Groß war die Empörung, als man herausfand, dass der Attentäter, ein bekennender Antisemit, der am 9. Oktober 2019, versuchte, in Halle einen Massenmord an Juden durchzuführen, in dessen Folge er zwei unbeteiligte Menschen ermordete, unter dem Einfluss, von Ego-Shooter-Spielen, sogenannten "Killerspielen" gestanden hatte. Hiermit reiht er sich in die Reihe prominenter Vorgänger ein, wie beispielsweise dem Amokläufer von Erfurt (2002). Erwartungsgemäß entsteht heute wieder genau die gleiche Diskussion die auch damals heftig geführt wurde: Ist die Schuld, oder zumindest eine Mitschuld an Amokläufen oder ähnlichen Verbrechen tatsächlich bei offensichtlich gewalttätigen Videospielen suchen oder handelt es sich hierbei nur um eine scheinheilige Debatte erzkonservativer Politiker?
In einem enorm polarisierenden Statement äußerte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer wie folgt zu dem umstrittenen Thema: "Das Problem ist sehr hoch. Viele von den Tätern oder den potentiellen Tätern kommen aus der Gamerszene." Des Weiteren teilte er der ARD mit, man müsse die Gamerszene "stärker in den Blick nehmen".
Betrachtet man die Tatsachen, so scheint an dieser und Aussagen, die in eine vergleichbare Richtung zielen, nichts auszusetzen zu sein. Viele Amokläufe, die der Öffentlichkeit bekannt sind, scheinen diese These zu unterstützen. Abgesehen von den beiden eingangs erwähnten Fällen, ist überdies beispielhaft noch der Amoklauf 2012 in einem Kino in Aurora im US-Bundesstaat Colorado zu nennen, in dessen Verlauf der Täter bei der Premiere des Films "The Dark Knight Rises" zwölf Menschen erschoss und 58 weitere zum Teil schwer verletzte.
Ganz so einfach dürfen wir es uns bei der Betrachtung von augenscheinlichen Fakten jedoch nicht machen, da Differenzierungen, sowie eine ordentliche Portion gesunden Menschenverstandes unbedingt vonnöten sind, um die komplexen psychologischen Zusammenhänge zu erkennen.
In den Wissenschaften existieren zwei Prinzipien, die einer tieferen Erklärung bedarfen, da sie sich hervorragend eignen, um auf die vorliegende Problematik angewendet zu werden: Die Kausalität und die Korrelation.
Bei der Kausalität handelt es sich um das Prinzip von Ursache und Wirkung. Demgemäß resultiert eine Handlung notwendigerweise aus einem vorgegangen Reiz, einer vorherigen Handlung und so weiter. Folglich ist nur eine einzige Wirkung einer ganz bestimmten Ursache überhaupt denkbar. Das Eintreten von einer dem abweichenden Reaktion ist völlig auszuschließen. Befürworter der Theorie, gewalttätige Spiele resultieren in einer erhöhten Gewaltbereitschaft des Spielers und führen somit zu Amokläufen, berufen sich in ihrer Argumentation, ob gewollt oder ungewollt, auf eben jenes Prinzip der Kausalität. Wenden wir also diese Logik konsequent auf unsere Frage an.
Dem Ursache-Wirkung-Prinzip zufolge müsste ausnahmslos jeder Mensch, der jemals ein "Killerspiel" auch nur angerührt hat, automatisch, ohne irgendeinen Einfluss darauf zu haben, zum Amokläufer werden. Die Unsinnigkeit dieser Logik liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Ausführungen! Tun wir mit einem derartigen Generalverdacht nicht den Abermillionen friedlichen Gamern auf diesem Planeten großes Unrecht? Ist eine solche Argumentation nicht ähnlich respektlos wie der Hass auf Flüchtlinge, den Rechtspopulisten immer wieder entfachen, sobald ein Einzeltäter mit Migrationshintergrund gewalttätig in Erscheinung getreten ist?
