakt abbrechen. Ich rauchte tief, um mich abzulenken. „Du hast meine Klamotten angezogen", stellte ich mit Blick auf seine Beine fest. Meine Jeans passte ihm beinahe, mein Sweatshirt sah richtig gut an ihm aus. „Genau so war's", stimmte er zu und drückte die Kippe in den Aschenbecher. Ich beugte mich vor und drückte meine Zigarette ebenfalls aus. Dann nahm ich einen Schluck Orangensaft und reichte Sean die Flasche, ohne ihn ansehen zu können. Er trank und stellte die Flasche auf den Boden zurück. 

„Ich war wirklich mega angetörnt von dir, Clay, dort in deinem Whirlpool", flüsterte Sean eindringlich, „Ich konnte es nicht ertragen, als Eliza alles kaputtgemacht hat." Sein Geständnis geisterte in meinem Hirn herum und ich brauchte eine Weile, um damit zurechtzukommen. Mir war nicht ganz klar, wie ich damit umgehen sollte. Ich war mir nicht sicher, ob ich Valmont überhaupt so nah bei mir haben wollte, mit solchen Wahrheiten konfrontiert werden wollte. Auf eine merkwürdige Art überforderten mich Seans überaus starke Gefühle. 

Aber andererseits war ich tierisch angetörnt von diesem Gedanken, dass er so sehr auf mich abfahren konnte. Nervös rauchte ich noch einen Chinesen. Sean tat es mir gleich. Eine ganze Weile konsumierten wir wieder schweigend und tranken Orangensaft. Sean war jetzt ziemlich beschämt. Vielleicht fürchtete er, dass er zu viel von sich preisgegeben hatte. Vielleicht hatte er plötzlich Angst, ich könnte seine Schwäche für mich ausnutzen. 

Aber das wollte ich gar nicht. Ich war ihm zutiefst dankbar. Er sah sehr hübsch aus, so dicht neben mir. Ich fühlte eine verwirrend merkwürdige Zuneigung zu ihm, die sich steigerte, je länger wir auf dem Sofa saßen und Heroin rauchten. Ich fühlte mich mit Sean Valmont in diesem Moment sehr nah verbunden.

Sean

Clay Banton saß neben mir auf dem Sofa. Wir rauchten das Heroin, dass ich ihm besorgt hatte. Selbstverständlich hätte ich das Heroin nicht rauchen dürfen, und das wollte ich auch eigentlich gar nicht tun. Aber die Situation erforderte es. Ich entschied es spontan, und dann gefiel es mir immer besser. Die schrillen Alarmglocken in meinem Schädel brachte ich mit jedem Chinesen mehr zum Schweigen. Diese harte Droge fühlte sich wahrhaftig richtig gut an, was ich fast vergessen hatte. Zusammen mit Clays Nähe bescherte sie mir eine glückliche, fast übermütige Stimmung. 

Deshalb sagte ich ihm instinktiv, wie sehr er mich im Whirlpool angetörnt hatte, was ich im nächsten Moment selbst nicht fassen konnte. Mich überkam eine übermächtige Verbundenheit zu ihm. Aber trotzdem hätte ich das lieber nicht sagen sollen, dachte ich sofort beunruhigt, denn Clay Banton war nicht in der Lage, sich mit solchen Gefühlen zu beschäftigen. Er erwiderte sie auch nicht. Offenheit war ein riskantes Spiel. Und offensichtlich verwirrten ihn meine Worte.

Aber er würde sie mir nicht übel nehmen, weil ich ihm shore besorgt hatte, beruhigte ich mich gleich darauf. Seine Augen waren genauso dankbar, wie ich es mir erhofft hatte. Sie leuchteten nahezu vor Zufriedenheit, was ihn sehr schön machte. 

Wir rauchten einige Zeit schweigend in einer wohltuenden Eintracht. Ich dachte nervös darüber nach, was ich ihm jetzt vielleicht noch sagen konnte. Ich war verunsichert, ob ich ihm überhaupt noch irgendwas von meinen Gefühlen preisgeben sollte. Höchstwahrscheinlich würde er mich sowieso nicht verstehen. 

Andererseits hatte ich aus irgendeinem Grund das Bedürfnis, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Und dieser Moment war eigentlich perfekt dazu geeignet. Wir waren allein, richtig gut drauf, und er gehörte ganz mir. Aber ich wollte ihn nicht noch mehr verwirren. Er war von dieser Situation, genau wie ich, ziemlich angetörnt. Das hier muss mir genügen, mahnte ich mich innerlich seufzend, ich darf ihn jetzt nicht mit meinen überaus starken Gefühlen schockieren. Womöglich würde ich damit alles kaputtmachen, er würde sich vielleicht sogar von mir abwenden, und das wollte ich auf keinen Fall riskieren. Dazu fühlte ich mich viel zu wohl in seiner unmittelbaren Nähe. 

Also rauchten wir schweigend, und recht bald wirkte das Heroin stark genug auf mich, und meine Gedanken wurden völlig unwichtig. Eine weiche Watte legte sich über mein nervöses Gehirn. Ich hatte so verflucht lange keine shore mehr geraucht, dass diese harte Droge irgendwann voll in meinen Verstand knallte. 

Ich lehnte mich in seinem bequemen Sofa zurück und betrachtete ihn eine Weile voller Behaglichkeit. Er war wunderschön und ich fühlte mich ihm sehr nah. Es war eine Zeit von unglaublicher Vertrautheit zwischen uns. Die shore hatte daran Schuld, das war mir schon klar. Aber für diesen Mann hätte ich sowieso alles getan.

Clay

Das Heroin war mal wieder richtig gut und wir wurden selbstverständlich immer dichter davon. Sean lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss behaglich die Augen. Ich rauchte noch ein bisschen, dann legte ich die Alufolie auf den Tisch. 

„Gefällt es dir?" fragte ich ihn, nachdem ich ihn eine Weile angesehen hatte. Er öffnete die Augen und lächelte. Er hatte jetzt winzige Pupillen in seinen außergewöhnlichen, hellblauen Augen. Sein kurzes, blondes Haar war nach unserem Bad wieder ganz trocken. „Wem nicht?" meinte er und setzte sich plötzlich entschlossen auf. 

„Ich will, dass du das auf die Reihe kriegst!" verlangte er plötzlich ernst. „Was meinst du denn jetzt?" fragte ich verwirrt nach. „Ich meine das Heroin, Clay! Ich will, dass du das endlich wieder unter Kontrolle kriegst!" Seine Stimme war sehr eindringlich. „Ich habe keinen Bock darauf, dass deswegen nochmal alles den Bach runter geht, verstehst du?!" Ich stöhnte genervt auf. Dieses Thema behagte mir nun überhaupt nicht. Ich konnte es nicht fassen, dass er ausgerechnet jetzt mit diesem Scheiß anfing und damit die ganze friedliche Situation kaputtmachte. 

Liebend gerne hätte ich ihn einfach ignoriert. Aber Sean ließ nicht locker. „Hörst du, Clay?!" drängte er und griff nach meinem Arm. „Versprich mir, dass du das geregelt kriegst!" Ich sah ihn an und versuchte, mich nicht von ihm einschüchtern zu lassen. „Weißt du, Sean, das ist jetzt echt witzig!" erwiderte ich. „Nein, das ist überhaupt nicht witzig", widersprach er sofort. Ich überging seinen Einwand und holte tief Luft. 

„Ich habe gerade erst, vor nicht mal einer halben Stunde noch versucht, den Affen durchzuziehen, ganz allein, weil ich es so wollte, verstehst du? Weil ich der Droge nicht länger diese Macht über mich geben wollte. Ich wollte ernsthaft aufhören damit. Und dann kommst du hierher und besorgst mir neues Heroin. Und jetzt verlangst du von mir, das ich diesen Mist wieder auf die Reihe kriege!" „Ich habe dir nur shore besorgt, damit du heute Abend auf der Bühne stehen kannst", erklärte Sean mir abwehrend. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, du hast mir shore besorgt, weil du dich an Eliza rächen wolltest!" „Ich will, dass du heute Abend auf der Bühne stehst, Clay!" wiederholte Sean laut und energisch. Er duldete keinen Widerspruch. Ich sah ihn an und wusste nichts mehr zu sagen.

„Kriegst du das hin?" bedrängte er mich weiter. Mir war nicht klar, warum er diese angenehme Situation mit solchen blöden Tatsachen kaputtmachte. Wir waren total angenehm zugedröhnt, warum zum Teufel verlangte er gerade jetzt von mir, dass ich über die Zukunft nachdachte? 

Aber ich hatte wirklich keine Lust, mich mit ihm anzulegen. „Schon gut, Sean, natürlich stehe ich heute Abend auf der Bühne!" versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Und kriegst du auch deine Sucht in den Griff?" fragte er und fasste nochmal nach meinem Arm. Sein Blick war viel zu streng geworden. Ich wich ihm stöhnend aus. 

„Ich... habe niemals gewollt, dass es so weit kommt...", versuchte ich ihm verwirrt zu erklären. „Klar, das willst du ja nie!" bemerkte Sean spöttisch und ließ meinen Arm wieder los. „Es passiert immer einfach so, dass du die Kontrolle verlierst, nicht wahr, Clay?" Sein Spott und seine Überheblichkeit machten mich wütend. Gerade er sollte eigentlich wissen, wie verflucht schwierig es war, das Heroin unter Kontrolle zu behalten. Und er konnte wahrlich nicht von sich behaupten, gegen diese hinterhältige Droge immun zu sein.

„Guck dich mal um, Clay!" verlangte Sean plötzlich, packte mich am Bademantel und drehte mich gewaltsam herum. „Sieh dir deine Wohnung an, all diese verflucht teuren Sachen. Denk an deinen geliebten Sportwagen. Denk an deine Arbeit. Willst du das alles etwa wieder verlieren? Und nur, damit du gut drauf sein kannst? Nur, um keinen Affen zu haben?" Er drehte mich irgendwie brutal herum, damit ich mir mein teuer eingerichtetes Wohnzimmer ansah, und diese Behandlung gefiel mir überhaupt nicht. „Lass mich los!" protestierte ich. 

Aber Sean ignorierte meinen Protest. „Wie viel Geld hast du in letzter Zeit für shore ausgegeben, Clay? Wie lange dauert es noch, bis du damit anfängst, deine Wohnungseinrichtung zu verkaufen, hm?!" „Hör auf!" rief ich böse. 

Endlich ließ er mich los und starrte mich lauernd an. „Du führst dich auf wie Eliza!" warf ich ihm an den Kopf, weil ich wusste, dass ihm das nicht gefallen würde. Aber Valmont war von meinem Vorwurf offensichtlich nicht so schwer getroffen, wie ich erwartet hatte. „Sie macht sich eben auch Sorgen um dich", erklärte er mir nur anklagend. „Du hast sie echt total Scheiße behandelt, Clay", setzte er dann noch eins drauf. 

Ich hatte überhaupt keine Lust, an Eliza auch nur zu denken, deshalb ignorierte ich seinen Vorwurf und zündete mir nervös eine Marlboro von ihm an. „Ich habe fast überhaupt kein Geld für shore ausgegeben, Sean, nur, damit du es weißt!" informierte ich ihn trotzig. „Wie soll ich das denn verstehen?" hakte er misstrauisch nach. Ich schaute ihn offen an, bemüht darum, meine diffuse Angst vor ihm nicht zu zeigen. „Ich habe meistens gedealt und sogar noch Geld dabei rausgekriegt. Ich habe nur... vielleicht zweimal die Woche selbst bei Sergej gekauft..." „Und jetzt soll ich dich dafür auch noch beglückwünschen?!" fauchte Sean auf der Stelle und packte mich plötzlich hart im Nacken. 

„Ich will, dass du damit sofort aufhörst, verdammt!" „Ist ja gut!" kapitulierte ich seufzend. „Von mir aus geh nochmal ins Methadonprogramm, das ist mir scheißegal! Aber hör auf mit diesem Mist! Und hör um Himmels Willen auf zu dealen!" knurrte Sean mich entsetzt an. Sein Griff war brutal, und ich fand ihn ziemlich unfair in diesem Moment. Auch wenn er leider recht hatte, wie ich insgeheim zugeben musste. 

„Ich wollte schon längst aufhören!" rief ich aufsässig. „Ich wollte heute aufhören, Sean! Ich wollte mich ins Bett legen, den blöden Affen durchziehen und meine Ruhe haben! Aber dann kamst du und hast mich einfach verprügelt, du Arsch! Und dann kam auch noch Eliza und alles ist irgendwie kaputtgegangen! Ich wollte heute doch nur meine Ruhe haben beim Aufhören!!" versuchte ich ihm zu erklären. Meine Worte machten ihn sichtbar nachdenklich. 

Endlich ließ er mich los. Ich rieb meinen schmerzenden Nacken und zog an meiner Zigarette. Ich konnte ihn nicht ansehen. Er musterte mich eine Weile zweifelnd. „Okay, Clay. Schon gut", seufzte Sean schließlich und zündete sich eine Zigarette an. 

Einige Zeit saßen wir nebeneinander auf dem Sofa, rauchten und schwiegen uns an. „Tut mir leid, dass ich dich verprügelt habe", unterbrach Sean irgendwann unvermittelt das Schweigen. Überrascht starrte ich ihn an. „Jetzt tut es dir leid?" entfuhr es mir verblüfft. Er nickte und lächelte endlich wieder. Ich war über sein Lächeln mehr als erleichtert. „Ich will ja nur nicht, dass unsere Performance kaputtgeht, weil du es nicht mehr auf die Reihe kriegst!" erklärte er mir ruhig. „Bisher habe ich es noch immer auf die Reihe gekriegt, Sean!" betonte ich entrüstet. Er nickte. „Ja, ich weiß..." „Ich habe noch nie einen Auftritt kaputtgemacht!" bekräftigte ich nicht ohne Stolz. Sean lächelte jetzt ganz offen. „Ja, Clay Banton, du bist der große Star!" spottete er amüsiert. 

Ich schlug ihn spontan gegen die Stirn, so schnell, dass er nicht ausweichen oder mich abwehren konnte. „Das Stück funktioniert nur mit uns beiden, Sean, das ist mir absolut klar, das kannst du mir ruhig glauben!" sagte ich ein bisschen beleidigt. 

Dann dachte ich unwillkürlich an Psychotic Kühlschrank, Seans experimentelle Performance. Er arbeitete so verbissen daran, schrieb das Skript pausenlos um, wollte unentwegt etwas Neues, vermeintlich Besseres ausprobieren. Ich hatte alle Plakate und Kulissen für ihn gemalt. Und wir hatten diese Performance inzwischen schon unzählige Male aufgeführt, in allen möglichen Varianten. 

Leider war sie bisher nicht halb so erfolgreich, wie Sean wohl gehofft hatte. Im Gegenteil, das öffentliche Interesse war nach der Premiere schon ziemlich bald merkbar abgeebbt. Immerhin waren wir damit zweifellos inzwischen ein kleines, lokales Phänomen geworden. Und solange das Grenzland-Theater uns nicht raus schmiss, würde Sean mit Sicherheit weiter mit seiner Performance experimentieren. Seine ganze Lebensenergie steckte da drin. Er glaubte tatsächlich immer noch an den großen Durchbruch. 

„Mach mir das nicht kaputt, Clay", bat Sean mich plötzlich irgendwie traurig. „Nein... das will ich doch gar nicht...", erwiderte ich irritiert. „Dann komm gefälligst auch zu den Proben, verdammt!" verlangte Sean verärgert, „Krieg den Mist mit der shore auf die Reihe und versäume keine Proben mehr!" Ich schaute ihn an und grinste amüsiert. „Schon gut, Sean", neckte ich ihn lächelnd, „Aber ich kann dieses Stück inzwischen auch im Schlaf spielen. Ich benötige echt keine weiteren Proben von Psychotic Kühlschrank." 

Belustigt wartete ich auf seine Reaktion, und er reagierte genauso entgeistert, wie ich es vorhergesehen hatte. „Was? Was redest du denn da? Es geht doch jedes Mal um die Experimente! Keine Aufführung soll wie die andere sein! Die Entwicklung der Performance hört doch niemals auf!" entfuhr es ihm natürlich entsetzt. Mit großen Augen fixierte er mich. 

Ich fing an zu lachen. „Mann, du bist so verbissen, Sean Valmont! Ich kann dir jede Sekunde von Psycho im Schlaf vorsingen. Aber du hast diese Performance wohl zu deinem Lebenswerk auserkoren, oder wie?!" verspottete ich ihn grinsend. Sean knuffte mich gegen die Rippen. „Red doch keinen Scheiß!" rief er beleidigt, grinste aber dabei. Ich lachte amüsiert und versuchte ihm auszuweichen. 

Eine Weile balgten wir ziemlich albern auf dem Sofa herum, versuchten uns gegenseitig zu knuffen und leicht zu schlagen. Mit der Zeit wurde daraus, wie meistens, eine merkwürdige Art von sexuellem Vorspiel. Eine geile Mischung aus liebevoller Balgerei und zärtlicher Annäherung. 

Als Sean das klar wurde, ließ er plötzlich verlegen von mir ab und setzte sich wieder auf. Ich suchte nach meiner Zigarette, die ich bei unserer Rauferei verloren hatte. Sie lag auf dem Boden und hatte tatsächlich ein Loch in den Teppich gebrannt, was mich eine Weile ziemlich ärgerte. Ich hob sie hastig auf und drückte sie in den Aschenbecher. 

Dann saßen wir nebeneinander auf dem Sofa und waren irgendwie gehemmt. Sean rauchte noch einen Chinesen. Ich auch. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis wir übereinander herfallen würden, das wusste ich. Der Gedanke gefiel mir. Diese geilen Spielereien mit Sean Valmont konnten mich total antörnen.

Sean

Ich sagte ihm alles, was mir in diesem Moment wichtig erschien. Ich mahnte ihn ernsthaft, sofort mit dem Heroin aufzuhören, was irgendwie merkwürdig war, denn wir waren ja immerhin gerade einträchtig dabei, Heroin zu rauchen. 

Von meinen starken Gefühlen konnte ich ihm nichts mehr erzählen. Und das wäre auch sinnlos gewesen. Clay Banton war ziemlich einfach gestrickt, fast oberflächlich. Große Gefühle überforderten ihn in der Realität fast immer, auf einer Bühne allerdings nie, wo er sie problemlos darstellen konnte, was bei ihm kein Paradoxon war. 

Er dachte nicht halb so viel nach wie ich, bevor er irgendetwas tat. Er dachte überhaupt nicht mehr darüber nach, wenn irgendetwas vorbei war. Oft habe ich ihn um seine Spontaneität und Unbekümmertheit beneidet. Wie gern hätte ich ihm meine eigenen, oft quälenden Gedanken abgegeben. Für ihn schien alles einfach zu sein. Es passierte oder eben nicht. Für ihn gab es keinen Grund, lange über irgendetwas nachzudenken. 

Jetzt saß er neben mir auf dem Sofa, und ich dachte angestrengt darüber nach, ob ich ihn anbaggern sollte. Ob ich es wollte. Selbstverständlich wollte ich es. Aber andererseits wollte ich nicht einfach über ihn herfallen. Er sollte nicht den Eindruck gewinnen, ich wäre nur wegen dem Sex hierher gekommen. 

Außerdem betäubte die shore alles in mir, auch meinen Sexualtrieb. Ich fühlte mich äußerst angenehm zugedröhnt. Ich hätte den ganzen Tag einfach so neben ihm sitzen können und es hätte mir überhaupt nichts ausgemacht. Ich fühlte mich nämlich immer ausgesprochen wohl in seiner Nähe. 

„Stimmt es, was Eliza gesagt hat?" fragte Clay mich unvermittelt nach einer langen Zeit des Schweigens. Seine Augen blitzten amüsiert und verwegen. „Was hat sie denn gesagt?" fragte ich ohne großes Interesse nach. „Dass du mich immer haben willst. Immer und überall", antwortete er und betrachtete mich eingehend. Es amüsierte ihn ungemein, wie verlegen ich wurde. 

Wir sahen uns in die Augen, und ganz offensichtlich signalisierten seine Worte und sein Blick Interesse. Ich beschloss verblüfft, sein Spiel mitzuspielen. „Was glaubst du denn?" fragte ich, obwohl ich eigentlich Angst vor der Antwort hatte. „Ich glaube, dass sie recht hat", eröffnete Clay mir geradeheraus. Er lächelte und lehnte sich aufreizend im Sofa zurück. Ich wurde rot und musste meinen Blick von ihm abwenden. 

„Ich würde dich nie auf einer Bühne ficken wollen", flüsterte ich nach einer Weile und schüttelte den Kopf. Plötzlich fürchtete ich wieder, Clay könnte mich verarschen wollen. Vielleicht wollte er mich mit diesem Gesprächsthema fertig machen, sich über mich lustig machen. 

Nervös guckte ich ihn an. Seine Augen blitzten vergnügt, aber nicht hinterhältig. Er lachte über meine Antwort. „Wieso, Sean? Auf einer Bühne wäre es bestimmt auch geil! Denk mal an die vielen Zuschauer! Du hast doch auch eine exhibitionistische Ader in dir, genau wie jeder gute Schauspieler!" Er lachte amüsiert und räkelte sich weiter auf dem Sofa. Verwegen schob er seine Beine auseinander und schlug seinen Bademantel zur Seite. Er war immer noch nackt darunter, und ich sah mir eine Weile seinen Penis an, der nun ganz offen dort lag. 

Dann guckte ich in Clays Gesicht. Er lächelte und atmete tief. Dieses Spiel erregte ihn, wurde mir klar. Es erregte ihn tatsächlich, mir seinen Schwanz zu zeigen. Offensichtlich war er der wahre Exhibitionist von uns beiden. 

„Was tust du da?" erkundigte ich mich bei ihm. Mein Herz schlug unwillkürlich härter. Es war eine verwirrende, leider seltene Erfahrung für mich, dass Clay Banton sich mir so eindeutig anbot. Ich fragte mich, ob es vielleicht am Heroin lag. Oder ob er nur mit mir herumspielte. Vielleicht wollte er auch einfach nur sehen, wie weit er gehen konnte, bis ich mich nicht mehr beherrschen konnte und über ihn herfallen würde. Er testete mal wieder seine Grenzen aus, wie er es so oft tat. 

Aber das würde nicht passieren, schwor ich mir alarmiert. Diesmal nicht. Ich fühlte mich zu wohl, um mich von ihm manipulieren zu lassen. 

„Willst du mit mir ficken, Sean?" wollte Clay plötzlich von mir wissen. Überrascht starrte ich ihn an. Er lächelte atemlos. Ich versuchte sofort misstrauisch, seine wahren Absichten hinter dem Lächeln zu erkennen. Aber da war nichts. Wie immer handelte Clay spontan und ehrlich. Ich vermutete eine Hinterhältigkeit, wo wirklich keine war. 

Schlagartig wurde mir bewusst, dass er es tatsächlich ernst meinte. Er war angetörnt von dieser Situation. Von mir. Der Gedanke gefiel mir ungemein. „Willst du das wirklich?" fragte ich behutsam. Er schob seine Beine noch weiter auseinander und lehnte sich zurück. Er streichelte seine Leiste. „Sonst würde ich dich nicht fragen, Valmont", erklärte er mir ungeduldig. Dann schaute er ratlos auf seinen Schwanz. „Ich fühle mich echt.... angemacht... irgendwie", versuchte er verwirrt zu erklären. 

Mein Herz stolperte los. Ich konnte nicht widerstehen. Selbstverständlich konnte ich ihm nicht widerstehen, und das wusste er auch ganz genau. Ich beugte mich zu ihm, küsste ihn sanft und streichelte mich sehr langsam an seinem nackten Bein hinauf. Seine Haut fühlte sich ganz trocken an, er war warm und weich. 

Vorsichtig legte ich ihm meine Hand auf den Bauch. Clay stöhnte leise und behaglich. Er schloss die Augen und lieferte sich mir aus. Ich küsste mich zu seinem Ohr hin. „Warum hast du vor Eliza gewichst?" flüsterte ich amüsiert hinein. Die Sache interessierte mich tatsächlich, außerdem beschämte sie Clay. Es war eine kleine Retourkutsche von mir, für seine vorherigen peinlichen Fragen an mich. 

Er öffnete seine Augen und musste eine Weile überlegen. „Ich wollte doch nur, dass sie abhaut", erinnerte er sich nur widerwillig. „Du warst ziemlich gemein zu ihr, weißt du", warf ich ihm vor, „Ich glaube nicht, dass sie dir das so einfach verzeihen wird!" Aber Clay knurrte genervt: „Vergiss sie, Sean! Ich möchte jetzt wirklich nicht an Eliza denken!" Er griff nach meiner Hand. „Ich möchte, dass du dich ausziehst! Zieh sofort meine Klamotten aus!" verlangte er, plötzlich ungeduldig und gierig. Beinahe ängstlich, und doch voller Erwartung und Hingabe, guckte er mich an. Seine Pupillen waren winzig. Seine schönen Augen leuchteten grün. 

Die Situation erregte mich zunehmend und ich konnte gar nicht länger zögern. Es törnte mich extrem an, dass Clay mich atemlos lächelnd, beinahe hingerissen, intensiv beobachtete, während ich einen recht lustigen Striptease für ihn hinlegte. Wir lachten viel dabei, was die Sache entkrampfte und noch viel angenehmer machte. 

Ich zog mich für ihn aus und tanzte dabei für ihn. Ich zog sein Sweatshirt aus und spannte alle meine Muskeln für ihn an, die an meinen Oberarmen zuerst, dann die Brust- und Bauchmuskeln. Ich bewegte mich anmutig, während ich langsam seine Jeans und Unterhose auszog, drehte mich herum und tanzte eine ausgedachte Choreographie. 

Schließlich zeigte ich ihm meine Erektion, und er stöhnte überwältigt und starrte mich mit einer Mischung aus Unterwürfigkeit und Gier an. Ich hielt den Blickkontakt aufrecht, während er recht schnell steif wurde. Clays Augen verwandelten sich in Saugnäpfe voller sexueller Erregung. Er atmete laut und tief, lehnte sich zurück und schloss überwältigt die Augen. 

Schnell war ich bei ihm auf dem Sofa, um ihn umfassend zu liebkosen. Mir fiel auf, dass er sich seit mindestens 48 Stunden nicht mehr rasiert hatte. Seinen Bademantel hatte er ausgezogen, und ich nutzte die Gelegenheit, um seinen Körper genau zu betrachten. Sein breiter Brustkorb hob und senkte sich mit jedem tiefen Atemzug. Seine Rippen stachen beim Atmen hervor. Seine Brustwarzen verhärteten sich. 

Ich schaute an ihm herunter, während ich ihn überall küsste und streichelte. Er ist immer noch so sportlich, bemerkte ich fasziniert, sogar als süchtiger Junkie vernachlässigt er anscheinend sein Training nicht. Nicht nur seine wunderschönen Bauchmuskeln waren gut herausgebildet, er war allgemein sehr muskulös, sein Körper war stark und straff. Wenn doch nur seine Seele genauso gesund und stark wäre, fuhr es mir betrübt durch den Kopf. 

Doch im nächsten Moment verflüchtigten sich meine Gedanken wie von allein, und sie machten einer umfassenden sexuellen Erregung platz. Ich wandte mich atemlos seinen erogenen Zonen zu. Clays Schamhaar war immer noch rasiert und ganz kurz geschnitten. Sein bildhübscher Penis lag tatsächlich in meinem Mund, gewachsen und hart. „Sean...", seufzte er ergeben, „Sean..." 

Ich konnte eigentlich gar nicht begreifen, was hier passiert war, dass er sich mir auf diese direkte Art angeboten hatte. Sonst musste ich ihn nämlich fast immer erst behutsam auf diesen Weg führen. Das hier war ein realer feuchter Traum für mich. Clay Banton lieferte sich mir vollends aus. Sein dankbar lächelnder Blick traf mich aus halb geschlossenen Augen. Er küsste mich sehr zärtlich, berührte mich gekonnt und voller Hingabe. Später fickte er mich hart und entfesselt. Wir verschafften uns gegenseitig unglaublich intensive Genüsse, es war ein enorm lebhaftes Wechselspiel von hart und zart. Alles so langsam wie möglich, um es lange auszukosten. Das fiel uns nicht schwer, denn das Heroin packte alle unsere Emotionen in weiche Watte.

Clay

Lustige, etwas bizarre Sexspiele mit Sean Valmont. Immer wieder ein äußerst angenehmer Zeitvertreib. 

Ich befahl ihm, meine Klamotten auszuziehen, und er entblätterte sich tatsächlich für mich, enorm sexy und sehr unterhaltsam. Ich beobachtete ihn sehr intensiv dabei, und ich fand ihn in dieser Situation beinahe schmerzhaft attraktiv. Sean sah so verdammt gut aus, groß und stark, muskulös, extrem gut gebaut, mit seinen langen Beinen, dem breiten Oberkörper, seinem unglaublich hübschen Gesicht und den strahlend hellblauen Augen. 

Ich lag ganz ruhig dort und er kicherte ein bisschen beschämt. Die Späße halfen ihm wie immer durch seine anfängliche Schüchternheit, also alberten wir herum. Er bewegte sich extrem anmutig, während er sich langsam für mich auszog. Er zeigte mir all seine wunderbaren Muskeln an seinem perfekten Körper. Jede einzelne seiner Bewegungen war sehr gezielt, fast provozierend. Sein erotischer Striptease-Tanz schien nahezu einstudiert. Er war so harmonisch, so fesselnd und überwältigend, wie er es in seinem jahrelangen Studium gelernt hatte. Ja, der atemberaubende Sean Valmont war merkbar der erfolgreichste und begabteste Student in seinem Tanz-Seminar gewesen! 

Als er mir endlich seine Erektion zeigte, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich war wohl innerhalb von Sekunden total hart. Es übermannte mich. Sean kam nackt zurück zu mir auf das Sofa und legte einfach los. 

Es war nun wirklich keine Premiere, dass dieser Mann mit meinem Körper herumspielte. Er konnte das so enorm gut und es überwältigte mich jedes Mal nach einiger Zeit vollkommen. Er hatte diese einmalige Technik drauf, diese geile Mischung aus erregender Brutalität und einer Sanftheit, die mich immer halb wahnsinnig machte. 

Sean Valmont kannte meine Vorlieben ausgesprochen gut und er beherrschte dieses erregende Handwerk. Er fand erogene Zonen an mir, von denen ich selbst keine Ahnung hatte. Er zog mich vollends in sich hinein, bis nichts mehr von mir übrig blieb, nur noch pure Geilheit. Trotzdem steigerte es sich sehr langsam und ich dachte tatsächlich, es sollte nie aufhören. 

Sean legte sich über mich, leckte mich ab, küsste mich und saugte an mir herum. Ich krallte mich an ihm fest. Er entlockte mir Geräusche, die ich sonst niemals von mir gebe. Mit vor Aufregung leuchtenden Augen sah er mich an. Er atmete laut. Ich fand ihn nicht nur in diesem Moment wunderschön. 

Es bedurfte keiner Worte mehr zwischen uns. Jedes Wort wäre völlig überflüssig gewesen. Wir wussten beide, was zu tun war, und wir waren Meister in diesem geilen Sport, ein durch lange Erfahrung wirklich eingespieltes Team. Die shore hatte uns soweit betäubt, dass es ziemlich lange dauerte, bis wir die Kontrolle verloren. Alles an uns war gedämpft, umfassend in wohlige Watte gepackt, auch unsere sexuellen Empfindungen. 

Ich nahm seinen Schwanz in meinen Mund und versuchte ganz vorsichtig zu sein. Er war unglaublich hart. Sean stöhnte überwältigt, als ich ihn langsam leckte und saugte. Dann lehnte ich mich an ihn und wir waren uns sehr nah. Ich konnte an seiner Brust sein Herz hämmern hören. Wir küssten uns tief und innig. Wir zitterten beide in enorm wohligen Schauern. Wir erbebten, verschmolzen in unserer Erregung.

Zwischenzeitlich lagen wir ganz ruhig dort und guckten uns lange nur an, schwer atmend und mit halb geschlossenen Augen. Ich streichelte zart sein schönes Gesicht. Dieser Moment dürfte niemals vorbei gehen, fuhr es mir durch den Kopf. Dieses Gefühl ist so unglaublich geil. Ich liebe ihn so sehr, dachte ich plötzlich erstaunt. Ich möchte ihm für immer so nah sein. Er ist so wahnsinnig schön in seiner Geilheit. 

Aber die Natur der Sache forderte von uns wie selbstverständlich eine Steigerung. Uns drängte es ganz automatisch nach Erleichterung. Wir waren einfach nicht dazu fähig, die gewaltige Wucht unserer Gefühle noch viel länger zu ertragen. 

Also trieben wir es voran, wurden wild und gierig. Ich fickte ihn ziemlich brutal. Er fickte mich nicht minder heftig. Irgendwann zog er sich plötzlich zurück, zupfte sich das Kondom vom Schwanz und spritzte über meinen Bauch und meine Brust. Seine Muskeln kontrahierten hitzig. Er zuckte am ganzen Körper und stöhnte laut. Diesem schönen Mann bei seinem sexuellen Höhepunkt zuzusehen war fast mehr, als ich ertragen konnte. 

Sean lächelte atemlos, beugte sich zu mir herunter, holte Luft und blies gegen die Spitze meines fast schmerzhaft harten Penis. Der kühle Luftzug seines Atems genügte, um mich auf der Stelle explodieren zu lassen. Ich kam augenblicklich, zuckte rhythmisch zusammen und spritzte dabei über mich selbst. Ich wurde dabei fast ohnmächtig. Unser Ejakulat vermischte sich auf meinem nackten, schweißnassen Körper. 

Danach, viel später, nahm er mich in die Arme und streichelte meinen Kopf. Er sagte gar nichts. Er war fantastisch. Ich schämte mich nicht mal mehr, so durchgeknallt und so verwundbar zu sein.

Eliza

Ich war eigentlich viel zu wütend auf Clay, um so intensiv über ihn nachdenken zu wollen. Aber meine Gedanken kreisten automatisch um kein anderes Thema. Es war mir scheißegal, was weiter mit ihm passierte, redete ich mir ein, ich würde ihn endgültig abschreiben und vergessen. Wer mich so mies behandelte, wer so gewalttätig zu mir war, der verdiente nicht einen einzigen Gedanken mehr! 

Aber es wurmte mich ungemein, dass Sean Valmont diesen Draht zu Clay hatte, den ich offensichtlich nicht aufbauen konnte. Was war ihr Geheimnis? Etwa nur, dass sie beide Männer waren? Das wollte ich nicht gelten lassen. Ich hatte eine ganze Menge zu bieten, mit dem Sean nicht konkurrieren konnte, nicht mal annähernd, baute ich mich innerlich auf. 

Seufzend musste ich mir endlich eingestehen, dass ich nicht bereit war, so einfach das Feld zu räumen. Sicher, ich hatte längst Schluss mit Clay Banton gemacht. Aber ich liebte ihn noch immer. Ich konnte mir da nichts vormachen. Dieser ganze Mist war doch nur wieder wegen den Scheiß Drogen passiert! Eigentlich war Clay nicht so gemein. Er war sehr krank, und ich hatte vielleicht doch die Macht, ihm zu helfen. Er hatte es schon einmal geschafft vom Heroin loszukommen. Ganz sicher würde er es nochmal schaffen. Ich durfte ihm aus diesem Rückfall keinen Strick drehen. 

In meinem Kopf herrschte das totale Chaos. Viel zu lange Zeit irrte ich in der Stadt herum und konnte an nichts anderes denken als an Clay Banton, obwohl ich mir dafür gerne selbst in den Arsch getreten hätte. War ich denn wirklich bereit, diesen ganzen Irrsinn mit dem Entzug noch einmal mitzumachen? 

Ich wollte nicht nach Hause gehen, um nicht mit Rowina über diese Sache reden zu müssen. Was Rowina dazu sagen würde, konnte ich mir bildlich vorstellen. Sie würde mich energisch dazu auffordern, diesen kaputten Arsch endlich in den Wind zu schießen. Ich hätte etwas besseres verdient, als ausgerechnet so einen süchtigen, verrückten Penner, würde sie sagen. Und sie hätte recht damit. 

Nur konnte ich meine Gefühle nicht so einfach abschalten. Ich hatte es wirklich oft genug versucht. Aber mit diesem Mann war alles ganz eigenartig. Je schlechter es ihm ging, umso mehr fühlte ich mich anscheinend für ihn verantwortlich. Umso mehr hatte ich das Bedürfnis, in seiner Nähe zu sein. 

Ich lief ziellos durch die Stadt und fühlte den kalten Wind auf meinem Gesicht. Ich sehnte mich nach Clays Zärtlichkeiten. Ich versuchte zu verstehen, warum er mich so gemein und brutal aus seiner Wohnung geworfen hatte. Ich ging diese Situation immer wieder in Gedanken durch und versuchte, mich an jedes Detail genau zu erinnern. Was war bloß in Clay vorgegangen? Wollte er wirklich nur mit Sean Valmont allein sein? 

Aber nein, der Grund war etwas ganz anderes gewesen. Etwas, was Sean ihm geholt hatte, als er diese viertel Stunde lang verschwunden gewesen war. Und was konnte das schon anderes gewesen sein als seine absolute Lieblingsdroge!? 

Verblüfft blieb ich stehen, als mir plötzlich dieser Gedanke kam. Hatte Sean Valmont tatsächlich Heroin für Clay besorgt? Natürlich hatte er das!  Einen anderen plausiblen Grund gab es nicht für Clays irrationales Verhalten. 

Plötzlich war alles ganz klar und das machte mich wirklich fassungslos. Wie konnte Sean nur so verantwortungslos sein! Diese blöde, dauergeile Schwuchtel! Beileibe konnte ich verstehen, dass man sich in Clay Banton verlieben konnte. Und normalerweise nahm ich Sean das nicht einmal besonders übel, wenn die beiden nicht gerade Sex miteinander hatten. Aber heute war er definitiv zu weit gegangen. Er hatte kein Recht dazu, Clay in seiner Krankheit auch noch zu unterstützen. Ich würde mal ein sehr ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen. 

Entschlossen ging ich weiter. Ich wusste jetzt ganz genau, was zu tun war. Heute Abend gab es eine Vorstellung von Psychotic Kühlschrank, und ich würde den Jungs im Grenzland-Theater einen Besuch abstatten, den sie nicht so schnell vergessen würden. 

 

Sean

Ich stand mit ihm gemeinsam auf der Bühne, denn wir spielten zum x-ten mal Psychotic Kühlschrank zusammen. Clay agierte nahezu perfekt, was mich insgeheim überraschte, worüber ich aber auch sehr froh und wofür ich ihm sehr dankbar war. Er konnte seinen Text an diesem Abend tatsächlich wortgetreu und verwirrte mich nicht, wie sonst leider viel zu oft, mit seinen überraschenden Improvisationen. Wir waren inzwischen ein routiniertes, eingespieltes Team. Ich war das brutale Leben in verschiedenen Rollen, und er war der hilflose Kühlschrank. 

Für einen Samstagabend hatten wir zu meiner Betrübnis längst nicht genug Karten verkauft. Der Zuschauerraum war vielleicht höchstens zur Hälfte besetzt. Trotzdem spielten wir uns auch diesmal nahezu die Seele aus dem Leib. Wir hätten das auch für einen einzigen Zuschauer getan, denn unser Ehrgeiz wurde automatisch geweckt, sobald wir auf die Bühne traten. Unsere Ambitionen zwangen uns, immer alles zu geben, um die Zuschauer möglichst zu faszinieren.

Sogar Clay Banton, sonst nicht gerade mit übermäßigem Ehrgeiz gesegnet, entwickelte zu meiner ständigen Freude und Überraschung fast jedes Mal diese Leidenschaft, den Willen sich richtig anzustrengen, und sonst könnte ich auch auf Dauer gar nicht mit ihm arbeiten. Auf der Bühne verwandelten wir uns unwillkürlich in unsere Rollen. Clay war ein Meister darin, ganz in seiner Figur aufzugehen. Er war ein wahrlich talentierter Schauspieler und spielte seine Figur fast immer genau so, wie ich sie mir beim Schreiben vorgestellt hatte. 

Jetzt schrie ich ihn an, wie es der Text verlangte, und er parierte äußerst überzeugend, genau nach Skript. Alles klappte beinahe perfekt. Ich zwang mich erfolgreich, die Menschen im dunklen Zuschauerraum auszublenden, um meiner ständigen Nervosität keine Nahrung zu geben. Absolut konzentriert spielten wir dann auch die Kampfszenen, folgten Schritt für Schritt der Choreografie, an der ich so lange gefeilt hatte. Das waren immer einige sehr schwierige Momente, aber es gab keine größeren Probleme. Clay bewegte sich kraftvoll und harmonisch. Seine Sucht-Krankheit merkte man ihm nicht an. Niemand wäre auch nur auf die Idee gekommen, dass dieser Mann noch vor wenigen Stunden kotzend vom Heroin-Entzug über seinem Klo gehangen hatte. 

Die Aufführung lief zu meiner Erleichterung fast genau wie geplant, und anscheinend verließ diesmal auch kein Zuschauer vorzeitig, weil gelangweilt, den Raum, was ich aus den Augenwinkeln zwischenzeitlich nervös überprüfte. 

Ungefähr nach einer Stunde, etwa in der Mitte des Stücks, wurde die Musik, die Clay für exakt diesen Moment eingespielt hatte, genau so laut wie vorgeschrieben. Das Licht ging schlagartig aus. Ich eilte im Dunkeln ganz nach hinten, genau wie die Performance es von mir verlangte. Clay folgte mir schnell, denn er hatte nur eine Minute Zeit. Er zog sich hastig im Dunkeln seine Bühnensachen aus, während ich ihm mit einem schwarzen Seidenschal die Augen verband. Wir brauchten dafür nur die vorgesehene Minute. 

Gleich darauf trat er auch schon, in der Finsternis von den Zuschauern unbemerkt, ganz allein nach vorne, bis an den Rand der Bühne. Er konnte diese Strecke blind bewältigen, denn er hatte sich die Anzahl der Schritte genau gemerkt. Die laute Musik verstummte abrupt und sekundengenau. Vincent und Marc machten ihre Arbeit an Scheinwerfer und Computer hervorragend. Zwei Minuten lang war es dunkel und ganz still, nur im Zuschauerraum hustete oder tuschelte immer irgendjemand. 

Urplötzlich flammte das helle Licht wieder auf. Clay Banton stand ganz allein auf der Bühne, sehr nah vor den Zuschauern, ihnen zugewandt, völlig nackt im grellen Scheinwerferlicht. Nur seine Augen waren mit dem schwarzen Seidenschal verbunden. Sein provozierendes Outfit unterstrich die seelische Verfassung des Kühlschranks, denn er öffnete in diesem Moment blind seine Seele, ließ buchstäblich alle Hüllen fallen, und was übrig blieb waren nur die nackten Tatsachen. 

Auch nach dem x-ten mal gab es an dieser Stelle meiner Performance immer noch Ausrufe der Überraschung, Gekicher und Geflüster im Publikum. Aber Clay stand ganz ruhig dort, als wäre er vollkommen allein. Er war genau so einsam wie die Figur, die er verkörperte. Er breitete sehr langsam seine Arme aus und wartete die abgesprochenen zwei Minuten ab, um die Spannung noch weiter zu erhöhen. Erst dann spielte er seinen Monolog mit all seiner Energie. 

Es war ergreifend, immer wieder. Es verlor nichts von seiner Intensität, egal wie oft ich diese Szene von hinter der Bühne verfolgte. Ich hatte immer wieder den Eindruck, der Text, den ich für Clay geschrieben hatte, spräche ihm wirklich aus der Seele.

Eliza

Ich hatte mir einen Platz ziemlich weit hinten im nur halb gefüllten Zuschauerraum gesucht und verfolgte die Performance im Dunkeln sitzend, bequem in den Sessel gesunken. Clay hatte mir eine Dauerkarte für Psychotic Kühlschrank geschenkt, und ich hatte das Stück inzwischen schon unzählige Male gesehen. Es gefiel mir. Obwohl mir seine wahre Bedeutung nie richtig klarwurde. Es war ziemlich verwirrend, düster und pessimistisch in seiner merkwürdigen Aussage. Aber vielleicht gab es auch gar keine Botschaft. Es war vielleicht nur eine Geschichte, die aus Seans verwirrtem, traurigen Geist entsprungen war. 

In der Anfangszeit hatte es in den Zeitschriften einige mittelgroße Artikel über Psychotic Kühlschrank und seine Akteure gegeben, sogar überwiegend gute Kritiken. Es war im lokalen Fernsehen über sie berichtet worden, und sie waren im Internet immer noch mit ihrer Arbeit präsent. Aber inzwischen interessierte sich wohl kein Mensch mehr brennend für diese Performance, dazu lief sie einfach schon zu lange. Obwohl Sean seine Arbeit ständig ein wenig abwandelte, sanken die Zuschauerzahlen kontinuierlich. Doch die Jungs gaben nicht auf. Sie spielten sich mit unbändiger Energie zwei- bis dreimal in der Woche auf der Bühne die Seele aus dem Leib. Ich fand ihre Hartnäckigkeit auf eine Art bewundernswert. Aber andererseits war Sean einfach viel zu verliebt in sein Werk, um es aufzugeben, trotz der eindeutigen Anzeichen, das es längst Zeit für etwas Neues war. 

Clay Banton und Sean Valmont waren in meinen Augen nicht übermäßig gute Schauspieler. Aber sie gingen sichtbar in ihrer Arbeit auf. Sie beherrschten ihre Rollen perfekt. Sie brachten es mit ihrem Enthusiasmus fast immer irgendwie fertig, die Mehrheit des Publikums zu bannen. Die fesselnde Lightshow, die Kampfeinlagen, die Akrobatik, die Musik vom PC und die gute Live-Musik taten ihr Übriges dazu, dass es zumindest nie langweilig wurde. 

Aber gegen ihre Arbeitskollegin Charlotte, der einzigen Frau und einzigen anderen Person ihres Ensembles, kamen sie meiner Meinung nach nicht an. Charlotte war bei weitem die beste Schauspielerin in dieser Geschichte, fand ich. Sie spielen zu sehen, war immer eine Freude. Sie war eine starke Frau und spielte eine überraschend starke Rolle. Allein ihre Figur versöhnte mich jedes mal mit dem ganzen traurigen Rest der Performance. 

Nach ungefähr einer Stunde, circa in der Mitte der Aufführung, ging schlagartig das Licht aus, genau wie von mir erwartet. Jetzt kam endlich Clays großer Monolog. Vorher hatte er höchst eindrucksvoll mit Sean gekämpft, der nun im Dunkeln hinter der Bühne verschwunden war. Clay trat in der Finsternis allein nach vorne, bis an den Rand der Bühne. Als das Licht plötzlich wieder anging, war er vollkommen nackt, allein im grellen Scheinwerferlicht. Seine Augen waren mit einem schwarzen Schal verbunden, sodass er nichts mehr sehen konnte. Ich bewunderte ihn immer für seinen Mut, sich so unerwartet völlig nackt vor dem Publikum zu präsentieren. 

Die Reaktionen darauf waren ihm nicht immer besonders wohlgesonnen. Sehr oft wurde über ihn gekichert und getuschelt, manchmal erreichten ihn auch spöttische Zurufe. Aber er stand ganz ruhig dort, und niemand konnte bestreiten, dass er ein recht erfreulicher Anblick war. Er war ohne Zweifel, trotz seines ungesunden Lebenswandels, ein gut trainierter Mann. Sein Körper strahlte Gesundheit und Kraft aus. Gleichzeitig wirkte er unendlich traurig und einsam. Ich konnte den Text, den er nun aufzusagen hatte, beinahe schon Wort für Wort mitsprechen: „Ich bin ein psychotischer Kühlschrank", sagte Clay blind, aber mit lauter und klarer Stimme in den Zuschauerraum, „Ich möchte mir den Stecker rausziehen, damit ich etwas Wärme empfinden kann." Was immer das heißen soll, dachte ich spöttisch. 

Im nächsten Moment fiel mir auf einmal etwas ganz anderes auf. Ein junger Typ, der mit seiner Freundin ein paar Reihen vor mir gesessen hatte, stand plötzlich auf und schlich sich durch die Reihen näher an die Bühne. Noch bevor ich begriffen hatte, was da eigentlich vor sich ging, holte der Typ aus und warf mit großer Wucht einen Gegenstand auf Clay. 

Erschrocken sprang ich auf. Clay wurde wohl irgendwo an seiner Hüfte getroffen. Er ächzte entsetzt auf und torkelte nach hinten. Er hielt sich überrascht, verwirrt, die getroffene Stelle. Noch bevor er sich die Augenbinde abnehmen konnte, um etwas zu sehen, wurde er erneut getroffen. Der Typ schleuderte einen weiteren Gegenstand auf Clay, der ihn diesmal mitten im Gesicht traf. Clay stöhnte schmerzerfüllt, griff sich an die Stirn, taumelte und fiel dann einfach rücklings um. Dort blieb er bewegungslos liegen, nackt, blind, immer noch vom Scheinwerfer angestrahlt. Das Publikum war etwa zwei Minuten lang wie paralysiert. Anscheinend war sich wohl keiner ganz sicher, ob diese Aktion nicht vielleicht zur Performance gehörte, die ja schließlich experimentell war. 

Ich dagegen wusste nur zu gut, dass dieser feige Angriff nicht das geringste mit Psychotic Kühlschrank zu tun hatte. Deshalb rannte ich so schnell wie möglich nach vorne. Ohne zu zögern griff ich mir diesen Typen, der immer noch unten vor der Bühne stand und jetzt auch noch lauthals lachte. Auch seine Freundin, die neben ihm stand, amüsierte sich prächtig. „Was hast du gemacht, du Arsch? Was soll denn dieser Scheiß bedeuten?!" schrie ich ihn wütend an. Ich packte ihn hart am Arm, aber er lachte nur. Inzwischen waren Sean, Charlotte und Marc von hinter der Bühne aufgetaucht und beugten sich erschrocken über Clay, der sich nicht rührte. „Warum hast du das gemacht, du feiges Arschloch?" fragte ich diesen Typen immer wieder. Er antwortete mir nicht. 

Das übrige Publikum hatte inzwischen auch langsam gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Fast alle standen auf, kamen neugierig näher und fingen an zu reden. Handys wurden gezückt, sofort wurde eifrig gefilmt. Unzählige Fotos wurden geknipst. Ein ziemlicher Tumult entstand. 

Sean kam nun an den Rand der Bühne. Er hatte zwei mittelgroße, weiße Steine in der Hand. Offenbar waren das die Gegenstände, mit denen Clay so unfair K.O. geschlagen worden war. „Wer war das? Wer hat das geworfen?" schrie Sean unüberhörbar wütend und starrte suchend in die Menge. „Hier, Sean, dieser Typ war's!" rief ich ihm triumphierend zu. Ich war stolz auf mich, weil ich so schnell reagiert hatte. Dem Typen wurde es jetzt wohl zu ungemütlich, weil Valmont drohend auf ihn zukam und die anderen Zuschauer ihn überwiegend verachtend musterten. „Dieser Arsch wollte meine Freundin vergewaltigen!" schrie er lauthals und deutete energisch auf Clay, der immer noch bewegungslos auf der Bühne im hellen Licht lag und nichts mitbekam. Offensichtlich war er bewusstlos. „Ja, dieser blöde Psychopath wollte mich vergewaltigen!" rief die Freundin des Attentäters und nickte zustimmend. „Der ist gefährlich und total krank!" meinten beide und deuteten weiter auf Clay. 

Die Menge starrte verblüfft, verwirrt und verunsichert auf Clay, der wie angeklagt im Scheinwerferlicht lag. Das Gerede wurde lauter, alle diskutierten sofort über diese unglaubliche Information. Plötzlich riss der Typ sich von mir los und rannte mit seiner Freundin an der Hand zum Ausgang. Beide verließen fluchtartig das Theater, und niemand hielt sie auf. 

Kleine Blitzlichter flackerten auf. Unzählige Handys wurden filmend auf Clay gehalten. Sean und ich starrten uns einen Moment lang alarmiert an. Was hatte dieser Typ da gesagt? Was war das für ein unglaublicher Vorwurf? Ich konnte das nicht so leicht verdauen, aber Sean Valmont war zu sehr Profi, um sich nicht schnell wieder im Griff zu haben. Er rief Vincent, dem Beleuchter an den Scheinwerfern zu, er solle das Licht anschalten. 

