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blood in the fields, in the water
in the snow, on their crowns
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Du bist allein und ängstlich, umgeben von Dunkelheit und fremden Augen, die dich aus dem Dickicht gierig anblicken, blinzelnd, so viele, dass du sie kaum zählen, geschweige denn zuordnen kannst. Du bist das naive Kind, das, einen großen Korb voller Gutmütigkeit unterm Arm und ein fröhliches Lied auf den Lippen, einen Ausflug wagt und, am Ziel angelangt, nicht herzlich und vertraut in Empfang genommen, sondern hinters Licht geführt und verschlungen wird.
Dich erwartet nicht der gute alte Onkel Robert, König Robert, groß und dick und ein Bisschen einschüchternd, aber eigentlich ganz lieb, sondern eine Welt, die voller Ungeheuer ist, und ehe du die Welt, die dich knurrend begrüßt, fragen kannst: Aber wieso hast du denn so große Augen?, stehst du im Rampenlicht und kannst dich den Augen, die für die Aufmerksamkeit aller, für die Öffentlichkeit stehen und nur deshalb so groß, so allgegenwärtig sind, nicht mehr entziehen. Die Antwort ist simpel: Damit ich dich gut sehen kann.
Du willst wissen: Aber wieso hast du denn so große Ohren?, doch du wagst es schon gleich zu Beginn nicht mehr etwas zu sagen, denn die Ohren, die dir lauschen und jedes deiner Worte auf die Goldwaage legen, sind überall, und in einer Welt, in der es nicht nur eine Wahrheit gibt, sondern viele, aus denen du aussuchen kannst, verschweigst du diese lieber, bevor du versehentlich die falsche aussprichst und es dich dein Leben kostet. Die Antwort ist simpel: Damit ich dich gut hören kann.
Aber wieso hast du denn so große Hände?, lautet eine weitere Frage, die dir auf der Zunge liegt, doch man muss sie dir nicht beantworten, denn du merkst es selbst, als die Hände dich packen, dich festhalten, dich zerquetschen, zerreißen, alles auf einmal, weil es Hände sind, die nur auf dich gewartet haben. Hände, in die du perfekt passt, als seist du nur für sie gemacht. Die Antwort ist simpel: Damit ich dich gut fassen kann.
Du öffnest gerade den Mund, um zu fragen: Aber wieso hast du denn so große Zähne?, führst einen Finger zu deinen Lippen, als wolltest du aufzeigen, dass deine eigenen Zähne ganz anders sind, kleiner und harmloser; da wird dir bewusst, dass es längst zu spät ist, dass die Zähne egal sind, weil du dich längst in die Höhle des Löwen begeben hast und die Zähne, ganz gleich wie groß, nur die Gitterstäbe deines Käfigs sind, in den du dich selbst eingesperrt hast und den du sowieso nie wieder lebend verlassen wirst. Die Antwort ist simpel: Damit ich dich gut fressen kann.
(Du bist Sansa Stark und du bist Rotkäppchen.)
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Du bist am Ende deiner Kräfte angelangt. Die Welt hat dich gekaut, geschluckt, verdaut und wieder ausgeschieden und du bist nur noch ein erbärmlicher Haufen Scherben. Nichts ist mehr von dir übrig, nicht dein Name, nicht dein einst unversehrter Körper, nicht die Unschuld, die du als Opfergabe im Gepäck hattest. Aber die Sache ist: Scherben sind scharf, mindestens genauso scharf wie Zähne, und du hast deine Spuren in der Welt, die so grausam zu dir war und dich aus dem Hinterhalt angriff, hinterlassen. Du magst nur noch eine handvoll zerbrochenen Porzellans sein, aber du hast dir deinen Weg nach draußen freigeschnitten, bist blutüberströmt aus dem Dunkel hevorgekrochen, bis du wieder Licht sehen konntest, egal, wie hoffnungslos es schien. Und du bist jetzt auf dem Weg in ein besseres Leben. Vielleicht.
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Da ist Blut, überall auf den Feldern verteilt. Rickons Blut. Das Blut etlicher Toter. Das Blut einiger Überlebender. Blut aus einer Schlacht, die du vorangetrieben hast. Aber es tut dir nicht leid es vergossen zu haben, auf keinen Fall; du bedauerst den Tod, gewiss bedauerst du die Verluste, doch der Zweck heiligt die Mittel und du konntest nicht anders. Rache war wichtiger als alles andere. Ist wichtiger als alles andere.