Das Prinzip, welches in Wahrheit auf diese konkreten Fälle zutrifft, ist nämlich das der Korrelation. Dieses besagt nur, dass ein Zusammenhang vorhanden sein scheint, hierbei jedoch keine Kausalität vorliegt. Dass die thematisierten Attentäter unter dem Einfluss von bestimmten Videospielen standen, ist nunmal erwiesen, der Zusammenhang somit ersichtlich. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass Videospiele, wie es die Kausalität besagt, der alleine ausschlaggebende Grund für diese abscheulichen Verbrechen waren. Außer Acht gelassen wird völlig, unter wie vielen Einflüssen ein Individuum tatsächlich steht, wie viele Faktoren bewusst oder unbewusst auf es einwirken. Alle Attentäter werden in ihrem Leben sicherlich auch einmal Wasser oder Zucker zu sich genommen haben. Hierbei liegt ebenfalls ein Zusammenhang, eine Korrelation vor. Wird deswegen behauptet, dass der Konsum von Wasser und Zucker einen Menschen kriminell werden lässt? Natürlich nicht, denn die vorliegende Logik ist absurd und realitätsfern!
Ähnlich verhält es sich beispielsweise bei der Argumentation, dass es in Italien, im Gegensatz zu Deutschland, auf den Autobahnen ein Tempo-Limit gibt, Italien jedoch mehr Verkehrstote aufweist als Deutschland. Ist eine verbindliche Geschwindigkeitsbegrenzung daher für eine erhöhte Anzahl an Todesfällen auf Autobahnen zu verantworten? Nein, da es ebenfalls vollkommen unlogisch ist, alles auf einen einzigen Faktor zu reduzieren. Das Tempo-Limit steht in keinerlei Kausalität zu der entsprechenden Statistik. Vollkommen außer Acht gelassen werden Aspekte wie eine, im Vergleich zu Deutschland, schlechtere Infrastruktur, schlechtere Fahrausbildung, womöglich schlechtere Autos oder die allgemein höhere Risikobereitschaft der italienischen Autofahrer (wer schonmal den Verkehr in Italien selbst miterleben konnte, weiß genau, wovon ich rede).
In der Annahme, den Unterschied von Kausalität und Korrelation, der bei dem behandelten Thema von elementarer Wichtigkeit ist, ausreichend erläutert zu haben, widme ich mich wieder der ursprünglichen Thematik.
Hartnäckige Kritiker mögen, dieser Argumentation zum Trotz, einwenden, dass es nunmal nicht abzustreiten sei, dass Videospiele, und das entscheide sie von anderen Faktoren, die natürliche, dem Menschen eigene Hemmschwelle in Bezug auf Gewalttaten senken und somit als Inspiration für reale Verbrechen gesehen werden können. Was die Hemmschwelle für kaltblütige Morde jedoch in Wahrheit senkt, ist nicht das Abschießen virtueller Menschen, sondern der Zugriff auf echte Schusswaffen im Allgemeinen.
Gewehre und Pistolen vereinfachen die Gewaltausübung enorm. Der Prozess des Mordens wird auf eine einzige kurze Bewegung mit dem Finger reduziert, nämlich der Betätigung des Auslösers. Das Töten anderer wird somit auch aus erheblichen Distanzen ermöglicht. Man muss das vor Angst und Schmerz verzerrte Gesicht des Opfers nicht mehr sehen, nicht seine letzten verzweifelten Worte und Regungen wahrnehmen und sich somit mit seiner individuellen Geschichte auseinandersetzen, sondern es kann bequem aus der Ferne erschossen werden, um sich den Anblick zu ersparen. Einen Menschen dagegen aus nächster Nähe mit einem Messer oder gar den eigenen Händen umzubringen, ist etwas völlig anderes. Hierbei äußert sich die sogenannte natürliche Hemmschwelle. Die Erfindung von Schusswaffen im Allgemeinen haben uns dieser menschlichen Abwehrreaktion beraubt, Videospiele dagegen nicht.
Inwiefern Videospiele aggressiv machen, ist nicht abschließend und verallgemeinert zu klären. Schließlich variiert dies von Individuum zu Individuum. Davon einmal abgesehen, muss Aggressivität nicht unbedingt aus "Killerspielen" resultieren, sondern auch vermeintlich harmlose Spiele können einen regelrecht zur Weißglut treiben (wer jemals FIFA gespielt hat, weiß, wovon ich rede). Mensch-Ärgere-Dich-Nicht macht uns schließlich auch aggressiv. Dieses klassische Brettspiel für Amokläufe verantwortlich zu machen, käme schließlich auch niemandem in den Sinn.
Darüber hinaus können Videospiele im Gegenteil auch Aggressivität und Frust abbauen. Wer einen schlechten Tag hatte, greift womöglich auch zum "Killerspiel", um seinem Unmut ein Ventil der Äußerung zu verschaffen, um sich im Anschluss ausgeglichener und entspannter zu fühlen und um zu verhindern, dass er eben solche Taten auch in der Realität ausübt. Gaming quasi als Prävention von realen Ereignissen!
