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Kapitel: | 7 | |
Sätze: | 1.126 | |
Wörter: | 16.430 | |
Zeichen: | 97.456 |
Sein Name ist Richard Grayson. Er ist 35 Jahre alt, glücklich verheiratet und Nachwuchs Nummer zwei ist unterwegs. Als Kind lebte er in einem Zirkus, war Artist und gehörte, wie seine Eltern, zu den berühmten Trapezkünstlern, den „Flying Graysons“, bis seine Eltern in der Manege ums Leben kamen. Der bei dem Unglück anwesende Milliardär Bruce Wayne, ebenfalls ein Waisenkind, nahm sich des Waisenjungen an und adoptierte ihn. Es dauerte nicht lange und Richard kam dem Geheimnis seines Adoptivvaters auf die Spur, denn dieser wachte als Batman über Gotham City. Nach langem harten Training wurde Richard zu Robin, dem jugendlichen Partner des Dunklen Ritters. Richard ging zur Schule, studierte danach Psychologie und Kriminologie und verliebte sich in die gutaussehende Bibliothekarin Barbara Gordon, die Adoptivtochter, des GCPD Commisioners James Gordon, die ebenfalls ein kleines Geheimnis schütze, denn Barbara, schon als Kind von Batman fasziniert, wollte nie etwas anderes als eine Superheldin, wie ihr Vorbild, sein und so trafen Robin und das selbsternannte Batgirl über den Dächern von Gotham City aufeinander und die Romanze nahm ihren Lauf. Irgendwann entwuchs Richard dem bunten Kostüm. Er wollte auf eigenen Beinen stehen und entschied sich Gotham City zu verlassen. In der Nachbarstadt Blüdhaven fand er sein neues Zuhause und trat in die Policeacademy ein, um fort an, als Policeofficer die Augen offenzuhalten. Des Nachts zog er als Nightwing seine Runden, an seiner Seite Batgirl, die Frau die er liebte und schon bald heiratete.
In dieser Zeit deckte ein Junge namens Timothy Drake die Geheimidenitäten der Vigilanten auf und sprach bei Bruce Wayne vor, der als einsamer Batman düsterer und brutaler als jemals zuvor erschien. Mit viel Geduld und guten Argumenten gelang es Timothy, mit Hilfe von Richard, der neue Robin zu werden und nachdem auch seine Eltern starben, wurde er zum kleinen Bruder von Richard und zu einem weiteren Adoptivsohn Bruce Waynes.
Viele Jahre kämpften sie gemeinsam gegen das organisierte Verbrechen an, zerschlugen Drogenkartelle, Mädchenhändlerringe und sorgten dafür das der Abschaum hinter eiserne Gardinen wanderte oder in die geschlossene Abteilung der Psychatrie kam. Nach und nach wurde es ruhiger und sicher in Gotham City und auch in Blüdhaven. Es wurde so still, das Bruce Wayne sich zur Ruhe setzen konnte und Batman aus der nächtlichen Ansicht der Stadt verschwand. Es war nicht mehr von Nöten jede verdammte Nacht auf Patrouille zu gehen und so sah man immer seltener, wie die Helden sich von einem Dach zum anderen schwangen.
Richard gab seinen Job als Officer auf, unterbrach die Laufbahn zu einem Detective und beschloss als Lehrer Kinder aus benachteiligten Familien, in Akrobatik und Kunstturnen zu unterrichten
Aber was wäre, wenn Richards Leben, nicht sein Leben wäre und er sich entscheiden müsste, ob er alles verlieren möchte, seine Familie, sein Heim, seine eigene Identiät, um den Lauf der Geschichte wieder in die richtigen Bahnen zu lenken oder kämpft er dagegen an und entscheidet sich für die, die er von ganzem Herzen liebt und für das, was er geschaffen hat?
Diese Fragen muss sich Richard stellen und früher oder später muss er eine Entscheidung treffen, für oder gegen seine Frau und seine beiden Söhne.
1. Santa Claus war da
„Daddy, Daddy, Santa Claus war da...“
Verschlafen schlug Richard die Augen auf, tastete im Dämmerlicht, des Schlafzimmers, nach dem Schalter der Leselampe auf dem Nachttisch. Sofort fiel ein heller Kegel auf ihn. Lächelnd schaute er auf den schwarzen, wuscheligen Haarschopf hinab und schlang die Arme um seinen Sohn, der zur Hälfte auf seinem Oberkörper lag. „Ehrlich?“, erkundigte er sich lächelnd und strich dem Jungen sanft durchs Haar, strich ihm wirre Haarsträhnen aus der Stirn.
„Ja und er hat ganz viele tolle Geschenke gebracht.“ Die blauen Augen, denen seines Vaters gar nicht so unähnlich, strahlten glücklich.
„Hat er auch was für mich unter den Baum gelegt?“ Mit einem sehr zufriedenen Gefühl und totaler innere Ruhe, zog der schwarzhaarige Mann an der mit königsblauer Bettwäsche bezogenen Daunendecke, um seinen Sohn, der noch immer nur seinen bunten Schlafanzug trug, zuzudecken. „Steck die Füße unter die Decke!“, lachte er und zog den Jungen vollständig zu sich ins Bett.
„Ich muss aber meine Geschenke auspacken“, erwiderte der Sechsjährige und versuchte sich aus der Umarmung seines Vaters zu lösen.
„Wo ist deine Mom?“ Der unendlichen Neugierde seines Sohnes konnte Richard nichts entgegensetzen und so gab er den kleinen Wirbelwind wieder frei.
