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Kapitel: | 2 | |
Sätze: | 293 | |
Wörter: | 6.061 | |
Zeichen: | 35.764 |
Jochawam beugte sich über Awinna noch bevor die ersten Sonnenstrahlen das Bett erreichten, strich sanft ihr dunkles Haar beiseite, küßte sie knapp unter dem Ohr auf die zarte, so verlockend duftende Haut ihres Halses und genoß ihren wohligen Schauder, als er sie auf diese Weise mit seinem Bart kitzelte. Er ließ seine Lippen ein wenig weiter wandern, zu ihrem rechten Schlüsselbein, strich mit seinem Kinnbart über ihr Decolleté, folgte dann der Rundung ihrer rechten Brust, küßte sie wieder und fühlte ihre steigende Erregung in sich selbst.
"'Meide die Rotbärte' hat meine Mutter immer gesagt", flüsterte Awinna ihm zärtlich zu und strich bei diesen Worten durch sein ebenfalls rotes Haupthaar. "'Sie stehlen dein Herz und suchen sich dann die nächste Liebschaft.'"
"Momentan bist du meine einzige Liebschaft", versprach er und rückte dicht neben sie, da ihr Begehren einfach unwiderstehlich war.
"Dann lieb' mich und stiehl mir das Herz, heute abend hole ich es mir wieder zurück." Und genau so meinte sie es.
Jochawam mußte lachen, als Awinna dabei begehrlich zwischen seine Beine griff. "Heute abend habe ich vielleicht schon eine andere Liebschaft", neckte er, dann begann er, sie zu ihrem beiderseitigen Vergnügen hingebungsvoll zu lieben.
Etwas später lagen sie entspannt nebeneinander, Awinnas Gedanken kreisten nur um die gerade genossenen Freuden, ihr Interesse an Jochawams durchtrainiertem Körper und ein paar für ihn nicht unschmeichelhafte Vergleiche mit anderen Liebhabern. Es war so beruhigend, daß ihr Denken und ihre Taten, ihre Worte und die Erinnerungen an vergangene Gelegenheiten, bei denen sie ähnliche Worte gesprochen hatte, eine solche Einheit bildeten. Hier konnte er sich wirklich entspannen, ohne seine Sinne mit Oinos betäuben zu müssen. Also folgte er seinem Impuls und küßte sie zart auf die Lippen.
"Wofür war das?" fragte sie erstaunt, auch wenn sie ihm den Kuß gleich darauf mit Zinsen zurückgab.
Er war versucht, das Liebesspiel gleich noch einmal neu zu beginnen, aber er hatte eine Verabredung mit seinem Bruder und er wollte den Jungen nicht unnötig warten lassen. "Das war ein Abschiedskuß. Ich habe Buhachan versprochen, heute morgen mit ihm den Übungshof zu besuchen. Tatsächlich ist er nicht einmal schlecht."
"Damit auch er dereinst seine Liebsten mit seinem gestählten Körper beeindrucken kann, ja?" fragte Awinna und lachte. "Wie alt ist er denn jetzt? Neun oder zehn Jahre?"
"Laß ihn so etwas nicht hören, er ist schon elf! Und als Prinz muß er schließlich auch das Heer anführen können. Was sein Interesse an Geschichte und Politik betrifft, wäre er sogar ein viel besserer Kronprinz als ich es bin. Vielleicht hat er die Neigung dazu von seiner Mutter geerbt."
Jochawam erinnerte sich noch, wie ihm der Kopf geschwirrt hatte, als er seiner ersten Ratssitzung beiwohnte: Gedanken, die das Gegenteil von dem besagten, was laut gesprochen wurde, und die finsteren Irrgärten der Pläne, wer wie zu bewegen sei, ganz gegen seinen eigenen Willen doch das zu tun, was er nach der Meinung des Planenden tun oder entscheiden sollte. Und er hatte erkannt, daß Politik nichts anderes war als die adlige Form der Lüge. Seine Schwester Peribil war damals schon als Geisel nach Garam geholt worden und ihre gemeinsame Mutter hatte noch gelebt, also war er etwa fünfzehn gewesen. Doch Mutter hatte ihn trösten müssen wie ein kleines Kind, hatte ihm versprochen, daß er seine Göttergabe bald besser kontrollieren könne, und ihm geraten, bis dahin einen Schluck Oinos zu trinken wenn es ihm zu viel wurde, um die Gabe für eine Weile schlafen zu legen. Als Mutter dann bei einem Besuch in ihrer Heimat verstarb und ihr jüngerer Bruder an den Hof kam, um ihnen diese Nachricht zu überbringen, hatte Jochawam befürchtet, nun ganz allein gelassen zu sein.
Aber Onkel Fawach hatte nicht nur so hellblonde Haare und so hellgraue Augen wie Mutter, sondern auch eine ähnliche Gabe, die Vorhersagen erlaubte, und Vater konnte seinen Schwager bewegen, als sein Berater und später als sein Geliebter in Verr zu bleiben. Für Jochawam war er trotz einer Jugend bald wie ein zweiter Vater geworden, vielleicht weil er seine eigene Schwester in Jochawam sah, doch der genaue Grund war so fest in Fawachs Herz verschlossen, daß Jochawam es nie genau hatte sehen können. Vielleicht mochte er Fawach auch deswegen so gerne, weil er seine Gedanken im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen fast immer verborgen hielt, als wolle er Jochawam die Ruhe auch ohne Oinos ermöglichen.