Gleich darauf wurde es sehr hell im Theater. „Okay, Leute...", wandte Sean sich lauthals an die schwatzende Menge, „Wir können leider heute Abend die Performance nicht weiterspielen..." Die Zuschauer, die kaum Verständnis zeigten, murmelten wütend. Immerhin hatten sie Eintritt bezahlt und waren deshalb nicht erfreut über die Situation. Sean beruhigte sie sofort mit großen Gesten und lauter Stimme. „Wir spielen das Stück nächsten Samstag nochmal, und jeder von Ihnen bekommt eine Freikarte für diese Vorstellung nächste Woche! Bitte wenden Sie sich an Marc, er wird Ihnen einen Gutschein überreichen!" ordnete Sean selbstbewusst an und deutete auf Marc. Der guckte ihn irritiert an. Er war der Kulissenbauer des Ensembles, eine Art Requisiteur. Er bediente auch die Musikanlage und arbeitete ausschließlich hinter der Bühne. Es behagte ihm sichtbar überhaupt nicht, plötzlich so im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. „Wie soll ich das denn machen?" flüsterte er ängstlich. „Lass dir was einfallen. Gib ihnen im Foyer Gutscheine. Zur Not schreibst du selbst welche auf irgendwelche Zettel", zischte Sean ihm zu. Dann wandte er sich wieder an die Zuschauer: „Bitte folgen Sie Marc ins Foyer, dort gibt's die Freikarten!" Das Publikum war zum Glück überraschend schnell versöhnt und verließ zügig das Theater, laut schwatzend und diskutierend. Zu meinem Ärger erkundigte sich nicht ein einziger von ihnen nach Clays Befinden. 

Erneut flackerte ein grelles Blitzlicht auf. Und erst jetzt fiel mir der Mann mit der Profikamera auf, der unablässig Fotos von dieser unseligen Situation schoss. Marc verschwand mit einem vorwurfsvollen Blick auf Sean ins Foyer. Das Publikum folgte ihm ohne Ausnahme, alle waren wohl scharf auf ihre Freikarten. Endlich wurde es langsam ruhiger im Theatersaal. 

Der Mann mit der Kamera wandte sich an Sean. Ich kletterte eilig auf die Bühne und ließ mich dicht neben Clay nieder. Er lag immer noch auf dem Rücken, kam aber anscheinend langsam zu sich. „Ist schon okay. Ist nichts weiter passiert, glaube ich", sagte Charlotte, die neben ihm hockte, und lächelte mich grüßend an. Ich lächelte zurück. Dann schaute ich besorgt auf Clay Banton. Charlotte hatte ihm den schwarzen Schal abgenommen. Er hatte eine kleine, blutende Wunde zwischen den Augen. Stöhnend hielt er sich den Kopf. „Was ist passiert?" fragte er leise, „Ich kann nicht..." Er versuchte ächzend, sich aufzusetzen. Sofort schoss ihm rotes Blut aus der Nase. „Wow! Nein! Bleib liegen!" entfuhr es mir erschrocken. 

Charlotte und ich drückten ihn zurück auf den Boden. „Bleib ruhig liegen, Clay!" bat Charlotte ihn eindringlich. „Nein, ich will...", widersprach er verärgert und setzte sich auf. Wieder hielt er sich stöhnend den Kopf. Dann schmeckte er wohl das Blut, das ihm aus der Nase in den Mund lief. Verwundert wischte er sich mit den Fingern über das Gesicht und betrachtete dann völlig verwirrt seine blutverschmierten Hände. „Oh Fuck!" fluchte Clay, „Was..." „Leg dich wieder hin!" forderte ich ihn auf. Clay ignorierte mich. Er starrte eine Weile auf das Blut, dann verdrehten sich seine Augen und er sank rücklings zurück auf den Boden, als würde er ohnmächtig. „Fuck!" wiederholte er entsetzt, „Meine Nase! Was ist mit meiner Nase? Ist sie gebrochen?!" Seine Stimme war jetzt voller Panik. Nervös wälzte er sich auf dem Boden herum und stöhnte vor Schmerz und Angst. 

Charlotte und ich hatten Mühe, ihn ruhig zu halten. Hilfesuchend schauten wir zu Sean, der immer noch unten vor der Bühne mit dem Mann mit der Kamera sprach. „Wow!" entfuhr es Charlotte, als sie den Mann erkannte. „Wer ist das?" fragte ich sie, „Ein Reporter?" „Nicht irgendeiner!" informierte sie mich, „Der kommt von ArtHouse! Ich hatte keine Ahnung, dass der heute im Publikum saß."

Gemeinsam betrachteten wir den Reporter der führenden Kunstzeitschrift, während wir den zappelnden Clay auf den Boden drückten. Bisher hatte ArtHouse sich noch nie für das Grenzland-Theater, geschweige denn für Sean Valmont oder seine Performance Psychotic Kühlschrank interessiert. Diese Off-Theater-Stücke waren eigentlich nicht ihr Ding, sie berichteten normalerweise nur über wirklich große Produktionen an renommierten Theatern.

„Das ist doch super!" sagte ich und schaute Charlotte an. Ihr Blick sagte etwas anderes. „Oder?" fragte ich vorsichtig. Sie lächelte gequält. „Ich weiß nicht, ob es so super ist, wenn der erste Bericht über uns im ArtHouse davon handelt, dass einer unserer Schauspieler ein potentieller Vergewaltiger ist!" erklärte sie mir seufzend. Ich verstand. 

Mit aufkommender Wut taxierten wir Clay, der immer noch nackt auf dem Rücken zwischen uns lag, sich unruhig auf dem Boden herumwälzte und jammerte. „Was ist passiert?" stöhnte er panisch und atemlos, „Wie sehe ich aus? Ist meine Nase gebrochen?!" Charlotte holte tief Luft. „Sei doch um Himmels Willen nicht so verdammt eitel, Clay!" schrie sie ihn verärgert an und schlug ihn gegen die Rippen. Clays Augen weiteten sich ängstlich. Konfus sah er von Charlotte zu mir und hob schützend die Arme. „Was ist los? Was ist denn passiert?" wollte er wissen und betastete prüfend seine Nase. Er hatte wirklich keine Ahnung. 

Seine mit schwarzem Kajalstift umrahmten Augen flackerten nervös. Sein weiß geschminktes Gesicht war jetzt voller Blut, das immer noch aus seiner Nase strömte, seinen Hals hinab auf den Boden tropfte und seine nackte Brust befleckte. Plötzlich tat dieser Mann mir leid. „Wir sollten was gegen das Nasenbluten tun", erklärte ich und kramte in meiner Jacke nach einem Taschentuch. Damit wischte ich Clay über das Gesicht, aber das Bluten hörte kaum auf. Er wich mir stöhnend aus. „Bleib liegen und rühr dich nicht!" fuhr ich ihn ungeduldig an. Schließlich gab er seine Gegenwehr auf und fixierte mich nur noch alarmiert. Das Taschentuch bewirkte allerdings nur, dass sich das warme Blut mit der schwarzen und weißen Schminke in seinem Gesicht vermischte. Clay sah jetzt aus, als wäre er wirklich schwer verletzt. 

„Bist du ein Vergewaltiger, Clay Banton?!" fragte Charlotte ihn plötzlich geradeheraus mit wütend lauter Stimme. Er fuhr entsetzt zu ihr herum und starrte sie perplex an. „Was?!" entfuhr es ihm völlig fassungslos. „Du hast mich schon verstanden", meinte sie ziemlich geringschätzig. „Nein!" wehrte er entgeistert ab, „Nein, nein, ich bin kein Vergewaltiger! Natürlich nicht! Wie kommst du denn darauf?!" 

Untergeben und vollends verwirrt irrte sein Blick von Charlotte zu mir und wieder zurück. Er war immer noch nackt und lag auf seinem Rücken, was eine sehr unterwürfige Position war, die ihm nicht viel Autorität verlieh. Als ihm das klar wurde, wollte er unbedingt aufstehen. „Ihr seid ja verrückt!" warf er uns vor, „Was ist denn mit euch los?" „Bleib liegen, verdammt!" fuhren wir ihn an und drückten ihn gewaltsam auf die Erde zurück. „Du bleibst jetzt liegen!" befahl Charlotte ihm lauthals. „Was willst du denn von mir, Charlie?!" fragte er sie atemlos voller Panik. „Bleib liegen, Clay!" wiederholte sie nur streng. Er sank auf den Boden zurück, stöhnte konfus und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf. „Ich weiß überhaupt nicht...", jammerte er leise und war dann still. Besiegt schloss er die Augen. 

Ich betrachtete ihn nachdenklich mit einer Mischung aus Wut und Mitleid. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Typ die Steine nicht ohne Grund geworfen hatte. Aber hatte Clay wirklich versucht, dieses Mädchen zu vergewaltigen? Würde ich Clay das zutrauen? Oh ja! Ich würde ihm tatsächlich unter bestimmten Voraussetzungen fast alles zutrauen, wurde mir seufzend bewusst. Es gab keinen Zweifel daran, dass Clay Banton zu solchen kriminellen Taten durchaus fähig war. Immerhin war er heute erst dazu fähig gewesen, mich gewaltsam aus seiner Wohnung zu werfen.

Clay

Ich spielte an diesem Abend Psychotic Kühlschrank auf der Bühne im Grenzland-Theater, genau wie unzählige Male zuvor. Alles lief perfekt. Ich hatte diese Performance schon so oft gespielt, dass meine Rolle mir längst vollständig vertraut war. Ich kannte jedes Wort meines langen Textes auswendig. Es lief fast wie von selbst ab, ich war voll konzentriert und bekam von den Zuschauern nicht besonders viel mit. Außerdem war es dunkel im Publikum, ich konnte von der Bühne aus gerade mal die ersten Reihen erkennen. Ich konzentrierte mich auf diese schwierige Kampfchoreographie in der anstrengendsten Szene mit Sean. Alles funktionierte genau so, wie das Textbuch es verlangte. Wir kämpften sehr brutal zu der lauten Musik, aber ohne uns zu verletzen. 

Danach verschwand Sean hinter der Bühne ins Dunkel. Ich folgte ihm in die Finsternis und zog mich hastig aus. Er verband derweil fachmännisch meine Augen. Ich versuchte wie immer, nach dem Kampf möglichst schnell wieder zu Atem zu kommen, denn den folgenden, langen Monolog musste ich sprechen, ohne dabei nach Luft zu schnappen. Mir blieben dafür nur wenige Minuten. 

Es waren genau sieben Schritte bis an den Rand der Bühne, die ich im Kopf abzählte. Dann stand ich wieder einmal nackt vor den Leuten, blind, hörte Gekicher und Getuschel, spürte die Wärme des hellsten Scheinwerfers angenehm auf meiner Haut. Ich fühlte mich sehr wohl in diesem Moment, irgendwie aufgeputscht vom Adrenalin. Die Gewissheit, dass alle Augen auf mich gerichtet waren, dass diese Menschen meinen nackten Körper neugierig studierten, gab mir jedes Mal erneut einen ganz besonderen, irgendwie geilen Kick. 

Ich breitete wie vorgeschrieben meine Arme seitwärts aus, streckte meinen Rücken und blieb zwei Minuten lang ganz ruhig stehen. Sean meinte, das würde die Spannung erhöhen, also gehorchte ich ihm. Langsam wurde es ganz still im Theater. Schließlich holte ich tief Luft und spielte mir förmlich meine Seele aus dem Leib. Ich war der psychotische Kühlschrank in diesem Moment. Es gab absolut nichts anderes mehr in meinem Kopf. Die Worte strömten wie von allein über meine Lippen, aus den tiefsten Winkeln meiner Seele. Ich war einsam und verzweifelt, präsentierte der Dunkelheit mein unverhülltes Innerstes und lieferte mich damit ihrer Bewertung aus. Ein Moment der unverhüllten Wahrheit. Ich hatte das Gefühl, dass mein Auftritt perfekt lief. 

Aber im nächsten Moment ging plötzlich alles mit einem Schlag gegen meinen ungeschützten Körper kaputt. Ich spürte einen schmerzhaft harten Aufprall, ungefähr an meinem linken Hüftknochen, und taumelte erschrocken rückwärts. Ich hatte es zwar schon früher erlebt, dass Zuschauer Gegenstände nach mir warfen. Aber diesmal war es wirklich äußerst schmerzhaft, ich konnte es nicht einfach ignorieren. Irritiert wollte ich mir den Seidenschal von den Augen schieben, um nachzusehen, was passiert war. Gleich darauf wurde ich zum zweiten Mal getroffen. Etwas sehr Hartes prallte plötzlich brutal gegen mein Gesicht. Entsetzt, fast panisch versuchte ich mit meinen Händen, mich irgendwie zu schützen. Aber im nächsten Augenblick wurde mir auch schon rasend schwindelig und alles wurde schwarz. Ich verlor das Bewusstsein. Ich hatte keine Ahnung, was passiert war oder was mich getroffen hatte. 

Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Rücken. Der Schal über meinen Augen war verschwunden. Charlotte und Eliza hockten neben mir und fauchten mich unfreundlich an. Die beiden Frauen hinderten mich gewaltsam am Aufstehen, und mein Schädel dröhnte so sehr, dass ich mich nicht gegen sie wehren konnte. 

Ich brauchte eine Weile, um mich zu orientieren. Ich lag immer noch auf der Bühne, immer noch nackt, das helle Deckenlicht war angeschaltet. Mein Kopf schmerzte höllisch. Ich hatte das schreckliche Gefühl, mein Gesicht wäre völlig zerstört. Ich konnte kaum atmen. Warmes, metallenes Blut floss aus meiner Nase in meinen Mund, und ich geriet in Panik. Charlotte und Eliza wurden immer unfreundlicher, immer wütender auf mich, und ich konnte mir nicht erklären, warum. Hilfesuchend sah ich mich nach Sean um, konnte ihn aber nicht sehen. Ich bekam das Gefühl, jeden Moment den Verstand oder erneut das Bewusstsein zu verlieren.

Sean

Zu allem Unglück sprach mich der Reporter von ArtHouse an und wollte ein Interview mit mir machen. Unter anderen Umständen hätte mich nichts mehr erfreut, aber an diesem Abend war das einfach nur totaler Mist. „Ist an dem Vorwurf etwas dran, dass Clay Banton ein Vergewaltiger ist?" fragte der Reporter mich, „Wie erklären Sie sich diese Attacke mit den Steinen? Wie gehen Sie damit um, wenn sie derart angegriffen werden?" „Was ist das für eine merkwürdige Performance, dieses Psychotic Kühlschrank? Was soll das alles eigentlich bedeuten?" wollte er hartnäckig wissen, „Kommt es oft vor, dass Mitglieder Ihres Ensembles auf der Bühne angegriffen werden?" 

Ich war wirklich nicht in der Verfassung, um charmant zu sein, ihm intelligent zu antworten, oder mich irgendwie geschickt aus dieser Affäre zu ziehen. Der brutale Angriff auf Clay hatte mich viel zu sehr geschockt. Diese hinterhältige Tat war mehr als unfair gewesen. Auf einer Bühne, nackt, angestrahlt von Scheinwerfern, war man so verflucht hilflos, so extrem ausgeliefert dem Publikum und vollkommen wehrlos. Dieser feige Typ, der tatsächlich zwei mittelgroße Steine auf Clay geworfen hatte, hätte nicht bösartiger handeln können. Auch wenn seine Wut vielleicht sogar berechtigt war. 

Ich fragte mich unwillkürlich, ob tatsächlich etwas an diesem Vorwurf dran war. Und gleich darauf, je länger ich darüber nachdachte, hatte ich auch schon keinen Zweifel mehr daran. Offensichtlich hatte Banton wieder einmal richtig große Scheiße gebaut. So etwas passierte ihm. Und jetzt drohte meine Performance wegen diesem Mist in die negativen Schlagzeilen zu geraten. Es war so gut wie sicher, dass die Bilder und Videos dieses Vorfalls längst im Internet kursierten. Und ausgerechnet heute Abend musste auch noch ein Reporter von ArtHouse im Publikum sitzen! 

Ich dachte verzweifelt, wahrscheinlich hat sich die ganze Welt gegen mich verschworen, und ich versuchte dabei charmant lächelnd, den Reporter zu beruhigen. Er war trotz seiner unangenehmen Fragen auf eine merkwürdige Art freundlich. Er war merkbar gierig auf eine gute Story, und diese pikante Sache kam ihm offensichtlich gerade recht. Psychotic Kühlschrank ist für ihn im Grunde uninteressant, dachte ich, und das machte mich ziemlich wütend. Aber ich zwang mich, mir nichts anmerken zu lassen, und lächelte ihn unentwegt an. Ich antwortete auf seine Fragen, so gut ich es eben konnte. Aber in dieser Situation konnte ich es überhaupt nicht gut. Ich wusste nichts von irgendeiner versuchten Vergewaltigung. 

Als der Reporter neugierig mit Clay sprechen wollte, hielt ich ihn freundlich aber bestimmt zurück. Ich erklärte ihm, mein Bühnenpartner wäre im Moment nicht in der Lage, auf seine Fragen zu antworten. Charlotte auch nicht. Als Ersatz bot ich ihm einen Termin für ein Interview mit dem ganzen Ensemble am nächsten Montag an. Er war sofort einverstanden, ließ es zum Glück überraschend schnell gut sein und verließ endlich grüßend das Theater. 

Eine Weile stand ich allein vor der Bühne und schaute ihm nachdenklich hinterher. Ich atmete tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Dann konnte ich plötzlich Clay hören, der auf der Bühne nach mir rief. Meine hilflose Wut konzentrierte sich in diesem Moment ganz auf Clay Banton. Zweifellos war es allein seine Schuld, dass dieser so vielversprechend begonnene Abend sich in einen bösen Albtraum verwandelt hatte. Dies war eine Katastrophe, deren Auswirkungen ich mir nicht einmal vorstellen wollte. Ich wusste in diesem Moment nicht einmal, ob wir je wieder Psychotic Kühlschrank spielen konnten. Ich bekam das dringende Bedürfnis, meine steigende Wut abzureagieren. 

Mit ein paar Sätzen war ich auf die Bühne geklettert, wo Clay zwischen Charlotte und Eliza auf dem Rücken lag. Als er mich entdeckte, streckte er mir hilfesuchend die Arme entgegen. „Sean!" rief er verzweifelt. Seine Augen waren angstvoll weit aufgerissen und flackerten vor Schmerz und Panik. Ich betrachtete ihn geringschätzig. Sein Gesicht war voller Blut und schwarz-weißer Theaterschminke. 

Ich hob die beiden Steine auf, die ich zurück auf die Bühne geworfen hatte. Es waren die runden, weißen Steine aus den schweren Blumenkübeln, die an der Bar im Foyer des Theaters standen. Der Werfer muss sie wohl von dort mit zur Bühne genommen haben, überlegte ich. Dann ging ich auf Clay zu, der mich vollkommen verwirrt anstarrte. „Sean!" wiederholte er kläglich, „Wie sehe ich aus? Ist meine Nase gebrochen?" Er war trotz dieser verdammten Katastrophe tatsächlich immer noch der eitle Schauspieler. Charlotte und Eliza verdrehten genervt die Augen. „Sein Aussehen ist alles, was ihn interessiert!" informierte Charlotte mich und schlug Clay gegen die Rippen. Er hob abwehrend die Hände und drehte sich von ihr weg zu mir. 

Ich stand jetzt dicht über ihm und hielt ihm die Steine auf der flachen Hand hin. „Weißt du, was passiert ist, Clay?" fragte ich ihn laut. Er hielt sich stöhnend den Kopf. „Ich bin getroffen worden...", meinte er lahm. Dann fixierte er irritiert und alarmiert die Steine in meiner Hand. Anscheinend wurde ihm in diesem Moment klar, dass auch ich, neben den beiden Frauen, ihm zur Zeit nicht besonders wohlgesonnen war. Ich hob drohend meine Waffen hoch. „Ja, du bist getroffen worden, Clay, und zwar von diesen scheiß Dekosteinen!" brüllte ich ihn an und pfefferte einen der Steine dicht neben seinem Kopf mit Wucht auf den Bretterboden der Bühne.

Die Frauen schrien erschrocken auf und sprangen auf die Beine. Clay krächzte entsetzt: „Sean!" und versuchte hastig von mir wegzukriechen. Ich schleuderte den zweiten Stein und traf Clay hart an seinem nackten Hinterteil. „Das gibt aber hässliche blaue Flecken, Sean", bemerkte Charlotte trocken. Ich ignorierte sie und fing stattdessen damit an, Clay zu treten, der auf dem Boden vor mir wegrutschte, unentwegt jammerte und mich verwirrt und ängstlich anstarrte. Er hatte offenbar wirklich keinen Schimmer, was überhaupt los war. Clay Banton konnte sich meine Wut nicht erklären. Wenn ich nicht so wütend gewesen wäre, dann hätte er mir vielleicht leid getan in seiner Hilflosigkeit. 

Aber so trat und schlug ich nur eine Weile auf ihn ein. Er war so angeschlagen, dass er mich kaum abwehren oder mir ausweichen konnte. Er keuchte nur, stöhnte vor Schmerz und Angst. Seine schwarz geschminkten Augen waren weit aufgerissen und flatterten nahezu vor Nervosität. Seine Nase blutete immer noch. Ich trieb ihn energisch vor mir her, bis zur Rückwand der Bühne, wo es für ihn nicht mehr weiterging. Einige Kulissen stürzten unterwegs um. Clay wimmerte jetzt nur noch, hatte sich irgendwie eingerollt und seinen Kopf schützend in den Armen vergraben. 

Ich trat ihn noch ein paarmal, dann hielt Charlotte mich endlich zurück. „Hey, lass es gut sein, Sean! Der hat genug!" bat sie mich eindringlich. Ich guckte auf Clay, der tatsächlich angefangen hatte zu schluchzen. Plötzlich tat dieser dumme Mann mir leid. „Schon gut", lenkte ich ein und wandte mich Charlotte zu. „Ich fürchte nur, dieser Reporter von ArtHouse könnte uns echt Ärger machen", erklärte ich ihr seufzend. Sie nickte. „Wir müssen versuchen, das irgendwie abzuwiegeln. Wir müssen seine Aufmerksamkeit auf das Stück lenken, und weg von Clays Eskapaden", schlug sie vor. Sie behielt wie immer einen kühlen Kopf. 

„Am Montag kommt er zum Interview mit uns hierher. Kommst du auch?" fragte ich. „Klar", meinte sie lächelnd und strich über meinen Arm. „Wir kriegen das schon hin, Sean. Mach dir keine Sorgen", versuchte sie mich aufzumuntern. Dann drehte sie sich herum und verließ die Bühne in Richtung der Garderobe. Ich stand dort, sah ihr nach und wünschte mir, ich könnte auch so optimistisch sein wie sie.

Eliza

Valmont war wirklich extrem wütend auf Clay. Er trat und schlug ihn äußerst gewalttätig, was ich Sean gar nicht zugetraut hatte und worüber ich dementsprechend erschrocken war. Clay konnte dem nichts entgegensetzen, und er tat mir beinahe leid in seinem Schmerz. Schließlich ließ Sean von ihm ab und redete mit Charlotte, die ihn zum Glück endlich zurückgehalten hatte. Ich ließ mich wieder neben Clay auf dem Boden nieder, der nun, immer noch nackt und zusammengekrümmt, an der Rückwand der Bühne lag, den Kopf schützend in den Armen vergraben. 

„Hey, Clay, ist schon gut...", sprach ich ihm zu und strich ihm leicht über den Kopf. Er ließ die Arme sinken und guckte mich an. Er war sehr blass unter dem Blut und der ganzen Farbe in seinem Gesicht. Er schwitzte stark. Seine hübsche Nase blutete immer noch. „Liz...", stöhnte er hilflos, „Ich glaube, ich werde ohnmächtig..." Im nächsten Moment seufzte er merkwürdig und sackte in sich zusammen. Spucke lief aus seinem Mund, seine Augen verdrehten sich. Der verletzte Mann verlor wahrhaftig nochmal sein Bewusstsein. 

In diesem Augenblick war all meine Wut auf Clay Banton völlig verraucht, denn er war so hilflos, wie man nur sein konnte. Und ich fühlte mich ihm schon wieder so überlegen. Dieses riesige Machtgefühl stellte sich aufs Neue ein, was ich so oft ausschließlich mit diesem Mann genoss. Voller neuer Zuneigung streichelte ich über seinen Kopf. Dann fühlte ich an seinem Handgelenk seinen Puls, der alarmierend schnell pochte. Ich beugte mich über seine nackte Brust und legte mein Ohr auf sein Herz, was kräftig schlug. Seine Haut fühlte sich heiß und nass an, er war blutbeschmiert. 

„Was ist mit ihm los?" fragte Sean, der plötzlich neben uns stand. Charlotte war verschwunden. Ich sah zu ihm hoch. Er betrachtete Clay mit einer Mischung aus Wut und Mitleid. „Clay ist plötzlich ohnmächtig geworden", informierte ich ihn mit leisem Vorwurf. Sean lachte spöttisch. „Tatsächlich?" „Sein Herz schlägt so schnell", sagte ich leicht beunruhigt. Sean stieß abwertend die Luft aus. „Und wenn schon! Was machen wir jetzt mit dem Arsch?!" „Lass ihn uns in die Garderobe tragen. Wir legen ihn aufs Sofa", schlug ich vor. Sean betrachtete Clay eine Weile nachdenklich, dann war er einverstanden. Er fasste Clay energisch unter den Achseln, ich packte ihn mühsam an seinen Kniekehlen. Wir hoben den nackten, erschlafften Körper gemeinsam hoch. Er war ganz schön schwer. 

In diesem Moment kam Vincent auf die Bühne, der Beleuchter. „Kann ich gehen, Sean?" fragte er mit einem spöttischen Blick auf Clays nackten Leib. Sean blies genervt die Luft aus. „Was denkst du denn? Dass wir heute noch das Stück weiterspielen, oder was?!" „Schon gut." Vincent hob abwehrend die Hände und wandte sich zum Ausgang. „Ich wünsche euch noch außergewöhnlich viel Spaß mit Mister Banton, ihr Zwei!" rief Vincent voller Hohn und verließ das Theater. 

Sean und ich warfen uns einen irgendwie beschämten Blick zu. „Was meint er denn damit?" fragte ich. Sean zuckte die Achseln. „Was weiß denn ich!?" Wir trugen Clay langsam und in mühevoller Arbeit von der Bühne, dann die Treppe hinunter bis zur Garderobe, ohne uns anzusehen. Wir waren peinlich berührt. Wir wussten beide nämlich ganz genau, was Vincent gemeint hatte. Es war schließlich kein großes Geheimnis, dass wir beide sexuelle Kontakte mit Clay Banton hatten. 

Verlegen trugen wir unsere Beute in die Garderobe und legten sie auf das alte Sofa, was dort stand. Die Garderobe war leer, anscheinend war Charlotte schon gegangen. Ich ließ mich dicht neben Clay nieder und wischte ihm mit meinem Taschentuch nochmal über das verschwitzte, blutige Gesicht. Ich überprüfte seine Nase, die glücklicherweise langsam aufhörte zu bluten. Sie war nicht gebrochen, soweit ich das beurteilen konnte. 

Sean ging zu seiner Jacke, die über einem Stuhl hing, holte eine Schachtel Marlboro heraus, zündete sich eine Zigarette an und lief unruhig hin und her. „So eine Scheiße!" fauchte er nach einiger Zeit, „So eine verfluchte Scheiße aber auch!" „Was wollte denn dieser Reporter von dir?" erkundigte ich mich bei ihm. Sean fuhr wütend zu mir herum. „Was glaubst du wohl? Für den ist diese Vergewaltigungsgeschichte doch ein gefundenes Fressen! Der kann mir total schaden, wenn er will! Ich bin erledigt als Theaterregisseur!" „Warte doch erst mal ab!" versuchte ich ihn zu beruhigen. Er rauchte wütend und blies die Luft aus. „Er wird diese Szene in seiner Story erwähnen, Eliza! Für ihn ist das einzig Interessante an Psychotic Kühlschrank, dass einer der Darsteller der Vergewaltigung beschuldigt wird!" meinte er grimmig. Ich war erstaunt darüber, dass Sean seine eigene Arbeit so gering einschätzte. 

Wir starrten beide eine Weile anklagend auf Clay. Er lag nackt auf dem Rücken auf dem Sofa. Seine Augen waren halb geschlossen. Er war ohnmächtig und rührte sich nicht. „Denkst du, an diesem Vorwurf ist etwas dran?" fragte ich Sean vorsichtig. Er antwortete nicht, aber sein Blick sprach Bände. Sean kannte Clay mindestens so gut wie ich, wahrscheinlich sogar besser, um ihm diese Sache auf jeden Fall zuzutrauen. Diese Dinge passierten Banton, weil er impulsiv und unvernünftig war, weil er immer nur an sein eigenes Vergnügen dachte. Wieder betrachteten wir Clays nackten Körper und schwiegen. Ich zündete mir eine Zigarette an. Dann ging ich zum Waschbecken, machte mein Taschentuch nass, lief zurück zum Sofa und versuchte, Clay das verschmierte Gesicht sauber zu reiben. Das klappte aber nicht besonders gut. 

Sean lief immer noch nervös in dem kleinen Raum hin und her, der nur durch einige Lampen rings um einen großen Spiegel beleuchtet wurde. „So ein Mist! Warum muss dieser Mensch ständig so eine Scheiße bauen!?" fluchte er vor sich hin. „Dieser verdammte Vollidiot!" schimpfte er über Clay. Ich drehte mich interessiert zu ihm hin und beobachtete ihn. 

Sean Valmont lief hin und her, rauchte nervös und ignorierte mich jetzt völlig. Er war vollends damit beschäftigt, seiner Wut über Clay und die missglückte Theateraufführung irgendwie Ausdruck zu verleihen. „Der macht mich total fertig, der Mann! Ich kann nicht mehr! Der zerstört mich noch mal völlig! Der macht mir alles kaputt, dieser Wichser! Aber ich komm einfach nicht von dem los!" klagte Sean nun verzweifelt. Er drehte mir dabei den Rücken zu und ich gewann den Eindruck, Valmont hätte auf einmal vollkommen vergessen, dass ich auch noch in der Garderobe war und dass ich alles hörte, was er sagte. Ich war überrascht, wie offen und ehrlich er sich äußerte. Und ich war noch mehr überrascht darüber, dass ihn anscheinend in Bezug auf Clay Banton ganz genau die gleichen Gefühle plagten, wie mich selbst. Irgendwie gerührt stand ich auf. 

Eine Weile war es ganz still. „Ach, Fuck!" fauchte Sean hilflos und warf seine Kippe auf den Boden. „Warum hast du ihm Heroin besorgt?" fragte ich in die Stille hinein. Sean drehte sich zu mir um und guckte mich erstaunt an, beinahe erschrocken. Anscheinend hatte er meine Anwesenheit tatsächlich irgendwie ausgeblendet. Jetzt war er verlegen und verwirrt, weil ihm klar wurde, dass ich all seine intimen Geständnisse gehört hatte. „Was?" entfuhr es ihm zerstreut. „Warum hast du Clay Heroin besorgt?" wiederholte ich meine ernste Frage. Sean schloss die Augen und drehte sich von mir weg. „Es wäre besser für ihn, wenn er entziehen würde!" setzte ich hinzu. Ich musterte Sean, der eine Weile nur dort stand, die Augen geschlossen, tief atmend. Er wirkte sehr hilflos und plötzlich irgendwie begehrenswert auf mich. Ich hatte auf einmal das Bedürfnis ihn anzufassen, einfach zu ihm hinzugehen und Sean Valmont in meine Arme zu schließen. 

Aber natürlich rührte ich mich nicht von der Stelle. Sean öffnete nach einiger Zeit seine hellblauen Augen wieder und fixierte mich lauernd. „Selbstredend ist es besser für ihn, wenn er entzieht", stimmte er mir leise zu. „Warum zum Teufel besorgst du ihm dann dieses scheiß Zeug!" fuhr ich ihn verständnislos an und machte einen Schritt auf ihn zu. Sean hob automatisch abwehrend die Hände. „Ich wollte doch nur, dass er heute Abend Theater spielen kann", erklärte er irgendwie beschämt und sah mich mit seinen schwarz geschminkten blauen Augen an. Sein Blick berührte mich auf irgendeine Weise. Sean sieht so unglaublich gut aus, dachte ich irritiert, er ist so verdammt sensibel. Wie konnte ich nur in Clays Wohnung so dermaßen gemein zu ihm sein? „Das war aber ziemlich egoistisch von dir!" warf ich ihm vor, um mich abzulenken.

Insgeheim rechnete ich es Sean hoch an, dass er nicht mal den Versuch machte, mich anzulügen und seine Schuld abzustreiten. Er respektiert mich zu sehr, um mich anzulügen, dachte ich beeindruckt. „Du musst das verstehen, Liz, diese Performance ist alles für mich! Da steckt mein ganzes Leben drin!" vertraute Sean mir an und ging an mir vorbei zum Sofa. Er stand dort und starrte auf Clay runter, der immer noch reglos auf dem Rücken lag. Dann seufzte Sean und wandte sich wieder zu mir. „Wenn ich allerdings vorher gewusst hätte, dass dieser Arsch mir heute Abend sowieso alles kaputtmacht, dann hätte ich ihm ganz sicher nicht seine blöde Lieblingsdroge gekauft." Er schaute mich traurig an. Ich betrachtete sein bildhübsches Gesicht und war ganz durcheinander von seiner Ehrlichkeit. Ich konnte mich nicht erinnern, dass dieser Mann je so offen zu mir gewesen wäre, sich mir so verletzlich gezeigt hätte. 

Einige Zeit standen wir einfach so dort, sahen uns an und schwiegen. Nur ganz langsam näherte ich mich ihm. Sean bemerkte das, blieb reglos stehen und fing damit an, erwartungsvoll zu lächeln. Seine unmittelbare Nähe verursachte mir plötzlich Herzklopfen. Mir wurde ganz schwindelig, und das wollte ich auf keinen Fall akzeptieren. Ich versuchte mir einzuhämmern, dass Sean Valmont, so hübsch und begehrenswert er auch sein mochte, immer noch mein stärkster Rivale war. 

„Wie war es denn mit Clay im Whirlpool?!" fragte ich ihn geradeheraus. Sein Lächeln starb augenblicklich. Er seufzte und schüttelte abwehrend den Kopf. „Was hast du denn gemacht, nachdem du aus dem Badezimmer gerannt bist, Sean? Hast du dir einen runter geholt?" fragte ich ihn herausfordernd in der Absicht, meine aufkommenden Gefühle für ihn zurück in vernünftige Bahnen zu lenken. Außerdem wollte ich ihn vielleicht dafür bestrafen, dass er, als offen schwuler Mann, solche Gefühle überhaupt in mir wecken konnte. „Nein, Liz, stell mir nicht solche Fragen", seufzte Sean und schüttelte weiter mit dem Kopf. „Warum denn nicht? Ist deine sexuelle Erregung dir peinlich?" wollte ich provozierend wissen. Er schüttelte weiter seinen hübschen Kopf und wich meinem Blick aus. 

Danach war es abermals eine Weile still. Ich fragte mich plötzlich, warum ich schon wieder so gemein zu ihm war. Er war doch so offen zu mir gewesen, so ehrlich. Er wirkte so angreifbar und traurig. Warum zur Hölle hatte ich das dringende Bedürfnis, ihm wehzutun? Ich dachte verwirrt darüber nach, kam aber zu keinem Ergebnis. 

Sean schaute nun erneut auf Clay runter. Ich folgte seinem Blick. Clay kam anscheinend endlich wieder zu sich. Er stöhnte leise und wälzte sich ziemlich langsam auf dem Sofa herum, die Augen halb geschlossen. Valmont atmete hörbar ein. „Ich sag dir jetzt, wie es ist", eröffnete er mir mit klarer Stimme, ohne den Blick von Clay abzuwenden. Interessiert guckte ich ihn von der Seite an. Der Mann wirkte jetzt sehr entschlossen, dennoch fiel es ihm merkbar nicht leicht, mir das Folgende zu sagen. „Jedes mal, wenn ich Clay Banton sehe, dann möchte ich ihm die Seele aus dem Leib ficken, so sehr liebe und begehre ich ihn!" erklärte Sean mir und sah mich herausfordernd an. Ich war noch zu perplex von seiner Offenheit und seiner Aussage. Mir fiel spontan keine Erwiderung ein. Sean grinste wütend und holte nochmal tief Luft. „Und jedes mal, wenn ich ihn sehe, dann möchte ich ihm gleichzeitig die Eingeweide rausprügeln, weil er so ein ignorantes Arschloch ist!" vollendete er sein Geständnis. Ich war ganz überwältigt von Seans Worten. „Mir geht es ganz genauso, Sean", flüsterte ich verwirrt. 

Er lachte ziemlich grimmig, drehte sich kurzentschlossen herum und lief schnurstracks zum Waschbecken. Er nahm den Metalleimer unter dem Becken hervor und füllte ihn am Hahn mit kaltem Wasser. Nach einer Minute kam er zurück. „Höchste Zeit, ihn aufzuwecken", meinte er wütend und schüttete das Wasser mit einem Schwall über Clays Gesicht. Offensichtlich war Sean Vamont auf einmal darum bemüht, diese merkwürdige Vertrautheit zwischen uns, diese greifbare Verlegenheit zu einem Ende zu bringen. Ich stand dort und fühlte mich wie gelähmt. Noch nie hatte jemand meine Gefühle für Clay in Worte gefasst. Noch niemals waren sie mir selbst so klar gewesen. Ich hatte keine Ahnung gehabt.

Clay

Alles tat mir weh. Ich fühlte es, noch bevor ich erwachte. Es war ein Schmerz tief in mir und in jeder Faser meines Körpers. Ich konnte mich nicht erinnern, was passiert war. Ich wollte nie wieder aufwachen, aber der Schmerz wurde stärker. Ich stöhnte und versuchte, ihm irgendwie zu entkommen, was natürlich sinnlos war. Mir war kalt. Ich sehnte mich nach einem Versteck, einer dunklen, ruhigen Zuflucht. 

Aber dann traf mich plötzlich literweise eisiges Wasser im Gesicht und ich fürchtete, ich würde ertrinken, und ich war mit einem Schlag wach. Ich riss erschrocken die Augen auf, musste sie aber sofort wieder schließen, weil mein Schädel zu zerplatzen drohte. Ich hob schützend die Hände vor mein Gesicht. Das Wasser war eisig kalt, mein Kopf, mein Hals und mein Oberkörper waren nass, was mich erschaudern ließ. „Was ist denn los?" fragte ich verwirrt. Meine Zunge klebte am Gaumen, mein Mund fühlte sich völlig trocken an. Ich habe keine shore mehr, dachte ich beunruhigt. 

„Du bist in Ohnmacht gefallen, du blöde Tunte!" spottete jemand viel zu laut. Ich erkannte Seans Stimme und öffnete vorsichtig meine Augen. Er stand neben mir und guckte überheblich auf mich herunter. Stöhnend hielt ich mir den Kopf. Dann sah ich verwirrt, erschrocken meine Hände an, die voller Blut waren. „Was ist denn passiert?" wollte ich wissen, schluckte trocken und schaute ihn hilfesuchend an. Er grinste ziemlich gemein. Mir wurde bewusst, dass Valmont aus irgendeinem Grund sauer auf mich war. Der Gedanke machte mir Angst. Ich stöhnte nochmal und drehte mich herum, um mich zu orientieren. Anscheinend lag ich auf einem Sofa, immer noch nackt, auf dem Rücken. Ich erkannte die Garderobe des Grenzland-Theaters und Eliza. Sie stand neben Sean und fixierte ihn ganz merkwürdig. Warum schaut sie ihn so an, dachte ich irritiert, warum hilft sie mir nicht? 

„Du hast meine Performance kaputtgemacht, Clay, erinnerst du dich?!" warf Sean mir hart vor und ließ sich dicht neben dem Sofa auf den Boden sinken. Wütend und anklagend starrte er mich an. Ich fühlte mich vollkommen ausgeliefert und hilflos. Ich war nackt, mir war kalt, und alles tat mir weh. Mein Kopf ruhte auf der Sofalehne, und ich schaute mir verwirrt meinen Körper an. Meine Brust war nass und blutig. Ich hatte eine Platzwunde am linken Hüftknochen, die ziemlich schmerzte. Mein Schwanz sah winzig aus, irgendwie eingezogen, und ich schämte mich für ihn. „Kannst du dich an irgendwas erinnern?" drängte Sean mich deutlich ungeduldig. Ich versuchte, mich zu erinnern. Mein Kopf fing an zu dröhnen. 

Langsam erinnerte ich mich an Psychotic Kühlschrank, meinen perfekten Auftritt heute Abend. Ich erinnerte mich aber auch an harte Gegenstände, die mich an der Hüfte und am Kopf getroffen hatten. Stöhnend richtete ich mich auf dem Sofa auf. „Ich habe überhaupt nichts kaputtgemacht! Ich bin angegriffen und verletzt worden!" verteidigte ich mich, und die Erinnerung schlug beinahe körperlich auf mich ein. Panisch griff ich nach meinem Gesicht, um zu überprüfen, ob es ernsthaft entstellt war. „Wo kommt das ganze Blut her? Ist meine Nase gebrochen?" fragte ich atemlos. Sean zischte wütend und packte mich hart am Oberarm. „Nein, deine scheiß Nase ist nicht gebrochen, Banton! Ist das alles, was dich interessiert?!" schrie er mich an und knuffte mich äußerst unfreundlich, „Stell dich nicht so an! Du bist von scheiß Steinen getroffen worden und nicht von einer Atombombe!" „Steine?" „Ja, zwei scheiß Deko-Steine aus dem Foyer!" „Warum haben die im Foyer so große Steine liegen? Das ist ja gefährlich!" beschwerte ich mich und warf einen hilfesuchenden Blick auf Eliza. Aber sie stand nur dort und starrte immer noch Sean an. Sie war völlig in Gedanken versunken und schien mich gar nicht wahrzunehmen. Was zur Hölle ist hier los, fragte ich mich.

Meine Angst wuchs, als ich Seans vor Wut funkelnden Augen sah. Ich fühlte mich ihm hilflos ausgeliefert und das kotzte mich ganz schön an. Außerdem tat mir alles weh. Ich hatte das dringende Bedürfnis, sofort mehr als einen Chinesen zu rauchen. 

„Sean", sagte ich hilflos und wich seinem wütenden Blick aus, „Es tut mir leid." „Natürlich!" spottete er, „Es tut dir ja immer leid, Clay, jedes mal!" Wieder knuffte er mich schmerzhaft. Ich guckte ihn beschissen unterwürfig an. „Es tut mir leid, Sean! Was soll ich denn sagen? Ich habe das doch nicht extra gemacht! Ich habe mir heute wirklich Mühe gegeben und ich war richtig gut auf der Bühne! Ich weiß nicht, warum jemand Steine auf mich wirft, verdammt!" machte ich den mühsamen Versuch, Sean zu beschwichtigen. Aber er lachte nur grimmig. 

„Weißt du das wirklich nicht?" meldete sich plötzlich Eliza zu Wort. Sofort wandte ich mich ihr zu. Ich schaute sie intensiv an, in der Hoffnung, dass sie mir beistehen würde. Es war Seans Performance und er war verflucht empfindlich mit seiner Arbeit. Aber Eliza würde mich vielleicht besser verstehen. Sie würde vielleicht Mitleid mit mir haben, hoffte ich. Aber nur ein einziger Blick ihrer braunen Augen genügte mir, um mich eines Besseren zu belehren. Scheiße, dachte ich, Scheiße, die haben sich beide gegen mich verschworen! Diese Gewissheit machte mir augenblicklich eine Heidenangst. Mein Herz klopfte hart. Ich stöhnte verwirrt und guckte hilflos von einem zum anderen. 

„Weißt du das wirklich nicht, Clay?" wiederholte Sean drohend und ließ mich endlich los. Nun standen beide neben dem Sofa und starrten feindselig auf mich runter. Ich setzte mich auf und bemühte mich, größeren Abstand zu ihnen zu gewinnen, indem ich auf dem nassen Sofa nach hinten rutschte. „Was ist denn nur los?" fragte ich unsicher mit trockener Kehle, „Was wollt ihr denn eigentlich von mir?" Misstrauisch blickte ich von Sean zu Eliza. Beide taxierten mich schweigend, was mich fast verrückt machte. 

Das Schweigen wurde immer bedrohlicher, und ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen, als rücklings zum Ende des Sofas zu rutschen. „Ich... muss jetzt gehen...", sagte ich schließlich leise, ohne sie anzusehen, und wollte aufstehen. Ich wollte so schnell wie möglich aus diesem Irrsinn entkommen, einfach rausgehen, die scheiß Garderobe verlassen und mir auf der Stelle shore besorgen. Ich hatte das dringende Verlangen nach Heroin, nach irgendetwas, was meinen Schmerz zuverlässig betäuben würde. Ich konnte es nicht länger aushalten, von Sean und Eliza so subversiv bedroht zu werden. Ich hatte echt keinen Schimmer von ihren Gründen und ich wollte sie auch gar nicht wissen. Ich wollte nur noch weg. So schnell wie möglich. Sofort. 

Aber kaum stand ich endlich auf meinen viel zu wackeligen Beinen, da sprang Valmont mich auch schon förmlich an und riss mich zurück auf das Sofa. Er schlug mich erneut und kam dann irgendwie auf meinem Bauch zu sitzen. Wütend starrte er auf mich runter und hielt brutal meine Arme fest. „Du bleibst jetzt hier, Freundchen!" zischte er mich drohend an. „Nein! Lass mich los, Sean!" stöhnte ich, „Lass mich gehen!" „Du bleibst hier und redest mit mir!" beharrte Sean viel zu laut. „Was willst du denn hören?!" schrie ich aufgebracht. 

Alles drehte sich. Mir war schwindelig und mir wurde schlecht von seiner rauen Behandlung. Ich hatte jetzt wirklich Angst vor diesem zornigen Mann. Meine Augen fingen an zu flattern. „Ich will endlich die Wahrheit hören!" verlangte Sean überdeutlich. Ich starrte ihn konfus an. Mein Schädel drohte wieder zu zerplatzen. Ich stöhnte und atmete schwer. „Ich weiß überhaupt nicht, was du von mir willst", seufzte ich hilflos und musste die Augen schließen. Ich merkte, dass ich es nicht mehr aushalten konnte, dass Sean so brutal zu mir war. Ich hatte keine Ahnung, was zur Hölle ich ihm angetan oder womit ich seine Behandlung verdient hatte. Ich lag einfach so dort und wollte am liebsten auf der Stelle kotzen oder sterben.

Sean

Irgendwann saß ich auf seinem nackten Bauch, er unter mir auf dem Sofa. Ich war über ihn gebeugt und hielt seine Arme fest. Ich versuchte zu erraten, ob er nur so tat, oder ob er wirklich keine Ahnung hatte, was um ihn herum geschah. Immer wieder beteuerte er, dass er nicht wüsste, was ich von ihm wollte. „Sag mir jetzt einfach die Wahrheit, Clay", wiederholte ich ruhiger. Er guckte mich mit nervös flatternden Augen defensiv an. Ich konnte seine Angst vor mir förmlich spüren, und das gefiel mir ungemein. Ich fühlte mich ihm haushoch überlegen. Und das war ich in diesem Moment auch, denn Clay war äußerst angeschlagen von diesem Steine-Angriff. 

Außerdem konnte ich mir ausrechnen, dass die shore langsam ihre Wirkung verlor. Ich konnte es ja selbst spüren, wie die beruhigende, angenehme Wärme des Heroins sich langsam vollständig aus meinem Körper verflüchtigte. Ich war in der Lage, mich damit abzufinden, aber Clay war nahe daran, dringend einen neuen Nachschub zu benötigen. Der Stress, dem er ausgesetzt war, schien seinen Entzug zu beschleunigen. Aber nun hatte ich ihn in der Hand, er war mir hilflos ausgeliefert, und das genoss ich eine Weile sehr. Einen langen Moment stellte ich mir unwillkürlich vor, ihn hier und jetzt flachzulegen. 

Aber dann brachte sich plötzlich Eliza in Erinnerung, indem sie sagte: „Vielleicht kann er sich tatsächlich nicht erinnern, Sean." Clay schaute sofort hoffnungsvoll zu ihr hin. „Ja genau, ich kann mich nicht erinnern, ich kann mich überhaupt nicht erinnern!" beteuerte er. „Halt's Maul!" fuhr ich ihn genervt an, auf einmal wütend, weil Eliza auch in diesem Raum war und damit einen heißen, brutalen Fick mit Clay unmöglich machte. 

Jetzt ließ sie sich auch noch dicht neben Clay auf das Sofa sinken und strich ihm beruhigend über das Gesicht, was immer noch voller Blut und Schminke war. „Hast du wirklich keine Ahnung, warum der Typ die Steine auf dich geworfen hat, Clay? Kannst du es dir denn nicht wenigstens denken?" wollte sie viel zu sanft von ihm wissen. Clay schüttelte den Kopf. „Ich weiß gar nichts! Welcher Typ denn? Ich habe doch gar nichts gesehen!" betonte er mit rauer Stimme. Dann schaute er wieder zu mir. „Ehrlich, Sean, ich weiß gar nicht..." „Du hast seine Freundin vergewaltigt, du blödes Arschloch!" unterbrach ich ihn lauthals. 

Im nächsten Augenblick herrschte Totenstille. Ich konnte ihn unter mir nach Luft schnappen fühlen. Er starrte mich mit aufgerissenen, schwarz geschminkten Augen an, vollkommen geschockt, verwirrt und nicht in der Lage, sich irgendwie clever aus dieser Anschuldigung herauszuwinden. Clay Banton war in diesem Moment so verwundet, wie man nur sein konnte. Er war unfähig zu einem klaren Gedanken. Er war unfähig, sich mir zu entziehen, mir auch nur irgendwas entgegenzusetzen. Er konnte mich nicht mal mehr anlügen. Plötzlich fand ich ihn wieder ziemlich sexy und musste meinen Blick abwenden. Ich schaute Eliza an, die irgendwie fasziniert Clays heftige Reaktion beobachtete. 

Er brauchte ziemlich lange, um meine Information zu verarbeiten. Dann atmete er tief. „Ich habe noch niemals...", fing er ruhig an und hustete trocken. Interessiert betrachteten wir ihn. Er setzte erneut an, seine Stimme war nun sehr leise, sie zitterte. „Ich habe noch niemals... noch nie in meinem ganzen Leben... auch nur irgendjemanden vergewaltigt", behauptete er vollkommen überfordert. Zu meiner Überraschung rollte eine Träne aus seinem Auge über sein Ohr auf das Sofa. Dann schloss er die Augen und schluchzte unterdrückt. 

Ich ließ seine Arme los und richtete mich auf. Plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr so wohl in meiner Machtposition. Unsicher warf ich einen Blick auf Eliza, die immer noch Clay ansah, dann aber ihre Augen auf mich richtete. „Was hältst du davon?" wollte ich von ihr wissen. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht." Anscheinend war sie plötzlich genauso unsicher wie ich.

Langsam stand ich vom Sofa auf. Clay drehte sich sofort von uns weg auf die Seite und vergrub seinen Kopf ins Polster, so gut das ging. Er schluchzte leise. Eine ganze Weile standen wir einfach so dort und sahen ihn an. „Vielleicht sollten wir später noch mal mit ihm darüber reden?" schlug Liz vor, und ich nickte zustimmend. Ich war plötzlich sehr müde. Ich hatte keine Lust mehr auf diese hässliche Auseinandersetzung. Vielleicht hatte Clay Banton wirklich keine Ahnung. Womöglich hatte er seine kriminelle Tat einfach vergessen. Oder vielleicht hatte dieser Typ die Steine auch nur auf ihn geworfen, weil er meine Performance so schlecht fand. Ich konnte ohnehin nichts mehr daran ändern, was an diesem Abend passiert war. Langsam, resigniert ging ich zum Spiegel und fing damit an mich abzuschminken.

Eliza

Ich hockte mich neben Clay, der immer noch nackt auf der Couch lag, und strich ihm beruhigend über den zuckenden Rücken. Er ignorierte meine Berührung, deshalb streichelte ich seinen nassen Kopf und seinen muskulösen Nacken. Er lag auf der Seite, mir abgewandt. Ich sah mir seinen Rücken und seinen hübschen Hintern an. Dort, wo Sean ihn mit dem Stein getroffen hatte, bildete sich ein dunkler Bluterguss. 