„In der Küche. Ich glaube sie macht dir Rühreier.“ Lachend sprang Johnny auf, hüpfte einmal quer über das Bett und landete sicher auf dem weichen Bettvorleger.
„Zieh dir ein paar warme Socken über, Johnny, ehe du dich auf die restlichen Geschenke stürzt.“ Der schwarzhaarige, durchtrainierte Mann setzte sich auf, fasste nach der Hand seines Sohnes und beschwerte sich mit einem gewissen Schalk in der warmen, tiefen Stimme: „Habt ihr tatsächlich ohne mich die Geschenke ausgepackt?“
„Klar“, nickte der Junge. „Jason kam ohne dich runter, nachdem ich ihn zu dir geschickt hatte und Mom sagte, ich solle dich schlafen lassen.“
„Na dann, ab mit dir.“ Lächelnd gab Dick die kalten Finger seines Sohnes wieder frei und ließ sich seufzend zurück in das warme Bett fallen. Noch etwas schlafen, dann heiß duschen und den Tag mit der Familie verbringen. Wie spät war es eigentlich. Sein Blick wanderte zu dem Radiowecker. Gerade mal 7:05 Uhr. Viel zu früh, um an einem Feiertag aufzustehen und nach nur fünf Stunden Schlaf. Gegen zwei Uhr hatte er seine nächtliche Patrouille eingestellt. In der Nacht vor dem ersten Weihnachtsfeiertag trieben sich anscheinend keine Diebe in der Stadt herum. Müde drehte er sich auf die Seite, nachdem er sich das Kopfkissen zurecht und die Decke um sich gezogen hatte. Wenigstens zehn Minuten, dachte Richard und schloss die Augen. Zum Schlafen kam er jedoch nicht. Feuchter Atem schlug ihm ins Gesicht, ehe eine warme, nasse Zunge über seine Kinn glitt und ihn vollständig erwachen ließ.
„Jason, hör auf!“, bat der schwarzhaarige Mann und schob die freche Hundeschnauze von sich. „Lass mich noch etwas schlafen!“
Der Golden Retriver jedoch hielt sich nicht an die Bitte. Mit einem Satz war der Hund auf das Bett gesprungen und versuchte nun unter die warme Decke zu seinem Herrchen zu kriechen.
„Ist ja schon gut, Jason. Ich stehe auf.“ Mit allen Fingern kraulte Richard den Familienhund. „Und nun raus aus den Federn!“ Noch immer nicht ganz wach, schwang er die Beine aus dem Bett. Bevor er sich jedoch erhob dehnte er die Schultern und seinen Nacken. Der letzte Kampf steckte ihm noch immer in den Knochen, aber es wurde von Tag zu Tag besser. Die blauen Flecken auf seinen Schultern schimmerten nur noch ein wenig gelblich. Morgen würde nichts mehr davon zu sehen sein. Nur mit Shorts bekleidet, verließ er das Schlafzimmer. Ausgiebig gähnend, fuhr er sich mit den Fingern durch das blauschwarze Haar, rieb sich mit den Handballen einmal kurz über die Augen und stieg die Stufen hinab. Jason, aufgeregt mit dem Schwanz wedelnd, aber aufmerksam den Blick auf Richard gerichtet, an seiner Seite.
Am Ende der Treppe angekommen, blieb der Mann für einen Augenblick stehen. Sein Blick glitt in das große Wohnzimmer, mit der offenen Küche. Da befanden sich die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben. Johnny, sein Sohn, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten schien, saß vor dem riesigen Fernseher, noch immer in seinem Schlafanzug, und hielt einen Controller in den Händen. Nun aber wand er seine Aufmerksamkeit auf die rothaarige Frau, die in der Küche vor dem Herd stand. Leise schlich er sich auf nackten Sohlen näher. Hinter ihr angekommen, schlang er einen Arm um sie, legte die flache Hand auf den sichtlich gewölbten Bauch und schob mit den Fingern der anderen Hand, die Fülle der langen roten Haaren aus ihrem Nacken, ehe er sich zu ihr hinabbeugte und die Lippen sacht über die empfindliche Haut gleiten ließ. „Guten Morgen, ihr zwei“, murmelte er gegen die warme, nach Kokosnuss und Mango duftenden Haut und atmete den Geruch genießend ein.
„Morgen“, antwortete ihm Barbara. Sie legte die Eier, die sie eben für ein deftiges Frühstück aus dem Kühlschrank geholt hatte, zur Seite und drehte sich in den starken Armen ihres Mannes. Eng schmiegte sie sich an ihn, ließ die Hände über seinen Rücken gleiten und fühlte die Narben auf der Haut, ehe sie ihm einen Kuss stahl.
„Daddy!“ Aufgeregt drängelte sich ihr Sohn Johnny zwischen sie. „Weißt du, Santa hat alle Kekse, die ich mit Mom gebacken habe, aufgegessen und die Milch getrunken.“
Ein schelmisches Lächeln stahl sich auf Richards Gesicht. Die blauen Augen blitzen. „Dann waren sie bestimmt total lecker.“ Als er heute Morgen müde und frierend nach Hause gekommen war, hatte er sich mit großem Hunger und viel Appetit über die Kekse hergemacht und mit der Milch runtergespült.
„Darf ich noch ein Geschenk aufmachen?“ Aufgeregt vor seinen Eltern auf- und abhüpfend, schaute Johnny zwischen seiner Mutter und seinem Vater hin und her.