Natürlich hatte Mutter recht behalten, er konnte es nun ganz gut kontrollieren, doch dabei hatte er immer das Gefühl, über alle Maßen angespannt zu sein, im Alarmzustand, als stehe er Wache auf dem wichtigsten Posten. Es war so gut, diese Spannung auch einmal nachlassen zu können, ohne in finstere Gedankenlabyrinthe gezogen zu werden.
"Mit elf steht ja schon fast sein erstes Rauschfest an", sagte Awinna grinsend, richtig, sie meinte Buhachan. "Und das Geheimnis, nicht wahr?" Sie küßte Jochawam wieder.
Beim Rauschfest, kurz nach Mutters Tod, hatte er Awinna kennengelernt, auch wenn es ihr Bruder Kaharach gewesen war, mit dem er dann die Göttin gefeiert hatte. Aber sie hatte er zwei Jahre später zum Geheimnis eingeladen. Zehn Jahre war das also schon her. Inzwischen hatten sie ein gemeinsames Kind und noch immer war Awinna sein liebster Zeitvertreib. Vielleicht war sie die richtige Kandidatin, wenn er einmal auf dem Thron saß und eine Ehefrau brauchte, und sie ihn dann noch haben wollte. Auch wenn ihm so schnell nichts einfiel, um das er lieber einen Bogen gemacht hätte, als um diesen Thron. Es war seinem Vater zu wünschen, daß er noch lange regierte und ihm selbst, daß Buhachan alt genug für den Thron war, wenn der vakant wurde.
Jochawam bedauerte, daß er nach seiner Übernachtung bei Awinna nicht mehr genug Zeit gehabt hatte, vor der Verabredung mit seinem kleinen Bruder die Rüstung anzulegen, denn Buhachan genoß es immer so sehr, gegen einen wahrhaften Krieger der Verrar anzutreten. Natürlich war der Junge bereits im Übungshof, die wattierte Weste ordentlich verschnürt, obwohl sein Holzschwert bisher nur gegen einen Pfosten zum Einsatz kam. Joachawam versuchte seine Verspätung wett zu machen, indem er eine formelle Verbeugung vor Buhachan machte: "Möge Grom mit dir sein, mein Bruder."
Buhachan antwortete mit dem gebotenen Ernst. "Grom ist mit den Furchtlosen", und verbeugte sich ebenfalls. Und dann lachte er. "Ich mach' dich fertig", prahlte er. "Ohne deine Rüstung bist du mir nicht gewachsen."
Jochawam trat näher an ihn heran und sah hinunter auf Buhachans schwarzen Schopf, der gerade seine Brust erreichte. "So, meinst du, du Wurm. Dann laß uns die Klingen kreuzen."
Da der König Buhachan mit seiner zweiten Frau gezeugt hatte - nicht mit seiner göttergesegneten ersten Frau Mesanna, die hellblond gewesen und rothaarige Kinder geboren hatte -, sah der Knabe nicht ebenso die Bewegungen seines Gegners voraus, wie es Jochawam und auch Fawach konnte. Aber Buhachan bewegte sich gut, legte inzwischen auch gezielt Gewicht in seine Schläge, anstatt wie früher nur drauf los zu prügeln. Und als er sich nach einer Weile einen Becher Wasser zur Erfrischung genehmigte, wirkte er auf die Entfernung tatsächlich schon eher wie ein Jüngling, als wie ein elfjähriges Kind. Ja, lange dauerte es sicher nicht mehr, bis er am Rauschfest teilnehmen wollte. Und sobald er groß genug war, seinen Platz in der Phalanx einzunehmen, mußte er die Befehle kennen. "Wollen wir noch mal was anderes ausprobieren?" fragte er seinen Bruder darum, als der wieder näher kam.
Die langen, verschwitzten Haare des Jungen flogen, als er eifrig nickte. "Was denn?" wollte er wissen und seine begeisterte Erwartung wärmte Jochawams Herz.
"Komm mit." Im Vorbeigehen ließ er sein Holzschwert wieder in den Korb fallen, aus dem es stammte, und Buhachan tat es ihm gleich. Dann überquerten sie den Hof, bis zu den Ständern mit den Speeren und Schilden, die zum Exerzieren der Phalanx verwendet wurden. Voller Ehrfurcht nahm Buhachan den Speer entgegen, den Jochawam ihm reichte. Er war faktisch doppelt so lang wie der Knabe, doch mit etwas verkniffenem Gesicht gelang es Buhachan, ihn wie Jochawam zuvor eine Weile mit einer Hand senkrecht zu halten, bis sein Arm zu zittern begann und er den spitzen Metallfuß des Speeres neben sich auf dem Boden absetzte, wie es die Königswachen im Palast gewöhnlich taten.
"Und noch den Schild?" fragte Jochawam.
Buhachan erwägte, dieses Angebot abzulehnen, nickte dann aber tapfer. "Natürlich!" Der Junge ging durch das Gewicht des bronzebeschlagenen Schildes, der ihn von der Nase bis zu den Waden bedeckte, nicht einmal in die Knie, doch Jochawam fühlte, daß Buhachans linke Hand sich um den Halteriemen des Schildes verkrampfte, als er schwerer und schwerer wurde.
