Im deutschen Bundestag finden zurzeit heftig umstrittene Diskussionen bezüglich eines ganz bestimmten Themas statt. Und diesmal handelt es sich dabei nicht um die leidigen Auseinandersetzungen mit der Zuwanderung, der aktuellen Umweltpolitik, dem Brexit und dergleichen, Themen, die das politische Alltagsgeschehen und die Medien in letzter Zeit wahrlich überfluteten. Nun steht jedoch eine ethische Frage im Mittelpunkt: Sollen die Krankenkassen in Zukunft die Kosten für Bluttests für Schwangere übernehmen?
Um sich mit diesem Dilemma intensiver auseinanderzusetzen, bedarf es einer gründlichen Analyse der hierfür notwendigen Hintergrundinformationen.
Seit 2012 wird ein Test angeboten, der erkennt, ob das Kind der werdenden Mutter an einer Form von Trisomie erkranken wird, wobei insbesondere auf Trisomie 21, geläufiger unter der Bezeichnung "Down-Syndrom" geprüft wird. Wenngleich die Testverfahren nur Wahrscheinlichkeiten aufzeigen können, haben sich selbige in der Vergangenheit doch als stets zutreffend erwiesen. Die Krankenkasse hatte die finanziellen Kosten für diesen Eingriff bisher nicht übernommen, also mussten die Eltern privat bezahlen. Zwar bezahlt die Krankenkasse schon seit längerem andere Methoden, die das gleiche Ziel verfolgen, wie beispielsweise die Fruchtwasseruntersuchung, da diese jedoch ein enorm hohes Risiko darstellt und oftmals zu Früh-und Fehlgeburten führt, wird hiervon zumeist Abstand genommen. Der Bundestag debattiert aktuell, wie bereits dargelegt über einen Gesetzesentwurf, der die Krankenkasse zur Finanzierung des thematisierten Bluttests verpflichtet.
Eine Trisomie liegt dann vor, wenn das 21. Chromosom eines Menschen, welches aus etwa 34 Millionen Bausteinen besteht und somit circa 1,5 Prozent der menschlichen Erbinformationen enthält, entweder in Teilen oder gänzlich dreifach vorhanden ist. Hierbei liegt eine Chromosomen-Anomalie vor, die sich in einer Reihe geistiger und körperlicher Einschränkungen äußert. Von einer Risikoschwangerschaft in der Hinsicht, spricht man beispielsweise dann, wenn die Schwangere bereits das 35. Lebensjahr überschritten hat.
Schätzungsweise leben in Deutschland, gemäß dem WDR, 50.000 Menschen in Deutschland, die Trisomie 21 aufweisen. Die Frage, ob es sich bei diesem Gendeffekt tatsächlich um eine ernsthafte Behinderung handelt, ist ebenfalls sehr umstritten. Oftmals wird argumentiert, dass Menschen mit Trisomie 21 in vielen Fällen trotzdem noch in der Lage sind ein einigermaßen normales Leben zu führen.
Setzt man sich genauer mit den Eigenschaften und Attributen, die diesen Menschen zu eigen sind, auseinander, so wird man feststellen, dass diese Argumentation durchaus nicht unberechtigt sind.
Betroffene weisen körperliche Fehlbildungen auf und sind geistig eingeschränkt. Logisches, zusammenhängendes Denken fällt ihnen zumeist schwer, beruflich haben sie zumeist keine besonders guten Aussichten. Und dennoch zeichnen sich Menschen mit Trisomie 21 mit großartigen Fähigkeiten auf, die später noch ausführlicher dargelegt werden.
Sicherlich scheinen zunächst die Vorteile einer möglichen Finanzierung des Bluttests durch die Krankenkassen zu überwiegen. Augenscheinlich wird hierbei ein Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit unternommen, ein Thema, welches den Deutschen in Zeiten des Kapitalismus sehr am Herzen liegt. Eltern aus allen sozialen Schichten werden über den Zustand ihres noch ungeborenen Kindes informiert. Dieses Privileg kommt nicht mehr allein den besserverdienenden Eltern zugute, die sich einen solchen Eindruck finanziell erlauben können. Wo liegt also das Problem?