„Wenn du endlich Socken angezogen hast, dann darfst du noch eins öffnen“, lachte Richard, strich dabei seinem Sohn liebevoll durch das Haar und sah dem Jungen nach, als er, mit Jason im Schlepptau, nach oben in sein Zimmer verschwand.
„Dein Sohn hat vorhin zielsicher sein Spiel aus dem Stapel Geschenken gezogen“, erklärte Barbara und lehnte sich wieder gegen ihren Mann.
„Dann ist er die nächste Stunde mit Sicherheit beschäftigt.“ Das Gesicht in den langen, roten Haaren verbergend, murmelte er: „Kann das Frühstück noch warten, bis ich duschen war?“
„Lass dir Zeit.“ Langsam glitten ihre Finger auf Richards Rücken tiefer. „Darf ich mitkommen?“, wisperte sie gegen seine Lippen, die Hände dabei besitzergreifend auf seinen Hintern legend.
Bevor er Barbara eine Antwort geben konnte, vernahmen sie die eiligen Schritte ihres Sohnes, der mit dicken Socken an den Füßen, die Treppe hinabstürmte, danach zielsicher zu der großen rotsilbern geschmückten Nordmanntanne, die im Wintergarten ihres Hauses stand, eilte und dort nach einem weiteren Geschenk griff.
Hastig zerriss Johnny das weihnachtliche Geschenkpapier, ließ die Reste davon achtlos fallen und sprang auf. In den Händen hielt er eine der zur Zeit angesagten Superhelden-Action-Figuren, die mit den beweglichen Armen und Beinen und dem vielen Zubehör. Vor Freude kreischend, den Karton fest an seine Brust gedrückt, sprang er auf seine Eltern zu.
„Santa hat mir einen Nightwing geschenkt“, strahlte er überglücklich und drückte seinem verdutzen Vater die Verpackung in die Hand.
„Was hätte ich tun sollen?“, flüsterte Barbara. „Er hat sie sich so sehr gewünscht und in seiner Klasse besitzen die meisten Kinder schon eine Figur aus dieser Edition.“
„Aufmachen, Daddy!“
Die Stirn gerunzelt und die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, schaute Richard den Karton in seinen Händen an. Durch die Folie auf der oberen Seite, fiel sein Blick auf die Plastikfigur. Wie er selbst, trug die Spielzeugfigur schwarze Stiefel, einen schwarzen Anzug, mit einem blauen, stilisierten Schwingensymbol auf der Brust, das sich über die Schultern bis zu den Armen ausbreitete und die schwarze Maske in Form eines Fledermausschattens. Das Symbol, welches Nightwing eindeutig als Mitglied der Bat-Familie, wie es in der Werbung des Spielzeughersteller hieß, auswies.
„Vielleicht hat Santa Claus dir ja auch noch ein Batgirl, Red Robin und Batman gebracht.“ Aus einem der Schubfächer in der Küchenzeile, nahm Richard ein kleines, scharfes Messer und zerschnitt damit die Folie, die als Schutz um den eigentlichen Karton gezogen war. Leicht den Kopf schüttelnd, weil er immer noch nicht so recht glauben konnte, dass Barbara, Tim, Bruce und er nun weltweit bekannte Superhelden waren, zog er die 12 inch (ca. 30 cm) große Figur aus ihrer Hülle und reichte sie Johnny, der sie mit glänzenden Augen an sich drückte. Stolz, die Actionfigur mit beiden Händen festhaltend, eilte der Sechsjährige zurück zu dem beigen Sofa, lümmelte sich in eine Ecke und setzte den Plastik-Nightwing neben sich, eher er nach dem Kontroller griff, um sich voll und ganz seinem neuen Lego-Spiel zu widmen.
„Darf ich dem echten Nightwing den Rücken schrubben?“ kicherte Barbara sichtlich amüsiert.
„Kanns kaum glauben, mich gibts jetzt als Actionfigur“, stellte Richard fest, ohne auf die eindeutige Anspielung seiner Frau einzugehen.
„Ich habe trotzdem lieber das Original im Bett.“ Barbaras grüne Augen glitzerten verheißungsvoll. „Aber ich gestehe, ich habe Johnny die Figur gekauft, damit ich sie mir ausleihen kann, wenn ich Nachts Sehnsucht nach dir habe.“ Ihre Finger verschränkten sich fest mit seinen. „Ich glaube von Tim bekommt er ein Batgirl.“
„Damit ich nicht so einsam bin, wenn du in einem Jahr wieder deine Runden drehst?“ Für einen Moment zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen. Er ahnte, welchen Kampf er nach der Geburt ihres zweiten Kindes noch mit seiner Frau ausfechten musste. Er würde ihr, ihr Dasein als Batgirl nicht verbieten, aber er würde sie bitten, für ihre gemeinsamen Kinder das Kostüm an den Nagel zu hängen. Ob ihm dies gelang, stand in den Sternen. Schon nach Johnnys Geburt hatte er mit Engelszungen auf sie eingeredet, ohne großen Erfolg.
Verschwörerisch zwinkerte Barbara ihrem Mann zu, legte einen Finger auf die vollen, roten Lippen, als Zeichen, das sie leise sein sollten und begab sich Richtung Treppe. Hand in Hand, wie ein frisch verliebtes Paar, erreichten sie ihr Schlafzimmer und das angrenzende Bad, mit der großen Dusche, die wie für zwei gemacht schien.
2. Nightwing und Batgirl sollen heiraten
Frisch geduscht und in bequemen Sachen fanden Richard und Barbara sich etwa eine Stunde später wieder im Wohnzimmer ein. Johnny schien ihre Abwesenheit nicht bemerkt zu haben, denn er saß noch immer auf den Sofa vertieft in sein neues Konsolenspiel, dabei lagen seine Füße auf Jason, der sich dies gefallen ließ.