Clay Banton reagierte nicht wirklich auf mich, aber mit der Zeit wurde sein Schluchzen weniger, bis er endlich damit aufhörte und bewegungslos da lag. „Ist schon gut, Clay, beruhige dich doch", flüsterte ich leise. Er drehte sich sehr langsam zu mir herum und blickte mich traurig an. Sein Gesicht war nass, voller Farbe und getrocknetem Blut. Seine Augen waren vom Weinen gerötet. „Gar nichts ist gut, Eliza", sagte er heiser. Dann streckte er die Hand aus. „Bitte gib mir was zu trinken!" bat er mich eindringlich. „Ich habe nichts", antwortete ich bedauernd. Er zeigte zu den Schränken. „In meinem Spind", informierte er mich müde. Ich stand auf und ging zu seinem Schrank. Auf dem Weg warf ich einen Blick auf Sean. Der stand mit dem Rücken zu mir am Waschbecken und wusch sich wohl das Gesicht. 

Das Vorhängeschloss an Clays Schrank war offen, deshalb konnte ich die schmale Tür aufklappen. Die kleine Flasche Mineralwasser fiel mir sofort ins Auge. Ich nahm sie, klappte den Schrank wieder zu und ging zurück zum Sofa, wo Clay mich schon sehnsüchtig erwartete. Er richtete sich auf, riss mir die Flasche förmlich aus der Hand, drehte sie auf und trank gierig mit großen Schlucken Mineralwasser. Natürlich verschluckte er sich und hustete haltlos. Er spuckte und rang nach Luft. Ich klopfte ihm lächelnd auf den nackten Rücken. „He, nicht so gierig", tadelte ich ihn sanft. 

„Gib mir was zu rauchen!" forderte er mich auf, als er wieder Luft bekam. Ich überhörte seinen befehlenden Tonfall und gab ihm eine Zigarette und Feuer. Er rauchte tief mit zitternden Fingern. Überhaupt zitterte er jetzt am ganzen Leib. Er war nackt, und erst jetzt fiel mir auf, wie kalt es in dieser Garderobe war. Der Mann fror so stark, dass sein teils nasser Körper sich mit einer Gänsehaut überzog. Voller Mitleid beobachtete ich ihn eine Weile. Dann ärgerte ich mich, weil ich schon wieder nicht mehr halb so wütend auf ihn war, wie ich es hätte sein sollen. Ich darf ihn nicht so leicht davonkommen lassen, hämmerte ich mir ein. Ich will jetzt wissen, ob er mich anlügt. 

„Warum hast du mich so gewaltsam aus deiner Wohnung geworfen?" fragte ich ihn und taxierte ihn eindringlich. Er seufzte tief, zog an seiner Zigarette und wich meinem Blick aus. „Sag es mir, Clay", forderte ich ihn drohend auf, „Sag mir die Wahrheit!" Er stöhnte genervt und warf mir einen Blick zu. „Mir ist echt kalt, Liz! Wo sind meine Sachen? Kannst du mir nicht meine Sachen holen?" versuchte er abzulenken. Ich schlug ihn verärgert gegen die Brust. „Nein, ich hole dir deine scheiß Sachen jetzt nicht! Ich möchte jetzt nur noch die Wahrheit von dir hören, kapiert?!" Erneut wollte ich ihn gegen die Brust schlagen. Er wehrte mich ab und versuchte aufzustehen. „Ich muss mir was anziehen...", informierte er mich abweisend. Energisch packte ich ihn am Arm und zog ihn ruckartig zurück auf das Sofa, bis er dicht neben mir zum Sitzen kam. „Eliza...", protestierte er hilflos. „Warum hast du mich so dermaßen brutal aus deiner scheiß Wohnung geworfen, Banton?" wiederholte ich meine Frage laut und überdeutlich. 

Clay begriff, dass er mir nicht ausweichen konnte. Er stöhnte gequält und hielt sich den Kopf. Er brauchte viel zu lange, um eine plausible Antwort zu finden. Ich bekam den Eindruck, dass er sich kaum noch an diesen bösen Vorfall in seiner Wohnung erinnern konnte, als er mich brutal gegen die Wand geschubst hatte. Das machte mich ziemlich wütend. 

„Ich wollte dir nicht wehtun...", antwortete er endlich irgendwann zögernd und guckte mich unterwürfig an. Er rauchte tief und hustete dann. Ich zog wütend die Luft ein. „Du wolltest mir nicht wehtun?! Soll das ein Witz sein?!" fauchte ich ihn an. Seine immer noch schwarz geschminkten Augen zuckten nervös. „Wenn ich dich verletzt habe, dann tut es mir leid", erklärte er leise, ohne mich anzusehen. Offenbar wollte er schon wieder aufstehen und sich so meiner Anklage entziehen. Ich packte ihn hart am Arm und riss ihn zurück. Er seufzte und hielt sich den Kopf. Ich starrte ihn böse an. „Du hast mich total gewalttätig aus deiner scheiß Wohnung geworfen, Clay! Du hast mich brutal gegen deine Wand geschubst! Und jetzt fragst du mich ernsthaft, ob mich das verletzt hat?!" „Eliza..", stöhnte er überfordert, zog an seiner Zigarette und warf sie danach auf den Boden, „Bitte, lass es doch gut sein." 

Als Antwort darauf lachte Sean plötzlich laut auf. Ich drehte mich zu ihm hin. Er stand am Waschbecken, offenbar fertig abgeschminkt. Er war gerade dabei, sich das schwarze Sweatshirt über den Kopf zu ziehen, was zu seinem Bühnenoutfit gehörte. „Was gibt es da zu lachen?" fuhr ich ihn an. Er hob die Schultern und grinste. „Wahrscheinlich gar nichts", meinte er und zog sich das Sweatshirt aus. Eine Weile schaute ich ganz automatisch auf seine hübsche, gänzlich unbehaarte Brust, den muskulösen Bauch. Dann riss ich mich von diesem erbaulichen Anblick los und sah wieder Clay an. Der lächelte amüsiert, weil er meinen Blick auf Seans nackten Oberkörper bemerkt hatte. Das machte mich verlegen, und ich packte ihn wieder am Arm. 

„Warum hast du mich rausgeworfen, Clay? Ich möchte das jetzt endlich wissen, hörst du?!" wiederholte ich laut. Clay zögerte einen Moment, dann fixierte er mich plötzlich entschlossen. „Ich wollte ungestört mit Sean ficken", erklärte er mir merkbar aufmüpfig. Er sagte das natürlich, um mich zu provozieren, das wusste ich sofort, und selbstverständlich hatte er großen Erfolg damit. Augenblicklich war meine Wut auf ihn wieder da. Ich zog scharf Luft ein.

Sean quittierte Clays Aussage mit einem lauten Lachen und rief: „Hört, hört!" Ich warf ihm einen wütenden Blick zu, und er verstummte. Clay grinste mich jetzt herausfordernd an. Nur seine nervös flatternden Augen passten nicht so recht zu seiner plötzlich gespielten Stärke. Ich kannte den Blick seiner Augen zur Genüge. Es war dieser irre Ausdruck, die beginnende Panik, wenn sein Entzug nicht mehr sehr weit weg war. Clay Banton ist wieder heroinabhängig, wurde mir brutal bewusst, und er lügt mich an. Ich ließ resigniert seinen Arm los. Er stand sofort auf, rang um Gleichgewicht und blickte dann zu mir herunter, immer noch trotzig und herausfordernd. „Ja, ich wollte unbedingt mit Sean Valmont ficken, Liz. Ich ficke nämlich verdammt gerne mit Sean, und deshalb habe ich dich aus meiner Wohnung geworfen! Bist du jetzt zufrieden?!" Aufsässig starrte er mich an und wartete auf meine Antwort. „Nein, bin ich nicht!" entgegnete ich nach einiger Zeit cool und stand ebenfalls auf. Clays Augen zuckten ängstlich, und er wich tatsächlich einige Schritte vor mir zurück. Offenbar hatte er Angst, dass ich ihn jetzt wieder schlagen würde. Aber ich lächelte ihn nur müde an. 

„Das stimmt nicht, Clay. Du lügst mich dreist an. Und das wissen wir alle hier ganz genau!" setzte ich ihm vollkommen ruhig auseinander. Damit nahm ich ihm allen Wind aus den vorgespielten Segeln. Clay wurde durch meine Worte verwirrt und verunsichert. Er sah hilfesuchend zu Sean hin. Dieser Blick machte mich noch wütender. Warum zur Hölle muss er sich jetzt ausgerechnet von Sean Hilfe versprechen, fragte ich mich. Warum gibt er nicht einfach zu, dass ich recht habe? Warum entschuldigt er sich nicht einfach bei mir? Aber Clay sah Sean an, und Sean schüttelte liebevoll lächelnd seinen Kopf. Da war es wieder, dieses unzerstörbare, unsichtbare, starke Band zwischen den beiden Männern! Ich hätte auf der Stelle ausrasten können! In diesem Moment hatte ich mit einem Schlag keine Lust mehr, mich überhaupt noch mit Clay Banton zu beschäftigen. Sollte er von mir aus doch zur Hölle fahren! 

Clay schaute wieder zu mir, und mein Gesichtsausdruck veranlasste ihn augenblicklich dazu, noch weiter vor mir zurückzuweichen. Er ging rückwärts und trat dabei auf eine wohl noch glimmende Kippe, die auf dem Boden lag. Augenblicklich schrie er schmerzerfüllt auf und hielt sich den rechten Fuß fest. Die heiße Kippe hatte eine Brandwunde auf seiner nackten Fußsohle hinterlassen. Auf einem Bein hüpfend und laut fluchend bewegte er sich durch die Garderobe. Das geschieht dir recht, du verdammter Lügner, dachte ich gehässig.

In diesem Moment verlor Clay sein mühsames Gleichgewicht und stürzte laut polternd zu Boden. Er krachte irgendwo zwischen Couch und Wand runter und blieb dort stöhnend liegen. Sean und ich sahen uns eine Weile spöttisch grinsend an. Dann ging ich neugierig die paar Schritte zu Clay hin und schaute auf ihn hinunter. Er lag nackt auf dem Boden und stierte ziemlich konfus zu mir herauf. „Ich muss mich anziehen...", sagte er ganz leise. „Natürlich musst du das!" fuhr ich ihn an. Ich fand es zum Kotzen, dass Clay jetzt einfach zur Tagesordnung überging, nur weil er mit dieser Situation und meiner Wut überfordert war. Ich beugte mich energisch zu ihm herunter. Sofort hob er schützend seine Arme hoch, als würde er neue Schläge von mir erwarten. Er hat tatsächlich Angst vor mir, merkte ich nicht ohne Genugtuung. 

„Was willst du denn von mir hören, verdammt!" jammerte Clay lauthals los, „Was willst du denn von mir?!" Ich betrachtete ihn geringschätzig. „Gar nichts, Banton, ich will überhaupt nichts mehr von dir, das kannst du mir glauben!" Clay hielt sich jetzt wieder den Kopf und stöhnte. „Ich verstehe dich nicht, Liz", bemerkte er verwirrt. „Ich wollte nichts weiter, als die Wahrheit von dir hören. Aber das ist jetzt egal", erklärte ich ihm ruhig. 

Er lag dort nackt in dieser schmutzigen Ecke auf dem Boden und schaute mich defensiv an. Dieser Mann sah jetzt sehr kaputt und angeschlagen aus. Und er war sichtbar vollkommen konfus. „Liz, ich...", setzte er nach einer Weile an, aber ich unterbrach ihn sofort rau: „Spare dir weitere Lügen, Clay! Ich möchte von dir jetzt nichts mehr hören!" „Aber ich...", protestierte er leise. „Hör mir gut zu!" fuhr ich ihn an. Er verstummte und betrachtete mich völlig verständnislos. Ich guckte ihm geradewegs in die dunklen Augen. „Sollte dir noch ein einziges mal einfallen, nachts um drei mit Steinen nach meinem Fenster zu werfen, dann hol ich die Polizei und lass dich verhaften, ist das klar?!" informierte ich ihn gefährlich leise. Clay zuckte zusammen und starrte mich ungläubig an. Er sah jetzt wirklich aus, als hätte ich ihm gerade sein Herz aus dem Leib gerissen, und ich musste einen Moment mit aufkommendem Mitleid kämpfen. 

Aber gleich darauf hatte ich mich auch schon wieder gefasst und drehte mich entschlossen zur Tür. „Und jetzt kannst du von mir aus mit Sean ficken, bis du tot umfällst!" betonte ich gehässig und warf Sean einen Blick zu, der immer noch am Waschbecken stand und uns interessiert beobachtete. Sean lächelte mich mit einer Mischung aus Anerkennung und Überraschung an. Jetzt hast du es ihm aber gegeben, sagte sein Blick deutlich. Ich atmete tief durch und verließ schnurstracks die Garderobe, ohne mich noch ein einziges Mal nach Clay umzusehen. Mir war plötzlich ein wenig schwindelig. Ich fühlte mich auf einmal ganz merkwürdig befreit. Ich zündete mir eine Zigarette an. Erst draußen merkte ich, dass meine Hände zitterten.

Clay

Frau Laser drehte komplett durch. Der Vorwurf kam von Sean, dieser Typ hätte mich mit Steinen beworfen, weil ich seine Freundin vergewaltigt hätte. Diese Information lastete schwer auf mir. Ich war nicht in der Lage damit umzugehen. Ich konnte mich an so einen Vorfall nicht erinnern und das beunruhigte mich enorm. 

Frau Laser tröstete mich zuerst, holte mir sogar Wasser und gab mir eine Zigarette. Sie streichelte mich ein wenig. Aber gleich darauf änderte sie plötzlich ihre Meinung und erinnerte mich an Ereignisse, an die ich nicht denken wollte. Sie wurde sehr böse, knurrte und fauchte mich an, hielt mich fest und versuchte mich zu schlagen. Sie wollte unbedingt wissen, warum ich sie aus meiner Wohnung geworfen hatte, was mich echt nicht interessierte. Hör doch um Himmels Willen auf mit diesem unwichtigen Scheiß, dachte ich total genervt, ich habe jetzt wahrhaftig ganz andere Sorgen! Irgendjemand lief anscheinend herum und behauptete, ich wäre ein widerlicher Vergewaltiger! Das war kein Spaß mehr. Damit konnte ich mich nicht so einfach abfinden. 

Aber Eliza ließ es mal wieder nicht gut sein. Sie nervte mich extrem mit diesem Mist, und ich wollte sie mir irgendwie vom Hals schaffen. Also antwortete ich ihr letztlich mit dem Satz, von dem ich wusste, dass er sie am meisten ärgerte: Ich wollte ungestört mit Sean ficken. Selbstverständlich wurde sie deswegen noch wütender. Sie behauptete, ich würde lügen, dabei tat ich das nun wirklich nicht. Doch Laser drehte durch, funkelte mich zornig an und rächte sich auf der Stelle, indem sie böse Dinge zu mir sagte. Damit ging sie mir viel tiefer unter die Haut, als mir lieb war, und ich lief planlos in diesem Zimmer herum. 

Auf der Flucht vor ihr trat ich auch noch in eine glimmende Kippe, verbrannte mir die nackte Fußsohle und kippte schmerzhaft in eine Ecke der Garderobe. Mir war immer noch saukalt, ich war nackt und verletzt. Es ging mir wirklich nicht gut. Der Affe klopfte immer lauter an meine Tür, was mich total irritierte, denn eigentlich hätte das Heroin viel länger wirken müssen. Es war wohl der immense Stress, der die beruhigende Wirkung der Droge zum Teufel schickte. Ich hatte die ganze Zeit keinen blassen Schimmer, was diese Frau eigentlich von mir hören wollte.

Letztendlich wollte sie gar nichts mehr hören. Sie war tödlich beleidigt. Mit ihrer Androhung, sie würde die Polizei holen und mich verhaften lassen, wenn ich das nächste Mal bei ihr zu Hause auftauchen würde, traf sie mich unerwartet hart, ganz tief in meiner Seele. Darauf war ich nicht vorbereitet. Mir wurde schwarz vor Augen und ich sank unwillkürlich in mich zusammen. 

Ich lag eine endlose Zeit auf dem harten, dreckigen Boden dieser Garderobe, dann fing ich an zu kotzen, ganz überraschend. Ich drehte mich zur Seite und kotzte mir fast die Eingeweide aus dem Körper. Aber weil ich schon sehr lange nichts mehr gegessen hatte, kam eigentlich nur Spucke und Galle hoch, was sich ziemlich widerlich anfühlte. Ich würgte eine Weile herum, dann knurrte Sean irgendwann: „Mann, jetzt krieg dich mal wieder ein!" Und ich beruhigte mich tatsächlich und drehte mich, auf dem Boden hockend, mühsam zu ihm um. Er stand neben dem Waschbecken und betrachtete mich geringschätzig. Einen Moment sahen wir uns nur an. „Steh schon auf, Banton! Wasch dich, du siehst zum Kotzen aus!" meinte Sean unfreundlich. „Mir ist auch zum Kotzen!" erklärte ich ihm beleidigt und versuchte mühsam, auf die Beine zu kommen.

Eliza war inzwischen verschwunden, wie ich mit einem Rundumblick registrierte, und dafür war ich echt dankbar. Dann torkelte ich zum Spiegel und guckte mir zum ersten Mal seit dem Bühnen-Angriff ins Gesicht. Ich sah irgendwie kaputt aus, nass, voller Blut und schwarz-weißer Schminke. Meine Augen wirkten wie zwei dunkle Höhlen. Eine Weile war ich fast fasziniert von diesem unerwarteten Anblick. Es beruhigte mich, dass mein Gesicht offenbar keine bleibenden Schäden erlitten hatte. Aber mir ging es zu schlecht, um mich noch länger damit aufzuhalten. Ich muss mir shore besorgen, dachte ich einmal mehr, ich brauche jetzt unbedingt einen Chinesen! Mir war immer noch verflucht kalt. Kalter Schweiß sammelte sich unter meinen Achseln. 

Ich zwang mich, den beginnenden Affen zu ignorieren, ging zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Dann hielt ich meinen Schädel unter den kalten Wasserstrahl und wusch mir das Gesicht und den blutverschmierten Hals. So gut es ging versuchte ich, auch meine blutige Brust zu säubern. Sean hielt mir wortlos eine Dose Abschminke hin. Ich nahm sie, ohne ihn anzusehen, wischte mir die weiße und schwarze Farbe aus dem Gesicht und stellte die Dose auf den Waschbeckenrand. Danach tauchte ich nochmal in den kalten Wasserstrahl, spülte mir das Maul aus und trank einige Schlucke Wasser. Mein Schädel dröhnte entsetzlich. Aber ich hatte nicht nur starke Kopfschmerzen, alles tat mir weh, und es wurde fast minütig schlimmer. Die Zeit lief mir, wie so oft, davon. 

Schließlich richtete ich mich auf und drehte den Wasserhahn zu. Ich hatte Angst Sean anzusehen, weil ich genau wusste, dass er sauer auf mich war. Es war etwas Schlimmes passiert. Die wichtige Aufführung heute Abend war abgebrochen worden. Und obwohl ich mir wirklich keinerlei Schuld bewusst war, hielt Herr Valmont trotzdem aus irgendeinem Grund mich für den allein Schuldigen. Bei seiner Arbeit verstand der Mann keinen Spaß. Psychotic Kühlschrank, obwohl in Wahrheit nur ein kleiner, privater Teil seiner umfassenden Tätigkeiten, war für ihn sein ganzes Leben. 

Ich habe keine Kraft mehr, merkte ich verzweifelt, ich kann mich jetzt nicht noch länger mit Sean streiten. Ich stehe nicht noch so eine brutale Auseinandersetzung durch. Zögernd sah ich ihn endlich an. Er stand dort und beobachtete mich. Er betrachtete nachdenklich meinen nassen, nackten Körper. Dann schaute er mir plötzlich in die Augen. „Zieh dir endlich was an, Clay. Ich will dich heute Abend nicht noch länger nackt sehen", warf er mir an den Kopf. „Was?!" entfuhr es mir perplex. Sean grinste nicht, er meinte es offenbar ernst. „Ich bin deiner nackten Haut langsam überdrüssig", zischte er und starrte vorwurfsvoll auf meinen Schwanz. Ich guckte automatisch an mir herunter. Mein Penis wirkte immer noch winzig. Ich schämte mich und drehte mich von Sean weg. 

Dann war es wieder lange still. Ich fühlte mich plötzlich extrem ungeschützt. Außerdem war mir immer noch verflucht kalt. Ich guckte mich vergeblich nach einem Handtuch zum Abtrocknen um. Es gab in dieser Garderobe scheinbar keins, also ging ich zum Spind und holte ein trockenes Sweatshirt raus, was ich mir hastig anzog. Dann zog ich mir meine Unterhose, Jeans, Strümpfe und Schuhe an. Angezogen fühlte ich mich sofort ein wenig wohler. Danach drehte ich mich vorsichtig zu Sean um, der immer noch an der gleichen Stelle stand und mich reglos beobachtete. Ich konnte den Ausdruck seiner Augen nicht deuten und das machte mich nervös. Ich wäre gerne zu ihm hingegangen und hätte ihn umarmt, oder so was. Ich sehnte mich plötzlich nach Nähe. 

„Hast du noch was shore übrig?" fragte ich ihn stattdessen. Er fing an zu grinsen, aber nicht nett, eher auf eine gehässige Art, die mir sofort Angst machte. „Warum wirfst du nicht heute Nacht um drei Steine an mein Fenster und findest es heraus?!" antwortete er mir kalt. Ich schaute ihn einen Moment verwirrt an. Nicht das jetzt, dachte ich erschlagen, sei jetzt bitte nicht eifersüchtig, Valmont, das kann ich jetzt nicht ertragen! 

„Eliza spinnt doch total! Die kriegt wahrscheinlich ihre Tage, oder so was!" rief ich verzweifelt aus und ging auf Sean zu. Er blies geringschätzig die Luft aus. „Ist ihre Menstruation immer deine Erklärung, wenn du eine Frau nicht verstehst?!" Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber es ist eine Tatsache, dass sie launisch werden, wenn sie kurz vor ihren Tagen stehen. Das hat was mit ihren Hormonen zu tun", versuchte ich lächelnd, ihn mit meinem Wissen über Frauen zu beeindrucken. Aber Sean war überhaupt nicht beeindruckt. Er wischte meine Information einfach mit einer Handbewegung zur Seite. „So ein Schwachsinn!" zischte er. „Nein, das stimmt echt!" wusste ich es besser. Aber Sean schüttelte unwirsch den Kopf. 

Einen Moment war es ganz still in diesem Raum. „Bist du etwa auf ihrer Seite, Sean? Findest du, dass sie recht hat?" fragte ich ihn schließlich irritiert, dabei wollte ich das eigentlich gar nicht wissen. Es interessierte mich gar nicht. Ich wollte jetzt nur noch hier raus und mir shore besorgen. Denn offensichtlich hatte Valmont nichts mehr, oder er wollte mir nichts mehr abgeben. Ich musste mich also dringend selber um Nachschub kümmern. 

„Du hättest ihr nur die Wahrheit sagen müssen, du Idiot! Sie wusste nämlich schon längst, dass ich dir shore besorgt hatte, und du sie nur deshalb so brutal loswerden wolltest", erklärte Sean mir überheblich. Ich stoppte meine Bewegung auf ihn zu und blickte ihn hilflos an. Ich spürte erneut schmerzhaft meine Knochen. Ich spürte die Auswirkungen der Schläge auf meinem Körper. Alles tat mir weh. Seans Worte taten mir weh. Ich dachte, dass ich es nicht ertragen könnte, wenn Sean sich jetzt auch von mir abwandte. 

„Okay... ich habe einen Fehler gemacht...", lenkte ich ein und schaute ihn versöhnlich an. „Du hast nicht nur einen Fehler gemacht, Clay!" behauptete er laut. Ich nickte und hielt mir den pochenden Kopf. „Ja, du hast ja recht... ich bin ein Idiot", stimmte ich ihm leise zu. Ich möchte jetzt einen Chinesen rauchen, dachte ich traurig. Ich möchte, dass die Schmerzen aufhören. Ich möchte diesen ganzen Scheiß hier vergessen. Anscheinend ist die ganze Welt verrückt geworden, fuhr es mir beunruhigt durch den Sinn. 

„Hast du noch shore, Sean?" fragte ich ihn hoffnungsvoll noch einmal und ging wieder auf ihn zu. Er stöhnte genervt auf und drehte sich von mir weg. „Du verstehst wie immer gar nichts, Banton!" fauchte er wütend, „Das alles hier ist dir völlig egal!" „Nein, es ist mir nicht egal!" erwiderte ich schnell. Dann stammelte ich irgendwie blöd: „Ich bin nur... verletzt... ich brauche..." „Verdammt, ich weiß ganz genau, was du brauchst, Banton! Das musst du mir nun wirklich nicht erklären!" unterbrach Sean mich zischend und starrte mich beinahe angewidert an. 

Im nächsten Moment blickte er mir lauernd in die Augen. „Hast du diese Frau vergewaltigt?" wollte er plötzlich ernsthaft wissen. Ich konnte seinem unvermittelten Gedankensprung nicht so schnell folgen und guckte ihn eine Weile verwirrt an. „Nein, ich habe niemanden vergewaltigt, verdammt!" schrie ich dann ungeduldig los. Sean taxierte mich zweifelnd, danach drehte er sich herum und ging zu seinem Spind. Er holte sein Handy heraus und schaltete es ein. Er drückte ein bisschen auf dem Display herum. Ich beobachtete ihn ratlos, denn ich hatte keine Ahnung, was das jetzt sollte. 

„Du kannst froh sein, dass mein Handy noch funktioniert", bemerkte Sean, ohne mich anzusehen. „Ich habe dich nicht aufgefordert, angezogen in meinen Whirlpool zu springen", entgegnete ich. Bei dem Gedanken daran musste ich lächeln, weil ich mich unwillkürlich an eine sehr geile Zeit mit Sean Valmont in meinem Pool erinnerte. Ich hoffte spontan, er würde sich vielleicht auch daran erinnern und endlich wieder freundlicher zu mir sein. Aber das war leider nur Wunschdenken. 

Mit zwei Schritten war der Mann plötzlich bei mir. Er packte mich hart im Nacken und drehte meinen Kopf nach unten. Er zwang mich brutal, auf sein Handy zu schauen. „Hier, Herr Banton, guck dir das genau an!" befahl er mir böse. Also versuchte ich gezwungenermaßen, auf dem viel zu kleinen Handy-Display etwas zu erkennen. Es war eine verwackelte, ziemlich schlechte Aufnahme aus dem Theater. Der Urheber dieses Films hatte wohl ungefähr in der vierten Reihe im Zuschauerraum gesessen und von dort aus unsere Performance mitgefilmt. Obwohl es streng verboten war, kam es eigentlich ständig vor, dass Leute mit ihren Handys unseren Auftritt aufnahmen und ihre Filmchen anschließend sofort ins Internet stellten. 

Jetzt konnte ich mich halbwegs sehen, wie ich nackt auf der Bühne stand, und ich fand spontan, dass ich recht gut aussah. Allerdings wusste ich ja schon, was jetzt kam, deshalb fing mein Herz nervös an zu hämmern. Ich musste mich zwingen, meine Augen offen zu halten. Die Steine trafen mich urplötzlich aus der Dunkelheit. Erst an der Hüfte, gleich darauf am Kopf, woraufhin ich einfach umfiel und regungslos auf der Bühne liegen blieb. 

Mich selbst bei meiner Niederlage zu beobachten war höchst unangenehm. Ich zuckte zusammen und wollte mich abwenden, aber Sean drehte meinen Nacken schmerzhaft zurück. Er zwang mich energisch, noch weiter zuzusehen. Es war nur kurz totenstill im Theater, dann brach auch schon ein lautes Stimmengewirr los. Alle sprangen mit einem Mal auf und liefen herum. Die Aufnahme wurde noch schlechter, weil der Kameramann versuchte, alles auf einmal aufzunehmen. Er schwang sein Handy wild hin und her. 

Sean war zu sehen, wie er auf der Bühne stand und den Attentäter suchte. Mein nackter Körper, ruhig auf der Bühne liegend. Viele Hinterköpfe verdeckten andauernd das Bild. Irgendwann schrie jemand über den Lärm hinweg: „Dieses Arschloch hat versucht, meine Freundin zu vergewaltigen!" Der fiese Typ, der diesen gemeinen Blödsinn über mich behauptete, war kurz im Bild. Ich schaute neugierig genau hin und war erstaunt, wie jung der Kerl anscheinend noch war. Außerdem war ich mir sofort ziemlich sicher, diesen Menschen noch nie in meinem Leben gesehen zu haben. 

„Ja, dieser Psychopath wollte mich vergewaltigen. Der ist gefährlich und total krank", behauptete eine Frauenstimme, die mir irgendwie vage bekannt vorkam. Die Frau war aber nur von hinten zu sehen, und der allgemeine Lärm im Theater war viel zu laut, die Aufnahme zu schlecht und die Lautsprecher von Seans Handy nicht gut genug. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob ich die Frau kannte. „Sean...", stöhnte ich verzweifelt, weil ich mir diesen Mist wirklich nicht länger ansehen wollte. Zu meiner Überraschung zeigte er Erbarmen, ließ mich endlich los, schaltete sein Handy aus und steckte es ein. Ich rieb mir meinen schmerzenden Nacken. 

Einige Zeit war es ganz still in der Garderobe. Sean taxierte mich lauernd. Ich starrte verwirrt auf den Boden. Diesen feigen Angriff auf mich noch einmal aus dieser Perspektive zu sehen, hatte mich ziemlich aufgewühlt. Ich zitterte und fühlte mich äußerst unwohl. Ich möchte jetzt sofort Heroin rauchen, gierte es immer heftiger in mir. 

„Was sagst du dazu?" unterbrach Sean irgendwann die unangenehme Stille. Ich seufzte überfordert: „Ich weiß nicht... Ich habe nicht..." „Hast du diese Frau vergewaltigt?" verlangte Sean schon wieder viel zu ernst zu wissen. Mit dieser Frage ging er mir langsam echt total auf den Sack. Verärgert guckte ich ihn an. „Versucht, Valmont! Dieser Typ hat gesagt, ich hätte es versucht!" betonte ich geringschätzig. Daraufhin packte Sean mich hart am Sweatshirt, riss mich herum und knallte mich mit dem Rücken gegen die nächste Wand. „Und hast du es versucht, Banton? Wolltest du diese Frau grausam vergewaltigen? Bist du gefährlich und total krank, du Psychopath?" schrie er mich wutentbrannt an und schlug mich dabei brutal mit dem Rücken gegen die Wand. 

Langsam ging er wirklich zu weit, fand ich. Ich hatte keine Lust und keine Zeit mehr. In Wahrheit war nämlich ich das Opfer an diesem Abend gewesen. Ich war hinterhältig angegriffen und verletzt worden. Und Sean Valmont ging anscheinend wie selbstverständlich davon aus, dass ich diese Frau auf seinem Handy erkannt hatte. Dabei konnte man auf seinem scheiß Handy doch kaum was erkennen. 

„Ich bin kein Psychopath!" brüllte ich Sean wütend an und schlug ihn hart gegen die Schulter. Dann schubste ich ihn mit aller Kraft von mir weg. Er war von meiner Gegenwehr so überrascht, dass er tatsächlich rückwärts taumelte. „Ich habe niemanden vergewaltigt! Ich habe noch nie in meinem Leben auch nur versucht, jemanden zu vergewaltigen!" schrie ich Sean anklagend an, „Und jetzt hör endlich damit auf, mich zu schlagen!" Wütend starrte ich ihn an. Er rang einen Moment um Gleichgewicht und musterte mich erstaunt. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich gegen ihn wehren würde. 

Einige Zeit war es ganz still, während wir uns nur gegenseitig belauerten. „Hör doch bitte damit auf, Sean!" versuchte ich es schließlich verzweifelt. „Lass uns doch bitte jetzt damit aufhören!" bat ich ihn gleich noch einmal. Er schüttelte den Kopf. „So einfach ist das aber nicht, Clay. Wenn du wirklich unschuldig bist, dann musst du das unserem heutigen Publikum und den unzähligen Leuten beweisen, die diesen und ähnliche Filme schon längst im Internet gesehen haben", informierte er mich irgendwie resigniert. Er hielt das wohl für schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Aber mir war es in diesem Moment völlig gleichgültig, wie viele Menschen mich im Internet gesehen hatten. Es war mir auch egal, was irgendwer von mir dachte. Mir tat unverändert alles weh, und es wurde permanent schlimmer. Definitiv wurde es jetzt Zeit für ein bisschen Heroin. 

„Wollen wir einen Chinesen rauchen, Sean?" fragte ich ihn hoffnungsvoll in der Annahme, dass er noch Reste von seinen zweieinhalb Gramm übrig haben musste. „Wo warst du letzte Nacht?" fauchte Sean völlig zusammenhanglos zurück. Ich brauchte einen Moment, um seinen abrupten Themawechsel überhaupt zu erfassen. 

Plötzlich dämmerte mir, worauf seine Frage abzielte. Schnell drehte ich mich herum, ging zum Spind, holte meine Jacke heraus und zog sie hastig an. Dann wandte ich mich zur Tür. „Ich muss jetzt gehen, Sean. Frag mich nochmal, wenn du dich beruhigt hast", sagte ich leise, ohne ihn dabei anzusehen. Ich beeilte mich zur Tür zu kommen, aber mit einem Satz war Sean hinter mir und stieß mich erneut gewaltsam gegen die Wand. „Du redest jetzt mit mir, verdammt!" forderte er lauthals, „Du sagst mir jetzt die Wahrheit, Clay!" „Sean...", stöhnte ich schmerzerfüllt. 

Er war jetzt dicht vor mir, drückte mich mit dem Rücken an die Wand und fixierte mich feindselig. Ich fragte mich, warum er so aggressiv drauf war. Ich vermutete, dass auch bei ihm die Wirkung der shore nachließ, und das er das nicht so einfach wegsteckte, wie er mich glauben machen wollte. „Lass mich los, Sean", forderte ich ihn ruhig auf. „Wo warst du letzte Nacht?" wiederholte er überdeutlich. Und als ich schwieg, setzte er hinzu: „Warst du bei ihr? Hast du nachts um drei Steine gegen ihr Fenster geworfen?!" Er ist tatsächlich eifersüchtig, dachte ich und war plötzlich amüsiert. Sean Valmont ist eifersüchtig auf Eliza Laser, weil ich noch niemals Steine an sein Fenster geworfen habe. 

Sean merkte sofort, dass seine merkbare Eifersucht mich amüsierte. Ich grinste ihn belustigt an, und er ließ mich augenblicklich los. Mit einer bezaubernden Mischung aus Verletzbarkeit und Wut starrte er mich an. Ich lächelte jetzt liebevoll und strich ihm ganz sanft mit den Fingern über die Wange. „Lass uns einen Chinesen rauchen, Sean, dann wird es besser", flüsterte ich einladend. 

Eine Weile fixierte er mich erstaunt, fast ungläubig. Dann drehte er sich stöhnend von mir weg. „Ja, klar, du machst es dir wie immer so verdammt einfach", warf er mir enttäuscht vor. Er ging zum Spind und holte seine Jacke heraus, um sie anzuziehen. „Hast du die letzte Nacht bei Eliza verbracht?" fragte er mich erneut. Ich zündete mir eine Zigarette an und rauchte tief. „Ja, ich war bei Liz", gab ich leise zu und beobachtete ihn gleichgültig. Er zündete sich ebenfalls eine Zigarette an und lief merkwürdig nervös hin und her. 

Ich sah zu, wie Sean nach den richtigen Worten suchte. „Hast du mit ihr geschlafen?" fragte er endlich, ohne mich dabei anzusehen. „Ja", antwortete ich ihm sofort. Mir war wirklich schleierhaft, warum Valmont jetzt so eine große Sache daraus machte. Er wusste doch ganz genau, dass Eliza wiederholt meine Sexpartnerin war. Für mich war dieses Thema mehr als lächerlich. „Und du gehst zusammen mit Eric Dentor auf das Klo im Stardust. Also sind wir quitt!" warf ich ihm triumphierend an den Kopf. Ich versuchte lustig zu sein, einen Witz zu machen, um die Situation aufzulockern. Es war genug böses Blut vergossen worden, fand ich. Es wurde Zeit für uns, endlich wieder ein bisschen freundlicher zu werden. 

Aber Sean starrte mich total entsetzt an. Er zuckte förmlich erschrocken zusammen, als ich Dentor erwähnte. „...ich ...habe nicht..", stotterte er beschämt. Er sah tatsächlich ertappt aus. Dabei machte mir die Vorstellung von Sean und Eric, gemeinsam beim Sex auf dem Klo, überhaupt nichts aus. Es war mir vollkommen egal. Ich hatte wirklich ganz andere Probleme. Die Zeit drängte jetzt. Ich musste hier verschwinden und mir shore kaufen. Ich musste jetzt unbedingt hier raus. „Lass es gut sein, Sean. Komm mit, wir besorgen uns shore", schlug ich ihm erwartungsfroh vor. Ich erinnerte mich plötzlich gut an die angenehme Nähe, die noch vor kurzem zwischen uns beim Konsumieren geherrscht hatte. Ich sehnte mich auf einmal sehr nach seiner Nähe. Ich wollte seine Hand auf meinem Bauch spüren, während ich einen Chinesen rauchte. Diese Vorstellung machte mich nervös und ungeduldig. 

„Komm mit, Sean", forderte ich ihn drängend auf. Er stand aber nur total bewegungslos da, immer noch beschämt, weil ich das von Eric Dentor wusste. Er schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. „Bitte, Sean, lass mich jetzt nicht allein..", flüsterte ich hilflos. Mit einem Mal war mir wieder zum Kotzen. Ich fühlte mich einsam und jede Faser in meinem Körper tat mir weh. Mein Kopf fing abermals an zu dröhnen. Ich rauchte die Zigarette auf und stand noch eine Weile sinnlos in dieser Garderobe herum. Sean Valmont stierte auf den Boden, rauchte apathisch, rührte sich nicht und ignorierte mich vollkommen. 

Ich hätte ihn in diesem Augenblick wirklich sehr gerne umarmt, ihn irgendwie zärtlich angefasst. Aber ich hatte keine Zeit mehr. Einen Moment lang bereute ich es, Eric Dentor erwähnt zu haben, weil Sean dadurch sichtbar völlig aus der Bahn geworfen worden war. Er reagierte gar nicht mehr auf mich, wirkte vollends geschockt, was ich mir überhaupt nicht erklären konnte. Letztendlich drehte ich mich kurzentschlossen um und verließ den Keller des Theaters. Nur endlich raus aus diesem Irrenhaus.

Jill

Meine erste Begegnung mit Clay Banton fand an einem Samstagabend um ungefähr 22 Uhr vor dem Grenzland-Theater statt. Es war ein ziemlich kalter März-Abend, und es war stockdunkel. Ich hatte schon eine Weile vor der Eingangstür gestanden und darauf gewartet, dass einer der Schauspieler von dieser merkwürdigen Performance herauskommen würde. Vorher hatte ich im Zuschauerraum gesessen, die halbe Vorstellung gesehen und diesen fiesen Angriff auf Clay miterlebt. Ich wollte mit einem der Akteure sprechen, am liebsten mit Sean Valmont, weil er der Autor und Regisseur dieser Psychotic Kühlschrank Geschichte war, wie man dem Plakat und auch dem Internet entnehmen konnte. 

Aber letztendlich war es Clay Banton, der als erster vor dem Theater auftauchte. Froh darüber, dass endlich jemand kam, ging ich sofort zu ihm hin und sprach ihn an: „Hallo Clay, gibst du mir ein Autogramm?" Ich hielt ihm meinen Schreibblock und den Kuli hin und lächelte bewundernd. Er schaute mich nur einen Augenblick verwirrt an. Gleich darauf erwiderte er mein Lächeln auch schon äußerst charmant. Mein Anliegen war ihm merkbar vertraut. Anscheinend kam es öfter vor, dass er um ein Autogramm gebeten wurde. Das wundere mich irgendwie, denn dieser Amateurschauspieler war ja nun wirklich kein großer Star.

Ich musterte ihn offen im Schein der Eingangsbeleuchtung. Ohne die weiße Farbe im Gesicht und die schwarz umrandeten Augen sah er ganz anders aus, als auf der Bühne. Er wirkte überhaupt nicht mehr so gefährlich, war nur wenig größer als ich. Seine dunklen, kurzen Haare waren nass, vielleicht hatte er sie gerade gewaschen. Seine Augen hatten eine Farbe irgendwo zwischen braun und grün. 

„Klar, gerne", stimmte er nun zu, nahm Stift und Block und malte sehr schwungvoll und routiniert sein Zeichen darauf, wohl die verschlungenen Anfangsbuchstaben seines Namens. Dann gab er mir die Sachen zurück und wollte sich abwenden. „Ich habe dich auf der Bühne gesehen, Clay, du bist fantastisch!" sagte ich schnell. „Ich bin ein großer Fan von dir!" setzte ich schwärmerisch hinzu. Nun grinste er amüsiert. Offensichtlich schmeichelten ihm meine Worte und genau das hatte ich ja auch beabsichtigt. „Nein, ich bin nicht fantastisch", wehrte er mit seiner dunklen, aber dennoch weichen Stimme bescheiden ab und betrachtete mich zum ersten Mal mit so etwas wie Interesse. Eine Zeit lang guckten wir uns gegenseitig abschätzend an. 

Dann merkte ich, wie sein Interesse auch schon wieder schwand. Scheinbar hatte er es eilig, er drehte sich nervös herum und sah hinüber zum Parkplatz. „Darf ich dich zu einem Kaffee einladen?" fragte ich ihn schnell. Ich wollte ihn auf jeden Fall bei mir behalten, denn ich hatte viele Fragen an ihn. Er lachte amüsiert auf und meinte: „Was? Du trinkst Kaffee? Um diese Uhrzeit? Kannst du denn dann überhaupt noch schlafen?" Spitzbübisch grinste er und zwinkerte mir neckisch zu. 

In diesem Moment sah er richtig gut aus, fiel mir erstaunt auf. „Wir können auch etwas anderes trinken gehen, Clay. Bier vielleicht, oder Wein, was immer du willst! Was sagst du dazu?" beeilte ich mich zu betonen. Angespannt wartete ich auf seine Reaktion. Er schaute mich überrascht an und überlegte ziemlich lange. Er zögerte. Ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Gehirn arbeitete. 

Schließlich lächelte er auf einmal irgendwie verwegen. „Du darfst mitkommen, wenn du willst", schlug er mir leise vor. Herausfordernd taxierte er mich. Sein Blick versprach irgendetwas, was mir noch nicht klar war. Der will mich tatsächlich abschleppen, dieser blöde Macho, dachte ich leicht genervt. Aber im nächsten Moment siegte meine Neugier und ich willigte nickend ein: „Klar, ich komme gerne mit." Er drehte sich sofort um und lief voraus Richtung Parkplatz. „Wo soll es denn hingehen?" fragte ich ihn, aber er antwortete nicht. Er suchte in seinen Jackentaschen nach seinem Autoschlüssel und drückte auf die Türöffnung. Noch ehe wir an seinem Wagen waren, leuchteten dessen Scheinwerfer auf und die Türen öffneten sich. 

Ich staunte nicht schlecht, dass dieser höchstens drittklassige Theaterschauspieler so einen teuren Sportwagen fuhr. Es war ein anthrazitfarbener MG, und ich fragte mich, womit Clay wohl so viel Geld verdiente, um sich diesen PS-starken Wagen leisten zu können. Unsicher tastete ich in meiner Jackentasche nach dem Pfefferspray und dem Elektroschocker. Einen Moment lang dachte ich, dass es womöglich ein Fehler war, in das Auto dieses fremden Mannes einzusteigen. Die ständigen Warnungen meiner Eltern kamen mir in den Sinn. „Steig ein!" forderte er mich auf und hielt mir wahrhaftig die Beifahrertür auf. Seine Galanterie überraschte mich. Ich zögerte noch ein bisschen, bevor ich kurzentschlossen einstieg. Er achtete darauf, dass ich auf dem tiefen Sitz bequem saß, dann schlug er die Tür zu. Er lief eilig vorne um den Wagen herum und stieg an der Fahrerseite ein.

Gleich darauf saßen wir dicht nebeneinander im engen Auto, die Innenbeleuchtung war eingeschaltet. Es roch nach Zigarettenqualm in seinem Wagen, wie ich missbilligend feststellte. Clay beachtete mich nicht. Er steckte nur den Schlüssel ins Zündschloss, kramte hektisch nach seinem teuren Handy und tippte eine Nummer ein. Ich beobachtete ihn unauffällig und mir fiel auf, wie nervös er war. Seine Hände zitterten, als er das Handy bediente. „Du hast ein schönes Auto", bemerkte ich. Er bedeutete mir ungeduldig, still zu sein. Verstohlen betrachtete ich ihn. Er sieht krank aus, nahm ich plötzlich alarmiert wahr. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. 

Dann meldete sich anscheinend sein Gesprächspartner. „Ich bin's, Clay", sagte er ins Handy. Der Mensch am anderen Ende der Leitung war über diesen Anruf wohl alles andere als erfreut. Er schien etwas ins Handy zu schreien. Ich konnte nicht verstehen, was genau er sagte, aber er war sehr laut. „Ja, ich weiß, es ist spät...", versuchte Clay ihn zu beschwichtigen, „Bitte, ich..." Ein wütendes Brüllen war die Antwort. Ich war mir ziemlich sicher, dass es ein Mann war, der am anderen Ende der Leitung herum schrie. Ich wunderte mich sehr über dieses merkwürdige Telefongespräch. Ich frage mich beunruhigt, was hier eigentlich gespielt wurde. „Bitte, ich kann das nicht länger..", jammerte Clay. Dann hörte er eine Weile zu und legte unvermittelt auf. Er atmete tief durch und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Die Innenbeleuchtung ging aus, und ich konnte ihn nur noch schemenhaft im Schein einer Laterne sehen. Interessiert beobachtete ich ihn. 

„Was ist denn los?" fragte ich ihn neugierig. „Gar nichts, es ist alles okay", antwortete er ohne mich anzusehen und startete den Motor. Abrupt fuhr er viel zu schnell los. Die Anlage im Wagen spielte Musik von Neil Young. Ich schnallte mich ängstlich an. Um Himmels Willen, dachte ich beunruhigt, warum hat er es so eilig? Dieser Typ ist womöglich nicht ganz normal. Ich muss vorsichtig sein, mahnte ich mich. 

Wir fuhren zu einer Bank und Clay parkte direkt vor dem Geldautomaten im Halteverbot. Er sprang heraus und holte Geld ab, und in diesem Moment dämmerte mir, welches Spiel er spielte. Clay Banton war offensichtlich drogenabhängig. Er benötigte wahrscheinlich sogar dringend Heroin, und das überraschte mich ungemein. Wie kann er mit seiner merkbar starken Suchterkrankung arbeiten? fragte ich mich maßlos erstaunt. Wie schafft er es, so konzentriert auf einer Bühne zu stehen und diese anspruchsvolle Performance zu spielen? Während der Aufführung hatte man ihm überhaupt nichts angemerkt, im Gegenteil. Er schien stark und gesund zu sein. 

Das kann heute Nacht noch richtig interessant werden, dachte ich im nächsten Moment erfreut mit wachsender Neugier. Seine Abhängigkeit steigerte mein Interesse an Clays Persönlichkeit ungemein. 

Gleich darauf war der Mann auch schon wieder da. Offenbar hatte er genug Geld von der Bank erhalten. Er wirkte jetzt erleichtert und erwartungsvoll. Er lächelte mich an und mir fiel auf, wie süß er lächeln konnte. Dieser Mann kann dir gar nichts Böses antun, dachte ich spontan, er strahlt nur Freundlichkeit aus. Allein seine nervösen Augen trübten diesen Eindruck etwas. 

Clay fuhr weiter, und ich lehnte mich bequem im Sitz zurück, hörte der Musik zu und wartete einfach ab. Ich fühlte mich merkwürdiger Weise jetzt völlig sicher. Aber alles erschien mir irgendwie unwirklich. Bin ich tatsächlich bei einem Drogendeal dabei? fragte ich mich erstaunt. Kann das denn wahr sein?! Nimmt dieser verrückte Typ mich tatsächlich mit zu seinem Dealer?! Oder will er mich vielleicht doch vergewaltigen?! Immerhin war ihm doch genau das noch vor kurzem im Theater lauthals und energisch vorgeworfen worden! 

Ich zwang mich, ganz ruhig zu bleiben und versuchte meine Bedenken beiseite zu schieben. Immerhin hatte ich ja zu meiner Verteidigung meine Waffen dabei, mit denen ich gut umzugehen wusste. Wir fuhren schnell aus der Stadt heraus, bis auf einen dunklen Parkplatz an einem Friedhof am Stadtrand. 

Clay parkte am Straßenrand, machte den Wagen aus und zog den Schlüssel ab. Die Innenbeleuchtung sprang wieder an und ich musterte ihn neugierig. „Wo sind wir?" fragte ich ihn. „Warte bitte hier. Es dauert nicht lange", antwortete er und stieg aus. Der trifft sich tatsächlich mit seinem Dealer, dieser dreiste Spinner, stellte ich fassungslos fest. Ich versuchte verblüfft, ihm genau hinterher zu sehen. Aber er verschwand ziemlich schnell in der Dunkelheit.

Clay

Ich weiß nicht mehr, warum ich Jill einlud, mit mir zu kommen. Ich hatte sie vorher noch nie gesehen und wusste nichts über sie. Ich kannte noch nicht mal ihren Namen. Ich lud sie vielleicht ein, weil ich mich allein fühlte. Vielleicht, weil Eliza und Sean mich an diesem Abend abgewiesen und verletzt hatten. Jill war einfach völlig unerwartet da und ich nutzte spontan diese Gelegenheit. Obwohl die Frau nicht gerade das war, was ich als gut aussehend empfinde. Ich fand sie nicht halb so hübsch wie Eliza, nicht mal annähernd. Ihre schwarzen Haare waren viel zu kurz. Ihre dunklen Augen standen viel zu weit auseinander, ihre große Nase war zu breit, der Mund viel zu klein und die Lippen viel zu schmal. Sie war gänzlich ungeschminkt, trug alte Jeans und Turnschuhe, ein T-Shirt und eine Jeansjacke. Sie hatte etliche Kilos Fett zu viel auf den Knochen. 

Das alles registrierte ich in den ersten Sekunden unserer Begegnung. Sie schmeichelte mir, indem sie behauptete, sie wäre ein Fan von mir. Deshalb nahm ich sie mit. Und weil ich nicht allein sein wollte. Womöglich wollte ich mich auch an Sean und Eliza rächen, ich habe keine Ahnung. Ich dachte auch nicht weiter darüber nach, denn ich musste Sergej anrufen und mir shore kaufen, eine Tätigkeit, die keinen Aufschub mehr duldete. 

Jill willigte sofort ein mitzukommen und lief hinter mir her. Ich setzte mich ins Auto und rief Sergej an. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, denn ich brach sein wichtigstes ungeschriebenes Gesetz und das war mir verdammt klar. Sergej verkaufte nach acht Uhr abends nichts mehr. Er wollte so spät nicht angerufen werden und ging meistens sowieso nicht mehr an sein Handy. Niemand durfte seinen Feierabend mit seiner Familie stören. Ich versuchte es natürlich trotzdem. 

An diesem Abend nahm er wider erwarten das Gespräch an, sprang mir aber sofort durch den Telefonhörer an den Hals. Er hatte nicht die geringste Lust, wegen mir noch mal sein gemütliches Heim zu verlassen. Ich bettelte ihn an, so wie es alle Junkies auf der ganzen Welt bei ihren Dealern machen, wenn sie einen Affen schieben. 

Schließlich willigte Sergej nur unter der Bedingung ein, dass ich mindestens fünf Gramm kaufen würde. Ich hatte keine Wahl und war tierisch erleichtert, überhaupt etwas von ihm zu kriegen. Außerdem erschienen mir fünf Gramm shore eine passende Menge zu sein. Fast jede Menge wäre die passende gewesen. 

Ich fuhr zur Bank mit dem unguten Gefühl in der Magengrube, vielleicht nicht mehr genug Geld auf dem Konto zu haben. Jill verhielt sich bewundernd neutral und ruhig während dieser Zeit. Ich bemerkte sie kaum, so dicht neben mir im MG. Mein Kopf war ganz mit dieser Transaktion beschäftigt. Als der Geldautomat ratterte und die Scheine ausspuckte, hätte ich vor Erleichterung laut aufschreien können. 