Wie bereits eingangs erwähnt, handelt es sich hierbei um eine rein ethische Frage, bei denen der finanzielle Aspekt nicht berücksichtigt wird.
Eines steht jedenfalls fest: Würde jeder einen Bluttest machen lassen, weil dieser schließlich bezahlt wird, würde dies zweifellos zu einer erheblichen Steigerung der Abtreibungsquote führen. Studien haben ergeben, dass in Deutschland ca. 90% der Bevölkerung ihr Kind abtreiben lassen würden, wäre es behindert. In diesem Zusammenhang wird oftmals die Rechtfertigung geäußert, man könne dies einem Kind nicht antun, man täte ihm keinen Gefallen, wenn man ihm ein derart eingeschränktes Leben ermögliche.
Das mag in einigen Fällen durchaus zutreffen, mitnichten jedoch auf die Behinderung, von der bezüglich des Bluttests die Rede ist: Trisomie 21.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wann ein Leben überhaupt lebenswert ist oder wann die negativen körperlichen und geistigen Konsequenzen schlichtweg überwiegen. Dass es mit dem Down-Syndrom trotzdem möglich ist, ein einigermaßen gewöhnliches Leben zu führen, wie bereits dargelegt wurde, stellt unter Beweis, dass das Leben mit Trisomie 21 trotzdem lebenswert ist! Zwar sind viele Betroffene ihr Leben lang auf Hilfe angewiesen, weshalb sie sich oftmals in speziellen Pflegeheimen zusammenfinden, doch gelingt nach wie vor einem nicht unerheblichen Teil dieser Menschen der Schritt in die Selbstständigkeit. Wenngleich es ihnen erheblich schwieriger fällt, erfolgreich zu sein, schaffen es dennoch einige von ihnen wie beispielsweise der deutsche Schauspieler Rolf "Bobby" Brederlow, der bereits mit dem Bambi und der goldenen Kamera ausgezeichnet wurde. Dies liegt daran, dass sich Menschen mit Trisomie 21 durch besondere Hingabe und einen außergewöhnlich starken Willen und Durchsetzungsvermögen auszeichnen.
Das Argument ein Leben mit Behinderung sei nicht lebenswert, ist folglich keineswegs auf die Betroffenen von Trisomie 21 zutreffend, zumal diese sich äußerst lebensfroh zeigen, sich bereits an Kleinigkeiten erfreuen und sich darüber hinaus ihrer Selbst vollkommen bewusst sind. Sie wissen um ihre Einschränkung. Sie können dieser auch einen Namen geben. Durch dieses Selbstbewusstsein erlangen sie auch die Möglichkeit, aktiv gegen ihre Behinderung vorzugehen, was sicherlich ihre bemerkenswerte Ausdauer und den Fleiß erklärt. Und ein solches Leben soll nicht lebenswert sein? Solche Menschen sollen weniger wertvoll sein?
Sind es in solchen Fällen nicht in Wahrheit die betroffenen Eltern, die von sich selbst sagen, dass sie sich ein behindertes Kind nicht antun könnten? Selbstverständlich ginge ein Leben mit einem behinderten Kind auch mit erheblichen Einschränkungen für die Eltern einher, doch vermag ein Trisomie 21 Betroffener den Menschen in seinem Umfeld viel zu lehren und viel zu geben, allen Gegebenheiten zum Trotz. Nur passt ein solches Kind oftmals nicht in die individuelle Lebensplanung der Eltern, die sich womöglich lieber auf ihre berufliche Laufbahn konzentrieren möchten. Mal abgesehen davon, dass sich das Leben ohnehin nicht wirklich planen lässt, ist es, meines Erachtens, überaus unvernünftig und moralisch keineswegs vertretbar, das Kind darunter leiden zu lassen.
