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Ein Beauftragter des Gouverneurs hatte dem Kapitän der Dragon, die drei Tage zuvor an der Orsta Saturn II angekoppelt hatte, in schon fast verdächtigem Eifer die besten Grüße des Gouverneurs und Vizekönigs vom Saturn übermittelt und ihn gleichzeitig gebeten, zwei Conts der Genetischen Züchtungs Cooperation, die ihre Zentrale schon seit drei Generationen in den Außenbezirken des Sonsysts hatte, zum Mars zu befördern, genauer an die Mars-Fauna-Ltd., eine Tochtergesellschaft der GZC. Leuvenhooks Aufgabe als Verbindungsoffizier des königlichen Kurierschiffes Dragon war es, die Conts in einer leeren, verlassen wirkenden Lagerhalle der Orsta in Empfang zu nehmen und sie in den Laderaum der Dragon zu überführen.
Als Leuvenhook die Conts auf sich zukommen sah, wurde ihm unbehaglich zumute. Er hatte gehofft, es handele sich um kleine UltraKälteConts, in denen Züchtungsrohmaterial für gewöhnlich verschickt wurde, nicht viel größer als die Postpakete, mit denen es die Dragon und damit Leuvenhook normalerweise zu tun hatte. Es handelte sich tatsächlich jedoch um zwei ausgewachsene GroßRaumConts, auf deren gelb gestrichenen Breitseiten in großen schwarzen Buchstaben 'Warning, Actung! Genetisce Spezialzuectung! Nict stoeren! Lebensgefar!' stand. Ein Mann in hellblauem Overall, auf dessen Brust das Doppelhelixemblem der GZC prangte, begleitete die zwei Conts und reichte Leuvenhook den Umschlag mit den Ladepapieren.
Beim kurzen Überfliegen entnahm Leuvenhook ihnen, daß es sich um zwei voll entwickelte Futterpflanzen handelte, die sich in garantiert ausbruchsicheren, von der GZC speziell entwickelten GRConts befanden und von zwei Ingenieuren begleitet wurden. "Wo ist denn die Begleitung?" fragte Leuvenhook den Angestellten der GZC.
"Wird sich sicher bald bei ihnen melden", versprach der Mann und verließ die Lagerhalle wieder, ohne Leuvenhook die Gelegenheit zu geben, sich über die Größe der Conts im Verhältnis zur Größe des Laderaumes der Dragon zu äußern.
Die Conts, aus deren Innerem leises, beständiges Schmatzen klang, folgten Leuvenhook durch die Lagerhalle zur Dragon und rollten hinter ihm über die behelfsmäßige Rampe in den Laderaum des Kurierschiffes.
Gegen sechs Uhr Orstazeit meldeten sich zwei Männer mit Ingenieurausweisen der GZC; für die siebentägige Reise zum Mars wurden ihnen im überfüllten Laderaum behelfsmäßige Schlafstellen zugewiesen.
*
Nach drei ereignislosen Tagen an Bord der Dragon wurde es in der winzigen Funkkabine erstmals wieder munter, als der Enterspruch eines Piratenschiffes empfangen wurde.
CPO Leuvenhook, Verbindungsoffizier der Dragon, zur Zeit im Dienst als Hilfsfunker am Lastrefu, unterrichtete den Kapitän pflichtgemäß über die Gegensprechanlage zur Brücke.
Die Piraten drohten mit einem massiven Angriff, stoppte die Dragon nicht unverzüglich ihren Antrieb. Das königliche Kurierschiff befand sich zwar auf der Höhe der Jupiterbahn, der Planet, seine Orstas und der Militärstützpunkt befanden sich jedoch auf der anderen Seite der Sonne. Dem Kapitän blieb keine andere Wahl, als dem nachdrücklich geäußerten Wunsch der Piraten zu entsprechen, wollte er nicht das Leben seiner Besatzung und zweier unbeteiligter Zivilisten - der Ingenieure der GZC nämlich - gefährden. Und so befahl er den Stop und die Absetzung eines Langstrecken-Funkpruches zur Inkenntnissetzung der nächsten Patrouille.
Die Piraten dockten mit einem kleinen Shuttle an und Leuvenhook mußte, in seiner Funktion als Verbindungsoffizier, die Piraten an der Luftschleuse empfangen. Als das gelbe Lämpchen an der Schiffsseite der Schleuse erlosch, öffnete Leuvenhook die Stahltür per Knopfdruck. Drei bärtige Männer mit vorgehaltenen SchnellLadeLasern standen in der Schleuse und starrten Leuvenhook finster an.