Ich fuhr anschließend auf dem direkten Weg zum Treffpunkt. Ich parkte den MG ein Stück entfernt am Straßenrand und achtete darauf, dass Jill mich nicht würde beobachten können. Die Dunkelheit kam mir dabei sehr zugute. Ich ließ sie im Wagen warten. Sie gehorchte ohne Fragen zu stellen, was ich ihr hoch anrechnete. 

Ich stieg aus, zündete mir eine Zigarette an, rauchte tief und lief die paar Schritte. Sergej traf ich in der angestammten, finsteren Ecke des Friedhofs. Zur Begrüßung schlug er mich einmal kurz ins Gesicht. „Clay, du blöder Idiot, am Telefon wird nicht diskutiert! Am Telefon wird überhaupt nicht geredet! Ich verkaufe so spät nichts mehr!" fauchte er mich wütend an, aber er grinste dabei. „Jetzt verpasse ich das Ende von Krimi, verdammt!" setzte er augenzwinkernd in fehlerhaftem Deutsch hinzu. 

Auf seinen Schlag war ich nicht gefasst und ich war viel zu angeschlagen, um es mit ihm aufzunehmen. „Krieg dich wieder ein", erwiderte ich beleidigt, „Wofür gibt es den Aufnahmeknopf?" Er grinste spöttisch und hielt seine Hand auf. Ich gab ihm mein Geld und er zählte die Scheine im Licht der Friedhofslaterne nach. Erst danach überreichte er mir zwei zweieinhalb Gramm Beutel. 

„Ruf mich nicht nochmal so spät an, Clay, es könnte sonst sein, dass ich dich beim nächsten Mal umbringe!" lächelte Sergej. Ich grinste zurück. „Du würdest mich niemals umbringen, Sergej, ich bin nämlich dein bester Kunde", machte ich ihm klar. Er lächelte, klopfte mir anerkennend auf die Schulter, sagte: „Ja, du bist mein bester Mann!" und boxte mich zum Abschied blitzschnell einmal in die Magengegend. Auch diesmal war ich viel zu langsam, um ihm auszuweichen oder ihn abzuwehren. „Pass gut auf dich auf, Clay! Einen schönen Abend noch", meinte Sergej freundlich und hob grüßend die Hand. Er drehte sich um und verschwand eilig in der Dunkelheit. 

Ich schnappte eine Weile nach Luft und hielt mir den schmerzenden Magen fest. Das ist wahrscheinlich nur seine Art mir zu zeigen, wie sehr er mich mag, schoss es mir durch den Kopf, vielleicht ist so ein Verhalten in der Ukraine unter Freunden ganz normal. Vielleicht schlagen die sich ständig gegenseitig. Mir wurde schwindelig und ich schwankte. Einen Augenblick hatte ich das Gefühl, ich müsste mich schon wieder übergeben. 

Aber dann wurde es langsam besser. Ich versteckte die shore in meiner Unterhose und beeilte mich, zurück zum Auto zukommen. Ich war jetzt sehr ungeduldig. Der Stress im Theater war zu viel gewesen. Mein Körper forderte laut schreiend das Heroin. Alle Knochen taten mir immer noch sehr weh. Aber ich fühlte mich auch unendlich erleichtert und nahezu glücklich. Es war nämlich ein verflucht gutes Gefühl, fünf Gramm in meinem Besitz zu wissen.

Jill

Als Clay Banton nach kurzer Zeit zurückkam, sich neben mich auf den Fahrersitz ins Auto setzte und mich im Schein der Innenbeleuchtung anlächelte, wusste ich instinktiv, dass sein Deal gelungen war. Ich fragte mich, wo an seinem Körper er wohl das Heroin versteckt hielt. Ich war mir völlig sicher, dass es sich bei diesem Kauf um Heroin handeln musste, denn Clay Banton war sichtbar auf Entzug. Er schwitzte, seine Augen hatten einen leicht panischen, irren Ausdruck, mit großen, schwarzen Pupillen. Aber das fiel mir erst jetzt richtig auf, wo ich wusste, dass er sich gerade Heroin gekauft hatte. 

„Geht es dir gut?" fragte ich ihn ein bisschen besorgt. Er lächelte amüsiert sein süßes Lächeln. „Ja, jetzt geht es mir schon viel besser", antwortete er mit seiner wohlklingenden, dunklen Stimme. Eine Weile sahen wir uns nur an. Mir schien, als würde er mich erst jetzt richtig bemerken. Er betrachtete mich mit unverhohlenem Interesse. „Wo soll es denn jetzt hingehen?" fragte ich ihn schließlich. Er brach den Blickkontakt ab, indem er den Schlüssel ins Zündschloss steckte. Die Innenbeleuchtung ging aus. 

Er saß einige Zeit dicht neben mir im Dunkeln und atmete tief ein und aus. „Ich möchte jetzt gerne zu mir nach Hause fahren", sagte er endlich zögernd. „Würdest du mit mir mitkommen?" fragte er mich ganz leise. Ich hatte den Eindruck, dass er fürchtete, ich würde diese Einladung ausschlagen. Aus irgendeinem Grund wollte er mich unbedingt bei sich haben und ich fragte mich verwundert, warum das wohl so war. Er war ein Junkie und hatte sein Heroin, wozu um alles in der Welt brauchte er da meine Gesellschaft? Es schmeichelte mir irgendwie, dass dieser fremde Mann meine Gesellschaft so sehr herbeisehnte, dass er eine Absage fürchtete. 

Ich glaubte plötzlich genau zu wissen, dass seine Einladung nicht nur aus sexuellem Interesse bestand. Er wirkte überhaupt nicht so, als wollte er mich gezielt in seine Wohnung abschleppen, um mich dort flachzulegen. Aber offenbar fürchtete er, dass ich genau diesen Eindruck von ihm haben könnte. 

„Natürlich, ich komme gerne mit zu dir, Clay", erlöste ich ihn aus seiner angespannten Wartestellung. Er atmete erleichtert auf, lächelte mich beinahe dankbar an und startete dann den Motor. Wir fuhren über Landstraßen und wieder fuhr er viel zu schnell. Er hatte es sehr eilig nach Hause zu kommen, und ich wusste jetzt auch den Grund dafür. Er wollte natürlich so schnell wie möglich seine harte Droge konsumieren. 

Ich saß nah neben ihm und versuchte, aus ihm schlau zu werden. Ich fragte mich, was er sich von meiner Nähe versprach, warum er mich dabeihaben wollte. Welchen Nutzen hatte ich für ihn, wenn er sich mit Drogen zuknallte? Wollte er mich vielleicht dazu überreden, auch Drogen zu nehmen? Mich anfixen, wie es so schön hieß? Damit hätte er bei mir sowieso keinen Erfolg. Oder hatte dieser Mann noch etwas ganz anderes mit mir vor? Wollte er mir vielleicht doch Gewalt antun? 

Aber letztendlich war ich viel zu neugierig, um mich nicht auf dieses Wagnis einzulassen. Ich war gespannt wie ein Flitzbogen auf seine Wohnung und auf das, was er mir von sich erzählen würde. Außerdem ging von Clay Banton zu keiner Zeit irgendeine Gefahr aus, das sagte mir mein Gefühl ganz deutlich. Dieser fremde Mann erschien mir im Gegenteil irgendwie verletzbar, auf eine merkwürdige Art meiner Gunst ausgeliefert. Ich hatte unentwegt das wachsende Gefühl, dass ich ihn mit Leichtigkeit besiegen konnte, auf welche Art auch immer.

Sean

Der Augenblick, in dem Clay meine sexuelle Begegnung mit Eric Dentor im Stardust erwähnte, war für mich, wie ein gewaltiger Schlag in den Magen. Es war der Schlag zu viel für meine Seele.

Alles vorher hatte ich irgendwie weggesteckt. Sein Streit mit Eliza, der so voller gegenseitigem Gefühl war, dass ich hätte kotzen können. Sie wollte von ihm die Wahrheit hören und er log sie an, natürlich log er sie an. Er war trotzig und genervt. Sie beging den Fehler zu überhören, dass Clay sich schon längst bei ihr entschuldigt hatte. Mehr konnte sie von Clay nicht erwarten. Aber sie liebte ihn so sehr, deshalb schrie sie ihn an und rauschte wütend hinaus. Und Clay liebte sie so sehr, dass er wie ein Häufchen Elend zurück blieb, zusammenbrach und anfing zu kotzen. 

Ich stand nur dabei, wie ein Zuschauer, und sah mir die viel zu emotionale Szene an. Ich grübelte darüber nach, warum Clay sich nachts in seiner Einsamkeit so oft zu Eliza flüchtete. Warum er niemals in der Nacht, wenn er jemanden brauchte, einfach überraschend zu mir kam. Ich würde ihm bestimmt nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Ich fragte mich gekränkt, warum zur Hölle ihm so verdammt viel ausgerechnet an dieser einen Frau lag. 

Diese Tatsache verletzte mich und ich hätte ihn deswegen zusammenschlagen können, aber er hatte die ganze Zeit nur seine Droge im Kopf und fragte mich auch noch, ob ich shore übrig hätte. Natürlich hatte ich noch shore, sie steckte gut verpackt in meiner Jackentasche. Wir hatten zwar vorher bei ihm viel konsumiert, aber längst nicht die ganzen zweieinhalb Gramm. Ich hatte mir den Rest eingesteckt, und Clay, der Idiot, hatte das nicht mal gemerkt. 

Jetzt quälte ihn schon wieder der Entzug und er sah aus wie ein gehetztes Tier. Ich brüllte ihn an, dass er sich endlich waschen und anziehen sollte. Er gehorchte mir und ich beobachtete ihn dabei. Ich dachte darüber nach ihn flachzulegen. Die Vorstellung erregte mich irgendwie, aber im nächsten Moment war ich dann doch zu abgetörnt von dem Gedanken an seine Gefühle für Eliza. Ich war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihn zu schlagen, und dem Bedürfnis, ihn zärtlich zu umarmen. 

Ich zeigte ihm auf meinem Handy eine der leider unzähligen Aufnahmen unserer Vorstellung im Internet. Angeblich konnte er aber niemanden identifizieren. Ich fragte ihn nach seiner Nacht mit Eliza, obwohl ich das nicht hätte tun sollen, denn seine Antworten schmerzten mich nur noch mehr. 

Und dann warf er mir irgendwann plötzlich an den Kopf, dass ich mit Eric Dentor gemeinsam auf das Klo im Stardust gehen würde, um Sex zu haben. Ich war jählings viel zu schockiert, um es abzustreiten. Diese Behauptung war wie ein Faustschlag, wie ein Schwerthieb durch meine Seele. 

Augenblicklich fragte ich mich entsetzt, woher zum Teufel er davon wusste. Wer zur Hölle ihm davon erzählt hatte. Ich kämpfte automatisch mit der riesigen Panik darüber, dass auch noch andere Menschen mich mit Eric gesehen hatten, Reporter womöglich, irgendwer, der diese Tatsache für sich ausnutzen würde. Jemand, der mich erpressen würde, der mich mit diesem Scheiß mühelos vernichten konnte. Ich sah diese intime Story über mich schon im Internet, ein Gedanke, der nicht zu ertragen war. Diesen massiven Eingriff in mein Privatleben konnte ich überhaupt nicht verarbeiten. Völlig von der Rolle versuchte ich, mich genau zu erinnern, aber die verschwommenen Bilder dieser Begegnung tauchten nur widerwillig und zäh in meinem Gehirn auf. 

Ich war ziemlich betrunken gewesen, am Freitagabend im Stardust. Die Musik war, wie meistens, gut und laut, und ich hatte getanzt dazu. Ich hatte vergessen, wen ich auf dem Klo getroffen hatte. Aber jetzt erinnerte ich mich langsam sehr genau an Eric. Es war nicht unser erstes Zusammentreffen auf dieser Toilette gewesen. 

Eric Dentor war eine einsame, verirrte, heimlich schwule Seele, die auf hetero machte, mit einer Frau verheiratet war, und doch eigentlich nach nichts anderem als menschlicher Zuneigung lechzte. Er sah nicht besonders gut aus, war unsportlich und zu dick, hatte unreine Haut und lungerte häufig auf den Toiletten und im Dark Room im Stardust herum. Eric Dentor war vielleicht ein bisschen verliebt in mich. Er wusste wohl, dass ich den Dark Room grundsätzlich mied, gerade um mich nicht in peinliche Situationen zu bringen. 

An diesem Abend ging ich aufs Klo, um zu pinkeln. Ich schwankte und hielt mich an der Wand fest. Der Toilettenraum war voller Männer. Viele machten miteinander herum, obwohl das dort nicht gern gesehen wurde und die Plakate an den Wänden es sogar verboten: Kein Sex in der Herrentoilette! Alle Becken waren besetzt, deshalb ging ich in eine der Kabinen. Die Musik wummerte gedämpft. Alles drehte sich. Ich hatte Mühe meine Hose zu öffnen. 

Eric musste mich beobachtet haben, womöglich hatte er mich schon die ganze Zeit beobachtet. Plötzlich war er hinter mir, umarmte mich von hinten und griff mir ungeniert in die Hose. Er küsste meinen Hals und schmiegte sich eng an mich. Ich konnte seinen Ständer in seiner Hose fühlen. Ich genoss seine Nähe ganz spontan, seine Hände an meinem Schwanz. Er fühlte sich gut an. Ich fühlte mich einsam und es war mir in diesem Moment scheißegal, wer mir seine Zärtlichkeiten schenkte, wem der Körper gehörte, an den ich mich anlehnen konnte. Ich stellte mir vor, dass es Clay wäre. Ich wünschte mir, dass es Clay wäre. 

Wir küssten uns heftig. Ich tastete mich an ihm herunter und packte seinen harten Schwanz aus. Wir befriedigten uns gegenseitig viel zu schnell. Der Mann war viel zu gierig und geil. Es war viel zu schnell vorüber. Eric kam schon nach wenigen Minuten. Und dann holte er mir einen runter. Noch ehe ich es richtig genießen konnte, war es auch schon vorbei. Ein kurzes Aufblitzen von Gefühlen. Ein Akt der traurigen Verzweiflung. Eric verschwand genau so schnell, wie er aufgetaucht war, und ich blieb allein in der Kabine zurück. Ich versuchte zu pinkeln, aber es klappte noch nicht sofort. Ich versuchte, nicht zu weinen. 

Diese traurige Erinnerung schlug wie ein Faustschlag auf mich ein, als ich dort im Keller in der Garderobe des Grenzland-Theaters stand und versuchte, mit meiner Eifersucht auf Eliza klar zu kommen. Mein Hals schnürte sich zu. Ich zwang mich krampfhaft, nicht loszuheulen. Ich fühlte mich plötzlich benutzt, meine Gier nach Sex erschien mir krankhaft. Nie wieder durfte ich so ein Risiko eingehen, hämmerte ich mir ein. Ich durfte meine seriöse Fassade nicht mit so einem Scheiß gefährden! 

Unvermittelt hatte ich das schreckliche Gefühl, mit Eric Dentor einen riesigen, nicht wieder gut zu machenden Verrat an Clay Banton begangen zu haben. Ich wollte ihm hastig alles erklären, ihn irgendwie um Verzeihung bitten, ihm versichern, dass Dentor mir nicht das Geringste bedeutete. Ich wollte ihn sofort in meine Arme schließen und nie mehr loslassen. Aber als ich hochschaute, war Clay verschwunden.

Jill

Endlich waren wir am Ziel, und ich staunte nicht schlecht, als Clay Banton mitten in einem Gewerbegebiet anhielt, ziemlich außerhalb der Stadt. Er parkte vor einer verlassenen Lagerhalle und ich fragte mich, wo in dieser Gegend seine Wohnung wohl sein konnte. Einen kurzen Moment flackerte meine Angst auf, dass er mir womöglich doch Gewalt antun wollte und mich nur deshalb an diesen einsamen Ort mitgenommen hatte. Immerhin kannte ich diesen fremden Mann ja gar nicht. Ich wusste so gut wie nichts über ihn, nur, dass er heroinabhängig war und Theater spielte. Und erst vor einer halben Stunde hatte doch eine Frau im Theater behauptet, dass Clay Banton ein kranker, gefährlicher Psychopath wäre, der versucht hätte, sie brutal zu vergewaltigen. Misstrauisch beäugte ich ihn und nahm mir fest vor, auf der Hut zu bleiben. 

Clay verließ sein Auto und lief zum Eingang eines halb verfallenen Treppenhauses am Eingang der Lagerhalle. Eine Haustür gab es nicht. Ich stieg zögernd aus dem Auto und betrachtete ihn wachsam. Er drückte vom Eingang des Hauses aus auf seinen Autoschlüssel und die Türen seines wertvollen MGs verschlossen sich mit Licht und Ton, wie von Geisterhand. „Komm hier her", rief er amüsiert und ungeduldig. Ich folgte ihm zögernd. 

Er verschwand im dunklen Treppenhaus. Gleich darauf spendete eine einsame Glühbirne, die von der Decke baumelte, spärliches Licht. „Wohin führst du mich?" fragte ich ihn alarmiert und musterte das düstere, steinerne Treppenhaus argwöhnisch. Ein sehr teures Fahrrad lehnte an der Wand im Flur und ich wunderte mich, dass es nicht abgeschlossen war. Ich fragte mich, ob es wohl Clay gehörte. Es würde zu seinem Auto passen, dachte ich, aber das Auto hat er verschlossen, das Fahrrad nicht. 

Clay lachte und stieg eilig die kahlen Steinstufen hinauf. „Vertrau mir, ich wohne hier", erklärte er mir lächelnd. Ich hatte eine Vision von einem illegal besetzten Raum in einer düsteren Lagerhalle, ohne Strom und Badezimmer, eine schmutzige Matratze zum Schlafen und Penner, Wanzen und Flöhe als Wohngenossen. Am liebsten wäre ich auf der Stelle umgekehrt. Clay Banton ist ein Obdachloser, dachte ich entsetzt, weiß der Himmel woher er den MG hat.

Aber dann hörte ich, wie er in der ersten Etage eine Tür aufschloss, was meiner gruseligen Theorie widersprach, und beeilte mich ihm zu folgen. 

Die riesige Überraschung, die der Mann hier für mich bereit hielt, werde ich wohl nie vergessen. Clay Banton hatte eine luxuriös eingerichtete Wohnung über einer verlassenen Lagerhalle in einem einsamen Gewerbegebiet. Von der Wohnungstür aus traten wir direkt in ein sehr großes Wohnzimmer. Er schaltete mit einer weißen Fernbedienung, die wohl auf einem Schrank neben der Tür gelegen hatte, zwei Deckenfluter in den Ecken hinter dem großen Sofa ein, und dann schloss er hinter uns die Tür. 

Ich stand nur dort, starrte das Zimmer an und staunte. „Fühl dich wie zu Hause", lud er mich hastig ein, „Setz dich, nimm dir was zu trinken aus der Küche." Er zeigte einen langen Flur entlang, an dessen Ende anscheinend die Küche war. „Ich muss mal kurz unter die Dusche." Damit eilte er seinen Flur entlang und verschwand links in einem der Zimmer. Er machte die Tür zu, schloss aber nicht ab. 

Ich schaute ihm hinterher. Ja, klar, von wegen Dusche, du musst dir wohl eher dringend deine Droge einfahren, dachte ich geringschätzig. Im nächsten Moment überlegte ich, ob er vielleicht doch nur kurz duschen, zurückkommen und das Heroin im Wohnzimmer nehmen würde. Ich machte einen Schritt auf das Sofa zu, da kam Clay auch schon wieder zurück. Er ging zu dem niedrigen Tisch, der ungefähr in der Mitte des Zimmers stand. Er beachtete mich gar nicht, schaute sich nur hektisch suchend auf dem Tisch um, auf dem ein ziemliches Durcheinander von Sachen lag. „Hast du was vergessen?" fragte ich ihn. Er überhörte meine Frage und den spöttischen Ton meiner Stimme, sah mich nur irgendwie gehetzt an und lächelte fast entschuldigend. 

„Fühl dich wie zu Hause, hörst du?" wiederholte er, „Mach dir Musik an, oder den Fernseher! Hol dir was zu trinken!" Er zeigte eilig auf seine teure Musikanlage, die an der Seite des Zimmers auf einem Schrank stand, dann auf den riesigen Flachbildfernseher auf dem Schrank an der Längsseite gegenüber dem Sofa. Dann deutete er erneut den Flur entlang zur Küche. Ich lächelte ihm beruhigend zu. „Ist schon gut, Clay. Ich komm schon zurecht", erklärte ich ihm. Er nickte irgendwie dankbar, sammelte dann eine Packung Alufolie, ein Blatt Zeichenpapier, ein kleines Messer und ein zusammengerolltes Stück Papier vom Tisch auf und ging zurück Richtung Badezimmer. 

Abermals schloss er hinter sich die Tür ohne sie abzuschließen. „Lass dir Zeit!" rief ich ihm hinterher. Es hörte sich spöttischer an, als ich es eigentlich gemeint hatte. Ich wusste nun, dass er das Heroin im Badezimmer nehmen würde. Er nahm Rücksicht auf mich. Er hatte nicht vor, sich vor meinen Augen eine Spritze zu setzen, worüber ich extrem erleichtert war. So etwas Fürchterliches wollte ich mir wirklich nicht ansehen müssen. Anscheinend raucht Clay das Zeug, vermutete ich erleichtert, dafür braucht er bestimmt die Alufolie. Dieser Mann respektiert mich, registrierte ich dankbar, er ist ein wirklicher Gentleman. Dann musste ich lachen, weil diese Situation so eigenartig war. So etwas hatte ich nicht erwartet. 

Neugierig guckte ich mich in Clays Wohnzimmer um. Es war ein sehr großer Raum mit hoher Decke, vielleicht auch eine ehemalige Lagerhalle. Die Wände waren tapeziert mit mattgelber Raufasertapete. Darüber hingen jede Menge Gemälde in Holzrahmen. Dazu unzählige angeheftete, selbst gemalte Bilder und Grafiken, auch selbst gestaltete Plattencover und Werbeanzeigen. An der Wohnungstür hing von innen ein großes Plakat von Psychotic Kühlschrank. Auf jedem Bild entdeckte ich irgendwo seine Signatur, die er auch als Autogramm in meinen Schreibblock gemalt hatte. Er hatte diese unterschiedlichen Zeichnungen also alle selbst angefertigt, und man konnte ihm ein gewisses Zeichentalent nicht absprechen. 

Eine Schmalseite des Raums war voller Regale, die bis zur Decke reichten. In ihnen lagerten gut sortiert Bücher, CDs und Blu-rays zwischen Kartons und Kisten. Eine lange Leiter diente dem Erreichen der obersten Etagen. Es gab viele Elektrogeräte auf einem Schrank an der Längsseite, ein Internet-Radio, Verstärker, CD- & Blu-ray-Player. Zu meinem Erstaunen entdeckte ich sogar einige Spielkonsolen. Der riesige, leicht gewölbte LCD-Flachbildfernseher dominierte den ganzen Raum. Trotzdem hing zusätzlich ein Beamer hinter dem Sofa an der Decke. Die dazugehörige Leinwand war aufgerollt weit oben, gegenüber dem Beamer zu finden. Er konnte sein Wohnzimmer also in ein Kino verwandeln, wenn er wollte. In diesem Zimmer gab es überall verteilt unzählige Bluetooth-Lautsprecher in allen Größen. 

Die Längsseite hinter dem Sofa hatte Fenster, die bis zum Boden und fast bis zur Decke reichten. Es gab keine Gardinen, nur Jalousien, die offen standen. Auf dem Parkett-Boden lagen mehrere, wahrscheinlich sehr teure, weil sehr dicke Teppiche. In einer Ecke standen Gitarrenständer mit Akustik-, Halb-Akustik- & E-Gitarren samt Verstärker. Insgesamt wirkte das Zimmer, bis auf den chaotischen Tisch, relativ aufgeräumt und nicht schmutzig. 

Immer noch überwältigt vom geschätzten Wert dieser Einrichtung ließ ich mich auf dem grauen Sofa nieder. Mein Blick fiel auf den flachen Glastisch. Unzählige Sachen lagen und standen darauf. Leere Gläser, überfüllte Aschenbecher, leere und halb volle Zigarettenschachteln, einige Feuerzeuge, Zeitschriften, Zeichenpapier, Fernbedienungen. Dazwischen überall abgerissene Silberpapierstreifen mit weg gerauchtem Heroin darauf. 

Ich wusste gleich, dass die schwarz verbrannte Substanz auf dem Silberpapier Heroin gewesen war. Was hätte es sonst sein sollen? Außerdem hatte ich über das Rauchen von Heroin auf Alufolie einen Bericht im Fernsehen gesehen. Allerdings hatte keiner der Junkies im Fernsehen in einer vergleichbaren Wohnung gelebt, ganz im Gegenteil! Ich wunderte mich, dass Clay die stummen Zeugnisse seiner harten Drogensucht so einfach auf dem Wohnzimmertisch liegen ließ. Aber ein Ordnungsfanatiker schien er ohnehin nicht zu sein. Dazu war das ganze Zimmer irgendwie zu chaotisch. Und der teure Teppich wies sogar ein Brandloch von einer Zigarette auf. 

Ich überlegte, was dieses Zimmer mir wohl über Clay Banton verriet. Dass er viel Geld hatte? Das war offensichtlich. Aber woher hatte er das Geld? Bestimmt nicht von seiner Arbeit als Amateurschauspieler im freien Theater! Verdiente er dort überhaupt etwas, oder war das Theaterspielen nicht eher nur ein Hobby von ihm? 

Ich studierte die vielen Bilder an den Wänden genauer. Sie waren auf eine merkwürdige Art gut, er hatte zweifellos ein Talent fürs Zeichnen. Konnte er damit Geld verdienen? Oder machte er vielleicht noch etwas ganz anderes? Womöglich mit Drogen dealen? Ich brannte darauf, ihn danach zu fragen. Ich war jetzt sehr neugierig auf diesen fremden Mann, ich wollte alles über ihn wissen. 

Allein saß ich in seinem Wohnzimmer auf dem bequemen Sofa und lauschte. Es war ganz still in der Wohnung. Obwohl das Badezimmer anscheinend an das Wohnzimmer angrenzte, war von Clay nichts zu hören. Noch länger hockte ich dort und ließ das Zimmer auf mich wirken. Ich dachte weiter darüber nach, was es mir über Clay sagte. Irgendetwas war hier ganz eindeutig.

Nach einiger Zeit kam ich darauf, was es war. Dieses Zimmer strahlte eine fast greifbare Offenheit aus. Die teuren Elektrogeräte wirkten nahezu unwichtig, wie zufällig aufgestellt. Sie hatten im Grunde genommen keine Bedeutung. Das einzig Wichtige in diesem Raum waren die selbst gemalten Bilder an den Wänden. All diese merkwürdigen Motive, die oft erst bei genauem Hinsehen ihre Botschaft vermittelten. Dass er so viele von ihnen so offen ausstellte wirkte auf mich, als wollte er sich selbst darstellen. Als wollte er dem Betrachter einen Einblick in sein Inneres gewähren. 

Als mir das klar wurde, stieg meine Aufregung. Meine freudige Erwartung ließ mich breit grinsen. Dieses ungewöhnliche Wohnzimmer versprach mir einen vielschichtigen, irgendwie chaotischen, extrem sensiblen und kreativen Menschen. Diese Nacht mit Clay Banton würde ganz bestimmt noch ziemlich interessant werden.

Clay

Nachdem ich mir noch einige Sachen aus dem Wohnzimmer geholt hatte, schloss ich die Tür hinter mir, schaltete die Neonröhre ein und stürzte nahezu auf den Boden des Badezimmers. Mit zitternden Fingern fummelte ich die beiden zweieinhalb Gramm Beutel aus meiner Unterhose und riss einen davon über einem gefalteten Blatt Zeichenpapier auf. Ich schüttete die shore auf das Papier und mir blieb vor Erwartung beinahe die Luft weg, als ich mit dem kleinen Messer etwas davon auf das Silberpapier häufte. 

Dann nahm ich das Feuerzeug aus meiner Jacke, ein gerolltes Zugrohr steckte ich in mein Maul, und dann rauchte ich endlich meinen ersten Chinesen an diesem Abend. Das Heroin verbrannte schnell zu einer sehr klaren, goldbraunen, flüssigen Substanz, was seine gute Qualität dokumentierte. Und ich zog wie irre den bitteren Qualm in meinen affigen, schmerzenden, gierigen Körper, bis die klare, zähe Flüssigkeit nur noch ein Häufchen Asche war. 

Danach ließ ich meine Hände sinken, schloss die Augen und horchte ganz tief in mich hinein. Der bittere Qualm brannte in meinen Lungen. Ich musste mich anstrengen, um nicht zu husten. Ich atmete schwer, Tränen schossen mir in die Augen und Spucke lief aus meinem Mund. Dann rauchte ich noch einen Chinesen und dann noch einen. Ich konnte in jeder einzelnen Sekunde fühlen, wie es besser wurde. Mit jedem neuen Atemzug schien der Affe weniger zu werden, die Schmerzen in allen Fasern meines Körpers lösten sich kontinuierlich in Luft auf, bis sie schließlich ganz verschwunden waren. Ich rauchte noch weitere Chinesen und dann noch welche. Und schon bald war nur noch Wärme in mir, nur noch dunkle, sanfte Wohltat. Mein Hals war ganz trocken und es schmeckte sehr bitter, aber auch angenehm vertraut, eben nach gutem Heroin. 

Ich stand auf und wankte zum Waschbecken. Eine Weile starrte ich mein Gesicht im Spiegel an. Ich ärgerte mich über die Wunde zwischen meinen Augen, wo mich anscheinend der zweite unselige Stein getroffen hatte. Ansonsten war mein Gesicht aber in Ordnung. Und mein Kopf tat jetzt nicht mehr weh. Ich war verflucht wohlig beduselt, alles war wie weiche Watte in mir.

Kurzentschlossen zog ich mich schnell aus und stellte mich nackt unter und vor die fünfundzwanzig Wasserdüsen meiner Dusche. Ich ließ mich vom warmen Wasser sehr angenehm massieren, dann wusch ich mich gründlich mit extrem teurem Duschgel. Dabei untersuchte ich eine Weile meinen Körper. Meine Hüfte war von dem ersten Stein verletzt worden. Mein Hinterteil hatte einen blauen Fleck, wo mich ebenfalls ein Stein getroffen hatte, den Sean nach mir geworfen hatte. Ich hatte auch einige blaue Flecken an den Armen, Oberschenkeln und an den Rippen. Sean hatte kräftig zugeschlagen, aber es tat jetzt nicht weh. Nichts tat mehr weh, nicht mal der Gedanke an Sean. 

Ich verbannte ihn trotzdem schnell wieder aus meinem Gedächtnis, was mir nicht mal besonders schwer fiel, denn da war jemand, der im Wohnzimmer auf mich wartete. Ich brauchte Valmont heute Nacht nicht. Weder ihn, noch Eliza. Dieser Gedanke gefiel mir ungemein. Ich trank gierig einige Schlucke Wasser und spülte mein Maul aus. Dann drehte ich die Dusche ab und stieg heraus. Ich kontrollierte meine Zähne im Spiegel nach Rückständen von shore. Sie waren ganz sauber. Ich trocknete mich mit einem Handtuch ab. Dabei grinste ich mich selbst an, versuchte einige Arten zu lächeln, weil ich mich plötzlich an das Mädchen in meiner Wohnung erinnerte. Ich versuchte mich zu erinnern, wie sie aussah. Ich dachte darüber nach, ob ich es gut fand, dass sie da war, oder ob ich jetzt lieber allein wäre. 

Aber ich kam ziemlich schnell darauf, dass ich jetzt auf gar keinen Fall allein sein wollte. Ich war auf einmal glücklich, wie euphorisch über ihre Anwesenheit. Und obwohl ich sie überhaupt nicht kannte und auch noch keinen Plan hatte, wie diese Nacht mit ihr wohl verlaufen würde, nahm ich mir vor, sie nett und zuvorkommend zu behandeln. Ich würde ihr nicht zu nahe kommen. Es war mir völlig egal, ob sie mit mir schlafen würde. Ich war viel zu froh über ihre Gesellschaft, als hätte der Gedanke an Sex mich in irgendeiner Weise beeinflusst. Ich hatte nicht die geringste Absicht, es auch nur irgendwie darauf anzulegen. Ich fühlte mich zu gut, ich war viel zu angetörnt, um die Nacht von Sex abhängig zu machen. 

Eine Weile stand ich noch vor dem Spiegel und sah mein Gesicht an, meine Augen mit den winzigen Pupillen. Dann wurde mir ganz warm. Ich zog mich wieder an, drehte mich herum und versteckte den Rest der shore und die Rauchutensilien im Schaltkasten des Whirlpools. Dann stand ich noch eine Weile dort, schloss die Augen und atmete tief durch.

Sean

Der Samstagabendauftritt, zweifellos die wichtigste Vorstellung der ganzen Woche, endete nicht mit meinem so oft erträumten tosenden Beifall. Ich bekam keine standing ovations. Niemand wollte ein Autogramm von mir haben und keiner machte ein Selfie mit mir. 

Dieser Auftritt endete damit, dass ich allein in der Garderobe im Keller des Theaters auf dem Boden saß und fast durchdrehte. Ich war dermaßen verzweifelt wegen diesem ganzen Scheiß, der mein Leben war. Das erfolglose Stück und der Reporter von ArtHouse, der meine Performance und mich durch den Dreck ziehen würde, dessen war ich mir sicher. Eric Dentor, der mich auf eine viel zu gefährliche Art öffentlich benutzte, und den ich trotzdem nicht nur aus Mitleid an mich heran ließ, sondern auch aus Geilheit. Eliza Laser, die eine viel zu starke Beziehung zu Clay hatte, die ich einfach nicht zerstören konnte. Und selbstverständlich und immer wieder Clay Banton, der mich verhext hatte, und der nichts von dem verstand, was ich ihm die ganze Zeit über sagen wollte. Er würde mich nie begreifen, und ich fühlte mich verflucht einsam und unverstanden. 

Mir schien es, als wäre ich der Einzige, dem überhaupt etwas an Psychotic Kühlschrank lag. Als wäre ich der Einzige, der die Performance so verstand, wie sie gemeint war. Es war meine Geschichte! Es war meine Seele, offen auf einem Tablett serviert. Ich hatte so verdammt lange hart daran gearbeitet. Und jetzt wurde meine Arbeit einfach so in den Dreck geworfen. Alle hielten es für Bullshit, machten sich lustig darüber und verstanden überhaupt nichts.

ArtHouse interessierte sich sowieso höchstens für irgendwelche ominösen Vergewaltigungsgeschichten. Clay machte mit seiner Blödheit, seiner Drogensucht und Unkontrollierbarkeit alles kaputt, was ich uns so mühsam aufgebaut hatte. Charlotte hingegen war viel zu talentiert, um es noch lange mit uns und meiner, nicht im geringsten erfolgreichen Performance auszuhalten, glaubte ich zu wissen. Für sie war Psychotic Kühlschrank ohnehin nur ein Hobby neben ihrem festen Arrangement am Stadttheater. Sie würde sich bestimmt schon sehr bald von uns verabschieden. 

Was zur Hölle sollte ich dann allein mit Clay anfangen? Mit wem sollte ich die weibliche Hauptrolle neu besetzen, wo doch niemand mehr Interesse daran hatte? Ich müsste meine Performance von Grund auf umschreiben, was eigentlich in dem Maß gar nicht möglich war. Als Konsequenz würden sich Clay und ich dann wieder, wie ganz am Anfang unserer Schauspielkarriere, als unterschätztes Duo auf der Bühne einen abbrechen, und wahrscheinlich höchstens ein müdes Lächeln damit erzielen. Vielleicht würden die Leute uns auch ausbuhen und mit Gegenständen nach uns werfen, so wie bei unserem ersten Versuch auf einer Bühne vor ein paar Jahren. 

Aber das Schlimmste war, dass Clay Banton dann vielleicht gar nicht mehr dazu fähig war, auf einer Bühne zu stehen und eine anspruchsvolle, experimentelle Performance auszufüllen. Wenn dieser verfluchte Vollidiot so weitermachte, dann gab ich ihm höchstens noch ein paar Wochen, bis er wieder völlig versumpfen würde. Das würde zwangsläufig passieren. Es gab für ihn und mich keine Chance, dieser Tatsache zu entkommen, wenn er sich nicht änderte und endlich damit aufhörte, zu viel Heroin zu rauchen. 

Selbstverständlich dachte ich an Clay, und dann heulte ich plötzlich laut und krampfhaft. Mächtige Traurigkeit übermannte mich völlig ungewollt. Die salzigen Tränen schossen förmlich aus meinen Augen und liefen nass mein Gesicht herunter. Rotz lief mir aus der Nase, und es war mir völlig egal. Ich war am Boden zerstört. Clay zerstörte sich selbst. Clay zerstörte mich, weil ich ihn zu sehr liebte. Ich sehnte mich so stark nach ihm, dass es verdammt weh tat. Es zerriss mich nahezu. Ich hatte das Gefühl, meine Sehnsucht nicht länger ertragen zu können. Ich konnte es nicht länger ertragen, dass Clay Banton hochgradig süchtig nach Heroin war, und dass er so dermaßen viel für Eliza empfand.

Ich wollte tatsächlich sterben in diesem Moment, denn es kam mir die Idee, dass dann sofort jede Verzweiflung von mir abfallen würde, dass es sogar die einzige Chance wäre, dieser Qual zu entkommen. 

Zwischendurch drängte sich wiederholt Eric Dentor in meine Gedanken, und wie gut er sich angefühlt hatte. Aber ich wollte doch gar kein Schwuler sein, der sich von fremden Männern auf einer beschissenen Toilette einen runter holen ließ! Trotzdem geilten mich diese Begegnungen auf, war ich also genau so eine blöde Schwuchtel. In diesem Moment hasste ich mich richtig dafür. Ich war extrem alarmiert wegen meiner ständigen Bereitschaft, in der Öffentlichkeit diese gefährlichen Risiken einzugehen. Irgendwie war ich sogar süchtig nach dieser Art von Gefahr, wurde mir bewusst, und das würde sicher nicht mehr lange gut gehen. Ich konnte es nicht ertragen, dass Clay von Dentor wusste. Ganz sicher sprach sich das alles sowieso schon längst herum, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich zum Gespött werden würde. 

Meine wirren Gedanken rasten unaufhaltsam in eine unendliche Dunkelheit. Alles ging kaputt, es entzog sich irgendwie meinem Einfluss. Ich fühlte mich diesem Verfall hilflos ausgeliefert. Ich saß auf dem schmutzigen Boden der Garderobe und starb ganz allein ungefähr tausend Tode. Vom vielen krampfhaften Schluchzen taten mir der Hals und die Lunge weh. Die Scheiß shore wirkte überhaupt nicht mehr.

Jill

Ich dachte gerade darüber nach, ob ich aufstehen und mir den Rest der Wohnung anschauen sollte, als ich hörte, wie die Badezimmertür aufging. Clay kam lächelnd ins Zimmer. Er hatte keine Jacke und keine Schuhe mehr an, nur schwarze Socken, schwarze Jeans und ein dunkelblaues Sweatshirt. Sein dunkles, kurzes Haar war immer noch nass. Er war jetzt überhaupt nicht mehr hektisch. Er strahlte eine umfassende Ruhe und Zufriedenheit aus. 

Eine Weile stand er dort und schaute mich lächelnd an. Sein Lächeln war freundlich, sehr interessiert, und ich fand es ziemlich süß. Ich fand ihn auf einmal ausgesprochen attraktiv. Er kam näher und guckte auf den Tisch, um zu überprüfen, ob ich mir etwas zu trinken geholt hatte, was ich nicht getan hatte. „Was möchtest du trinken?" fragte er sogleich, „Möchtest du Wein? Ich habe Rotwein in der Küche..." Ich lächelte, denn er überschlug sich nahezu vor Gastfreundschaft. „Wein wäre toll", stimmte ich ihm zu. „Pinot Noir?" wollte er wissen. „Ja, super", nickte ich, dabei hatte ich gar keine Ahnung von Wein und wusste überhaupt nicht, welche Sorte er damit meinte. Er drehte sich um und ging den Flur entlang zur Küche. 

Nach kurzer Zeit war er schon wieder zurück mit zwei sauberen Weingläsern und einer Flasche Rotwein unter dem Arm, von dem ich annahm, dass es bestimmt eine teure Marke war. Er setzte sich neben mich auf das Sofa, ohne mir zu nah zu kommen. Er hörte nicht auf zu lächeln, entkorkte die Flasche äußerst gekonnt und goss uns zwei Gläser ein. 

Dann reichte er mir das eine Glas und stellte die Flasche auf den Tisch. Er hielt mir sein Glas zum Anstoßen hin und sah mich aufmerksam an. „Es tut mir leid, dass du so lange warten musstest", betonte er höflich. „Also... wie heißt du?" fragte er dann lächelnd. „Jill. Ich heiße Jill Bennet", antwortete ich ihm amüsiert. „Es ist schön, dass du hier bist, Jill", sagte er nett, „Ich bin Clay Banton." „Ja, ich weiß", kicherte ich und war beeindruckt von seinen guten Manieren. 

Wir stießen mit unseren Gläsern an und ich nahm einen Schluck. Der Rotwein war angenehm kühl und schmeckte recht gut, fruchtig und würzig zugleich. Clay leerte in einem Zug sein ganzes Glas und stellte es dann auf den Tisch, nachdem er sich Platz verschafft hatte. Dann kramte er aus seiner Hosentasche eine Schachtel Marlboro samt Zippo-Feuerzeug, zündete sich eine Zigarette an und legte die Schachtel ebenfalls auf den Tisch. Es gefiel mir nicht, dass er rauchte, aber ich beschloss darüber hinwegzusehen. Ich zog meine Jeansjacke aus und legte sie neben mich auf das Sofa. Es war angenehm warm in seiner Wohnung. 

Danach saßen wir eine Weile schweigend nebeneinander. Ich beobachtete ihn von der Seite. Er sah sauber und erfrischt aus. Ich war erleichtert, dass er sich mit den Drogen nicht so zugeknallt hatte, dass er nichts mehr mitkriegen würde. Eigentlich merkte man ihm seinen Heroinkonsum kaum an. Er rauchte, schaute mich nicht an und wirkte jetzt irgendwie schüchtern. Offenbar wusste er nicht so recht, was er nun tun sollte. 

Nach einiger Zeit wandte er sich mir wieder zu. „Erzähl mir doch etwas von dir", bat er mich in die Stille hinein. Ich schüttelte den Kopf. „Erzähl mir lieber von dir, Clay. Deine Wohnung sieht sehr teuer aus. Wie kommst du an so eine Wohnung?" forderte ich ihn auf und betrachtete ihn neugierig. Er lächelte und erwiderte meinen Blick. „Warum wundert dich das?" wollte er amüsiert wissen. Ich wollte ihn nicht jetzt schon vor den Kopf stoßen mit der Frage, woher er so viel Geld hatte, deshalb sagte ich: „Weil hier in der Gegend anscheinend niemand sonst wohnt. Ich meine, das ist doch hier ein Gewerbegebiet, oder? Niemand sonst hat eine Wohnung in einer Lagerhalle! Ist es deine Wohnung?" Er nickte. „Hast du die Wohnung gekauft?" hakte ich interessiert nach. Clay lächelte und nickte nochmal. „Von wem?" drang ich weiter in ihn. Er betrachtete mich aufmerksam. Meine Wissbegier schien ihn zu belustigen. „Von einem Kunstsammler", antwortete er mir nach einer Weile ruhig. Ich war erstaunt. „Kunstsammler?!" „Er kauft Bilder von mir." „Hast du die Wohnung mit einem Bild bezahlt?" fragte ich ziemlich dumm. Clay lachte sofort lauthals auf und schüttelte den Kopf.

„Das wäre schön, wenn meine Bilder so viel wert wären!" rief er lachend, beinahe nach Luft schnappend. Ich musterte ihn und mir fiel plötzlich auf, wie schön er war, wenn er lachte. Seine grünen Augen blitzten förmlich vor Heiterkeit. Sein ganzer Körper strahlte Erheiterung aus. Seine greifbar offene Fröhlichkeit war sofort merkbar ansteckend. „Was ist denn die höchste Summe, die du je für ein Bild bekommen hast?" wollte ich neugierig wissen. Clay blinzelte mich verschmitzt an. „Was glaubst du denn?" fragte er mich irgendwie neckend. Ich überlegte sehr lange, dabei hatte ich sowieso null Ahnung vom Kunsthandel. „100 Euro?" schätzte ich endlich vorsichtig. 

Clay prustete los und lehnte sich im Sofa zurück. Er streckte seinen Arm über die Lehne in meine Richtung. Beinahe liebevoll betrachtete er mich. Du hast zwar keinen Schimmer von Kunst, aber ich finde dich echt lustig, sagte sein Blick. „Das wäre wiederum ein bisschen traurig - für die ganze Arbeit", meinte er. Ich rutschte näher zu ihm hin und schlug ihn leicht gegen die Schulter. „Jetzt sag es mir schon!" forderte ich ihn ungeduldig auf. Er rieb sich übertrieben die getroffene Stelle, als hätte ich ihm mit meinem leichten Klaps wehgetan.

„10.000", behauptete er breit lächelnd. Die Höhe der Summe erstaunte mich zutiefst. 10.000 Euro erschien mir entschieden zu viel Geld zu sein für ein Bild von einem unbekannten Künstler wie Clay Banton. Ich war mir nicht sicher, ob er mich nicht vielleicht anlog und seine Bilder viel wertvoller machte, als sie in Wahrheit waren. Aber natürlich sagte ich ihm das nicht. 

„Wie lange malst du denn an einem Bild?" fragte ich ihn stattdessen. Seine Finger streichelten jetzt wie gedankenverloren über den Stoff der Sofalehne, ohne mir zu nah zu kommen. „Das ist ganz unterschiedlich... Es kommt auf das Motiv an... die Technik... das Material... und natürlich auf die Größe des Bildes...", erklärte er mir zögernd. Mein Blick fiel auf die Wohnungstür und das daran angeheftete Plakat von Psychotic Kühlschrank. „Wie lange hast du für dieses Plakat gebraucht?" wollte ich von ihm wissen. Sein Blick folgte meinem. Er studierte eine Weile das Plakat und dachte nach. Er versuchte sich wohl zu erinnern, wie lange er daran gemalt hatte. „Ungefähr vier Tage", informierte er mich endlich ganz leise. Ich beobachtete ihn gebannt und ich bemerkte, wie seine greifbare Fröhlichkeit von ihm abfiel. Irgendetwas an dem Plakat macht ihn traurig, registrierte ich überrascht. Ich beschloss, auf jeden Fall noch auf das Thema Theater zurück zu kommen. Aber erst interessierte mich noch etwas anderes. 

„Du hast die Wohnung also mit Geld bezahlt?" Sein Blick wanderte zurück zu mir. Er lächelte, aber es wirkte jetzt ein wenig betrübt. „Ja, der wollte schon Geld von mir haben", sagte er, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. „Und wie kommt es, dass ein Kunstsammler, der Bilder von dir kauft, dir plötzlich eine Wohnung verkauft?" Clay zog seinen Arm von der Lehne zurück, setzte sich wieder gerade hin und zuckte mit den Schultern. „Er hat mir die Wohnung angeboten. Ich habe sie hauptsächlich gekauft, weil ich unten die große Halle nutzen kann." „Das Haus gehört dir also nicht?" „Nein, bisher nur die oberen Etagen." „Willst du das ganze Haus kaufen?" wollte ich überrascht wissen. Er schmunzelte über meine Neugier. „Irgendwann ja. Wenn ich das dazu nötige Kleingeld habe." „Und wofür brauchst du die Halle unten im Erdgeschoss?" 

Er lächelte fast mitleidig über meine Dummheit und zeigte ringsum an die Wände seines Wohnzimmers. „Um meine Bilder auszustellen. Das erspart mir die Suche nach einer Galerie", erklärte er mir, als müsste ich das eigentlich wissen. „Du machst Ausstellungen?" entfuhr es mir erstaunt. Aus irgendeinem Grund hatte ich damit nicht gerechnet. Er nickte erneut. „Selbstverständlich. Auf diese Art kann man immer noch am besten Bilder verkaufen." 

Diese Informationen beeindruckten mich, besonders weil ich wusste, dass er heroinabhängig war. Es beeindruckte mich, dass dieser Mann trotz seiner Sucht in seine Kunst so viel Energie stecken konnte, dass er seine Bilder aus eigener Kraft für so viel Geld verkaufen konnte. „Du bist also nicht nur ein erfolgreicher Schauspieler, sondern auch ein sehr gefragter Maler!" stellte ich ehrlich bewundernd fest. Clay wich unsicher meinem Blick aus, zog an seiner Zigarette und drückte sie dann in den Aschenbecher. „Ich versuche es", meinte er bescheiden, ohne mich dabei anzusehen. Ich hatte den Eindruck, mein Enthusiasmus für seine Person wurde ihm langsam ein bisschen unheimlich. Andererseits schien er sichtbar sehr geschmeichelt zu sein.

Amüsiert betrachtete ich ihn und wechselte das Thema, indem ich mich seiner zweiten Tätigkeit zuwandte. „Und wie bist du beim Theater gelandet, Clay?" Er seufzte unwillig. „Das hat sich einfach so ergeben...", antwortete er ausweichend. Irgendwas an diesem Thema gefiel ihm nicht. Vielleicht stellte ich ihm aber auch einfach nur zu viele Fragen. 

„Ich würde sterben, da oben ganz allein im Scheinwerferlicht, nackt vor den ganzen fremden Menschen, die mich anstarren! Ich würde vor lauter Nervosität mit Sicherheit kein Wort rauskriegen und meinen Text komplett vergessen!" berichtete ich ihm, um ihn aufzumuntern, was sofort klappte. Clay fing amüsiert an zu lachen und schüttelte den Kopf. „Hast du denn niemals Angst dich zu blamieren?" fragte ich ihn erstaunt. Seltsamerweise schien dieser Gedanke ihm völlig neu zu sein. Er dachte lange darüber nach und es sah aus, als hätte er tatsächlich noch niemals vorher darüber nachgedacht. Es fiel ihm sichtbar schwer, auf meine Frage eine Antwort zu finden. 

Überrascht und fasziniert beobachtete ich diesen Mann, dem so etwas wie Lampenfieber scheinbar fremd war. „Ich denke nicht darüber nach, was vielleicht passieren könnte", versuchte er endlich zu erklären. „Im Ernst?" entfuhr es mir perplex. Er lächelte wieder sein süßes Lächeln. Seine Augen leuchteten grün, mit winzigen schwarzen Pupillen. „Das bringt doch gar nichts", meinte er, womit er zumindest in Bezug auf das Theater ohne Zweifel recht hatte. Dennoch war ich sehr erstaunt über sein scheinbar grenzenloses Selbstbewusstsein. 

Clay lehnte sich auf dem Sofa zurück und betrachtete mich lächelnd. Offensichtlich fühlte er sich in meiner Gesellschaft wohl, was mir irgendwie schmeichelte. „Und was machst du so, Jill? Wo wohnst du?" wollte er interessiert von mir wissen, um das Gespräch von sich abzulenken. Ich winkte ab. „Ach, wenn du zu mir kommen würdest, dann wärst du bestimmt enttäuscht." „Das glaube ich nicht!" entgegnete er sofort, und seine Augen signalisierten ehrliche Anteilnahme.

Verwirrt wich ich seinem Blick aus und nahm noch einen Schluck Wein. „Ich wohne ganz primitiv zur Miete", erzählte ich ihm dann. „Wie groß ist deine Wohnung?" fragte er. „Gerade mal 50 Quadratmeter", informierte ich ihn achselzuckend, denn das war im Vergleich zu seinem riesigen Domizil nahezu winzig. 

„Und.... wohnst du dort denn alleine?" wollte er plötzlich sehr leise wissen. Ich warf ihm einen überraschten Blick zu. Er lächelte beinahe entschuldigend, aber auch sichtbar gespannt und irgendwie herausfordernd. Seine Augen glitzerten jetzt vor Neugierde, vielleicht auch Aufregung. Irgendwie nervös strich er sich über den Kopf und den Nacken, um sich mit dieser Geste selbst zu beruhigen. Angespannt wartete er auf meine Antwort. Sein sichtbar großes Interesse an meinem Familienstand amüsierte mich. „Ja, ich wohne dort ganz alleine", teilte ich ihm lächelnd mit. Clay erwiderte mein Lächeln. Ich hatte den Eindruck, dass ihm meine Antwort sehr gefiel. „Ich wohne hier auch ganz alleine, Jill", betonte er aufgekratzt. 