"Wollen wir noch ein paar Übungen mit Speer und Schild machen?" fragte Jochawam trotzdem.
Buhachan verkniff sich ein Stöhnen. "Vielleicht mit einem kleineren Schild", schlug er vor und ließ dann den Schildarm sinken, bis der Rand des Schildes auf seinem Fuß ruhte.
Er war nicht so leicht unterzukriegen. "Irgendwo sollte sich noch meine Kinderrüstung und die dazu gehörenden Waffen finden lassen", kündigte Jochawam die Überraschung für seinen zähen kleinen Bruder an, nahm den regulären Speer und Schild wieder entgegen und stellte sie zurück. "Sie sollten für dich gerade die richtige Größe haben. Laß uns Kaharach suchen, der weiß bestimmt, wo die Sachen gelagert werden."
Kaharach half seinem Vater seit einiger Zeit als stellvertretender Kommandant der königlichen Übungshöfe. Jochawam erinnerte sich, daß Kaharach als Kind mit dem Helm seines Vaters auf dem Kopf und dessen Schild am Arm trainiert hatte. Er war auch jetzt noch stärker, oder vielleicht einfach zäher als Jochawam, dabei war er ein gutes Stück kleiner und schmaler.
Sie fanden Kaharach im zweiten Hof, wo er wie jeden Morgen in voller Rüstung mit einigen Männern der Königswache trainierte. "Schließt die Reihe", befahl Kaharach, "eins, zwei, drei!" Doch man hörte nur 'Eins, schepper, klonk!', denn nachdem die Männer aus der zweiten Reihe die Lücken der ersten geschlossen hatten, zogen alle gleichzeitig ihre Schilde nach rechts vor die Brust und scharrten dabei mit den metallenen Schildrändern über die Brustpanzer, bevor sie mit der Gegenbewegung auf 'drei' an die Schilde ihres rechten und linken Nebenmannes schlugen, um die Schildreihe zu schließen.
"Speere senken!" befahl Kaharach dann, und als die erste Reihe die Spitzen ihrer Speere über die Schildwand senkten, um auf die imaginären Angreifer einstechen zu können, während die zweite Reihe in Bereitschaft war, die Plätze der Männer vor sich einzunehmen, sah auch Jochawam darin das gesträubte Stachelschwein, an das Buhachan sich bei dem Anblick der senkrechten, halb gesenkten und ganz gesenkten Speerreihen erinnert fühlte. "Stoßt zu - jetzt!" Die Männer stießen zugleich zu, und Buhachan war angemessen beeindruckt von dem tadellosen Zusammenspiel der Einheit.
"Auf dem Übungshof hat man das an einem Nachmittag gelernt", erklärte Jochawam beiläufig. "Der Trick ist, daß du in der Hitze eines tatsächlichen Kampfes nicht vergißt, auch alles wie auf dem Übungshof zu machen, um dich und deinen linken Nebenmann richtig zu schützen. Dafür ist das regelmäßige Training."
Buhachan nickte eifrig. "Können wir gleich anfangen wenn wir deine Kinderwaffen haben?"
"Sobald Kaharach mit der Übung fertig ist", versprach Jochawam.
Tatsächlich entließ Kaharach die Männer der Königswache kurz darauf. Er freute sich sichtlich, seinen ehemaligen Geliebten zu sehen, umarmte und küßte Jochawam. "Was kann ich für dich tun, Mawek", fragte er dann.
Die Zuneigung, die trotz der förmlichen Anrede als Prinz von Kaharach ausging, erwärmte Jochawams Herz, und dann merkte er, daß ein Gutteil dieser Zuneigung auch auf Buhachan gerichtet war. In Kaharachs Gedanken sah er, daß dieser schon einige Male mit dem Knaben trainiert hatte und in Buhachans Entschlossenheit, ein guter Kämpfer zu werden, an seine eigene Kindheit erinnert wurde. "Wir suchen meine Kinderrüstung und die Waffen", brachte Jochawam das Anliegen vor. "Ich glaube, dein Vater hat sie irgendwo in den Waffenkammern einlagern lassen, damit Buhachan sie einmal verwenden kann."
"Ja, die ist hier irgendwo. Und ich denke, sie paßt dem jungen Herrn nun ganz genau", fügte er an Buhachan gewandt hinzu. Er verabschiedete sich von den noch verbliebenen Männern der Königswache, dann legte er seine Waffen und den Helm beiseite und führte Buhachan und Jochawam in das Magazin, in dem offensichtlich nicht nur die Bestände der Waffenhöfe lagen, sondern auch ausgemusterte Rüstungen der Königswache und anscheinend sogar alte Waffen und Rüstungen von Jochawams Vorfahren, die keinen Platz im Audienzsaal gefunden hatten. Und tatsächlich fanden sie auch bald die Kinderrüstung, die vor fast zwanzig Jahren für Jochawam angefertigt worden war, dazu das Kurzschwert, das für Jochawam nun aussah wie ein schwertgeformter Dolch, den Schild und die Lanze in Kindergröße.
"Nimm mal den Zahnstocher", sagte Kaharach und reichte Buhachan die Lanze, die gerade so lang war, daß sie ihn die zwei Kopf überragte, die die Kampflanze der Phalanx einen erwachsenen Mann zu überragen pflegte. Das sah schon deutlich passender aus. Auch der Helm saß, alle anderen Panzerteile waren genügend verstellbar, daß auch sie sicher passen würden. Und Buhachan war so überaus glücklich, wie Jochawam ihn selten erlebt hatte.