Zu dieser aktuellen Thematik wurde im Deutschlandfunk ein Interview mit Natalie Dedreux geführt, einer zwanzigjährigen Aktivistin, die ebenfalls mit Trisomie 21 lebt. Im Laufe des Gesprächs schilderte sie Aspekte ihres Lebens, wie beispielsweise die glückliche Beziehung mit ihrem Freund, der auch das Down-Syndrom hat. "Down-Syndrom ist keine Krankheit, sondern etwas Besonderes", so die zwanzigjährige. Des Weiteren lässt sich verkünden: "Wir wollen nicht mehr abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben!" Wer sich derart eindeutige und von Energie und Lebenswillen nur so strotzende Forderungen zu Gemüte führt, der wird sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Lebens mit Trisomie 21 wohl kein weiteres Mal stellen!
Nicht auszudenken, was der Welt ohne Menschen mit dem Down-Syndrom verloren ginge. Betroffene machen schließlich durch ihr ausgeprägtes Empathie-Vermögen und ihre hohe emotionale Intelligenz auf sich aufmerksam! Der finanzierte Bluttest, der die Abtreibungsquote ins Unermessliche steigern würde, beraubte uns eines wichtigen Teiles unserer Menschlichkeit!
Ohne Zweifel stiege dadurch auch der gesellschaftliche Druck auf Eltern, die ihr an Trisomie 21 erkranktes Kind, entgegen der allgemein vorherrschenden Tendenz, nicht abtreiben. Behinderte Menschen würden es in Zukunft in einer ohnehin schon stark leistungsorientierten Gesellschaft immer schwerer haben. Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe wäre kaum noch entgegenzuwirken.
Zynisch formuliert lautet die neue Argumentation folgendermaßen: "Die Eltern haben gewusst, dass ihr Kind vom Down-Syndrom betroffen ist, da sie den kostenlosen Bluttest machen konnten oder ihnen diese Möglichkeit zumindest gewährt wurde. Wieso haben sie also nicht abgetrieben?"
Es ist daher überaus bedauernswert, dass in einer solchen Gesellschaft diejenigen am meisten leiden, die ohnehin schon genug gelitten haben! Eine wirklich traurige Entwicklung!
Darüber hinaus muss man kein Prophet sein, um zu behaupten, dass es bezüglich der Bluttests mitnichten nur bei der Prüfung auf Trisomie bleiben würde. Bald darauf würden Testverfahren auf sämtliche weitere Behinderungen erfolgen, die ebenfalls von den Krankenkassen finanziell übernommen werden. Dass die Abtreibungsquote dann bei behinderten Kindern nahezu die 100% Prozent erreicht, ist alles andere als unwahrscheinlich, woraus sich schließen lässt, dass Behinderte in unserer Gesellschaft, unserem Staat offenbar nicht erwünscht sind. Ein Beleg für die schwindende Menschlichkeit, die aus dem außer Kontrolle geratenen Leistungsdruck der heutigen Zeit resultiert!
Mithilfe dieser Methode wären behinderte Menschen in einer dystopischen Zukunft vollkommen ausgelöscht. Hierbei handelt es sich um ein Ideal, das wir sofort und auch berechtigterweise mit dem Nationalsozialismus und der menschenverachtenden Ideologie Adolf Hitlers in Verbindung bringen. Schließlich wurden in Nazi-Deutschland Menschen mit Behinderung auf Befehl der NSDAP zu Hunderttausenden deportiert und fielen ebenfalls der systematischen Vernichtung zum Opfer, um Hitlers Wahn vom "reinen Blut" zu befriedigen.
Natürlich lassen sich die damaligen Zustande nicht mit den heutigen vergleichen. Behinderte werden in Deutschland nicht vom Staat diskriminiert, da dies zahllosen Artikeln unseres Grundgesetzes, an oberster Stelle selbstredend der Unantastbarkeit der Menschenwürde zuwiderliefe. Nichtsdestotrotz ist definitiv kritisch festzuhalten, dass eine Einführung von finanzierten Bluttests eine gesellschaftliche Entwicklung in eine Richtung lenken würde, die keinem von uns wünschenswert erscheint. Hin zu Diskriminierung, hin zu Abtreibungen, hin zu Vernichtung ursprünglich lebenswertem Lebens. Aus diesem Grund ist nur zu hoffen, dass der Bundestag die Gesetzesänderung doch noch ablehnt, wenngleich davon zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auszugehen ist.