Hochbegabte Intellektuelle wie Stephen King, die über sich selbst sagen, sie seien wohl gemeingefährlich, wenn sie ihre Aggressionen nicht auf irgendeine harmlose Art äußern könnten, verarbeiteten Schmerz, Trauer und Wut, indem sie kreativ tätig werden und, wie in seinem Falle, brutale Horrorgeschichten verfassen. Warum sollte man es dem durchschnittlich begabten Ottonormal-Verbraucher also untersagen, dem Gaming nachzugehen?
Dass der Mensch nicht nur über eine vernünftige, sondern auch über eine triebgesteuerte und gewaltbereite Seite verfügt, wissen wir alle spätestens seit Sigmund Freud (1856-1939). In seinem Modell der menschlichen Psyche verdeutlicht er das Vorhandensein von zwei unbewussten Antrieben, die das menschliche Dasein prägen: Der Lebenstrieb (Eros), der sich vor allem in der Sexualität äußert und der destruktive und gewalttätige Todestrieb (Thanatos). Beide sind jedem Menschen, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung zu eigen und verlangen nach individuellem Ausdruck. Aus diesem Grund lieben wir Kriminal-oder Horrorgeschichten in der Literatur und im Film. Wir gehen auf diese Art unserem Todestrieb nach. Die Medien und modernen Technologien ermöglichen es uns heutzutage demgemäß gewalttätig zu sein, ohne Gewalt jemals selbst anwenden zu müssen.
Ganz gleich wie sehr wir uns dadurch auch in unserem Stolz gekränkt fühlen oder aber die Wahrheit nicht akzeptieren wollen, der Todestrieb ist biologisch in uns veranlagt und bedarf der Befriedigung, um eine tatsächliche Eskalation, die selbstverständlich unter keinen Umständen wünschenswert ist, zu verhindern. Die Kritiker werden es nicht gerne hören, doch Videospiele stellen eine Möglichkeit dar, sich dem ganz individuellen Thanatos zu stellen und ihn zu überwinden, indem er gesellschaftsverträglich gestaltet wird.
Es steht außer Frage, dass Ego-Shooter wie "Call of Duty" zumindest aus moralischer Sicht hinterfragt werden müssen. Auch ich empfinde es den Opfern von realen Kriegen gegenüber als überaus respektlos die Schrecken von Terror und Gewalt in einem Spiel darzustellen und sie somit in gewisser Weise zu verharmlosen und zu einer Art Genuss werden zu lassen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass wir an dieser Stelle keine ethisch-metaphysische Debatte führen, sondern eine pragmatische, die sich an wirklichen Ereignissen orientiert und explizit bezieht.
Vor diesem Hintergrund muss der differenziert denkende und vernünftige Mensch schlichtweg einsehen, dass "Killerspiele", unabhängig davon, was man selbst von ihnen hält und bei aller berechtigten Kritik, definitiv keine Amokläufer hervorbringen.
Der wohl ausschlaggebenste Faktor von allen wird in der oberflächlichen Diskussion der Skeptiker zumeist außer Acht gelassen. Videospiele hin oder her, wer die Unterschiede von Fiktion und Realität nicht in der Lage zu erkennen ist und eine echte Bluttat anrichtet, der leidet an psychischen Störungen! Der "Kino-Attentäter" erschien beispielsweise bei seiner Verhörung im Joker-Kostüm. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen! Wem von Natur aus oder durch bestimmte Erfahrungen eine erhöhte Gewaltbereitschaft zu eigen ist, der wird früher oder später ohnehin die Kontrolle verlieren und sich von sämtlichen Hemmungen lösen, auch ohne den Einfluss von Videospielen. Lasst uns dabei nicht vergessen, dass die größten Massenmörder der Menschheitsgeschichte wie Hitler und Stalin aus offensichtlichen Gründen niemals den Zugang zu "Killerspielen" hatten!
