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Unter der Oberfläche

88
13.08.25 19:38
18 Ab 18 Jahren
Homosexualität
In Arbeit

Autorennotiz

Das ist mein erster Versuch als Autorin.
Ich freue mich über jedens Abo, jede Bewertung und jeden Kommentar 😊
Die Geschichte ist inspiriert von der Serien Ocean Girl, ist allerdings keine Fanfiction.
Einige Kapitel sind fertig und ich werde versuchen jeden Sonntag zwei hochzuladen. Seht es mir nach, wenn das nicht immer kappt, da ich neben meinem Vollzeitjob schreibe.
Ich habe auf jeden Fall richtig bock, die Story weiterzuführen. Ich weiß so grob, wohin die Reise gehen wird, lasse mir aber gern Türen offen.
Wenn ihr die passende Playlist zum Lesen braucht, ich höre beim Schreiben immer die Riot Grrrl/Femme Punk Liste auf Spotify.
Konstruktive Kritik nehme an und bin für jeden Hinweis und Hilfestellung dankbar.
Dies hier ist ein Mix aus Sci-Fi, Comming of Age, Fantasy und Liebesgeschichte.
Achtung: Das Buch ist für Leser*innen ab 18 Jahren geeignet, es enthält explizierte Spicy Szenen. Während der Handlung kommt es zu Alkohol- Nikotin- und Substanzkonsum. Es geht in der Geschichte ganz klar um Mädels, die auf Mädels stehen. Später kommt eventuell noch ein Transcharakter hinzu. Wenn das nichts für euch ist, dann ist die Geschichte für euch nicht geeignet.
Aus Gründen der Transparenz teile ich euch mit, dass ich das Cover mit KI (Copilot) erstellt habe, da mein Photoshopskills gen Null gehen. Die Aufgabe des Lektors wird ebenfalls durch KI (Copilot) übernommen. Ich schreibe die Geschichte vor und Copilot schraubt an Grammatik, Formulierung, Verständlichkeit und Lesefluss und gibt mir Korrekturvorschläge.

2 Charaktere

Naima

Mutter: Alba | Langes braunes gewelltes Haar | Blaue Augen | Introvertiert | Interessen Gaming und allem was mit dem Universum und Raumfahrt zu tun hat und liest gern Fantasy und Sci-Fi

Klea

Mutter: Suri | Außerirdischer Herkunft, aber auf der Erde geboren | Haut: goldbraun schimmernd | Augenfarbe Olivgrün | lange schwarze Haare mit Korkenzieherlocken | Macht gern Party | Geht Freundschaften und Beziehungen nur oberflächlich ein, aus Vorsicht entdeckt zu werden

Am Horizont zerschnitt ein leuchtender Streifen den nachtblauen Himmel. Das nächtliche Firmament über der Bucht pulsierte kurz – wie ein Atemzug im All – dann brach es lautlos und doch spürbar auf. Zwischen Himmel und Wasser glitt ein fremdes Schiff aus den Wolken. Es sank lautlos und elegant herab – ein Lichtstrahl aus einer anderen Welt.

Das Objekt berührte den Strand nicht. Es sank wie ein Tropfen Licht in die Wellen, blieb dort – halb verborgen, halb präsent. Der Sand erbebte kaum merklich.

Die äußere Hülle schälte sich zurück wie eine schimmernde Muschel, und eine Gestalt trat hervor. Zuerst nur ein Umriss, dann Bewegung: die Haut der Ankommenden schimmerte im Mondlicht – nicht grell, nicht fremd im klassischen Sinne, sondern wie feuchter Stein oder das Glitzern von Fischschuppen unter einer sanften Welle.

Die Figur war humanoid, vollkommen aufrecht, mit Augen, die das Dunkel aufsogen, als hätte sie es vermisst.

Ihr Gang war ruhig, fast ehrfürchtig. In ihrem Blick lag kein Staunen – sie hatte diese Welt lange beobachtet, ehe sie sie betrat. Doch ein Hauch von Melancholie durchzog jede ihrer Bewegungen. Ihr Haar, schwarz wie tiefstes Wasser, fiel ihr über die Schultern, während sie auf die Küste zuging.

Eine Hand ruhte auf ihrem Bauch – vorsichtig, fast beschwörend. Unter ihrem Herzen schlug das zweite Leben. Noch unbewusst. Noch namenlos. Doch schon jetzt verbunden mit zwei Welten.

„Erde“, murmelte sie leise – mehr zu sich selbst als zur Welt. „Fremd. Und doch der einzige Ort, an dem wir sicher sein werden.“

Mit festen Schritten betrat sie den Sand. Der Ozean rauschte, als würde er sie begrüßen. Über ihr flackerte der Himmel – und schloss sich dann, als wäre nie ein Schiff gekommen.

Ein neues Zuhause kann aussehen wie Hoffnung — weiß gestrichen, solarbetrieben, still. Aber nicht alles, was glänzt, fühlt sich an wie Neubeginn.

--- Naima ---

Die Straße flimmerte in der Hitze – wie eine Grenze zwischen dem, was war, und dem, was kommt. Acht Stunden Autofahrt hinter mir, weit weg von meiner alten Stadt, meinem früheren Leben. Oder spielt das jetzt noch ’ne Rolle? Meine Gedanken: schwer wie Beton, klamm wie alte Wut – einfach nur beschissen.

Ich hatte seit einer Stunde kein Wort rausgepresst. Meine Mutter tat so, als wär das okay, checkte mich aber ständig mit diesem Blick, der lautete: „Red mal endlich, Mädchen!“

Ich hätte schreien können. Nicht nach außen, sondern nach innen. Warum fühlte ich mich schuldig, obwohl ich nix gemacht hatte? Warum war ich so wütend – auf sie, auf mich, auf alles? Sie wollte ein neues Kapitel. Ich? Ich hing immer noch am letzten Absatz. Manchmal will ich einfach vergessen, dass ich noch existiere. Einfach kurz Pause drücken.

Die Trennung, der Umzug, ihr ständiger Optimismus wie aus ’nem Instagram-Zitat. Ich war nicht traurig. Leer. Und leer frisst dich von innen auf.

„Sieh mal, da drüben ist Kalveran Bay“, quetschte sie heraus, als hätte sie ’nen Oskar verdient. Ihre Stimme viel zu fröhlich – dieses aufgesetzte Glitzern, wenn sie wieder was gutmachen will.

Kalveran Bay. Der Name klang wie billiger Streaming-Kitsch: schöne Menschen, dramatische Wolken und ’n geiles Geheimnis. Dabei war’s jetzt der Header für mein neues Leben.

Ich brummte nur ein „mhm“, das eher wie ’n genervtes Knurren klang.

„Die Straße führt direkt zum Marineinstitut. Liegt einige Kilometer weiter draußen, an der Klippe. Ich hab gestern die Strömungsdaten gecheckt – krass, wie lebendig das Wasser hier ist. Ich platze fast vor Vorfreude.“

Und dann legte sie richtig los. „Das Institut ist das modernste seiner Art, Naima. Weltweit. Hybridlabore, Tiefwassersimulatoren, sogar eigene Satellitenübertragung. Ich kann endlich die Küstenströmungstheorie publizieren!“

Ich nickte, aber innerlich knallte was: Warum muss ihr Glück immer das Ende von meinem sein?

Sie laberte von Plankton, Salzgehalt und Gezeitenkarten und nestelte nervös am Anhänger ihrer Kette, als wäre da drin eine Antwort, die sie nicht aussprechen konnte. Ich hörte halb zu, während mein Blick an einem pink-schimmernden Graffiti kleben blieb: „The tide remembers.“ Darunter: ein Wal mit Flügeln.

Mia hätte das gefeiert. Mia.

Zack – da war sie wieder in meinem Kopf. Wie sie gelächelt hat, dieses leicht müde Grinsen, das nie aufgesetzt war. Ihr Finger am Kinn, dieser Kuss, der mehr war als Haut. Vielleicht war's Liebe. Vielleicht auch nur die Hoffnung darauf.

„Wir wollten uns nicht mehr schreiben“, dachte ich für mich. Wir wollten beide den Cut. Warum fühlte sich das wie ein Verrat an?

Mit der Stirn an der Scheibe starrte ich raus, sah, wie die Landschaft dichter und wilder wurde. Plötzlich: weiße, flache Häuser mit runden Formen, wie gewachsen statt gebaut. Kalkweiß, gegen die Sonne gebleicht. Jedes Dach ein Solarpanzer, jedes Fenster wie ein zufälliger Blick ins Innenleben der Bewohner.

„Alle Häuser sind energieautark“, sagte sie wieder. „Basaltfundamente, lokale Materialien – voll auf Solar. Kalveran war eine der ersten Küstenstädte mit 100 % Solartechnik – sogar die Mall läuft mit Gezeitenstrom.“

Ich murmelte nichts und starrte weiter.

„Neu ist manchmal beängstigend“, meinte sie. „Aber ich schwöre dir, du wirst’s lieben. Es gibt hier ein Fest zur Gezeitenwende – einmal im Jahr, wenn die Mondphase kippt. Die ganze Stadt tanzt unten am Strand, mit Muschelblasinstrumenten und biolumineszenten Laternen. Du musst das mal erleben.“

Ihre Begeisterung war fast ansteckend. Fast.

„Rechts liegt der Schulcampus“, warf sie ein. „Ziemlich groß, oder? Und daneben das Planetarium – offenes Observatorium, freier Zugang, nachts gibt’s oft kosmisches Kino mit Kopfhörern.“

Planetarium. Ich hob die Augenbraue. Sterne, Planeten, Universum? Vielleicht ist doch nicht alles hier Scheiße.

„Noch zwei Wochen Ferien“, murmelte ich. „Perfekter Zeitpunkt zum Ankommen“, versuchte sie es weiter mit einem Lächeln.

Ich drehte mich zu ihr. Ihre Augen müde, aber dieser Glanz – sie lebt fürs Meer. Nach der Scheidung war das ihre Rettung. Jetzt forscht sie am größten Institut der Küste. Und ich? Ich bin nur das, was hängen bleibt, wenn sie ihre Netze auswirft.

„Sieht ’n bisschen leer aus, oder?“, sagte ich und zeigte auf die Straßen, auf die schüchternen Häuser, die sich vor der Sonne ducken.

„Tagsüber sind alle unten am Wasser – in den Mangrovegärten oder auf’m Fischmarkt. In der Luft liegt immer ’ne Mischung aus gegrilltem Tintenfisch, Algensuppe und salzigem Teig. Kalveran lebt zwischen Ebbe und Flut.“

Der Satz blieb hängen. Kalveran lebt zwischen Ebbe und Flut.

Wir bogen um die Ecke – die Bucht lag vor uns wie ein schimmernder Riese. Links glänzten die Kuppeln des Meeresinstituts, rechts ragte ein halb zerfallener Leuchtturm aus den Felsen, schief wie ’n Zahn. Der Leuchtturm sah aus wie etwas, das jemand vergessen hatte. Wie ich.

„Siehst du den Leuchtturm?“, fragte ich. „Karava-Leuchtturm. Seit Jahren stillgelegt. Manche sagen, nachts leuchtet da was, obwohl dort kein Strom liegt.“

Unwahrscheinlich – aber geil. Ich mag das Unerklärliche.

„Da ist es: unser neues Zuhause.“ Ein Häuserblock aus mattem Ton, flach, als hätte ihn jemand aus Sand geformt. Fenster mit Schimmerfolien, die einem zuzwinkern. Unser Haus: das letzte an der Klippenstraße.

Wir hielten. Ich stieg aus. Hitze wie ’ne Wand, aber irgendwie okay. Es roch nach Meer, Staub und reifer Mango. Zikaden zirpten, irgendwo wummerte ein Bootsmotor. Zum ersten Mal dachte ich nicht ans Weglaufen. Ich hörte nur hin.

Meine Mom stellte sich neben mich, Hand über den Augen. „Naima, ich weiß, das war heftig. Ich will nicht nur, dass du funktionierst. Ich will, dass du atmest. Aber ich hoffe, du vertraust mir – und dir selbst.“

Ich nickte. Nicht weil ich’s fühlte. Weil es das Einzige war, was ging.

„Magst du das größere Zimmer? Mit Meerblick und Balkon.“

Ich wollte irgendwas Fieses raushauen, sie fertigmachen. Doch dann sah ich ihren Blick vor mir: einsam vor dem Display, wie sie Wohnungsanzeigen durch scrollte.

„Okay“, sagte ich.

Das Haus war leer: mediterrane Einbauküche, keine Möbel, keine Kartons, kein Teppich. Nur weiße Wände, Steinboden, und der Geruch nach frischer Farbe und Neustart.

„Möbel kommen morgen“, rief sie draußen. Natürlich. Neustart: Reset Level 0.

Zwei Isomatten, ultradünne Decken – Survival-Modus für emotionale Auswanderer. Immerhin: Strom und WLAN funktionierten. Prioritäten.

„Dein Zimmer ist oben“, sagte sie. „Die Aussicht ist inklusive.“

Ich schleppte den Koffer die Stufen hoch. Im Zimmer ließ ich ihn fallen. Nicht aus Erschöpfung – sondern aus Protest gegen dieses ganze ‚Umzugs‘-Theater.

Das Zimmer war größer als erwartet – organisch geschwungene Wände, breites Fenster, Balkon. Ich öffnete die Tür. Salzige Luft schlug mir entgegen, als würde sie flüstern: Du bist da.

Ich trat hinaus. Vor mir das Panorama: tosende Wellen gegen Lavaklippen, silberne Gischt, ein Horizont wie gemalt. Ganz am Rand flackerte ein Licht – Boot oder Signal? Keine Ahnung. Mein Herz machte diesen wilden Sprung. Wenn man was mag, obwohl man’s nicht will.

Trotzdem: hohl. Ein cooler Hintergrund ohne HUD.

Handy raus. Kein Roaming, kein Offline-Modus. Empfang: ein Balken. Zwei. Drei. Fünf. Jackpot.

Ich setzte mich auf den Boden, Knie an die Brust, Kinn auf die Arme.

Kalveran Bay. Neuer Himmel. Fremdes Meer. Und mittendrin: eine, die nicht weiß, ob sie taucht oder treibt.

Dann dieser Moment, winzig und kaum greifbar – als hätte das Meer meinen Namen geflüstert.

~

Die Isomatte quietschte jedes Mal, wenn ich mich bewegte. Zu dünn für den Steinboden. Ich lag verkrümmt, die Balkontüren weit offen. Draußen rauschte das Meer – nicht wie in Meditations-Apps, sondern echt. Unkontrolliert. Einatmend, ausatmend, atmend wie etwas Großes, das noch nicht wusste, dass ich hier war.

Die Nachtluft war warm. Kein typisches Sommernachts-lauwarm wie in unserer alten Stadt – nein, das hier war salzig, feucht, vibrierend. Voll Leben. Ich hörte Dinge, die ich nicht kannte: das ferne Pfeifen eines Nachtvogels, das Knacken der Palmen, das tiefe Dröhnen der Wellen. Als würde die Welt flüstern.

Trotzdem konnte ich nicht schlafen. Ich lag auf der Seite, Gesicht zur Wand, während meine Gedanken sich langsam und leise an Mia anschlichen.

Das Bild von ihr kam langsam, aber unausweichlich: Ihr Lächeln, wie es sich schief verzog, wenn sie etwas sagte, das mehr bedeutete, als sie zugeben wollte. Ihr Blick – der manchmal wirkte, als könnte er jede meiner Lügen sehen. In meinem Kopf begann wieder diese Nacht, die ich versuchte nicht ständig mit mir herumzuschleppen: die letzte mit ihr.

Die Umzugskartons standen längst im Flur. Das Bett war nur noch eine Matratze auf dem Boden, das Zimmer roch nach Staub und Lavendelwaschmittel. Im Hintergrund lief irgendeine Girl-Punk-Playlist. Wir hatten nicht geweint. Wir hatten gelacht – fast trotzig –, während wir nebeneinander lagen. Gesichter nah. Licht aus. Ich sah nur ihren Umriss: feine Schattenlinien. Meine Hand in ihrem Haar. Unsere Körper vertraut. Unsere Nähe längst nicht mehr neu – und trotzdem zerbrechlich.

„Du wirst das Meer mögen“, hatte sie gesagt, ganz leise, während sie mit dem Daumen über meine Wange strich. „Du bist ja eh aus einer anderen Galaxie.“

Ich hatte sie nur angesehen. Keine Antwort. Dann legte ich meine Stirn gegen ihre – um den Schmerz, den ich fühlte, zu verstecken.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie sie langsam mein Kinn hochhob und ihre Lippen sanft auf meine trafen. Unsere Münder öffneten sich, der Kuss wurde geiler. Ich saugte an ihrer Unterlippe – ein leises Stöhnen entkam ihr. Es war, als würde die Welt um uns herum stillstehen. Dann war ich plötzlich unter ihr, ihre bunten Haare fielen ihr ins Gesicht, während ihre braunen Augen vor Verlangen funkelten. Mia, meine Punk-Rock-Queen, sah scheiße heiß aus.

Sie schob ihre Hände unter mein Top, ihre Fingerspitzen streichelten zart über meine harten Nippel, während ihre Zunge meine Lippen erkundete. Ich spürte, wie mein Körper total abging unter ihren Berührungen, und zog sie enger an mich. Wir knutschten leidenschaftlich, ich fuhr mit den Händen durch ihr seidenes Haar, während sie meinen Nippel zwischen die Finger nahm. Sie wusste genau, wie sie mich geil machte, und ich stöhnte vor Lust – Mann, das war so intensiv, ich krieg immer noch Gänsehaut, wenn ich dran denke.

Irgendwann lösten wir uns voneinander, sie zog ihr Top aus und warf es weg, knöpfte ihre Jeans auf. Ich machte es ihr nach, und schon lagen wir beide nur in Unterhosen auf dem improvisierten Bett in dem leeren Zimmer. Meine Hände glitten über ihren Körper, ich spürte, wie sie zitterte, als ich ihre Titten knetete. Sie beugte sich runter und flüsterte mir ins Ohr: „Ich werde dich total vermissen.“ Ich antwortete nicht, zog sie zu mir und küsste sie mit all der scheißverrückten Leidenschaft in mir.

Ihre Lippen glitten von meinen, hinterließen einen feuchten Film auf meiner Haut, während sie sich ihren Weg nach unten bahnte. Sie küsste meinen Hals, biss zart rein, was Schauer über meine Haut jagte. Ich keuchte leise. Ihre Hand glitt über meine Brust, massierte sie sanft, bevor sie über meinen Bauch weiter runterwanderte. Ungeduldig und ein bisschen ungeschickt zog sie meinen Slip aus –ich war schon so mega heiß.

Ihre Augen musterten meinen Körper, als wollte sie sich jeden fucking Zentimeter einprägen. Dann beugte sie sich vor, ihre Lippen trafen meine Haut und bahnten sich den Weg zwischen meine Schenkel. Ich war schon ganz feucht, bereit für sie. Ihre Zunge umspielte meinen Kitzler, ich warf den Kopf zurück. Ein tiefer Seufzer entkam meinem Mund. Ihre Berührungen waren perfekt – nach all der Zeit wusste sie genau, welche Knöpfe sie drücken musste, um mich um den Verstand zu bringen.

Ihre Finger glitten in mich rein, ich spürte sie tief in mir. Mein Atem kam in schnellen Zügen, ich drückte meine Hüften gegen ihre Hand. Ich wollte mehr. Mehr von ihr. Ihre Zunge, ihre Finger – mein Körper zitterte vor Verlangen, und ich wusste, dass ich gleich kommen würde. Meine Atemzüge wurden schneller.