(Du hast deine Rache kalt serviert, kalt wie der erste Schnee des bevorstehenden Winters, kalt wie dunkle, unbeheizte Kerkerzellen, kalt wie deine Augen, als du Ramsay Schnee beim Sterben zugesehen hast. Kalt wie die Leichen, die sich stapeln, erschlaffen, erstarren und wieder erschlaffen,und auf denen du zurück nach oben kletterst, weil sie dir mehr Halt geben als du es dir von Lebenden je versprechen konntest.)
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Da ist Blut im Schnee. Ramsay Boltons Blut. Ramsay Schnees Blut. Blut, das du so lange sehen wolltest und das dich auf eine Art und Weise befriedigt, die du dir nie erträumt hättest. Rote Spuren, Flecken, Schlieren, die das Weiß trüben. Du bittest darum, dass man sie entfernt, wie du auch darum bittest die Banner der Boltons zu verbrennen, und all die Dokumente, die er je mit Wächter des Nordens unterschrieben hat. Du willst nichts mehr von ihm sehen. Keine Sekunde länger, und nie, nie wieder. Auch nicht sein Blut. Nicht im Schnee und nicht an deinen Händen.
(Asha Graufreud hat an deiner Seite gekämpft, und sie ist auch an deiner Seite, als du dich abwendest und den Befehl aussprichst. Sie fragt nicht, obwohl du weißt, dass sie gern wüsste, ob du den Anblick nicht mehr ertragen kannst oder willst.)
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Da ist Blut im Wasser. Blut, das den Fluss rot färbt, doch nicht lange, denn die Wellen reißen alles mit sich fort, und was ist schon ein Bisschen menschliches Leben gegen einen Fluss, der seit Jahrhunderten existiert, ungezähmt und wild? Das Wasser wird es dir nicht verübeln, das weißt du. Es fließt beharrlich, und es wäscht alles rein, früher oder später. Bestimmt auch deine Hände, weiß und tödlich wie zersplittertes Porzellan.
(Du hast dir nicht nur den Norden zurückgeholt, sondern auch die Heimat deiner Mutter. Du hast deine Schwester zurück und all die Orte, die ihr als Kinder besuchtet, und als du sie in die Arme schließt, flüsterst du: Ich bin so stolz auf dich, Arya. So stolz. Und sie denkt: Was ist aus dir geworden?, und weiß nicht, ob sie dich ehren oder fürchten soll, doch weil sie keine Angst hat, vor nichts und niemandem, und weil du auf ihrer Seite bist, spricht sie es nicht aus, sondern reicht dir ihre blutverschmierte Hand, auf dass sich das Blut mit dem an deiner vermische.)
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Da ist Blut im Wasser. Blut, das im Meer nur ein paar Tropfen darstellt, nichts wichtiges, nicht viel. Blut, das nicht salzig genug ist, um einem würdigen König der Eiseninseln zu gehören, findest du. Du lächelst matt, während du das sich ausbreitende und doch stetig verblassende Rot zwischen der weißen Gischt und den grauen Wellen beobachtest, und Asha haucht voller Ehrfurcht: Danke, und wie schon damals, als sie dich und Theon fand, heißt es: Danke, dass du für mich vollbracht hast, was ich nicht konnte.
(Aber sie muss dir nicht danken, muss sie nie, denn sie ist diejenige, die all das ermöglicht hat. Du zahlst ihr nur zurück, was sie dir schenkte. Sie küsst deinen Nacken, deine Halsbeuge, an deiner Schulter entlang, und du lässt es geschehen. Sie ist dein Rückhalt, diejenige, die dich zur Kriegerin machte, als du ein verletzlicher Schatten deiner selbst warst, und du dankst es ihr, indem du sie an dein Herz lässt. Asha ist die einzige, die dich nicht fürchtet, keine Sekunde lang, nicht mal ein Bisschen. Sie denkt gar nicht daran. Furcht ziemt sich nicht für jemanden, der eisernes Blut in sich trägt und der einzige Mensch ist, dem du eine deiner hart erkämpften Kronen freiwillig überlässt.)