Mit ihrer Beute begaben sie sich wieder zurück in den ersten Übungshof, Jochawam wählte für sich eine Lanze und einen Schild aus dem Ständer, und zeigte seinem Bruder zunächst die Grundformen: die Ruhehaltung, Absetzen und Aufnehmen des Schildes in der Phalanx, Bewegung von Schild- und Speerarm beim Schließen der Reihe, Heben und Senken des Speeres bei geöffneter und geschlossener Schildreihe, Ducken hinter dem Schild, um sich vor Wurfspeeren und Reiterei zu schützen, kurz, das ganze Exerzierprogramm eines Jugendlichen, der gerade in die von einem älteren Verwandten geerbte Rüstung hineingewachsen war. Buhachan kopierte die Bewegungen seines Bruders mit großer Konzentration und hielt tatsächlich bis zum Ende durch. Als Jochawam dann gemeinsam mit seinem Bruder den Kampfhof verlassen wollte, rief jedoch ein Diener den Kronprinzen in den Audienzsaal.
Achawam, dem König der Verrar, standen schon der Berater in militärischen Angelegenheiten, sein graubärtiger Begleiter aus Jugendtagen nach dem Jochawam benannt worden war, sowie der Berater in Angelegenheiten der Götter, sein deutlich jüngerer Schwager Fawach, zur Seite, als Jochawam dazu kam. Außerdem waren die beiden Befehlshaber der Königswache, die dreiundzwanzig Vorsteher der Stadtteile und Dörfer sowie Groms Vorsteher und die Erste Prophetin von Verr als Vertreter der beiden großen Tempel auf der Burg im Audienzsaal anwesend.
Und es stand ein Herold mitten im Raum, flankiert von zwei königlichen Wachen der Verrar, der als Zeichen auf dem Brustpanzer den Keiler der Garamar trug. Für einen Moment hoffte Jochawam, daß der Mann Nachricht von seiner Schwester Peribil hatte, doch dann wurde ihm klar, wie aufgebracht die beiden alten Männer waren, während Fawach nachdenklich mit den Fingern durch seinen hellblonden Bart strich. Der Mann aus Garam indessen verlagerte sein Gewicht nervös von einem Fuß auf den anderen und wechselte seinen Heroldstab mehrfach von einer Hand in die andere, wie um die Verrar daran zu erinnern, daß ihn seine Funktion, die dieser Stab symbolisierte, immun machte.
"Anaskan von den Garamar verlangt Buhachan als Geisel", grollte der König, kaum daß Jochawam näher gekommen war. "Nur wenn ich seiner Bedingung entspreche, wird er seinem Sohn Upatach befehlen, das Heer der Garamar wieder zurückzuführen, das bereits auf dem Weg nach Verr ist."
"Er will Krieg", sagte der alte Jochawam düster. "Grom soll seine Ahnen verstoßen!"
"Natürlich will er Krieg", bestätigte der König mit einem finsteren Blick auf den Herold. "Aber ich werde nicht noch eines meiner Kinder als Geisel nach Garam schicken. Sag deinem Herrn", wandte er sich dann direkt an den Herold, "die Verrar haben die vor zwölf Jahren vereinbarten Friedensbedingungen mit der Übergabe Prinzessin Peribils als Geisel erfüllt. Vor Menschen und Göttern kann er nicht mehr von uns verlangen."
Der Herold floh regelrecht aus dem Audienzsaal, und kaum war die Tür hinter ihm und den ihm folgenden Königswachen geschlossen, sagte Fawach: "Es wird kommen wie auf den Goldenen Feldern, Gefährte. Ich sehe den Tod."
"Damals hatten sie uns nur mit der Hilfe der Irimar schlagen können", gab der König darauf zurück und legte die Hand stolz auf Jochawams Schulter. "Und was haben wir jetzt zu fürchten? Die Irimar bleiben unseres Vertrages wegen dieses Jahr im Norden und ich habe inzwischen einen erwachsenen Sohn, der an meiner Seite kämpfen kann. Es muß der Tod der Garamar sein, den du siehst."
Jochawam hörte, daß diese Zuversicht nicht von allen Anwesenden geteilt wurde, aber er konnte die Gedanken, die er aufschnappte, niemandem sicher zuordnen. "Gibt es denn irgend welche Informationen über die Größe des Heeres, das Upatach nach Verr führt?" fragte er.
"Es ist kaum größer als das, mit dem die Garamar damals in die Schlacht auf den Goldenen Feldern gezogen sind", gab der alte Jochawam zurück. "Andernfalls wären die Nachrichten von diesem Heer schneller gereist als ihr Herold. Und falls sie doch stärker sind als damals, haben wir immer noch die Burg, um uns in Sicherheit zurückzuziehen. Hier kämpfen wir nicht fernab von jeder Rückzugsmöglichkeit."
"Dann ist es also entschieden", schloß der König daraus. "Das Heer wird mobilisiert. Morgen stellen wir uns Upatach zur Schlacht." Damit waren die Vorsteher entlassen, die nun genug zu tun hatten, alle Männer zusammenzurufen. Und auch der alte Jochawam schloß sich ihnen an.