Ich griff fest in ihre Haare. Meine Muskeln spannten sich an, während der Orgasmus nahte. Mia spürte es und hörte nicht auf, bis ich laut aufstöhnte und meinen Höhepunkt total auskostete. Ihre Finger glitten aus mir heraus; ich zog sie eng an mich in eine Umarmung. Ich schloss die Augen, ließ den Moment wirken, spürte ihre warme Haut und ihren Atem in meinem Nacken. Alles fühlte sich so scheiße vertraut an – zu vertraut, verdammt.

Einen Wimpernschlag später entzog sich Mia der Umarmung, drehte sich auf den Bauch und reckte ihre Hüften in die Luft – klarer Blickkontakt: Sie wollte es wieder so haben. Ich kniete mich hinter sie, fuhr mit den Händen über ihren geilen Arsch. Dann wanderte meine Hand zu ihrer Pussy, ich spürte, wie heiß sie war – mich zu befriedigen hatte sie total angemacht. Ich massierte ihren Kitzler und drang mit zwei Fingern in sie ein. „Oh ja, das fühlt sich so geil an“, stöhnte Mia. Ich fickte sie in einem langsamen, gleichmäßigen Tempo. Mia stöhnte lauter, bewegte ihre Hüften im Takt. Ich spürte, wie sich ihre Vagina um meine Finger zusammenzog, ihr Körper zitterte, als sie kam.

Später lagen wir wieder nebeneinander, eng umschlungen.

„Glaubst du, du wirst neue Leute kennenlernen?“, hatte sie gefragt. „Weiß nicht“, hatte ich erwidert. „Dann bleib einfach du. Der Rest ergibt sich.“

Ich hatte geschwiegen. Nicht aus Angst. Sondern weil ich nichts kaputt machen wollte. Und dann war da Stille. Keine bedrückende. Eher eine, die Platz ließ – für das, was unausgesprochen zwischen uns hängen würde. Für das, was vielleicht nie gesagt werden musste. Nur das Wissen: Es war vorbei.

Unsere letzte Nacht war unvergesslich. Und wir wussten, dass wir für immer in unseren Herzen verbunden bleiben würden.

Bei der Erinnerung spürte ich das Verlangen, ihr zu schreiben. Nur ein Satz vielleicht. „Ich bin angekommen.“ Oder: „Es ist leiser hier.“

Aber ich tat es nicht. Ich schluckte nur den Kloß runter, der sich in meinem Hals gebildet hatte. Wir hatten einen klaren Schnitt vereinbart. Ein Cut. Kein Nachzittern. Kein „Vielleicht doch“. Weil wir beide wussten, dass die Entfernung alles zerrieben hätte – langsam, gründlich. Und weil wir wussten, wie schön es gewesen war. Solange es existierte.

Ich atmete tief ein und aus. Sie gehörte zur Vergangenheit. Und das hier – das Meeresrauschen, der seltsam fremde Wind, das nackte Zimmer – das war Gegenwart. Meine.

Langsam sanken meine Gedanken tiefer. Verflossen in Bilder, Farben, Stimmen ohne Worte...

Der Traum kam langsam.

Ich stand am Strand, barfuß, die Zehen im nassen Sand. Nacht. Der Wind zerrte an meiner Kleidung, aber ich fror nicht. Vor mir das Meer – unendlich, schäumend, ungestüm. Die Wellen bauten sich auf wie Mauern aus dunklem Glas. Viel zu hoch, um real zu sein. Gischt flog durch die Luft, berührte mein Gesicht wie scharfe Splitter.

Über dem Horizont: ein Licht. Nicht Sonne. Kein Boot. Etwas anderes. Etwas, das hing, pulsierte – als würde es mich erkennen.

Ich wollte zurückweichen. Aber meine Füße blieben stehen. Die Wellen kamen näher, türmten sich auf, fast über mir – doch dann: Stillstand.

Der Moment vor dem Fall. Ich hielt den Atem an.

Aber es fiel nichts.

Da war nur Licht.

Ein Blick kann mehr sagen als die besten Gespräche am Tisch. Während alles laut ist, passiert etwas Leises, das bleibt. Manchmal ist es nur ein Refrain, der die Richtung ändert.

--- Naima ---

Ich wurde wach, weil jemand in der Küche fluchte.

Das war definitiv meine Mutter. Und definitiv eine Kaffeemaschine, die nicht tat, was sie sollte.

Der Gedanke an das Licht blieb wie ein flimmernder Bug im Hintergrund – nicht störend, aber immer da.

Ich schob mich mühsam von der Matte hoch, streckte mich und spürte jeden Muskel. Mein Rücken war Matsch – als hätte ich einen Bossfight ohne Health-Potion überlebt.

Durch das Fenster fiel ein weiches Morgenlicht – bläulich, mit der Ahnung von Tropen. Und Salz.

Ich tappte barfuß die Treppe hinunter.

In der Küche roch es nach Kaffee, Toast und mildem Stress.

„Guten Morgen.“ rief meine Mom und schenkte mir ein Lächeln.

„Die neue Herdplatte ist hypersensibel – aber hey, es gibt Kaffee! Und Mangoaufstrich aus der Region“, sagte sie, als ich mich an den improvisierten Campingtisch setzte: zwei Kartons, ein schiefes Holzbrett, zwei Becher.

„Luxus“, murmelte ich – aber ohne Ironie.

„Ich hab heute Nacht kaum geschlafen, und dann hatte ich einen absolut weirden Traum“, sagte ich und biss in mein Toastbrot.

„Na, schieß los.“

„Ich stand am Strand. Und das Meer war riesig. Und … da war ein Licht über dem Wasser. So groß wie ein Haus. Es hat irgendwie geblinkt. Und ich konnte nicht weglaufen – nicht weil ich nicht wollte, sondern weil das Licht mich festhielt wie ein Gedanke, den man nicht zu Ende denkt.“

Sie hob die Augenbrauen und nippte an ihrem Kaffee. „Man sagt, der erste Traum im neuen Zuhause geht in Erfüllung.“

Ich schnaubte. „Na hoffentlich nicht. Das war … absurd.“

„Aber spektakulär, oder? Vielleicht solltest du ihn aufschreiben – für den Fall, dass du irgendwann begreifst, was er bedeutet.“

Ich lächelte müde.

Ich glaubte nicht an Traumdeutungen. Aber irgendwo tief in mir vibrierte noch immer ein Echo. Wie der Nachhall eines Liedes, dessen Melodie man nicht mehr ganz greifen kann – aber das Gefühl bleibt.

Wir aßen schweigend weiter – aber nicht unangenehm. Der Kaffee war überraschend stark, und durchs offene Küchenfenster zog eine salzige Brise vom Meer herein.

Ich stützte mein Kinn auf die Hand. „Warum hast du eigentlich nicht das Zimmer mit dem Balkon genommen?“

Sie sah zu mir rüber. „Weil ich den begehbaren Kleiderschrank wollte.“

Ich blinzelte. „Wirklich? Aber die Zimmer liegen doch beide oben, gegenüber. Meins ist um einiges größer. Und hat eben … den Ozean vorm Fenster.“

„Na klar“, grinste sie. „Endlich genug Platz für Jacken, Schuhe, den ganzen Kram. Und ich seh da unten eh nix vom Meer – morgens bin ich zu blind und abends zu müde.“

Manchmal frage ich mich, ob ihr Kleiderschrank das ist, was sie vom alten Leben mitgenommen hat.

Ich schnaubte. „Ich hätte da drin ehrlich gesagt wahrscheinlich ein Zelt aufbauen können. Ich hab kaum genug Zeug, um ein Billy-Regal zu füllen.“

Klamotten waren mir egal – Hauptsache bequem und unkompliziert – Jeans mit rissigen Knien, Basic-Shirts, vielleicht ein Hoodie mit Kapuze, die zu tief saß. Meine Lieblings-Chucks waren auf der Ferse zerschlissen, aber sie liefen sich besser als jeder neue Schuh. Dazu Ringe aus dem Secondhand-Shop, ein Patch am Rucksack, der mal ein Skate-Label war, und zerfranste Schnürsenkel in Neon.

Es gab Leute, die nannten das Stil. Ich nannte es: Hirn-Aus-Style.

Trotzdem war ich dankbar, dass sie mir das größere Zimmer überlassen hatte. Auch wenn ich das natürlich nie zugeben würde.

Von draußen hörten wir ein Brummen. Ein größerer Wagen fuhr vor.

„Da kommen unsere Sachen!“, rief sie – und war aus der Tür, bevor ich meine Tasse abgestellt hatte.

Das Umzugsunternehmen war ein Team aus drei Leuten: Schweiß auf der Stirn, Funkgeräte am Gürtel und die Ruhe von Menschen, die jeden Tag durch fremde Leben laufen. Karton für Karton verschwand im Haus.

~

Wir begannen oben, mein Zimmer einzurichten. Meine Mutter half – wir stellten meinen Schreibtisch direkt ans Fenster, die Mehrfachsteckdose wurde strategisch verlegt. Und dann kam er, sorgsam markiert mit einem NEONORANGE-FRAGILE-Aufkleber: das Allerheiligste. Der Karton mit meinem Gaming-Setup.

Innen: mein Mid-Tower im weißen Gehäuse mit RGB-Fans, ein 34-Zoll-Ultrawide-Monitor, mechanische Tastatur (natürlich linear), Maus mit Daumenscroll und meine Noise-Cancelling-Headphones.

Es war mehr als Technik – es war mein Rückzugsort, mein Sternentor raus aus dem Jetzt.

Ich lächelte. Ein Stück Zuhause.

Ich baute alles sorgsam auf, schob die Soundpads aus Schaumstoff in die Ecken, klemmte Poster an die Wand. Eins zeigte einen Ringplaneten, das andere ein Fanart von Eydra Rising – dem MMO, in dem ich unzählige Missionen mit meinem Team erlebt hatte. Meine kleine Onlinefamilie.

„Sieht jetzt schon mehr nach dir aus“, sagte Mom, und ich ließ mich in meinen Gaming-Stuhl fallen.

Mein PC stand da, elegant wie eine Raumkapsel kurz vor dem Start. Ich hätte ihn nur einschalten müssen. Nur ein Knopfdruck – und Raeziia würde wieder auf dem Orbitdeck von Vyral-7 stehen, den Blick aufs nächste Abenteuer gerichtet.

Aber ich drückte den Knopf nicht.

Noch nicht.

Ich sah mich kurz selbst im Monitor – wie ein Avatar, der geladen wird, aber noch keine Klasse hat.

Meine Mutter stand vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt. „Da wir hier fertig sind, kannst du dir gern den restlichen Tag freinehmen und ein bisschen rausgehen.“

Ich sah zu ihr. „Rausgehen? Jetzt?“

„Ja. Ein bisschen spazieren. Den Weg runter zur Bucht. Oder in den Ort. Die Mall ist ganz nah.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du brauchst vielleicht Hilfe beim Auspacken.“

Sie lachte. „Nett, dass du’s versuchst. Aber ich hab hier alles im Griff. Und du darfst dir einen 50er-Schein aus meinem Portemonnaie nehmen. Als Notfall-Kulturschock-Ausgleich.“

„Also Bestechung?“

Sie grinste, ging zur Tür und sah mich kurz vorm Rausgehen noch einmal an. „Praktische Diplomatie würde ich es nennen.“

Ich drehte mich zu meinem PC, legte die Hand auf das Gehäuse. Ehrlich? Ich wollte bleiben. Nicht raus. Nicht jetzt. Hinter der Rüstung meines Avatars verschwinden. Keine fremden Stimmen, keine neuen Gerüche, kein Sand zwischen den Sohlen.

Aber dann stand ich auf. „Okay“, murmelte ich. „Vielleicht ein kleiner Spaziergang.“ „Gute Entscheidung“, hörte ich ihre Stimme aus dem Flur.

Ich schob die Schublade meines Schreibtischs auf und ließ die Finger kurz über das matte Gehäuse meiner Handheldkonsole gleiten. Sie war alt, ein bisschen zerkratzt, mit einem Sticker, der halb abblätterte – aber sie funktionierte immer. Sogar offline.

Heimlich, fast ohne nachzudenken, ließ ich sie in meinem Rucksack verschwinden. Nicht, dass ich vorhatte, mitten auf der Straße zu zocken. Aber man weiß ja nie. Vielleicht war es einfach gut, einen Teil meines Universums bei mir zu haben. Sie war mein Backup-System. Falls draußen alles abstürzen sollte.

Ich griff mein Handy und schnappte mir die Kopfhörer. Unten steckte ich die fünfzig Dollar ein, die meine Mutter mir angeboten hatte, und setzte meine Sonnenbrille auf.

Die Tür klickte leise – als hätte selbst sie keinen Bock.

Die Straßen da draußen waren wie ein Ladebildschirm, aber für ein Spiel, das ich nicht kannte.

„Tschüss, Mom“, rief ich, als ich das Haus verließ.

Die Tür fiel zu. Die Luft war anders – heller, fremder, als hätte jemand das Level gewechselt.

Vielleicht war ich noch nicht angekommen. Aber ich hatte zumindest beschlossen, einen ersten Schritt zu machen.

 

--- Klea ---

Die Geräuschkulisse im Diner war ein Mix aus klirrenden Gläsern, dem Quietschen der Sitzpolster und einem übermotivierten Synth-Playlist-Loop, der verzweifelt versuchte, Strandstimmung zu erzeugen. Ich saß mit dem Rücken zur Fensterfront, ein Bein angewinkelt auf der Bank, eine Cola in der Hand, die langsam ihre Kohlensäure verlor, während Alys mir beiläufig den Nacken kraulte.

Ihr Lachen vibrierte gegen meine Schulter, als sie gerade Nova zum dritten Mal ins Wort fiel, während Lejo versuchte, aus einer Serviette ein Raumschiff zu falten.

Die Atmosphäre war vertraut – laut, etwas klebrig.

Ich war Teil des Gesprächs, aber nicht ganz.

„Du bist heute voll dreamy“, sagte Alys leise. Ich spürte ihren Blick – warm und ein bisschen suchend.

Ich zuckte halb grinsend mit den Schultern. „Bin einfach müde. War gestern zu lang online.“

Nova zog eine Braue hoch und schob ihr Tablett beiseite. „Online mit deiner Lieblingsserie oder deinem romantischen Karussell?“

„Irgendwo zwischen Staffel fünf und Beziehungsfolge 200“, murmelte ich und ließ das Grinsen kurz aufblitzen – mehr Reflex als ehrliches Gefühl.

Nova lachte leise, ganz in ihrem Element.

Alys jedoch schwieg. Ihre Finger hörten auf, sich zu bewegen, wie eine Playlist, die du abrupt pausierst – ohne dass jemand den Grund kennt. Sie griff zu ihrem Bubble Tea. Für einen Moment starrte sie einfach nur auf das Muster im Glas. Nicht beleidigt. Nicht dramatisch. Nur still.

Das war eigentlich schlimmer.

Ich senkte den Blick auf meine Cola und spürte den kleinen Stich. Nicht das erste Mal. Nicht fremd. Aber auch nichts, was man ignorieren konnte.

Ich mochte sie wirklich. Sie war warm, klug, und wenn sie lachte, schien die Luft ein bisschen leichter zu werden. Aber Nähe blieb bei mir immer auf Abruf. Körperlich? Klar. Emotional? Bitte keine Tiefe. Bitte keine Fragen, die ich nicht beantworten kann – schon gar nicht über mich.

Nähe bedeutete immer auch Gefahr. Weil es dann nicht mehr nur um mich selbst und das Jetzt ging, sondern um alles, was ich nicht sagen konnte. Nicht durfte.

Ich verdrängte das wie’n übertrieben heißen Coffee-to-go und ließ den Blick abgleiten – suchte nach einer anderen Frequenz.

Und dann sah ich sie.

Einen Tisch entfernt. Allein. Locker in den Sitz gelehnt, ein Tanktop in verwaschenem Petrol, Shorts mit aufgenähten Patches. Die Chucks sahen aus, als wären sie durch mindestens drei Sommer gerannt, aber sie trug sie, als wären sie ein Teil von ihr.

Kopfhörer über den Ohren. Auf dem Tisch lag eine Handheld-Konsole, halb unter einer Serviette versteckt. Kein Zocken. Nur Dasein. Und Beobachten.

Sie sah mich an.

Nicht plump. Nicht herausfordernd. Einfach ehrlich.

Diesen Blick hatte ich schon tausendmal erlebt – in Clubs, beim Tanzen, am Strand, in Gesprächen, die flackerten wie Neonlicht.

Aber das hier war nicht vergleichbar.

Wenn jemand dich ansieht, ohne dich zu mustern – ist das dann Nähe oder nur ein schöner Irrtum?

Ihre Augen trafen meine – nicht aus Neugier, sondern aus etwas, das sich anfühlte wie Erkennen.

Ich konnte nicht anders. Ich lächelte. Ganz kurz. Ganz echt. Kein Flirt. Kein Spiel. Nur ein Signal: Ich hab dich gesehen.

Sie blickte weg. Langsam. Nicht panisch. Eher wie jemand, der den Moment begrenzen muss, bevor er zu groß wird.

Einen Augenblick später stand Nova auf.

„Ich brauch Sonne. Und Sand. Ihr kommt mit – oder chillt ihr hier weiter wie deep-fried Toast?“

Lejo stöhnte gespielt. „Ich hab gerade erst mein Zitroneneis bekommen!“

„Das nimmst du einfach mit. Eis-to-go ist offiziell ein Lifestyle“, warf ich grinsend ein.

Alys rutschte neben mir aus der Sitzbank, schob sich ihre Sonnenbrille in die Haare. „Strand klingt gut. Vielleicht spült uns das Meer ja endlich die Sommerromantik an, die du bisher verweigerst.“

„Spoiler: Das Meer ghostet mich emotional längst“, sagte ich trocken und winkte dabei der Kellnerin zu.

Während die Gruppe sich sammelte und Nova schon einen Beat auf ihrer kleinen Speakerbox startete, warf ich noch einen letzten Seitenblick zum Tisch.

Sie saß noch da. Und diesmal hielt sie meinen Blick.

Darin war was – wie eine Cutscene, die dich kurz rauszieht, bevor du wieder weiter musst.

Meine Mundwinkel zuckten. Kein weiteres Lächeln. Kein Gespräch.

Nur der Moment.

 

--- Naima ---

Die Sonne hatte sich festgebissen. Nicht grell, aber konstant – wie ein leicht übergriffiger Gedanke, der sich nicht abschütteln ließ. Ich war den Weg zur Mall runtergeschlurft, den Rucksack locker auf dem Rücken, Kopfhörer schon über den Ohren. Der Asphalt fühlte sich heiß an, obwohl ich Chucks trug. Meine Shorts klebten am Oberschenkel, das Tanktop war klamm am Rücken. Tropisch war hier nicht nur ein Klima – sondern ein Modus.

Die Mall lag zwischen Palmen und Solarpaneelen, ein Mix aus Stahl, Glas und versuchter Coolness. Ich trat durch die Schiebetür und wurde sofort von der Klimaanlage empfangen. Es war wie ein Sprung ins Aquarium. Leute, Geräusche, Gerüche – alles ein bisschen zu viel, aber nicht unangenehm.

Ich wollte nichts kaufen. Ich wollte nur … woanders sein.

Am Wegweiser blieb ich stehen. Neben der Drogerie, der Teebar und irgendwas mit „Eco-Fusion“ stand: PlayerVerse – Level 2. Ich musste grinsen. Kalveran Bay hatte einen Gamingshop. Wie absurd, dass mir das fast gute Laune machte.

Aber erst mal: Essen. Ich war seit dem Frühstück auf Wasser unterwegs. Der Duft im Diner war fettig und ehrlich – Bratpfanne, Mango-Chili-Sauce und zu viel Vanille in der Luft. Mein Magen meldete sich sofort. Ich schlurfte zum Terminal, tippte mein Wunschmenü ein: Veggie-Burger mit scharfer Sauce, Pommes und eine kalte Guave-Limo.