Schon als Leuvenhook sie an Bord Willkommen hieß, kam ihm einer von ihnen bekannt vor, und als er sie, ihren Wünschen entsprechend, zum Laderaum der Dragon führte, grübelte er darüber nach, woher er wohl einen Piraten kennen mochte. Plötzlich fiel Leuvenhooks Blick auf eines der roten SLL-Halfter, die die Piraten trugen und ihm fiel auf, daß ihr Inneres schwarz war, abgesehen von einigen verirrten roten Farbklecksern. Ganz offensichtlich trugen die 'Piraten' ursprünglich schwarze, rot angemalte Halfter - und schwarze Halfter hatte allein die Raumpolizei. Mit dieser neuen Erkenntnis im Hinterkopf dachte Leuvenhook weiter nach und näherte sich dann schließlich dem Mann, der ihm so bekannt vorkam. Vor allem der Bart hatte ihn wohl irritiert und verhindert, daß er in ihm den Mann erkannte, mit dem er einige Wochen auf der ins Trudeln geratenen Merkur-Orsta festgesessen hatte. Damals war der Mann noch Unterkommissär der Royal Space Police gewesen, aber inzwischen waren einige Jahre vergangen und er mochte befördert worden sein. "Aber Sir, sie sind doch..."
"Keine Namen!" zischte der ehemalige Unterkommissär heftig und blieb plötzlich stehen. "Wo können wir uns ungestört unterhalten?" Nach seinem Befehlston war er inzwischen sicher schon zum Inspektor befördert worden.
Leuvenhook verstummte gehorsam und überlegte. "In der 'Postbox', der Cheffunker schläft."
"Führen sie uns hin", befahl der RSPman, und die drei Männer mit falschen Bärten folgten Leuvenhook.
Nachdem der Polizist sich davon überzeugt hatte, daß sich niemand außer Leuvenhook, seinen beiden Begleitern und ihm selbst in der winzigen Funkkabine befand, begann er: "Wir haben nicht viel Zeit, denn sicher haben sie bereits die Raumpatrouille informiert." Er achtete gar nicht auf Leuvenhooks Nicken sondern fuhr im Verschwörerton fort:
"Es geht hier um eine geheime Mission gegen die Marsianer, daher unsere Verkleidung. Ich wurde als Missionsleiter ausgewählt, weil wir uns kennen. Aus sicherer Quelle hat die RSP erfahren, daß vom Saturn regelmäßig Platin zum Mars geschmuggelt wird, um die dortigen Revolutionäre zu unterstützen. Die Hauptbeteiligten scheinen die führenden Funktionäre der GZC zu sein. Als wir erfuhren, daß die GZC einen großen Auftrag von der Mars-Fauna-Ltd. erhalten hat, deren Spitze sich zum größten Teil aus Gegnern der Krone zusammensetzt, wurden wir natürlich mißtrauisch. Wir haben Grund zu der Annahme, daß das Platin sich in Stahlbehältern im Inneren der GRConts befindet, auf diese Weise vor einem Abtaster verborgen. Durch ein Arrangement mit dem saturnischen Gouverneur haben wir es so eingerichtet, daß ein königliches Schiff mit dem Transport der Conts beauftragt wurde, da bekanntermaßen allein die königlichen Schiffe im Freien Raum zur regelmäßigen Standortmeldung verpflichtet sind. Wir machten uns vor vier Tagen auf den Weg, um ihnen und dem Platin für den Mars den Weg abzuschneiden. Rufen sie jetzt ein paar von ihren Männern, die uns beim Bergen des Platins gegen die Futterpflanzen helfen; bevor das Patrouillenschiff hier eintrifft!"
Leuvenhook hatte während der langen Erklärung müßig die Schalttafel des Lastrefu betrachtet und stellte nun befriedigt fest, daß der Schalter der direkt neben dem Funkgerät eingebauten Gegensprechanlage zur Brücke noch auf 'Sendung' stand. Er schrak auf, als der Polizist schwieg. "Aber wie kann ich ihnen helfen? Das widerspricht eindeutig Paragraph 117, Absatz 4 des RaumTransportGesetzes."
"Aber § 117 RTG bezieht sich doch nur auf Diplomatenpost", widersprach der RSPman.
