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Sätze: | 82 | |
Wörter: | 1.164 | |
Zeichen: | 6.325 |
Es war noch die Stunde der Geister, Feen, Elfen und Zauberer, als ich durch das Fenster in die tiefe dunkle Nacht hinaus schaute. Doch es würde nicht mehr lange dauern, bis sie alle in unsere Träume verschwinden würden und die Stille der Dunkelheit zurück kehrte.... denn die Zeiger der Kirchturmuhr glänzten im Mondlicht und verrieten somit, dass gleich die 13. Stunde begann.
Leise schwebten Schneeflocken aus dem Himmel herab, während der Wind sie immer wieder durch die Luft wirbelte, bis sie endlich ihren Platz fanden, der für sie bestimmt war: Auf dem Dach eines Hauses, am Zeig einer Tanne... oder am Boden, wo sich Schritte sacht knirschend im Schnee verloren, die durch diese weiße Winterpracht hindurch schritten und darin versanken. Der Mond schien klar vom Himmel herab und schenkte dem Schnee ein zauberhaftes Glitzern, so als wenn die Sterne herab gestiegen wären, um sich auf der Erde schlafen zu legen.... ganz still.
Plötzlich erklang ein Ächzen und Stöhnen aus der Dunkelheit. Es klang so, als wenn sich jemand sehr anstrengen musste und kaum atmen konnte. Ich wurde neugierig und wollte wissen, woher diese Laute kamen. Also ging ich zur Tür, zog meinen dunkelgrünen Wintermantel an, wickelte meinen weißen Schal um meinen Hals und öffnete die Tür.
Die Luft war eisig kalt und ließ mich sogleich ein wenig frösteln - was mich in meiner Neugier jedoch nicht aufhielt, denn schließlich wollte ich wissen, woher dieses Stöhnen und Ächzen kam. Also zog ich die Tür hinter mir zu, ging nach draußen und lauschte in die Dunkelheit, um herauszufinden, was es mit diesen Lauten auf sich hatte.
"Uhi... der Sack wird gar nicht leer und ich kann ihn bald nicht mehr tragen. Puuuhh..." ertönte eine helle Stimme in der Finsternis. Ich war ganz aufgeregt und ging vorsichtig ein paar Schritte in die Richtung, woher die Stimme kam. "Hallo, ist da jemand?" fragte ich zaghaft in die Dunkelheit hinein. "Häh? Bist Du etwa noch wach? Du solltest schlafen, damit Du träumen kannst und mein Sack endlich ein wenig leichter wird" rief eine helle fast zwergenhafte Stimme energisch, die sich scheinbar näherte, da sie lauter erklang. Dann sah ich ein kleines Männlein im Mondlicht, das einen großen Sack mit Mühe und Not hinter sich her zog. Es hatte einen langen weißen Bart - der ihm fast bis zu den Knien reichte - und war mit einem Mantel und einer Mütze gekleidet, auf denen kleine Sterne gestickt waren, die zu leuchten schienen. Immer wieder rutschte es im Schnee aus und drohte hinzufallen. Doch das kleine Männlein strengte sich sehr an, um sein Gleichgewicht zu halten und den Sack weder loszulassen, noch zu verlieren.
"Ich? Was hab ich denn mit dem großen Sack zu tun, den Du da hinter Dir herziehst?" fragte ich und war gespannt auf die Antwort. Das kleine Männlein hatte wirklich schwer zu kämpfen mit dem großen Sack; also stapfte ich ihm durch den Schnee entgegen und packte mit an, den Sack zu ziehen. Als wir vor meiner Haustür ankamen, ließ das Männlein den Sack los und schnappte erst einmal nach Luft, bevor es sich ein kleines Licht aus seiner Manteltasche holte, um seine Hände daran zu wärmen.