Das System blinkte. Bestellung in Bearbeitung. Platzwahl: frei.

Ich nahm das Tablett, schnappte mir mein Getränk vom Tresen und ließ den Blick durch den Raum gleiten. Ich ergatterte einen Einzeltisch an der Seitenwand, direkt an der Fensterfront. Mein Blick wanderte kurz raus – flirrende Luft, Möwe auf Mülltonne, ein Skateboarder auf halb zugeklebtem Asphalt.

Ich lehnte mich zurück, zog die Kopfhörer wieder über die Ohren. Der Beat war da. Meine Welt. Mein Rückzugsort.

Und genau dann sah ich sie.

Einen Tisch entfernt. Lange schwarze Korkenzieherlocken, Haut wie warme Bronze, olivgrüne Augen, die eher schauten als starrten. Sie saß mit einem Bein angewinkelt auf der Polsterbank, den Ellbogen lässig auf der Rückenlehne. Keine Berührung mit dem Mädchen neben ihr. Aber sie war präsent – mittendrin. Und trotzdem … irgendwie allein.

Ich glotzte nicht – aber ich hab sie gesehen.

In dem Moment trafen sich unsere Blicke. Kurz.

Und als hätte sie mich bemerkt – wirklich bemerkt – schenkte sie mir ein Lächeln. Nicht überheblich. Nicht flirtend. Nur … ehrlich.

Und exakt in diesem Moment vibrierte der Refrain von Girl in Red in mein Ohr:

My girl, my girl, my girl … You will be my girl … My world, my world, my world … You will be my girl.

Mein Bauch zuckte, ganz leicht. Ich schluckte trocken. Dann sah ich weg. Einfach nur, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte tun sollen.

Der Song rauschte weiter.

Aber irgendwas darin hallte tiefer. Nicht verliebt. Nicht verwirrt. Nur … als wäre jemand durch meine Frequenz gelaufen und hätte sie kurz neu gestimmt.

~

Die Mango-Chili-Sauce brannte mild auf meiner Zunge. Aber ich schmeckte sie kaum. Ich kaute langsam, mechanisch, während sich der Diner um mich herum in ein Summen aus Gesprächen und Klimaanlagenatem verwandelte.

Ich hätte mir ein paar Notizen machen können. Über Raeziia. Über den nächsten Build. Stattdessen starrte ich auf mein leeres Guaveglas, als wäre darin eine Antwort versteckt.

Meine Kopfhörer liefen noch immer – leiser jetzt, ein anderer Track. Aber der Refrain vibrierte immer noch in meinem Kopf.

You will be my girl …

Ich ließ den Blick schweifen. Eigentlich aus Langeweile. Und dann bemerkte ich Bewegung.

Die Leute am Nachbartisch begannen sich zu sammeln. Stimmen wurden lauter, ein Rucksack schrammte über die Bank, eine blonde Person kicherte, während sie sich die Tasche umhängte. Einer der anderen hielt sein halb geschmolzenes Eis wie ein zerbrechliches Artefakt. Der Typ mit den langen Haaren ließ die Serviette wie einen Umhang über seine Cola flattern.

Und sie – das Mädchen mit den Olivaugen – stand als Letzte auf.

Ihre langen Locken sprangen bei der Bewegung auf wie lebendige Linien. Sie schob die Sonnenbrille in die Haare, warf einen kurzen Blick zur Tür.

Und dann zu mir.

Noch einmal.

Ich erstarrte nicht. Aber ich wurde langsamer. Dieser Blick war kein Versehen.

Ich hielt den Atem nicht an. Aber mein Magen zog sich ein kleines bisschen zusammen, als sie den Blick hielt. Nicht lang. Aber lang genug, dass er hängen blieb.

Dann waren sie draußen. Die Tür glitt auf, die Sonne überflutete das Diner wie ein Wasserfall aus Weiß, und die Gruppe verschwand in der Helligkeit – Stimmen, Schatten, der Rhythmus ihrer Schritte.

Ich saß noch da und starrte auf mein Tablett. Mein Burger war aufgegessen, die Serviette zerknüllt.

Mit dem Tablett in der Hand setzte ich mich in Bewegung und brachte es zur Geschirrrückgabe.

Die Musik hatte gewechselt. Aber mein Kopf war noch voll von ihr. Die Olivaugen. Die Korkenzieherlocken. Das Lächeln war nicht laut. Aber es blieb. Wie ein Satz, den jemand nur für dich gedacht hat.

Ich trat aus dem Diner und ging einfach los. Der Gang war leer, aber meine Gedanken liefen neben mir her – wie Schatten, die nicht ganz zu mir gehörten.

PlayerVerse – Level 2.

Ich folgte dem Schild, als wäre es eine Questmarkierung. Nicht mutig. Aber bereit, wenigstens so zu tun.

Ein neues Level beginnt nicht immer mit einem Klick — manchmal reicht ein Blick. Doch nicht alles, was leicht erscheint, ist ohne Gewicht. Manche Begegnungen landen wie ein Volleyball im Sand: zufällig, aber nicht bedeutungslos.

 

--- Naima ---

 

Ich trat durch die Glastür, und war sofort woanders.

PlayerVerse war riesiger, als ich erwartet hatte. Nicht einfach ein Shop, sondern ein halbes Universum. Neonakzente an den Regalen, Digitalpostings an den Wänden, ein halbdunkler Bereich mit VR-Pods im hinteren Drittel. Merchandise stapelte sich in Farbwelten – Figuren, Karten, Shirts, Spielhüllen. Die Decke war hoch, die Luft kühl, und irgendwo vibrierte leise ein Track, den ich kannte: der Soundtrack von LastSignal IV.

Ich blieb stehen. Nur kurz.

Ein Verkäufer an der Eingangssäule nickte mir zu, freundlich, aber nicht aufdringlich. Kein „Kann ich helfen?“ Kein „Suchst du was Bestimmtes?“

Ich liebte das. Einfach nur sein dürfen.

Ich driftete durch die Regalreihen, streifte kurz die Collectibles, blieb dann bei den Erweiterungen stehen. Mein Herz zuckte, als ich den silberfarbenen Download-Package für Eydra Rising: EchoWars entdeckte — mein MMO.

Ich griff zu. Ohne groß zu überlegen. ‚Heute Abend würde ich wieder drin sein.‘

Wieder bei meinem Team.

Bei Nyla und ColeShields und Runko, der immer zu spät kommt.

Nyla hatte mir mal ein seltenes Item geschickt, ohne ein Wort – einfach so. Ich war da gerade ziemlich durch. Und ich hatte damals nichts gesagt. Nicht mal ‚Danke‘. Aber ich wusste, dass sie’s gespürt hatte – dass ich kurz davor war, alles zu löschen. Vielleicht war es genau das, was mich gehalten hat.

Wir waren nicht verwandt, nicht mal aus denselben Ländern.

Aber sie waren meine Online-Familie.

Die, bei der ich nicht erklären musste, warum ich immer zurück in die Welt will, die aus Quests und Pixelsonnen besteht.

Ich war seit Wochen nur sporadisch online gewesen.

Mia mochte es nicht.

Sie hatte nie verstanden, warum ich überhaupt spielen wollte — warum meine echte Welt nicht reichte. Ich hatte versucht, offline zu sein. Für sie.

Aber irgendwie war ich dabei leiser geworden.

Ich zahlte, steckte das Paket in meinen Rucksack, sah noch einmal kurz zum Poster mit dem nächsten Update.

Mein Finger glitt über das Releasedatum.

‚Heute war wieder ein Ich-Tag.‘

Ich beschloss noch einen Abstecher zum Strand zu machen. Zwar hatte ich keine Badeklamotten dabei, aber das war egal. Ich wollte nicht ins Wasser. Ich wollte einfach irgendwo sitzen. Still sein. Nicht aus Müdigkeit – aus Sehnsucht nach einem Moment, der nur mir gehörte.

Und so trat ich aus der Mall. Die Tür glitt hinter mir zu, und sofort war alles langsamer.

Die Luft roch nach Salz, warmem Asphalt und einer Brise, die wie ein unaufdringliches Gespräch meine Wangen streifte. Ich hatte meine Overears noch auf, der Song mischte sich in die Geräusche der Straße — Bass, Wind und ein Chor aus leisen Stimmen, die an mir vorbeizogen.

Ich ließ mich treiben. Der Weg zum Strand war nicht lang. Die Bucht breitete sich vor mir aus wie ein versprochenes Freiraum-Upgrade: Weitläufig, ruhig, nicht leer, aber auch nicht überlaufen.

Ein paar Familien saßen in lockeren Streifen im Sand, eine Frau las in einem Buch mit zerknicktem Cover, zwei Jungs versuchten, eine Drohne zwischen Palmen zu navigieren. Niemand laut. Niemand störend.

Unter einer schräg gewachsenen Palme, deren Stamm aussah wie ein halber Fragezeichenbogen, fand ich einen schattigen Platz und ließ mich auf den warmen Sand sinken. Die Wurzeln drückten leicht durch den Boden, mein Rucksack wurde mein Rückenkissen.

Ich schaltete den Handheld an, verband ihn über Bluetooth mit meinen Kopfhörern. Der Ladebildschirm glühte in Pastellfarben, und dann rollte die Musik von StarSprout Hollow in mein Ohr — wie eine pixelige Umarmung.

Ein Cosy Game.

Mein Rückzugsort. Nicht Flucht. Nur Raum für mich. Für die Teile, die sonst keinen Platz fanden.

Während um mich herum die Welt langsam vibrierte — Möwen, Stimmen, Wind — tauchte ich ein: In mein Dorf.

In bunte Felder, kleine Aufgaben, PomPom die Katze, die mir heute zum fünften Mal dieselbe Blume schenkte.

Und mitten in all dem dachte ich kurz an sie.

Olive Augen. Schwarze Locken. Der Blick, der nicht gefragt, aber gespürt hatte.

Ich drückte den Stick nach rechts, sammelte Sonnenbeeren.

Aber mein Kopf war noch nicht ganz da. Noch nicht ganz zurück. Nur dabei, sich langsam wieder zu sortieren.

 

--- Klea ---

 

Ich hatte meine Locken zu einem Dutt gezwirbelt, halb lässig, halb praktisch – sie kleben sonst wie Algen am Rücken, wenn ich zu lange im Wasser bin. Das Meer war türkis. Glasklar, warm, vertraut. Ich kannte jede Strömung, jede Falte in der Sandbank unter meinen Füßen. Die Bucht war ein Teil von mir – nicht nur Kindheit, sondern auch Herkunft.

Ich tauchte ab.

Das Salz prickelte wie Codes auf meiner Haut, flüsterte etwas, das ich nie laut sagen könnte.

Mit Alys alberte ich herum, ließ mich untertauchen, küsste sie, als ob das die logische Reaktion wäre. Nicht aus Berechnung, eher wie eine Choreo, deren Schritte ich kannte – aber diesmal nicht fühlte. Für ein paar Minuten war alles vibrierend leicht, hell, beinahe schwerelos.

Später saßen wir nebeneinander auf dem Strandtuch, unsere Beine streiften sich, ihr Kopf lehnte gegen meine Schulter. Ich schob ihr eine der überflüssigen Haarsträhnen aus dem Gesicht und ließ meinen Blick über die Bucht gleiten.

Und dann sah ich sie wieder.

Das Mädchen vom Diner.

Sie saß gar nicht weit von uns – unter einer Palme, halb im Schatten, ein Bein angezogen. Ihr braunes Haar war zu einem schlichten Pferdeschwanz gebunden, aber einzelne Strähnen hatten sich befreit und wehten im Wind, leicht wie Gedanken, die sich nicht festhalten lassen. Sie saß ruhig, aber ihre Finger bewegten sich, als würde sie einem Track folgen, den nur sie kannte.. Die Overears saßen perfekt auf ihrem Kopf, als wären sie Teil von ihr.

Sie war ganz versunken in ihrer Welt.

Nicht abweisend.

Nicht auffällig.

Aber eindeutig.

Ich beobachtete sie länger, als ich sollte.

Ich erinnerte mich an ihr Gesicht im Diner.

Den Moment, in dem sich unsere Blicke getroffen hatten.

Und wie sie zurückgeschaut hatte – ohne Spiel, ohne Maske.

Es war ein Blick, der mich für einen Moment aus meiner Routine gerissen hatte. Ein Blick, der nicht nur gesehen, sondern gespürt hatte.

Ich hatte kurz gezögert, bevor ich mein Glas nahm. Ihre Augen hatten etwas gesagt, das ich nicht einordnen konnte. Etwas, das mich beschäftigt.

Ich spürte, wie Alys sich enger an mich schmiegte. Ich streichelte kurz über ihren Arm, aus echtem Wunsch nach Nähe – aber auch, um sie zu beruhigen. Ich wusste, dass sie etwas spürte. Dass sie ahnte, wo mein Blick gerade war.

Alys redete neben mir, fragte, ob wir später zum Pier gehen und wir noch Mango-Eis holen wollen. Ihre Stimme war leicht, aber dazwischen war ein Lufthauch – als würde sie hören, was ich dachte.

Ich antwortete kurz.

Ich war noch bei ihr.

Aber ein Teil von mir war schon woanders. Alys war die Konstante. Aber sie war nicht die Frequenz.

Dann sprang Nova vom Tuch auf und rief: „Wer ist für Volleyball?“

Lejo war sofort dabei, Alys auch. Ich ließ mich mitziehen, wischte mir den Sand von den Beinen, band meine Locken fester zum Dutt.

Der Sand brannte leicht unter den Füßen, aber ich mochte das. Es hielt mich wach. Der Platz war improvisiert – das Netz schief, die Linien aus Sonnenmilchflaschen, aber das war uns egal. Nova hatte einen Ball organisiert, und wir hatten beschlossen, uns gegenseitig völlig zu zerlegen. Aus Spaß. Aus Sommer. Aus dem Wunsch, uns mit Muskelkater vom Tag verabschieden zu können.

Alys war neben mir, ihre Stimme war hell, ihr Lachen leicht zu viel, aber ich liebte genau das an ihr. Manchmal war sie wie ein warmes Handtuch nach dem Meer – weich, sicher, aber auch irgendwie bindend. Ich erwiderte ihre Berührungen. Ich küsste sie.

Nach ein paar Runden blockte ich halbherzig, der Ball rutschte mir ab und segelte über das Netz hinweg, vorbei am Rand des Feldes – direkt in Richtung Palme.

Dorthin, wo sie saß.

Ich sah, wie sie aufschaute.

Die Konsole auf dem Oberschenkel, die Finger kurz innegehalten, dann der Blick zu mir.

Klar.

Neutral.

Aber da.

Ich zögerte, der Gedanke war da, einfach so:

‚Frag sie doch, ob sie mitspielen will.‘

Der Ball war nicht wichtig. Ich wollte wissen, ob sie mich sah – nicht nur optisch. Wirklich. Vielleicht war das der eigentliche Pass – kein Volleyballball, sondern eine Frage ohne Worte.

Sie wirkte nicht schüchtern.

Nicht desinteressiert.

Sie hatte Präzision in ihrer Haltung.

Und Rhythmus im Blick.

Ich öffnete den Mund.

Spürte, wie mein Bauch kurz reagierte – dieses kurze Ziehen, wenn man etwas sagt, das man nicht gewöhnt ist.

Und schloss ihn wieder.

Zu viele Leute.

Zu viel Unsicherheit in mir.

Zu wenig Erklärung für diesen Impuls, den ich kaum greifen konnte.

„Sorry!“ rief ich stattdessen, halb lachend. „Wirfst du bitte den Ball zurück?“

Sie sah mich an.

Nicht fragend.

Nicht ausweichend.

Einfach nur... als wüsste sie, dass dieser Moment mehr war als eine Ballrückgabe.

Dann stand sie auf.

Ihre Bewegungen waren ruhig, kontrolliert. Kein Stolpern, kein Zögern.

Der Ball kam direkt zurück.

Ich fing ihn.

Lächelte.

„Danke“, sagte ich.

Mehr nicht.

Aber meine Stimme war ein bisschen wärmer, als ich es erwartet hatte.

Sie setzte sich wieder, als hätte der Moment keine Nachbeben.

Aber ich spürte sie noch.

Ihren Blick.

Wie sie mit mir kommuniziert hatte, ohne ein Wort zu sagen.

Alys tippte mir auf die Schulter, rief irgendwas über das nächste Match. Ihr Lächeln war hell – fast wie ein Schutzschild. Ich hatte diesen Blick schon einmal gesehen – wenn sie ahnte, dass mein Kopf woanders war, sie aber zu stolz war, etwas zu sagen.

Ich war wieder im Spiel. Aber ganz zurück? Noch nicht.

Eher bei einem Impuls, den ich verschluckt hatte.

Bei einem Mädchen, das vielleicht die Frequenz kannte, die ich sonst nur unter Wasser spürte.

Zwischen Realität und Realitätsflucht. Manchmal sind es digitale Avatare, die das sagen, was offline nie gelingt.

 

--- Naima ---

 

Der Akku war leer.

Nicht nur der vom Handheld - auch meiner. Mein Energielevel: kritisch. Ich hatte zu lange in der Sonne gesessen, das Spiel verschwamm irgendwann mit dem Meeresrauschen, und die Realität hatte sich durch meine Kopfhörer geschlichen wie ein leiser Zwischenruf.

Als ich aufschaute, war die Freundesgruppe vom Diner-Girl noch da. Sie saß auf einem Strandtuch, Sonnenbrille auf der Nase, ein brünettes, athletisches Mädchen an sie geschmiegt. Die anderen lagen locker drumherum, verstreut. Die Stimmung: eher langsam, eher spätnachmittäglich. Als wäre der Strand in Chill-Modus gewechselt.

Ich schaltete das Gerät aus, steckte es zurück in die Tasche und richtete mich langsam auf. Der Sand war warm unter meinen Sohlen, der Himmel pastellfarben. Der Tag hatte sich gewendet, ohne dass ich es richtig bemerkt hatte.

Ich ließ meine Musik weiterlaufen – etwas Weiches, ohne Gesang, nur vibrierender Synth. Mein Soundtrack für Übergänge.

Die Bucht flirrte noch hinter mir - als wollte sie mich festhalten.

Langsam ging ich durch die Straßen zurück - der Weg war nicht schwer - nur ungewohnt.

Ich erinnerte mich an den Baum mit den drei Stämmen, das Haus mit der Schiffsschraube im Vorgarten, und den schiefen Briefkasten, bei dem man rechts musste, dann der Hügel mit den knirschenden Steinen – mein neuer Alltag in Entstehung.

Die Pastelltöne am Himmel wirkten wie ein Filter, der die Welt kurz ausblendet – genau richtig für Zwischengedanken.

Ich konnte es kaum erwarten.

Die Erweiterung.

Eydra Rising – EchoWars war mehr als ein Update. Es war eine Rückkehr. Zum Flottenflügel. Zur Raumstation. Zu meinem Team. Zu einer Welt, in der ich wusste, wer ich war.

Commander Raeziia / Taktik + Navigation / 432 Einsätze.

Ich hatte mein MMO in letzter Zeit zu oft stehenlassen – wegen Mia, wegen all der echten Welt, der Gespräche über Zukunft, Nähe, „du verbringst zu viel Zeit da drin“ – all das.

Jetzt war niemand da, der mich zurückhielt.

Ich war wieder ich.

Tür auf. Neue Runde Realität. Meine Mutter hatte sich offenbar wacker durch die Kisten gekämpft. Die Couch war freigeräumt, der Boden noch staubig, aber das WLAN blinkte.

„Willkommen zurück“, sagte sie mit einem halben Lächeln, während sie einen Müllsack zuknotete.