Als die Türen des Audienzsaals wieder geschlossen waren, trat Fawach vor den König. "Bitte, Geliebter, laß es nicht zur Schlacht kommen", sagte er leise. "Es ist etwas an diesem Heer, dem unser Heer nicht standhalten wird. Es sind die Verrar, die ich auf dem Weg zu Groms Tafel sehe."
Der König gab Fawach einen zärtlichen Kuß. "Fürchte nichts, Geliebter. Ich werde die Schlacht nur wagen, wenn wir siegreich sein können. Und ich bin überzeugt, daß Upatach die Schlacht nicht annehmen wird, wenn er sieht, welche Macht wir aufbieten können."
Die Entscheidung des Königs sorgte für eine Wolke düsterer Emotionen über der Burg. Der Hass auf die Garamar bewegte die meisten, doch es gab auch Furcht, denn die Vorsteher hatten die erste Warnung Fawachs ebenfalls gehört und ihr Wissen sicher bereits hundertfach weitergegeben. Dazu kam der Lärm: berittene Boten brachen auf in die entfernteren Dörfer der Verrar, die Magazine der Waffenhöfe wurde geleert, überall hörte man das Klirren von Waffen und Rüstungsteilen, die vor der anstehenden Schlacht ein letztes Mal geprüft und gegebenenfalls repariert wurden. Irgendjemand hatte auch einen Diener beauftragt, Jochawams Rüstung und seinen Schild noch einmal zu polieren, sein Schwert und die Klinge seines Speers zu schleifen.
Awinna war sehr unglücklich. "Es ist also wahr", sagte sie traurig. "Ich hatte mich darauf gefreut..." Sie sprach nicht weiter, aber Jochawam sah in ihren Gedanken die Hoffnung auf eine ausgedehnte Liebesnacht.
Er schenkte ihr den Abend, aber für die Nacht zog er sich in seine Gemächer im Palast zurück, denn bei Sonnenaufgang sollte das Heer der Verrar ausrücken. Und als er vor der Nachtruhe hinausschaute auf die Ebene vor der Stadt, sah er die Feuer des feindlichen Heerlagers. Sehr groß schien es tatsächlich nicht zu sein, oder die Garamar lagerten enger zusammen, als man es gewöhnlich tat, um ihre wahre Anzahl zu verschleiern. Trotzdem würden sie die Heermacht der Verrar wohl nicht erwarten, da der König seit der Schlacht auf den Goldenen Feldern auch die geringsten waffenfähigen Bürger auf Staatskosten trainieren und mit Leinenpanzer, Helm und Waffen ausstatteten ließ, wenn sie dessen bedurften.
Der Kammerdiener weckte Jochawam, als noch die Sterne am Himmel standen. Er half seinem Herrn, den ehernen Brustpanzer zu schließen, den mit Bronze beschlagenen Panzerrock und die Beinschienen anzulegen und trug ihm den Helm mit dem rot-weißen Kammbusch bis in die Eingangshalle des Palastes hinterher. Dort lagen die Waffen des Königs und seiner Angehörigen bereit, und ein sehr verschlafen aussehender Buhachan stand dort im Untergewand.
Der Junge rieb sich die Augen, dann umarmte er Jochawam, Furcht und Stolz hielten sich in ihm die Waage. "Möge die Göttin über dich wachen, Bruder", flüsterte er, denn er wußte genau, daß er jetzt eher Grom anrufen sollte.
"Und über dich", antwortete Jochawam genauso leise. "Geh zurück ins Bett. Wenn du der Schlacht zusehen willst, warte bis zum Sonnenaufgang, vorher passiert sowieso nichts."
Buhachan nickte, wankte barfuß wieder zurück zum Flur in die Privatgemächer der Königsfamilie und lief fast dem König und Fawach in den Weg. "Möge Grom mit euch sein", wünschte er den beiden und salutierte.
Fawach folgte ihm. "Ich bringe dich zurück ins Bett", sagte er, nickte dann dem König kurz zu. "Ich komme gleich nach, Achawam. Noch bevor das Opfer an Grom vollzogen ist stehe ich an meinem Platz in der Phalanx."
Der König war erfüllt von gerechtem Zorn gegen die Garamar und der Geringschätzung ihrer Moral. Allein die zahlreichen Stimmen der auf den Goldenen Feldern Gefallenen würden Grom für diesen Kampf auf die Seite der Verrar ziehen. Aber soweit würde es gar nicht erst kommen, denn Upatach um-Anasku würde die Schlacht nicht wagen, wenn er sich dem gesamten Heer der Verrar gegenüber sah. Doch der König schwieg, als er den Schwertgurt umlegte, sich den Helm mit dem prächtigen roten Kammbusch auf das graue Haupt setzte, den Schild auf den Arm schob und zurecht rückte.
Jochawam beeilte sich, seinem Vater zu folgen, und ging dann die angemessenen zwei Schritt hinter dem König, der wie Grom persönlich schien, mit dem vergoldeten Schild, dem vergoldeten Brustpanzer und dem vergoldeten Speerschaft. Wenn erst die Sonne aufging, würde dieses Gold noch mehr glänzen, als es das jetzt schon im Schein der Feuerschalen und Fackeln tat, die den Weg zum Platz hinter dem Stadttor beleuchteten.