„Frühstück?“ Fragend die Augenbrauen hochziehend, betrat Richard dich Küche. „Ich kümmer mich um Speck und Rühreier.“ Gesagt, getan. Die nächsten Minuten wer der Schwarzhaarige beschäftigt, während Barbara den Tisch deckte.
„Weißt du was es nachher zu essen gibt?“, erkundigte er sich, während er in einer Schüssel, die Eier mit einem Schneebesen verquirlte. „Ariana und du habt doch gestern Abend telefoniert, als ich das Haus verließ.“
„Keine Ahnung. Sie will uns alle überraschen.“ Neben Tellern und Besteck, verteilte sie Servietten und legte jedem einen kleinen Schokoladenweihnachtsmann auf den Teller. Für Johnny und ihren Mann, stellte sie noch zwei Schüsseln, Cornflakes und Mich auf den Tisch. Zu guter Letzt bekam jeder noch ein Glas Orangensaft hingestellt, ehe sie sich um den Toast kümmerte und die Scheiben in den Toaster steckte.
„Versuch mal einen Speicherpunkt zu finden, Johnny!“, rief Richard, der eben hauchzart geschnittene Baconscheiben in eine weitere heiße Pfanne legte.
„Hab das Kapitel gleich geschafft“, kam die Antwort vom Sofa.
„Wann sollen wir da sein?“ Mit einem Holzlöffel, wendete Richard die unterdessen teilweise gestockte Eimasse.
„Punkt um eins gibts Mittag.“
„Dann haben wir genug Zeit in aller Ruhe die Geschenke auszupacken.“ Neugierig warf Richard einen Blick zu den Geschenken unter dem Baum und suchte nach dem kleinen roten Päckchen, welches er heute Nacht für seine Frau dort platziert hatte. Ja, es lag noch da, direkt neben dem Baseballhandschuh für Johnny.
„Kommst du frühstücken!“, rief Barbara Johnny, während Richard für alle Rührei und Bacon auf den Tellern verteilte.
Kurz darauf saßen sie friedlich vereint an dem Tisch und aßen. In diesen Augenblicken kam Richard zur Ruhe. Er genoss es mit seiner Familie zusammen sein, ohne Stress, weil niemand das Haus verlassen musste. Bei den Graysons konnte es morgens ziemlich hektisch zugehen, da musste ein ordentliches Frühstück für alle auf den Tisch, für Johnny musste eine Lunchbox für die Schule gepackt werden, Jason bestand auf seine morgendliche Runde und dann musste sie schon los, Johnny ließ er bei der Vorschule raus, dann fuhr er selber weiter zur Gotham City University, an der er als Trainer und Mentor die Studenten im Kunstturnen unterrichtete. Und ab und zu brachte er seine Frau zur Arbeit, die als Abteilungsleiterin der Kinderbibliothek in der Gotham City Library arbeitete. Da blieb keine Zeit für ein ausgedehntes Frühstück.
Plappernd erzählte Johnny mit vollem Mund, das er der beste Pitcher in seinem Team sei und dass er im Januar für das Klassenhaustier, ein kleines Rosettenmeerschweinchen, namens Pinky, verantwortlich ist.
Nachdem Johnny aufgegessen und seine Milch ausgetrunken hatte, fragte er, ob er sich vom Tisch entfernen durfte. Irgendwas von ihrer Erziehung war also doch hängen geblieben.
„Gibt's heute Nachmittag wieder deinen berühmt berüchtigten Eierpunsch?“ Fragend zog Richard eine Augenbraue nach oben und genoss den frischen, heißen, selbst aufgebrühten Kaffee.
„Sicher und wie immer mit gutem Whiskey und viel Sahne“, lächelte Barbara und begann das dreckige Geschirr zusammenzustapeln. „Die Zutaten stehen schon bei Tim in der Küche und Bruce hat dafür einen sehr guten, sehr alten, schottischen Whisky aus seiner Sammlung rausgerückt und da ich ja nicht mal kosten darf, benötige ich den einen oder anderen Vorkoster. Magst du dich freiwillig zur Verfügung stellen.“
„Unglaublich gern und Tim kostet sicher auch“, lachte er und half seiner Frau den Tisch abzuräumen, während Johnny sich wieder vor den Fernseher verzog um weiterzuspielen.
„Nur noch eine halbe Stunde, Johnny“, mahnte die werdende Mutter. „Dann kannst du wählen zwischen duschen oder baden.“
„Och, muss das sein?“, kam es nörgelnd als Antwort vom Sofa.
„Ja, das muss sein.“ Lächelnd, da sie ihren Sohn kannte, sortierte sie das Geschirr in die Spülmaschine. Immer wieder der selbe Kampf, dachte sie, tagein, tagaus, wenn Johnny aber erst mal in der warmen Wanne saß, dann war er nicht mehr so schnell aus dem Wasser zu bekommen.
„Hast du Jason schon sein Geschenk gegeben?“, wollte Richard wissen, der letzte Woche mit seinem Sohn in das nächste große Zoofachgeschäft fahren musste, um für Jason ein neues Spielzeug, einen quietschenden Plüschknochen, kaufen musste.
