Storys > Briefe > Trauriges > Die Träumerin...

Die Träumerin...

243
2
24.05.20 23:11
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Ich hätte es nicht tun dürfen. Nie mehr. Und doch tat ich es - ich dachte an Dich. Gestern. Nur einen kurzen Moment. Doch dieser reichte schon aus, um mich in die Vergangenheit zurückzuschleudern. In unsere ​​​ Vergangenheit. Dabei dachte ich, dass ich mit allem abgeschlossen hätte. Doch in der letzten Nacht hatte ich diesen Traum. Einen Traum, den ich eigentlich schon immer in mir trug, seit ich Dich kennen gelernt habe. Doch diesmal war es so unglaublich real...

In der Zeitung habe ich deinen Namen gelesen. Du würdest aus dem anderen Teil Deutschlands in unsere Stadt kommen, um einen verloren geglaubten Freund nach Jahrzehnten wiederzusehen.
Ich war aufgeregt und wollte unbedingt dabei sein, wenn Du deinen Freund triffst. Endlich in deiner Nähe sein. Dich endlich sehen. Das erste Mal. Doch bei diesem Treffen mit deinem Freund waren so viele Menschen um Dich herum, dass ich kaum etwas von Dir erblicken konnte. So nahm ich mir vor, Dich im Hotel zu besuchen, wo Du während deines Aufenthaltes hier zu Gast warst. Als ich dort ankam und das Hotel betrat, waren die Flure jedoch wie ein unüberschaubares Labyrinth angelegt. Unmöglich, Dich dort irgendwo zu finden, dachte ich bei mir. Fast verzweifelt und mit schwindender Hoffnung ging ich dann irgendwann wieder zur Hoteltür hinaus. Als ich gerade zwei Schritte aus dem Eingang war, hörte ich ein Pfeifen. Es kam von oben. Nochmal. Ich drehte mich um und schaute an der Hotelmauer entlang nach oben. Und da warst Du... Du hast dich über ein Balkongeländer gelehnt und mich lächelnd angeschaut. Der Wind fuhr sanft durch dein Haar. Und ich war gefangen in deinen braunen Augen.
"Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?" sagtest Du dann mit einem Augenzwinkern zu mir. "Vielleicht.. Dafür müssten Sie jedoch den beschwerlichen Weg hier zu mir herunter auf sich nehmen" entgegnete ich mit einem kecken Lächeln. Es dauerte vielleicht 5 Minuten, bis Du aus dem Hotel kamst und Dich suchend umgeschaut hast. Ich stand versteckt hinter einem Eichenbaum, der im Vorhof des Hotels mächtig in die Höhe ragte. Neugierig lugte ich hinter dem breiten Stamm hervor. Plötzlich vernahm ich einen Duft, der mich in meinem Herzen berührte; denn er konnte nur von dem Menschen sein, den ich liebte. Mit pochendem Herzen drehte ich mich um und sah Dich direkt vor mir stehen. So nah. Endlich... Deine sanften Hände legten sich um meine Schultern und zogen mich liebevoll zu Dir heran. Die Welt um mich verschwand im Nebel und so schloss ich meine Augen... und ein Hauch von einem Kuss berührte meine Lippen. Die deinen waren so unglaublich zart und ließen mich tief eintauchen in das Gefühl von unendlicher Sehnsucht. Sehnsucht nach Dir.
Als dieser Kuss endete, öffnete ich meine Augen wieder. Du warst bei mir. Endlich. Dann nahmst Du mich fest in deine Arme, so als wolltest Du mich nie wieder loslassen. Und meine Arme umschlangen Dich; wollten Dich halten - für immer. Deine Lippen verschmolzen mit meinen und wir lebten unsere pure Leidenschaft - endlos...

Ich erwachte. Mein Traum war zu ende... und doch war ich eben noch bei Dir, denn mein Puls raste. Ich spürte immer noch deinen Kuss, unsere Leidenschaft und hatte nun mehr Sehnsucht nach Dir,als jemals zuvor. Es fühlte sich alles immer noch so real an... unglaublich schön. Und so musste ich den ganzen Tag lang an diesen Traum denken. Und an Dich...
Und doch ist der Traum zu ende - für immer, nicht wahr? Es gibt kein zurück mehr. Nie. Was uns am Anfang verband, existiert nicht mehr. Deine Nähe, deine Zärtlichkeit verschwand irgendwann im Nichts und ließ mich mit meinen Träumen allein zurück. Du hattest einfach aufgehört zu fühlen und zu träumen. Irgendwann konnte mein Herz Dich nicht mehr berühren. Als ich das erkannte, schloss ich leise die Tür und ging - mit Tränen im Gesicht und einem gebrochenen Herzen...
Ich muss mich endlich damit abfinden, dass es nur mein  Traum war und nicht deiner. Dabei war es damals so schön mit uns beiden. Ja, das war es...

 

Autorennotiz

Wenn Du Ideen, Verbesserungsvorschläge oder Gedanken zu dieser Geschichte hast, schreib sie mir. Ich freue mich.

Feedback

Logge Dich ein oder registriere Dich um Storys kommentieren zu können!

1
BerndMooseckers Profilbild
BerndMoosecker Am 26.05.2020 um 16:36 Uhr
Die Träume von leidenschaftlichen Umarmungen sind vielleicht das intensivste, was wir in unserem Unterbewusstsein erleben. Die Intensität eines solchen Traums ist in dieser, in Briefform geschriebenen Erzählung in schönen und eindringlichen Worten verarbeitet worden. Wenn der Ausblick am Ende der Erzählung auch pessimistisch ist, was bleibt, ist immer der Traum.

Gruß Bernd
Sillys Profilbild
Silly (Autor)Am 26.05.2020 um 21:16 Uhr
Ja, was blieb, war der Traum... Dankeschön Bernd.
1
JoKarters Profilbild
JoKarter Am 24.05.2020 um 23:19 Uhr
Vielleicht ist es ja doch passiert und sie hat ihren Schwarm wirklich getroffen und wie das so ist, am Morgen blickt man der Wahrheit ins Gesicht, aber das kann jeder interpretieren wie er möchte.
Sillys Profilbild
Silly (Autor)Am 24.05.2020 um 23:32 Uhr
Vielen Dank JoKarter. Im Grunde hast Du recht...

Autor

Sillys Profilbild Silly

Bewertung

2 Bewertungen

Statistik

Sätze: 75
Wörter: 705
Zeichen: 3.965

Kurzbeschreibung

Einen Traum kann man nur einmal träumen...

Kategorisierung

Diese Story wird neben Trauriges auch in den Genres Liebe, Entwicklung und gelistet.

Ähnliche Storys

Vorausgegangen
Von BerndMoosecker
81 12
Vater
Von Lumpensack
105 5 1 12
Morgen...
Von Silly
99 5 1 12
Stille Wasser
Von Leon
270 2,3 1 12