Ich mache mal den Anfang für Strickliesln, Häkelpeter und Filzkims hier. Vor einer Weile habe ich mich schon mal mit fairen und tierfreundlichen Handarbeitsgarnen beschäftigt, wurde zwischenzeitlich aber wieder schwach. Jetzt wage ich einen neuen Anlauf und dachte mir, ich teile mit euch mal ein paar Infos.
Bevor es losgeht, will ich erst einmal erklären, warum bewusster Konsum bei Garnen überhaupt ein Ding ist und wo die Schwierigkeiten bei konventionellem Garn liegen. Es gibt da Probleme in mehreren Bereichen. Leider kann ich keine Quellen nennen, weil das alles angesammeltes Wissen ist, aber manche Infos findet ihr auch später bei den Links. Anderes könnt ihr aber auch selbst googlen.
Umwelt: Viele Garne enthalten Synthetikbestandweile wie zum Beispiel Polyamid oder Acryl, die nicht abbaubar sind. Bei natürlichen Rohstoffen, die jedoch nicht in Deutschland wachsen, besteht dagegen das Problem, dass sie die Welt durchreisen ehe sie im deutschen Handarbeitsgeschäft liegen. Das betrifft auch Materialien, bei denen man das erstmal nicht vermuten würde. Schafwolle z.B. stammt zumeist aus Neuseeland oder Australien, während absurderweise für die deutsche Schäferei Wolle ein Abfallprodukt ist, weil es kaum Abnahme gibt. Hinzu kommt häufig auch noch der Einsatz von Chemie bei der Produktion, wie z.B. beim Superwash-Verfahren, das Sockenwolle resistent vor Verfilzung machen soll oder beim Anbau von z.B. Baumwolle.
Tierwohl: Wo tierische Produkte zum Einsatz kommen, ist natürlich Tierleid immer ein Thema. Bei Schafwolle ist das größte Stichwort Mulesing - eine brutaler Eingriff an Lämmern ohne Betäubung. In Deutschland ist Mulesing verboten. Aber: Die meiste Wolle kommt wie gesagt aus Australien und Neuseeland und dort war Mulesing Gang und Gäbe und es gibt wohl erst seit kurzem Bestrebungen, das zu ändern.
Sozialverträglichkeit: Garne sind Textilien und daher treffen die Probleme der Textilindustrie auch hier zu. Bei der Produktion von Baumwolle (generell, jetzt nicht nur auf Häkelgarn bezogen) zum Beispiel gibt es ein massives Problem mit Kinderarbeit.
Die Möglichkeiten
So weit, so schlecht. Doch zum Glück gibt es Alternativen. Natürlich lassen sich meist nicht alle Problem auf einmal ausschalten. Doch einiges ist schon möglich, sogar ohne auf ein bestimmtes Lieblingsmaterial verzichten zu müssen. Hier sind mal ein paar Tipps (sorry, wenn es etwas chaotisch ist)
Made in Germany oder EU: Immer gut ist es natürlich, Garne zu wählen, deren Rohstoffe aus Deutschland oder zumindest in anderen Ländern der Europäischen Union produziert wurden und die auch in EU zu Garn verarbeitet wurden. Es gibt tatsächlich viele, oft kleinere Familienunternehmen und Schäfereigenossenschaften, aber auch einige bekanntere Marken, die zumindest zum Teil oder sogar vollständig deutsche und europäische Schafwolle verwerten und dabei sogar bedrohte Schafsrassen erhalten. Auch andere Naturmaterialen gibt es "Made in Europe", wie z.B. Baumwolle aus Griechenland oder Leinen aus Spanien. Einfach mal EU oder Land und Material gemeinsam googlen. Bei Schafwolle würde ich außerdem empfehlen nach den Rassen zu suchen. Das sind zum Beispiel Alpines Steinschaft, Brillenschaft, Coburger Fuchsschaf, Schwarzes Bergschaft oder (mal außerhalb von Deutschland) Manx Loaghtan. Die Produktion in Deutschland und den europäischen Nachbarn beudetet nicht nur kürzere Wege und die Verarbeitung von einheimischen Rofstoffe, sondern ist auch in sozialer Hinsicht sicherer.
Nützliche Siegel: Ich weiß, ich weiß, Siegel bieten keine 100% Sicherheit und können missbraucht werden. Trotzdem finde ich ein Siegel noch immer besser als keines. Die größte Bedeutung beim Thema Garne hat in meinem Auch das Global Organic Textile Standard, kurz GOTS Siegel. Es steht für Produktion nach biologischen Kriterien, Begrenzung künstlicher Fasern und Regelung von Chemie im Produktionsprozess sowie soziale Mindeststandards, z.B. im Bezug auf Zwangs- und Kinderarbeit. Hieran könnt ihr auch bei Rohstoffen, die nicht aus Deutschland oder der EU stammen, orientieren. Dargestellt ist es als weißes Hemd auf grünem Grund. Auch eine Rolle spielen OEKO-TEX, Biosiegel (z.B. bei Bioland-Schäfereien) und Fair Trade Zertifikate, sind jedoch, so meine Erfahrung bisher, seltener vertreten.