„Nö.“
„Vorschlag!“ Nachdem Richard die Milchpackung in den großen Kühlschrank gestellt hatte, wand er sich Richtung Wohnzimmer, setzte sich zu Johnny und kraulte den Familienhund der dösend auf dem Sofa lag. „Wir öffnen jetzt alle Geschenke und danach gehst du in die Wanne.“
„Mag nicht baden.“
„Dann gibt es keine Geschenke.“ Mit diesem Satz bekam er endlich die Aufmerksamkeit seines Sohnes, der tatsächlich den Controller auf den niedrigen Glastisch vor der Couch legte.
„Du darfst dir schon mal ein Päckchen raussuchen, wenn du versprichst dann baden zu gehen. Aber nicht das kleine rote.“
„Okay“, nickte Johnny, zog dabei spielerisch an Jasons Rute, was dieser mit einem Blinzeln quittierte.
„Komm, es gibt Geschenke“, lockte das Kind seinen Spielkameraden, er sich scheinbar unwillig von der Couch erhob, dann aber folgte.
Kurz darauf saßen sie alle vor dem Weihnachtsbaum. Zufrieden beobachteten die Eltern, wie ihr Sohn freudig strahlend ein Geschenk nach dem anderen auspackte.
Zum Schluss lagen nur noch die kleine rote Schachtel und ein weißes A3-Blatt, dass einmal in der Mitte gefaltet war, unter dem Baum.
„Für dich.“ Richard griff nach dem Händen seiner Frau und schaute ihr dabei in die wunderschönen grünen Augen.
„Aber...“
„Kein aber, Schatz.“
„Wir wollten uns doch nichts schenken.“
„Ich weiß. Es ergab sich...“ Sacht zog er Barbaras Hände an seine Lippen und hauchte zarte Küsse auf die Handrücken, eher die Finger wieder freigab, damit sie ihr Geschenk aufmachen konnte. Bevor sie jedoch dazu kam, rief Johnny: „Santa hat meinen Wunschzettel vergessen!“
„Den hast du ihm doch schon im November gegeben“, erinnerte die werdende Mutter.
„Das ist doch der für nächstes Jahr.“ Eilig griff Johnny nach dem Zeichenpapier.
„Du weißt schon, was du dir nächstes Jahr Weihnachten wünschst?“ Amüsiert betrachtete Richard seinen Sohn, der ihn mit dieser Art von Taten und Überlegungen immer wieder überraschte.
Wild mit dem Kopf nickend bestätige der Junge die Worte.
„Na, dann zeig mal her!“
Für einen Augenblick zögerte der Junge, aber dann reichte er seinem Vater das Blatt, der es auseinander faltete und auf eine Zeichnung schaute.
Die grauen Blöcke, mit den gelben Punkten, schienen Hochhäuser darzustellen, die sich rechts und links des Blattes abzeichneten. Dazwischen erkannte er eine Häuserschlucht. Am oberen Rand, ziemlich mittig, prangte das Batsignal, ein wenig schief, aber deutlich zu erkennen. Genau in der Mitte des Bildes befanden sich zwei Figuren, beide in grau-blauen Tönen gehalten. Die eine Figur, die mit den schwarzen Haaren und einer dunklen Maske vor den Augen, trug kein Cape, die andere, eindeutig eine weibliche Person, trug ein Cape und hatte lange rote Haare. Lange musste Richard nicht überlege, wen sein Sohn da zu Papier gebracht hatte. Johnny hatte seine eigenen Eltern gezeichnet, wenn er dies auch nicht wusste. Johnnys Nightwing und Johnnys Batgirl hielten sich an den Händen und um sie herum hatte er ein großes rotes Herz gemalt.
Neugierig geworden schaute nun auch Barbara auf das Kunstwerk ihre Kindes. „Und was wünscht du dir von Santa?“
Heftig schlug das Herz in Richards Brust. Ahnte der sechsjährige etwa, das er Nightwing und Barbara Batgirl war? Waren sie nicht vorsichtig genug gewesen?
„Das Nightwing und Batgirl heiraten.“ Mit dem Ernst, zu dem nur ein Kind fähig war, sprach Johnny seinen Wunsch aus.
Wieder huschte ein belustigtes Lächeln über Barbaras Gesicht. „Und warum sollen sie heiraten?“
Neugierig lauschte Richard dem Gespräch, faltete dabei die Zeichnung wieder zusammen und gab sie seinem Sohn zurück.
„Sie scheinen sich genauso lieb zu haben, wie ihr.“
Über den Kopf seines Sohnes hinweg, warf Richard seiner Frau, die sich nur mühsam ein Lachen verkneifen konnte, einen hilfesuchenden Blick zu. Für diese Art eines Gespräches, war sie eindeutig besser geeignet als er.
„Johnny ich bin mir ziemlich sicher, das Nightwing und Batgirl sich mögen.“
„Ja, aber...“ Nachdenklich schloss der Junge die Augen und knabberte aufgeregt an seinem Daumennagel. „Ich muss immer an Dad und dich denken, wenn ich sie im Fernsehen sehe.“
Alarmiert zog Richard die Augenbrauen zusammen. Sein Sohn schien etwas zu ahnen. Ob er wusste, wie nah er der Wahrheit mit dieser Feststellung gekommen war? „Warum musst du an deine Mutter und mich denken?“, fragte er daher.
„Batgirl hat rote Haare wie Mom und Nightwings Haare sehen aus wie deine.“ Aufgeweckt und nach Zustimmung heischend irrte der Blick des Jungen von seinem Vater, zu seiner Mutter und wieder zurück.