Eine Weile schauten wir uns intensiv an, dann lachte er verlegen und wandte sich von mir ab. Er griff nach der Flasche Wein und goss sich noch ein Glas voll. Er nahm das Glas und leerte es erneut in einem Zug. Na gut, dachte ich, wenn wir jetzt also bei diesem Thema sind - warum nicht! „Bist du mit jemandem zusammen, Clay?" fragte ich ihn geradeheraus und beobachtete ihn genau. Er schloss kurz abwehrend die Augen, als könnte er so meiner Frage ausweichen. Oha! dachte ich sofort aufhorchend, sein Liebesleben scheint also ziemlich kompliziert zu sein. Je mehr ich über diesen Mann erfahre, umso interessanter wird er für mich, registrierte ich erfreut. 

„Hast du jemanden, Jill?" lenkte er ab, indem er mir augenzwinkernd mit der selben Frage antwortete. Ich lachte und schüttelte den Kopf. „Nein, Clay! Das gilt nicht! Ich habe dich zuerst gefragt!" Protestierend knuffte ich ihn nochmal gegen die Schulter. Er seufzte tief. „Sag es mir doch bitte einfach", bat er mich eindringlich. Irgendwas an seiner Stimme ließ mich einlenken. Also schüttelte ich nochmal den Kopf. „Nein, ich bin zur Zeit solo", gab ich ruhig zu. Er nickte lächelnd. Sein Blick wurde auf der Stelle intensiver, suchte irgendwas. Irgendetwas veränderte sich nach meiner Antwort für ihn. 

Clay atmete tief ein und wandte sich dann wieder von mir ab. Plötzlich wirkte er irgendwie verloren, wahrscheinlich weil er wusste, dass ich nun von ihm eine Antwort einforderte. Er schwieg lange und starrte dabei reglos auf den Tisch. Nervös strich er sich wieder über den Kopf und den Nacken. „Und du, Clay?" forderte ich ihn nach einer Weile behutsam auf. Er schloss wieder die Augen, seufzte und schien nachzudenken. 

Schließlich warf er mir einen hilflosen Blick zu. „Ich weiß es nicht genau", flüsterte er ratlos, „Ich kann es dir wirklich nicht sagen, Jill." Das war eine Antwort, die ich nicht erwartet hatte, aber ich fand seine Ehrlichkeit in diesem Moment absolut sexy. Doch die Erinnerungen, die meine Frage über seinen Beziehungsstatus anscheinend bei ihm ausgelöst hatten, betrübten ihn merkbar. Sein Lächeln blieb aufgeschlossen, aber seine Augen wurden richtig traurig. Ein dunkler Schatten legte sich über ihn, deshalb beschloss ich, lieber noch einmal das Thema zu wechseln. 

„Wie kannst du dir nur diesen ellenlangen Text merken, Clay? Ich habe zwar heute leider nur das halbe Stück zu sehen bekommen, aber du musstest ja total viel sagen!" Er seufzte tief und wechselte unbehaglich seine Sitzposition. „Ich habe das Stück schon zu oft gespielt, um den Text nicht zu wissen", meinte er irgendwie deprimiert. Meine Erwähnung, dass ich nur die halbe Vorstellung gesehen hatte, erinnerte ihn offenbar an den Angriff auf ihn an diesem Abend. Ich ärgerte mich, dass ich ihn an diesen Zwischenfall erinnert hatte, denn seine Fröhlichkeit starb, er fühlte sich merkbar unwohl. Er wandte sich von mir ab und starrte reglos auf die gegenüberliegende Wand. Nervös streichelte er seinen Nacken, legte sich schützend die Finger über die Augen. „Bist du schon oft auf der Bühne angegriffen worden?" fragte ich ihn leise und behutsam. Er schüttelte den Kopf und guckte mich wieder an.

Eine Weile war es still. Dann holte er plötzlich tief Luft. „Nein, ich weiß nicht, warum dieses blöde Arschloch die Steine nach mir geworfen hat!" erklärte er mir heftig. Obwohl ich ihn nicht danach gefragt hatte, meinte er wohl, dass es genau das war, was mich am meisten interessierte. Und offensichtlich ärgerte er sich darüber. Er seufzte nochmal und wandte sich ab, irgendwie hilflos, weil er laut geworden war. 

Eine Weile war es abermals still. Ich betrachtete ihn, gerührt über seine hilflose Wut und seinen wenig erfolgreichen Versuch, sich nichts anmerken zu lassen. Dann streckte ich vorsichtig meinen Arm aus und berührte seine Hand. Er zuckte zusammen und schaute mich fragend an. Ich lächelte beruhigend. „Ist ja gut, Clay. Es tut mir leid, dass dir das heute passiert ist. Du hattest das nicht verdient, du warst fantastisch auf der Bühne. Solche elenden Idioten, die anderen keinen Erfolg gönnen, die gibt es doch immer und überall", versuchte ich ihn zu trösten und streichelte dabei mild über seine Hand. 

Er lächelte sofort sehr dankbar. „Du findest mich wirklich fantastisch?" wollte er erstaunt wissen. Ich nickte und streichelte sanft über seinen Arm. „Ja, du bist ein richtig guter Schauspieler!" bekräftigte ich mit fester Stimme. Er lächelte verlegen, aber auch geschmeichelt. „Danke, das ist lieb von dir", seufzte er und schaute irritiert auf meine Finger, die sich an seinem Arm hinauf zu seiner breiten Schulter streichelten. Er genoss meine beruhigende Zärtlichkeit, wurde mir klar. 

Gebannt beobachtete ich seine Reaktion. Mir schien, als hätte ich für ihn mit dieser harmlosen Berührung irgendeine Grenze überschritten. Als würde er nun überlegen, wohin das wohl noch führen könnte. Ich musste lachen und zog meinen Arm zurück. Er sah mich bedauernd an und ich lachte, weil ich registrierte, dass Clay Banton für mich wie ein offenes Buch war. Ich konnte ihm seine Gedanken und Gefühle tatsächlich anmerken. Ich war fasziniert von seiner irgendwie simplen Offenheit. Er stimmte verwirrt, beschämt in mein Lachen ein und wandte sich ab, um sich neuen Wein einzuschütten. Auch das dritte Glas leerte er gierig in einem Zug.

Clay

Wir plauderten gemütlich auf der Couch im Wohnzimmer, und sie war wirklich lustig. Sie hatte offenbar so überhaupt keine Ahnung von der Malerei, dem Theater oder von Immobilien, was ich sehr amüsant fand. Jede einzelne Antwort von mir schien sie zu erstaunen. Ihr Interesse an mir und meiner Welt war scheinbar grenzenlos, ihr Fragestrom riss nicht ab. Außerdem war sie die ganze Zeit wahnsinnig nett zu mir, was ich eigentlich überhaupt nicht verstehen konnte. Sie machte mir viele Komplimente, die ich unwillkürlich beinahe gierig in mich aufnahm. 

An diesem Tag war ich böse beschimpft worden. Ich war wiederholt brutal geschlagen worden. Andere Menschen hatten mir körperlich und seelisch weh getan. Jill dagegen sagte nur angenehme Dinge zu mir, sie war sanft und freundlich. Es ging mir viel zu gut, um ihre Behauptungen und Komplimente zu hinterfragen. Ich nahm sie einfach hin und war tatsächlich ein bisschen stolz auf mich selbst. Keine Ahnung, wie sie das anstellte, aber ihre Worte wirkten echt. Sie lächelte mich freundlich an. Ihr Interesse an mir schien gänzlich ohne Hintergedanken zu sein. Und das alles tat mir so unendlich gut in diesem Moment. 

Ich saß neben ihr auf meinem Sofa und fühlte mich zum ersten Mal an diesem Scheiß Tag richtig wohl. Ich genoss ihre Nähe und ihre Freundlichkeit. Sie war der erste Mensch an diesem Tag, von dem ich mich nicht im Geringsten bedroht fühlte. Sie erwartete scheinbar gar nichts weiter von mir. Sie war nicht wütend auf mich. Sie hatte offensichtlich nicht vor, mich zu beschimpfen oder zu schlagen, was ich kaum fassen konnte. 

Je länger ich neben ihr saß, umso mehr überwältigte mich meine Dankbarkeit. Mir war schon klar, dass Jill Bennet mich einfach nicht gut genug kannte, um mir irgendetwas vorwerfen zu können. Sie würde mir auch nichts vorwerfen. Im Gegenteil, sie war beeindruckt von mir. Sie fand mich als Schauspieler und Maler richtig gut. Sie war von meiner Wohnung sichtbar hingerissen. 

Ich saß neben ihr, betrachtete sie, sprach mit ihr, und mein Bedürfnis sie anzufassen zerrte plötzlich, unwillkürlich immer mehr an mir. Meine Lust sie zu streicheln steigerte sich ganz ungewollt. Jill berührte mich, knuffte mich, streichelte meine Hand, meinen Arm und meine Schulter. Und ich genoss diese sanfte Berührung so extrem, dass es mich selbst am meisten überraschte. Es überwältigte mich nahezu. Ich gierte augenblicklich nach mehr, aber sie zog ihren Arm wieder zurück und fing an zu lachen. Ich fühlte mich beschämt und rettete mich zu einem neuen Glas Rotwein. 

Ich fragte mich irritiert, ob sie mich auslachte, ob sie vielleicht doch gerade dabei war, mich ganz gewaltig zu verarschen. Aber andererseits ging es mir viel zu gut, um mich wirklich daran zu stören, überlegte ich. Die shore machte mich rundum zufrieden und relativ unempfindlich für irgendwelche Gemeinheiten. 

Ich griff nach der Fernbedienung und schaltete den CD-Player ein. Es ertönten R.E.M., die ich ganz leise stellte. So kann es bleiben, dachte ich, behaglich auf diesem Sofa sitzen, ganz leise Musik hören, mit dieser Frau reden und nicht allein sein. 

„Kennst du Sean Valmont gut?" fragte Jill mich unvermittelt. Ich fühlte sofort einen merkwürdigen Stich in meinem Innern bei dem Gedanken an Sean, aber nur schwach, weil das Heroin alles dämpfte. Trotzdem wollte ich in diesem Moment echt nicht an Valmont denken. „Ich glaube schon", sagte ich schnell, heiser und leise und schüttete mir hastig neuen Wein ein. Frag mich nicht nach Sean, dachte ich flehentlich, bitte frag mich jetzt nicht nach Sean, Mädchen! Gierig leerte ich mein Glas Wein und registrierte, dass der Alkohol in meinem Blut sich langsam bemerkbar machte. Ich zündete mir eine neue Zigarette an. Sie beobachtete mich interessiert von der Seite.

Ich spürte ihren Blick überdeutlich. Jill machte mich auf einmal ein wenig nervös. Ihre neugierigen Fragen fingen an, in mein Innerstes vorzudringen, und das gefiel mir nicht. „Wie lange arbeitet ihr schon zusammen?" wollte sie wissen. Ich schloss die Augen, denn ich wollte mich jetzt wirklich nicht an Sean erinnern. Aber ich konnte nicht verhindern, dass ich automatisch an ihn dachte. 

Bunte Bilder von früher tauchten unwillkürlich in meinem umnebelten Gehirn auf. Sean und ich auf der Bühne, bei unserem ersten öffentlichen Auftritt überhaupt. Damals hatten wir mit unserer Performance ziemlich viel Aufsehen erregt. Ich hatte keine Ahnung, wie lange das schon her war, aber es schien mir ewig lang her zu sein. 

„Ich weiß nicht... ein paar Jahre", antwortete ich Jill wahrheitsgemäß. Sie schaute mich lächelnd an. Vielleicht wunderte sie sich, dass ich ihr kein genaues Datum nennen konnte. „Und Charlotte?" wollte sie wissen. „Charlie ist erst seit Psychotic Kühlschrank bei uns", erklärte ich ihr. Sie lächelte offen. „Weißt du, ihr drei seid ein richtig tolles Gespann auf der Bühne! Ihr ergänzt euch so perfekt! Ich finde euch einfach atemberaubend gut!" schwärmte Jill und streichelte wieder kurz, anerkennend über meinen Arm. Ich betrachtete sie eine Weile und wurde erneut von ihrer Freundlichkeit angezogen. Ihr offenes Interesse schmeichelte mir. 

Ich war an diesem Tag so mies behandelt und verprügelt worden. Sean und Eliza hatten sich beide von mir abgewandt und mich wie Dreck behandelt. Es tat meiner Seele gut, dass dort ein Mensch war, der einfach nur nett war. Ich war so sehr an Beschimpfungen und Schläge gewöhnt, dass ich gar nicht begreifen konnte, wie sanft und freundlich Jill mit mir umging, wie sehr sie sich für mich interessierte. In diesem Moment wollte ich sie unbedingt berühren. Es wäre so verdammt wundervoll, wenn sie mir ihre Hand auf den Bauch legen würde, gierte es sehnsüchtig in mir. Aber ich saß nur neben ihr auf dem Sofa und lächelte sie dankbar an. 

Und dann sagte ich aus einem ganz unüberlegten, inneren Impuls heraus meine Ansprache aus Psychotic Kühlschrank auf. Keine Ahnung, warum ich das tat. Es war mir aus irgendeinem Grund auf einmal ein starkes Bedürfnis. Sie hat nur die halbe Vorstellung gesehen, nagte es ungesteuert in mir, sie weiß gar nicht, wie mein Text weitergeht. Also rezitierte ich ihr spontan meinen Monolog. Wahrscheinlich wollte ich mich damit nur von meiner Nervosität ablenken. Ich quatschte einfach los, um nicht weiter überlegen zu müssen. Oder, um ihren Ansturm von Fragen zu stoppen, die sich gefährlich nah an meine Seele zu schleichen schienen. Dieser Text war mir vertraut, und er war gänzlich ungefährlich. 

Meine Rolle war eine Metapher, ein Mensch, verglichen mit einem Kühlschrank. Ich war ein echt verzweifelter Kühlschrank in einem traurigen Dilemma. Ich wollte meinen Stecker raus ziehen, um die ständige Kälte in mir loszuwerden. Ich wollte meine Tür weit öffnen, damit mein Licht immer leuchtete, hinaus in die Welt leuchtete, damit andere mich endlich bemerkten. Aber wenn ich das tun würde, dann wäre ich absolut sinnlos. Ich hätte den Sinn meiner Existenz vollkommen verwirkt. Ich sagte meinen Text genau wie von Sean vorgeschrieben auf und machte an den richtigen Stellen dramatische Pausen. Jill hörte mir sehr genau zu. Die ganze Zeit hatten wir intensiven Blickkontakt. Ich spielte meine Rolle nur für sie allein. 

Als ich meinen Monolog beendet hatte, wirkte sie wirklich beeindruckt. Eine lange Weile war es ganz still. Ich zog an meiner Zigarette und drückte sie in den Aschenbecher. Irgendwie nervös wartete ich auf ihr Urteil. „Das ist absolut brillant", meinte Jill schließlich überwältigt. Ich lächelte ehrlich geschmeichelt. „Danke." „Ist das von dir?" fragte sie. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist Seans Performance und Seans Text", informierte ich sie wahrheitsgetreu. „Ist Sean denn wirklich so deprimiert?" wollte sie überrascht wissen. 

Darüber dachte ich eine Weile nach. Aber ziemlich schnell ging diese Frage mir extrem auf den Geist, denn ich wollte wahrhaftig nicht über so etwas nachdenken. Ich schaute sie achselzuckend an. „Das musst du ihn schon selber fragen", schmetterte ich sie ab. Es ärgerte mich, dass wir schon wieder beim Thema Sean Valmont angelangt waren. Ich wollte in dieser Nacht nicht mehr an Sean denken. Aber zum Glück fragte Jill nicht weiter. 

„Du spielst diese Rolle wirklich fantastisch, Clay. Man könnte meinen, dieser Text spräche dir tatsächlich aus der Seele. Du verursachst bei mir eine Gänsehaut vor Ergriffenheit", behauptete Jill begeistert mit glänzenden Augen. Ich fühlte mich aufs Neue geschmeichelt und lächelte dankbar. 

Später schaute sie sich die Bilder an den Wänden genau an. „Deine Arbeiten sagen echt viel über dich aus, oder?" bemerkte sie nach einiger Zeit irgendwie herausfordernd und fixierte mich lauernd. Ich erwiderte lächelnd ihren Blick. Diese Frau interessiert sich wirklich für mich, dachte ich grenzenlos erstaunt. Dieses Mädchen möchte mich tatsächlich kennenlernen. Der Gedanke daran törnte mich plötzlich an, und ich streckte unvermittelt die Hand aus, um sie zu berühren.

Aber sie bemerkte es nicht. Sie drehte sich in diesem Moment von mir weg und deutete auf eine der Zeichnungen. Beinahe erschrocken zog ich meine Hand wieder zurück. „Sag mir, was dieses Gemälde dort zu bedeuten hat, Clay", forderte sie mich auf. Ich folgte ihrem Blick, um zu sehen, welches Bild sie meinte. Es war ein Entwurf für ein Cover irgendeiner Hardcore-Newcomer-Band. Sie hatten mir 400 Euro dafür bezahlt und dann doch ein anderes Cover für ihre erste CD gewählt. „Das ist der Gott Odin und sein Sohn Thor", informierte ich Jill seufzend. Sie drehte sich wieder zu mir, betrachtete mich beeindruckt und meinte: „Das ist fantastisch! Es wirkt so plastisch, fast wie fotografiert!" Sie nickte anerkennend. 

Ich konnte überhaupt nicht verstehen, warum sie meine Malerei dermaßen bewunderte. Es war mir unbegreiflich, was sie an meiner Arbeit so faszinierend fand. Doch dieses Mädchen war sehr freundlich zu mir, und das tat mir unglaublich gut. „Die Götter leiden unendlich im Ragnarök, der Götterdämmerung, dem Weltuntergang. Aber es bedeutet eigentlich gar nichts", wiegelte ich bescheiden ab. „Es ist einfach nur überwältigend!" schwärmte sie, „Man bekommt unwillkürlich eine Gänsehaut, wenn man es länger betrachtet." Sie drehte sich wieder zu dem Gemälde, um es lange eingehend zu studieren. 

Ich beobachtete sie und bekam schon wieder das äußerst dringende Bedürfnis, sie wenigstens in den Arm zu nehmen. Ich wollte sie jetzt unbedingt berühren, ihren viel zu dicken Körper fühlen. Sie sollte ihre Hand sofort auf meinen Bauch legen. Ihre Schmeichelei war wie Streicheleinheiten für meine Seele, aber das genügte mir plötzlich nicht mehr. Ich wollte auf der Stelle mit ihr schlafen. Ihre Freundlichkeit überwältigte mich nahezu. Ich war nicht in der Lage sie zu hinterfragen. Ich war zu gut drauf. Ich hatte zu viel Wein getrunken und zu viel Heroin geraucht, um ihre Absichten zu bezweifeln.

Jill

Es war leicht zu bemerken, dass ich Clay Banton mit meinen ständigen Schmeicheleien kinderleicht um den kleinen Finger wickeln konnte. Dieser naive Mann war mehr als empfänglich für meine Komplimente, und er war extrem leicht zu durchschauen. Entweder war er nicht besonders intelligent, oder er war einfach viel zu zugedröhnt mit Wein und Heroin, um meine Worte zu hinterfragen. 

Des weiteren wurde mir bald klar, dass Clay auf keinen Fall über Sean Valmont sprechen wollte. Natürlich interessierte mich sofort brennend, warum das wohl so war. Immerhin waren die beiden Arbeitskollegen, sie standen regelmäßig zusammen auf der Bühne. Warum also fürchtete Clay dieses Thema? Steckte mehr hinter ihrer Beziehung? Waren die beiden vielleicht ein schwules Paar? Und wenn schon, da wäre doch nichts dabei, warum wollte Clay das vor mir geheimhalten? 

Ich studierte ihn eine Weile und suchte nach irgendwelchen Anzeichen, die ich aber nicht entdecken konnte. Im Gegenteil, er wirkte für einen schwulen Mann definitiv viel zu interessiert an mir, entschied ich. Ich dachte über eine Strategie nach, wie ich Clay mehr Informationen über Sean entlocken konnte, ohne das er es merkte, wütend wurde oder sich von mir abwandte. Ich lächelte ihn freundlich an, trank einen Schluck Wein, und er saß neben mir und lächelte irgendwie glücklich. 

Eine ganze Weile war es still. Wir hielten Blickkontakt und mir fiel auf, wie unruhig Clay mit der Zeit geworden war. Je länger er neben mir saß, umso nervöser schien er zu werden. Er war offensichtlich ziemlich überwältigt von meinen Komplimenten, vielleicht bekam er nicht oft welche. Ich hatte den wachsenden Eindruck, dass der Mann neben mir auf dem Sofa sich mit der Zeit kaum noch zurückhalten konnte. Irgendwie wollte er mir näher kommen, mich anfassen wahrscheinlich, aber er war wohl zu schüchtern. Sein merkbares Dilemma, was er so schlecht verbergen konnte, amüsierte mich eine Weile ziemlich. 

Aber dann war ich irgendwann genervt von ihm, weil ich fürchtete, er wollte sich über mich hermachen. Ging es ihm etwa um Sex? Ich wusste es noch nicht, war jedoch fest entschlossen, ihn mit allen Mitteln abzuwehren, falls er mir zu nahe kommen würde. Er ist eben auch nur ein triebgesteuerter Mann, fällte ich geringschätzig mein Urteil über ihn, ließ mir jedoch nichts anmerken. Ich muss ihn irgendwie von mir ablenken, sonst dreht der noch durch, dachte ich insgeheim belustigt. 

Er rezitierte seinen Monolog aus dem Theater für mich, den er tatsächlich gut beherrschte. Ich fragte ihn nach einem seiner Bilder, und mir fiel auf, wie oft er Motive aus der Mythologie gewählt hatte. 

„Was war das eigentlich für ein Lied, das du auf der Bühne gespielt hast?" fragte ich ihn irgendwann lächelnd. Er lehnte sich zurück und räkelte sich auf der Couch. „Welches meinst du?" erwiderte er, „Ich habe heute drei Lieder in Psycho gespielt." Es erklärte sich von selbst, dass er mit 'Psycho' die Performance Psychotic Kühlschrank meinte. „Wie viele Lieder singst du denn sonst in dem ganzen Stück?" interessierte mich. Seine Miene verdunkelte sich sofort. Er erinnerte sich wieder daran, dass der Abend sehr unangenehm für ihn unterbrochen worden war. „Sieben", informierte er mich knapp. 

Ich ärgerte mich, ihn daran erinnert zu haben. Du musst besser aufpassen, was du ihn fragst, mahnte ich mich. „Das Lied, was ich meine, handelt von der Liebe. Der Kühlschrank war glücklich, weil er die Liebe gesehen hatte." Clay grinste und setzte sich gerade hin. „Du meinst wohl Lovegame." Er kicherte über den Titel und schaute mich intensiv an, irgendwie herausfordernd. 

Seine Hände streichelten nervös über das Sofa. Es war inzwischen offensichtlich, dass er eigentlich mich streicheln wollte. Ich fand es faszinierend, wie leicht seine Körpersprache zu deuten war. Er war beinahe greifbar einfach gestrickt. An seinem Verhalten war nichts, aber auch gar nichts Geheimnisvolles. Ich lachte amüsiert. „Ja, das war es wohl. Ich fand das Lied wunderschön. Ist es von dir?" Clay nickte. „Alle Songs sind von mir", erklärte er nicht ohne Stolz. „Die sind alle klasse!" schwärmte ich. Er lachte spöttisch auf. „Du hast ja gar nicht alle gehört", wandte er grinsend ein. „Ja, aber ich kann mir schon denken, dass alle klasse sind!" machte ich ihm klar. Er lächelte geschmeichelt und saugte auch dieses übertriebene Kompliment gierig in sich auf. „Würdest du Lovegame nochmal für mich spielen, Clay?" bat ich ihn. 

Er rutschte auf dem Sofa herum und betrachtete mich schmunzelnd. Dann richtete er sich plötzlich auf und schaltete mit der Fernbedienung den CD-Player aus. „Na klar, Jill. Für dich mache ich doch alles!" behauptete er. Er stand auf und berührte mich dabei. Wie zufällig strich seine Hand sanft über meinen Kopf. „Du bist sehr nett zu mir", flüsterte er dankbar. 

Im nächsten Moment wandte er sich ab und ging zu seinen Gitarren, die in ihren Ständern in der Ecke des Zimmers warteten. Ich fragte mich, ob seine unerwartete Annäherung seine Masche gewesen war, um mich anzubaggern. Aber wie alles an Clay Banton war wohl auch dieses Streicheln ganz ehrlich gemeint und ohne jeden Hintergedanken ein spontaner Ausbruch seiner echten Gefühle gewesen. Als mir das klar wurde, war ich sehr gerührt. 

„Und womit verdienst du dein Geld, Jill?" fragte Clay mich, während er seine Akustikgitarre vom Ständer losschraubte. Ich betrachtete ihn, immer noch gerührt von seiner Ehrlichkeit. Dann winkte ich ab. „Ach, ich bin nur eine ganz langweilige Verwaltungsangestellte." Er hielt überrascht inne und schaute mich forschend an. „Macht dir das Spaß?" wollte er allen Ernstes wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das kann man so wirklich nicht sagen. Es ist halt ein Job." Clay guckte mich bedauernd an. „Das tut mir leid für dich." „Ach, so schlimm ist das nun auch wieder nicht", beruhigte ich ihn, berührt von seiner Anteilnahme. Er wandte sich wieder der Gitarre zu und meinte: „Ich könnte das nicht. Ich könnte nie nur einen Job machen." Ich lachte spöttisch auf. „Hör mal, ich würde behaupten, dass die allermeisten Menschen nur einen Job machen! Die haben eben keine andere Wahl. Es hat nicht jeder so viel Glück wie du!" rutschte mir heraus. 

Clay hatte jetzt seine Gitarre in der Hand. Er horchte erstaunt auf und schaute mich zweifelnd an. „Du findest, dass ich Glück habe?" wollte er lauernd wissen. Seine Augen verengten sich. Ich habe etwas Falsches gesagt, merkte ich verärgert, dieser Gedanke gefällt ihm überhaupt nicht. Dennoch betonte ich: „Selbstverständlich hast du Glück, Clay! Du bist erfolgreich mit deiner Kunst! Du kannst sogar davon leben! Die wenigsten Künstler haben so viel Erfolg!" Clay stand verwirrt dort und dachte über meine Worte nach. 

Allerdings nicht sehr lange, schon im nächsten Moment lächelte er, schob das Thema beiseite und setzte sich mit seiner Gitarre auf die Lehne des Sessels, der im Winkel zum Sofa stand. „Dann zeige ich dir jetzt noch ein bisschen von meiner Kunst", beschloss er gutmütig. Er verharrte noch einen Augenblick, die Gitarre auf seinen Oberschenkeln, er streckte seine Finger, und dann begann er zu spielen. 

Ich erkannte das Lied sofort. Es war das gleiche, das er an diesem Abend auch im Grenzland-Theater gespielt hatte. Auf einem Hocker sitzend, allein im Scheinwerferlicht. Auf der anderen Seite der Bühne hatten Sean und Charlotte zu seiner Musik einen wundervollen Tanz aufgeführt. Es war ein Tanz der Liebe gewesen, sehr ästhetisch und kraftvoll. Die ganze Szene war sehr emotional gewesen, genau wie dieser Song. Ich beobachtete Clay gebannt. Ich war beeindruckt, wie geschickt und schnell seine langen Finger über die Saiten zupften. 

Als er anfing zu singen, schien seine Stimme bis in meine Seele vorzudringen. Clay Banton sang von der Macht der Liebe. Seine Stimme wurde um eine Oktave höher, wenn er sang. Er schaute mich an und sang von der Euphorie, dem Glück, den Gerüchen und Farben der Liebe. Und dass man etwas Gutes tun sollte, ohne dabei an sich selbst zu denken, weil genau das die größte Liebe war. Ich war mal wieder fasziniert von diesem Mann, der so emotionale Texte und Lieder schreiben konnte, und sie dann auch noch selbst performte. Die Welt schien still zu stehen, während er dieses Lied für mich sang. 

Als der letzte Ton verklang, war es eine lange Zeit erneut ganz still. Mein Herz klopfte. Wir sahen uns unentwegt an, und Clays Augen suchten wieder irgendetwas bei mir. Das grüne, fragende Funkeln schien eine Einladung zu sein. So ein Mist, ich fürchte, dieser Typ möchte unbedingt mit mir schlafen, schlug es plötzlich in meinen Verstand ein, ich muss mich vor ihm in Acht nehmen. 

„Das war wunderschön", unterbrach ich endlich die Stille. „Danke", lächelte Clay. „Der Tanz, den Sean dazu mit Charlotte gezeigt hat, war auch echt ergreifend", sagte ich in der Hoffnung, Clay von meiner Person abzulenken. Ich wusste ja schon, dass er nicht gerne über Sean Valmont sprechen wollte. Wie erwartet verdüsterte sich seine Miene sofort, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Er schwieg, wandte sich von mir ab und zupfte nervös ein bisschen auf der Gitarre herum. „Stimmt es, dass Sean und du später in der Performance um Charlotte gekämpft habt?" fragte ich ihn neugierig. Er schaute auf und grinste. „Da hat aber jemand Psycho gut verstanden!" neckte er mich spöttisch. 

Gleich darauf fing er plötzlich ein neues Lied an, welches ich noch nicht kannte. Ich wusste nicht, ob es später vorgekommen wäre, oder ob es überhaupt aus Psychotic Kühlschrank stammte. Automatisch gebannt lauschte ich ihm noch einmal. 

Er sang diesmal über die Traurigkeit, Einsamkeit und von hilfloser Wut. Der Refrain ging irgendwie in mein Ohr und blieb dort hängen. „Loneliness is when you look up from the darkness, and no one is there", sang Clay wiederholt zu seinem rockigen, ziemlich aggressiven Sound. Einsamkeit ist dann, wenn du aus der Dunkelheit hochschaust, und niemand ist dort. Diese Aussage spukte eine Weile in meinem Gehirn herum. Seine Stimme schien die ganze Welt auszufüllen. 

Als das Lied zu Ende war, machte sich zum ersten Mal eine irgendwie peinliche Stille breit. Ich beobachtete Clay interessiert. Er beschäftigte sich nervös mit seiner Gitarre. Offenbar fiel es ihm auf einmal schwer, mich anzusehen. „Das war echt traurig und total ergreifend!" fällte ich mein Urteil in die Stille hinein. Clay seufzte und schaute endlich hoch. Sein Blick ruhte vorsichtig, fast abtastend auf meinem. „Ich kann nicht besonders gut allein sein", erklärte er mir unvermittelt ganz leise. Diese Aussage überraschte mich ungemein. „Wie ist das mit dir, Jill?" wollte Clay fast drängend wissen, als ich nichts erwiderte. Ich überhörte seine Frage. „Aber Sean... der ist doch sicher dein bester Freund, oder?" wagte ich stattdessen einen neuen Vorstoß, die offenbar in irgendeiner Art komplizierte Beziehung der beiden Männer zueinander zu ergründen. Clay seufzte tief und sah mich eine Weile enttäuscht an. 

Dann stand er plötzlich auf, nahm seine Gitarre und brachte sie zurück zu ihrem Platz. Er schraubte sein Instrument in den Ständer und stand dann eine Weile einfach dort. Ich musterte ihn amüsiert. Er möchte wirklich nicht über Sean reden, merkte ich verwundert. 

Clay seufzte nochmal, kam zurück zum Sofa und ließ sich darauf nieder, ohne mir zu nahe zu kommen. Irgendwie verlegen lehnte er sich auf dem Sofa zurück. „Sean ist mein bester Freund. Er hat schon mehrmals mein Leben gerettet", erzählte er mir dann ruhig, ohne mich anzusehen. Er starrte jetzt an die Decke. Endlich habe ich ihn aus der Reserve, dachte ich erfreut, jetzt muss ich unbedingt am Ball bleiben! „Echt? Erzähl mal!" forderte ich ihn neugierig auf. Er lächelte traurig und schloss schützend seine Augen. „Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Sean hat mir das Leben gerettet", wiederholte er leise. „Wie hat er dein Leben gerettet?" machte ich den verzweifelten Versuch, seine unerwartete Mitteilsamkeit aufrecht zu erhalten. Er drehte sich zu mir und öffnete die Augen wieder. 

Eine Weile sah er mich an, als würde er abschätzen, ob ich vertrauenswürdig genug war, um die ganze Wahrheit zu erfahren. Ich wartete gespannt und lächelte ihn aufmunternd an. Es schmeichelte mir sehr, als er entschied, dass ich sein Vertrauen wert war. Er holte tief Luft und seufzte gequält. „Ich bin ein Junkie", eröffnete er mir zögernd.

Tolle Neuigkeit!, dachte ich spontan spöttisch. Ich weiß doch schon längst, dass du dir Heroin einfährst, Clay Banton! „Ach wirklich?!" entfuhr es mir sogleich geringschätzig. Ich warf einen vorwurfsvollen Blick auf seinen Wohnzimmertisch, auf dem ganz offen jede Menge Silberpapier mit weg gerauchtem Heroin lag. Clay folgte irritiert meinem Blick, und anscheinend wurde ihm erst jetzt bewusst, dass ich von seiner Heroinsucht längst wusste. Das gibt es doch nicht, dachte ich erstaunt, dieser Typ nimmt mich mit zu seinem Dealer und denkt dann tatsächlich noch, ich wüsste nichts von seiner Sucht! Kann man überhaupt so blöd sein? Der Idiot denkt anscheinend, ich bin total bescheuert?! 

Clay war jetzt merkbar aus der Bahn geworfen, und ich war echt gerührt von seiner Verlegenheit, als ihm klar wurde, dass sein Tisch voller Alufolie war, und damit voller stummer Zeugen seiner Heroinsucht. Eine Weile wusste er überhaupt nicht mehr weiter. Ängstlich sah er mich an, als fürchtete er, dass ich mich jetzt entrüstet von ihm abwenden würde. Aber ich lächelte nur amüsiert. Ich signalisierte ihm, dass ich in diesem Moment bei Weitem nicht so geschockt war, wie er selbst. „Ich will damit aufhören, Jill", versicherte er mir hastig. Ich nickte gutmütig und strich wieder leicht über seine Schulter, um ihn irgendwie zu beruhigen. Sofort drängte er meiner Hand entgegen. Er lechzt nahezu nach meiner Berührung, merkte ich verwundert. 

„Und Sean hilft dir dabei?" nahm ich unser Gespräch wieder auf. Clay nickte und lehnte sich liebebedürftig gegen meine Hand. Er schloss die Augen und genoss meine Berührung an seiner Schulter. Ich konnte seine starken Muskeln unter dem Sweatshirt fühlen. „Inwiefern hat er dir das Leben gerettet?" hakte ich neugierig nach. Aber Clay reagierte gar nicht. Ich musste erst meine Hand zurückziehen, damit er die Augen öffnete. Er seufzte nochmal bedauernd und wand sich unruhig auf dem Sofa herum. 

Dieses Thema gefiel ihm offensichtlich nicht besonders, obwohl er doch selbst damit angefangen hatte. Er fühlte sich unwohl dabei, mir von seiner Vergangenheit zu erzählen. „Wie hat Sean dein Leben gerettet?" wiederholte ich hartnäckig. „Schau dich um", flüsterte Clay zaghaft, „Ohne Sean Valmont gäbe es das alles hier nicht." Ich schaute mich um und registrierte noch einmal den Wert seiner Wohnungseinrichtung. „Hat Sean dir diese Sachen gekauft, oder was?" wollte ich einigermaßen verwirrt wissen. Clay fuhr zu mir herum und lachte plötzlich los, als fände er meine Frage äußerst dumm. „Was?! Nein!" entfuhr es ihm kopfschüttelnd. „Wie meinst du das denn dann?" hakte ich verärgert nach. 

Clay streckte verhalten seine Hand aus und berührte beschwichtigend meinen Arm. Ich ließ ihn gewähren, war aber augenblicklich auf der Hut, dass er mir nicht zu nahe kam. „Sean hat dafür gesorgt, dass ich wieder arbeiten kann. Er hat dafür gesorgt, dass ich mir diesen Luxus selber kaufen konnte", erläuterte er und schaute mich offen an. Er streichelte ganz leicht meinen Arm und beobachtete scheu meine Reaktion. 

Ich entzog mich ihm nach einer Weile, und er zog seine Hand seufzend zurück. Er wollte sich neuen Wein eingießen, aber die Flasche war leer. Offensichtlich nervös lehnte er sich zurück und starrte wieder an die Decke. Dieser Mann ist bewundernswert ehrlich zu mir, obwohl er mich überhaupt nicht kennt, schoss es mir durch den Kopf. Vielleicht auch gerade deshalb, überlegte ich dann irritiert. 

„Du solltest so schnell wie möglich mit dem Heroin aufhören, Clay! Hast du denn keine Angst, dass du wieder abstürzt?" redete ich ihm vorsichtig ins Gewissen. Er lächelte und warf mir einen irgendwie spöttischen Blick zu. Du hast doch keine Ahnung, wovon du da sprichst, sagte sein Blick. Seine Überheblichkeit ärgerte mich, aber ich zwang mich dazu, freundlich zu bleiben. Ich wollte sein gewonnenes Vertrauen zu mir auf keinen Fall gefährden.

Clay

Später saßen wir immer noch nebeneinander auf meinem Sofa. Ich hatte zwei Songs für sie gespielt, hatte mich sehr vorsichtig an sie herangetastet, aber irgendwie lief das Gespräch danach aus dem Ufer. Meine anfängliche Zufriedenheit verwandelte sich langsam, fast unbemerkt in Ungeduld. Es störte mich, dass sie so viel von mir wissen wollte, aber so gut wie nichts von sich erzählte. Ihr großes Interesse an meiner Person schmeichelte mir, und ich dachte, daraus könnte vielleicht noch mehr werden. 

Aber als sie damit anfing, mich hartnäckig nach Sean und den Drogen zu fragen, da ging es mir nur noch auf den Geist. Das waren Themen, über die ich mit ihr nicht sprechen wollte, dazu kannte ich sie bei Weitem nicht gut genug. Als ihre grenzenlose Neugierde mich immer tiefer in meiner Seele berührte, wollte ich unbedingt, dass sie sofort aufhörte zu reden. Ich wollte neben ihr sitzen und sie ansehen, auch wenn sie nicht sehr attraktiv war. Ich wollte, dass sie mich streichelte, wollte ihre Hand auf meinem Bauch spüren. Aber anstatt einer wachsenden Nähe und Vertrautheit, wurde die Distanz zwischen uns mit der Zeit nur immer größer. Sie schien aus irgendeinem Grund vor mir auf der Hut zu sein. Sie zog sich innerlich vor mir zurück. Vielleicht war ich einfach zu ehrlich zu ihr, meine Wahrheiten schockierten sie wohl. 

Auf meinem Wohnzimmertisch lagen unzählige Silberpapierstücke mit längst weg gerauchten Chinesen drauf. Die Frau zeigte sie mir spöttisch grinsend, und als ich die benutzte Alufolie registrierte, ärgerte ich mich maßlos darüber. Ich ärgerte mich, weil ich den Tisch nicht aufgeräumt hatte, und weil Jill nun einen Grund hatte, mich deshalb anzugreifen und zu verurteilen. 

Und selbstverständlich verurteilte sie mich sofort deswegen. Sie fing auf der Stelle damit an, mir wegen der Drogen ins Gewissen zu reden. Ich saß derweil neben ihr, starrte hilflos an die Decke, und die Flasche Wein war plötzlich leer. Ich bekam automatisch das dringende Bedürfnis, sie zum Schweigen zu bringen. Ich fragte mich irritiert und genervt, warum ich sie nicht einfach flachlegte. Worauf wartete ich eigentlich noch? Sonst hatte ich normalerweise doch auch keine Probleme damit, eine fremde Frau anzubaggern und herumzukriegen, erst recht nicht, wenn sie schon auf meinem Sofa saß. 

Aber der Rotwein und das Heroin hatten mich ziemlich zugeknallt und träge gemacht. Ich war mir deswegen mal wieder nicht mehr sicher, ob ich überhaupt noch dazu in der Lage war, Sex mit ihr zu haben. Ob ich das überhaupt so dringend wollte. Vielleicht wollte ich auch nur mehr über sie erfahren, sie endlich besser kennen lernen, wo sie doch inzwischen entschieden zu viel über mich wusste. Womöglich langweilte mich ihre ständige Bewunderung mit der Zeit, die Komplimente wiederholten sich. Und eigentlich wollte ich nur noch meine Ruhe haben.

Sean

Irgendwann hörte mein heftiges Schluchzen langsam auf und ich fühlte mich nur noch ausgebrannt und hundeelend. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Mein Kopf fühlte sich seltsam leer an, wie ein Vakuum. Ich hatte zu meinem eigenen Erstaunen keine konkreten Gedanken mehr. Ich wollte auch nicht mehr nachdenken. Mein Hals und meine Lunge taten mir weh. Meine Augen brannten in meinem von Tränen nassen Gesicht. 

Ich stand mühsam auf und wankte zum Spiegel über dem Waschbecken, wo ich mich ziemlich lange reglos anstarrte. Ich sah echt verheult aus. Ich verachtete mich für meine Verzweiflung. Auf keinen Fall wollte ich eine weinerliche, depressive Schwuchtel sein, die beim kleinsten Problem den Schwanz einzog. Die Welt um mich herum lag zwar in Trümmern, aber ich war noch am Leben, und deshalb hatte ich immer noch eine Chance, versuchte ich mich innerlich aufzubauen.

Entschlossen drehte ich den Wasserhahn auf, wusch mein Gesicht und schnäuzte mich, und hielt danach meinen heißen Kopf unter den kalten Wasserstrahl. Mein Gesicht sah verquollen und hässlich aus, und das frustrierte mich. Die Gedanken, die sich mir bei meinem Anblick abermals ungewollt aufdrängten, taten immer noch weh. Es tat mir sogar verflucht weh, an Clay zu denken. Das drohende Aus für Psychotic Kühlschrank erschien mir näher, als je zuvor, und diese Wahrscheinlichkeit drohte mich nochmal komplett aus der Bahn zu werfen. 

Beinahe panisch guckte ich mich in meiner Umgebung nach etwas um, was meinen übermächtigen Schmerz würde lindern können. Aber selbstverständlich war da nichts. Die Garderobe des Grenzland-Theaters war nur ein kalter, dunkler, dreckiger und deprimierender Kellerraum. Mich überkam die Sehnsucht nach Linderung ganz plötzlich. Ich sehnte mich nach dem totalen Blackout, der meine quälenden Gedanken töten und meinen Kopf zur Ruhe bringen würde. 

Es dauerte höchstens eine Minute, bis sich mir die Lösung förmlich aufdrängte, die ich schon die ganze Zeit dicht bei mir trug. Das Heroin in meiner Jackentasche schien mir die einzige Möglichkeit zu sein, meinem Elend wenigstens zeitweise entfliehen zu können. Zwar hatte ich längst nicht mehr genug shore, um mein schmerzendes Bewusstsein zu verlieren, das war mir klar. Aber es würde sofort viel besser werden, davon war ich überzeugt. Denn gutes Heroin hat sehr wohl die Eigenschaft, quälende Gedanken zum Schweigen zu bringen, oder sie zumindest belanglos zu machen. Und genau das ist ja wohl auch der wichtigste Grund, warum so viele Menschen abhängig davon werden. 

Ich allerdings würde mit Sicherheit nicht nochmal heroinabhängig werden, dachte ich grimmig. Ich kannte mich damit inzwischen gut genug aus, um diesen tanzenden Teufel sicher im Griff zu behalten. Nur jetzt – jetzt in diesem Augenblick - brauchte ich diesen chemischen Allround-Helfer sehr dringend, sonst würde ich bald komplett durchdrehen. 

Ich beruhigte mit diesen Gedanken mein warnendes Gewissen, kramte den Rest shore aus meiner Jacke und legte ihn auf die Ablage vor dem Schminkspiegel. Eine Weile schaute ich das Heroin an und dachte nochmal über mein Vorhaben nach. 

Bis nach kurzer Zeit meine unbändige Gier siegte. Ich schob hastig alle Bedenken zur Seite und suchte hektisch nach Silberpapier, um das Zeug rauchen zu können. Doch natürlich gab es keine Alufolie in dieser Garderobe. Noch einmal stand ich eine Weile dort und starrte reglos das pack an. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich dachte darüber nach, das Scheiß Zeug wegzuwerfen, und mich stattdessen lieber mal wieder randvoll zu saufen. 

Aber diese Perspektive erschien mir nicht sehr verlockend, denn eigentlich widerte die unberechenbare Wirkung von Alkohol mich total an. Schon viel zu oft war ich betrunken vermeidbare Risiken eingegangen, die ich später bereut hatte. Also versuchte ich, mich auf das Heroin zu konzentrieren, mich auf seine beruhigende Wirkung vorzubereiten. Ich verbannte die warnenden Stimmen aus meinem Gehirn, die mir wütend vorwarfen, ich würde vor meinen Problemen davonlaufen, was feige und normalerweise gar nicht meine Art war.

Letztendlich hockte ich mich kurzerhand nieder, öffnete das pack und schüttete die shore auf die Ablage. Es war noch viel mehr Pulver übrig, als ich vermutet hatte, was mich einen Augenblick überraschte. Gleich darauf freute es mich, denn damit war meine umfassende Linderung so gut wie sicher. 

Im nächsten Moment hatte ich es plötzlich sehr eilig. Ich nahm meine Kreditkarte und formte mir damit aus dem Heroin einige lange Linien. Dann holte ich einen Geldschein aus meinem Portemonnaie, rollte ihn zusammen und sog, ohne noch länger zu zögern, das Rauschgift wie ein Ertrinkender durch meine Nase ein, wobei ich ein Nasenloch zu hielt. Ich schnaufte laut und atmete tief durch die Nase ein. Keuchend schnappte ich nach Luft und unterdrückte ein reflexartiges Niesen. Dann schniefte ich weiter diese starke Droge in mich hinein, bis kein einziger Krümel mehr übrig war. Das Heroin brannte in meiner Nase und lief extrem bitter meinen Hals hinab. Ich schloss die Augen und wartete auf die erlösende Wirkung. Ich wollte nichts anderes mehr fühlen.

Jill

Ich beobachtete Herrn Banton genau, der neben mir auf dem Sofa saß, zurückgelehnt und an die Decke starrend. Er wurde immer träger irgendwie, beinahe desinteressiert, was ich bedauerte. Unser Gespräch drohte langsam an ihm abzuprallen. Fieberhaft überlegte ich mir eine Möglichkeit, ihn aus der Reserve zu locken. Ich wollte unbedingt noch mehr über ihn erfahren, über die Performance, über Sean Valmont und Charlotte Hynde, seine Partner in diesem Stück. 

Kurzentschlossen lehnte ich mich zu ihm und streichelte kurz seinen Oberarm. „Erzähl mir bitte etwas von dir, Clay!" forderte ich ihn auf, „Wo bist du geboren worden?" Clay lächelte ein bisschen gequält. „Das ist jetzt aber schon verdammt lange her", meinte er ablehnend. „Erzähl es mir bitte!" quengelte ich, weil ich sofort bemerkte, dass ihm auch dieses Thema nicht behagte. Meine Neugier auf sein Leben wurde größer, je zögerlicher Clay auf meine Fragen reagierte. Er bedachte mich mit einem langen, träge gutmütig lächelnden Blick. „Also gut", gab er nach, „Ich bin auf Island geboren." Seine Antwort erstaunte mich maßlos. „Island?!" entfuhr es mir ungläubig. Clay schüttelte gelangweilt den Kopf. Anscheinend kannte er diese Reaktion auf seinen Geburtsort. 

„Hast du denn mein Profil im Internet nicht gelesen, Jill?" wollte er nun fast tadelnd von mir wissen und setzte sich gerade hin. Tatsächlich hatte ich es versäumt, mich vorher im Internet genauer über diese Theatergruppe vom Grenzland-Theater zu informieren. Nun fragte ich mich verärgert, wie mir so ein grober Fehler unterlaufen konnte. „Nein, Clay, ich kenne deine Seite gar nicht. Was steht denn über dich im Internet?" Er lachte belustigt. „Dann bist du wohl doch nicht so ein großer Fan von mir, wie du behauptet hast, oder, Jill?" 

Er kicherte und knuffte mich freundlich gegen den Arm. Ich packte spontan seinen Arm, hielt ihn fest und streichelte leicht über seinen Handrücken. „Was steht denn im Internet über dich?" fragte ich ihn noch einmal. Er starrte irritiert auf seine Hand, die von mir gestreichelt wurde. „Da steht, dass ich auf Island geboren wurde", flüsterte er ungeduldig und guckte mich intensiv an. Seine Augen forderten irgendwie mehr von mir, noch eine Berührung, irgendwas Intimes. Schnell, erschrocken ließ ich seine Hand los, und er zog sie abermals seufzend zurück. 

Unruhig wandte er sich von mir weg dem Tisch zu. „Ich werde mal neuen Wein holen", kündigte er an. „Nein, bitte warte noch! Erzähl mir, warum du ausgerechnet auf Island geboren wurdest! Das ist doch total ungewöhnlich!" sagte ich hastig. Clay lachte und zwinkerte mir zu. „Weil meine Mutter sich zu dieser Zeit dort aufgehalten hat", antwortete er mir spöttisch. „Und wo bist du geboren, Jill?" lenkte er sogleich ab. 

Einen Moment schauten wir uns an. Mir fiel auf, dass ihm seine Augenlider offenbar immer schwerer wurden. Er ist doch ganz schön zugeknallt mit den Drogen, registrierte ich verärgert. Vielleicht wirkt das Heroin mit der Zeit immer stärker, und wenn ich Pech habe, dann wird dieser blöde Typ bald hier auf der Couch einschlafen, befürchtete ich frustriert. „Ich komme aus dieser Stadt, bin hier geboren und habe mein ganzes Leben hier verbracht!" erzählte ich ihm schnell. Er nickte. 

„Hast du Geschwister, Clay?" fragte ich ihn wissbegierig. Erstaunt beobachtete ich, wie sein Gesicht sich schlagartig verdüsterte. Da stimmt was nicht mit seiner Familie, dachte ich sofort alarmiert. Er stand abwehrend auf und griff nach der leeren Flasche auf dem Tisch. "Hast du denn Geschwister, Jill?" versuchte er nervös meiner Frage auszuweichen. „Ja, ich habe einen Bruder. Er wohnt auch hier in der Stadt. Und du?" plauderte ich betont fröhlich. 

Aber Clay war nun endgültig nicht mehr froh gestimmt. Er schloss hilflos die Augen. Ich konnte förmlich sehen, wie dieses Thema ihm seelische Schmerzen bereitete. „Ich habe vier Halbschwestern", informierte er mich schnell und leise. 

Im nächsten Moment machte er Anstalten sein Wohnzimmer zu verlassen, um eine neue Flasche Wein für uns zu holen, bevor ich weiter nachhaken konnte. Clay war sichtbar so aufgewühlt von diesem Thema, dass ich beschloss, es vorsichtshalber erst einmal ruhen zu lassen. Obwohl es mich natürlich brennend interessierte, warum seine vier (!) Schwestern nur Halbschwestern waren, wie alt sie waren und warum er so extrem ungern an sie dachte. 

Seine heftige Reaktion auf meine Fragen bewies mir, dass er mir offenbar die Wahrheit über sich und seine ungewöhnliche Familie sagte. Es wunderte mich, warum er mich nicht einfach anlog, wenn ihm die Wahrheit doch so wenig behagte. Mit schlichten Lügen hätte er meine aufdringliche Neugier viel einfacher befriedigen können. Trotzdem war er scheinbar bewundernswert ehrlich zu mir, was ich ihm hoch anrechnete. 

„Darf ich mir mal deine Regale näher ansehen, Clay?" rief ich betont aufgekratzt und deutete auf die großen Regale an der Schmalseite des Raumes. Er war noch ganz durcheinander von den Erinnerungen an seine Schwestern, die wohl auf ihn eingestürmt waren. Verwirrt guckte er mich an und stotterte: „Meine was? - Regale?" „Ja, darf ich sie näher betrachten?" fragte ich höflich. „Na klar, Jill", lächelte er verwundert und machte sich mit der leeren Flasche auf den Weg in die Küche. 

