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Sätze: | 38 | |
Wörter: | 466 | |
Zeichen: | 2.679 |
Sie lachte und zündete sich eine Zigarette an. «Weisst du», sagte sie während sie den Rauch ausblies, «ich glaube nicht, dass man je bereit ist. Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt. Du wirst immer sagen: ‘Nach der Schule beginnt das Leben’ oder ‘Ich kann meinen Job jetzt nicht kündigen. Lieber Ende Jahr, das passt mir besser.’ Du wirst immer eine Ausrede bereit haben, immer mehr Gründe, die dagegensprechen. Es ist wie mit dem Pflaster, reiss es einfach weg, verdammt noch mal.»
Julia schaute sie mit grossen Augen an. Sie wusste, dass Emily recht hatte, doch irgendetwas an ihr wollte wiedersprechen.
«Aber-»
«Ne, nix aber Julia. Du gehst mir mächtig auf den Sack. Du hast Talent, das weisst du. Jetzt bewirb dich endlich für dieses scheiss Praktikum. Steck dein ganzes Herzblut rein und du wirst sehen, dass du es auch bekommst, weil du gut bist indem was du tust.»
Emilys Wangen waren leicht gerötet, was vielleicht an der leeren Flasche Wein lag, die auf dem Tisch vor ihnen stand, viel eher aber daran, dass sie sich schnell für Dinge begeistern kann und sich manchmal zu sehr mitreissen lässt, wenn ihr jemand am Herzen liegt.
«Und was ist, wenn ich die Stelle nicht bekomme?», warf Julia ein. «Was bleibt mir dann noch übrig? Tut mir wirklich leid, Frau Meier, aber sie sind eine beschissene Schriftstellerin. Diese Bewerbung ist ein Witz. Dann bleibt mir doch nichts mehr. Dann habe ich es schwarz auf weiss, dass ich nicht gut indem bin, wovon ich träume seit ich klein bin. Wenn ich nicht beginne, mich nirgends bewerbe, dann kann mir niemand die Illusion nehmen, dass ich gut schreibe.»
«Ja, da hast du vollkommen recht. Aber dann wird du auch nie eine berühmte Schriftstellerin», antwortete Emily. Auf das wusste Julia nichts mehr zu antworten, also holte sie eine Flasche Wein aus dem Rucksack, füllte die leeren Gläser und sagte: «Wie auch immer. Können wir uns aber bitte zuerst betrinken?».
«Natürlich!», rief Emily.
«Könnt ihr bitte mal leise sein?», schrie eine tiefe Stimme, «Es gibt Menschen, die schlafen wollen.»
«Sei doch selber still», brüllte Julia zurück.
Es war ein sommerlicher Abend und wahrscheinlich wollten wirklich viele Leute um diese Uhrzeit schlafen, doch da sich Julia und Emily beide in der Uni-freien-Zeit befanden, richteten sie sich im Moment nicht nach den alltäglichen Routinen. Es war ein Abend, wie in Julia schon lange nicht mehr gehabt hatte. Ihr Leben war das letzte halbe Jahr geprägt von Lernen, Arbeiten und müde sein. Trotzdem fühlte sie sich wie eine komplette Versagerin, die nichts erreicht hat. Deshalb taten ihr Abende wie diese gut, besonders mit Emily. Sie hatte Emily nicht oft gesehen, weil, weil ja, das Leben dazwischenkam.
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