„Schatz, ich bin mir sicher, dass die beiden Perücken tragen, so wie die Schauspieler in Märchenfilmen. Wer weiß, vielleicht ist Nightwing ist in Wirklichkeit blond und Batgirls Haare sind so dunkel wie deine“, erklärte Barbara. „Die beiden möchten bestimmt nicht erkannt werden. Sie verstecken ihre wahre Identität hinter ihren Masken und den Perücken, damit sie nicht erkannt werden, wenn sie im Supermarkt einkaufen gehen. Es ist ihr Geheimnis.“
„Aber...“ Nickend deutete Johnny an, dass er verstanden hatte. „Trotzdem, die beiden sollten sich lieb haben.“
Nun konnte sich Richard ein leises Lachen nicht mehr verkneifen. „Warum denn Batgirl und Nightwing und nicht Batgirl und Red Robin?“
„Na weil Red Robin rot trägt“, antwortete Johnny, mit einer Logik, zu der anscheinend nur Kinder in der Lage waren.
Noch immer lachend wuschelte Richards kräftige Finger durch das Haar seines Sohnes, ehe er fragte: „Magst du in die Wanne fliegen?“
„Oh ja.“ Johnny sprang auf, eilte zu dem Sofa, kletterte darauf und wartete nun, auf der Schulter seines Vaters, wie ein Superheld in die obere Etage des Hauses zu fliegen.
„Hoch mit dir!“ Mit sicherem Griff hob Richard den Jungen, den er über alles liebte, auf seine rechte Schulter und fixierte ihn an der Hüfte, nachdem Johnny sich lang ausstreckte. Beide Arme nach vorne geführt, kreischte Johnny vergnügt auf, während Richard mit schnellen Schritten die Treppe hinauf lief. Hinter sich vernahmen sie Jasons freudiges Bellen.
Nachdem Johnny endlich in der Wanne saß, kehrte der schwarzhaarige Mann ins Wohnzimmer zurück. Die Badezimmertür hatte er offen gelassen, damit sie Johnny hören konnten, falls er nach ihnen rief. Außerdem war Jason als Babysitter zurückgeblieben. Mit wachem Blick saß der Golden Retriever vor der Wanne, da war sich Richard sicher.
Nachdenklich, das kleine rote Geschenk in der Hand, verweilte Barbara wartend auf dem Sofa.
„Glaubst du, Johnny ahnt etwas?“, erkundigte sie sich, ohne aufzuschauen.
„Ich weiß es nicht.“ Leise seufzend ließ Richard sich auf das Sofa fallen und zog seine Frau an sich, schloss sie in die Arme. „Es ist die Fantasie eines Kindes. Wir alle besaßen unsere Helden in dem Alter. Nur das unsere Helden sich in Büchern, Comics oder Filmen tummelten und sich nicht mitten in der Nacht von einem Haus zum anderen schwangen und am nächsten Tag mit gestochen scharfen Aufnahmen in den Nachrichten zu sehen waren.“
„Sollten wir es ihm sagen?“ Barbara zog Richards Arme enger um sich und die Füße hoch auf die Couch, um es sich gemütlicher zu machen.
„Lieber nicht. Wir sollten noch etwas warten. Er würde vielleicht nicht damit angeben, dass seine Eltern berühmte Superhelden sind, aber ich bin mir nicht sicher, ob er sich nicht im Eifer des Gefechts verplappert.“ Sacht strichen seine Finger über den runden Bauch der hübschen Rothaarigen. Er konnte es kaum noch abwarten, dass sein zweites Kind auf die Welt kam. Er liebte es jetzt schon so sehr, dass er, wann immer er konnte und sie beide alleine waren, mit dem oder der Kleinen sprach.
„Ja, warten wir noch eine Weile.“ Neugierig, da sie, wie sie fand, lange genug warten musste, entfernte Barbara das rote glitzernde Papier. Eindeutig eine
Schmuckschatulle. Komisch, huschte es ihr durch den Kopf. Richard hatte ihr noch nie Schmuck geschenkt. Bisher hatten sie immer gemeinsam Ohrringe ausgewählt oder eine Kette, wenn sie etwas teureren Schmuck für einen Benefizball oder einen Opernabend benötigten. Meistens lieh sie ihn sich sogar, bei den in Gotham angesiedelten Juwelierläden. Nur ein einziges Mal, hatte er ihr Schmuck geschenkt, damals vor beinah zwölf Jahren, als er ihr auf dem Dach des Wayne Towers, in den frühen Morgenstunden, genauer gesagt um 3:24 Uhr, einen Antrag machte. Mit einem wohlig kribbelnden Gefühl im Bauch erinnerte sie sich. Es war kalt gewesen in jener Nacht vom 28. zum 29. Dezember. Frischer Schnee war gefallen. Silbern glitzerte die Stadt. Kaum ein Geräusch war zu vernehmen gewesen. Der Schnee dämpfte beinah jeden Laut. Sie erinnerte sich nur noch an das leise Knirschen, als Nightwing im Frisch gefallenen Schnee zu ihr trat, ihr tief in die Augen schaute und nach ihren Händen griff.
Gemeinsam waren sie auf Patrouille gewesen und hatte einen Organhändlerring zerschlagen, nachdem auffällig viele Einwohner Gothams auf unerklärliche Weise verschwanden. Es gab keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern, es betraf Kinder, Frauen und Männer, jeglichen Alters, sie waren verschiedenster Abstammungen, afrikanisch, asiatisch, europäisch und kamen aus den unterschiedlichsten Schichten. Ob arm, ob reich, ob groß, ob klein, ob blond, ob dunkelhaarig, es spielte anscheinend keine Rolle. Es gab nur einen Punkt, in dem sich die Opfer glichen, sie alle schienen kerngesund zu sein. Eine Woche lang recherchierten sie in alle nur erdenklichen Richtungen, bis Batman den entscheidenden Hinweis gab.