Es war wirklich das gesamte Heeraufgebot der Verrar hier versammelt, die Männer aus den umliegenden Dörfern, die Männer aus der Stadt, hier standen sie nun nach Haushalten, Familien, Stadtvierteln und Gemeinden geordnet, viele mit den drei Ähren der Verrar als Schildzeichen. Jochawam würde sich gleich links neben Kaharach einfinden, in der vordersten Reihe, rechts neben dem König und Fawach, am rechten Rand der Phalanx.
Er verschloß sich vor den Gedanken und Gefühlen um sich herum, stählte sich für die vielleicht doch bevorstehende Schlacht. Er erlaubte sich auch nur eine halbe Umarmung zur Begrüßung von Kaharach, die ein Abschied sein mochte, wenn Grom an einem von ihnen Gefallen fand und ihn zu sich holte.
Der König trat an den Altar, verneigte sich vor Groms Vorsteher, sprach die althergebrachten Gebete an den Gott, verfluchte die Feigen, lobte die Tapferen, die das Höchste wagten, und schlachtete das Lamm für Grom. Zwei Priester begutachteten im Schein der Fackeln den Fluß des Blutes und die Innereien des Tieres und versprachen den Verrar eine lange Friedenszeit nach diesem Tag, dann häuteten und entbeinten sie das Tier zügig und entzündeten auf dem Aschehaufen Knochen und Fell als Opfer für Grom.
Das Opfer an Grom war vollbracht, der König reihte sich in sein Heer ein, und Fawach stand nicht wie versprochen an seinem Platz in der Phalanx. Obwohl Jochawam versuchte, alle fremden Gedanken auszusperren, merkte er, daß sein Vater unruhig wurde, denn es war nicht Fawachs Art, seine Versprechen nicht einzuhalten. Und wenn der König nicht bei Morgengrauen das Stadttor öffnen ließ und das Heer des Gegners zur Schlacht herausforderte, würde Grom ihn seinen Zorn spüren lassen, dessen war sein Vater sicher. Prüfend sah Jochawam in den Himmel, im Osten begann es schon zu dämmern. Nicht lange und das Heer mußte ausrücken.
"Jochawam", flüsterte der König. "Schau wo Fawach bleibt und berichte mir schnell."
Jochawam nickte und lief so schnell er es in voller Rüstung vermochte, zurück, hinauf auf die Burg und in den Palast. Fawachs Waffen und sein Helm lagen noch immer an ihrem Platz. Jochawam legte Speer, Schild und Helm ab und lief zu den Räumen, die Buhachan und seine Mutter bewohnten. Fawach hatte den Jungen doch zu Bett bringen wollen.
Aber er traf nur die Frau des Königs an. Sie wußte zu berichten, daß Fawach mit dem Jungen hinausgehen wollte, um den Heeresaufmarsch von der Mauer der Burg aus zu betrachten. Wieso hatte er das getan? Der Junge hatte Sandalen getragen, einen Mantel. Das war der Mutter nicht seltsam vorgekommen, denn die Kühle der Nacht mochte dem Kind schaden. Doch auf der Mauer der Burg, neben den Feuerschalen, was brauchte Buhachan da einen Mantel?
Jochawam lief wieder hinaus, ließ Waffen und Helm wo sie waren, um schnell zu sein. Niemand hatte den Weg hinauf genommen, soviel war klar nach der Befragung des Wachmannes dort. Wohin konnten sie gegangen sein? Wollte Fawach den Knaben in Sicherheit bringen? Er hatte die Verrar tot gesehen, vielleicht wollte er so den jüngsten Sproß der königlichen Familie retten. Doch wenn sie nicht auf die Mauer gegangen waren, konnten sie überall in der Stadt sein – oder durch eines der kleineren Tore schon außerhalb, der Schwager des Königs hatte überall Befehlsgewalt.
Jochawam rüstete sich wieder, lief zurück. Inzwischen erreichten die Strahlen der Sonne schon die ersten Dächer, gleich mußte das Heer aufbrechen. Hoffentlich erreichte er den Platz rechtzeitig, um noch ein paar Worte mit dem König sprechen zu können, bevor er die Garamar herausforderte. Inzwischen waren schon die Fackeln und Feuer gelöscht und in den Gassen hing statt des Rauches der würzige Duft des in den Gärten blühenden Hopfens. Einige Männer waren bereits dabei, das Stadttor zu öffnen, aber der König entdeckte Jochawam und anstatt den Vormarsch zu befehlen winkte er seinen Sohn zu sich. "Wo ist Fawach?" wollte er wissen.
Jochawam rückte seinen Schild zurecht, faßte die Lanze weiter unten, erst dann antwortete er im Flüsterton: "Er hat mit Buhachan die Burg verlassen. Er ist irgendwo mit dem Knaben und ohne seine Waffen unterwegs. Ich denke, er will ihn in Sicherheit bringen."
Der König senkte den Blick, schloß für einen Moment die Augen, sackte tatsächlich ein Stück in sich zusammen, als setze sein Herz für einen Schlag aus, und die Verzweiflung des Königs bedrückte auch Jochawam. "Er will ihn den Garamar übergeben, um unser Ende zu verhindern", flüsterte er. "Er glaubt... er sah, daß unser Heer aufgerieben wird, wenn die Garamar die Schlacht annehmen. Die Mauern der Stadt werden geschleift und alle Bewohner getötet oder in die Sklaverei verkauft. Nur als Geisel in Garam könne Buhachan das überleben."