Ich stand derweil auf und ging zu den großen Regalen, die die ganze Wand bis zur Decke ausfüllten. Interessiert wandte ich mich seinen Büchern und Filmen zu, überflog die Reihen und las ein paar Titel. Es gab jede Menge Fachbücher über Malerei, Architektur, Tanz, Theater und Musik, aber auch viele Romane. Seine Filmsammlung war gut bestückt und bunt gemischt. Neugierig öffnete ich einen der Kartons, die ganz unten auf dem Boden standen. Zu meiner Überraschung waren diese Blu-rays ausschließlich schwule Pornofilme. Ich wühlte erstaunt und irgendwie aufgeregt in dem Karton, nahm einige Filme heraus und schaute mir die eindeutigen Titelbilder an. „Oh - da hast du ja zielstrebig die richtige Kiste geöffnet, Miss Bennet!" hörte ich plötzlich Clays belustigte Stimme.

Erschrocken schaute ich hoch und fühlte mich aus irgendeinem Grund ertappt. Als hätte ich etwas Verbotenes getan. Clay war schon zurückgekommen. Er hatte eine neue Flasche Rotwein geholt und stellte sie vorsichtig auf dem Tisch ab. Verlegen schaute ich Clay an. Er war zu meinem Erstaunen überhaupt nicht peinlich berührt, sondern nur amüsiert. Zweideutig grinste er mich an. 

„Warum guckst du dir schwule Pornofilme an?" fragte ich ihn spontan. Er zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?" „Bist du schwul, Clay Banton?" horchte ich ihn lauernd aus. Sein Lächeln wurde ein bisschen geringschätzig. „Was glaubst du denn?" forderte er mich schräg grinsend heraus. Ich musterte ihn eine Weile abschätzend, was er offenbar sehr lustig fand.

Nach einiger Zeit kicherte er: „Glaubst du ernsthaft, du könntest es mir ansehen, ob ich schwul bin?" Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht", wehrte ich verwirrt ab, „Aber was ist nun? Bist du schwul?" „Bist du lesbisch, Jill Bennet?" entgegnete er provozierend. Ich atmete einmal tief durch. Seine Frage war mir entschieden zu persönlich. Aber ich hatte ihn ja zuerst danach gefragt, und deshalb hatte er auch das Recht, mir die gleiche intime Frage zu stellen. „Nein, ich bin nicht lesbisch, Clay", informierte ich ihn widerwillig. „Und ich bin nicht schwul", lachte er und ließ sich wieder auf dem Sofa nieder. 

Er nahm die neue Flasche, öffnete sie ein bisschen weniger geschickt als die erste, weil er offenbar inzwischen vom Alkohol beduselt war, und füllte mein Glas auf. Dann goss er sich selbst ein neues Glas ein und stellte die Flasche zurück auf den Tisch. Zu meiner Erleichterung nahm er diesmal nur einen kleinen Schluck Wein. Dann platzierte er sein Glas zurück auf den Tisch, guckte mich wieder an und lächelte gutmütig. 

„Ich mag so ziemlich alle Arten von Sex", stellte er plötzlich ganz ruhig in den Raum. Diese Aussage verblüffte mich. „Was soll das denn heißen, Clay?" hakte ich wissbegierig nach. Abgelenkt nahm ich mir einen Film aus der Kiste und schob sie zurück auf ihren Platz. Mit dem Film in der Hand setzte ich mich auf die Couch, so weit weg von Clay, wie es möglich war. Seine Sexualität interessierte mich natürlich brennend. Andererseits wollte ich diesem Mann auf keinen Fall zu nah kommen oder womöglich sogar mit ihm intim werden. Es beunruhigte mich, dass er anscheinend sehr wohl Interesse an Intimitäten mit mir hatte. 

Er starrte auf den Tisch und lächelte gedankenversunken in sich hinein. Dieses Thema machte ihm merkbar Spaß. Sex gefällt ihm außerordentlich gut, merkte ich geringschätzig, er lechzt förmlich danach. Clay ist tatsächlich auch ein triebgesteuerter Mann. Aber das kann ich ihm wohl nicht vorwerfen, dachte ich dann entschuldigend. 

„Was heißt das - Alle Arten?" fragte ich ihn nochmal indiskret, „Stehst du auf BDSM, Fetisch, Voyeurismus und so etwas?" Gespannt auf seine Antwort fixierte ich ihn. Seine unmittelbare Reaktion beschämte mich. Clay musste spontan laut lachen, verkniff es sich aber halbwegs und guckte mich völlig perplex an. Er schlug sich gespielt entsetzt die Hand vor den Mund und rief: „Oh Mann, Jill, du überrascht mich aber ganz schön! Was du alles für Ausdrücke kennst! Du bist wohl ein echter Sex-Profi, was?" Hochgradig ausgelassen kugelte er sich auf dem Sofa herum. Auch diesmal war seine Heiterkeit umfassend und daher automatisch sehr ansteckend. Ich war erleichtert, dass er seine gute Laune zurückgewonnen hatte. Beschämt lachend rutschte ich, ohne nachzudenken, zu ihm hin und knuffte ihn gegen den Oberkörper. „Du bist blöd!" kicherte ich verlegen. Er lachte laut, wehrte meine Schläge nicht ab, sondern hielt sich übertrieben die getroffenen Stellen. Es entstand ein sehr einseitiger Kampf, bei dem ich Clay einige leichte Schläge verpasste. Irgendwann schnappten wir beide nach Luft. Er lag nun dicht bei mir auf dem Sofa und sein Blick veränderte sich wieder. Beinahe sehnsüchtig schaute er mich an.

Einige Zeit war es ganz still, während wir intensiv Blickkontakt hielten. „Ich schlafe mit Frauen und mit Männern", gestand er mir plötzlich ganz ruhig. Danach wartete er merkbar unsicher auf meine Reaktion. Ich war schon wieder überrascht. „Heißt das, dass du bisexuell bist?" hakte ich erstaunt nach. Er seufzte tief und wich unwohl meinem Blick aus. „Ich mag diese Kategorisierungen nicht besonders, Jill", erwiderte er ablehnend, „Aber ja, so könnte man es wohl nennen." Er sah mich vorsichtig an, und ich musterte ihn eine lange Zeit wirklich verblüfft.

Mein Blick wurde wohl so prüfend, dass er sich unbehaglich aufsetzte. „Was ist denn?" wollte er nervös von mir wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts. Ich habe nur noch nie jemanden gesehen, der so ist wie du." Daraufhin lachte er abermals spöttisch. „Hast du denn jeden danach gefragt?" kicherte er abwertend. „Nein! Natürlich nicht!" wehrte ich beleidigt ab und schlug ihn nochmal ganz leicht gegen die Rippen. 

In diesem Moment griff Clay intuitiv meine Hand und schob sie energisch unter sein Sweatshirt auf seinen nackten Bauch. Vielleicht eine halbe Minute hielt er meine Hand gegen seinen Bauch gepresst fest. Ich konnte seine Bauchmuskeln fühlen und musterte ihn alarmiert. Er atmete tief und starrte mich beschwörend an. Ich war von seinem Verhalten so überrumpelt, dass ich erst gar nicht reagieren konnte. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, was er damit bezweckte. 

Dann vermutete ich, dass er mich auf diese Art anbaggern wollte, und ich zog hastig meine Hand mit einem heftigen Ruck aus seinem Griff. Er ließ mich auf der Stelle los. „Jill...", stöhnte er bedauernd. Ich war vollends verwirrt und wich seinem durchdringenden Blick aus. Eine Weile musste ich erst einmal meine Gedanken ordnen. Ich überlegte fieberhaft, was ich jetzt tun sollte. Anscheinend war Herr Banton auf Sex mit mir aus, was ich auf keinen Fall akzeptieren konnte. Andererseits mochte ich diesen ungewöhnlichen Mann inzwischen sehr gern und wollte ihn nicht verletzen. 

Die Stille im Raum wurde merkbar ungemütlich. Clay saß ganz ruhig neben mir und schwieg. Ich konnte ihn nicht ansehen. „Warum hast du einen Pornofilm in deiner Hand?" unterbrach er nach langer Zeit plötzlich die Stille. Ich erinnerte mich wieder an den Film, den ich gedankenversunken mitgenommen hatte und tatsächlich immer noch in meiner Hand hielt. Spontan kam mir eine waghalsige Idee, die ich leider nicht genug analysierte, sondern ihr intuitiv nachgab. 

„Wollen wir uns den Film gemeinsam anschauen?" fragte ich Clay und wagte einen zögernden Blick auf ihn. Er zuckte förmlich zusammen vor Überraschung. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, als er mich ungläubig anstarrte. „Du möchtest dir mit mir einen schwulen Porno ansehen?" hakte er völlig fassungslos nach. Ich gab mich betont locker. „Ich habe noch nie einen schwulen Porno gesehen", informierte ich ihn lächelnd. „Ich leih ihn dir aus!" erwiderte Clay schnell, ängstlich, abwehrend. Offenbar war er nicht begeistert von meiner Idee, was mich irgendwie wunderte, wo er doch Sex so liebte. Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Nein, Clay, ich möchte ihn gerne mit dir zusammen sehen", betonte ich. Er lächelte gequält und flüsterte: „Bist du dir sicher, Jill?" Ich nickte energisch. „Ja, natürlich bin ich mir sicher, Clay!" Er schaute mich zweifelnd an. 

„Ist dir denn überhaupt klar, was dann passiert?" fragte er mich nach einer Weile vorsichtig. Ich musterte ihn grinsend und erwiderte: „Was soll schon passieren? Fällst du dann über mich her, oder was?" Ich lachte spöttisch. Clay dagegen blieb total ernst. Immer noch ungläubig betrachtete er mich. „Wirst du über mich herfallen?" wollte ich alarmiert von ihm wissen. Er lächelte gutmütig. „Nein, das tue ich nicht", versicherte er mir, und ich glaubte ihm aus irgendeinem Grund sofort. 

Auffordernd hielt ich ihm den Film hin. „Hier, leg den Porno mal ein!" Clay zögerte immer noch. Er schüttelte den Kopf und zierte sich. „Jill, ich weiß nicht so recht... das ist... merkwürdig...", stammelte er unschlüssig. Energisch hielt ich ihm die Blu-ray unter die Nase. „Clay Banton! Ich bin Gast in deinem Hause! Und der Gast ist immer König!" machte ich ihm selbstbewusst klar.

Endlich nahm er zögerlich die Blu-ray entgegen. Er stand auf, ging zu seinem Blu-ray-Player, schaltete das Gerät ein und legte den Film ein. Dann kam er zurück zum Sofa. Er setzte sich in die entgegengesetzte Ecke der Couch, so weit weg von mir, wie es möglich war. Dann schaltete er mit einer Fernbedienung, die auf dem Tisch gelegen hatte, seinen riesigen LCD-Fernseher ein. Mit einer anderen Fernbedienung schaltete er seinen Verstärker ein und drehte den Ton auf. 

Ich beobachtete ihn bei seiner Tätigkeit und mir fiel auf, wie unglücklich er auf einmal aussah. Offensichtlich befürchtete er irgendwas, und ich fragte mich sofort interessiert, was das wohl sein konnte. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was Clay damit gemeint hatte, was wohl jetzt passieren würde. Ich war tatsächlich neugierig auf diesen schwulen Pornofilm, denn ich hatte so etwas noch nie gesehen. Mein dummer Hintergedanke dieser Idee war, den Mann von meiner Person abzulenken. Vielleicht würde der Porno ihn sexuell genug befriedigen, sodass er mich in Ruhe ließ, hoffte ich ziemlich naiv. 

Als der Film anfing, schaute ich ihn mir interessiert und amüsiert an. Die jungen Männer in dem Film waren attraktiv und sportlich. Was sie allerdings miteinander trieben, das war mir so dermaßen fremd, dass ich es nur staunend und ziemlich belustigt betrachten konnte. Nichts davon konnte mich auch nur ansatzweise erregen. Eine lange Zeit war es ruhig in diesem Wohnzimmer. Nur die Männer auf dem riesigen Bildschirm gaben aus allen Winkeln des Zimmers sehr eindeutige Geräusche von sich. Ich schaute mir diesen schwulen Porno an und schwankte teilweise zwischen leichter Verlegenheit und großer Belustigung. 

Irgendwann warf ich einen Blick auf Clay am anderen Ende der Couch. Ich wollte überprüfen, ob er sich auch so gut amüsierte, wie ich. Aber zu meinem naiven Erstaunen reagierte er ganz anders auf diese Blu-ray, als ich. Ich weiß nicht, warum mich seine eigentlich zu erwartende Reaktion in diesem Moment so überraschte. 

Clay hatte sich weit auf dem Sofa zurückgelehnt. Seine rechte Hand lag auf seinem Schoß, und es war nicht zu übersehen, dass er eine Erektion hatte. Mit halb geschlossenen Augen schaute er sich den Porno an, atmete schwer und stimulierte sich dabei ganz sachte. Eine Weile beobachtete ich ihn überrascht. Dann fühlte ich auf einmal eine leichte sexuelle Erregung in mir aufsteigen, die ich absolut nicht akzeptieren wollte. 

„Sag mal, Clay, onanierst du etwa?" fragte ich unvermittelt in das Gestöhne der Männer vom Bildschirm hinein. Irgendwie spöttisch beobachtete ich ihn. Er zuckte irritiert zusammen und wandte sich langsam zu mir. Seine Hand lag nun ganz reglos auf seinem Schoß. Einen Moment musterte er mich prüfend. „Ist das nicht der Sinn der Sache?" wollte er dann atemlos von mir wissen. Seine intime Tätigkeit und die Tatsache, dass ich ihn dabei ertappt hatte, waren ihm überhaupt nicht peinlich. 

Ich schaute ihn vorwurfsvoll an. Seine Augen hatten sich verändert, spiegelten seine leichte sexuelle Erregung. Ich studierte ihn sehr interessiert und amüsiert, was ihm offenbar nicht besonders gefiel. „Dafür werden Pornos doch gedreht, oder nicht? Man geilt sich daran auf, und wenn man niemanden zum ficken hat, dann wichst man eben dabei!" keuchte er anklagend in meine Richtung. Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Nein, das hatte ich eigentlich nicht im Sinn!" versuchte ich ihm zu erklären, peinlich berührt, weil er diese Dinge so direkt beim Namen nannte. Clay stöhnte genervt auf und setzte sich gerade hin.

„Und was hattest du denn im Sinn, Jill? Möchtest du mir das vielleicht mal verraten?" fragte er merkbar verärgert. Ich hob beschwichtigend die Hände. Mit dämmerte, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte. „Nein, Clay. Bitte versteh mich jetzt nicht falsch. Ich finde es absolut nicht schlimm, was du getan hast. Von mir aus kannst du das ruhig zu Ende bringen!" bot ich ihm freundlich an, in dem Bemühen, ihn wieder zu beruhigen. 

Clay musterte mich fassungslos. Er atmete tief und setzte sich unbehaglich in eine andere Position. „Das ist aber nett, dass du mir das erlaubst", zischte er sarkastisch. Mist, dachte ich, jetzt habe ich ihn wirklich verärgert. „Das ist doch nicht schlimm!" versuchte ich ihn hastig zu besänftigen, „Mach ruhig weiter, Clay!" Er stöhnte wütend und knurrte widerwillig, was mich wirklich erschreckte. Seine plötzliche Aggressivität war genauso umfassend, wie es vorher seine Heiterkeit gewesen war. 

„Willst du mir vielleicht beim Wichsen zusehen, Jill?" wollte er lauernd wissen. Seine Augen funkelten erregt. Ich dachte viel zu kurz darüber nach. „Ja, das würde mich schon interessieren", erwiderte ich arglos und registrierte verwundert, dass mein Herz unwillkürlich anfing, aufgeregt zu klopfen. Clay blies spöttisch die Luft aus und sprang unvermittelt von der Couch auf. „Tja, dann tut es mir echt leid, Jill. Aber diese Vorstellung gebe ich nicht für dich!" rief er aufgebracht und verließ plötzlich fluchtartig sein Wohnzimmer. Er ging mit schnellen Schritten über den Flur zum Badezimmer. Er schloss auch diesmal die Tür hinter sich, ohne abzuschließen. 

Ich ärgerte mich über meinen groben Fehler und hätte mich deswegen am liebsten selbst in den Hintern getreten. Ich konnte mir bildhaft vorstellen, dass Clay sich nun im Badezimmer, nachdem er wahrscheinlich gewichst hatte, noch mehr von seinem blöden Heroin einfuhr. Vielleicht würde er mir jetzt gar keine weiteren Fragen mehr beantworten. Verdammt, dachte ich entsetzt, jetzt habe ich ihn verärgert und zu stark gekränkt, und obendrein habe ich diese interessante Nacht womöglich total verdorben!

 

Charlotte

Ich hatte im Imbiss etwas gegessen und war nun auf dem Heimweg, der mich nochmal am Grenzland-Theater vorbei führte. Es wunderte mich sehr, dass immer noch die Eingangsbeleuchtung und das Licht im Schaukasten brannte. Nach dieser Pleite heute sollte längst niemand mehr hier sein, dachte ich, das sieht allerdings anders aus. 

Die Eingangstür war tatsächlich noch offen, und ich ging neugierig hinein, schloss die Tür von innen ab und sah mich um. Die Kasse war völlig unbewacht, das Foyer beleuchtet, aber leer. Ich wusste, dass Sean niemals nach Hause gehen und das Licht anlassen würde. Sean Valmont, die Gewissenhaftigkeit in Person, würde immer das Licht ausschalten und die Türen sorgfältig abschließen, bevor er das Theater verließ. Er muss noch hier sein, schloss ich verwundert daraus. 

Ich ging zum Schaltkasten hinter der Theke und schaltete das Licht am Eingang und im Foyer aus. Dann ging ich langsam durch den leeren, noch immer beleuchteten Theatersaal. Auf der Bühne lag Clays schwarzer Seidenschal, und im hinteren Bereich seine gesamte Bühnengarderobe auf dem Boden. Ich erinnerte mich an den hinterhältigen Angriff auf Clay, und der Mann tat mir von Herzen leid. Ganz egal, was ihm vielleicht vorgeworfen wurde, so eine brutale Attacke hatte er bestimmt nicht verdient, da war ich mir sicher. Im Grunde war Clay Banton, wenn auch oft unberechenbar, nämlich ein herzensguter Mensch, fand ich. 

Ein bisschen verunsichert nahm ich die Sachen auf und ging weiter zur Kellertreppe. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Aus der Garderobe unten fiel Licht in den Gang. Ich lief beunruhigt die Treppe hinunter und fand Sean Valmont allein in der Garderobe. Der attraktive Mann war tief über die Ablage des Spiegels gebeugt und schniefte gerade heftig irgendein hellbraunes Pulver durch seine Nase in sich herein. Sofort vermutete ich entsetzt, dass er Kokain nahm. 

Im ersten Moment war ich mächtig erschrocken, kannte ich Sean doch nur als starken Menschen, der so etwas Dummes wie Drogen niemals nötig hatte. Im nächsten Moment tat er mir leid, denn ich vermutete, dass er sich über die Ereignisse dieses missglückten Abends viel mehr Sorgen machte, als ich gedacht hatte. Ich hatte direkt das Bedürfnis, ihm helfen zu wollen. Vorsichtig legte ich Clays Sachen beiseite und ging einige Schritte auf ihn zu. Er bemerkte meine Bewegung aus den Augenwinkeln und fuhr erschrocken zu mir herum. Sichtbar entsetzt starrte er mich eine Weile reglos an. 

Dann sank er auf einmal langsam, resigniert in sich zusammen, und saß schließlich hilflos auf dem Boden. Ich war mindestens so erschrocken über sein Aussehen, wie er über mein Auftauchen war. Sean Valmont sah absolut verzweifelt aus, er wirkte so umfassend traurig, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Er hatte sichtbar äußerst heftig geweint, sein Gesicht und seine Augen waren rot und verquollen.

Jetzt hockte er auf dem Boden und schloss ergeben die Augen. Er zog laut die Nase hoch und rieb sich fahrig über das Gesicht. „Hallo Sean", grüßte ich ihn behutsam und ging auf ihn zu. Ich ließ mich dicht vor ihm auf den Boden sinken und berührte seinen Arm. Er öffnete die Augen und betrachtete mich kläglich mit einem traurigen Lächeln. 

„Ich... wollte wirklich nicht, dass du das siehst, Charlie", erklärte er mir leise, als wollte er sich für seinen Drogenkonsum bei mir entschuldigen. „Ist doch nicht schlimm", versicherte ich ihm, obwohl ich es in Wahrheit sehr wohl schlimm fand, dass er harte Drogen nahm. „Du hast mich jetzt echt kalt erwischt", erwiderte er und wich verlegen meinem Blick aus. Er schämt sich, wurde mir klar, er möchte doch immer alles unter Kontrolle haben, und er hat im Moment jegliche Kontrolle über sich verloren. Sean tat mir leid. Ich wusste nicht, warum er so dermaßen verzweifelt war, dass er sogar Drogen nahm. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, wie ich ihm Mut zusprechen konnte. Bleib einfach bei ihm, beschloss ich intuitiv, bleib bei ihm und warte ab, was passiert. 

Ratlos setzte ich mich neben ihn auf den Boden. Wir saßen eine lange Zeit ruhig so nebeneinander. Es war ganz still, und ich musste unwillkürlich an früher denken. Ich dachte daran, wie Sean früher gewesen war, und dass ich ihn tatsächlich noch nie so hilflos erlebt hatte. 

Ich kannte Sean Valmont schon seit der Schulzeit, die letzten Jahre auf dem Gymnasium war er in vielen meiner Kurse gewesen. Sean war damals das, was man wohl den Star der Schule nennen konnte. Alle Mädchen und mit Sicherheit einige Jungs schwärmten für ihn, weil er so außergewöhnlich gut aussah. Fast jeder kannte, akzeptierte und bewunderte ihn, weil er sich immer bei Schülern wie Lehrern clever durchzusetzen wusste und immer irgendwie eine Lösung fand. Es war einfach eine Selbstverständlichkeit, dass er Klassen- und Schulsprecher wurde.

Sean Valmont galt zu recht als sehr intelligent, denn er hatte scheinbar mühelos extrem gute Noten in so gut wie allen Fächern. Weil er an der Schule so bekannt war, brodelte natürlich ständig die Gerüchteküche über ihn. Er hatte trotz zahlloser Angebote nie eine feste Freundin, und seine vielen Neider nannten ihn deswegen oft gehässig eine blöde Schwuchtel. Andere spekulierten einfach nur über sein Liebesleben. Wir Mädels fanden das ziemlich aufregend. Wir plauderten und schwärmten mit Vorliebe davon, welche von uns es wohl letztendlich schaffen würde, den begehrten Sean Valmont zu verführen. Unsere hartnäckigen Versuche in dieser Richtung scheiterten jedoch ausnahmslos. Sean war zwar immer sehr freundlich und äußerst charmant zu uns. Aber allen weiteren Annäherungsversuchen entzog er sich stets mit einem aparten Lächeln. 

In den letzten Monaten meiner Schulzeit wurde dann plötzlich alles anders. Seans Coming-out vollzog sich für uns nicht irgendwie langsam, sondern mit einem Donnerschlag. Selbstverständlich hatte es viele Gerüchte gegeben. Aber es waren eben nur Gerüchte gewesen.

An diesem Morgen stand Sean jedoch völlig unerwartet vor unserer Klasse und outete sich öffentlich. Ich erinnere mich noch genau an seine Worte: „So, Leute, damit das blöde Gequatsche über mich endlich mal aufhört, sage ich es euch jetzt einfach: Ich bin schwul, okay?! Und das soll auch genau so sein! Und euch sollte mein Privatleben jetzt wirklich nicht länger interessieren!" Er stand alleine vor uns blöde glotzenden Gesichtern und lächelte selbstbewusst sein bezauberndstes Lächeln. 

Danach setzte er sich einfach auf seinen Platz und überließ es uns, auf seine Worte zu reagieren. Zuerst dachten wir, er hätte einen merkwürdigen Witz gemacht. Wir waren absolut sprachlos und reagierten nur langsam, aber dann leider genau wie die dummen Teenager, die wir zu dieser Zeit waren. Zu viele von uns kicherten spöttisch und starrten ihn mit einer Mischung aus alter Neugier und neuem Abscheu an. Andere erklärten großspurig, sie hätten das doch sowieso schon immer gewusst. Seine Neider freuten sich diebisch, dass der fehlerlose Halbgott Sean Valmont sich selbst diesen "Makel" aufgedrückt hatte. 

Sean hatte mit seinem Coming-out beabsichtigt, dass das Gequatsche über ihn aufhören sollte. Aber leider ging das Gerede jetzt erst richtig los. Noch am selben Tag sprach sich seine sexuelle Orientierung in der ganzen Schule herum. Ich bin mir sicher, dass er von diesem Zeitpunkt an nur noch viel mehr diskriminiert und beschimpft wurde. 

„Unser Schulsprecher liebt Männer!" rief irgendein Junge höhnisch dem Lehrer zu, der kurz darauf unsere Klasse betrat. Ich weiß noch genau, wie dumm verlegen der Lehrer wurde, und wie er nur so etwas wie „Das ist seine Privatsache" murmelte, bevor er hastig mit dem Unterricht anfing. Über Homosexualität haben wir im Unterricht niemals gesprochen. Aber hinter vorgehaltener Hand wurde dafür umso mehr darüber gelästert. 

Ab diesem Tag war Sean Valmont ein beliebtes Gesprächsthema, über das mit Vorliebe kichernd hergezogen wurde. Seine Beliebtheit an der Schule sank merkbar, sie spaltete sich in Freund und Feind. Es waren meines Wissens nach nur wenige Schüler und Lehrer, die Seans Schwulsein offen akzeptierten, ja ihn sogar verteidigten. Offiziell wurde sein Coming-out ganz einfach völlig totgeschwiegen. 

Ich wundere mich heute darüber, wie intolerant und gehässig doch die Allermeisten an diesem Gymnasium waren. Die Zeit war für Seans grenzenlosen Mut offensichtlich noch nicht reif gewesen. Ich hielt mich aus den Lästereien weitgehend heraus. Aber zu meiner Schande reichte auch meine Zivilcourage nicht aus, um ihn offen zu verteidigen. Damals verstand ich überhaupt nicht, warum Sean diesen drastischen Weg für sein Coming-out gewählt hatte, denn er hatte sich dadurch nur selbst sein Leben an der Schule immens erschwert. Aber wie unerträglich es tatsächlich für ihn geworden war, das wurde mir erst klar, als er keine vier Wochen später aus dem Gymnasium verschwand. Man erzählte sich, dass er sein Abitur auf irgendeiner teuren Privatschule machte. 

Niemand folgte übrigens seinem Beispiel. Sean Valmont blieb der einzige geoutete Homosexuelle an diesem blöden Gymnasium, solange ich dort war. Heute kann ich ihn für seinen Mut bewundern. Nie wieder habe ich diese Art von Mut erlebt. 

Nach der Schule fing ich damit an, als Komparsin zu jobben, und Sean studierte Schauspiel, Tanz und Dramaturgie. Wir trafen uns noch manchmal in einem Lokal, ohne viel miteinander zu reden. Ich hörte noch ab und zu von anderen Leuten etwas über ihn. 

Bis er mich vor einem halben Jahr in der Eule fragte, ob ich in seiner Performance mitspielen würde. Er hatte wohl gehört, dass ich inzwischen Schauspielerin am Stadttheater geworden war. Ich war sehr neugierig auf das Stück, das er geschrieben hatte. Ich fühlte mich ihm gegenüber immer noch schuldig, deshalb sagte ich sofort zu und reduzierte für ihn sogar meine Arbeit am Stadttheater. 

Seitdem spielten wir Psychotic Kühlschrank zusammen, ohne damit bahnbrechenden Erfolg zu haben. Nach der Premiere war das öffentliche Interesse sehr bald abgeebbt. Es war eigentlich ein Wunder, dass sich diese experimentelle Performance schon so lange auf der Bühne hielt. Irgendjemand verirrte sich komischerweise immer ins Theater, wenn wir auftraten.

So weit ich weiß hatte Sean Valmont niemals eine feste Beziehung, weder zu einer Frau, noch zu einem Mann. Ich habe keine Ahnung, wo und wann er Clay Banton kennengelernt hat. Aber ich vermute, dass er wohl von Anfang an in Clay verliebt gewesen sein muss. Schon immer fand ich Seans grenzenlose Zuneigung zu Clay sehr dumm, weil sie ihn meiner Meinung nach nie weiterbringen würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Clay sich jemals dazu durchringen würde, sich für irgendetwas zu entscheiden, geschweige denn ernsthaft eine feste Bindung einzugehen. Dazu war Clay Banton in meinen Augen gar nicht fähig. Dieser Mann entschied sich ja nicht einmal dafür, offen schwul zu sein. 

Deshalb fand ich es sehr dumm von Sean, so viel bedingungsloses Gefühl in diesen gedankenlosen Mann zu investieren. Auch Eliza konnte ich in ihrer aufopferungsvollen Verbundenheit zu Clay nie verstehen. Ich hatte immer den Eindruck, Sean und Eliza würden nur ständig hinter Clay herlaufen, ohne ihn jemals richtig zu erreichen, und ohne dass er die beiden jemals wirklich wahrnahm. Clay Banton war ein ganz passabler Schauspieler, ein recht guter Zeichner und Musiker, und meistens ein netter Kerl. Aber er war absolut ungeeignet für so ernsthafte Dinge wie eine erwachsene Partnerschaft. Sean konnte mit diesem Mann immer nur verlieren, befürchtete ich. Und ich fand Sean auch viel zu talentiert und klug, um sich mit jemandem wie Clay Banton, der zweifellos nicht besonders intelligent war, zu belasten.

Alle diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, während ich eine lange Zeit neben Sean Valmont auf dem Boden der Garderobe im Grenzland-Theater saß. Irgendwann schaute ich vorsichtig zu ihm hin. Sein Kopf war nach vorne auf die Brust gekippt, die Augen hatte er geschlossen. Anscheinend wirkte die harte Droge, die er genommen hatte, extrem einschläfernd. Sean war tatsächlich einfach weg genickt. Spucke lief aus seinem Mund und tropfte auf sein Hemd. 

Ich stieß ihn alarmiert an, erst leicht, dann fester, bis er träge die Augen öffnete und mich verwirrt anblinzelte. „Welche Droge hast du genommen?" fragte ich ihn geradeheraus. Er betrachtete mich lange und wischte sich verlegen über den Mund. „Heroin", eröffnete er mir dann leise. Ich war echt schockiert, weil ich Heroin als die schlimmste aller Drogen empfand, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen. 

„Warum denn nur, um Himmels Willen?" wollte ich so ruhig wie möglich von Sean wissen. Er hatte Mühe damit, seine blauen Augen offen zu halten, und lächelte mich irgendwie hilflos an. „Ich wollte es einfach", erklärte er lahm und wich meinem Blick verlegen aus. Er rieb sich träge über das Gesicht und die Nase. „Das ist aber keine gute Idee, Sean. Dieses Zeug wird dich umbringen. Es macht dich kaputt, hörst du?" versuchte ich an seine Intelligenz zu appellieren, „Das passt doch auch gar nicht zu dir, Sean. Du hast doch noch nie Drogen gebraucht, um mit etwas fertig zu werden." 

Was hat ihn nur so aus der Bahn geworfen, überlegte ich traurig. Sean sah mich jetzt lächelnd an. „Du weißt wirklich nicht besonders viel von mir, Charlotte", stellte er amüsiert fest. Ich lächelte ihn an und kam mir ziemlich dumm vor, weil er natürlich Recht hatte. Unsere gemeinsame Schulzeit war über zehn Jahre her, und ich hatte im Grunde keine Ahnung, was er in der Zwischenzeit gemacht hatte. Im letzten halben Jahr hatten wir uns fast ausschließlich bei der Arbeit im Theater, bei den Proben und Vorstellungen gesehen. Wir hatten uns nicht über private Dinge oder die Vergangenheit unterhalten. 

Ich musterte ihn von der Seite und versuchte seinen aktuellen Zustand abzuschätzen. Er war zweifellos im Moment ziemlich zugedröhnt. Ich wollte aber nicht glauben, dass er ein kaputter Drogenabhängiger war, ohne dass ich etwas davon gemerkt oder auch nur geahnt hatte. Sean sieht immer noch viel zu gut aus, um regelmäßig harte Drogen zu nehmen, sprudelten meine Gedanken los: Ich glaube nicht, dass er süchtig ist. Er ist bei der Arbeit im Theater jedes Mal höchst konzentriert. Außerdem ist er immer viel zu gepflegt. Er duftet ständig angenehm nach seinem Rasierwasser. Seine Fingernägel sind manikürt. Sein Haar ist immer frisch gewaschen. Das passt alles überhaupt nicht zu jemandem, der sein Leben mit harten Drogen vergeudet. 

Sean seufzte und wich hilflos meinem prüfenden Blick aus. Offenbar war es ihm unangenehm, so intensiv von mir gemustert zu werden. „Du hast recht, ich weiß nicht viel über dich, Sean", gab ich zu, „Aber ich weiß ganz genau, wie du früher warst. Und niemand ändert sich so sehr. Du warst der Star der Schule! Du wurdest immer ganz allein mit allem fertig!" erinnerte ich ihn eindringlich. 

Sean lachte amüsiert und guckte mich an. „Das ist doch schon ewig her!" versuchte er bescheiden abzuwiegeln. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das bist immer noch du, Sean!" Ich wollte ihm damit Mut machen, weil er so verzweifelt aussah. Und tatsächlich lächelte er jetzt belustigt. „Ich war immer nur das, was ihr in mir sehen wolltet", erklärte er leise. 

Ich musste eine Weile darüber nachdenken, um zu verstehen, was er damit sagen wollte. Ich hatte wieder den achtzehnjährigen Sean Valmont vor Augen, der sich in der Schule erfolgreich mit allen Problemen auseinandersetze. Dieser auffallend hübsche Junge, den nichts aufzuhalten schien, der immer die richtigen Worte fand. Die ganze Welt schien ihm offen zu stehen. Er schien wahrhaftig unsterblich zu sein. Hatten wir ihn tatsächlich falsch beurteilt? Hatten wir ihn größer gemacht, als er gewesen war? Das konnte ich mir nicht vorstellen. 

„Du hattest eine unglaubliche Kraft in dir, Sean! Die kannst du doch nicht verloren haben!" redete ich auf ihn ein. Ich beobachtete ihn von der Seite. Seine Miene verdunkelte sich. Er kramte fahrig in seiner Lederjacke und zog seine Zigaretten hervor. Mit unsicheren Fingern zündete er sich eine an und rauchte tief. Er schloss die Augen, atmete aus und seufzte. Lange war es still. 

„Sean?" fragte ich schließlich vorsichtig. Er bewegte sich unbehaglich. „Das... ist schon lange her, Charlie", seufzte er, „...ich..." Dann verstummte er wieder. Er atmete tief durch, öffnete die Augen und sah mich traurig an. „Ich war sehr dumm, Charlotte, sehr... naiv. Ich war... ich... dachte, nichts könnte mir etwas anhaben..." Er stöhnte verzweifelt und rauchte mit unsicheren Fingern. Mir wurde klar, woran ich ihn erinnert hatte. Es tat mir leid, dass die Erinnerung an sein Coming-out und die für ihn so schwierige Zeit danach, ihm anscheinend immer noch sehr weh tat. 

Meine gut gemeinte Absicht, ihm Mut zu machen, indem ich ihn an seine Schulzeit erinnerte, war gründlich schiefgegangen. „Tut mir leid, Sean", versicherte ich ihm spontan. Er lächelte betrübt. „Das ist doch nicht deine Schuld." Ich schüttelte den Kopf. „Doch, es ist auch meine Schuld! Wir haben dich wie Dreck behandelt! Und ich war auch nicht viel besser damals!" rief ich voller Reue. Sean schaute mich lächelnd an. „Du hast mich nie eine kranke, perverse, schwule Sau genannt, oder mich geschlagen", kicherte er traurig. Tränen liefen plötzlich aus seinen Augen und er wischte sie verlegen hastig weg. Ich fühlte mich auf einmal sehr schuldig. Sie haben ihm wirklich weh getan damals, merkte ich erschrocken. Er hat seinen Mut und seine Kraft in diesem Moment in der Schule verloren, als er uns sagte, dass er schwul ist, und wir ihn deswegen verurteilt haben. Ich betrachtete ihn in seinem sichtbaren Elend, und mir wurde bewusst, dass Sean Valmont diese womöglich negativste Erfahrung seines Lebens tatsächlich immer noch nicht verarbeitet hatte. 

„Sean...", sagte ich hilflos und streichelte tröstend über seine Schulter. Er bewegte sich wieder unbehaglich, und ich zog meine Hand beschämt zurück. Er hustete und wischte sich heftig über die Augen. „Ist schon gut, Charlie. Das war schon okay so... eine äußerst lehrreiche Erfahrung...", erklärte er mir nicht sehr glaubwürdig, „Außerdem hatte ich diesen... Arschtritt dringend nötig... ich war... ziemlich arrogant und...größenwahnsinnig..." „Nein, das warst du überhaupt nicht!" widersprach ich ihm sofort, aber Sean wollte dieses für ihn so unangenehme Thema offensichtlich beenden. 

Er bewegte sich auf einmal stöhnend und fing an zu würgen. Ich beobachtete ihn besorgt. Er versuchte mühsam aufzustehen, war aber zu zugeknallt und rutschte deshalb nur fahrig auf dem Boden herum. Er würgte jetzt, schnappte nach Luft, hielt sich den Magen und verlor seine Zigarette aus der Hand. Spucke lief aus seinem Mund. „Ist alles okay?" fragte ich alarmiert. „Mir ist schlecht", informierte er mich stöhnend, „Ich fürchte, ich muss kotzen." Seine Augen flackerten nervös. Er versuchte ernsthaft, irgendwie zur Tür zu kommen. Bestimmt wollte er zur Toilette gehen, um sich dort zu übergeben. 

Aber der Weg war viel zu weit, und Sean war viel zu betäubt von der Wirkung des Heroins. Mir wurde ziemlich bald klar, dass er es auf keinen Fall rechtzeitig schaffen würde. Ich sprang auf und blickte mich hastig nach einer Lösung um. Schnell entdeckte ich den Eimer unter dem Spülbecken, stürzte spontan hin und holte ihn eilig. Sean hockte unruhig auf dem Boden. Er hustete, spuckte und würgte gequält. 

„Hier, Sean, das...", sagte ich und stellte ihm den Eimer hin. Im selben Moment erbrach er sich auch schon lauthals hinein. Angewidert drehte ich mich weg. Ist er doch selber schuld, dachte ich geringschätzig, warum nimmt er auch so viel von diesem gefährlichen Scheiß Zeug. Warum muss er überhaupt harte Drogen nehmen, dieser Spinner, das hat er doch nun wirklich überhaupt nicht nötig. 

Ich dachte wieder an den Teenager Sean Valmont, der nach seinem Coming-out von zu vielen Menschen wie ein gefährlicher Fremdkörper, wie ein echt kranker Perverser behandelt worden war. Das war mit Sicherheit alles andere als leicht für ihn gewesen. Trotzdem hatte er aber nie aufgegeben, er hatte niemals die Kontrolle über sich verloren. Er hatte sich nie provozieren lassen, war immer gleichbleibend charmant und freundlich geblieben. 

Warum ließ er sich plötzlich von so etwas Blödem wie einer missglückten Theateraufführung dermaßen aus der Bahn werfen? Warum schwamm er plötzlich in so großem Selbstmitleid? Noch niemals hatte ich diesen attraktiven Mann dermaßen verzweifelt erlebt. Mir gefiel diese neue Seite von Sean Valmont ganz und gar nicht. Ich war verärgert über sein Verhalten. Sein zugeknallter Zustand ging mir auf die Nerven. Ich erwog ernsthaft, einfach sofort nach Hause zu gehen und Sean in seinem selbst gewählten Elend allein zu lassen. Ich hatte wirklich etwas Besseres zu tun, als mir einen kotzenden Junkie anzugucken! Er würde sich schon irgendwann von alleine wieder einkriegen! Spätestens, wenn die Wirkung des Heroins nachließ, würde er bestimmt wieder der Alte sein, versuchte ich mir einzureden. 

Angewidert warf ich einen Blick zu ihm hin. Er kotzte inzwischen nicht mehr, saß aber immer noch auf dem Boden, den Eimer neben sich. Er schniefte jetzt und hustete, wischte sich fahrig mit den Fingern über das Gesicht und den Mund. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, um ihm zu sagen, dass ich jetzt nach Hause gehen würde. 

Er drehte sich langsam zu mir um und schaute mich an. Sein Blick war entsetzt, beschämt und verzweifelt. All sein Leid spiegelte sich in seinen auffallend hellblauen Augen. Unvermittelt fing er an zu weinen. Dicke Tränen tropften aus seinen Augen auf sein Hemd. Ich starrte ihn irritiert an. Das gibt es doch nicht, dachte ich spontan abfällig und ziemlich gehässig, in Sean Valmont steckt tatsächlich eine total tuntige, weinerliche Schwuchtel! Das hätte ich ja nie von diesem Mann erwartet, dass er sich so wehleidig benehmen kann! 

Gleich darauf taten mir diese gehässigen Gedanken auch schon leid. Sean war so dermaßen hilflos und traurig, und einfach nicht mehr in der Lage, seinen absolut elenden Zustand vor mir zu verbergen. Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals und konnte nichts mehr sagen. Ich beobachtete ihn nur überfordert. 

OhFuck! Nein!" stöhnte er entsetzt, „Oh, Gott, Charlie!" Er bewegte sich nervös auf dem Boden, als wollte er meiner Anwesenheit, meinem Blick irgendwie ausweichen, sich am liebsten unsichtbar machen, was natürlich nicht möglich war. „Sean, ist doch gut!" versuchte ich unsicher, ihn irgendwie zu beruhigen. Aber er hörte mich gar nicht, er weinte nur laut und haltlos. „Oh, Fuck, Charlie, jetzt kannst du ja gar keine Achtung mehr vor mir haben!" jammerte Sean, und dann brach er förmlich in sich zusammen. Als wäre dieser Gedanke das absolut Schlimmste, was er sich vorstellen konnte. 

Er lag nun auf der Erde, den Kopf in seinen Armen vergraben, und schluchzte lauthals. Ich stand nur reglos dort, starrte ihn verwirrt an und versuchte mit diesem emotionalen Ausbruch von umfassender Verzweiflung fertig zu werden. Ich versuchte zu verstehen, warum ihn der Gedanke, ich könnte keinen Respekt mehr vor ihm haben, so dermaßen fertig machte. 

Zu viele Menschen hatten nach seinem Coming-out in der Schule keine Achtung mehr vor ihm, fiel mir ein. Es ist wirklich kein Wunder, dass er sich davor fürchtet. Sean musste vielleicht als offen schwuler Mann ständig darum kämpfen, sein Gesicht zu wahren, seine Ehre zu verteidigen. Wahrscheinlich konnte ich mir seinen täglichen Kampf nicht mal ansatzweise vorstellen. 

Plötzlich tat Sean Valmont mir total leid. Ich fühlte mich erneut sehr schuldig für das, was damals in der Schule passiert war. Ich hatte nicht mal vermutet, dass er von dem Urteil anderer so abhängig war, dass es ihm so viel ausmachte, was man von ihm dachte. Vielleicht kann ich mir das nicht richtig vorstellen, überlegte ich, ich bin schließlich noch nie offen diskriminiert worden. 

Spontan sank ich zu ihm hinunter auf die Erde und versuchte ihn aufzurichten. Ich fasste ihn an den Schultern und zog ihn zu mir hin. „Nein, Sean, hör mir zu! Ich werde immer Achtung vor dir haben!" versicherte ich ihm überdeutlich. Aber er stöhnte nur widerwillig, schluchzte laut und versuchte mir auszuweichen. Er wich meinem Blick hartnäckig aus. „Ich wollte das nicht... ich dachte, niemand wäre mehr hier...", jammerte er kläglich und schnappte nach Luft, „Ich wollte nicht..." „Sean, hör mir zu!" rief ich energisch, „Guck mich an!" 

Ich schüttelte ihn und drehte ihn zu mir, bis er mich mit tränennassem Gesicht ansah. Seine Augen flatterten schon wieder nervös, aber ich hatte endlich seine Aufmerksamkeit. „Ich werde dich immer respektieren, Sean! Du bist der mutigste Mensch, den ich kenne, hörst du? Ich habe nie wieder in meinem Leben so einen Mut erlebt!" versuchte ich ihm klar zu machen. 

Doch er schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin überhaupt nicht mutig!" „Du hast dich vor uns hingestellt und zugegeben, dass du schwul bist, Sean! Das war das Mutigste, was ich je erlebt habe!" erklärte ich ihm. Er schüttelte nochmal unwillig den Kopf. „Nein, das war einfach nur saublöd!" erwiderte er laut. Ich guckte ihn eindringlich an. „Das war nicht blöd, Sean, das war verdammt mutig! Das war eine echte Heldentat!" beharrte ich ernsthaft. 

Er wurde ruhiger und musterte mich irritiert. Er war so verwundert über meine Anteilnahme, dass er sogar das Weinen vergaß. Ich lächelte ihn tröstend an. „Du warst der Einzige, der sich getraut hat, es zuzugeben, Sean. Was meinst du, wie viele Schwule und Lesben es noch auf unserer Schule gab, die sich eher die Zunge abgebissen hätten, als offen dazu zu stehen! Keiner von denen war so mutig wie du!" 

Eine Weile fixierten wir uns intensiv. Es erleichterte mich ziemlich, dass Seans Miene sich endlich ein bisschen aufhellte. Der Gedanke an die heimlichen Homosexuellen an unserer alten Schule schien ihm zu gefallen. „Es ist nicht unbedingt einfacher, wenn man es verheimlicht", erklärte Sean mir ruhig. „Aber es ist doch auf jeden Fall total unehrlich und ziemlich feige!" machte ich ihm klar. 

Er saß nun dicht vor mir und sah mich an, sichtbar erstaunt über meine Worte, dankbar über meinen Versuch, ihn zu trösten. Zum ersten Mal war sein Blick ohne Scham und Verlegenheit, sondern mit aufkommendem Interesse, was mich wirklich erleichterte. Endlich hört er auf zu heulen, dachte ich zufrieden, endlich kriegt er sich wieder ein! 

Sean lächelte jetzt verhalten, wandte sich ab und wischte sich über die nassen Augen. „Es tut mir leid, dass ich gekotzt habe, Charlie", sagte er kleinlaut, ohne mich dabei anzusehen. „Dieses Zeug schmeckt so verdammt bitter", versuchte er eine Erklärung. „Dann musst du es eben nicht nehmen!" erwiderte ich vorwurfsvoll. Sean nickte und guckte mich wieder an. Trotz seinem verheulten Gesicht war er immer noch einnehmend hübsch, fiel mir plötzlich auf. 

„Du hast recht, Charlotte", stimmte er mir leise zu, „Ich sollte es einfach nicht nehmen." Er schloss die Augen und schwankte ein wenig, bestimmt von der Wirkung des Heroins. Ich stand auf, und er öffnete die Augen langsam. „Willst du vielleicht jetzt etwas trinken?" fragte ich ihn ein bisschen genervt, weil er plötzlich wieder einzuschlafen drohte. Sean nickte und guckte mich dankbar an. „Ja, das wäre jetzt echt toll." „Was denn?" wollte ich wissen. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, ein wenig Abstand zu ihm zu gewinnen, mir ein bisschen Zeit zu verschaffen. Seine so offene Verzweiflung war mir näher gegangen, als mir lieb war. „Bitte bring mir eine Cola", lächelte Sean und versuchte langsam, mühsam aufzustehen. 

Ich drehte mich herum und verließ die Garderobe. Ich ging durch das Theater zum Foyer, um die Getränke für uns aus dem Kühlschrank hinter der Theke zu holen. Nur die schwache Notbeleuchtung wies mir den Weg. Meine Gedanken überschlugen sich förmlich. Ich sollte jetzt nach Hause gehen, überlegte ich. Sean hat eingesehen, dass er keine Drogen mehr nehmen darf.

Aber dann dachte ich an seine Traurigkeit, seine umfassende Verzweiflung. Und ich fühlte mich schon wieder schuldig. Nicht nur für das, was damals in der Schule mit ihm geschehen war. Ich bekam aus einem unbekannten Grund das dringende Bedürfnis, meine tief empfundene Schuld an Sean Valmont auf irgendeine Art wieder gut zu machen.

Sean

Ich hätte es wissen müssen. Mir hätte klar sein sollen, dass ich mich auf einer Abwärtsspirale befand, und dass, einmal der Verzweiflung nachgegeben, es kein Halten mehr für mich gab. Was auch immer ich tun würde, es konnte nur noch schlimmer werden. 

Den Rest der shore zu nehmen war eine nahe liegende Entscheidung, eine Fluchtmöglichkeit, die sich mir in dieser Situation nahezu aufdrängte. Clay war nicht mehr da, und deshalb war sowieso alles egal. Also nahm ich eben das verdammte Heroin, und zwar alles. Es mag vielleicht noch etwa ein Gramm gewesen sein. Aber noch während ich über der Ablage des Spiegels hing und das bittere Zeug heftig in mich hinein schniefte, bemerkte ich eine unerwartete Bewegung aus den Augenwinkeln. 

Erschrocken fuhr ich herum, und dort stand plötzlich Charlotte Hynde und starrte mich entsetzt an. Die Frau war wie aus dem Nichts aufgetaucht, und ich war mindestens so entsetzt wie sie. Spontan dachte ich: Fuck, das kann doch jetzt echt nicht wahr sein! Wo zum Teufel kommt sie auf einmal her? Sie ist doch schon längst nach Hause gegangen! Was zur Hölle will sie überhaupt noch hier? Fuck, sie kriegt das alles total mit, und ich kann nichts mehr tun, um es vor ihr zu verbergen! Die Frau hat definitiv alles gesehen! 

Als mir diese niederschmetternde Tatsache bewusst wurde, fühlte ich eine riesige Resignation in mir aufsteigen. Charlotte hatte genau gesehen, dass ich harte Drogen nahm, sie registrierte, dass ich geheult hatte und im Elend herum schwamm. Zu spät, dachte ich nur noch, jetzt ist sowieso schon alles viel zu spät! Es gibt keine Chance mehr, diese Katastrophe hier noch abzuwenden. 

Im nächsten Moment fühlte ich auch schon überdeutlich, wie die Droge, die bitter meinen Hals hinab lief, unaufhaltsam mein Gehirn erreichte. Nichts konnte die Wirkung noch aufhalten. Fast im nächsten Augenblick war ich echt voll zugeknallt von der shore. 

Es irritierte mich, dass mir das plötzliche Auftauchen von Charlotte trotzdem noch so viel ausmachte. Das Heroin bewirkte blöderweise diesmal nicht diese total erlösende Gleichgültigkeit, die ich so sehnsüchtig erwartet hatte. Stattdessen wollte ich im Boden versinken vor Scham. Ich war gerade so ein dummes, heulendes Wrack, und die Frau bekam alles mit. Ich schämte mich für meine Schwäche, den feigen Drogenkonsum und den daraus resultierenden, umfassenden Kontrollverlust. 

Das Heroin war stärker als ich, und zwar verflucht viel stärker. Charlotte hatte mich in so einer elenden Verfassung noch nie gesehen, und ich wollte auch nicht, dass sie mich so sah, auf gar keinen Fall! Niemand sollte mich verdammt nochmal so sehen! Ich war davon ausgegangen, dass ich in der Garderobe allein war und den Rest der Nacht allein bleiben würde. Ich wollte verdammt nochmal allein sein und mich ausgiebig im Heroin und meinem Elend wälzen. 

Deshalb konnte ich es kaum ertragen, als Charlie sich, anstatt einfach sofort und diskret wieder zu verschwinden, auch noch aufdringlich neben mich auf den Boden setzte. Warum tut sie das nur, dachte ich echt genervt, warum haut sich nicht einfach ab und lässt mich allein? Ich will sie jetzt nicht sehen, schon gar nicht so nah neben mir, verdammt! Shit! Fuck!

Ich war entsetzt und verwirrt und wusste nicht, wie ich die penetrante Frau dazu bringen konnte zu verschwinden, denn ich wollte sie nicht kränken oder vor den Kopf schlagen. Und außerdem war ich viel zu stoned für irgendwelche charmanten Aktivitäten. Womöglich war es mir auch irgendwie egal. Also ergab ich mich in mein Schicksal.

Wir saßen wohl eine lange Zeit so dort. Das Heroin knallte mich umfassend zu. Ich nickte halbwegs ein, und Charlotte sagte irgendwas zu mir. Sie quatschte anscheinend von unserer Schulzeit und meinem Coming-out, aber ich erinnere mich nicht mehr richtig daran. 