Schenkt man dennoch den zahlreichen Kritikern Glauben, so muss man sich fragen, warum die Debatte nach dem Zusammenhang von virtueller und realer Gewalt nur auf Videospiele reduziert wird und andere Medien dabei oftmals außer Acht gelassen werden. Wahrscheinlich liegt dies daran, dass Videospielen kein kultureller Mehrwert nachgesagt wird, was eine Aufnahme in die allgemein gesellschaftliche Akzeptanz unterbindet, ganz im Gegensatz zu Büchern oder Filmen, genauso wie die wohl gefährlichste Droge, Alkohol, ebenfalls in unseren Traditionen fest verankert ist. Als großer Kunstliebhaber schätze ich selbstverständlich den künstlerischen Wert des Kinos und der Literatur als erheblich höher ein, als den der Videospiel-Kultur. Doch ich möchte nicht unfair sein und die Debatte von persönlichen Präferenzen abhängig machen. Folgt man der strengen Logik der Kritiker, die ich bereits widerlegt zu haben glaube, so müssten auch Literaten und Filmemacher stärker "in den Blick" genommen werden.
Bei der Diskussion rund um die Vorkommnisse in Halle liegt der Fokus tatsächlich, bedauernswerterweise ausschließlich auf "Killerspielen", da sich nicht die Frage gestellt wird, welche Filme dieser Mann womöglich konsumiert hatte (wenngleich dies aus bereits erläuterten Gründen ebenso unsinnig wäre, aber sei´s drum).
Nichtsdestotrotz müssen sich auch Künstler immer wieder für Gewaltdarstellungen in ihren Werken rechtfertigen. Der amerikanische Regisseur, Quentin Tarantino, steht daher aufgrund seiner gewalttätigen (aber künstlerisch wertvollen) Filme stets in der Kritik. Er wird dabei nicht müde, sich des Vergleichs mit Japan zu bedienen. In kaum einem anderen Land auf der Welt sind die Filme so brutal wie dort, während gleichzeitig die Kriminalitätsrate vergleichsweise verschwindend gering ist.
Ähnliche Vorwürfe, die gar Proteste, Zensuren und Morddrohungen zur Folge hatten, liegen beispielsweise bei dem amerikanischen Schriftsteller Bret Easton Ellis vor, dessen kontroversester (und bester) Roman "American Psycho" (1991) von Feministinnen, politisch Korrekten und so weiter, bis auf den heutigen Tag ins Visier genommen wird, wenngleich wohl mindestens 90% von ihnen das psychologisch abgründige und gesellschaftskritische Meisterwerk nicht einmal im Ansatz verstanden haben. Die klügeren Kritiker formulieren dagegen eine philosophische Frage, die durchaus interessant zu thematisieren ist, wenngleich eine ausführliche Beantwortung derseben den Rahmen dieses Textes sprengen würde, weshalb ich es vorerst bei einer kurzen Stellungnahme belasse: Ist es moralisch vertretbar, in künstlerischen Werken mit einem Psychopathen mitzufiebern und sich mit ihm zu identifizieren?
Beispiele für solche Antihelden lassen sich in Literatur und Film zuhauf ausfindig machen. Ob Alexander DeLarge aus Stanley Kubricks "A Clockwork Orange" (1971), dem bereits angesprochenen Patrick Bateman aus "American Psycho" (Verfilmung von 2000), Travis Bickle aus Martin Scorseses "Taxi Driver" (1976) oder Arthur Fleck aus dem erst kürzlich erschienenen Film "Joker" (2019) von Todd Phillips. Sie alle vereint der, aus den unterschiedlichsten Gründen entstandene Wahnsinn (beispielsweise bei Alexander DeLarge eine angeborene sadistische Neigung, bei Arthur Fleck die gesellschaftliche Verachtung). Um es kurz zu machen: Ja, es ist in Ordnung, die Geschichte solcher fiktiven Charaktere, interessiert, womöglich gar bewundernd zu verfolgen! Bei allen genannten Filmen liegt nämlich mitnichten eine Gewaltverherrlichung vor, wie es Kritiker gerne anführen, sondern ein Versuch, solche Menschen zu verstehen. Vor allem in "Joker" geht es in erster Linie darum, herauszufinden, wie ein Mann sich in ein solches Monster verwandeln kann. Der Film schärft also unser Bewusstsein für psychisch labile Menschen und fordert zu einem sensibleren Umgang mit ihnen auf, sowie auf den Verzicht von Vorurteilen und dergleichen. Die Kunst dient also dem Zweck, uns zu moralisch hochwertigeren und differenzierten Menschen zu erziehen, ganz wie es Friedrich Schiller schon immer intendiert hat. Außerdem müssen wir stets beachten, dass die entsprechenden Charaktere trotz allem fiktiv und somit nicht real sind! Wer sich beispielsweise von "Joker" zu tatsächlichen Gewalttaten aufgerufen fühlt, dem ist wohl ohnehin nicht mehr zu helfen! Im Umkehrschluss macht mich meine persönliche Leidenschaft zu derartigen Büchern und Filmen nicht zu einem schlechteren Mensch. Schließlich ist es mir noch nicht in den Sinn gekommen, einen Konkurrenten, ganz im Stile Patrick Batemans, mit einer Axt zu erschlagen.