Auf dem Küchentresen wartete meine Lieblingspizza auf mich – Tomaten, Käse, Basilikumpesto. Halb eingewickelt in Packpapier, aber perfekt, als wär sie genau für diesen Moment gedacht.

„Ich dachte, du brauchst was Vertrautes“. Ich grinste. „Du bist offiziell meine Heldin.“ „Klar“, murmelte sie, „Pizza zuerst, Ordnung später.“

Ich kickte die Schuhe weg, legte den Rucksack an die Wand, ich setzte mich an den Küchentisch und schnappte mir zwei Stücke auf einmal. Noch sah die Wohnung aus wie ‘ne Umzugslagerstätte. Aber das hier… war ein Anfang. Fast bewohnbar. Fast Zuhause.

„Wie war dein Tag?“ fragte meine Mom, während sie sich mir gegenübersetzte und sich eine Scheibe abschnitt. Ich kaute erst mal, ließ die Frage auf der Zunge liegen. „Ich war in der Mall. Die ist ganz okay. Und rate mal, was da ist – ein PlayerVerse. eine ziemlich große Filiale“ „Oh, wow. Dann kann ich dich da demnächst einchecken und Stunden später wieder abholen, ja?“ Ich grinste. „Wahrscheinlich. Ich hab mir die neue Eydra Rising-Erweiterung geholt. Endlich. Heute Abend tauche ich wieder ein.“ „Oh, das war das Update mit dem Space-Kram, oder?“ Ich grinste. „Das ist die inoffizielle Genrebezeichnung, ja.“ Sie lachte leise und lehnte sich zurück, während ich weitersprach: „Danach war ich noch am Strand.“ „Allein?“ „Jep. War schön ruhig. Ich hatte Lust auf ein bisschen Meeresluft.“

Ich verschwieg, dass ich fast den ganzen Nachmittag mit meinem Handheld unterm Palmenschatten gesessen hatte.

Und dass ich sie gesehen hatte. Die mit den langen, offenen Locken, die im Licht beinahe geglänzt hatten. Zuerst im Diner. Dann am Strand, als der Volleyball einmal versehentlich zu mir gerollt war. Dass sie ihn geholt hatte - diesmal mit Dutt. Seltsam, dass ich mir das gemerkt hatte.

Der Blick wie in der Mall, als sich unsere Blicke getroffen hatten. Wach. Nicht scheu. Irgendwie direkt – aber ohne Forderung. Ich hatte ihr den Ball zurückgeworfen. Ohne Kommentar.

Sie hatte sich bedankt.

Ich hatte genickt.

Dieser Moment – nicht laut, nicht klar, aber wie ein Bild, das sich weigert zu verblassen.

Ich verstand nicht, warum.

Vielleicht, weil sie sich anders bewegte. Oder weil ihr Blick wie ein Fragezeichen wirkte, das nichts wissen wollte.

 

~

 

Ich zog die Zimmertür hinter mir zu, die Geräusche aus der Küche verklangen. Mein Zimmer roch nach Pappe und Elektronik. In einer Ecke stapelten sich noch drei Umzugskartons, aber mein Schreibtisch war einsatzbereit: Bildschirm, Tastatur, Maus, das Headset mit dem leicht abgeschabten Schaumstoff – alles genau so, wie es sein sollte.

Ich ließ mich in meinen Stuhl fallen, streckte die Beine aus, klickte mich durch die Launchersequenz. Eydra Rising – EchoWars: Die neue Erweiterung war installiert, der Ladebildschirm glühte - dunkles Violett, silberne Glyphen. Die Hintergrundmusik – sphärisch, langsam anschwellend – fühlte sich an wie ein Herzschlag in Schwerelosigkeit. Ein Klick. Ein kurzer Moment Dunkelheit. Dann war ich da. Raeziia, Commander der Fraktion Selenari-Konklave, im Orbit von Tarthis Delta. Mein Schiff – die Caelus Whisper – hing im Hangar, bereit. Ein Glanz aus Stahl und Lichtstreifen, als hätte jemand mein Zuhause auf 60 FPS gerendert. Der Voicechat blinkte.

💬 Runko: „Raeziaaa! Sie lebt!“

💬 Nyla: „Bitte sag mir, dass du Pizza hattest, sonst wirst du aus der Luftschleuse geworfen.“

💬 ColeShields: „EchoWars ohne Raeziia ist wie PvP ohne Lag – einfach nicht real.“

Ich lachte. Es tat gut, ihre Stimmen zu hören. Warm. Direkt. Wie Kissen in der Schwerelosigkeit. Ich drückte die Taste.

💬 Raeziia (Ich): „Ich bin da. Und ja: Es gab heute Pizza. Mit Tomate, Käse, Basilikumpesto. Sie haben mich würdig empfangen.“

💬 Nyla: „Göttlich.“

💬 Runko: „Und wie läuft’s sonst? Neue Koordinaten, neue Stadt, neue... alles?“

Ich grinste.

💬 Raeziia (Ich): „Also… die Sonne ist krass, das Wasser hat absurd viele Türkistöne – und ich hab was gefunden, was mich sofort beruhigt hat.“

💬 Nyla: „Sag nicht: gute Cafés. Bitte sag nicht Cafés.“

💬 Raeziia (Ich): „Noch besser. Es gibt hier einen PlayerVerse in der Mall. Und nicht irgendeinen – ne richtig fette Filiale, richtig gut sortiert.“

💬 ColeShields: „Kalveran. Approved.“

💬 Runko: „Das ist ein Zeichen der galaktischen Balance.“

Ich lehnte mich zurück. War seltsam, wie viel echtes Gefühl durch Pixel kam.

💬 Raeziia (Ich): „Ich war da heute. Hab mir EchoWars direkt als Hardcopy geholt – silbernes Cover, holografisches Inlay, alles. Das Ding liegt jetzt in meinem Regal, direkt neben meiner alten Eydra-Mappe.“

💬 Nyla: „Du hast die Mappe noch? Ich hab meine aus Versehen mit Currysauce zerstört.“

💬 ColeShields: „Das war kein Versehen.“ Ich lachte, wirklich laut.

💬 ColeShields: „Und wie geht’s dir wirklich…? Du weißt schon. Wegen... Mia.“ Ich atmete kurz durch. Nicht, weil ich nicht antworten wollte – sondern weil es sich seltsam echt anfühlte, das in dieser Welt zu sagen.

💬 Raeziia (Ich): „Es ist... ruhig. Der Umzug war anstrengend. Alles ist fremd. Aber irgendwie... ist das nicht nur schlecht. Ich hab wieder Platz im Kopf. Platz zum Atmen. Und Mia...“

Ich hielt kurz inne.

💬 Raeziia (Ich): „…war wie ein Nebel, der sich um alles gelegt hat. Ich vermiss sie, klar. Aber mich habe ich noch mehr vermisst.“

Stille im Voicechat. Kein unangenehmes Schweigen – eher wie ein Sternennebel, der alles kurz einhüllt.

💬 Runko: „Du klingst mutiger als letztes Mal.“

💬 Nyla: „Dann holen wir dich jetzt zurück. In den Squad. In die Galaxis.“

Ein Ping blinkte auf – Missionseinladung: Sektor 9-Sigma, Artefaktbergung, Vier-Spieler-Team.

Ich klickte akzeptieren.

Mein Schiff erwachte.

Der Bildschirm vibrierte.

Die Caelus Whisper rollte in die Schleuse.

Und ich flog los.

Zurück in die Welt, die mich nie darum bat, weniger zu sein.

 

--- Klea ---

 

„Ich würd voll gern noch mit zu dir“, meinte Alys, als wir unsere Sachen zusammensuchten, Sand vom Handtuch klopften und halb in der Sonne, halb im Schatten standen. Die anderen hatten sich schon vor ein paar Minuten verabschiedet.

Ihr Ton war locker, aber ich hörte diesen Unterton. Den bitte sag nicht wieder nein-Vibe.

Ich zuckte innerlich. Sie meinte’s nicht böse. Aber ich wusste, wie das läuft.

Ich wich aus. Nicht mit dem Körper – mit Worten.

„Sorry... geht nicht. Mom hat wieder Nachtschicht im Institut. Und Besuch ist grad eher kompliziert.“

Alys schob die Augenbraue hoch. „Kompliziert kompliziert, oder Klea-kompliziert?“

„Beides“, sagte ich. Was auch stimmte. Leider. Das Ding ist: Ich mag sie. Echt. Aber ich lass sie nicht rein. Nicht wirklich. Es war bei ihr wie bei allen anderen. Immer wieder diese halbe Nähe.

Sie ist Körper. Sie ist Ablenkung. Sie ist easy, wenn alles in mir laut ist. Aber Liebe? Nein. Kann ich nicht. Nicht mit der Wahrheit in meiner DNA.

Sie weiß nichts. Nicht, dass ich nicht von hier bin. Nicht, dass Mom mit mir im Bauch durch Zeit und Raum geflüchtet und hier untergetaucht ist. Nicht, dass sie glaubt, auf der Erde könnten Agenten von dort auftauchen, die unsere Tarnung sprengen. Nicht, dass ich 100 % Alien bin – aber versuche, menschlich genug zu wirken, um nicht aufzufallen.

Ich würde ihr das nie sagen. Nicht weil ich ihr nicht vertraue. Sondern weil ich weiß, was passieren könnte, wenn sie’s weitergibt.

Alys schnaubte. Nicht sauer, eher so kenn ich schon.

„Wir sind halt immer bei mir“, murmelte sie.

„Ja. Ich weiß.“

Ich schob den Rucksack höher.

„Na dann, bis morgen. Oder so.“ sagte sie und starrte kurz auf meine Lippen, dann drehte sie sich weg und ging.

Und das war es. Ich hätte gern was gesagt, was das auffängt. Aber ich ließ es. Wie immer.

Ich schaute kurz zur Palme, wo das Mädchen vom Diner mit dem Handheld gesessen hatte. Der Platz war leer. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie schon gegangen war. Vielleicht war es nur ein leerer Platz. Aber er fühlte sich an wie ein Echo. Ein stiller Nachhall von etwas, das kurz da war und dann verschwand. War sie neu hier? Oder nur im Urlaub? Und warum dachte ich überhaupt darüber nach? Was war es an ihr, das mich so beschäftigte?

Ich schob den Gedanken weg und meine Kopfhörer auf, als ich loslief.

Meine Playlist startete von selbst:

Cheap Perfume – "Fight Like a Girl"

Cat Valley – "My Body"

Punk-femme forever.

Musik, die ballert, aber trotzdem nach mir klingt. Nicht zu glatt. Nicht zu brav. Genau richtig für den Walk nach Hause.

Die Sonne war noch da, aber tiefer. Palmen warfen Schatten wie Gedanken, die man lieber versteckt.

Zuhause war es wie immer leer.

Natürlich.

Meine Mutter im Meeresforschungsinstitut, wahrscheinlich irgendwo zwischen Tiefenscan und Alien-Alibi.

Ich hab aufgehört, zu fragen.

Ich schlüpfte in Jogginghose, altes Shirt, zog mir 'ne Tüte Nachos und das Glas Salsa aus dem Kühlschrank.

Mein Zimmer war safe.

Der einzige Ort, wo ich ich sein konnte.

Ich ließ mich in den Stuhl plumpsen, fuhr den PC hoch.

Eydra Rising.

Das Spiel war ein Weltraum-MMO.

Fraktionen, Raumschiffe, Planeten, Crew.

Ich hatte’s neulich runtergeladen. Erst nur so aus Neugier. Aber irgendwie... fühlte es sich richtig an. Ich hatte’s erst ein paar Mal gezockt – eher heimlich. Niemand wusste davon. Nicht Alys. Nicht meine Freunde. Weil ich nie die war, die „zockt“. Weil ich eh schon anders bin. Aber das hier? Das Spiel? Das fühlte sich wie ein Ort an, der nicht fragt, ob du lügst. Ob du jemanden spielst. Das Universum ist ausgedacht – Pixelwelten mit Herzschlag – mehr Wahrheit als Alltag. Und ich? Ich wollte da rein.

Wenn ich schon nicht echt durchs All kann… dann wenigstens mit Pixeln, Sternenlicht und Tastatur.

Mein Char – Relln_Kei. Ich hatte nicht viel Skill gesammelt bisher. Aber ich wusste, dass ich bleiben wollte.

Ich startete das Spiel, klickte mich rein – und dann kam's einfach:

Sie war wieder in meinem Kopf.

Das Mädchen vom Diner. Mit den braunen Locken die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren, als sie da am Strand saß, in sich versunken mit Kopfhörern und Handheld.

Ich hatte sie beobachtet. Nicht auf creepy. Nur… neugierig. Weil was an ihr war, das mich anzog. Ohne dass sie was tat.

Ich wusste nicht, warum sie nicht rausging aus meinen Gedanken.

Kein Flirt. Kein Chat.

Nur die kurze Interaktion mit dem Volleyball und Blicke.

Und trotzdem so, als hätte ich 'ne Transmission empfangen, die ich nicht entschlüsseln konnte.

Ich griff nach einem Nacho, tunkte ihn ins Glas.

Der nächste Ladebildschirm flackerte auf.

Und ich flog los.

Weg von allem.

Oder vielleicht... doch irgendwie näher dran.

Ich war drin.

Eydra Rising, Sektor 7-Beta.

Mein Schiff hing im Orbit wie 'ne unentschiedene Idee – genial oder riskant.

Ich hatte nicht erwartet, Leute zu treffen.

Ich zockte allein. Immer.

So war’s safe.

Dann kam die Anfrage:

Squad-Mission – Artefaktbergung – 5 Spieler.

Ich klickte. Einfach so. Die Lobby blinkte auf.

Fünf Chars in voller Ausrüstung. Darunter:

Raeziia

Runko

Nyla

ColeShields

Und ich: Relln_Kei – Scout-Schiff, taktischer Fokus, Außenseiterin. Die Mission war ein Standard-Run: Artefaktbergung in Sektor 8-Rho, leicht verwinkelte Trümmerzone mit leichten Gegnerwellen. Ich war nervös. Mein Schiff war zwar ready, aber ich kannte kaum Tastenkombis und hatte keinen Plan, was „Ballistische Verstärkung“ wirklich bringt. Ich war neu. Die Noob vom Rand der Galaxie.

💬 ColeShields: „Relln_Kei? Frischfleisch?“

💬 Nyla: „Sei nett. Wir haben alle mal bei Null angefangen.“

💬 Runko: „Kommt drauf an, ob Null das Tutorial überspringt.“

💬 Raeziia: „Hey, willkommen im Sektor. Wir fliegen ohne Bullshit und keine Sorge – wir werfen nur im PvP.“

Irgendwas an ihrer Stimme war...klar. Nicht laut. Aber präsent. Ich aktivierte mein Mic.

💬 Relln_Kei (Ich): „Bin noch nicht lang dabei und bisher Solo unterwegs gewesen, ich versuch, nicht im ersten Asteroiden zu explodieren“

💬 Raeziia: „Passt schon. Du fliegst sauber.“

Wir zogen los - wie Planeten in Formation. Und ich bin endlich Teil der Umlaufbahn. Zuerst vorsichtig, dann schneller. Ich blieb am Rand, scannte, half bei Schildverstärkung, hielt mich zurück. Niemand drängte. Niemand lachte über meine fehlenden Upgrades. Es war… entspannt. Wie eine Crew, die nicht fragt, warum du mitfliegst – sondern einfach froh ist, dass du da bist. Am Ende kam die Textnachricht im Ingame-Chat:

„Du fliegst gut, Relln. Crew-Invite kommt gleich.“ Ich saß da. Still. Mein Bauch vibrierte leicht. Ich klickte Annehmen.

Später, als die anderen off gingen, blinkte nur noch ein Icon. Raeziia war noch da. Wir hingen beide im Voicechat.

Ich wollte eigentlich auch raus – aber irgendwas hielt mich.

💬 Raeziia „Du fliegst wie jemand, der über die Map hinaus fliegt.“

💬 Relln_Kei (Ich): „Du redest wie jemand, der mehr hört als nur Stats“

Stille. Keine awkward Pause – mehr wie Musik, ein Beat, der kurz aussetzt – damit wir den Moment spüren. Und man genau weiß, er kommt gleich wieder.

💬 Raeziia: „Warum fliegst du allein?“ Ich überlegte kurz. Dann sagte ich die Wahrheit.

💬 Relln_Kei (Ich): „Ich bin... anders. Ich pass nie richtig. Echt nicht. Leute mögen mich, klar. Aber keiner kennt mich richtig.“

💬 Raeziia: „Klingt nach... Schutzmodus.“

💬 Relln_Kei (Ich): „Ist es. Und bei dir?“

💬 Raeziia: „Ich bin eigentlich grade nach ‘nem Umzug hier gelandet. Neue Stadt. Neue alles. Und eine Trennung, die irgendwie mehr über mich gesagt hat, als ich wollte.“

Wir redeten. Lange. Über das Spiel. Über Welten, die man besucht, damit man nicht in der echten stecken bleibt. Über Dinge, die man nur ohne echte Namen sagen kann. Ich sagte nicht, dass ich nicht von hier bin. Sie sagte nicht, wer sie ist. Aber es war ehrlich.

Unsere Worte flogen wie Signale – unverschlüsselt, aber trotzdem sicher. Mehr als alles, was ich draußen krieg.

💬 Raeziia: „Ich glaub, es gibt Leute, die erkennt man… ohne zu wissen, wer sie sind.“

Ich lächelte.

💬 Relln_Kei (Ich): „Und das fühlt sich ehrlicher an als alles, was man mit echten Namen sagen könnte.“ Ich wollte noch mehr fragen. Aber irgendwas rief: Genug für heute.

💬 Relln_Kei (Ich):“ Lass uns morgen wieder fliegen.“

💬 Raeziia: „Ja. Gerne.“

Der Chat blinkte. Dann war sie weg. Ich blieb einfach sitzen. Still. Klar. Aber in meinem Kopf war es laut.

Ein gemeinsames Mittagessen, zwei Welten am selben Tisch. Manche Blicke sagen mehr als Worte, und manche Begegnungen beginnen in der Luft zwischen zwei Sätzen.

--- Naima ---

Ich war gerade erst aufgestanden, und die Sonne hatte das Wohnzimmer schon längst auf 80 % Heizleistung hochgedreht.

Meine Mom war, wie immer, viel zu früh zur Arbeit verschwunden – Meeresforschungsinstitut, Unterwasserkram, Daten, Sensoren und Leuten in Neopren. Ich wusste nur: Sie liebt das Meer, und das schützt sie genauso wie es sie beschäftigt.

Ich stand barfuß auf den kühlen Küchenfliesen, schnappte mir einen kleinen Joghurt, den ich halb blind aus dem Kühlschrank gezogen hatte, und ließ mich auf den Balkon in meinem Zimmer fallen.

Also nicht wortwörtlich. Aber gefühlt. Der Balkon ist schön. Richtig schön.

Ganz in Weiß, wie das ganze Haus – klare Linien, wenig Schnickschnack, alles wirkt wie aus Licht geschnitzt.

Das Geländer glänzt matt, die Wand wirft ein krass mediterranes Schattenmuster, und das Meer liegt da wie ein stiller Zeuge, der alles weiß, aber nie redet. Ich wünsch mir kurz, dass es antwortet – nur ein Flüstern vielleicht.

Ich sitze auf einem improvisierten Stuhl aus zwei gestapelten Holzkisten, auf denen meine Mom mal Pflanzen abstellen wollte. Jetzt ist es meine Aussichtsplattform.

Ich zieh die Beine an, Joghurt halb leer, Musik leise auf den Ohren: irgendwas mit Synths und Raumklang.

Ich hör, wie sich die Synths in meinem Ohr ausbreiten, wie Nebel, der zwischen Gedanken liegt. Und ich denk nach.

Drei Tage Kalveran Bay.