"Du? Du bist auch jemand, der mir etwas mehr zu tragen gibt, weil Du nicht schläfst" sagte das Männlein, während es seine Hände am kleinen Licht rieb und weiterhin aufwärmte. "Was meinst Du damit? Ich hab doch gar nichts gemacht. Im Gegenteil - ich hab Dir sogar tragen geholfen" entgegnete ich und stemmte meine Fäuste in meine Hüften. "Ja, Du hast mir geholfen. Trotzdem wird der Sack nicht leichter, wenn alle Menschen nachts wach sind und ich ihnen nicht rechtzeitig ihre Träume bringen kann. Und Du bist auch so eine Nachteule, die nie ins Bett findet" antwortete das Männlein.
"Heißt das, dass da im Sack all die Träume sind, die noch verteilt werden müssen?" fragte ich. "Ja, genauso ist es. Doch das geht nur, wenn die Menschen schlafen. Aber in letzter Zeit bleiben viele Träume ungeträumt... und ich muss sie weiter mit mir rumschleppen" sagte das Männlein. "Hm... sonderbar. Woran liegt das nur, dass die Menschen nicht mehr schlafen und träumen können?" fragte ich und schaute nachdenklich auf den großen Sack.
"Sie finden nicht mehr früh genug in ihren Schlaf und nehmen ihre Sorgen und ihren Kummer mit, die sie bis in den Schlaf verfolgen und keinen Traum den Zutritt gewähren. Und wenn ich ihnen ihre Träume bringen will, sind sie entweder wach, oder mit ihren Gedanken bei ihren Problemen, die ihnen das Träumen verbieten" antwortete das Männlein und ging zum Sack, um ihn zu öffnen.
"Was machst Du da?" fragte ich neugierig. "Ich schau mal nach, wo dein Traum geblieben ist. Hm... irgendwo muss er doch sein. Ahh - ich hab ihn" sagte das Männlein und lächelte verschmitzt. "Was ist das für ein Traum?" wollte ich von ihm wissen und hielt mir meine Hand vor dem Mund, weil ich plötzlich gähnen musste. "Das werde ich Dir auf keinen Fall verraten, sonst wird mein Sack ja gar nicht mehr leer, wenn ich alles schon vorher erzähle" gab das Männlein zur Antwort und knotete den Sack wieder zu. "Aber wie soll ich denn an meinen Traum gelangen, wenn Du den Sack wieder zuknotest?" fragte ich das Männlein. "Das ist und bleibt ein Betriebsgeheimnis und wird nicht verraten! Wär ja noch schöner, wenn ich plötzlich gar keine Arbeit mehr habe, nur weil dann alle Welt weiß, wie man Träume verteilt. So, nun muss ich langsam weiter und noch so ein paar Nachteulen wie Dich aufsuchen, damit sie endlich schlafen gehen und mein Sack der Träume endlich leichter wird. Und jetzt ab mit Dir in die Federn" sagte das Männlein zu mir und schmunzelte.
Plötzlich wurde ich so müde, wie schon lange nicht mehr; und meine Augen fielen mir immer wieder zu. Ich konnte mich kaum noch wach halten und sehnte mich nach meinem Bett und meinen Träumen, die dort auf mich warteten. Meine Schritte zurück zur Tür wurden schwer und ließen mich fast ein wenig wanken... Ich blickte noch einmal zurück, um dem Männlein zu winken und ihm eine gute Nacht zu wünschen - doch es war verschwunden. Sonderbar... sollte ich das alles nur geträumt haben? Nein, das konnte ich nicht glauben.
Bevor ich müde ins Haus schlurfte, um endlich ins Bett zu gehen, schaute ich mich noch einmal um - im Glauben, dass das Männlein mich noch sehen und hören würde - und winkte der Dunkelheit flüsternd zu: "Gute Nacht lieber Sandmann..."
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BerndMoosecker • Am 21.12.2022 um 0:00 Uhr | |||
Liebe Silly, ich kann es verraten, es ist die Angst vor den Träumen, die mich wach hält. Aber egal, das war nur zur Einleitung. Deine Traumgeschichte finde ich richtig gut gelungen. Ich habe sie gerne gelesen und sie gibt mir zu denken - das hat mit meinem einleitenden Satz zu tun. Liebe Grüße Bernd |
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