Was Politiker wie Seehofer jedoch in Wahrheit führen, ist eine heuchlerische, pseudo-wissenschaftliche Schein-Debatte, die von den richtigen Problemen ablenkt! Nicht die Gamer-Szene muss strenger überwacht werden, sondern die rechtsextreme Szene! Der Attentäter von Halle wies schließlich ein eindeutig nationalsozialistisches Gedankengut auf. Extremismus entgegenzuwirken sollte die eigentliche Priorität darstellen. Aus Sicht Amerikas wäre beispielsweise eine Überarbeitung des Waffengesetzes eine geeignete Maßnahme, um zu verhindern, dass psychisch Kranke überhaupt in den Besitz einer Schusswaffe kommen. Die Dämonisierung der Gamer trägt zu Problemlösungen in keinster Weise bei. Ganz im Gegenteil: Es schafft nur neue Konflikte innerhalb der Gesellschaft, bedingt durch solch unnötigen Kontroversen und überflüssigen Diskussionen. Psychisch kranke Menschen, die oftmals am Rande der Gesellschaft stehen, sind daher so anfällig für Radikalisierungen und daraus resultierende Gewaltverbrechen, da ihnen keine angemessene Behandlung widerfährt. Mithilfe gezielter Therapien und Rehabilitationsverfahren müssen sie zurück in die Mitte der Gesellschaft gebracht werden, statt sie emotional völlig verwahrlosen zu lassen.
Es ist furchtbar traurig miterleben zu müssen, dass der Antisemitismus ausgerechnet in Deutschland noch derart stark verbreitet ist und statt solch ernste Themen mit dem nötigen Respekt vor den Betroffenen und einem kühlen Kopf anzugehen, wird die Schuld-Frage derart stark verfremdet und aus dem Zusammenhang gerissen, dass es einer regelrechten Flucht vor den echten Gefahren gleich kommt. Der Vergleich von zwei völlig unabhängig voneinander zu betrachtenden Inhalten, erreicht ein Maß von himmelschreiender Unprofessionalität, wie sie nicht einmal Donald Trump an den Tag zu legen vermag. Vergleichbar ist die vorliegende Debatte mit Hetzen von Rechtspopulisten, wonach Flüchtlinge und Migranten daran Schuld seien, dass es in Deutschland zu viele Obdachlose gäbe.
Herr Seehofer ist ein intelligenter Mann und daher vernünftigerweise noch nie auf die Idee gekommen, seine wertvolle Zeit mit Videospielen zu verschwenden. Die empirische Studie am eigenen Leibe wäre in diesem speziellen Fall jedoch wohl die bessere Entscheidung gewesen, bevor eine undifferenzierte und scheinheilige Äußerung getätigt wird, die in diesem Wortlaut für einen Spitzenpolitiker eigentlich untragbar ist!
Sollten Sie aus diesem Essay nur Eines mitnehmen, dann bitte das Folgende: Es gibt keinerlei seriöse Studien, die belegen, dass fiktive Gewalt beispielsweise in Videospielen aber auch in Büchern und Filmen, auch nur das Geringste mit tatsächlich stattfindenden Attentaten zu tun haben. Alles, was nicht wissenschaftlich belegt ist, sollte mit äußerster Vorsicht behandelt werden! Nichtsdestotrotz bin ich mir vollkommen bewusst, dass dieser Text knallharte Skeptiker niemals überzeugen wird. Auch wenn ich mein Bestes gegeben habe, so werde ich nicht verhindern können, dass genau die gleiche Diskussion spätestens beim nächsten Amoklauf, der irgendwo auf der Welt stattfindet, erneut entfacht wird. So ermüdend dies auch ist, so wichtig ist es, anzuerkennen, dass der Mensch wohl lieber nach oberflächlichen Problemen und vermeintlichen Sündenböcken Ausschau hält, um sich nicht mit der schmerzhaften Wahrheit auseinanderzusetzen. Ein Glück, dass der Mensch wenigstens in der Kunst noch frei ist und der Schriftsteller einen großen Vorteil genießt, der ihn von den meisten anderen Menschen unterscheidet: Er hat keine Angst vor der Wahrheit!