Kisten fast weg, Balkon perfekt, WLAN stabil – alles tickt irgendwie.

Und trotzdem fühl ich mich nicht ganz „da“. Nicht, weil ich mich fehl am Platz fühl. Mehr, weil ich noch nicht rausgefunden hab, wo mein Platz eigentlich ist. Vielleicht bin ich noch nicht angekommen. Vielleicht bin ich ein Zwischenspeicher, der wartet, beschrieben zu werden.

Zwei Nächte in Folge bin ich mit der Neuen im Squad bis spät wach gewesen.

Relln_Kei. Kein Plan, wer sie in echt ist.

Aber sie hat ne Art zu fliegen, die nicht nach Mechanik, sondern nach Instinkt aussieht.

Und sie sagt Sachen, die genau zwischen „Ich sag’s niemandem“ und „Ich glaub, ich versteh dich“ landen.

Gestern im Voicechat:

Nach allen Missionen, alle off. Nur wir zwei. Ich wollte wirklich off.

Aber dann war da diese Pause, die nicht leer war.

Und sie hat gefragt, ob ich manchmal auch das Gefühl hab, dass man sich im Spiel freier fühlt als draußen. Ich habe ehrlich geantwortet, ohne konkret zu werden.

Hab von meiner Trennung erzählt. Von meinem Umzug. Von dem Gefühl, wieder Luft zu haben, aber nicht zu wissen, wohin damit.

Und sie hat einfach nur gesagt:

„Versteh ich.“

Zwei Worte.

Aber sie haben mehr gemacht als manch langer Dialog in einem RL-Gespräch.

Jetzt sitze ich hier, mittags, Joghurt fast warm, Kopf zwischen Sonne und Space-Fantasie mit Wind im Haar und dem Blick auf das Wasser und ich denk wieder an sie. An Relln.

An dieses digitale Funkenschnipsen, das wie Heimat klingt, obwohl ich die Stimme erst zweimal gehört hab. Vielleicht ist das alles nur Flucht vor der Wirklichkeit. Vielleicht auch nicht. Oder ein Heimweg, den keiner sieht. Weil man ihn digital geht.

Ich weiß nur: Ich will bald wieder zurück.

Wenn Worte wie ihre bei dir bleiben, obwohl sie nur durch ein Headset kamen – dann war's mehr als Spiel. Vielleicht war's Nähe im Tarnmodus.

Ich hatte grad angefangen, richtig abzutauchen in meinen Gedanken – wie so Nebenmission, bei der man nicht mal merkt, dass man schon zehn Minuten ohne zu blinzeln aufs Wasser starrt.

Da vibrierte mein Handy.

✉️ Mama: „Hab gleich Mittagspause. Bin ne Stunde frei. Lust, was zu essen + dir das Institut zu zeigen?“

Ich schaute kurz draufs Display. Erwägte zwei Minuten lang, einfach sitzen zu bleiben.

Aber hey. Ich hatte eh nix vor. Und meine Mutter hatte selten Time. Also: Gelegenheit nutzen. Ich sprang auf, tappte durch mein Zimmer. Zieh-mich-an-Routine in unter fünf Minuten.

  • Schwarzes Basic-Shirt, locker geschnitten
  • Weite Jeans mit ein bisschen Used-Charme
  • Die alten schwarzen Chucks, die ich viel zu sehr liebe
  • Mascara, ein bisschen
  • halboffener Dutt, weil meine Locken sonst machen, was sie wollen
  • Und die Overears. Immer. Mein Sound, mein Raum.

Ich schnappte mein Handy, warf mir die Bauchtasche über, und schwang mich aufs Fahrrad. Die Sonne brannte schon auf die Straße, aber der Fahrtwind machte’s okay und ich lenkte Richtung Forschungszentrum.

Ich kam um die Kurve, mein Rad klackerte übers Steinpflaster, und dann sah ich das Institut.

Und ganz ehrlich?

Ich hatte mit vielem gerechnet – aber nicht damit.

Das Teil sah aus wie 'ne in die Bucht gepflanzte Sci-Fi-Kulisse.

Weiß gestrichen wie die Häuser in der Stadt, klar. Aber massiv, mit einer riesigen Kuppel, die im Licht so silbern schimmerte, als ob sie mich gleich scannt. Ich hatte das Gefühl, als hätte das Gebäude Augen. Und ich wusste nicht, ob ich beobachte oder selbst beobachtet werde.

Die Architektur sah aus, als wäre sie falsch abgebogen – einfach nicht von hier. Nicht im „Alien-Vibes“-Sinn. Sondern: Hightech, clean, futuristisch. Wie ein Ort, der Antworten speichert, die keiner stellt.

Es lag direkt an der Klippe, am Rand der Bucht, mit Blick auf das türkis schimmernde Wasser – so frei und gleichzeitig so kontrolliert.

Kalveran Bay war entspannt, ein bisschen retro, Leute mit Sand an den Füßen und Smoothie in der Hand.

Aber das hier war Architektur mit Aussage.

Fast zu viel für die Stadt. Fast wie nicht von hier. Ich mochte es irgendwie.

Ich bin also hier. Mit lockeren Klamotten, halboffenem Dutt, Overears am Hals. Bereit für Wissenschaft.

Oder zumindest für Nudeln in der Cafeteria und ein paar krasse Laborräume mit Blauflimmern an den Wänden.

Ich bin gespannt. Und neugierig. Weil selbst wenn ich vom Weltraum träume – ein paar Meter tief ins Meer klingt gerade auch nach Abenteuer.

Mama wartete schon am Eingang. In ihrer flaschengrünen Bluse, Haare locker hochgesteckt, dieser halb berufliche, halb „ich freu mich“-Blick im Gesicht.

„Da bist du ja“, sagte sie.

„Pünktlich wie ein Sonnenstrahl“, grinste ich.

Sie lachte und hakte sich kurz bei mir unter, was sie selten tat. Es fühlte sich warm an. Der Moment war kurz, aber ich speicher ihn. Für später. Für wenn’s sich mal wieder nach Alleinsein anfühlt.

Wir traten durchs Schiebetor ins Foyer. Drinnen war’s wie erwartet: Clean, weiß und riesig. Flure wie aus 'nem Biotech-Werbespot, der sich zu ernst nimmt. Aber irgendwie… cool. Ich kam mir vor wie auf Exkursion, aber es war ja ihre neue Arbeitswelt.

Wir gingen direkt zur Cafeteria. Die Fenster dort so riesig, dass man die ganze Bucht im Blick hatte – als würde der Ozean auf Kommando den Puls senken.

Wir stellten uns an. Ich nahm Pasta mit Gemüsesauce, dazu eine Cola. Mama holte sich ‘n Bowl mit Linsen-Quinoa-Zeug – ihre neue Gesundheitsphase, aber kein Urteil.

Mit den Tabletts in der Hand suchten wir nach einem Platz. Ich scannte die Tische. Einer im Eck, mit Aussicht. Fast leer.

Ich wollte mich schon dorthin in Bewegung setzen. Aber dann tippte mir meine Mutter leicht auf den Arm.

„Naima, dort drüben sitzt meine Chefin, Suri. Ich hab viel mit ihr zu tun. Komm, ich stell euch vor.“

Ich nickte und folgte ihr. Ein paar Meter. Dann sah ich den Tisch. Zwei Frauen.

Eine davon mit glatten schwarzen Haaren, streng zusammengebunden, Brille mit goldener Fassung – klare Haltung, Boss-Energie. Das war Suri, keine Frage.

Aber es war die andere, die meinen Puls kurz aussetzte.

Sie.

Olivegrüne Augen. Die aus dem Diner. Die vom Strand mit dem Volleyball. Lange, schwarze Korkenzieherlocken, heute offen, fast schon stolz. Locker am Tisch lehnend.

„Das hier ist Suri – meine Chefin“, sagte meine Mutter.

„Und das ist ihre Tochter, Klea.“

Sie sah auf. Unsere Blicke trafen sich. Und da war er. Der Funke, des Widererkennens in ihren Augen. Der Moment zwischen uns.

Nicht laut. Nicht klar. Aber sowas von da.

Klea. Der Name knallte rein wie ein Songtitel, den man schon kannte, bevor man ihn gehört hat.

„Hi“, murmelte ich. Meine Stimme klang wie neu.

Sie nickte. Der Blick direkt, aber nicht pushy. Nur... wach und wissend.

 

--- Klea ---

Ich hatte mich entschieden, Mama heute im Institut zu besuchen. Nicht, weil ich plötzlich Bock auf Meeresdaten hatte. Sondern weil ich keinen Bock hatte, zuhause rumzuhängen.

Alys hatte sich nicht gemeldet – und ich auch nicht. Funkstille. Und das war okay. Einerseits.

Andererseits denk ich dauernd drüber nach, ob ich schreiben soll.

Nur: Was soll ich sagen?

„Sorry, dass ich dich wieder nicht mitgenommen hab, obwohl du eh damit gerechnet hast“?

Also nee. Heute war Ablenkung. Also bin ich lieber ins Institut gefahren.

Hab Mama geschrieben, dass ich vorbeikomme — „nur mal gucken“, stand da.

Ich hab gelogen. Nicht weil's böse gemeint war – sondern weil Ehrlichkeit manchmal zu groß wär für einen kleinen Text.

Code für: Ich muss raus aus mir.

Sie war überrascht, aber hat sofort gesagt: Mittagspause, Cafeteria, gerne.

Drinnen war es wie immer:

Groß, clean, zu perfekt. das tut, als wär es unbeeindruckt. Ich nicht. Ich bin irgendwie... klein daneben. Forschung meets „wir haben zu viel Budget“.

Wir saßen am Fensterplatz, Tabletts mit Nudeln, Salat, irgendwas aus Proteinmasse.

Mama war heute gut drauf, sie winkte gerade Alba zu uns, ihre neue Kollegin und rechte Hand im Institut.

Ich mochte sie. Nicht auf „wir werden Besties“-Art. Aber sie war sympathisch. Klar. Nicht aufgesetzt.

Sie war gerade mit dem Tablett in der Hand auf dem Weg zu unserem Tisch.

Dann sah ich die, die neben ihr lief. Ebenfalls mit einem Tablett in der Hand.

Die mit dem halboffenen Dutt, braune Locken, lässig gebändigt.

Blauäugig, Hell. Wach. Aber nicht kühl.

Kleidung wie „Ich bin cool, aber ich muss dir das nicht beweisen.“

Sie hatte einen Ausdruck, als wär sie irgendwo ganz bei sich – und gleichzeitig bereit, alles zu beobachten.

Ich kannte sie. Diner. Strand.

Diese Art von Zufall, die keiner glaubt, wenn man sie erzählt.

Und dann kreuzten sich unsere Blicke. Nicht lang. Aber genau. Ein kleiner Moment.

Wie ein kurzer Ping, der sich anfühlt wie Antwort – obwohl keiner gefragt hat.

Ich weiß nicht, ob sie mich auch erkannte. Aber ihr Blick war nicht leer. Da war was. Vielleicht 'ne Ahnung. Vielleicht mehr. Dann kamen sie zum Tisch. Alba stellte das Mädchen als ihre Tochter Naima vor.

Sie murmelte ein „Hi.“

Ich nickte.

Naima setzte sich mir gegenüber.

Ich weiß nicht, wie lange ich schon so saß.

Tablett vor mir, Nudeln halb vergessen, Mama tief in irgend’nem Forschungs-Talk mit Alba versunken.

Sie reden über irgendwas mit Tiefensonden und Algendrucktests, keine Ahnung.

Klingt wichtig, aber fühlt sich weit weg an.

Naima stochert langsam ihr Gemüsezeug, trinkt Cola und lässt ihren Blick durch die Cafeteria schweifen – aber immer wieder landet er bei mir.

So als würde ihr Kopf woanders hinwollen, aber die Augen haben ihren eigenen Plan.

Ihre Haltung hatte was von „Ich bin hier, aber ich geh nicht ganz rein“. Ich kannte das. Vielleicht sind wir beide Besucher in Momenten, die größer sind als wir.

Ich tu so, als wär ich busy mit meinen Nudeln.

Aber jedes Mal, wenn ich hochschaue: da ist sie wieder.

Nicht starrend. Nicht flirty. Nur... da.

Ihre Locken haben sich ein bisschen aus dem Dutt geschlichen.

Sie streicht sie nicht zurück. Lässt sie einfach da. Locker. Echtes Chaos.

Ich merk, wie mein Atem sich anpasst. Langsamer. Leiser.

Zwischen uns: keine Gespräche.

Aber jede Bewegung ist irgendwie Antwort. Sie lehnt sich kurz nach vorn. Ich lehne mich zurück. Sie sieht zur Seite. Ich folge ihrem Blick, obwohl ich nix suche.

Ich spüre was in mir, dass ich selten spür: Nicht Neugier. Kein Cringe. Kein Fremdscham.

Sondern dieses seltsame Gefühl von… Ankommen in einem Moment, den keiner geplant hat.

Mama und Alba reden einfach weiter. Als gäb’s nix anderes auf der Welt.

Ich sitz da, während Worte um mich herum wie Dampf aufsteigen. Manche ziehen vorbei. Manche bleiben im Raum. Sie sitzt mir gegenüber. Und plötzlich ist Stille nicht leer, sondern voll.

Wasser an Fenstern, vorbeiziehende Fische — manchmal wirken Räume wie Zwischenwelten. Manchmal reicht ein gemeinsamer Moment, damit etwas beginnt, das keinen Namen trägt.

 

--- Naima ---

Ich stocherte in meinen Nudeln rum, als würde ich darin ein Portal finden. War aber nur Soße.

Meine Gedanken drifteten irgendwo zwischen „Was mach ich später?“ und „Wie lange halt ich dieses Fachgespräch noch aus?“

Mama und Suri redeten. Also eigentlich: sie redeten durch. Irgendwas über Tiefenproben, Algenstabilität, Materiallager auf der Nachbarinsel.

Ich hörte nur halb hin. Das hier war einer dieser Tische, an denen du sitzen darfst, aber nicht wirklich vorkommst. Wie so’n Zuschauer im eigenen Film. Oder ’ne Pflanze im Wartezimmer – da, aber halt nur Deko.

Mir gegenüber saß Klea. Still, wie ich. Aber irgendwie wirkte sie nicht unbeteiligt, eher... wach. Wie jemand, der alles speichert, aber nicht mitredet, weil’s nicht ihr Thema ist.

Dann drehte sich meine Mutter zu mir. Ihr Blick war weich. Und trotzdem wusste ich sofort: irgendetwas ist.

„Naima, Süße… ich schaff unseren Rundgang leider doch nicht mehr. Suri und ich müssen gleich auf die Nachbarinsel. Proben sammeln, heute wird’s bestimmt wieder spät.“

Ich nickte langsam. Ich wollte „Alles gut“ sagen, aber mein Mund klemmte. Weil’s eben nicht alles gut war. Weil ich grad irgendwie… leer war, obwohl der Raum voll war. Das kam so... plötzlich. Ich hatte mich schon drauf gefreut, dass sie mir zeigt, was sie hier macht. Vielleicht nicht wegen des Instituts, sondern einfach, weil’s grad schön war, mit ihr zu sein. Jetzt fühlte sich das hier wieder nach Außen vor Fenster an.

Ich schluckte. Setzte an zu irgendetwas – „Kein Ding“, „Macht nichts“, ein Satz, den man sagt, obwohl er nicht ganz stimmt. Aber dann –

„Ich kann ihr das Institut zeigen.“ Ich zuckte fast zusammen. Ihre Stimme.

Klea.

Mein Kopf drehte sich zu ihr.

„Ich bin eh oft hier. Es ist fast wie mein zweites Zuhause.“ Sie sah mich direkt an. Nicht aufgesetzt, nicht mitleidig. Einfach... echt.

Aber mein Inneres machte ‘ne kleine Panikspirale. Der Moment hing still in der Luft. Wie wenn jemand auf Pause drückt – aber nur für mich. Was sag ich jetzt? Was, wenn das komisch wird? Was, wenn ich zu ruhig bin? Oder zu laut? Ich kenn sie nicht mal richtig. Und doch hab ich das Gefühl, sie war schon längst da.

„Das ist eine tolle Idee!“, sagte Suri sofort, als wär das die natürlichste Sache der Welt.

„Klea kennt das Institut wahrscheinlich besser als der Sicherheitsdienst.“

Ich spürte, wie meine Schultern sich anspannten. Ich hasse dieses Rampenlicht-Gefühl. Wenn alles von mir abhängt, obwohl ich lieber nur Hintergrund wäre. Alle schauten jetzt mich an. Ich fühlte mich festgesteckt. Zwischen Zusage und Fluchtgedanke. Aber Kleas Blick war da. Stabil. Kein Druck. Nur: „Du kannst, wenn du willst.“

Ich atmete durch. Dann nickte ich. Langsam. Einmal. „Okay. Klingt gut.“

Und für den Bruchteil einer Sekunde war da so’n Mini-Lächeln auf ihren Lippen. Ganz klein. Aber es zählte.

~

Meine Mutter drückte mich bei der Verabschiedung nochmal, dann rauscht sie mit Suri davon.

Klea ging ein paar Schritte voraus, so als hätte sie hier einen eigenen Schlüssel zum ganzen Gebäude. Ihr Gang war locker, aber zielgerichtet. Ihre Locken wippen bei jedem Schritt. Und obwohl sie nicht viel redete, merkte man sofort: Sie kennt hier alles.

„Okay“, grinste sie über die Schulter, „du kriegst nur die Kurzversion. Wenn ich dir alles zeigen würde, müssten wir locker eine Woche einplanen. Und in die coolsten Labore dürfen eh nur Leute mit weißen Kitteln und absurdem Sicherheitslevel rein.“

„Schade“, sagte ich. „Ich wollte unbedingt den geheimen Krakenraum sehen.“

„Den gibt’s nicht... glaub ich. Wenn doch, erfährst du’s eh erst im Praktikum Level 7.“ Ich musste lachen.

Wir liefen vorbei an Aquarien, manche rund, manche langgezogen wie digitale Fenster. Drinnen: Quallen, Fische in Farben, die ich nicht einmal benennen konnte, Seepferdchen, die sich an Pflanzen klammerten wie Mini-Ninjas.

Sie zeigte mir eine Quarantänestation – ein ruhiger, abgedunkelter Raum mit nur wenigen Becken. „Verletzte Tiere oder die, bei denen keiner weiß, was mit ihnen los ist. Hier ist’s ruhig. Fast wie 'ne Reha für Meerestiere.“ Ich nickte.

„Ich mag den Vibe. Es ist irgendwie… sanft.“

Dann kamen wir zur Glasröhre, die in den Unterwasserbereich führte. Und ich mein – wow. Der Moment, wenn du wirklich unter dem Meer bist, ohne nass zu werden. Wie Kino ohne Handlung. Einfach nur Strömung, Licht, Fisch. Der Besucherbereich war fast leer. Ein paar helle Sitzflächen am Rand, wie eingelassene Inseln im Boden. Wir setzten uns.

Der Raum schimmerte blau. Alles war ruhiger hier. Aber nicht so peinlich-leise, sondern tief. Wie ne Soundkulisse aus nem Sci-Fi-Film, bloß echt. Durchs Glas vibrierte das Meer, als wär’s ein riesiger Lautsprecher für Gedanken, die man nicht ausspricht. Das Licht kam durch das gewölbte Glas wie flüssiges Türkis, und über die Wand huschten Schatten von Fischen, als würden sie uns belauschen.

Klea wirkte völlig in ihrem Element. Bequem zurückgelehnt, ein Knie angewinkelt, die Hände locker im Schoß. Als hätte sie diesen Ort mitgebaut. Oder umgekehrt – als wäre das hier um sie herum gewachsen.