Später kotzte ich in einen Eimer, und die Frau guckte mir auch dabei absolut indiskret zu. Sie war total lästig und wollte einfach nicht verschwinden. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, ich könnte ihren vorwurfsvollen Blick nicht länger ertragen. Obwohl die shore mein Gehirn behaglich vernebelte. Obwohl meine Gedanken eigentlich nur noch verschwommen und sanft waren. Obwohl sogar das heftige Kotzen mega angenehm war und die beruhigende Wirkung der shore noch zu verstärken schien. 

Aber Charlotte Hynde war viel zu nah bei mir, dort in der Garderobe. Sie beobachtete mich die ganze Zeit viel zu neugierig. Sie war merkbar zu stark erschüttert von dem, was sie sah. Ich dachte deprimiert, jetzt ist es vorbei, jetzt wird sie dich endgültig in den Arsch treten. Aber ich wollte sie auf keinen Fall verlieren. Ich brauchte diese Frau doch so dringend für meine Performance. Psychotic Kühlschrank funktionierte wahrhaftig nicht ohne sie. 

Später war ich wirklich überrascht, als Charlie sich irgendwie umgänglich zeigte. Damit hatte ich ehrlich nicht gerechnet. Sie versuchte sogar, mich zu trösten. Sie behauptete hartnäckig, dass ich mutig genug wäre, um mit allem fertig zu werden. Das glaubte ich ihr nur zu gern. Dieser Gedanke gefiel mir, auch wenn ich mich im Moment ganz anders fühlte. 

Ich hatte einen verdammt bitteren Geschmack im Hals, und die shore wollte mich eigentlich nur noch weg nicken lassen. Ich wollte mich die ganze Zeit nur noch hinlegen. Mich hier auf den harten Boden in dieser Garderobe legen und die Augen schließen. Nur noch die mega geile Wirkung genießen und überhaupt nichts mehr denken. Aber Charlotte Hynde studierte mich immerzu. Sie war pausenlos so wach und aufmerksam, viel zu interessiert an meinem Elend. Die Frau erinnerte mich hartnäckig an eine dunkle Vergangenheit, an die ich echt nicht erinnert werden wollte. Schon gar nicht wollte ich mit ihr darüber reden.

Deshalb war ich auch total erleichtert, als sie irgendwann endlich ging, um uns etwas zu trinken zu holen. Mein Hals war ganz trocken und total bitter. Die einsetzende Stille tat mir gut. Als sie die Garderobe verließ, fühlte ich mich sofort wie befreit. 

Ich stand schwankend auf und ging zum Waschbecken. Ich starrte mich eine Weile im Spiegel an. Mein Aussehen gefiel mir nicht, und bekam das immens starke Bedürfnis, den blöden Spiegel auf der Stelle mit einem gut platzierten Faustschlag kaputtzuschlagen. 

Aber dann kriegte ich mich zum Glück wieder ein, drehte den Wasserhahn auf und wusch mein Gesicht. Gierig trank ich einige Schlucke Wasser, spuckte und spülte mir das Maul aus. Ich drehte mich träge herum und sah den vollgekotzten Eimer auf dem Boden stehen, der nicht besonders gut roch. 

Genervt nahm ich ihn und torkelte den Gang entlang zu den Toiletten. Alles drehte sich irgendwie, ich hatte Mühe damit, mein Gleichgewicht zu wahren. Zum Glück hast du wenigstens heute noch nicht allzu viel gegessen, dachte ich einen Moment lang. Dann war es mir plötzlich völlig egal. Ich betrat die Herrentoilette und kippte den Inhalt des Eimers ins Klo. Danach pisste ich mühsam. Dann spülte ich den Eimer am Waschbecken mit Wasser aus. Ich wusch mir die Hände und schaute mich nochmal lange im Spiegel an.

Clay

Sie war zu neugierig, echt mega indiskret, stellte mir entschieden zu viele Fragen über zu viele unangenehme Themen. Sie redete unentwegt, erzählte mir aber fast nichts über sich selbst. Ich wollte unbedingt, dass sie damit aufhörte. Ich hatte keine Lust mehr auf Fragen, sehnte mich nach Ruhe und nach guten Gefühlen. Mein starkes Bedürfnis nach Nähe, nach ihrer Hand auf meinem Bauch, wurde erneut sehr drängend. 

Und diese seltsame Frau fasste mich auch noch ständig an, sie streichelte wie zufällig meine Schulter und meine Hand, um sich im nächsten Moment wieder zurückzuziehen. Sie knuffte und schlug mich irgendwie in einem merkwürdigen Ringkampf, bei dem wir uns zwar nah kamen, aber irgendwie auch nicht. Sie fragte mich später nach meiner Familie, was ich wirklich absolut nicht ertragen konnte. 

Um das Thema zu wechseln, nahm ich kurzentschlossen, hastig ihre Hand und presste sie verzweifelt gegen meinen Bauch. Ich hielt ihre Hand dort fest und signalisierte ihr mein Anliegen, dass ich genau dort berührt werden wollte. Aber sie verstand mich nicht und zog ihre angenehme, warme Hand energisch, beinahe wütend zurück. Ihr irrationales Verhalten verwirrte mich total. Einerseits wollte sie mich ständig anfassen, aber andererseits wollte sie mir nicht zu nahe kommen. Das konnte ich mir nicht erklären. Ich war konfus, wurde nicht schlau aus ihr, und ging deshalb irritiert in die Küche, um neuen Wein zu holen. 

Ich holte eine neue Flasche von dem teuren Spätburgunder aus dem Weinkühler. Als ich zurück kam, stand sie an meinem Regal und hatte meine uralte Pornokiste geöffnet. Sie schaute sich tatsächlich schwule Pornotitel an, was mich ziemlich amüsierte und auch irgendwie noch mehr verwirrte. Diese Kiste hatte ich schon ewig nicht mehr geöffnet, weil es inzwischen unzählige und bessere Pornos aller Sparten im Internet zu sehen gab. Ich konnte ihr albernes Interesse daran nicht begreifen. Außerdem fühlte ich mich zugeknallt von der shore und war ein wenig beduselt von meinem guten Rotwein. 

Jill war auf einmal merkbar aufgeregt und wollte unbedingt diesen Film mit mir zusammen anschauen, was ich sofort für eine extrem blöde Idee hielt. Ich konnte nicht abschätzen, wie sie darauf reagieren würde, was sie überhaupt mit diesem merkwürdigen Wunsch bezweckte. Aber mir war sofort klar, dass ich mich nicht würde zurückhalten können, wenn die Jungs auf dem Bildschirm erst mal richtig loslegten. 

Ich warnte die Frau sogar davor, aber sie verstand auch diesmal gar nichts und bestand ziemlich arrogant darauf, den Scheiß Film einzulegen. Sie betonte wahrhaftig, Gast und damit König in meinem Haus zu sein. Ich wollte nicht unhöflich zu ihr sein. Also gehorchte ich ihr mit schwerem Herzen. 

Vielleicht war es mir auch im Grunde scheißegal. Ich hatte sowieso längst keinen Plan mehr, was die Frau eigentlich von mir erwartete. Womöglich hoffte ich auch insgeheim, dass sich aus dem gemeinsamen Pornogucken doch noch mehr entwickeln könnte, dass der Film sie aufgeilen würde, und sie mich dann endlich richtig an sich heranließ. Erst einmal zwang ich mich aber nervös, ihr nicht zu nahe zu kommen, denn ich wollte sie nicht mit irgendwas erschrecken. 

Dann saß ich am Rand der Couch, sie in der anderen Ecke, und wir schauten uns tatsächlich gemeinsam die geilen Fickjungs auf dem großen Bildschirm an. Es dauerte nicht mal eine Minute, bis ich ganz automatisch eine dicke Erektion bekam. Das hätte ich gar nicht verhindern können, und ich wollte es auch nicht verhindern. Es fühlte sich nämlich gut an.

Selbstverständlich versuchte ich mit der Zeit, mich irgendwie sachte zu befriedigen, aber nicht zu viel und nicht zu schnell. Einfach nur ein wenig. Das passierte ganz automatisch, gehörte für mich zum Porno dazu, und ich dachte nicht eine einzige Sekunde darüber nach. Es war mir im Grunde ziemlich egal, wie die Frau nun mit dem Film umging. Sie würde sich schon noch melden, falls sie irgendwas von mir wollte, dachte ich mir träge. Insgeheim hoffte ich wohl, dass sie sich auf eine sexy Art melden würde. 

Aber dann reagierte sie völlig anders, als ich es mir je hätte vorstellen können. Mit so viel herabschauender Arroganz hatte ich wahrhaftig nicht gerechnet. Das war wie ein Schlag vor meinen zugeknallten Kopf. Jill fragte mich unvermittelt mit hässlicher Stimme, ob ich onanieren würde, dabei konnte man das, was ich verstohlen tat, wohl kaum so nennen. Die Frau war auf einmal voller Spott und Hohn, amüsierte sich merkbar gehässig auf meine Kosten, und das fand ich total zum Kotzen. Offenbar hatte sie mich mit ihrem blöden Wunsch, diesen verdammten alten Film zu gucken, in eine hinterhältige Falle gelockt! 

Mit zusammengebissenen Zähnen erklärte ich ihr so ruhig wie möglich, wofür Pornos eigentlich gedreht wurden, aber Jill lachte mich nur aus mit ihren höhnisch funkelnden, schmalen Augen, mit ihrem spöttischen Grinsen in ihrem entschieden zu speckigen Gesicht. Ich fand es absolut unerträglich, als sie mich schließlich sogar eiskalt dazu aufforderte, vor ihren Augen zu wichsen. Angeblich interessierte sie das. 

Normalerweise bin ich gern bereit dazu, denn viele Frauen mögen es sehr, mir dabei zuzusehen, wenn ich es mir selbst mache. Aber ich tue das mit Sicherheit nicht, wenn die Frau dabei kein bisschen erregt ist, wenn ich ihr ganz offensichtlich nur zur Belustigung, als lächerliches Studienobjekt dienen soll. 

Jill war natürlich von dem Film überhaupt nicht aufgegeilt worden. Ich aber irgendwie schon, mein Schwanz drückte in meiner Jeans, sie lachte mich mit ihren dunklen, viel zu weit auseinander stehenden Augen aus, und deshalb konnte ich es schließlich in meinem Wohnzimmer nicht mehr aushalten. Ich konnte ihre undurchsichtige Verschlagenheit nicht länger ertragen. Instinktiv flüchtete ich vor der Frau ins Badezimmer und holte auf der Stelle den angefangenen zweieinhalb Gramm Beutel aus dem Schaltkasten des Whirlpools. 

Dann saß ich auf dem Boden, guckte mir sehnsüchtig das Heroin an und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, alles auf einmal zu nehmen, jetzt, sofort. Es ärgerte mich, dass ich keine gun mehr hatte, mit der ich mir das Heroin hätte spritzen können. Ich zweifelte zugedröhnt daran, dass ich die gewünschte Wirkung, den totalen Blackout würde erzielen können, wenn ich es nur rauchte. 

Aber dann verwarf ich meine Überlegungen wieder, denn ich hatte zum Rauchen ohnehin keine Alternative. Und diese Tatsache hat mir aller Wahrscheinlichkeit nach in dieser Situation das Leben gerettet, denn sonst wäre ich womöglich an einer Überdosis gestorben. Ich war ganz schön geil, dort, allein in meinem Badezimmer, aber ich hatte keine Lust, mir einen runter zu holen. Also fing ich einfach damit an, Chinesen zu rauchen, echt gierig und hastig, mit trockenem Maul und rauer Kehle.

Jill

Clay flüchtete vor mir in sein Badezimmer, weil ich ihn anscheinend zu stark gekränkt hatte. Ich konnte überhaupt nicht verstehen, womit ich ihn so verletzt haben konnte. Immerhin hatte er mich doch selbst gefragt, ob ich ihm bei seiner Selbstbefriedigung zusehen wollte. Bisher hatte er seine Sexualität doch sehr offen gezeigt, ganz ohne jede Peinlichkeit. Aber jetzt war er wohl aus irgendeinem Grund böse auf mich. Ich konnte mir das nicht erklären und dachte eine lange Zeit über meine Fehler nach, während ich mir den Pornofilm weiter ansah. Schließlich wurde es mir zu dumm, und ich schaltete den Blu-ray-Player und den Fernseher aus. Dann suchte ich die richtige Fernbedienung für den Verstärker und schaltete ihn ebenfalls ab. Ich war erleichtert, als das laute Gestöhne der Männer aus dem Film endlich verstummte. 

Nachdem ich mir eine Weile Vorwürfe gemacht hatte, fing ich an zu überlegen, wie ich diese Nacht vielleicht doch noch retten konnte. Mir war klar, dass Clay Banton als Informationsquelle ausfallen würde, sobald er zu viel von seiner harten Droge konsumiert hatte. Und das war mit Sicherheit nur noch eine Frage der Zeit. Ich konnte mir denken, dass er in diesem Moment in seinem Badezimmer saß und Heroin nahm. Und selbst wenn er später noch ansprechbar war, würde er mir höchstwahrscheinlich keine Fragen mehr beantworten. Ich hatte ihn irgendwie verletzt und verärgert. Er vertraute mir jetzt bestimmt nicht mehr. Er ist genau wie ein kleines Kind, dachte ich verwundert, dieser Mann ist kinderleicht zu begeistern und zu beleidigen. Man muss bei ihm ständig auf der Hut sein, um keinen Fehler zu machen. Fieberhaft überlegte ich, was ich nun tun konnte. 

Irgendwann fing ich einfach mit dem Nächstliegendsten an, indem ich mir Clays Wohnung vornahm. Ich ging herum und sah mir alles genau an. Besonders interessierten mich immer noch seine Regale mit den Büchern, CDs und Blu-rays. 

Unter den Büchern fand ich sehr viele Fachbücher über Malerei, Grafik, Theater, Musik, Gitarren, Tanz und Computerkram, aber auch viele Romane und sogar Gedichtbände, was mich wirklich erstaunte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ein Mann wie Clay Banton die Klassiker der Weltliteratur auch gelesen hatte, die hier in seinem Regal standen. So wie ich ihn inzwischen einschätzte, konnte er mit Frauenromanen wie Stolz und Vorurteil oder Sturmhöhe doch überhaupt nichts anfangen! 

Neugierig nahm ich einige Bände heraus und blätterte darin. Die Bücher wirkten gänzlich unbenutzt. Nein, er hatte sie mit Sicherheit nicht gelesen! Ich fand eine Widmung auf der ersten Seite von Gefährliche Liebschaften: „Zum 30. Geburtstag von Deiner Liz". Aha, Clay war also über 30 Jahre alt, obwohl dieser Geburtstag noch nicht lange her sein konnte, schätzte ich. Wer war diese Frau? Und warum schenkte sie ihm ausgerechnet dieses Buch? Ich beschloss, Clay bei nächster Gelegenheit danach zu fragen. 

Meine Augen wanderten weiter über die unzähligen Regalreihen. Mit den Blu-rays konnte ich nicht allzu viel anfangen. Den Titelbildern nach zu urteilen waren es anscheinend überwiegend Horror- und Action-Filme. Die Musik auf den CDs war mir größtenteils unbekannt. Ein Independent-Fan, dachte ich, er steht schon mal nicht auf Mainstream. Und er hatte außer den buntgemischten Pornofilmen, die ich gut sortiert noch in mehreren Kisten fand, keine wirklichen Vorlieben, denn in seinen Regalen war beinahe alles vertreten. Sogar seine PC- und Konsolenspiele waren bunt gemischt. Neben brutalen Ego-Schootern standen dort bunte Jump And Runs. 

Ich ging weiter herum und betrachtete seine teuren Elektrogeräte, die so gar nicht zu seinem Heroinkonsum zu passen schienen. Ich fragte mich wieder, womit er wohl wirklich so viel Geld verdiente, um sich diesen Luxus leisten zu können. War das denn möglich, dass er nur mit seiner Malerei dies alles bezahlen konnte, wie er behauptet hatte? Verdiente er im Theater so viel? Ich zweifelte daran. 

Der gebogene, extrem riesige LCD-Fernseher war wirklich beeindruckend. Ich sah ihn mir einige Zeit genau an. Hier war überall gewissenhaft geputzt und Staub gewischt worden, fiel mir auf. Ob Clay seine Wohnung wohl selber so sauber hielt? Nein, ganz sicher bezahlte er jemanden dafür! Ich schaute mir noch seine wertvollen Gitarren an, danach verließ ich das Wohnzimmer und ging erwartungsvoll den dunklen Gang entlang zur Küche. 

Ich schaltete das Licht ein und staunte eine lange Weile. Die große Küche war ebenfalls blitzsauber und glänzte in chrom, schwarz, grau und weiß. Allein dieser übergroße Kühlschrank mit LCD-Display und Eiswürfelspender kostet weit mehr als mein Monatsgehalt, staunte ich. Warum kauft er sich so eine wertvolle Küche, wenn er sie offenbar so gut wie nie benutzt, fragte ich mich sogleich. Warum dieser riesige Kühlschrank, wenn er fast leer steht? 

Es gab nur einige Flaschen Cola, viel Whiskey, viel Wasser und einige Gemüse- und Fruchtsäfte, aber kaum andere Lebensmittel. Ich warf einen Blick in seine aufgeräumten Schränke und fand auch dort nur wenig Essbares. Clay legte keine Vorräte an, das stand fest. In seiner Tiefkühltruhe lagen einige Pizzen und gefrorene Fertiggerichte für die Mikrowelle. Kochen gehörte also nicht zu seinen Stärken. 

Dafür nannte er aber einen gut gefüllten Weinkühler, eine teure Mikrowelle und eine extravagante Kaffeemaschine sein Eigen. Auf der Anrichte stand ein digitaler Anrufbeantworter, der grell rot blinkte. Clay hatte seine Nachrichten offenbar noch nicht abgehört. Und es waren dreiundzwanzig, wie ich verwundert an der blinkenden Zahl ablas. Neugierig stellte ich das Gerät auf Wiedergabe. Ungehaltene Stimmen forderten Clay auf, endlich mit seiner Arbeit fertig zu werden, Entwürfe abzuliefern und Termine einzuhalten. Es war zwölf mal dieselbe männliche Stimme, zunehmend verärgert und immer um Rückruf bittend. Einige weibliche Stimmen forderten eine baldige Vorlage von Entwürfen, Vorschlägen oder fertigen Zeichnungen. 

Eindeutig ging es um Clays Arbeit, um Dinge, die er erledigen sollte und nicht tat. Anscheinend war er selbstständig und arbeitete für mehrere Arbeitgeber. Er wird seine Jobs verlieren, wenn er so weiter macht, dachte ich besorgt. Dieser Idiot hat seine wichtigen Nachrichten ja noch nicht einmal abgehört! 

Ich schaltete das Licht in der Küche wieder aus und öffnete die Tür direkt daneben. Im Schein der Lampe erkannte ich sein Schlafzimmer. Das große Wasserbett war nicht gemacht, die aufgeräumten Schränke standen offen. Gegenüber dem Bett stand ein weiterer LCD-Fernseher. Auf seinem Nachttisch lag zugeklappt ein teures Notebook, ein Tablet und ein iPod in einem Gewirr aus Kabeln. Auf dem Teppichboden lagen Kleidungsstücke, Zeitschriften, leere Pizzaschachteln und Getränkeflaschen herum. In einer seiner Nachttischschubladen fand ich Papiertaschentücher und unzählige Kondompackungen aller Sorten. Offensichtlich benutzt dieser Mann sein Schlafzimmer viel öfter als seine Küche, stellte ich mit einem Grinsen fest, anscheinend hat Clay Banton ein ziemlich reges Sexualleben. 

Ungeniert untersuchte ich seine weichen Bettlaken und fand tatsächlich eingetrocknetes Sperma. Eine Weile amüsierte es mich ziemlich, mir Clay beim Masturbieren in seinem Bett vorzustellen, bis dieses erotische Bild plötzlich, wie von alleine, damit anfing mich zu erregen. Schnell, irritiert schob ich diesen intimen Gedanken von mir weg. Ich guckte mich noch ein wenig im Schlafzimmer um, blätterte Musikzeitschriften, Kunstzeitschriften und diverse Erotikmagazine durch. Dann verließ ich das Zimmer und schaltete das Licht aus. Neugierig ging ich eine schmale Treppe hinauf. 

Oben fand ich zu meiner Überraschung sein Arbeitszimmer. Durch riesige Fenster an der schrägen Decke konnte ich den dunklen Himmel, den Mond und die Sterne sehen. Einige Zeit ließ ich diese schöne Aussicht auf mich wirken. 

Dann schaltete ich das Licht ein. Das Zimmer war tatsächlich ein richtiges Atelier mit großem Schreibtisch samt Computern und Multifunktionsgeräten. Es gab mehrere altmodische Staffeleien, aber auch digitale Zeichenbretter und viele Zeichenwerkzeuge. An der Wand lehnten mehrere Holzrahmen und leere Leinwände in allen Größen. Unzählige Papiere, Fachbücher, Farben, Pinsel und Stifte lagen auf dem Boden herum. 

Wie überall in der Wohnung gab es auch hier viele selbst gemalte Bilder. Und auch hier waren die Wände voller Gemälde, die ich oft nicht zu entschlüsseln vermochte, die mich aber auf eine direkte Art ansprachen. Ich kramte eine Weile in seinen Entwürfen und fragte mich erstaunt, warum ein so dummer Charakter wie Clay Banton, der auch noch heroinabhängig war, so kreativ und begabt sein konnte.

Charlotte

Ich saß schon einige Zeit auf dem Sofa in der Garderobe und trank aus einer Flasche Seven Up, als Sean zurückkam. Ich war überrascht über sein Auftauchen, denn ich hatte schon damit gerechnet, dass er vielleicht nach Hause gegangen war. In seinem deprimierten und zugeknallten Zustand hätte es mich nicht gewundert, wenn er einfach gegangen wäre, ohne sich von mir zu verabschieden. 

Aber er kam zurück aus Richtung der Toiletten. Er hatte sich das Gesicht gewaschen und sah nicht mehr so extrem verheult aus. Er stellte beschämt den ausgeleerten Eimer unter das Waschbecken und lächelte mich unsicher an. Ganz plötzlich freute ich mich, ihn zu sehen. Ich war irritiert darüber, wie sehr es mich freute, dass er noch nicht gegangen war. 

„Hier, setz dich zu mir, Sean!" forderte ich ihn auf. Ich hielt ihm seine Flasche Cola hin, die ich für ihn geholt hatte, und klopfte mit der anderen Hand neben mich auf das Sofa. Sean bewegte sich langsam, beinahe zögernd auf mich zu, nahm die Flasche entgegen und betrachtete das Sofa, das seltsamerweise auf einer Hälfte ziemlich nass war. Schließlich setzte er sich neben mich auf die trockene Seite. „Danke, das ist echt toll", sagte er leise und trank gierig. 

Dann saßen wir eine Weile schweigend dicht nebeneinander und ich überlegte fieberhaft, wie ich dieses Gespräch beginnen sollte. „Möchtest du mir sagen, was dich so deprimiert hat?" fragte ich ihn schließlich vorsichtig. Ich drehte mich zu ihm hin und beobachtete seine Reaktion. Er schloss abwehrend die Augen und rieb sich nervös über die Stirn und das Gesicht. 

„Ich hatte das Gefühl...", fing er nach einer Weile leise an und brach dann wieder ab. Ich wartete und betrachtete ihn mit wachsender Rührung. Sean hatte offensichtlich Mühe damit, mir sein Herz auszuschütten. Er suchte erfolglos nach den richtigen Worten. 

„War es wegen der missglückten Aufführung heute? Wegen diesem Angriff auf Clay?" half ich ihm nach einiger Zeit weiter. Er öffnete die Augen und guckte mich verwirrt an. Die schwarzen Pupillen in seinen hellblauen Augen waren winzig klein. „Ich weiß nicht... kann sein...", wich er unschlüssig aus und starrte hilflos auf den Boden. Er war vom Heroin so zugeknallt, dass er kaum seine Augen offen halten konnte. 

Das passt doch gar nicht zu ihm, dachte ich verärgert. Sean Valmont ist überhaupt nicht der Typ für sinnlose Grübeleien. Er weiß doch sonst immer ganz genau, wo es lang geht. Es ärgerte mich plötzlich, dass dieser sonst so starke Mann sich einfach hängen ließ, und anscheinend den Grund dafür selbst nicht kannte. 

„Mann, Sean, was ist denn schon passiert?!" fuhr ich ihn ungeduldig an, „Jemand hat Steine auf Clay geworfen, deshalb mussten wir die Vorstellung abbrechen. Ob an den Vorwürfen gegen Clay etwas dran ist, das werden wir schon noch herausfinden." Sean sah mich an, als wollte er widersprechen. Offenbar überraschte meine plötzliche Verärgerung ihn. 

Aber bevor er etwas erwidern konnte, redete ich mir meine Wut einfach weiter aus dem Bauch. „Zufällig saß jemand von ArtHouse im Publikum, na gut. Aber der wird bestimmt nichts schreiben, bevor wir nicht am Montag mit ihm gesprochen haben. Worüber machst du dir also solche Sorgen? Du solltest dich stattdessen lieber freuen, dass ArtHouse sich überhaupt für deine Performance interessiert..." „Weil Psychotic Kühlschrank ja eigentlich der totale Schrott ist!" vollendete Sean sarkastisch meinen Satz und zündete sich nervös eine Zigarette an. Herausfordernd betrachtete er mich, schwankend zwischen Kampfbereitschaft und Belustigung. „Seit wann bist du denn so dermaßen selbstmitleidig, Sean?" fragte ich ihn besorgt. Er wich meinem Blick aus und antwortete nicht. Seine Miene verdüsterte sich. Er rauchte tief, trank gierig Cola und stellte die Flasche dann neben sich auf den Boden. „Seit alles den Bach runter geht", flüsterte er schließlich hastig, ohne mich dabei anzusehen. 

Ich fühlte einen eigenartigen Stich im Innern, weil in diesem Satz seine ganze Verzweiflung gebündelt schien. Ich musste mit seiner umfassenden Resignation erst einmal fertig werden. „Mensch, Sean...", sagte ich hilflos und streichelte ihm spontan tröstend über den Kopf, fuhr liebevoll durch seine kurzen blonden Haare, die ganz feucht waren. „So schlimm ist das doch nun wirklich nicht!" versuchte ich ihm verständnislos klar zu machen. 

Er schloss die Augen nochmal und saß eine Weile ganz still. Irgendwie verlegen zog ich meine Hand an seinem Kopf wieder zurück. Sogleich öffnete er seine Augen. „Ich denke, dass wir nicht mehr lange zusammen spielen werden", eröffnete er mir traurig, „Ich denke, dass Psychotic Kühlschrank am Ende ist." „Warum denkst du das, Sean? Wir spielen es doch schon fast ein halbes Jahr! Das ist viel länger, als andere Stücke es schaffen. Du kriegst am Wochenende immer noch mindestens ein halbes Haus voll!" redete ich auf ihn ein. 

Er lächelte über meinen Eifer. „Das stimmt nicht. Und ich kann für den Platz im Theater nicht mehr lange garantieren, Charlotte", erklärte er mir. „Ich kann dich nicht mehr lange beschäftigen", setzte er ganz leise hinzu. Beinahe ängstlich wartete er auf meine Reaktion. Plötzlich wurde mir klar, dass es genau das war, was er am meisten fürchtete. Das ich ihn gelangweilt verlassen und mit seiner Arbeit allein lassen würde. Als mir das bewusst wurde, war ich eine ganze Weile sehr gerührt. Ihm liegt tatsächlich viel an meiner Mitarbeit, dachte ich geschmeichelt. 

Nur langsam dämmerte mir, dass Sean höchstwahrscheinlich schlicht niemand anderen finden würde, der für ihn Theater spielte. Er konnte einem professionellen Schauspieler einfach nichts bieten und bei Weitem nicht genug bezahlen. „Denkst du das wirklich Sean? Denkst du wirklich, ich würde einfach abhauen und euch im Stich lassen?" fragte ich ihn gekränkt, „Denkst du echt, dass ich sofort abhaue, wenn es mal schwierig wird?" „Würdest du das tun?" wollte er sogleich wissen und betrachtete mich so aufmerksam, wie sein betäubter Zustand es ihm ermöglichte.

Ich lächelte ihn an. „Nein, da kann ich dich beruhigen, Sean. Ich habe absolut nicht vor euch zu verlassen, hörst du? Dazu macht mir die Arbeit mit euch zu viel Spaß." Er atmete spontan erleichtert aus und erwiderte mein Lächeln äußerst charmant. „Ich möchte mal wissen, wie du eigentlich auf so was kommst?" erkundigte ich mich verständnislos bei ihm. 

Eine ganze Weile lang sahen wir uns intensiv an, und plötzlich fiel mir auf, was für durchdringend hellblaue Augen Sean Valmont hatte. Und wie hübsch sie leuchten konnten. Und wie winzig die pechschwarzen Punkte in diesem fantastischen Blau waren. Verwirrt brach ich den Blickkontakt ab.

Sean rauchte tief und suchte mühsam nach den richtigen Worten. Es fiel ihm merkbar schwer, sich zu konzentrieren. „Du gehörst eigentlich nicht hier her, Charlie", erklärte er mir endlich träge, „Sieh dich doch mal um." Ich wusste nicht genau, was er damit meinte, und schaute mich verwundert um. Es war die abgerissene Garderobe eines mehr schlecht als recht geführten, privaten Theaters, die ich sah, schmutzig und dämmrig, verraucht und mit unzähligen alten Kippen auf dem staubigen Boden. „Was meinst du damit?" fragte ich Sean unsicher. Er lächelte. „Ich sehe dich eigentlich an einem großen Theater, weißt du? Das Stadttheater ist noch längst nicht dein Niveau, und das Off-Theater schon gar nicht. Du gehörst in ein richtig großes Haus, in ein richtig großes Stück! Du bist viel zu gut für dies hier, Charlie! Du solltest stattdessen lieber Shakespeare spielen!" „Oh, danke schön!" entfuhr es mir spontan. 

Seine Worte schmeichelten mir sehr, und ich fragte mich sofort, ob Sean vielleicht gerade sarkastisch war, und ob er mich damit nur necken wollte. Aber sein bezauberndes Lächeln war ganz offen. Er schien aufrichtig zu sein und meinte sein Kompliment wohl tatsächlich ehrlich. 

Als mir das klar wurde, wandte ich mich verlegen von ihm ab. „Ich bin bei Weitem nicht so gut...", versuchte ich abzuwiegeln. „Doch, das bist du!" beharrte er und griff plötzlich nach meinem Arm. Überrascht wandte ich mich ihm wieder zu. „Du musst unbedingt noch was Besseres finden, Charlotte. Wir werden Psychotic Kühlschrank bald nicht mehr spielen können. Du musst dich unbedingt noch woanders bewerben, als nur am Stadttheater zu bleiben. Ich will nicht, dass du wegen mir beim Off-Theater versauerst", bedrängte er mich unerwartet und hielt dabei meinen Arm fest. 

Irritiert schaute ich ihn an. Seine Augen leuchteten immer noch hellblau. Ich lächelte unsicher. „Du willst mich wohl unbedingt loswerden", sagte ich nervös. Er ließ meinen Arm los und schüttelte energisch seinen Kopf. „Nein, das will ich ganz und gar nicht!" versicherte er mir heftig. Er rauchte nochmal tief und warf die Zigarette dann weg. Er nahm einen Schluck Cola. Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss seufzend die Augen. 

Ich beobachtete ihn. Es wunderte mich, dass Sean sich anscheinend so viele Gedanken um mich machte. Es rührte mich, dass er meine Karriere über seine persönlichen Interessen zu stellen schien. Ich war geschmeichelt, dass er meine Arbeit so gut fand und mich in seinem Stück nicht verlieren wollte. 

Ganz plötzlich war Sean Valmont mir irgendwie sehr nah. Diese Wandlung vollzog sich schlagartig, ohne dass wir uns bewegt hätten. Er saß noch immer neben mir, immer noch ein Stückchen entfernt. Er saß ganz ruhig dort, die Augen geschlossen, als wäre er schon eingeschlafen. Diese hässliche Droge wirkt unerbittlich, registrierte ich geringschätzig. Ob er nur deshalb so aufrichtig zu mir ist? fragte ich mich. 

Ich studierte ihn genau, und abrupt hatte ich das Gefühl, bis tief in seine verwundete Seele schauen zu können. Einen Moment war ich nahezu überwältigt von dieser Erkenntnis. Sean Valmont war vollgepumpt mit Heroin, das war mir sehr wohl bewusst. Aber noch niemals hatte ich einen Mann so verletzlich erlebt. Noch nie hatte ein Mann sich mir so sensibel gezeigt wie Sean an diesem Abend, so besorgt um seine Umwelt. 

Ich sah ihn an und brauchte eine Weile, um mit meiner unerwarteten Zuneigung zu ihm fertig zu werden. Klar, ich war früher in der Schule auch in ihn verliebt gewesen, so wie unzählige andere Mädchen ebenfalls. Aber in Wirklichkeit kannte ich ihn doch kaum, wurde mir bewusst. Ich hatte keine Ahnung, wie sehr wir ihn damals verwundet hatten, wie sensibel er auf alles reagierte. Er wirkte doch immer so stark, als könnte ihm de facto absolut nichts etwas anhaben. 

Mein schlechtes Gewissen meldete sich wieder. Ich bekam das sehr dringende Bedürfnis, Sean helfen zu wollen. Ich wollte auf gar keinen Fall, dass er Heroin nahm, um seinen Schmerz zu betäuben. Ich wollte unbedingt herausfinden, woher sein Schmerz wirklich kam. Und ich hatte den dringenden Verdacht, dass seine offensichtlich unerwiderte Liebe zu Clay Banton nicht unschuldig an seinem Elend war. 

„Wo hast du Clay kennengelernt?" fragte ich ihn kurzentschlossen in die Stille hinein. Die Heftigkeit, mit der er unvermittelt auf diesen Namen reagierte, schien meinen Verdacht sofort zu bestätigen. Sean war inzwischen halbwegs weggenickt. Er lag mit geschlossenen Augen ausgestreckt auf dem Sofa und atmete ganz ruhig. Das Heroin umnebelte ihn extrem. Bei meiner Frage zuckte er jedoch sichtbar zusammen. „Was?!" entfuhr es ihm, noch bevor er die Augen öffnete. 

Im nächsten Moment drehte er sich hastig zu mir und starrte mich alarmiert an. „Was hast du gesagt?" Er schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen, als wollte er die starke Betäubung des Heroins irgendwie aus seinem Verstand kriegen. 

Ich beobachtete ihn, erstaunt über seine unvermutet heftige Reaktion. Ich hatte sogleich das Gefühl, als hätte ich mit der Erwähnung des Namens an eine verborgene Geheimkammer geklopft. Sean war unwillkürlich auf der Hut vor mir. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass seine ungestüme Reaktion auf den Namen Clay mehr über ihn verraten hatte, als ihm lieb war. „Wo hast du Clay kennengelernt?" wiederholte ich meine Frage behutsam. 

Eine lange Zeit musterten wir uns nur. Ich konnte Sean förmlich ansehen, wie es in seinem hübschen Kopf arbeitete. Er überlegte wohl fieberhaft, ob er sich mit mir auf dieses Thema einlassen wollte. Er brauchte einige Zeit, um zu entscheiden, ob er überhaupt dazu bereit war, mir zu antworten. „Wie kommst du denn jetzt darauf? Warum fragst du mich das?" versuchte er nervös, sich irgendwie Zeit zu verschaffen. „Es interessiert mich einfach", spielte ich die Frage herunter. Sean betrachtete mich lauernd. Ich lächelte ihn aufmunternd an. Komm schon, Sean, antworte mir, dachte ich, dein Zögern macht mich nur neugierig. Diese Frage ist doch nun wirklich total harmlos! 

Aber Sean fand die Frage offensichtlich überhaupt nicht harmlos. Er wandte sich von mir ab und starrte unschlüssig auf den Fußboden. Nervös zündete er sich eine neue Zigarette an. Der unangenehme Qualm ging mir langsam auf die Nerven. Trotzdem betrachtete ich ihn geduldig, fasziniert von seinem so offensichtlichen inneren Kampf. 

„Es interessiert dich einfach, wo ich...", flüsterte er fast nach einer Ewigkeit. Dann brach er wieder ab. Der Satz blieb unvollendet. „Was ist denn los? Ist es so ein Geheimnis, wo ihr euch kennengelernt habt?" redete ich schließlich betont munter auf ihn ein. Sean lächelte plötzlich. „Okay, ich erzähl es dir", traf er endlich seine Entscheidung, „Aber du wirst enttäuscht von mir sein." „Warum sollte ich enttäuscht von dir sein?" fragte ich ihn erstaunt. Sean zog an seiner Zigarette und betrachtete mich eine Weile abschätzend. Dann holte er tief Luft. „Nachdem, was du vorhin über mich gesagt hast, muss ich fürchten, dein naives Idealbild von mir zu zerstören", versuchte er zu erklären. Ich konnte ihm nicht folgen. „Was meinst du damit?" Er lächelte verlegen. „Du hast mich mutig genannt, Charlie. Du denkst doch, ich würde mit allem einfach so fertig werden, oder?" half er mir zögernd auf die Sprünge. Ich nickte entschieden. „Ja, da hast du recht, Sean, das ist meine Überzeugung." „Das ist aber gar nicht wahr, Charlotte. Ich kämpfe jeden Tag dafür, um nicht durchzudrehen." 

Sean fixierte jetzt wieder den Fußboden. Es fiel ihm merkbar nicht leicht, sich mir zu öffnen. Sein Vertrauen zu mir schmeichelte mir ungemein, obwohl seine Worte mich innerlich schockierten. Gleichzeitig wurde ich neugierig auf seine Vergangenheit. Aber er zögerte jetzt abermals, starrte verunsichert auf den Boden und rauchte tief. „Ich werde dich nicht verurteilen, Sean. Ganz egal, was du mir erzählst", versicherte ich ihm behutsam und streichelte spontan, voller Zuneigung über seinen Kopf. Er lächelte mich vage amüsiert an. 

Ich zog meinen Arm verlegen zurück. Hoffentlich wird das hier nicht noch schrecklicher, befürchtete ich insgeheim. Hoffentlich erzählt er mir jetzt nicht irgendwelche grausamen Erlebnisse. Sean setzte sich auf und wandte sich mir ganz zu. Er hatte endlich eine Entscheidung getroffen. „Okay, Charlie. Ich erzähle dir, wo ich Clay zum ersten Mal begegnet bin. Es war an der Kunsthochschule. Er spielte Gitarre für einen Studienplatz", sagte er geradeheraus. Er betrachtete mich so aufmerksam, wie das Heroin es ihm noch erlaubte. Er war sichtbar neugierig auf meine Reaktion. 

Ich versuchte, mir meine große Erleichterung und gleichzeitige Überraschung nicht anmerken zu lassen. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. „Clay hat Musik studiert?" fragte ich erstaunt. Ich hatte nicht vermutet, dass Clay Banton überhaupt an der Universität gewesen war, sondern hatte ihn immer für einen halbwegs begabten Amateur gehalten, einen Autodidakten, der sich alles selbst beigebracht hatte. 

Sean lächelte über meine Unwissenheit. „Er hat es jedenfalls versucht. Er hat auch angefangen Malerei zu studieren. Theater und Tanz kam später dazu, weil ich ihn darum gebeten habe. So trafen wir uns in vielen Kursen." „Ist das wahr?" Ich taxierte Sean ungläubig, denn ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Clay ein Allround-Student gewesen war. Das passte absolut nicht zu diesem Mann, so wie ich ihn kannte. Sean bemerkte meine Zweifel. „Clay hat sein Studium später abgebrochen", erklärte er mir, ohne mich aus den Augen zu lassen, und dieses Detail glaubte ich ihm sofort. 

„Aber wir trafen uns weiterhin. Wir haben sehr oft zusammen Drogen genommen", erzählte Sean, der auf einmal gelassen war. Er betrachtete mich eingehend, als würde er den Grad meiner Empörung abschätzen. „Welche Drogen?" wollte ich wissen, sehr darum bemüht, meine eigenen Emotionen zu unterdrücken und ein gleichbleibend ruhiges Interesse zu zeigen. „Alle", sagte Sean knapp. „Heroin?" fragte ich ängstlich. „Mit Vorliebe", war seine kurze Antwort. 

Er guckte mich weiterhin aufmerksam an. Vielleicht erwartete er eine abwehrende Reaktion von mir. Womöglich dachte er, ich würde mich entrüstet von ihm abwenden. Aber das wollte ich gar nicht. Ich war zwar erschüttert über seine Geschichte, aber auch über meine eigene Unwissenheit. Ich hatte nicht im Entferntesten geahnt, dass Sean Valmont so viel Erfahrung mit Drogen aller Art hatte. Ich wusste bisher auch nicht, dass Clay ebenfalls Heroin genommen hatte. 

„Wie hast du dich dabei gefühlt?" fragte ich Sean neugierig. Als er registrierte, dass mich seine Geschichte nicht so stark schockierte wie erwartet, wandte Sean sich von mir ab. Er seufzte schwer. Dieses Thema und der damit verbundene Rückblick an seine erste Begegnung mit Clay Banton überwältigte ihn merkbar. Er brauchte eine Weile, um sich unter Kontrolle zu bekommen. Er hatte offenbar Schwierigkeiten damit, seine emotionalen Gedanken in Worte zu fassen. Ich beobachtete ihn mit wachsender Rührung darüber, wie stark seine Gefühle für Clay offensichtlich waren. Allein die Erinnerung an diese Zeit mit Clay brachte ihn zunehmend aus der Fassung. 

Er saß hilflos neben mir, fixierte den Boden und rauchte nervös. Lange schaute ich ihn nur an. Er verlor sich sichtbar in seinen Gedanken. Die Scheiß Droge betäubte ihn wieder stark. Seine Augen fielen halbwegs zu. 

„Hast du dich sofort in Clay verliebt?" fragte ich ihn nach einer Ewigkeit des Schweigens und rieb leicht über seinen Arm. Sean fuhr so heftig zu mir herum, dass ich ihn erschrocken anstarrte. „Wie könnte ich nicht!?" rief er aufgebracht, „Er ist ein verdammtes Genie auf der Gitarre!" Der Mann war plötzlich im Begriff aufzuspringen. Eine Weile taxierte er mich verwirrt.

Dann wurde ihm auf einmal seine unangebrachte Reaktion bewusst. „Tut mir leid, Charlotte", flüsterte er verunsichert und wich meinem erschrockenen Blick aus, „Ich wollte nicht..." „Schon gut", beschwichtigte ich ihn, obwohl die ungeheure Wucht seiner Gefühle mich nervös machte.

Sean warf seine Zigarette mit Wucht auf den Boden. Er stand auf und torkelte unruhig in der Garderobe hin und her. Ich beobachtete ihn erschrocken. Seine drastische Reaktion verunsicherte und überforderte mich. Ich hatte keine Ahnung, was eigentlich passiert war, was in Sean in diesem Moment vorging. 

„Hör zu, ich..", fing er nach einiger Zeit plötzlich an, blieb stehen und guckte mich hilflos an, „Ich kann nicht..." Er hustete und schnappte nach Luft. „Ich möchte jetzt nicht mit dir über Clay reden!" eröffnete er mir schließlich ernsthaft. Abwartend stand er dort und blickte mich irgendwie gehetzt an. Er war jetzt auf jede Reaktion gefasst. Er rechnete mit meiner Wut oder meinem Unverständnis. Aber so fühlte ich gar nicht. Ich hatte plötzlich wieder Mitleid mit ihm. Denn jetzt wusste ich ganz genau, woher seine Traurigkeit wirklich kam. Ganz offensichtlich war Clay Banton der Grund seiner Depressionen und all seiner emotionalen Probleme. 

Ich überlegte fieberhaft, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Ich wollte Sean auf keinen Fall noch mehr verletzen. Andererseits fand ich zu absoluter Offenheit keine Alternative. Was ich ihm sagen musste, ließ sich nicht in schöne Worte kleiden. 

„Okay, Sean", sagte ich nach einer Weile, „Ist schon gut, du musst mir ja nichts sagen, was du nicht willst." „Ich kann das jetzt nicht, Charlie", flüsterte er kleinlaut. Er wirkte sehr verloren, wie er da vor mir in der Garderobe stand und mich ansah. Ich hatte den Eindruck, er kämpfte tatsächlich mit aufkommenden Tränen. 

Ich stand spontan auf und ging auf ihn zu. Ich lächelte ihn aufmunternd an. „Sean", sagte ich tröstend. Dann schloss ich ihn ganz intuitiv in meine Arme. Zuerst zuckte er verwirrt und nervös vor mir zurück. Doch dann stand er ganz still und ließ sich von mir umarmen. Schließlich erwiderte er zögernd meine Umarmung. Und dann klammerte er sich plötzlich hilfesuchend an mir fest. Ich streichelte beruhigend über seinen Rücken und seinen Kopf. Wir hatten uns auf der Bühne schon oft umarmt, genau wie Psychotic Kühlschrank es uns vorschrieb. Aber dieser Moment war ganz anders. Er folgte keinem Textbuch und war deshalb voller echter Emotionen. Es gab auch keine Zuschauer, was mir überdeutlich bewusst war. 

„Du musst unbedingt damit aufhören, so viel Gefühl in Clay zu investieren!" flüsterte ich beschwörend in Seans Ohr. Er brach sofort in ein verzweifeltes Lachen aus. „Was sagst du da?" kicherte er verwirrt. Seine hellblauen Augen blitzten feucht. Ich guckte ihn ernst an. Sein hübsches Gesicht war ganz dicht vor meinem. Ich war nahezu überwältigt von seiner Offenheit in diesem Moment. Er lieferte sich mir mit seiner Traurigkeit und Hilflosigkeit völlig aus. Er vertraute auf mein Mitgefühl und riskierte damit meinen Spott. 

„Es ist nicht gut für dich, so viel von deiner Kraft an Clay zu verschwenden, hörst du? Du kannst deine starken Energien viel sinnvoller nutzen, Sean! Schreib eine neue Performance! Sie wird bestimmt noch viel besser als Psychotic Kühlschrank, glaube mir! Die Kritiker werden dich mit Lob überschütten!" versuchte ich ihn zu ermutigen. Er kicherte verlegen. „Du bist unglaublich, Charlie. Du denkst tatsächlich immer noch, ich wäre ein Held", stellte er erstaunt fest. 

Dann wurde er ernst und betrachtete mich eine Weile nachdenklich. Ich nahm ihn nochmal in den Arm und drückte ihn an mich. Er war größer als ich und erwiderte meine Umarmung jetzt ganz vorsichtig. Er seufzte an meinem Ohr. Meine freundliche Berührung tat ihm gut und vermochte ihn tatsächlich zu trösten, wie ich erleichtert und gerührt feststellte. 

Im nächsten Moment spürte ich irritiert, wie stark seine unmittelbare Nähe auf mich zu wirken begann. „Du hast Recht, Charlie", flüsterte Sean ganz leise an meinem Ohr, „Ich sollte nicht mehr jede Minute an Clay denken." „Das schaffst du ganz bestimmt, Sean", versicherte ich ihm. Ich zwang mich krampfhaft, mir meine Irritation, mein Entsetzen, meine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Ich hatte wirklich nicht vermutet, dass Sean jede Minute an Clay dachte!

Jill

Viel später hatte ich mich an Herrn Bantons riesiger Wohnung satt gesehen. Ich hatte neugierig alles genau studiert. All seine teils recht merkwürdigen Gemälde und Zeichnungen und seine verschiedenen Gitarren. Sogar seine Steuerunterlagen hatte ich durchgeblättert, die Kontoauszüge mit den unregelmäßigen, aber oft nicht geringen Buchungen. Es wunderte mich, dass Clay offenbar nicht besonders viel Geld gespart hatte. Ich schaute mir seinen teuren Technikkram an, die Computerspiele, CDs und Filme. 

Vergeblich hatte ich nach so etwas wie einem Tagebuch gesucht. Seine PCs waren alle passwortgeschützt, aber Clay schien sich sowieso ausschließlich durch seine Malerei auszudrücken. Das Intimste von ihm waren wohl die Kondome, die vielen Pornos, Gemälde mit sexuellem Inhalt oder seine Bankunterlagen, vielleicht auch einige Werkverträge mit Musiklabels und Werbeagenturen, die ich fand. 

Ich hatte seine Wohnung einschließlich aller Schränke so gründlich auf den Kopf gestellt, dass ich mir nun sicher war, all seine Sachen gesehen zu haben. Es gab hier absolut nichts mehr, was er vor mir verbarg. Einen Safe konnte ich nicht finden, auch hätte ich die Kombination zum Öffnen ja sowieso nicht gewusst. 

Eine Weile stand ich im dunklen Flur und dachte darüber nach, was ich jetzt tun sollte. Ich überlegte schon, wie ich von hier aus nach Hause kommen konnte. Wir waren sehr weit außerhalb der Stadt, ich musste mir wohl ein Taxi rufen. Aber dann fiel mir plötzlich ein, dass ich Clays Badezimmer noch nicht gesehen hatte, in dem der Mann sich noch immer aufhielt. Jetzt reicht es aber langsam, mein Freund, dachte ich ungeduldig. Jetzt bist du schon eine halbe Ewigkeit da drin! Das ist total unhöflich von dir! Und so etwas passt doch gar nicht zu dir, wo du doch der perfekte Gentleman sein kannst! Ich ging davon aus, dass Clay Banton sich inzwischen wieder beruhigt hatte und nicht mehr böse auf mich war. 

Neugierig ging ich auf die geschlossene Tür zu und lauschte. Drinnen konnte ich Clay leise husten hören. Er rauchte wohl tatsächlich immer noch sein blödes Heroin! Spontan verärgert darüber riss ich, ohne länger zu zögern oder vorher anzuklopfen, die Tür auf. 

Das Zimmer war von einer kunstvoll geschwungenen Neonröhre am Spiegelschrank über dem Waschbecken hell erleuchtet. Ich stand in der Tür und ließ den Raum erst mal auf mich wirken. Einen Moment war ich von der unmittelbaren Schönheit dieses Badezimmers nahezu überwältigt. Es war anscheinend ganz aus Marmor, in hellgrün, grau und weiß. Ein wunderschöner Whirlpool, den man über zwei Stufen erreichen konnte, dominierte die Mitte des Raumes. Er schien blitzsauber zu sein, leuchtete förmlich. Die Armaturen glänzten tatsächlich golden. 

Das einzige, was absolut nicht in die Ästhetik dieses Raumes passte, war Clay Banton. Er saß auf dem Boden, gegen die Stufen seines großen Pools gelehnt. Um ihn herum lagen seine sämtlichen Rauchutensilien: Alufolie, Feuerzeug, kleines Messer, Heroin in einem gefalteten Stück Papier. Er hatte ein zu einem Rohr zusammengerolltes Stück Papier im Mund, das er nun beschämt und irgendwie erschrocken herausnahm und neben sich ablegte. „Jill", stellte er nur mäßig überrascht fest. Ich merkte ihm seinen Zustand sofort an. Er war so betäubt, dass er kaum noch die Augen offen halten konnte. Offensichtlich hatte er die letzte halbe Stunde damit verbracht, ununterbrochen Heroin zu rauchen. 

„Hallo Clay", sagte ich ziemlich genervt, ging schnurstracks zum Fenster und riss es weit auf, denn das Badezimmer war voller bitterem Qualm, der in meinen Augen brannte. Der Mann beobachtete mich träge. „Ich wollte wirklich nicht, dass du das siehst", informierte er mich leise und fing verlegen an, seine Utensilien zusammenzupacken und sie in einem Beutel zu verstauen. 

Ich ließ mich dicht vor ihm auf den blitzblanken Boden sinken. Die Kacheln waren angenehm warm, offenbar verfügte er über eine Fußbodenheizung. „Dass ich was sehe?" fauchte ich ihn unfreundlich an. Er lächelte hilflos und wich meinem strengen Blick aus. „Na, dieses Elend hier", meinte er lahm, beugte sich zum Schaltkasten seines Whirlpools und legte den Beutel mit dem Heroin hinein. Dann griff er nach seinen Zigaretten und zündete sich eine an. Na toll, dachte ich verärgert, als wäre dieses schöne Zimmer nicht schon längst genug voll gequalmt! 