Leuvenhook schüttelte den Kopf. "Ein weit verbreiteter Irrtum. Er bezieht sich auf die dem zuständigen Offizier eines Kurierschiffes persönlich anvertraute Post. Das ist zwar in der Regel Diplomatenpost, in diesem speziellen Falle bezieht es sich jedoch auch auf die GRConts, denn ich habe persönlich für den Empfang quittiert. Und, wie es so schön heißt: Die Ware des Menschen ist unantastbar." Damit zitierte Leuvenhook den Slogan des größten öffentlichen Transportunternehmens des Sonsyst. "Wenn wir schon als gewöhnlicher Transporter herhalten müssen..."
Der Polizist verzog mißmutig sein Gesicht und schien zu erwägen, Leuvenhook zur Mitarbeit zu zwingen.
"Sir, ich kann doch nicht mit 'Piraten' gemeinsame Sache machen", wandte Leuvenhook geschickt ein. "Das würde mich meinen Job kosten, vielleicht zu einem Verfahren vor dem Militärgericht führen."
Der Polizist dachte eine Weile nach und schließlich schien er die Argumentation nachvollzogen zu haben. Er besprach sich flüsternd mit seinen Begleitern und entschied dann, der fortgeschrittenen Zeit wegen, beide GRConts an Bord des 'Piraten'-Shuttles zu schaffen und sie dann - mit Hilfe des dortigen Personals - im RSP-Hauptquartier zu öffnen. So konnte er auf die Mitarbeit von Angehörigen der Mannschaft der Dragon verzichten. Also machten sie sich wieder auf den Weg zum Laderaum, und Leuvenhook hoffte, daß er durch die vom Zaun gebrochene Diskussion dem Kapitän und der Mannschaft genügend Zeit verschafft hatte.
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Einige Minuten nach der Abkoppelung des Shuttles der drei RSPmen kamen die beiden Ingenieure der GZC in die 'Postbox', um ihrem Arbeitgeber von dem Überfall Meldung zu machen. Sie hatten ihn im Speiseraum eingesperrt miterlebt, um bei einem möglichen Kampf nicht zwischen die Fronten zu geraten. So hatte das Mannschaftsmitglied, das den Schlüssel im Schloß der Messetür umgedreht hatte, seine Maßnahme zumindest begründet. Leuvenhook stellte am Lastrefu die Verbindung zum Saturn her.
Die GZC zeigte sich über den Verlust ihrer Futterpflanzen unverhältnismäßig aufgebracht. Den beiden Ingenieuren wurde befohlen, die Dragon beim nächsten Halt - im Ring - zu verlassen und umgehend zum Saturn zurückzukehren.
Nachdem die Ingenieure die Funkkabine wieder verlassen hatten, kam der Kapitän in den Funkraum. Seine linke Hand war frisch verbunden, die Haut der Finger vom Desinfektionsmittel orange gefärbt. "Diese Futterpflanzen sind ganz schön bissig", sagte der Kapitän langsam. "Es ist wirklich hart, sich heutzutage die Altersversorgung aufzubessern." Dann ließ er sich auf die einzige Sitzgelegenheit der 'Postbox' sinken, befühlte vorsichtig die verbundene Hand und verzog das Gesicht, halb vor Schmerzen und halb aus Belustigung. "Was die Überprüfung von Comsysts in geheimen Besprechungsräumen betrifft, ist die RSP auch nicht mehr das, was sie mal war."
Leuvenhook schmunzelte und schüttelte den Kopf. Dann setzte er per Knopfdruck das stündlich fällige Standortsignal der Dragon ab. "Aber was sollen wir der RSP sagen, wenn sie merken, daß die GRConts aufgebrochen wurden und das Platin verschwunden ist. Man wird Nachforschungen anstellen." Leuvenhook lehnte sich neben der Ablage vor dem Lastrefu an die Wand und schaute auf den sitzenden Kapitän hinunter.
Der Kapitän grinste breit. "Die RSPmen brauchen einige Tage bis zu ihrem HQ und bis dahin werden die GZC-Ingenieure längst von Bord sein. Sicher haben sie das Platin für ihre Auftraggeber in Sicherheit gebracht. Man kann von uns doch nicht erwarten, jeden Zivilisten zu filzen, der von Bord geht."
Leuvenhook erwiderte das Grinsen.
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