Ich saß etwas steifer, ein bisschen zu gerade. Weil locker sein schwer ist, wenn du nicht weißt, ob du gerade beobachtet wirst. Oder bewertet. Versuchte, nicht zu sehr zu glotzen. Aber ganz ehrlich – ich hab sie kaum aus dem Blick bekommen. Es war nichts Offensichtliches. Kein Wow-Moment.

Aber irgendwie... war sie wie so ein Song, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht, obwohl man nur die erste Zeile kennt.

In dem blauen Schimmer wirkte ihre bronzefarbene Haut, als hätte sie feines Licht gespeichert. Sie wirkte fast wie leicht glänzend, wie Schuppen. Ich blinzelte. Schob es auf Wasserreflexionen oder meine Überreizung.

„Du kommst klar, oder?“, fragte sie plötzlich, ohne mich direkt anzusehen. Ich schaute zu ihrem Gesicht.

Sie hatte den Blick leicht nach oben gerichtet, beobachtete eine Gruppe silberner Fische, die oben durchs Sichtfenster zogen.

„Joa. Also... ja. Es ist ruhig hier. Ich mag das.“

„Voll! Draußen schreit alles – hier flüstert’s.“

Ich nickte.

„Du bist schon oft hier, oder?“, fragte ich dann. „Ziemlich.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Meine Mom arbeitet hier, seit ich denken kann. Hat das Ding hier aufgebaut.“ „Echt? Meine Mom macht schon lang Meereszeug, aber sie ist erst neu hier.“ „Ich weiß.“ Klea sah mich jetzt direkt an. „Sie ist cool. Neugierig. Ich mag sie.“

„Du beobachtest Leute, oder?“ „Kommt drauf an, wer.“ Sagte sie und schaute zu mir und ließ den Blick nicht los. Mein Herz machte so einen kleinen Stolperer. Ich lächelte halb.

Ich wusste nicht, wohin mit meinem Blick und richtete meine Aufmerksamkeit auf die vorbeischwimmenden Fische. Sie tanzten wie in Zeitlupe. Einer schwamm gegen den Strom – rebellisch. Ich mochte den direkt. So, als hätte er auch keine Ahnung, wohin mit sich.

Wir schwiegen kurz. Aber nicht unangenehm. Eher... als würden unsere Gedanken so halb nebeneinander treiben, ohne sich zu stören.

Ich lehnte mich ein Stück zurück, sog den Moment in mich rein – das Licht, die Ruhe, ihren Atem neben meinem.

Klea schaute weiter zu den Fischen, als wär das ganz normal, hier mit mir zu sitzen, unter Wasser, zwischen Schatten und Glasscheiben.

Sie saß da, lässig zurückgelehnt, das Kinn auf die Hand gestützt. Die Schatten von vorbeischwimmenden Fischen tanzten über ihr Gesicht, wie Filter, die das echte Bild nur halb zeigen. Ich konnte nicht anders, ich musste was sagen.

„Du hast mich also erkannt? Vom Diner und vom Strand?“, fragte ich und versuchte, dabei nicht zu sehr zu klingen, als hätte ich auf die Antwort gewartet.

Sie nickte nur leicht, fast so, als wär’s keine große Sache. Aber in ihrem Blick war was anderes. Etwas zwischen klar doch und frag nicht so überrascht.

Dann sagte sie:

„Erst der Diner-Blick. Dann fast von meinem Volleyball erfasst. War wohl Schicksal.“

Sie sagte das mit so ‘nem kleinen Zucken in den Mundwinkeln. Sie hat’s gespeichert. All das. Mich.

Ich lachte leise, schüttelte leicht den Kopf.

„Weißt du eigentlich“, fing ich an, „dass du mich mit dem Volleyball fast aus dem Leben gekegelt hast?“

Sie zog eine Augenbraue hoch.

„Bitte was?“ „Ja, legit. Ich saß da ganz unschuldig mit meinem Handheld unter dieser einen Palme – mit Kopfhörern im Chill-Modus – und plötzlich: BAM. Der Volleyball ist direkt neben mir gelandet. Mein Spiel war fast vorbei.“ Ich grinste.

„Ups“, murmelte Klea, und dann: „War wirklich ein Versehen.“

Sie drehte sich leicht zu mir rüber, hob ihren Ellbogen – und knuffte mir leicht in die Seite. So locker, so freundschaftlich. Wie ein „Oh komm schon“ auf Körper. Aber mein Körper hatte andere Pläne.

Der Knuff war nichts. Also… sollte es sein. Aber da war’s. Dieses leise Kribbeln. Wie so’n Mini-Blitz, der durch meinen Bauch schoss, sich um die Rippen wand, und irgendwo zwischen Herz und Stimme hängen blieb. Nicht unangenehm. Gar nicht. Eher wie Wärme, die überrascht. Wie viel zu heißer Tee an den Fingerspitzen. Ich schluckte.

Tat so, als wär nichts. Als wär das alles einfach nur locker, no big deal, leichtes Necken. Aber innerlich war ich plötzlich wach. Wie wenn man merkt: Oh. Du bist nicht nur jemand. Du bist irgendwas.

 

--- Klea ---

Ich weiß nicht, was mehr Wellen schlägt – die Lichter draußen, oder das Ding, das da eben in mir aufgeflackert ist, als ich sie in die Seite geknufft hab. War nix. War Spaß. Aber mein Körper meint so: „Cool, wir hängen jetzt kurz im Gefühl fest, okay?“ Manchmal frag ich mich, ob ich überhaupt sowas darf – Nähe, Leichtigkeit, einfach menschlich sein. Aber ich bin nicht ganz von hier. Und ich hab gelernt: Je echter es wird, desto riskanter.

Naima sagt nix. Ich auch nicht. Wir sitzen da, Rücken halb ans Sitzmodul gelehnt, als wär das hier ein Treffpunkt für Leute, die keine Ahnung haben, was sie grad mit sich anfangen sollen.

Ich schau sie aus dem Augenwinkel an. Ihr Gesicht ist halb im Wasserlicht, blaugrün getönt wie 'n Sci-Fi-Filter. Sie wirkt ruhig. Aber irgendwas an ihr vibriert leise.

„Tauchst du eigentlich?“, frag ich schließlich. „Also nicht mit Schnorchel – so richtig. Mit Flasche und allem.“

Sie sieht rüber. Blinzelt kurz.

„Nee. Noch nie. Hab’s nie gelernt.“ „Echt? Ich hätt gedacht, du bist voll das Wasserkind.“ „Bin ich auch irgendwie. Aber tief runter… weiß nicht. Offenes Meer macht mir schon 'n bisschen Respekt.“

Ich nicke langsam und versuche, locker zu bleiben.

„Versteh ich. Ist auch kein Witz da draußen.“ „Du tauchst?“ „Ja, schon ewig. Hier gibt’s 'ne Tauchschule im Institut – ich geb manchmal Kurse. Nur Einführungszeug, nix Hardcore.“

Sie sagt erstmal nichts. Ich spür meine Hand an meinem Hosenbein. Fahr mir kurz übers Knie.

„Wenn du willst, kann ich dir mal zeigen, wie’s geht. Ganz easy. Kein Druck.“ „Hm… ich überlege es mir.“ Sagt sie und lächelt leicht. „Klar. Angebot steht.“

Ich sag’s beiläufig. Ganz casual. Aber innerlich so: Was red ich da eigentlich? Seit wann biet ich sowas einfach so an?

Sie sieht mich an, ganz ruhig, und ich fühl mich plötzlich, als hätte ich zu viel reingelegt in diesen kleinen Satz. Nicht nach außen. Aber für mich selbst.

Ich beiß mir innen auf die Wange. Kein Schmerz, nur… Erdung.

Ich versuche, ruhig zu atmen. So zu tun, als wär das hier einfach ein netter Nachmittag. Ein Gespräch. Ein Witz. Ein Angebot.

Aber irgendwas zieht in mir. Weil ganz ehrlich? Ich weiß nicht, ob ich das kann. Mehr Nähe. Mehr Ich. Sie ist süß. Und da ist was. Aber wenn ich sie mag, richtig mag, dann wird’s kompliziert. Vor allem, weil unsere Mütter sich ständig sehen.

Ich hab das schon öfter versucht. So ein „Wollen“. So ein „Vielleicht diesmal doch“.

Aber Nähe ist nicht nur Nähe. Für mich ist Nähe... Risiko. Blicktiefe. Entdeckung.

Und so sehr ich gerade einfach nur neben ihr sitzen und nichts kaputtdenken will – mein Kopf ist längst schon auf Alarm. Sie könnte eine sein, so eine, die bleibt. Oder schlimmer: so eine, der ich weh tue, ohne es zu wollen.

Weil ich manchmal einfach... abdrifte. Dinge abbreche, ohne Vorwarnung. Menschen nicht zurückrufe. Mich schütze, indem ich mich zurückziehe. Ich will das nicht mit ihr machen. Nicht mit diesem stillen Blick, und diesen Lippen, die alles sagen könnten, aber erstmal hören.

Die Worte meiner Mom blitzen auf. 'Erinnere dich, Klea – du bist hier, aber nie ganz Teil davon.' Ich weiß, sie meint’s gut. Trotzdem zieht’s. Ich merke, wie ich meine Hände ineinander verschränke, nicht weil mir kalt ist, sondern weil ich mich selbst daran erinnern will: Mach keinen Schritt, den du nicht halten kannst.

Aber da sitzt sie, und ich denk mir: Vielleicht muss es ja nicht gleich alles sein. Vielleicht reicht dieses Sitzen. Dieses Angebot. Dieses „Du kannst, musst aber nicht.“

Stille kann laut werden, wenn man zu lange drin hockt. So wie jetzt. Ich saß da, direkt neben ihr. Die Temperatur und mein Kopf? Am Drehen.

Bis mein Handy vibrierte. Kurz. Deutlich. Realitätsschub. Ich zieh’s raus, seh den Namen: Nova 🌊🔥

✉️ „Heute Abend Party in der Bucht – bist du dabei oder tauchst du wieder ab?“

Ich starre auf die Nachricht.

Reflex: Absagen. Kein Nerv auf laute Musik, auf nasse Sandtücher und halbgare Gespräche. Aber vor allem: kein Bock auf Alys.

Dieses unausgesprochene Ding zwischen uns hängt wie salzige Luft auf der Haut. Ich weiß nicht, wie sie drauf ist. Was passiert, wenn sie mich sieht. Ob sie irgendwas sagt. Oder gar nichts, was fast schlimmer wär. Ich will gerade tippen: Bin raus heute, da seh ich zu Naima rüber. Sie sitzt da. Ganz ruhig. Aber irgendwie... echt. So wie sie das Licht anschaut, und dann die eigenen Hände im Schoß. So, als würd sie sich selbst leiser stellen, wenn’s draußen zu laut wird.

Und ehe ich weiß, was ich tu, hör ich mich sagen:

„Hey... hast du Bock, heut Abend mit an den Strand zu kommen? Bisschen Musik, paar Leute, Lagerfeuer-Vibes. Meine Freundin Nova schmeißt 'ne Party in der Bucht.“

Sie hebt den Kopf, sieht mich an. Ich lächel so halb. Locker. Oder versuch’s zumindest.

„Nur wenn du magst. Kein Stress.“

Sie nickt nicht sofort. Und während ich warte, verfluch ich mich leise.

Was tu ich da? Ich wollte doch grad eben noch nichts Kompliziertes. Keine Andeutungen. Kein „Komm mit in meine Welt“-Move. Und jetzt sowas?

Aber ehrlich? Ich will, dass sie kommt. Ich will sehen, wie sie am Feuer sitzt. Wie sie auf Musik reagiert. Wie sie mit meinen Leuten ist – und ob ich mich bei ihr entspannter fühl als bei denen, die mich schon ewig kennen. Ich weiß, dass ich mich auf dünnem Eis bewege, aber ich will... mehr Zeit mit ihr. Und genau das macht mir Angst.

 

--- Naima ---

Ich weiß nicht, was ich erwartet hab, aber nicht, dass sie auf einmal mit ‘ner Strandparty um die Ecke kommt.

„Hey... hast du Bock, heut Abend mit an den Strand zu kommen? Bisschen Musik, paar Leute, Lagerfeuer-Vibes. Meine Freundin Nova schmeißt 'ne Party in der Bucht.“

Ich blinzel sie an.

Pause.

Okay. Moment kurz. Tauchkurs mit ihr im engem Neoprenanzug war schon viel – aber jetzt auch noch Lagerfeuer, Musik, Menschen? Mit ihren Leuten? Was ist das grad? Einfach nett? Oder will sie... mehr Nähe? Und was will ich? Mein Mund ist schneller als meine Gedanken.

„Klar. Klingt gut.“ Ich sag’s. Und innerlich so: Was hast du getan?!

Aber dann seh ich sie. Klea. Wie sie mich anschaut. Erst überrascht. Dann... Freude.

Nicht so „Haha cool, du kommst“-Freude. Sondern leise. Echt. Wie so ein Licht, das im Blickwinkel angeht.

„Wann und wo genau soll ich da sein?“

Sie checkt ihr Handy. „Nova meinte: kurz nach Sonnenuntergang. Kleine Bucht, direkt hinter dem Dünenpfad beim Leuchtturm. Ist nicht zu übersehen, da flackern eh irgendwann überall Lichterketten.“

Ich nicke.

„Okay. Ich find das.“ „Oder… wir tauschen Nummern. Falls du mich zwischen der Musik und Gelächter nicht findest.“ Ich zieh kurz die Augenbrauen hoch. Sie grinst. Und ich nicke.

Wir halten unsere Handys aneinander und schon habe ich ihren Kontakt. Keine große Geste. Aber irgendwie… fühlt es sich an wie ein Punkt auf einer inneren Karte, den ich später nochmal berühren werde.

Dann stehen wir auf. Laufen nebeneinander her, zurück Richtung Eingang. Still. Aber nicht unangenehm still. Eher wie: Jeder denkt noch bisschen nach. Oder speichert die Situation wie 'ne Datei, die man nicht verlieren will.

Am Ausgang drehen wir uns zueinander.

„Dann bis später?“, sagt sie.

„Ja“, sage ich. Mein Herz: Okay. Okay. Okay. Okay. Ich hab zugesagt. Einfach so. Aber mein Hirn ist so: Hast du grad dein eigenes Leben gecrasht?

Ich schnapp mein Rad, steige auf, tret los – und der Wind schneidet durch mein Kopfchaos wie Meersalz durch müden Sand. Ich bin aufgeregt. Nicht panisch – eher wie aufgeladen.

Und dann fällt mir ein: Fuck. Was zieh ich an?

Die Nacht schmeckt nach Salz und Musik, Stimmen flirren wie Lichter im Sand. Nicht jede Einladung führt zu einem Tanz — manchmal bleibt jemand stehen, während der andere weitergeht. Ein Blick zu viel, ein Moment zu wenig.

--- Naima ---

 

Ich stand barfuß vor meinem offenen Kleiderschrank und ließ mich gleichzeitig von Drums, Riffs und Verzweiflung einballern. Irgendein Skatepunk-Mixtape rotierte über die Bluetoothbox, aber in meinem Kopf war nur: Was zieh ich an? Was passt überhaupt? Was macht Sinn?

Ich durchkämmte meine Klamotten. Basics. Grunge-Kram. Merchendiseshirts. Drei Hoodies.

Warum war plötzlich alles zu eng, zu labberig oder zu… egal?

Ich warf ein Tanktop mit Starcaller XIII-Logo aufs Bett. Kurz darauf flogen ein altes Game-Jam-Festival-Shirt, eine lockere Shorts und mein ausgewaschenes Shiroko eSports Crop-Tee hinterher und verzog das Gesicht, als wär ich von allem persönlich beleidigt worden.

„Ich hasse alles, was ich besitze“, murmelte ich in den Raum. „Danke für nichts, Kleiderschrank.“

Ich stand vor meinem Kleiderschrank, der sich wie ein schwarzes Loch anfühlte, das alles verschluckt hatte, was ich jemals besessen hatte – und damit auch jede Idee, wer ich heute Abend sein wollte. Nichts passte. Nichts fühlte sich richtig an.

Der nächste Track war viel zu happy. Ich skippe, als würde die Playlist mich nicht kennen.

Party-Outfits waren einfach nicht mein Ding. Vor allem nicht bei 28 Grad, mit salziger Luft in den Haaren und dem Wissen, dass irgendwo Klea rumläuft – cool wie immer, mit gebräunter Haut und diesem Blick, bei dem man nicht weiß, ob man wegsieht oder noch näher rutscht.

Normalerweise war mir das egal. Ich hab schon Tage in Joggers und Nerdy-Shirts durchgezogen, und wenn Leute was dazu gesagt haben – mir egal.

Aber heute?

Heute war da dieses neue Gefühl. Was, wenn sie mich anschaut. Richtig? Zwischen Musik und Feuer. Was, wenn ihre Freunde mich sehen – und ich halt einfach „die Neue“ mit dem seltsamen Shirt bin?

Ich dachte an Klea. Wie sie mich gesehen hatte – im Diner, still, verplant. Am Strand, mit Ponytail und Handheld, durchgelaufenen Chucks im Schatten, Sonnencreme auf der Nase. Und dann heute im Institut: Basic-Shirt, Jeans, nix Besonderes.

Und trotzdem hat sie mich gefragt: Erst Tauchkurs, jetzt Party.

Also warum jetzt das Drama?

Weil ich’s nicht verkacken will. Weil sie mich eingeladen hat – in ihre Welt, zu ihren Leuten. Weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass heute Abend mehr passieren könnte als nur ein bisschen Musik und Lagerfeuer.

Ich ließ mich aufs Bett fallen, flankiert von zerknitterten Klamotten, und starrte an die Decke.

Was hat sie überhaupt an mir gesehen? Vielleicht bin ich für sie nur wie ein Track, den man kurz hört und dann skippt.

Was ziehst du an, wenn du nicht weißt, was du fühlst? Kurz dachte ich: Ich könnte einfach absagen. Migräne vorgetäuscht, Bett statt Strand, Playlist statt Party, als plötzlich der nächste Song ansprang.

„That girl thinks she’s the queen of the neighborhood—”

Oh wow.

Rebel Girl. Bikini Kill. Laut. Wild. Frei. Der Sound haute rein, wie so 'ne spontane Denkzettel-Umarmung.

Ich setzte mich langsam auf. Atmete durch. Und mein Blick fiel auf das gestreifte Tanktop am Boden.

Weit. Luftig. Nicht zu sehr „Ich versuch was“, aber auch kein Totalausfall. Darunter das schwarze Bandeau – bisschen mutiger als sonst. Dazu meine zerrissene Skinny Jeans, die ich seit Ewigkeiten liebe, auch wenn sie wahrscheinlich offiziell aufgeben will. Und meine schwarzen Chucks. Abgelatscht, aber ehrlich. So wie ich.

Ich zog das Outfit an, betrachtete mich im Spiegel und dachte: Okay. Das bin ich. Vielleicht nicht ready für die Welt. Aber ready für mich.

Nur ein Outfit. Nur ein Abend. Nur ein Schritt. Und ich wusste: Ich würde gehen. Trotz allem.

In dem Moment vibrierte mein Handy. Ich griff danach, Herz kurz zu schnell.

 

✉️ Klea: “Noch eine Stunde bis Partybeginn. Bist du bereit? 😎🌴“

 

Ich starrte auf die Nachricht. Wie war’s plötzlich schon so spät? Ich hatte komplett die Zeit vergessen. Ich tippte zurück: „Klar. Ich bin gleich ready 😌🖤“

Lüge. Ich war weit entfernt von „ready“.

Mein Spiegelbild sah aus wie eine Beta-Version – halb fertig, halb verwirrt. Ich wollte noch ein bisschen Eyeliner. Vielleicht etwas Lip Tint, aber nicht zu viel. Und meine Locken?