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Da klebt Blut an ihrer aller Kronen, als du diese von ihren Köpfen hebst und sie deiner Sammlung hinzufügst, eine nach der anderen. Fein säuberlich in der Vitrine angeordnet. Deinem Bett gegenüber, damit du in der Nacht ruhig schlafen kannst. Blut, das du vergossen hast. An Kronen, die du eigentlich gar nicht willst, geschweige denn brauchst. Weil du eigentlich gar keine Königin bist.
(Du bist ein Raubtier, nichts weiter. Dessen bist du dir bewusst. Und es fühlt sich so verdammt gut an.)
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Du lauerst bereits, als du von weitem die Schritte des leichtsinnigen Weibs hörst. Du verharrst, ein berechnendes Lächeln auf den Zügen. Arya hat dich gewarnt, nicht mit Worten, aber subtil; sie hat dir prophezeit, dass du zum Monster werden würdest, und vielleicht hat sie recht behalten.
Das dumme Ding mit den blonden Locken nähert sich dir ganz unbehelligt, als hätte es keine Gefahr zu befürchten, niemals und nirgendwo, schon gar nicht bei dir. Ganz die arrogante Löwin, denkst du. So sehr in sich selbst vernarrt, dass alles andere egal ist. Du findest, es geschieht ihr recht, dass genau diese Attitüde ihr letzten Endes zum Verhängnis wird. Als hätte sie sich selbst aus goldener Faser und hellblondem Haar ein Seil gesponnen, daraus einen Strick geknüpft, und ihn sich um den Hals gelegt, nur darauf wartend, dass du sie zum Fall bringst.
Sie sieht dich und sie sieht nichts anderes als bei deiner Ankunft in Königsmund, nichts anderes als damals, als alles anfing. Sie sieht ein zierliches Mädchen in einem hübschen Kleid, sie ist furchtbar naiv, sie sieht nicht, dass du die Zähne fletschst, dass deine Augen sie begierig anfunkeln, dass du zuckst vor Anspannung wie ein lauschendes Tier und deine Krallen wetzt, deine Pranken kaum unter Kontrolle halten kannst. Sie sieht nicht, dass du an dir halten musst, um dich nicht sofort auf sie zu stürzen. Aber du siehst nur eins: Beute.
Sansa, säuselt sie, und du lächelst weiter. Lächelst nur. Unter dichten flatternden Wimpernkränzen blickst du zu ihr auf. Du sagst ihren Namen nicht. Das hat sie nicht verdient. Sie verdient keine Aufmerksamkeit, nichts Persönliches. Sie ist eine von vielen, die du erlegt hast, eine von vielen, deren Kronen nun dir gehören, obwohl du sie gar nicht brauchst, und deshalb lächelst du nur, bevor du zum Sprung ansetzt und dein Gebiss sich in ihr Fleisch gräbt, sich fest darin verschließt, bis sie aufhört zu zucken und du fast komplett in ihrem Blut getränkt bist.
Du stößt ein letztes animalisches Knurren aus; dann lässt du sie liegen und kehrst zu deiner Liebsten zurück. Die Krone, erinnerst du Asha, die schon auf dich gewartet hat, und sie erwidert: Natürlich, mein Herz … meine Königin. Du scherst dich nicht darum, dass nun alle sehen können, wie du in Rot badest. Dass das Blut nicht auf den Feldern, im Schnee oder im Wasser zu sehen ist, sondern an dir. In den Fasern deiner Kleidung, auf deiner Alabasterhaut, roter noch als dein Haar in den wirren Strähnen. Die Krönung kann nicht warten. Das Säubern schon.
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Du bist kalt und rachsüchtig, umgeben von hohen, festen Mauern und starken, liebevollen Armen, die dich schützen, und die du beschützt – komme was wolle. Du bist das Knurren, das deinen Feinden bis ins Totenreich folgt, der verräterische Atem in deren Nacken, die messerscharfen Zähne an deren Kehle. Du bist das unerbittliche Urteil, wie von den Göttern selbst gefällt, dem niemand sich entziehen kann, wenn du kommst, um es zu vollstrecken. Du bist die unterschätzte Gefahr, die wartet. Die sich geschickt tarnt und zuschnappt, wenn ihre Zeit gekommen ist.
(Du bist Sansa Stark und du bist der große böse Wolf, vor dem sich alle fürchten.)
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