Damals hatte Barbara mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass Richard ihr einen Antrag machte.
Lächelnd, in Gedanken versunken, öffnete sie die kleine Schachtel. Ihr Blick fiel auf zwei schlichte Platinringe.
„Frohe Weihnachten“, murmelte Richard in ihr Haar, während sie auf das schlichte Band aus Weißgold an ihrem Ringfinger schaute.
„Neue Ringe?“ Sie löste sich aus der sicheren Umarmung, um in die blauen Augen blicken zu können.
„Ja.“ Richard zog sich seinen Trauring von dem Finger, reichte ihn seiner Frau und erklärte: „Schau ihn dir an - glanzlos, mit Kratzern und Dellen. Dein Ring sieht sicher genauso mitgenommen aus. Unsere nächtlichen Einsätze gehen nicht spurlos an ihnen vorbei. Siehst du diese Kerbe?“ Er deutete auf die entsprechende Stelle. „Dort traf mich ein Schwerthieb. Nur meine Handschuhe verhinderten Schlimmeres. Ohne die Metallfolie darin, hätte ich sicherlich mehrere Finger verloren..“
„Du sagtest vorhin: es ergab sich...“ Mit etwas Geduld und Mühe gelang es Barbara nach einer Weile, den eigenen Ring vom Finger zu bekommen. Durch ihre Schwangerschaft und die dadurch zugenommenen Kilos, saß das Weißgold ein wenig eng.
„Tim ist schuld“, lachte Richard und nahm den neuen Ring, als Beweis seiner Liebe aus der Schachtel. „Er bat mich, ihm bei der Auswahl eines passenden Verlobungsringes zu helfen und da ich schon mal da war...“
„Er will Ariana einen Antrag machen?“
„Dies dürfte schon geschehen sein.“ Richard griff nach Barbaras Hand, um ihr den neuen Ring anzustecken. „Zehn Jahre verheiratet“, murmelte er dabei. „Und ich liebe dich noch genauso, wie damals.“
„Ich dich auch.“ Sie warf nur einen kurzen Blick auf den Platinring an ihrem Finger, bevor sie Richard stürmisch küsste.
Minuten später saßen sie beide, mit einem neuem Ring am Finger, schwer atmend auf dem Sofa.
„Tim ist sich hoffentlich bewusst darüber, dass er Ariana nun einweihen und ihr sagen muss, dass er Red Robin ist.“
Richard nickte, griff nach der Actionfigur, die noch immer auf der Couch lag und drehte sie nachdenklich zwischen den Fingern.. „Er wollte es ihr vor seinem Antrag beichten. Wenn Ariana nachher noch da ist, dann ist alles zu seiner Zufriedenheit verlaufen und wir feiern nicht nur Weihnachten, sondern auch noch eine Verlobung.“
„Welch ein Glück ich doch hatte, dass ich wusste, wer du bist“, erinnerte sie sich. „Ich mochte dich vom ersten Tag an, als du in der Bibliothek vor mir gestanden hast.“
„Wieso auch immer?“, grinste ihr Mann. „Ich kann mich nämlich nicht mehr an unser erstes Treffen erinnern.“
„Sicher nur, weil sich junge Männer in dem Alter nicht für kleine, graue Mäuse interessieren, die noch nicht mal volljährig sind.“
„So grau warst du gar nicht“, verteidigte Richard Barbara und sich und legte die Plastikfigur auf den Couchtisch, ehe er sich lang ausstreckte und seine Frau mit sich zog. Eng aneinander geschmiegt schwelgten sie gemeinsam in ihren Erinnerungen.
„Zumindest meine Haare waren rot“, kicherte Johnnys Mutter. „Ich trug damals eine riesige Brille und ähnelte den strengen Bibliothekarinnen. Ich weiß noch, dass du beinah immer deine Bücher zu spät zurückbrachtest. Fast immer hast du angerufen, um die Medien zu verlängern, aber irgendwann kamst du plötzlich nur noch persönlich vorbei, um die Leihfrist hochzusetzen. Du standest unweit der Theke, begabst dich aber nie zu Miss Fitzwater, sondern wartetest geduldig, bis ich an den Tresen kam. Kannst du dir vorstellen, wie heftig mein Herz klopfte, wenn ich dich sah?“
„Ich mochte dich, zumindest mehr als Miss Fitzwater mit ihrem strengen Blick aus den Eisaugen. Sie wirkte wie ein Wachhund, kontrollierte akribisch jedes Buch, auf Eselsecken und Unterstreichungen, das ich abgab. Mit den grauen Haaren, dem Dutt und den Ärmelschonern, wirkte sie wie eine strenge Angestellte in einem Waisenhaus, in einem Gruselroman. Du dagegen, hast immer gelächelt, hast gescherzt und warst zu Smalltalk fähig, ganz im Gegensatz zu Miss Fitzwater, die immer nur sagte: Das macht 3,- Dollar“, lachte Richard und streichelte gedankenverloren den runden Bauch seiner Frau. „Dein Satz war: Na, wieder mal zu spät dran, Grayson?“
„Hab ich dir jemals gestanden, dass ich bei deinem Kunstturntraining fast immer anwesend war? Ich saß ganz oben auf der Tribüne, in einer dunklen Ecke, nachdem ich am Computer der Uni recherchierte, was für Kurse oder Aktivitäten du neben deinen Studienfächern noch belegt hattest.“
„Nein, gesagt hast du es mir bisher nicht, aber ich wusste es, weil ich dich immer entdeckte.“
