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Drei Schokocroissants und ein Tipp fürs Leben, bitte

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18.01.23 17:03
Fertiggestellt

Etwas Süßes? Nein, wir haben Anfang des Jahres, zumindest kurz kann man seine Neujahrsvorsätze schon für voll nehmen. Vielleicht ein belegtes Brötchen? Aber die Arte-Doku meinte, die liegen da im Schnitt mehrere Stunden. Und hatte die Bäckereifachkraft überhaupt Handschuhe an? Dann einfach eine Butterbrezel, das geht doch immer. Kann man nichts falsch machen. Aber dann haben die hinter der Kasse wieder mehr Aufwand, und hinter mir warten 3 Personen ebenfalls darauf, bedient zu werden. Und der Mann mit dem grünen Schal hat mich beim Reingehen schon so schräg von der Seite angeschaut, den kann ich jetzt nicht auch noch warten lassen.

Vielleicht wäre für mich eine Bäckerei besser, die weniger Auswahl hätte. Butterbrezel, belegtes Käsebrötchen, Berliner, basta. Daraus könnte ich wunderbar entscheiden. Aber bevor wir jetzt zu all den Problemen, Krisen und "großen Themen unserer Zeit" eine Debatte darüber starten, ob Bäckereien ihr Sortiment auf drei Produkte reduzieren sollten, sollte ich vielleicht etwas an meiner Entscheidungsfreude ändern. Aber das ist nicht so leicht. Ich will es versuchen zu erklären.

Meine Entscheidungsunbereitschaft hat mehrere Ursachen:

Ursache 1: Beide Optionen sind scheiße. Nochmal den Master machen oder schon mit Arbeiten anfangen nach dem Bachelor? Beide Optionen haben für sich ihre offensichtlichen Mängel. Wenn ich an den Master denke, denke ich unweigerlich an den Bachelor, der sich für mich ewig angefühlt hat, an den Bachelor, bei dem ich mich mehr als einmal dazu zwingen musste, ihn überhaupt zu einem Ende zu bringen, an den Bachelor, bei dem ich mehr Leute verloren als gewonnen habe. Und fürs Arbeitsleben fühle ich mich einfach noch nicht bereit, weil mich alleine der Gedanke, jetzt etwas zu machen, was ich mit 67 Jahren immer noch mache, nervt und wütend macht und sentimental macht. Lösung? unbekannt

Ursache 2: Beide Optionen sind gut. Ich gebe ein Beispiel, ca. einen Monat her: Soll ich mich kurz vor Weihnachten mit meinem besten Kumpel treffen, der sich gerade in einem Auslandsjahr befindet und nur zu Weihnachten da ist? Oder soll ich zum Familientreffen, das seit Jahren Tradition ist? Du findest das schon schwer? Denke dir noch einen Spieltag von deinem Lieblingssport dazu, der am gleichen Abend stattfindet wie die anderen beiden Termine. Und jetzt trage diese Entscheidung den ganzen Dezember mit dir herum und füge sie jedem deiner Probleme hinzu, wie als wäre sie ein Bestandteil der Truman Show, der jeden Tag wiederkommt.

Wir kommen zu Ursache Nummer 3: Es ist mir schlichtweg egal. Lieber Pizza essen oder Vietnamesisch? Hast du Lust auf den Hobbit oder Kindsköpfe? Maultaschen mit Ei auf einem geraden Teller oder im Suppenteller?

"Also ich finde, dass man die Maultaschen lieber im Suppenteller essen sollte, dann kann man sie besser zusammenlegen, wenn nur noch wenige da sind."

Verstört blicke ich in das Gesicht der Bäckereifachangestellten. Habe ich den Monolog etwa laut gehalten? Ich drehe mich um und blicke in das Gesicht des Mannes mit dem grünen Schal. Ich kann mich nicht entscheiden, ob sich an seinem Ausdruck erkennen lässt, ob er meine innere Gefühlswelt mitbekommen hat und mich deshalb (zurecht) für verrückt hält oder nicht.

"Eine Butterbrezel bitte. Und ein belegtes Brötchen mit Käse. Und packen Sie mir bitte noch einen Berliner dazu." Zufrieden verlasse ich die Bäckerei mit meiner vollen Brottüte. Diese Entscheidung ist mir leicht gefallen. Geht doch.

 

 

Autorennotiz

Ihr kommt nicht damit klar, wenn in einem Text zu viel Essen auftaucht? Oder der Buchstabe B? Dann lasst hier lieber die Finger davon.

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Autor

Lukasmitkas Profilbild Lukasmitka

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Sätze: 40
Wörter: 577
Zeichen: 3.450

Kurzbeschreibung

Ein Text über die Entscheidungen des Lebens und wie man sie spielend leicht trifft.