Clays Bewegungen waren fahrig und langsam, als würde er jeden Moment einschlafen. „Warum tust du es dann?" wollte ich von ihm wissen. Er betrachtete mich eine Weile lächelnd. „Ich habe keine Ahnung", antwortete er schließlich ratlos. „Was für eine Scheiß Einstellung!" fuhr ich ihn an, „Du zerstörst dich also nur einfach so?!" Er hörte nicht auf zu lächeln, schüttelte den Kopf und schwieg. Seine Pupillen waren winzig, ich konnte sie in seinen dunklen Augen kaum ausmachen. Seufzend setzte ich mich neben ihn und lehnte mich gegen den Whirlpool. Ich achtete darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen. Er beobachtete mich reglos. 

„Wer putzt eigentlich hier so gründlich und räumt deine Wohnung so gut auf?" fragte ich ihn geradeheraus. Er kicherte belustigt. „Hast du dir alles angesehen?" wollte er wissen, ohne darüber verärgert zu sein. Überhaupt schien er seine Wut auf mich inzwischen tatsächlich vergessen zu haben, was mich insgeheim erleichterte. „Beantworte bitte einfach meine Frage!" erwiderte ich ungehalten. 

Sein betäubter Zustand ging mir auf die Nerven. Der Qualm im Zimmer roch unangenehm und brannte in meinen Augen. Nur langsam kam durch das offene Fenster frische, kühle Nachtluft herein. „Wer putzt hier für dich, Clay?" wiederholte ich lauthals. Er grinste. „Wie kommst du denn darauf, dass ich das nicht selbst mache? Weil ich so ein großer Künstler bin?" rief er amüsiert und lachte. „Du bist höchstens ein kaputter Junkie!" erwiderte ich spontan abfällig, was mir gleich darauf auch schon leid tat, denn Clay war offensichtlich verletzt. Sein Lachen starb auf der Stelle. Er wandte sich von mir ab, zog an seiner Zigarette und schwieg. „Tut mir leid", versicherte ich ihm. Er schüttelte den Kopf. „Nein, das ist schon okay. Du hast ja wohl irgendwie recht." Er rauchte schweigend und hustend. 

Dann stand er plötzlich mühsam auf und wankte zum Waschbecken. Er warf seine Zigarette hinein und drehte den Wasserhahn auf. Gierig trank er Wasser in großen Schlucken, wusch sich das Gesicht und den Mund aus. Dann drehte er den Hahn wieder zu und wandte sich zu mir um. Unschlüssig abwartend stand er gegen das Waschbecken gelehnt und betrachtete mich ratlos.

„Tut mir leid, dass du so lange warten musstest", sagte er leise. Ich lächelte gerührt. „Komm her, Clay!" forderte ich ihn auf und deutete einladend neben mich auf den Boden. „Ich wollte nicht, dass es so läuft", bedauerte er hilflos. „Komm einfach her!" wiederholte ich versöhnlich. Er zögerte einen Moment, dann lächelte er wieder und bewegte sich mit unsicheren Schritten in meine Richtung. 

Langsam ließ er sich neben mir auf den Boden sinken und guckte mich erwartungsvoll an. „Was hast du denn gedacht, wie es läuft?" fragte ich ihn neugierig. Er überlegte sehr lange, was ihm offensichtlich nicht leicht fiel. Sein Kopf war wohl entschieden zu zugedröhnt für schwerwiegende Gedanken. „Ich wollte einfach eine schöne Zeit", flüsterte er beinahe. „Mit dir", setzte er noch hinzu, ohne mich dabei anzusehen. Ich lachte ziemlich spöttisch auf. „Dann hättest du mich nicht mit zu deinem Dealer nehmen sollen, Clay!" zählte ich ihm laut vor, „Dann hättest du kein Heroin rauchen sollen, weißt du?! Und du solltest deine Pornofilme besser verstecken, glaube mir." 

Clay wand sich unbehaglich unter meinen Worten. Schuldbewusst blickte er mich an. „Das war heute ein echter scheiß Tag für mich", informierte er mich schließlich. „Inwiefern?" hakte ich sofort nach, froh darüber, dass er anfing, mir etwas von sich zu erzählen. „Es wurden Steine auf mich geworfen!" erinnerte er mich vorwurfsvoll, „Ich bin geschlagen und beschimpft worden!" „Wer hat dich geschlagen?" fragte ich ihn erschrocken. „Hat Sean dich geschlagen?" wollte ich dann neugierig wissen. Aber Clay schüttelte abwehrend den Kopf und antwortete nicht. Ich war enttäuscht und genervt, dass er sich schon wieder innerlich vor mir zurückzog. 

Eine lange Zeit saßen wir schweigend nebeneinander. Ich überlegte fieberhaft, was ich jetzt noch mit ihm anfangen konnte, wie ich dieser angebrochenen Nacht doch noch etwas Sinnvolles entlocken konnte. Schließlich startete ich einen neuen Versuch. 

„Wer ist Liz?" fragte ich ihn und beobachtete genau seine Reaktion. Seine Augen weiteten sich erstaunt. „Warum fragst du mich das?" erkundigte er sich irritiert. „Liz hat dein Buch signiert, das sie dir zum 30. Geburtstag geschenkt hat: Gefährliche Liebschaften", erklärte ich ihm, worauf er anfing zu lachen. „Hast du etwa alle meine Bücher aufgeschlagen und gelesen?" kicherte er kopfschüttelnd. „Nicht alle", knurrte ich und wiederholte: „Wer ist sie?" Clay schloss die Augen und murmelte: „Liz hat mir viele Bücher geschenkt. Sie steht auf Bücher." „Und du nicht?" Er schüttelte den Kopf. „Nicht übermäßig." „Also hast du all diese wundervollen Bücher in deinen Regalen gar nicht gelesen?!" fragte ich ihn, aber es war mehr eine Feststellung, und sie hörte sich viel zu vorwurfsvoll an. Clay merkte das, öffnete die Augen und betrachtete mich nachdenklich. Mein Vorwurf gefiel ihm nicht, und eigentlich war er auch gar nicht angebracht, musste ich insgeheim zugeben. 

„Wer ist diese Liz?" wiederholte ich eindringlich, bevor eine peinliche Stille entstehen konnte. Aber Clay war verärgert über meine Hartnäckigkeit, meine Überheblichkeit, seine Augen verengten sich. „Sie ist meine Sexpartnerin!" zischte er mir förmlich entgegen, als wollte er mich damit provozieren, und wandte sich trotzig von mir ab. Irritiert stierte er auf den Boden. Ich beschloss, lieber nicht weiter nachzuhaken, obwohl mich seine Antwort interessierte, denn daraus ergaben sich unzählige neue Fragen. Aber nun musste ich erst einmal aufs Neue aufpassen, dass Clay sich nicht endgültig wütend von mir abwandte.

Eine Weile war es still, während ich ihm Zeit ließ, sich zu beruhigen. Er wurde auch ruhiger, die Droge wirkte merkbar auf ihn. „Erzähl mir etwas von dir, Clay!" bat ich ihn schließlich eindringlich. Der Mann war inzwischen nahezu eingeschlafen. Mühsam öffnete er seine Augen und betrachtete mich vage amüsiert. „Was willst du denn wissen, Jill?" Seine Stimme klang resigniert. 

Ich seufzte und holte Luft. „Wie und wo bist du aufgewachsen, und was hast du erlebt? In welchen Schulen warst du? Wer sind deine Eltern? Wo hast du so gut Gitarre spielen und Zeichnen gelernt? Irgendwas!" drängte ich ihn ungeduldig. Er fing an zu lachen, bis er an meinem Blick merkte, dass ich es ernst meinte. Daraufhin blickte er mich abschätzend an. „Das sind zu viele Fragen auf einmal", bemerkte er verwirrt. „Wo und wie bist du aufgewachsen? Auf Island?" wollte ich spontan von ihm wissen. „Erzähl mir von Island!" forderte ich ihn neugierig auf. Aber er reagierte zu meiner Verwunderung darauf mit einem ziemlich genervten Stöhnen. „Nein... darüber rede ich jetzt nicht!" meinte er anklagend. „Das ist doch schon ewig her!" rief er verärgert. 

Seine ablehnende Reaktion machte mich instinktiv neugierig. Da stimmt doch irgendwas nicht, vermutete ich, er hatte offenbar keine sehr angenehme Kindheit. „Es war nur eine Frage, Clay!" beruhigte ich ihn lächelnd. Er fasste sich wieder und wandte sich stöhnend von mir ab, als ihm klar wurde, wie aufschlussreich seine laute Reaktion für mich gewesen war. „War deine Kindheit auf Island nicht schön?" erkundigte ich mich vorsichtig. Er schüttelte sofort abwehrend den Kopf und antwortete nicht. Überaus nervös zündete er sich noch eine Zigarette an. Er rauchte tief, ohne mich anzusehen. 

Eine ganze Weile war es wieder still. Ich beobachtete ihn von der Seite. Mein großes Interesse an ihm war ungebrochen. Es steigerte sich nur mit seinem Versuch, meinen Fragen auszuweichen. Aber Clay Banton war leider extrem betäubt und drohte einzuschlafen. Es war deshalb nicht wirklich ein Vergnügen, ihm Informationen entlocken zu wollen. 

„Was ist mit Sean? Ist der schwul?" fragte ich Clay und beobachtete erwartungsvoll seine Reaktion. Clay schloss auf der Stelle hilflos die Augen und seufzte tief. Dann guckte er mich wieder an. „Ich bin nicht schwul, Jill. Das habe ich dir doch schon gesagt", ignorierte er meine Frage über Sean. Ich lächelte ihn an. „Aber ich habe dich nach Sean Valmont gefragt!" korrigierte ich ihn. Er seufzte nochmal und schloss abermals die Augen. „Ja, das hast du", gab er mir leise recht. „Jetzt sag schon! Ist dein Bühnenpartner schwul?" fragte ich überaus wissbegierig, denn mir war mal irgendwas darüber zu Ohren gekommen. Außerdem gab es in Psychotic Kühlschrank zweifellos auch eine schwule Geschichte. 

„Das musst du ihn selbst fragen", antwortete Clay mit geschlossenen Augen. Ich stieß ihn leicht gegen die Schulter. „Du weißt das nicht von ihm? Obwohl er dein bester Freund ist und dein Leben gerettet hat?" erkundigte ich mich amüsiert und zweifelnd. Clay stöhnte jetzt laut, meine indiskreten Fragen gingen ihm offenbar auf den Geist. Er bewegte sich fahrig, unbehaglich, öffnete halbwegs die Augen und guckte mich träge an. 

„Ich habe nicht gesagt, dass ich es nicht weiß. Ich rede nur nicht mit dir darüber. Das musst du ihn selbst fragen", wiederholte er abweisend. „Aber Sean Valmont ist doch gar nicht hier!" wandte ich belustigt ein. Dieses Spiel gefiel mir zunehmend. Clays überaus hilflose, abwehrende Art fachte meinen Ehrgeiz an, noch viel mehr von ihm zu erfahren. „Warum spielt das überhaupt eine Rolle, ob jemand schwul ist?" fauchte Clay plötzlich genervt und taxierte mich herausfordernd. Er wirkte jedoch so umfassend zugedröhnt, dass Nichts an ihm bedrohlich war. Ich lachte. „Nein, das spielt keine Rolle", beruhigte ich ihn. Ich hielt seinem Blick stand, bis er sich seufzend abwandte. Ich bin viel stärker als er, stellte ich befriedigt fest. Dieser Mann ist mir in keiner Weise gewachsen. 

Danach war es nochmal eine lange Zeit still. Ich dachte darüber nach, ob ich mich nicht tatsächlich einmal mit diesem Sean Valmont unterhalten sollte. Bestimmt könnte er mir noch eine Menge über Clay verraten. Ursprünglich hatte ich ja sowieso viel lieber mit Sean sprechen wollen. 

„Du bist nicht wirklich ein Fan von mir, was, Jill?!" stellte Clay plötzlich unvermittelt fest. Überrascht schaute ich ihn an. Seine Augen waren halb geschlossen, und doch spiegelte sich in ihnen seine Traurigkeit über diese Erkenntnis. Dass du das auch mal merkst, dachte ich geringschätzig. 

„Warum sagst du das?" wollte ich stattdessen wissen. „Ich bekomme langsam den Eindruck, du fragst mich nur aus", sagte er ruhig und starrte auf seine Hände. Er zog die Knie heran und umschloss sie mit seinen Armen. „Ich frage dich nur, weil ich mich für dich interessiere, Clay! Ich bin sogar ein ganz großer Fan von dir!" versuchte ich seine Zweifel zu zerstreuen. Er legte seinen Kopf auf seine Knie und schloss wieder schützend die Augen. „Ich glaube nicht", seufzte er leise.

Verdammt, der zugedröhnte Mann pennt mir hier tatsächlich weg, stellte ich verärgert fest. Clay Banton schien nun wirklich einzuschlafen. Das starke Heroin tat seine Wirkung gewissenhaft. Ich starrte ihn fassungslos von der Seite an, und meine Wut auf ihn wuchs schnell. Am liebsten hätte ich ihm kaltes Wasser über den Kopf geschüttet, damit er wieder zu sich käme. Fieberhaft dachte ich darüber nach, was ich jetzt tun sollte. Wie um alles in der Welt konnte ich diese Nacht noch retten? 

Clay

Die Frau verwandelte sich mit der Zeit immer mehr in eine Furie, eine Rachegöttin, die mich unentwegt piesackte. Ich war total zugeknallt und saß auf dem Fußboden meines Badezimmers. Ich hatte keine Gedanken mehr im Kopf, nur noch wohlige Wärme. 

Aber Jill hockte dicht neben mir und drang pausenlos in mein Bewusstsein ein. Immer wieder stellte sie mir unnötige, unverschämte, indiskrete Fragen und zwang mich darüber nachzudenken. Ich war verärgert über ihre dreiste Unhöflichkeit, unaufgefordert in mein Bad zu platzen und mich massiv zu stören. Ich wollte viel lieber meine Ruhe haben. Ich wollte einfach weg nicken in diese warme, dunkle Zwischenwelt von Schlaf und Traum, sehnte mich immens nach dem umfassenden Frieden im Shoreland. In dieser Situation wäre ich wahrhaftig viel lieber allein gewesen.

Stattdessen dachte ich nur noch darüber nach, wie ich sie schnellstmöglich loswerden konnte. Ich bereute es, sie mit hierher genommen zu haben und konnte mir meine Beweggründe dafür überhaupt nicht mehr erklären. Ich wünschte mir sehnsüchtig, dass die Frau wenigstens ihre vorlaute Klappe hielt. 

Aber die Furie fragte mich ausgerechnet nach Liz, nach Island und nach Sean, und das berührte mich blöderweise viel mehr, als mir lieb war. Diese Themen machten es mir verdammt schwer, einfach abzuschalten. Ich konnte mich nicht vor ihnen schützen, sie schlugen sofort, gnadenlos in Form von schmerzhaften Erinnerungen, grausam in meine Seele ein. 

Die verfluchte Rachegöttin war außerdem total uninformiert, und das ließ mich daran zweifeln, dass sie wirklich ein Fan war, wie sie behauptet hatte. Sie fragte mich doch tatsächlich, ob Sean schwul wäre. Dabei war Sean Valmont doch schon seit Ewigkeiten offen schwul. Das war nun wahrhaftig kein Geheimnis mehr. Ich konnte ihre Dummheit und Dreistigkeit nicht fassen und dachte zwanghaft darüber nach, wie ich Jill wohl zum Schweigen bringen konnte. Ich zog es träge in Erwägung, eventuell mit ihr zu schlafen. 

Eine Weile betrachtete ich die fremde Frau eingehend von der Seite. Sie ist tatsächlich nicht hübsch, registrierte ich, ihr Gesicht hat einen harten, strengen Zug, sie ist viel zu dick, und sie redet entschieden zu viel blödes Zeug. 

Aber ich würde jetzt trotzdem gerne mit ihr schlafen, überlegte ich, schon allein deshalb, damit sie endlich still wäre. Ich konnte ihr Gequatsche und ihr Verhör nicht länger aushalten. Wenn ich mit ihr schlafe, wird sie unter Garantie verstummen und mich nur noch streicheln, stellte ich mir vor. Sie wird höchstens noch meinen Namen stöhnen. Dieser Gedanke gefiel mir. Vielleicht kann ich es doch noch irgendwie schaffen, sie gefügig zu machen, grübelte ich, extrem schwerfällig im Heroinrausch. Vielleicht musste ich einfach nur mehr von meinem Charme ins Spiel bringen. Meinem Charme konnten schließlich nur die wenigsten Frauen widerstehen, das wusste ich aus Erfahrung.

„Wo ist deine Jacke?" fragte Jill mich plötzlich aufgeregt, als wäre ihr soeben ein ausgezeichneter Gedanke gekommen. Noch ehe ich irgendwie darauf reagieren konnte, hatte sie meine Jacke schon auf dem Boden entdeckt, stand sofort auf und lief zu ihr hin. Ungeniert hob sie sie auf und durchwühlte meine Jackentaschen, bis sie mein Handy gefunden hatte.

„Was...?" versuchte ich verwirrt einzuwenden. „Hast du Seans Nummer?" wollte sie aufgeregt wissen. Mein Herz setzte etliche Schläge aus, und ich fühlte mich schlagartig nüchtern. Ich war so überrumpelt und geschockt, dass ich ihr nicht antworten konnte. „Selbstverständlich hast du die!" beantwortete sie ihre Frage im nächsten Moment selbst und fing frech damit an, auf meinem Handy herum zu tippen. Sie sucht im Speicher nach Seans Eintrag, bemerkte ich alarmiert, sie will tatsächlich Valmont anrufen! 

Ich versuchte hastig, instinktiv entsetzt aufzustehen, aber alles drehte sich irgendwie, denn ich war ziemlich sediert. „Was hast du vor, Jill? Warum willst du Seans Nummer haben?" wollte ich überfordert von ihr wissen. Sie lächelte mich siegessicher an. „Vielleicht kann Herr Valmont mir noch mehr über dich verraten, Clay!" „Der weiß überhaupt nichts über mich!" behauptete ich verärgert. Sie lachte mich laut aus. „Das bezweifle ich aber stark, wo er doch dein bester Freund ist und dein Leben gerettet hat!" 

Unvermindert zielstrebig suchte sie in meinem Handy nach der Nummer. Die Gewissheit, dass sie Sean anrufen würde, verursachte mir plötzlich Schwindel und Übelkeit. Ich fühlte mich auf einmal sehr angeschlagen, ihrer hartnäckigen Entschlossenheit nicht gewachsen. Es war ein großer Fehler, diese Furie mit hierher zu nehmen, merkte ich verzweifelt. Ich hätte sie einfach vor dem Theater stehen lassen sollen, verdammte Scheiße! Schon wieder hatte ich alles falsch gemacht. 

Ich versuchte immer noch aufzustehen, starrte sie dabei an, und die Enttäuschung lähmte mich eine Weile. Dann wurde mein Ärger über meine eigene Blödheit stärker und entwickelte sich ungewollt zu einem richtigen Wutanfall. Mein Herz klopfte jetzt stark, ich atmete schwer. Entschlossen nahm ich all meine Kraft zusammen, um endlich aufzustehen. 

„Warum tust du das, Jill?" wollte ich von ihr wissen, „Warum musst du auf einmal Sean anrufen?" Überrascht schaute sie von meinem Handy auf. „Warum bist du denn überhaupt dagegen?" fragte sie beiläufig. Sie betrachtete mich mitleidig lächelnd. Vielleicht wurde ihr klar, dass meine Beziehung zu Valmont irgendwie kompliziert war. Aber sie ließ sich nichts anmerken und tat so, als würde sie meine Wut nicht bemerken. Sie erwartete auch gar keine Antwort mehr von mir. „Was meinst du, wo Sean gerade ist, Clay? Können wir ihn überhaupt so spät noch stören?" erkundigte sie sich ungerührt und tippte auf meinem Handy herum. 

Offenbar hatte sie seinen Eintrag endlich gefunden. Sie hatte tatsächlich drauf getippt und wartete nun seelenruhig auf die Verbindung. Dabei lächelte sie mich unentwegt erwartungsvoll an. Meine Panik steigerte sich gleichzeitig mit meiner Wut. „Leg sofort auf, Jill!" forderte ich sie drohend auf und ging einen Schritt auf sie zu. Ich taumelte blöderweise ein wenig. „Leg sofort auf, ich will nicht, dass du ihn anrufst!" betonte ich verärgert. 

Sie lachte nur ziemlich amüsiert. Offensichtlich nahm sie mich überhaupt nicht ernst, und das ärgerte mich maßlos. „Warum willst du das nicht, Clay? Das ist doch eine tolle Idee! Sean ist doch dein bester Freund, das hast du mir doch erzählt!" Ihre schmalen Augen in ihrem dicken Gesicht blitzten herausfordernd. 

Schlagartig hatte ich genug von ihr. Ich musste sie jetzt endlich in ihre Schranken weisen und machte zwei weitere Schritte auf sie zu. Ich hatte mir schon genug von ihr gefallen lassen und wollte ihr unbedingt sofort mein Handy wegnehmen. Auf gar keinen Fall wollte ich, dass sie Sean anrief. „Du wirst ihn nicht anrufen!" schrie ich sie wütend an und griff hastig nach meinem Telefon.

Aber Jill Bennet hatte etwas in ihrer anderen Hand, einen fremden Gegenstand, und sie drückte dieses schwarze Ding unerwartet fest in meinen Bauch. Augenblicklich hörte ich ein sehr lautes Klacken und spürte gleichzeitig einen extrem scharfen Schmerz, als meine sämtlichen Muskeln sich schlagartig hart verkrampften. Ich verlor vollends die Kontrolle über mich. Blitzartig wurde alles schwarz vor meinen Augen. Meine Beine knickten einfach unter mir weg. Ich verlor das Bewusstsein innerhalb von Sekunden.

 

Sean

Wir standen in dieser dreckigen Garderobe im Keller des Grenzland-Theaters. Sie war dicht bei mir, und ich klammerte mich förmlich an ihr fest. Es tat mir sehr gut, ihren weichen Körper zu spüren. Es war eine Wohltat, als sie zart meinen Kopf, meinen Hals und meinen Rücken streichelte. Auf diese intime Art hatte ich Charlotte noch nie gespürt. Bisher hatten wir uns ausschließlich auf der Bühne angefasst, weil Psychotic Kühlschrank es uns so vorschrieb. Aber dies hier war etwas völlig anderes, und es gefiel mir. 

Ich versuchte krampfhaft, mich auf ihre angenehme Berührung zu konzentrieren und alle störenden Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Ich war ziemlich zugeknallt vom Heroin, und eigentlich hätte es mir deshalb nicht schwer fallen sollen. Aber es gelang mir dennoch nicht. Ich hielt mich an ihr fest, war dicht an ihren warmen Körper gelehnt. Sie streichelte mich, und ich dachte an Clay. Sie hatte irgendwas über ihn gesagt, und ich bekam den Gedanken an unsere erste Begegnung nicht mehr aus meinem Kopf. 

Ich sah ihn wieder überdeutlich, sitzend auf einem Stuhl, ganz allein auf der Probebühne der Kunsthochschule, beim Vorspielen für einen Studienplatz. Ich war als interessierter, unbeteiligter Zuschauer dort, obwohl das eigentlich gar nicht erlaubt war. 

Clay war ganz ruhig und überhaupt nicht nervös. Seine Gitarre lag auf seinen Oberschenkeln. Er spielte so intensiv Wish you were here von Pink Floyd, wie ich es noch nie vorher erlebt oder gehört hatte. Der Song hörte sich so perfekt an, so gehaltvoll, als würden mehrere Gitarren gleichzeitig gespielt. Seine wunderbare Stimme drang augenblicklich bis tief auf den Grund meiner Seele: How I wish, how I wish you were here. We're just two lost souls swiming in a fish bowl, year after year, running over the same old ground, what have we found, the same old fears, wish you were here. 

Diese Textzeile schlug schlagartig bei mir ein, wie eine Bombe. Ich hatte keine Chance zur Gegenwehr, konnte ihn nur noch paralysiert anstarren. Er spielte dieses Lied ganz allein für mich! Er war eine verlorene Seele, und endlich hatte ich ihn gefunden! 

Clay konnte mich von der Bühne aus sehen, und er bemerkte sofort, wie gebannt ich ihn fixierte. Ich erinnerte mich ganz genau an sein erstes Lächeln für mich. Es war amüsiert, verwundert, neugierig gewesen. Es strahlte bis tief in meine graue Seele und erhellte mich augenblicklich von Grund auf. Nur ein Lied, ein Blick, ein Lächeln. Mein Leben sollte nie wieder so sein, wie zuvor. 

Und seit diesem gewichtigen Moment bekam ich Clay Banton nicht mehr aus meinem Kopf. Ich bekam diesen Mann nie aus meinem Kopf, realisierte ich zunehmend verärgert. „Charlie...", sagte ich leise in ihr Ohr. Sie zischte beruhigend und lächelte mich sanft an. Sie streichelte mein Gesicht. „Du brauchst jetzt nichts zu sagen, Sean", schlug sie mir vor. 

Ich schloss die Augen und lehnte mich an ihre Schulter. Sie streichelte meinen Nacken, und ich versuchte erneut, mich ausschließlich darauf zu konzentrieren. Ihre Berührung gefiel mir ungemein, sie war wie eine warme Welle des Trosts. Ich sollte es mehr genießen, dachte ich verärgert, ich sollte endlich damit aufhören, pausenlos an diesen blöden Wichser zu denken. 

Ich versuchte es ernsthaft, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Ich spürte Charlotte und wünschte mir die ganze Zeit, es wäre Clay, an den ich mich anlehnte. Obwohl die Frau ganz anders roch, kleiner war und sich gänzlich anders anfühlte, als er. Obwohl mir deshalb auch mit geschlossenen Augen vollkommen klar war, dass er es nicht sein konnte. 

Mit aller Macht zwang ich mich nochmal, ihn endlich aus meinem Kopf zu verbannen. Jetzt ist Schluss damit, nahm ich mir verbissen vor, ab sofort werde ich keinen sinnlosen Gedanken mehr an ihn verschwenden. Charlie hat vollkommen Recht! Ich muss unbedingt eine neue Performance schreiben! Ich muss dringend aufhören mit diesem dummen, liebeskranken Mist! Clay weiß das doch überhaupt nicht zu würdigen! Er ist doch völlig unfähig für echte Gefühle! 

Hilfesuchend klammerte ich mich noch fester an die Frau, als könnte sie mich von meinen eigenen Gedanken befreien. Sie spürte meine Bewegung, nahm mich freundlich auf und streichelte unvermindert sacht über meinen Rücken. „Schon gut, Sean", flüsterte sie sanft, „Es wird alles gut." 

Sie ist unglaublich stark, dachte ich bewundernd, sie könnte mir helfen, mit diesem Scheiß aufzuhören. Sie könnte mich von meinen schmerzlichen Gefühlen befreien. Sie könnte mich vielleicht sogar von Clay Banton befreien. Diese Überlegung irritierte mich ungemein. Ich war völlig überrascht, als ich Tränen aus meinen Augen meine Wangen hinunterlaufen fühlte. Mein Hals schnürte sich zu. Ich atmete krampfhaft. 

Gleichzeitig steigerte sich meine Wut über mein blödes, irgendwie tuntiges Verhalten. Über meine Unfähigkeit, den Gedanken an Clay Banton aus meinem Schädel zu verbannen, sogar wenn ich so viel Heroin intus hatte, wie jetzt. Das Heroin taugt nichts, dachte ich wütend, es hilft mir kein bisschen. Es ist alles meine eigene Schuld, hämmerte es in mir. 

„Wein doch nicht mehr, Sean", flüsterte Charlotte an meinem Ohr, „Hör doch bitte auf zu weinen. Es wird alles gut, du wirst sehen." Sie war wirklich lieb zu mir. Aber es stürzten nur immer neue deprimierende Gedanken und Gefühle auf mich ein. Ich atmete tief ein und konnte sie nicht ansehen. Ich drückte sie verlegen an mich, beugte mich hinunter und legte meinen Kopf fest auf ihre Schulter. Du führst dich auf wie ein Vollidiot, warf ich mir erbost vor. Die Frau muss doch langsam jegliche Achtung vor dir verlieren, du heulende Schwuchtel. Jetzt reiß dich endlich mal zusammen, verdammt nochmal!

Ich zwang mich erbost, mit dem Heulen aufzuhören, was mir leider nur mäßig gelang. Ich versuchte verzweifelt, nicht mehr an Clay zu denken, an die dunkle, enge Toilettenkabine in der Kunsthochschule, wo ich ihn noch am selben Tag zum ersten Mal gekostet hatte. 

Aber es war alles zwecklos. Ich spürte Charlotte und bildete mir ein, es wäre Clay. Und ich wurde darüber so wütend auf mich selbst, dass ich aufgebracht nach Luft schnappte. Charlotte wich zurück und sah mir besorgt ins Gesicht. Wahrscheinlich spürte sie meinen inneren Kampf irgendwie. „Was ist denn los, Sean?" fragte sie ehrlich interessiert. Ich guckte sie mit meinen verheulten Augen an, und ich schämte mich in diesem Moment zu Tode. Ich konnte es nicht ertragen, vor ihr wie ein Idiot dazustehen, wie eine blöde, extrem liebeskranke Tunte. 

Es passierte ganz plötzlich, fast ungewollt, weil ich mir nicht anders zu helfen wusste. Ich drückte sie spontan wieder an mich und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund. In diesem Moment schien es mir die einzige Möglichkeit zu sein, ihrem besorgten, prüfenden Blick zu entkommen, und nicht völlig das Gesicht zu verlieren. 

Ich nahm sie einfach in die Arme und küsste sie. Es war der verzweifelte, beinahe krankhaft manische Versuch, den Gedanken an Clay loszuwerden. Vielleicht übermannte mich auch nur die Erinnerung, erregte mich der Gedanke an meine erste sexuelle Begegnung mit Clay zu stark.

Charlotte reagierte ehrlich erstaunt, aber nicht abgeneigt. Sie erwiderte meinen Kuss beinahe sofort. Sie schmeckte nicht ungewohnt, hatten wir uns doch schon häufig während des Auftritts auf der Bühne geküsst. Trotzdem war diese Situation ganz anders. Ich spürte ihre vorsichtige, tastende Zunge in meinem Mund, schloss die Augen und wandte meine ganze Kraft darauf, mich auf diese intime Berührung zu konzentrieren. 

Ich zwang mich dazu, meinen wirren Kopf endlich abzuschalten, und nach einiger Zeit funktionierte das sogar, was mich total erleichterte. Aber Charlotte küsste mich nun voller Leidenschaft, und gleichzeitig irgendwie zart und vorsichtig. Ich berührte ihre Wange, ihren Hals, ihren Rücken. Das fühlt sich wirklich gut an, merkte ich erregt. 

Sie streichelte sacht meinen Nacken, was mir eine Gänsehaut verursachte. Ich seufzte und drückte sie gierig an mich. Ihr Körper fühlte sich gut an. Das soll jetzt nicht aufhören, dachte ich überwältigt, das ist wirklich verdammt gut. Diese Frau tat mir zweifellos richtig gut. 

Im nächsten Augenblick fing plötzlich mein verdammtes Handy laut an zu klingeln. Es war in meiner Jackentasche, und die abrupte Melodie von Wagner erschreckte uns beide total. Wir fuhren unwillkürlich auseinander wie zwei Schulkinder, die man beim Küssen auf dem Schulhof ertappt hat. 

Ich taumelte rückwärts und kramte hektisch nach meinem Handy, um den Ritt der Walküren abzustellen. Beschämt warf ich einen Blick zu Charlotte hin. Sie stand jetzt ein Stück von mir entfernt, sah ziemlich verwirrt aus, atmete tief und guckte mich nicht an. Mein Kuss hat sie echt umgehauen, merkte ich amüsiert, ich habe endlich doch noch Eindruck auf sie gemacht und mir Respekt verschafft. Diese Erkenntnis machte mich stolz und beruhigte mein Ego ein wenig. 

Dennoch war ich ziemlich genervt von der lästigen, unerwarteten und lauten Störung durch das Handy. Ich warf einen schnellen Blick auf das Display und alles war schlagartig zunichte, was ich mir in den letzten paar Minuten so mühsam erarbeitet hatte. 

Denn im Display stand Clays Name. Es war Clay, der mich mitten in der Nacht anrief. Clay Banton hatte mich mit seinem dreisten Anruf energisch von Charlotte Hynde getrennt, und damit unseren angenehmen Kuss, unsere beginnende Schmuserei abrupt beendet. 

Dieser Mann ist wie ein Fluch, dachte ich überfordert, kaum vergesse ich ihn halbwegs, da hämmert er sich auch schon mit Gewalt zurück in mein Leben. Was will er denn jetzt bloß von mir, fragte ich mich im nächsten Moment nervös, warum um alles in der Welt ruft dieser Kerl mich um diese Zeit noch an? 

Ich starrte reglos auf das Display und zögerte. Mein Herz klopfte hart. Ich war hin und her gerissen zwischen unbändiger Freude und maßlosem Widerwillen. Ich sollte einfach nicht dran gehen, überlegte ich fieberhaft. Ich möchte jetzt lieber mit der Frau schlafen, dachte ich konfus.

Hilfesuchend sah ich zu Charlotte hin, aber sie beachtete mich nicht. Sie hatte sichtbar immer noch mit den Nachwirkungen von unserem innigen Kuss zu kämpfen, was ich gerührt zur Kenntnis nahm. Sie ist echt süß, dachte ich voller Zuneigung. Und sie hat total Recht! Ich darf mich nicht mehr auf Clay einlassen, verdammt, redete ich mir ein. Dieser Mann blockiert mich total, er soll mich in Ruhe lassen! Clay Banton soll sich zum Teufel scheren! 

Unschlüssig guckte ich nochmal zu Charlie hin. Sie schaute mich nun an, verwundert, weil ich nicht an mein Telefon ging. Die ersten Takte vom Ritt der Walküren begannen unablässig von vorn. Ich wünschte mir, dass Charlotte mir diese Entscheidung auf irgendeine Art abnahm. Aber sie stand nur sichtbar verwirrt dort, völlig überfordert, betrachtete mich hilflos und fragend.

Kurzentschlossen nahm ich per Tastendruck das Gespräch an, drehte mich hastig von ihr weg und hob das Handy wütend an mein Ohr. „Was?!" brüllte ich laut hinein. „Sean Valmont?" fragte eine weibliche Stimme. 

Ich war augenblicklich wie erstarrt. Das war wie ein heftiger Schlag vor den Kopf. Mir wurde schwindelig, ich kippte mit der Schulter gegen die Wand. Mein Herz klopfte nervös. Ich war maßlos enttäuscht über diese fremde Stimme in meinem Telefon. Ich fühlte mich sofort von Clay verraten und verarscht. 

Ich brauchte eine Weile, um mit dieser Enttäuschung fertig zu werden. Sie tat mir dermaßen weh, dass ich schon wieder anfing zu heulen. Meine Gedanken wirbelten automatisch in meinem Kopf herum. Warum hatte diese Scheiß Frau sein Handy? Warum ließ er irgendeine unbekannte Frau mit seinem Handy ausgerechnet mich anrufen? Wo zum Teufel trieb dieser Arsch sich schon wieder herum? 

Rasende Eifersucht fachte in meinem Innern auf, ohne dass ich sie hätte verhindern oder auch nur kontrollieren können. „Ist dort Sean Valmont?" hörte ich nochmal die fremde Stimme in der Leitung. Ich atmete tief und schluckte meine Tränen verärgert hinunter. Ich wischte mir hastig über die Augen. „Was ist?!" brachte ich nach Luft ringend hervor, „Wer ist da?" „Hallo Sean!" flötete die Unbekannte erfreut, „Schön mit dir zu reden!" „Was soll das?" fragte ich sie verwirrt. Das ist jetzt langsam zu viel, dachte ich matt, ich kann das bald nicht mehr ertragen, diesen ganzen Scheiß! Verdammt, Clay, wo bist du? hämmerte unwillkürlich diese Frage in meinem Kopf und Herz herum, dachte ich automatisch die ganze Zeit schmerzhaft an Herrn Banton.

Gehetzt, beinahe mit einem schlechten Gewissen deswegen, warf ich Charlotte einen Blick zu. Sie kam nun langsam auf mich zu und schaute mich fragend an. Ich wollte auf keinen Fall wieder zusammenbrechen und nochmal vor Charlotte wie eine heulende, kotzende, schwache Schwuchtel dastehen. Wütend zwang ich mich, mich endlich zusammenzureißen. 

„Wer ist da? Wo ist Clay?" verlangte ich lautstark zu wissen. Am anderen Ende der Leitung wurde leise gelacht. Meine Wut steigerte sich. Ich fühlte mich verarscht und zu angeschlagen für solche fiesen Spielchen. Ich wünschte mir inständig, dass das Heroin stärker wirken würde, mich unempfänglicher gemacht hätte für Angriffe dieser Art. Ich konnte nicht begreifen, warum die Menge shore, die ich genommen hatte, dafür offenbar nicht ausreichend gewesen war. Aber ich stand nur hilflos dort, wandte Charlie den Rücken zu, hielt mein Handy verkrampft an mein Ohr und drohte jeden Moment komplett durchzudrehen. 

Die Sehnsucht nach Clay Banton hämmerte jetzt lautstark in meiner verletzten Seele. „Du kennst mich nicht, Sean. Mein Name ist Jill. Ich bin in Clays Wohnung", erklärte mir die fremde Frau freundlich. „Schön für dich!" entfuhr es mir gehässig. „Nein, warte, Sean, bitte leg nicht auf!" rief sie sofort eindringlich. Anscheinend hatte sie meine spontane Absicht erraten, was mich ziemlich irritierte. „Verarsch mich nicht!" drohte ich ihr lautstark, „Sag endlich, was du von mir willst!"

„Clay ist bewusstlos!" rief sie hastig durch das Telefon in mein Ohr. Ich war inzwischen schon dermaßen von der Rolle, dass mich diese Information zunächst kaum berührte. „Und?" erwiderte ich nur. Mein Herz hämmerte wieder hart. Ich brauchte eine Weile, bis dieser Satz richtig zu mir durchdrang. „Ich fürchte, er hat eine Überdosis!" erklärte die Frau mir, und jetzt klang sie richtig besorgt. 

Ich ließ meinen Arm mit dem Handy sinken und lehnte mich gegen die Wand. Ich schloss die Augen und versuchte, in meinem wirren Kopf Ordnung zu schaffen, was mir aber nicht gelang, nicht mal annähernd.

„Wer ist das?" fragte Charlotte mich leise. Ich fuhr zu ihr herum. Sie stand jetzt dicht hinter mir und deutete auf das Handy. Ich starrte sie eine Weile erschrocken an. Dann drehte ich mich wieder von ihr weg und hob entschlossen meinen Arm. „Was geht mich das an?" schrie ich unfreundlich in den Hörer, „Warum rufst du mich wegen so einem Scheiß an?!" 

Die Frau antwortete sofort, offensichtlich konnte ich sie nicht einschüchtern. „Du bist doch Clays bester Freund, Sean! Ich dachte, du würdest herkommen und nach ihm sehen! Clay rührt sich nicht mehr! Ich weiß nicht, was ich machen soll!" „Ruf einen Krankenwagen!" befahl ich ihr lautstark, „Bring ihn einfach ins Krankenhaus!" Fahr zur Hölle, Schlampe, dachte ich. „Das ist mir scheißegal!" behauptete ich. „Bitte komm doch her, Sean! Wir sind in seiner Wohnung! Bitte hilf ihm!" flehte diese verdammte Frau mich an. Ich atmete laut vor Panik, Wut und Verwirrung. „Bitte komm her, ich habe wirklich Angst um Clay!" behauptete die Unbekannte beschwörend. 

Vor meinem inneren Auge sah ich plötzlich Clay auf dem Boden liegen, eine verfluchte Nadel im Arm, elendig verreckt an einer Scheiß Überdosis Heroin. Dieses grausame Bild war viel mehr, als ich ertragen konnte, es war definitiv schlimmer als alles, was ich sehen wollte. Meine Brust schnürte sich schmerzhaft zusammen. Ich rang nach Luft. Unwillkürlich liefen weitere Tränen aus meinen Augen, was ich aber kaum noch registrierte. 

„Nein!" schrie ich ins Telefon. „Bitte komm doch!" beharrte sie unbeeindruckt, „Clay liegt bewusstlos auf dem Boden! Er hat wahrscheinlich eine Überdosis! Du musst ihm helfen, Sean, du bist doch sein bester Freund!" „Halt's Maul! Du kennst mich doch gar nicht!" erwiderte ich erbost. „Bitte, Sean, komm her, Clay braucht dich ganz dringend!" wiederholte sie immer wieder. 

Ich bekam das Gefühl, diese grausame Stimme nicht länger ertragen zu können, und ich schrie ständig: „Nein! Ich komm nicht! Hol einen Arzt! Bring ihn ins Krankenhaus! Lass mich in Ruhe!" Sie bettelte: „Komm bitte her", und ich brüllte mehrmals: „Nein, verdammt!" und dann pfefferte ich intuitiv mein Handy wutentbrannt mit voller Wucht auf den Boden der Garderobe. 

Mein Herz raste nahezu. Ich schnappte nervös und aufgebracht nach Luft und schlug mit der Faust heftig ein paar mal gegen die Wand. „Scheiße!" schrie ich hilflos, „Fuck! Fuck! Fuck!" Ich rannte panisch und verwirrt in der Garderobe herum. Meine Gedanken liefen Amok. Ich hatte wirklich nicht geglaubt, dass irgendetwas an diesem Abend noch schlimmer kommen könnte.

Charlotte

Sean Valmont küsste mich. Das geschah völlig überraschend für mich. Ich stand dort, allein mit ihm in der Garderobe. Ich umarmte ihn mitfühlend und dachte dabei, jetzt beruhigt er sich zum Glück langsam. Das wird aber auch Zeit! Endlich kann ich nach Hause gehen! 

Aber dann fing Sean abermals an zu schluchzen, und ich versuchte entnervt, ihn irgendwie zu trösten. Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, als er aufs Neue anfing zu heulen. Der attraktive Mann atmete aufgewühlt und unruhig. Er klammerte sich hilfesuchend an mir fest. 

Ich versuchte ihn anzusehen. Ich fragte mich, was um alles in der Welt mit ihm passiert war. In so einem desolaten Zustand hatte ich ihn noch nie erlebt. Warum war er so dermaßen von der Rolle? Was ließ ihn so umfassend verzweifeln? Wenn dies die Wirkung von Heroin war, dann war er wahrlich ein totaler Idiot, es zu nehmen. Er führte sich auf, wie ein völlig fremder Mensch. Ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Ich wollte inzwischen nur noch nach Hause, fühlte mich vom unlogischen Verhalten dieses Mannes überfordert. Es nervte mich zunehmend, dass er sich so haltlos gehen ließ. Ich versuchte ratlos, ihm in die Augen zu sehen. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, wollte ihn direkt ansehen und vielleicht dabei aufmunternd lächeln. 

Aber im nächsten Augenblick küsste er mich plötzlich. Das passierte absolut unerwartet, so abrupt, dass ich überhaupt keine Chance hatte, ihm auszuweichen. Sein Mund traf den meinen schnell, aber ganz vorsichtig. Ich öffnete mich automatisch für ihn, ohne darüber nachdenken zu können. Seine vollen Lippen waren so unglaublich sanft. Er war so gut rasiert, dass kein Barthaar diesen Kuss störte. Seine Zunge tastete sich behutsam in meinen Mund, ganz ohne Forderungen. Gleich darauf umkreisten sich unsere Zungen auch schon leidenschaftlich. Er berührte meine Wange. Seine sanfte Zärtlichkeit war ein extrem erregendes, elektrisierendes Gefühl. Damit überrumpelte er mich vollends. 

Von jedem anderen Mann hätte ich diese intime Form der Annäherung erwartet, aber niemals von Sean Valmont, und das nicht nur, weil er schwul war. Er küsste mich mit geschlossenen Augen, und einen kurzen Moment lang sträubte sich alles in mir. Was passiert hier eigentlich, dachte ich alarmiert, was um alles in der Welt tut er denn da nur? 

Aber in der nächsten Sekunde war ich auch schon von seiner einnehmenden Sanftheit geschlagen. Ich erwiderte seinen Kuss automatisch. Meine Gedanken waren wie weggeblasen. Das kann doch nicht sein, dachte ich nur matt. Und es störte mich nicht einmal mehr, dass sein Atem nach Rauch schmeckte. Sean Valmont sah nicht nur absolut fantastisch aus, er fühlte sich auch extrem gut an. Und er konnte überwältigend gut küssen. Er berührte meine Wange. Eine Zeit lang war ich von ihm hypnotisiert und wollte nie mehr damit aufhören, ihn zu streicheln. Ich möchte gar nicht daran denken, wie weit wir in dieser Garderobe nach diesem Kuss noch gegangen wären. Meine Gegenwehr und sämtliche Bedenken waren jedenfalls weggeblasen.

Aber dann klingelte zum Glück plötzlich sein Handy total laut in seiner Lederjacke. Wir fuhren bei diesem unerwarteten Geräusch beide erschrocken auseinander, als hätten wir etwas Verbotenes getan, und ich erwachte augenblicklich aus meiner Hypnose. In mir entfachte sich auf der Stelle ein Sturm des hilflosen Zorns.

Verdammt, dachte ich sofort wütend, dieser verdammte, hinterhältige Schweinehund! Ich versuche ihn zu trösten, und er revanchiert sich mit dieser blöden, hinter letzten Macho-Tour. Wahrscheinlich hatte er mir all diesen traurigen Mist hier nur vorgespielt! Vielleicht war der Mann in Wahrheit noch nicht einmal schwul und wollte mich dreist verführen! War das etwa von Anfang an sein Ziel gewesen, seit ich ihn allein in dieser Garderobe gefunden hatte? 

Diese seltsame Vermutung irritierte mich ziemlich. Konnte ich mich denn so sehr in jemandem täuschen? Konnte es sein, dass Sean Valmont in Wirklichkeit gar nicht schwul war? Spielte er etwa nur ein nie endendes Theaterstück für uns alle? Und war dies hier sein Meisterstück, sein vollkommenes Drama, ganz für mich allein? 

Offenbar hatte dieser undurchsichtige, gutaussehende Mann sich seit unserer gemeinsamen Schulzeit tatsächlich sehr verändert. Oder hatte er auch schon damals in der Schule nur Theater gespielt? Vielleicht hatte er einfach nur behauptet, schwul zu sein, um sich noch interessanter zu machen, als er ohnehin schon gewesen war! Das wäre ja dann wohl voll nach hinten losgegangen! 

Aber warum sollte er das überhaupt tun? Das wäre doch total hirnrissig! Er war der Star der Schule gewesen, er musste sich nicht noch interessanter machen! Und warum sollte er schon so lange offen schwul leben, wenn das gar nicht den Tatsachen entsprach? Was hätte das für einen Sinn? Und was war überhaupt mit seiner unerwiderten Liebe zu Clay Banton? War das etwa auch nur ein inszeniertes Drama von ihm? Hatte ich bloß noch nicht gemerkt, was für ein mieses, hinterhältiges Arschloch der perfekte Sean Valmont geworden war? Oder hatte er ganz einfach nur völlig den Verstand verloren? 

Auf alle diese Fragen, die pausenlos auf mich einstürmten und mich immens verwirrten, fand ich keine Antwort. Aber ich fühlte mich instinktiv von Valmont auf gemeinste Art hintergangen und betrogen. Ich war mir auf einmal sicher, dass er diese ganze dramatische Szene hier sorgfältig vorbereitet und inszeniert hatte. Auch wenn ich womöglich nur zufällig sein Opfer geworden war, denn er hatte ja nicht wissen können, dass ich nochmal ins Theater zurückkam. Oder?

Verärgert und verletzt taxierte ich ihn. Er zögerte auffallend lange, an sein Handy zu gehen, und starrte nur reglos auf das Display. Der Mann wirkte wie eingefroren. Die laute Melodie seines Handys ging mir zunehmend auf den Geist. Es waren die ersten Takte vom Ritt der Walküren von Richard Wagner, die unentwegt von vorn begannen. So einen blöden Klingelton hat auch kein normaler Mensch, dachte ich geringschätzig, der muss wohl immer aus der Reihe tanzen! 

Ich überlegte fieberhaft, was ich jetzt tun, wie ich ihm seine dreiste Hinterhältigkeit heimzahlen konnte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen von seiner gemeinen Schauspielerei. Ich dachte daran, jetzt sofort einfach abzuhauen und nie mehr zurückzukommen. Ja, das hätte er verdient, dachte ich erbost, ich lasse ihn einfach mit seiner scheiß Performance allein! Soll er doch sehen, wie er ohne mich fertig wird! 

Und wegen des Heroins sollte ich ihn sofort bei der Polizei anzeigen! beschloss ich im nächsten Moment grimmig. Mit Genugtuung stellte ich mir vor, wie der fehlerlose Sean Valmont verhaftet und in Handschellen abgeführt werden würde. Bestimmt würden sie ihm eine saftige Strafe aufbrummen!

Aber das kann doch nicht sein, überlegte ich dann plötzlich unbehaglich. Ich kann mich unmöglich so sehr in diesem sensiblen Mann getäuscht haben. Er ist doch noch nie berechnend gewesen! 

Verunsichert musterte ich ihn nochmal. Sein blöder Klingelton dröhnte lästig in der Stille. Sean warf mir einen hilflosen Blick zu. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis er endlich an sein Handy ging, für meinen Geschmack viel zu lange. 

Schließlich beendete er kurzerhand den lauten Sound mit einem Tastendruck und drehte mir hastig den Rücken zu. Ich wusste nicht, mit wem er sprach, aber das Gespräch nahm einen höchst unerfreulichen Verlauf. Ich lauschte ihm verwundert. Offensichtlich wusste er gar nicht, wer eigentlich dran war. Er fragte nach Clay. Er sagte die Wörter Arzt und Krankenhaus. Er wurde schnell immer aufgebrachter und wütender. Haltlos taumelte er mit der Schulter gegen die Wand der Garderobe und schrie in sein Handy, man solle ihn in Ruhe lassen. 

Was ist denn jetzt schon wieder los? fragte ich mich total entnervt. Ich war abermals drauf und dran, eilig die Garderobe zu verlassen und endlich nach Hause zu gehen. Es war inzwischen schon halb zwölf, wie mir ein Blick auf meine Uhr verriet. Ich war unglaublich wütend auf Sean und wollte ihn eigentlich liebend gerne seinem Schicksal überlassen. 

Aber meine Neugier und Unruhe ließen mich dann doch zu ihm hingehen. Er drehte mir immer noch den Rücken zu. Ich fragte ihn, wer dran wäre. Er sagte nichts und drehte sich von mir weg. Der kurze Blick, den er mir vorher zuwarf, erschreckte mich zutiefst. Offenbar war etwas ziemlich Schlimmes passiert, mit dem Valmont nicht fertig wurde. Es musste etwas sein, dem Sean absolut nicht gewachsen war, denn urplötzlich brüllte er herum und pfefferte sein Handy mit Wucht auf den Boden der Garderobe. Er schrie: „Scheiße!" und schlug ungebändigt mit seiner Faust auf die Wand ein. Sein teures Handy brach durch den Aufprall auseinander. Der Akku schlitterte über den Boden.

Erschrocken flüchtete ich mich einige Schritte von ihm weg und fixierte ihn alarmiert. Er ist verrückt, hämmerte es ängstlich in meinem Kopf, Sean Valmont hat vollkommen den Verstand verloren! Ich sollte mich jetzt schnellstens in Sicherheit bringen! Dieser Mann ist unglaublich aggressiv! Er gehört in Polizeigewahrsam, der ist womöglich sogar gefährlich! 

Aber im nächsten Moment rutschte Valmont schon an der Wand entlang auf den Boden und wurde wieder zu dem Häufchen Elend, als das ich ihn hier vorgefunden hatte. Er fing haltlos an zu weinen und vergrub seinen Kopf in seinen Armbeugen. 

Eine Weile stand ich dort und beobachtete ihn misstrauisch. Ich fragte mich, ob Sean sein hinterhältiges Theaterstück jetzt fortführte. Ob er mir seine Verzweiflung weiter vorspielte, um mein Mitgefühl zu wecken, oder aus welchem Grund auch immer. Aber seine Traurigkeit schien auch diesmal echt zu sein, musste ich zugeben. Ich fragte mich, was das alles eigentlich für einen Sinn hatte. Entweder Sean Valmont war wirklich total durchgeknallt, oder seine Verzweiflung war echt und raubte ihm tatsächlich jede Kontrolle über sich.