Unkontrollierbare, lange, braune Locken, die heute einfach das reinste Frizz-Fluff-Chaos waren.

Ich fluche leise, als mir klar wird: Haare waschen ist nicht mehr drin. Die Uhr sagt „Noch eine Stunde“, mein Spiegel sagt „Nope“. Also: Damage Control.

Ich beug mich über das Waschbecken, mach meine Locken gut nass und drück ein bisschen Lockencreme in die Hand. Nicht zu viel. Nur mit den Fingern durchkneten und hoffen, dass Kalveran-Wärme den Rest regelt. Messy Curls as a concept. Wird schon.

Dann Make-up.

BB Cream – leicht, unauffällig. Ich wollte nicht zugespachtelt aussehen. Ein bisschen Creme-Blush in kühlem Rosé, nur so, dass man denkt „sie sieht irgendwie wach aus“. Lidschatten ließ ich weg – zu viel Aufwand. Lieber schwarzer Eyeliner, leicht verschmiert mit ‘nem Wattestäbchen, als hätte ich’s nicht versucht, aber trotzdem geschafft. Dazu Mascara und farbloser Lipbalm. Fertig.

Ich atmete durch. Schaute mich im Spiegel an. Meine Locken rebellieren, das Outfit passt – aber mein Spiegelbild sieht immer noch aus wie eine Beta-Version meiner selbst.

Ich hatte noch 45 Minuten auf der Uhr. Könnte schlimmer sein. Ich sprintete in die Küche, toastete mir eine Scheibe Brot, zerdrückte eine halbe Avocado drauf, Salz, Pfeffer, Mikroflucht vor dem Kreislaufkollaps. Zähneputzen. Schnell. Mit geschlossenen Augen.

Dann meine Bauchtasche: Schlüssel, Handy, Kaugummis. Mehr braucht niemand. Ich schulterte sie über den Rücken, schnappte mein Fahrrad und schob es die ersten Meter auf die Straße hinaus.

Der Himmel war flammend, goldrot, die Luft warm und flirrend. Und ich spürte es wieder.

Aufregung.

Nicht wie Panik. Mehr so: Ich hab keine Ahnung, was gleich passiert. Aber ich will da hin.

Ich trat in die Pedale. Und fuhr los.

 

--- Klea ---

 

Ich war wie immer viel zu früh. Nova meinte: „Bring Lichterketten mit, sei hilfreich, nerv nicht.“ Hab ich gemacht. Kabel entwirrt, Eismatsch in die Kühltonne geworfen, Beats gecheckt, alles wie immer. Aber innerlich... war nix wie immer.

Ich hatte lange überlegt, was ich anziehe. Nicht, weil ich irgendwem was beweisen wollte— aber weil ich wusste, dass heute irgendwie anders wird.

Am Ende war’s ein kurzes Boho-Kleid, fließender Stoff in Sand- und Cremetönen, mit Spaghettiträgern, mit kleinen gehäkelten Details am Saum. Es fühlte sich an wie: weniger Fassade, mehr Haut, mehr Ich.

Dazu meine Flip Flops mit den weichen Riemen – helles Leder, nichts Aufdringliches, aber sie haben diesen Glanz, der auffällt, wenn man’s drauf anlegt. Ich hatte überlegt, barfuß zu gehen. Fast wär’s das geworden. Aber ich wollte laufen, springen, tanzen können, ohne jedes Mal den Boden zu spüren.

Und meine Haare? Vorn ein paar dünne Zöpfe eingeflochten – zwei links, einer rechts – wie kleine Marker, die mir helfen, bei mir zu bleiben. Der Rest stand frei, groß, dunkel, weich – eine Krone aus Chaos, und heute hab ich sie nicht gebändigt.

Ich hab gewartet. So richtig gewartet. Nicht dieses „Mal sehen, wer so kommt“-Warten. Sondern „Ich schau ständig Richtung Dünenpfad“-Warten. Gleichzeitig verkniff ich mir, mein Handy zu checken.

Und das macht mich irre. Weil ich so nicht bin. Ich block ab. Bin mittendrin – aber immer mit einem Fuß draußen. War schon immer so. Geburtstagsfeier, Klassenfahrt, erste Liebe – ich war dabei, aber nie ganz drin.

Aber heute bin ich da. Wegen ihr.

Musik läuft, Stimmen mischen sich drüber. Ein paar Leute tanzen schon barfuß im Sand, andere chillen mit Getränken und dieser „Ich tu so, als wär ich nicht socially overfordert“-Pose.

Ich tu auch so. Während mein Blick sucht.

Ich weiß nicht mal, was ich mir wünsche. Dass sie kommt? Dass sie nicht kommt, weil dann alles weniger krass wird?

Ein Teil von mir hatte gehofft, sie sagt ab. Weil dann hätt ich einfach gesagt: „War halt nur nett gemeint.“ Aber jetzt weiß ich – ich hätte's gelogen. Weil ich will, dass sie kommt.

Und plötzlich – Alys.

Sie läuft direkt an mir vorbei. Kein Wort. Kein Blick. Nur dieses kalte Nichts, das sich anfühlt wie 'n kurzer Stromausfall im Herz. Ich schau ihr hinterher, aber mein Kopf sagt nur:

„Okay. Durch. Schicht im Schacht.“

Ich atme ein. Lass los. Und genau in dem Moment seh ich sie.

Naima.

Auf dem Fahrrad. Locken im Fahrtwind, Tanktop, Chucks, Bauchtasche quer. Und ich schwöre, mein Herz... macht so ‘n Minihüpfer, wie wenn der Beat plötzlich genau richtig droppt.

Sie sieht so verdammt gut aus. Nicht so „gestylt“. Sondern so echt. So: Ich bin einfach so, deal with it.

Und ich weiß jetzt: Egal wie kompliziert das wird – ich freu mich, dass sie da ist.

Und dann läuft sie auf mich zu. Ich denk: Okay. Tief durchatmen. Ist ja nur sie. Nur sie.

Und mein Hirn wird dümmer mit jedem Meter.

Was jetzt? Hand geben? Äh, cringe. Umarmen? Nope, zu viel. Winken? Was bin ich, elf?

Also sag ich einfach:

„Hey.“ Mit einem Lächeln, das halb cool, halb… na ja. Ich halt.

Und dann… dann lächelt sie zurück. So dieses schräge Lächeln, eins, bei dem der Mund zögert, aber die Augen nicht. Und es trifft mich. Direkt. Wohlig. Irgendwo zwischen Rippen und Magengrube. Wie Sonnenwärme, die durch die Haut sickert.

„Hey“, sagt sie.

Und für einen Moment läuft alles leiser.

Wir gehen los, runter zum Lagerfeuer-Viereck, wo Nova gerade mit einem Eimer Eiswürfel kämpft.

„Leute, das hier ist Naima“, sag ich. „Naima – das ist Nova, die das Chaos hier schmeißt, und da hinten: Lejo, sein kleiner Bruder Tom, und Jess mit dem Getränkespirit.“

Alle nicken, winken, lächeln. Keine Aufdringlichkeit, nur easy Vibes.

„Welcome to the Bucht“, sagt Nova und prostet ihr mit 'nem Pappbecher zu.

Lejo kommt rüber, hält zwei bunte Becher in der Hand, die schon vom Tauwasser klebrig sind.

„Slushy-Time! Mango mit… Überraschung.“ Dann grinst er und ruft laut genug, dass alle’s hören: „Party-Timeeee!“

Ich nehme meinen Becher, reiche den anderen an Naima. Sie grinst, leicht irritiert. Dann nippt sie vorsichtig.

„Süß. Und... wow. Brennt irgendwie nach.“ „Geheimzutat aka Vodka“, sagt Lejo und zwinkert. „Kalveran Bay approved.“

Sie schaut mich über den Rand ihres Bechers an. Und ich fühl mich... gesehen. Nicht durchleuchtet. Eher gefunden. Genau richtig. Trotz allem. Trotz Alys, trotz meines Wirrwarrs, trotz dieser Angst, dass ich mal wieder jemandem zu nah komme.

Heute Abend darf’s kurz leicht sein.

„Ey, wer hat eigentlich die Idee mit den Slushys gehabt?“, fragt Nova und grinst in die Runde. „Das Zeug ist ja fast besser als Bier.“

„Fast?“, ruft Lejo und hebt seinen Becher. „Das hier ist Kunst, Mann. Mango-Vodka-Slushy – das ist wie Sommer in flüssig.“

„Sommer in flüssig, Diggah, du bist echt ’n Poet“, sagt Tom und schüttelt den Kopf. „Aber ja, besser als das warme Dosenbier von letztem Mal.“

„Ey, nix gegen Dosenbier“, sagt Jess. „Das hat uns durch die letzte Party gerettet.“

„Ja, und durch die Kopfschmerzen am nächsten Tag“, fügt Lejo hinzu und lacht.

Ich sitze da, höre zu, wie die Jungs sich gegenseitig aufziehen, und merke, wie Naima neben mir immer wieder leicht lächelt. Sie sagt nicht viel, aber wenn sie was sagt, ist es immer so... treffend.

„Also, ich find’s krass, wie ihr hier einfach chillt“, sagt sie plötzlich. „Bei uns wär das schon längst ’ne Insta-Story mit tausend Likes.“

„Willkommen in Kalveran Bay“, sagt Nova und prostet ihr zu. „Hier zählt nicht, wie viele Likes du kriegst, sondern wie viele Slushys du schaffst.“

„Das nehm ich als Challenge“, sagt Naima und nimmt einen großen Schluck.

Ich schau sie an, wie sie da sitzt, Tanktop, Locken, dieses leichte Grinsen. Und ich denk: Okay, sie passt hier rein. Mehr als ich gedacht hätte.

„Ey, Klea, du bist so ruhig“, sagt Lejo plötzlich. „Was geht?“

„Nix, alles gut“, sag ich und zucke mit den Schultern. „Ich hör euch halt zu. Ist manchmal besser, als selbst zu reden.“

„Philosophin am Start“, sagt Tom und grinst. „Aber ja, stimmt. Manchmal labern wir echt zu viel.“

„Nicht manchmal“, sagt Nova. „Immer.“

Alle lachen, und ich merke, wie die Stimmung immer lockerer wird. Naima schaut mich kurz an, und ich spüre diesen Moment, wo alles kurz still wird, obwohl um uns rum das Chaos weitergeht.

Die Runde lief. Und besser, als ich gedacht hätte.

Ich hätte ewig zuschauen können. Wie sie lachte. Wie sie sich manchmal über den Arm fuhr, wenn sie verlegen war. Wie sie sich leicht zu mir drehte, wenn jemand einen Witz machte – und ihre Schulter dabei ganz kurz meine streifte.

Wir saßen nebeneinander. So, wie man halt sitzt, wenn kein Platz mehr frei ist. Aber irgendwie fühlte es sich an wie gewollt. Sie hatte den Becher in der Hand, Slushy fast leer und diese leicht schrägen Antworten auf die Fragen von Lejo brachten alle zum Lachen. Sogar Tom, der sonst nur mit seinem Gamepad kommuniziert, war plötzlich interessiert.

Zwischendurch streifte ihr Knie meins. Nicht absichtlich. Aber oft genug, dass ich’s merkte. Und jedes Mal vibrierte irgendwas in meinem Bauch los, so wie bei diesen unsichtbaren Stromstößen, wenn man jemanden mag und der Körper’s merkt, bevor man’s selbst zulässt.

Ich sitze da und tu so, als wär ich ganz bei der Runde. Höre das Lachen, spüre den Sand unter meinen Füssen. Aber mein Fokus driftet. Immer wieder zu ihr.

Naima ist ein bisschen nach vorn gerutscht, ihre Locken spielen mit dem Licht der Lichterkette, und eine Strähne hat sich gelöst. Tanzt vor ihrer Wange wie ein kleiner, eigensinniger Gedanke.

Ich sollte weggucken.

Aber meine Hand hebt sich, bevor der Impuls sich in Vernunft übersetzen kann. Ganz langsam. Ganz selbstverständlich. Ich streiche ihr die Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Da war ’ne Rebellin auf Abwegen“, murmele ich.

Meine Finger streifen ihre Haut – warm und weich, wie die Stelle zwischen Sommer und Erinnerung. Ich ziehe die Hand zurück, als hätte ich mich verbrannt, obwohl sie gar nicht gebrannt hat. Nur… gewirkt. Und das Brennen kam erst danach – als mein Kopf wieder übernommen hat.

Ich wusste, dass ich das nicht darf. Aber meine Hand wusste es eben nicht und vielleicht wollte sie’s einfach mal kurz schön haben, bevor alles wieder kompliziert wird.

Naima schaut mich an. Erst überrascht. Dann schräg grinsend.

„Die rebelliert halt gern in deiner Nähe.“

Und ich weiß sofort: Dieser Moment war zu viel. Zu ehrlich. Zu wenig Abstand.

„Sorry“, flüstere ich. „Ich... wollte nicht—“

„Ich weiß“, sagt sie einfach. Lächelt. Nicht spöttisch. Einfach echt.

Und in mir vibriert alles. Nicht weil ich bereue. Sondern weil ich spüre: Ich werd’s bereuen müssen. Früher oder später.

Aber für genau diesen Moment war’s egal. Und irgendwie fühlte sich gerade alles leicht an. Fast… normal.

Dann... bewegte sich was am Rand meines Blicks. Und mein Magen zog sich zusammen, noch bevor mein Kopf’s begriff.

Alys.

Barfuß, leicht torkelnd, Becher in der Hand, und dieser Blick, den ich zu gut kannte. Nicht wütend. Nicht traurig. Mehr so: „Wir müssen reden.“ Mit Alkohol im Unterton.

Ich wusste sofort, was Sache war. Noch bevor sie neben mir ankam.

„Klea...“, murmelte sie, als sie neben mir stehen blieb. „Red kurz mit mir. Bitte.“ Ihre Stimme hatte diesen Ton, der durch jede Mauer sickert – weich, aber dringlich.

Ich schluckte. Alles in mir wollte sagen Nein. Aber irgendwas in ihrer Stimme ließ mich stocken.

Ich hatte nicht viel getrunken. Tu ich nie. Ich bleib lieber die mit dem klaren Kopf, die merkt, wenn was kippt. Und irgendwas an ihr war grad am Kippen. „Okay. Aber nur kurz.“

Ich stand auf, ließ meinen Becher im Sand, spürte, wie die Luft zwischen mir und Naima kurz kühler wurde. Nicht spürbar für andere. Aber für mich schon.

Und dann – dieser Blick. Von der Seite. Naima sah mir nicht direkt nach. Aber ich spürte, dass sie’s bemerkte. Wie ich aufstand. Wegging.

Und obwohl sie nichts sagte, lag da dieser Blick – nicht fragend, nicht fordernd. Einfach dieses stille ‚Ich hab’s gesehen.’

Und das… das ging tief.

„Oh oh Drama“, hör ich noch von hinten. Lejos Stimme, safe. Ich ignoriere es.

Ich geh mit Alys ein paar Meter vom Lagerfeuer weg. Mehr Schatten als Licht, irgendwo zwischen dem alten Bootsrumpf und der leeren Liegefläche der Surfschule. Hier ist es halb ruhig. Aber in mir drin ist’s laut.

Sie bleibt stehen, nimmt einen Schluck aus ihrem Becher, zieht die Nase leicht kraus. Dann sieht sie mich an. Direkt.

„Was willst du?“, frag ich, leise. Nicht hart. Nur müde.

„Seit wann stehst du auf Grunge-Girls?“, sagt sie. „Ist das dein neuer Typ? Kaputte Jeans und Retro-Charme?“ Sie lacht kurz. Ohne Freude.

Ich sag erst mal nix.

„Weißt du eigentlich, wie das aussieht, Klea?“, sagt sie. „Du chillst da, Schulter an Schulter mit ihr… und ich steh da wie… wie 'ne Figur, die vergessen wurde, bevor sie ihren Part hatte.“

Ich bleibe weiter still und höre ihr zu. Weil das Gefühl kenn ich. Weil ich’s ihr nicht verdenken kann. Aber ich kann's auch nicht ändern.

„Ich war dir nie genug, oder?“, sagt sie dann. „Nie echt genug, um mich mal mit nach Hause zu nehmen. Nie sicher genug, um mich deiner Mutter vorzustellen. Nie wichtig genug, um mir überhaupt 'ne echte Chance zu geben.“ Sie schaut mich an. Der Alkohol steht ihr leicht im Blick, aber das hier ist klar. Das ist Wut. Und Verletzung. Und Resthoffnung. Ich will widersprechen. Aber mein Schweigen klopft die Wahrheit aus.

„Du hast mich einfach auf Standby gesetzt und tust jetzt so, als wär sie die Erste, die dich wirklich erreicht.“

Ich schluckte. Hart. Weil das stimmt. Oder vielleicht nicht. Vielleicht war niemand bisher wirklich nah genug, um was zu erreichen. Aber sie war’s fast. Fast.

„Es lag nicht an dir“, sag ich. „Es ist… kompliziert. Ich hab Grenzen. Dinge, die ich nicht teilen kann. Nicht mal, wenn ich will.“

„Aber warum nicht mit mir?“, fragt sie. „Ich war da. Immer. Ich hab dich nie gedrängt. Aber irgendwann will man halt wissen, ob das echt ist. Oder ob man nur kurz Saisonbesetzung war.“

Ich senk den Blick. Sie hat Recht. Und trotzdem... ich kann ihr nicht sagen, warum. Nicht, dass Nähe für mich immer Risiko bedeutet. Nicht, dass Zuhause für mich kein sicherer Ort ist, weil ich nun mal nicht von hier stamme. Weil ich eben nur so tue, als würd ich dazugehören.

„Ich bin nicht gut in Nähe, okay? Ich hab meine Gründe. Und wenn ich könnte, würd ich mich ändern. Ehrlich.“

Sie starrt mich an. Dann wirkt ihr Gesicht für einen Moment weich.

„Wir waren was, oder?“ – Sie schaut mich an, wartend. Ich nicke. „Ja. Wir waren’s. Nicht mehr. Nicht weniger.“

„Dann... könnten wir das wieder sein.“

Ich halt den Atem an.

Alles in mir will nicht nochmal. Aber alles in mir weiß auch, dass ich nicht bereit bin, Naima wehzutun. Weil sie nicht weiß, was sie riskiert, wenn sie mich mag. Weil ich irgendwann eh wieder zurückziehen muss. Weil Nähe für mich wie ein Timer ist. Je Tiefer es geht, desto näher kommt der Moment, an dem ich mich lösche.

Und irgendwas in mir… gibt auf.

Nicht weil ich’s will. Weil ich mich kenne. Und genau deshalb. Weil ich weiß, dass ich mich wieder entfernen werde, wenn’s mit Naima ernst wird. Weil sie besser ist als das. Besser als alles, was ich ihr antun würde.

Ich denke: Vielleicht ist es sicherer, mit jemandem zu sein, der den Bruch schon kennt. Der weiß, wie’s sich anfühlt, wenn ich abdrifte. Mit Alys.

Vielleicht ist Freundschaft mit Naima alles, was möglich ist. Oder gar nichts.

Ich nicke. Langsam.

„Okay. Wir können’s versuchen.“

Alys lächelt. Zieht mich leicht zu sich. Der Kuss kommt nicht überraschend. Aber er fühlt sich an wie ein Bekannter, wie jemand, den du zu oft getroffen hast, um noch überrascht zu sein.

Mango-Slushy. Alkohol. Zigaretten. Und der Beigeschmack von Ich hätte gern jemand anders geküsst.

Als wir zurückgehen, legt sie den Arm um meine Taille. Ich lass ihn dort. Mein eigener geht über ihre Schultern, wie auf Autopilot. Und ich weiß, dass jemand in der Runde das sehen wird. Und dass es sich anfühlen wird wie eine Tür, die zugeht, obwohl ich noch drin stand.