"Dann stell' dich den Garamar nicht zur Schlacht", flüsterte Jochawam zurück.
"Sohn, das geht nicht. Dann würde Grom uns unserer Feigheit wegen vernichten. Die Verrar sind starke Krieger, und wir müssen tun was wir können. Grom wird unser Schicksal ändern, wenn wir würdig sind, so können wir die Garamar schlagen." Er glaubte so fest daran, und Jochawam betete, daß er damit Recht hatte.
Dann zog der König den Helm über das Gesicht und hob den Speer, der Befehl zum Vormarsch.
Die Verrar marschierten bis in Sichtweite des Lagers der Garamar am gegenüberliegenden Rand der Ebene. Doch auch wenn einige Krieger der Garamar vor dem Lager standen, reagierte ihr Heerführer nicht auf die Herausforderung durch den König der Verrar. Also mußten sie wohl abwarten.
Doch da kam ein einzelner hellblonder Mann in silberner Rüstung und mit einem Heroldstab aus dem Lager - Fawach! Der König war hin und hergerissen zwischen der Liebe zu seinem Schwager und dem Zorn über dessen Verrat. Jochawam versuchte erfolglos, diese Gefühle und Gedanken auszusperren. "Warum kommt der Verräter zurück?" fragte sein Vater dann flüsternd, angesichts der kampfbereit aufgesetzten Helme, deren Polsterungen bei den Männern die Ohren bedeckten, erwartete er keine Antwort, doch die Worte begleitete ein so tiefer Schmerz, daß es Jochawam bestürzte.
Fawach beschleunigte seinen Schritt, als er die Zelte des feindlichen Lagers ein Stück hinter sich gelassen hatte, und plötzlich flog ein kurzer Wurfspeer aus dem Lager der Garamar auf ihn zu. Er ahnte den Weg der Waffe jedoch und wich ihr soweit aus, daß sie ihn nur an der Schulter streifte. Wie konnten die Garamar wagen, den Heroldstab zu mißachten? Durch das Heer der Verrar ging ein feindseliges Murmeln.
Fawach verfiel in einen raschen Laufschritt, der angesichts des Gewichtes seiner Rüstung beeindruckend war. Und die Blicke der immer unruhiger werdenden Verrar gingen zwischen dem verachtenswerten Verhalten der Garamar und der Reaktion ihres Königs hin und her. Doch der König zögerte.
Ein weiterer Wurfspeer traf Fawach am Bein und schlug im Vorbeiflug eine blutende Wunde, die ihn stark verlangsamte. "Sie haben lange Speere", rief Fawach. Das also war der Grund, warum sie der Untergang der Verrar sein würden. Wenn die Länge ihrer Speere ermöglichte, mit zwei oder gar drei Reihen der Phalanx gleichzeitig zuzustechen, konnten sich die Verrar dagegen kaum schützen. Wenn sie den Garamar nicht durch einen Sturmangriff die Initiative nahmen, war die Schlacht für die Verrar schon verloren bevor sie begann.
"Was hat er gesagt?" fragte der König, anscheinend hatte Jochawam eher den Gedanken Fawachs hinter seinem Ruf vernommen, als den Ruf selbst.
"Sie haben lange Speere", wiederholte Jochawam so laut, daß es alle Umstehenden hören mußten. Und dieser Satz wurde durch die Reihen weitergegeben.
Humpelnd näherte sich Fawach weiter, doch nun flogen zwei Wurfspeere gleichzeitig und trafen ihn im Rücken, drangen beide in seinen versilberten Bronzepanzer ein, und der Mann ging zu Boden.
Der König wurde kalkweiß. Sein Geliebter fiel dort, vor seinen Augen. Was konnte er tun? Die Garamar stellten sich nicht einmal zur Schlacht.
"Ich hole ihn", versprach Jochawam, winkte Kaharach mit ihm vorzulaufen, um Fawach in die eigenen Reihen zu retten, solange er noch zu retten war. Sein Onkel war schon in der Vergangenheit mühelos von schweren Verletzungen genesen, vielleicht waren auch die von diesen zwei Speeren gerissenen Wunden nicht tödlich.
Ein weiterer Speer wurde aus der inzwischen neun Mann starken Gruppe vor dem Heerlager der Garamar geworfen und traf den sich gerade aufrichtenden Fawach unterhalb des Brustpanzers in den Rücken. Dann hatten Kaharach und Jochawam ihn erreicht und trugen ihn unter Bedeckung ihrer Schilde aus der Reichweite der Wurfspeere neben die eigenen Reihen.
"Ihre Speere sind fast doppelt so lang wie unsere, mein Sohn", flüsterte Fawach fast unhörbar. "Achawam darf die Schlacht nicht wagen."
Wieso hast du Buhachan ausgeliefert, wollte Jochawam fragen, aber er kannte die Antwort schon. Das war die einzige Rettung für den Jungen gewesen. Doch anstatt dann zu fliehen, hatte Fawach als Herold für die Verrar spioniert. Kein Wunder, daß die Garamar seinen Status mißachteten, da er selbst nicht wie ein Herold gehandelt hatte.