Herstellerseiten lesen: Die Webseiten von Herstellern lesen ist auch sinnvoll. So habe ich z.B. schon Hersteller gesehen, die nur dort darauf hinwiesen, dass ihre Wolle mulesingfrei ist. Übrigens stammt nicht alle mulesingfreie Wolle nur aus Europa, vieles kommt auch aus Südamerika. Was Wolle aus Deutschland angeht, ist vieles nicht zertifiziert, da sich die kleinen Schäfereien teure Zertifizierungsverfahren nicht lesen können, hier ist der Blick auf Herstellerseiten besonders wichtig. Auch in welchen Ländern die Wolle verarbeitet wird, ist hier zu finden.
Auf Materialangabe achten: Wollt ihr synthetische Beimengungen zu vermeiden, solltet ihr die Materialangaben der Garne lesen. Synthetische Stoffe wie Polyamid müssen ausgewiesen werden. Superwash (bei Schafswolle) weist auf eine chemische Behandlung hin. Es gibt einige Hersteller und Händler, die auf den Einsatz synthetischer Beimischungen und chemischer Behandlung verzichten und Wolle durch Mischungen aus Naturfasern weich bekommen. Wie so oft hilft auch hier: googlen. Stichworte wie "natürliche Wolle", "Naturwolle", "Garne aus Pflanzenfasern" "100% Naturfasern", aber auch "Sockenwolle Beimischungen" oder "Sockenwolle chemische Aufrüstung" können helfen.
Vegane Alternativen: Stichwort Sockenwolle und andere Schafswollprodukte. Wenn ihr gar keine tierischen Garne verwenden, aber auch keine Chemie verstricken wollt, gibt es inzwischen eine ganz Reihe pflanzlicher Alternativen. Hier werden einige davon aufzählt und Bezugsquellen vorgestellt.
Faire Garne: Wenn die Rohstoffe eurer Garne von außerhalb der EU stammen, ist Fair Trade ein wichtiges Thema. Es gibt tatsächlich einige Projekte und Kooperativen, die Kleinbauern ein Einkommen sichern. As usual - Google ist dein Freund. Statt fair als Stichwort kann auch manchmal Kooperative oder Partnerschaft zusammen mit Garn oder Wolle weiterhelfen. Achtung: Habt auf jeden Fall eine Auge darauf, ob die Garne, die ihr so findet, auch irgendwie zertifiziert sind (GOTS, Fair Trade ect.). Fair ist leider auch ein beliebtes Werbewort.
Recycling: Ein weitere Säule zu lokalen, fair gehandelten und naturbelassenen Rohstoffen ist die Wiederverwertung. Tatsächlich gibt es einige Hersteller, die Garne aus recyleten Fasern anbieten. Ansonsten gibt es auch DIY-Möglichkeiten, alte Textilien zu recyclen. Wenn euer Strickpulli ein Loch hat: Nicht fortschmeißen, aufdröseln. Und T-Shirts lassen sich zu T-Shirtgarn zerschneiden. (Irgendwo gab es mal ein Strickbuch zu noch ganz anderen Materialien. Wenn ich es finde, editiere ich dir hier noch rein).
Online informieren, lokal kaufen: Viele Hersteller und Marken, sogar die kleinen, bieten auf ihrer Website ein Händlerverzeichnis, auf dem ihr Bezugsquellen in eurer Nähe ausfindig machen könnt. Nutzt es! Wenn ihr euer Lieblingsgarn in einem Geschäft in eurer Nähe findet, spart das Kosten, Verpackungsmaterial und Versandwege. Support your local community!
Das war es soweit mit den Tipps! In der Realität kann es natürlich sein, dass irgendwo Kompromisse machen müsst, trotzdem hoffe ich, dass euch das hier ein wenig geholfen hat.
zum Abschluss noch eine Frage, die beim Einkauf von Faireren Produkten immer aufkommmt: Wie sieht es mit den Preisen aus?
Ich will nicht lügen: Bei manchen Marken müsstet ihr deutlich tiefer in Tasche greifen , aber das ist keinesfalls überall so. Vieles, gerade im Bereich der Schafwolle, ist nur minimal teuer als herkömmliche Garne, z.B. Sockenwolle hab ich bis auf wenige Ausnahmen alles im Bereich von 8 bis 10 Euro gesehen. Und es gibt auch Überraschungen: Wolle von deutschen Schafrassen, die von Aussterben bedroht sind, sind bei den kleinen Genossenschaften, Händlern und Initiativen, die sich für ihren Erhalt enagieren, sind oft erstaunlich günstig.
Übrigens: Aus Gründen der Regeln für Werbung darf ich es hier vermutlich nicht posten, aber ich sammle gerade ziemlich viele Adressen für Bezugsquellen. Wenn ihr Interesse an der Liste habt: Schickt mir eine PN.