Ich sitze wieder am Lagerfeuer, aber mein Kopf ist woanders. Die Stimmen um mich herum sind gedämpft, wie durch Watte. Ich sehe Naima, wie sie mit Nova lacht, und mein Magen zieht sich zusammen.

Ich weiß, dass sie es gesehen hat. Den Kuss. Den Arm um Alys. Und ich weiß, dass ich es nicht erklären kann. Nicht jetzt. Vielleicht nie.

Mein Blick wandert zu Alys, die neben mir sitzt, ihr Becher halb leer. Sie redet mit Lejo, lacht über irgendwas, aber ich spüre ihre Hand auf meinem Knie. Besitzergreifend. Als wollte sie der Welt zeigen: Das hier ist meins.

Aber ich bin nicht ihres. Nicht wirklich. Und das weiß sie.

Ich schaue wieder zu Naima. Sie hat sich ein Stück zurückgezogen, sitzt jetzt etwas abseits, ihr Blick auf das Feuer gerichtet. Ihre Locken tanzen im Licht der Flammen, und ich frage mich, was sie denkt. Ob sie enttäuscht ist. Ob sie wütend ist. Ob sie mich überhaupt noch sehen will.

Ich will aufstehen, zu ihr gehen, irgendwas sagen. Aber meine Beine fühlen sich schwer an, wie festgewachsen.

„Alles okay?“, fragt Alys leise, ihre Stimme nah an meinem Ohr.

„Ja“, lüge ich. „Alles okay.“

Aber nichts ist okay.

Ich spüre die Distanz zwischen mir und Naima wie eine Mauer, die ich selbst gebaut habe. Und ich weiß, dass ich sie nicht einreißen kann, ohne alles andere auch zu zerstören.

Die Nacht geht weiter, die Musik wird lauter, die Gespräche lebhafter. Aber ich bin nicht wirklich da. Mein Kopf ist bei Naima. Bei ihrem Lächeln, das jetzt fehlt. Bei ihrem Blick, der mich nicht mehr sucht.

Und ich frage mich, ob ich sie schon verloren habe, bevor ich sie überhaupt richtig hatte.

Kein Platz für neue Gefühle — wenn sie zu sehr verletzen könnten. Fürsorge beginnt dort, wo keine Worte mehr helfen.

--- Naima ---

Ich sah nur, wie Klea aufstand.

Einfach so. Kein Wort, kein Blick. Zuerst dachte ich: Nur schnell was holen. Bis ich sah, mit wem sie ging.

Das Mädchen. Die mit den langen Beinen, dem lockeren Lächeln, die auch im Diner saß. Und am Strand. Immer so halb in ihrer Nähe. Halb sichtbar, halb präsent. Und jetzt: neben ihr. Zielstrebig. Leicht schwankend. Arm an Arm.

Irgendwas an dem Bild war klar: Ich war raus – komplett.

Ich tat so, als wär’s mir egal. Ich spielte den Part: wortlos, zufällig, unbeeindruckt. Als hätt ich gerade mega was Spannendes entdeckt — da hinten, bei der Palme mit dem Mückenschwarm.

Nova beugte sich rüber. Sie hatte’s natürlich gemerkt. Alle hatten’s gesehen. Aber sie war cool.

„Das ist Alys“, sagte sie, so nebenbei. „Kleas Ding vielleicht. Drama in Dauerloop. Irgendwas läuft da seit Wochen.“

Ich nickte. Also so ein „Aha, klar, passt.“- Nicken. Aber innerlich war’s wie ein Freefall. Alles in mir stürzte.

Warum? Was war das?

Klea und ich – das war doch nix. War doch nur so: ein Gespräch, ein paar Blicke, eine Einladung. Locker. Freundschaftlich. Unverbindlich.

Warum fühlte es sich dann so an, als hätt ich mich grad selbst ins Off geschrieben?

Jemand streckte mir einen neuen Becher hin. Mango-Slushy mit der „Geheimzutat“. Ich nahm ihn. Ohne Zögern. Prostete halbherzig zurück. Murmelte in den Becher: ‚Auf dich, Vergessen.‘

Süß. Scharf im Nachgang. Dieses Mal wirkte es schneller. Warmes Flirren. So ein Lachen von innen, obwohl nichts witzig war. Mut zum Bleiben, wenn man eigentlich grad nur weglaufen will.

Aber ich blieb. Weil ich nicht die sein wollte, die wegen einem Blick geht. Und weil ich keinen Bock hatte zu fühlen, was da gerade passierte.

Sie kamen zurück. Arm in Arm – wie aus einem schlechten Film.

Und als hätte mein Kopf das Bild nicht gepuffert, brauchte ich einen Moment zu lang, um’s zu verarbeiten. Klea. Mit der anderen. Mit Alys.

Die, die nicht irgendeine war. Die aus dem Diner. Vom Strand. Nova hatte’s eh schon gedroppt: „Drama-Ding, läuft seit Wochen.“ Cool.

Sie nahmen ihren Platz ein, als wär’s nie anders gewesen. Als wär ich nur ein Gast auf dieser Bühne, auf der ich dachte, kurz mal Hauptrolle zu sein.

Slushy Nummer drei. Zu süß. Zu stark. Zu spät.

Mein Kopf war wattig, mein Bauch verspannt. Ich starrte in meinen Becher und manchmal – nur ganz kurz – über seinen Rand hinweg zu Klea.

Sie lachte. Nicht zu laut. Aber auch nicht so, als würd sie mich sehen.

War ich nur dumm gewesen? Nur falsch abgebogen? Was war das heute? Ein Spiel, ein Test, ein Irrtum?

„Willst du mitkommen?“, hatte sie gefragt, mit ihren olivgrünen Augen, die irgendwas in mir zum Brennen brachten. So beiläufig, als wär’s nur ein Satz. Aber ich hatte ihn gespürt – wie einen Ruf, einen Code, einen verdammten Neuanfang.

Ich verfluchte mich innerlich – zu gutgläubig, zu blind. Ich hätte es besser wissen müssen. Aber Klea war zu echt, zu nah.

Ich könnte jetzt zu Hause sein. Mit Headset, mit meiner Crew. Mit Relln. Stundenlange Gespräche über Voicechat, epische Bosskämpfe. Digitale Stimmen. Keine Nähe. Kein Schmerz.

Aber nein. Ich war hergekommen. Weil ein Mädchen mit olivgrünen Augen mich angelächelt hatte. Wie peinlich. Wie naiv. Wie verdammt dumm.

Ich sagte nichts. Irgendwann stand ich einfach auf. Ohne Plan.

Der Sand unter meinen Füßen… seltsam leer, als ich mich entfernte. Nicht weich. Nur bedeutungslos. Als wäre die Welt mir einen Schritt voraus. Ich kam zu spät – für alles.

Ich ging Richtung Meer. Mehr aus Instinkt als Ziel. Ein bisschen Licht von der Stadt, ein bisschen Glitzern vom Wasser. Und irgendwo dazwischen: ich.

Ich setzte mich auf einen Felsen, der noch warm war vom Tag. Die Wellen rauschten wie eine Playlist auf Repeat. Immer gleich. Immer anders.

Und dann... dunkel.

Nicht dramatisch. Nicht ohnmächtig. Nur: zu. Als hätte mein Kopf gesagt: Pause. Genug für heute.

 

--- Klea ---

Der Abend schreitet weiter voran. Maske auf. Smile rein. Ein bisschen Lachen, ein paar Sprüche. Nova quatschte irgendwas über die Slushy-Quote. Lejo lacht sich über seinen eigenen Joke kaputt. Ich reagiere. Automatisch.

Aber innerlich... bin ich nur bei ihr.

Ich seh, wie sie den nächsten Becher nimmt. Dritte Runde. Sie trinkt zu schnell. Ich seh das. Ich weiß, wie das endet. Ich wollte etwas sagen. Ein Satz, ein Lächeln, irgendein verdammtes Zeichen. Aber ich blieb still. „Sag was... oder schweig für immer“, ätzte meine innere Stimme. Ich entschied mich fürs Schweigen. Wie so oft.

„Was willst du bei der?“ Das wär das Erste, was Alys fragen würde.

Und ich hab keine Lust, mich in noch 'ne Schicht Chaos zu wickeln. Ich will kein Drama. Ironisch, oder? Dabei hab ich's selbst losgetreten.

Die anderen versuchen, sie einzubinden. Nova fragt was, Jess wirft ihr ein Lächeln zu. Aber Naima ist raus. Richtig raus.

Sie sitzt da, wie jemand, der zwar noch körperlich da ist, aber innen: Rückzug auf Raten.

Und dann... steht sie einfach auf. So. Ohne Kommentar. Ohne Blick.

Geht einfach.

Und alles in mir will aufspringen. Will sagen: Hey warte, bitte — Aber ich bleib sitzen. Weil ich feige bin. Weil Alys direkt neben mir sitzt, und Fragen im Blick hat, die sie nicht mal ausgesprochen hat.

Weil ich keinen Aufriss machen will.

Und trotzdem tut es weh. So dumm es klingt. Als wär da was aus der Hand geglitten, was ich nie richtig gehalten hab.

Alys trank weiter. Obwohl sie schon längst über den Pegel war, bei dem man noch mit lachen konnte, ohne zu merken, dass der Witz längst vorbei war.

Sie kicherte in irgendeine Story rein, die längst im Off war. Jess schaute irgendwann nur noch in den Himmel.

Und ich? Ich zählte ihre Schlucke. Nicht weil ich wollte. Nur weil’s einfacher war als auf meine Gedanken zu hören.

Irgendwann kam ihre große Schwester. Gereizt, genervt, aber routiniert. So wie Leute gucken, die das schon öfter gemacht haben.

„Komm Alys, wirklich jetzt.“

„Ich ruf dich morgen an, okay?“, lallte Alys, während ihre Schwester schon genervt danebenstand.

Ich nickte nur. Gab ihr ein schiefes Lächeln. Und da beugte sie sich vor und drückte mir noch schnell einen Kuss auf den Mund. Er war nicht romantisch. Mehr wie ein Stempel: Meins. Zucker auf den Lippen. Bedauern zwischen den Zähnen. Und ich? Ich fühlte nichts. Oder zu viel.

Und sie fragte nicht, ob ich sie mitnehmen würde.

Ich war… erleichtert. Und gleichzeitig traurig, dass ich überhaupt erleichtert war. Sie war ein Zwischenstopp, kein Ziel.

Die anderen wurden stiller. Nova gähnte. Jess sammelte Dosen. Lejo und Tom waren längst Richtung Promenade abgezogen, mit Stimmen, die langsam mit dem Wind verschwanden.

Ich blieb.

„Ich bleib noch ein bisschen“, sagte ich leise zu niemand Bestimmtem. Nova nickte nur und drückte mich zum Abschied. Ich glaube, sie wusste, dass ich das brauchte.

Jetzt war alles still. Ein paar Lichter, Sand, der langsam seine Wärme verlor. Und ich.

Ich stand auf, streifte die Schuhe ab, zog mein Shirt aus, Shorts runter. Nur in Unterwäsche. Aber das Wasser… das war meins.

Ich stieg ins Meer – langsam, ohne zu zögern. Das Wasser legte sich wie Erinnerung um meinen Körper. Sanft. Sicher. Lautlos.

Keine Zögerung. Kein Erschrecken. Die Kälte? Ich spüre sie kaum. Nicht für mich gemacht.

Ich tauchte. Lies mich fallen. Tiefer. Tiefer.

Und dann war da nur Wasser.

Kein Bass. Keine Stimmen. Kein Ich.

Kein „Wer ist sie?“. Kein „Warum hast du dich nicht gemeldet?“. Kein Blick von Naima, der mir immer noch unter der Haut brannte.

Nur Druck auf den Ohren. Und das vertraute Vibrieren von Tiefe.

Ich tauchte weiter. Langsam atmend – also innerlich, weil ich brauchte keine Luft. Nicht so wie andere.

Hier unten war alles anders.

Die Welt war langsamer, als hätte sie vergessen, dass oben irgendwer Drama schob. Schwebeteile glitzerten wie Sternenstaub, feine Algen fächerten sich wie Nebel um meine Handgelenke.

Ein silbriger Schwarm huschte vorbei, so synchron, als würde Wasser denken.

Ich schloss die Augen. Nur einen Moment. Nur ich. Und das Pochen meines eigenen Rhythmus’.

Hier unten wusste ich, wer ich war.

Das Chaos oben… war wie ein Witz, der hier unten keinen Sinn mehr ergab.

Ich ließ mich treiben. Drehte mich um die eigene Achse, als gäbe es keine Richtung außer Weg-von-allem.

Und da, unter Wasser, mit nichts als Dunkel, Weite und Wasserhaut: Zum ersten Mal: Ruhe.

~

Ich tauchte auf.

Langsam. Die Oberfläche spaltete sich wie Stille, die mich wieder freigibt. Die Haare klebten mir am Nacken, das Wasser rann mir wie Sternenstaub die Schultern runter.

Ich atmete einmal ein – tief, salzig, gut. Und dann—

Etwas bewegte sich am Rand meines Sichtfelds.

Da. Ein Schatten auf dem Felsen, gleich bei den Mangroven. Dort, wo die Felsen schroffer werden und kaum jemand freiwillig liegt, außer… außer jemand ist nicht mehr bei Bewusstsein.

Ich blinzelte. Stellte meine Augen um. Die Dunkelheit war kein Hindernis für mich – nie gewesen. Ich konnte sehen, auch wenn andere nur Schemen erkennen würden.

Und was ich sah: war Naima.

Klein, still, wie vergessen zwischen Felsen und Wasser. Als hätte man sie aus der Welt entfernt.

FUCK, Scheiße. Scheiße, scheiße.

Ich war noch halb im Wasser. Ich spürte, wie mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmert. Mein Körper wusste sofort, was zu tun war. Meine Beine liefen, bevor ich dachte. Mein Atem ging flach. Nicht vor Panik. Vor Entschlossenheit. Sie lag da – wie ein verlorener Gedanke in einer Welt voller Lärm.

Ich sprintete die letzten Meter durchs hüfttiefe Meer, keuchte nicht mal. Nur Fokus. Nur sie.

Ich dachte an ihr Lachen vorhin. Wie es kurz alles heller gemacht hatte.

Ich kniete mich neben sie. Legte zwei Finger an ihren Hals. Dann an ihre Wange.

Puls. Warm. Atem. Da.

Erleichterung durchzog mich so stark, dass mir kurz schwindlig wurde. Nicht vom Stress. Vom Loslassen.

Was hätte alles sein können, was ich nie hätte erklären können…

Ich sah sie an, wie sie dort lag, schwach, leise, ungeschützt.

Ich kannte ihren Nachnamen nicht. Ich wusste nicht, wo sie wohnte. Und selbst wenn – sie hier einfach allein liegen lassen?

Kommt nicht infrage.

Ich holte ihre Tasche, meine Sachen, bestellte eins der selbstfahrenden Taxis.

Mom wird’s verstehen. Sie wird nicht fragen. Hoffe ich.

Ich beugte mich runter, legte vorsichtig einen Arm unter ihre Schultern, den anderen unter ihre Knie. Hob sie hoch.

Sie war leicht. Meine körperliche Kraft übersteigt die menschliche.

Aliengene – danke wenigstens für das.

Ich trug sie über den Strandweg, die Klippenstraße hoch, bis zur Haltebucht am Fahrbahnrand.

Das Taxi wartete. Die Türen glitten zur Seite. Ich setzte sie vorsichtig auf die Rückbank, schnallte sie sogar an. Dann rutschte ich neben sie und legte ihre Tasche auf meinen Schoß.

Ich nannte dem System meine Adresse. Und leise hinterher:

Du bist safe, okay? Ich bring dich heim – auch wenn’s nicht dein Zuhause ist.

Und das Taxi fuhr los, in eine Nacht, die sich plötzlich nicht mehr ganz so still anfühlte.

Ich sah sie an, dort neben mir. Und alles in mir schrie: Was, wenn sie später wissen will, warum? Was sag ich dann? „Weil ich dich gesehen hab. Weil du nicht egal warst.“ Oder lieber lügen?

~

Als ich aufwachte, war zuerst alles zu still. Kein Bass, kein Lachen, kein Wind.

Nur Atem. Langsam. Ruhig. Nicht meiner.

Ich drehte den Kopf. Langsam. Und da lag sie.

Naima.

Ihre Atmung war gleichmäßig, fast meditativ. Ich fragte mich, ob ihre Träume leiser waren als meine.

Zerzauste braune Locken, die Arme vor der Brust verschränkt, die Beine leicht angewinkelt unter der Decke. Sie war mir zugewandt. Friedlich. Als würde sie von was Besserem träumen als dieser Welt.

Ich schluckte. Mein Blick blieb an einer Haarsträhne hängen, die sich über ihre Stirn gelegt hatte – so leicht, als hätte die Nacht selbst sie dort abgelegt. Wie gestern am Strand. Ich hob die Hand, stoppte diesmal mitten in der Bewegung. Zu viel. Zu nah. Zu schön für dieses Chaos.

Aber irgendwas in mir brannte leise bei dem Gedanken, dass ich die war, die sie hergebracht hatte. Dass sie meinetwegen dort lag – und nicht einfach nur, weil sie bei mir sein wollte.

Gestern Nacht… war Glück im Timing. Wenn die Flut früher gekommen wäre. Wenn ich nicht noch am Strand gewesen wäre. Wenn niemand sie gefunden hätte. Ich hasste diesen Gedanken.

Ich schob ihn weg. Wie alles, was zu doll war.

Zum Glück war Mom gestern schon im Bett gewesen. Und jetzt – um die Zeit war sie wahrscheinlich längst im Institut.

Ich hoffte, dass sie nichts gemerkt hatte. Dass ich keine Predigt hören würde à la:

„Du darfst dich nicht binden. Du bist nicht wie sie. Nähe schadet unserer Tarnung.“

Ich hatte die Regeln verstanden. Gelebt. Befolgt.

Aber dann hatte ich Naima auf diesen Stein liegen sehen. Klein. Verloren. Und meine Vorsicht hat geschwiegen. Mein Bauch hat entschieden.

Ich stand leise auf. Zog mein Oversized Schlaf-shirt glatt, ging barfuß raus auf den Flur. Wasser. Koffein. Luft.

Ich brauchte all das, weil ich sonst wieder an sie denken würde, dort in meinem Bett, wie sie da liegt, als wäre das hier ihr Ort.

Ist er nicht. Nicht ihrer, nicht unserer. Wieder und wieder. Und doch… ist da dieser leise Widerstand. Wie ein Ton, der sich weigert zu verschwinden. Ein Teil von mir glaubt es eben doch.

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Kapitel: 9
Sätze: 2.160
Wörter: 21.302
Zeichen: 122.854

Kurzbeschreibung

Naima musste nach der Scheidung ihrer Eltern alles zurücklassen, ihre Freunde, ihre Liebe. Sie zieht mit ihrer Mutter in eine Küstenstadt, weit entfernt, die mit ihren weißen Fassaden, Palmen und Strand wie aus einem Reisplaner scheint. Dort trifft sie auf Klea, es funkt, aber Klea erstickt diesen Funken wieder, weil sie niemanden an sich heranlassen kann und im Konflikt mit sich und ihrer außerirdischen Herkunft und der Angst des Entdeckt Werdens steht. Hatte ihre Mutter doch immer zur Vorsicht vor der Regierung und möglichen Agenten von ihren Heimatplaneten gewarnt. Nur im Online MMO kommen sich beide näher, ohne zu wissen wer hinter ihren Avataren steckt. Lasst uns zusammen erkunden, ob die beiden sich auch im RL finden und was es mit de

Kategorisierung

Diese Story wird neben Science Fiction auch in den Genres Liebe, Mystery und Erotik gelistet.

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