Zwei Wurfspeere hatten sich auf dem Weg aus Fawachs Rücken gelöst, anscheinend hatten sie keine tiefen Wunden gerissen, doch der einer hatte den Panzer durchschlagen und seine komplette Spitze steckte in Fawachs Körper. Jochawam erkannte, daß sein Onkel starb.
Den Blick seiner grauen Augen in unbestimmte Fernen gerichtet, sah Fawach seiner Schwester Mesanna plötzlich trotz seines hellblonden Bartes so herzzerreißend ähnlich. Und dann kniete der König neben Fawach, bettete den Kopf seines Liebsten auf seinem Schoß. "Stirb nicht, Geliebter! Wie soll ich dann weiterleben?" klagte er unter Tränen. Und in den Gedanken, den Erinnerungen seines Vaters an die gemeinsame Vergangenheit mit Fawach sah Jochawam plötzlich, das Fawach in Wahrheit auch Mesanna war, die als Mann an der Seite ihres Gatten geblieben war, als der König alterte, doch sie – als Gesandte der Göttin – nicht.
"Wieso hast du das nur getan?" fragte der König.
Fawach-Mesanna schaute seinem König in die Augen. "Ihn konnte ich als einzigen retten. Das mußte ich tun. Verzeih mir, Geliebter. Und wage nicht...", seine Stimme erstarb. Fawachs Untergewand hatte sich inzwischen mit seinem Blut vollgesogen, von der Unterkante seines Panzers tropfte es und färbte die bloßen Beine des Königs rot.
'Wage nicht die Schlacht', hatte er noch sagen wollen, doch dafür reichte seine Kraft nicht mehr. Und auch seine geheimsten Gedanken hielt er jetzt nicht mehr unter Verschluß. Jochawam sah, wie Fawach als Mesanna ihren erstgeborenen Sohn in den Armen hielt, die auf ihn gerichtete, überfließende Liebe, die mit diesen Gedanken verbunden war, erfüllte ihn. Und in den Gedanken des Sterbenden verband sich die Liebe zu seinem Gatten und ihren Kindern mit der Liebe, die seine eigene göttergesandte Mutter ihm entgegengebracht hatte - Liebe die sich in einem seltsam geformten Feuer bündelte, das aussah wie eine geöffnete Blüte. So mußte der Lebensquell der Götter aussehen, von dem während des Geheimnisses erzählt wurde. Doch das Bild in Fawach-Mesannas Gedanken verblaßte und plötzlich war es, als habe sich eine undurchdringlicher Finsternis gebildet an der Stelle, an der Jochawam zuvor die tiefe Liebe wahrgenommen hatte.
Und er erinnerte sich an die letzten Worte in den Gedanken seiner Mutter: "Vater, wage die Schlacht gegen die Garamar nicht. Was uns von Grom droht kann nicht schlimmer sein als das, was die Garamar mit uns machen werden wenn sie siegen. Das war M... Fawachs Überzeugung."
"Wie kann ich vergessen, daß sie Fawach feige ermordet haben? Sie haben mir mein Herz herausgerissen. Wie soll ich so etwas verzeihen?" Er zog mühsam den Speer aus dem Rücken seines Geliebten, bettete ihn dann auf dem Rücken liegend, mit vor der Brust gekreuzten Armen und geschlossenen Augenlidern auf dem Gras der Ebene. Dann erhob er sich, ging die paar Schritt zu seinen Soldaten, die alles angesehen hatten, stellte sich in einiger Entfernung vor seinen eigenen Platz in der Reihe. Jochawam und Kaharach folgten ihm, doch reihten sich dann ein.
Jochawam konnte die Gedanken seines Vaters nicht verdrängen, der überlegte, was er seinen Männern sagen konnte. Wie beginne ich? 'Verrar, ihr habt gesehen, was sie mit meinem geliebten Schwager gemacht haben.' Oder soll ich sie auf die Gefahren hinweisen? 'Fawach sah, daß wir alle aufgerieben werden, doch ich muß es wagen, und sei es nur, um neben meinem Geliebten an Groms Tafel zu liegen.' Soll ich ihnen die Entscheidung überlassen, mit mir in den Tod zu gehen oder zu ihren Familien zurückzukehren?
Und nun stand beim gegnerischen Lager auch die Phalanx der Garamar, als warteten sie nur darauf, die Verrar aufzureiben mit ihren langen Speeren, deren Spitzen auffällig weit über den schwarzen Helmkämme blinkten. Kein Wunder, daß sie sich nicht zuvor aufgestellt hatten, denn das hätte ihr Geheimnis preisgegeben.
Jochawams Vater überlegte noch immer, doch in diesem Moment wurde ihm die Entscheidung aus den Händen genommen. Die Phalanx der Garamar stürmte auf sie zu. Sofort trat der König zurück in die Reihe und einer der Königswache rückte nach vorne auf Fawachs verwaisten Platz. Achawam um-Buhachu, König der Verrar und Herr von Verr, hob den Speer und gab den Angriffsbefehl. "Für Grom! Für Fawach!" rief er.
Und wie die anderen Männer, die seit dem Jünglingsalter gelernt hatten, den Mann links neben sich mit ihrem Schild zu schützen, damit der Mann rechts neben ihnen sie schützte, zog auch Jochawam seinen Schild nach vorne. Sie schlossen ihre Reihen und liefen den langen Speeren ihrer Gegner entgegen.
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