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Regenwaldlodge

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29.07.22 14:35
6 Ab 6 Jahren
Fertiggestellt

„Erst übermorgen“, wieder holt er und schaut ins Leere.

Der tropische Regen fällt auf das Terrassendach aus Palmenblättern. Den Randbereich meidend können wir noch trocken sitzen. Wir, die einzigen Gäste der schnuckligen Regenwaldlodge.

Erst übermorgen sei die kleine Maschine wieder in Ordnung, um uns nach KUL zu bringen.

„Naja“, beendet er seine innere Termindisposition und wendet sich an mich: „So ist Ausspannen abseits der Touristenströme. Für Geschäftsleute mit Terminen ein Risiko, wie wir sehen.“ Abgewandt fügt er hinzu: „Aber es ist ein Paradies hier...“

Das mit dem Paradies hat er nicht einfach so dahin gesagt. Ich sehe diesem Mann ins Gesicht, und für einen Moment begegne ich darin dem Schmerz einer tiefen Sehnsucht.

Es ist der Moment, in dem unsere Seelen sich begegnen. Unsere wirkliche Begegnung. Und die nachfolgende Unterhaltung über Indien und seine Götter, die Frömmigkeit Südostasiens, die fantastische Tempellandschaft des burmesischen Bagans eilt eigentlich dem hinterher, was wir in der Intuition eines Augenaufschlags schon wahrgenommen hatten:

Wie war es möglich, dass wir einander nie aufeinandertreffen durften bis zu diesem Tag. Welche Gottheit ist es, die uns an diesem Ort zusammenführen will?

Während der malaysische Junge unsere schweißtropfenden Körper mit angebotenen Getränken vor dem Austrocknen bewahrte, spielen unsere Hände schon zärtlich miteinander, dürfen wispernde Fingerkuppen einander vertraut machen, und als behände Diplomaten vorbereiten, was wir noch nicht entschieden glauben.

Als die klebrigwarme Tropennacht sich über uns gelegt hat, fragt der Junge, ob er das Essen servieren dürfe. Die Speisen verbreiten sich auf unseren Zungen wie der vorweggenommene exotische Genuß unseres paradiesischen Zweisamkeitsgeschenks. Wir schmecken die köstlichen Gewürze, als ob wir den Duft unserer Haut einander darreichten.

Leider oder um Glück gibt es nur Bier dazu, kalt aber und gut.

Unsere Augen möchten sich nicht mehr trennen. Und was versprechen sich unsere Finger, die immer wieder wie Bienen miteinander kommunizieren? Dann greift Daniels Stimme in die Fäden, von uns gesponnen  aus aufkeimender Leidenschaft und Paradieszauber:

„Es gibt nur diese zwei Tage für uns. Nur diese zwei. Wenn du das weißt...“

Meine Augen stimmen zu.

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Sätze: 20
Wörter: 364
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Diese Story wird neben Reise auch im Genre Liebe gelistet.