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Alles im grünen Bereich

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26.11.17 10:18
Fertiggestellt

Seit meiner Kindheit lebe ich auf dem Land. Old Mountain City- früher schämte ich mich dafür, so wurde ich in jugendlichen Alter doch oft als Landei verspottet. Heute scheint es, ist Landleben hip.

Einen Bauernhof virtuell aufbauen, hielt ich erst für einen Gag .Imkerei auf den Dächern von New York und die Hipster mögen es plötzlich ganzheitlich natürlich. Jutebeutel, selbst gemachte Holundermarmelade, Baum-Patenschaft, Hüttenzauber (ohne Berge), kurzum, der Trend geht ins grüne. Und ich habe die Hälfte meines Lebens darunter gelitten, in Old Mountain aufgewachsen zu sein.

Zonenrandgebiet zur Stadt, Provinzkoller ab Pupertät. Man muss sich das so vorstellen: Als ich klein war, hockten meine Tante und ich aufm Dach, haben Honig Toast gegessen, hatten genau vier Freunde, sind Sonntags zusammen mit dem Rad durchs Dorf gefahren und abends kam das Sandmännchen. Auf unseren Geburtstagspartys schallten der „Ententanz“ aus den Boxen. Wir waren fast das letzte Haus im unteren Hügeldorf.

Unsere Highlights?

Kirmis im Dorf und jeder ging hin. In unserer Kindheit war die Welt in Ordnung.  Probleme lösten wir mit einer Runde Schnick, Schnack, Schnuck.

Doch dann ging es auf Klassenfahrt nach Berlin – und mir wurde klar, dass es in puncto Coolness nicht reichen würde, dass ich mal illegal Vespa gefahren war und aus Versehen unser Gartenhaus abgefackelt hatte. Die Teenies aus der City hatten, eine Clique, ein U-Bahn-Netz, Veranstaltungsprogramme und berufstätige Mütter.

Und dann-heute weiss ich das ich nicht mehr hip sein muss. Ich kann Bäume klettern-doch die Großstädtler wollen das jetzt auch.

Die Menschen wollen aufs Land, sagt eine Studie. Grob gerechnet möchten 10%. auf dem Land leben.Und was bedeutet das? Dass sie einen Acker bestellen, im Dreck wühlen wollen? Nein. Sie wollen das Land, die Wiesen und die Weite aber keinen dunklen Wald vor der Tür. Sie wünschen sich Vogelgezwitscher, aber nicht um vier Uhr morgens.Autobahnanschluss und Supermarkt. Schöner Wohnen. Es ist viel Idee dabei: von Ruhe, Wahrhaftigkeit, von mehr Zeit und weniger Allergien von gesünderem Leben und nachhaltigem Essen. Dabei gibt es auch hier auf dem Land den Aldi, Autostaus und Überstunden. Und die Zeckenkönnen auch  Borreliose übertragen

Gestresste Großstadtseelen.

Vielleicht sollten wir eine Dosis Provinz für 50 Euro anbieten.

Autorennotiz

Ich bin ein 67 Baujahr.

Warf man 1968 Pflastersteine aufs Establishment, dachte man 1967 im Yogi-Sitz über eine bessere Welt nach und genoss dabei das Leben.

Das Be-In vom Januar 1967 und der folgende Liebessommer waren in vielerlei Hinsicht einzigartig. Die Bewegung schaffte es, Leute aus diversen Gegenkulturen friedlich zu versammeln. Bürgerrechtler, Feministinnen, Studenten, Künstler, Musiker waren da, dazu Avantgarde und Freaks von überall her. Es ging um Themen, die heute noch relevant sind: Individuum contra Kollektiv, Geschlechterrollen, globale Verantwortung, Meinungsfreiheit, Umweltschutz.

Also kann man sich vorstellen wie schwer es ist wenn Eltern sich zu dieser Zeit selbst verwirklichen und man selbst Wickie als Vorbild hat;-) Umso bemerkenswerter dass ich ein sehr diziplinierter Mensch geworden bin.

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Einen Bauernhof virtuell aufbauen, hielt ich erst für einen Gag .Imkerei auf den Dächern von New York und die Hipster mögen es plötzlich ganzheitlich natürlich. Jutebeutel, selbst gemachte Holundermarmelade, Baum-Patenschaft, Hüttenzauber (ohne Berge), kurzum, der Trend geht ins grüne. Und ich habe die Hälfte meines Lebens darunter gelitten, in Old Mountain aufgewachsen zu sein.