„Und du hast geschwiegen?“
„Na ja, du warst nicht die Einzige, die uns beim Training beobachtete. Da befand sich eigentlich immer irgendwo eine Traube von kichernden Mädchen. Es gab nur einen Unterschied, die kichernden waren Studentinnen, du nicht. Wie alt warst du damals, sechzehn, siebzehn?“
„Mit sechzehn hab ich angefangen mir mein Taschengeld aufzubessern. An drei Nachmittagen in der Woche half ich in der Universitätsbibliothek.“
„Montags, Mittwochs und Freitags - die Nachmittage, an denen ich, ohne einen bösen Blick fürchten zu müssen, in die Bibliothek gehen konnte.“
„Hätte ich schon damals gewusst, dass du Robin bist. Ich glaube, ich hätte dich niemals angesprochen und mich irgendwo zwischen den Regalen versteckt. Aber so, warst du nur der Adoptivsohn des reichsten Mannes der Stadt, für mich unerreichbar. Also spielte es keine Rolle, ob ich mit dir sprach oder nicht, außerdem darf man in dem Alter noch Träume träumen.“ Sie schmiegte sich enger an ihn, bettete den Kopf auf seine Brust und lauschte dem gleichmäßigen Herzschlag. „Ich meldete mich beim Turnen an, nahm Karateunterricht, ging zum Judo und Fechten und tat alles, um so gut wie Batman und Robin zu werden. Ich wollte wie sie gegen das Unrecht in dieser Stadt vorgehen. Ich wollte Kindern und Frauen helfen und zu meinem achtzehnten Geburtstag erschien ich auf der Bildfläche.“
„Bruce war eine Wut...“
„Ja, kleine Mädchen haben mitten in der Nacht nichts auf den Straßen Gothams zu suchen, knurrte er mich an. Du dagegen hast mich neugierig gemustert.“
„Ich fand es gut. Außerdem sahst du in deinem Dress verdammt heiß und sexy aus“, schmeichelte Richard. „Tust du heute noch.“
„Komisch, wie das Leben so spielt. Barbara Gordon mit der großen Brille und in einer Bibliothek arbeitend, vollkommen uninteressant, aber als Batgirl in hautengen Sachen, weckte ich dein Interesse. Aber damals wusste ich ja noch nicht, dass der Student Dick Grayson und der Sidekick von Batman ein und dieselbe Person sind.“
„Wir sahen uns damals ziemlich oft. In der Bibliothek traf ich auf eine, mit der Zeit gute Freundin und in der Nacht konnte ich es kaum erwarten, das heißeste Girl der Stadt zu sehen. So, wie dein Herz schlug, wenn du in der Bibliothek auf Dick Grayson wartetest, so heftig schlug mein Herz, wenn ich Batgirls Erscheinen entgegen fieberte.“
„Und dann verschwand Dick aus meinem Leben. Er erklärte nur, dass er ein Auslandssemester nahm und plötzlich war auch von Robin nichts mehr zu sehen. Ich glaube, ich ahnte es schon damals...“
„Ich verschwand ganze sechs Monate. Ich benötigte dringend Abstand von Bruce, der mir alles in meinem Leben vorschreiben wollte und einfach nicht sah, dass ich nicht mehr das Kind war, dass seine Eltern verlor. Ich ging nach Asien - Japan, Thailand, die Philippinen. Zwei Monate Intensivkurs in Kendo, danach ein Monat in einer Muay-Thai-Schule in der Nähe von Chiang Rai, wobei ich mich auf Krabi Krabong, genauer Plong konzentrierte und zu guter Letzt befand ich mich drei Monate in einem kleinen Dorf auf der Insel Palawan, um Unterricht in Arnis zu nehmen, wobei mir da Dalawang Olisi zusagte. Als ich zurückkehrte, suchte ich mir eine Wohnung in Blüdhaven, war ab sofort nur noch Richard, nicht mehr Dick und legte Robins Kostüm ab. Ich war erwachsen geworden. Fortan drehte ich in Blüdhaven meine Runden, in meiner neuen, mich nicht mehr einengenden eigenen Identität als Nightwing.“
„Mein Vater erzählte beim Abendessen von einem neuen Jäger in der Nacht“, erinnerte sich Barbara. „Ich fragte mich, ob Nightwing eventuell Robin ist und tauchte als Batgirl auf.“
„Worüber ich mich unglaublich freute, denn in den sechs Monaten hatte ich sie nicht vergessen können. Ich fühlte mich wieder wie ein Teenager, als ich dich auf dem Dach des Krankenhauses stehen sah. Und dann sagtest du...“
„Na, wieder mal zu spät dran, Robin“, vollendete sie.
„Genau in diesem Moment wusste ich, wer sich hinter der Maske verbarg. Barbara Gordon, das Mädchen mit der Brille aus der Bibliothek.“
„Und ich wusste, dass du Dick bist. Denn mit dem Auftauchen von Nightwing in Blüdhaven, war auch Richard John Grayson-Wayne zurückgekehrt.“
„An diesem Abend habe ich mich haltlos in dich verliebt...“
„Und mir wurde mein Wunschtraum erfüllt, denn in Dick Grayson hatte ich mich schon zweieinhalb Jahre vorher verguckt.“
Gemeinsam, den wundervollen Erinnerungen nachhängend, bemerkten die beiden in inniger Umarmung daliegenden Eltern ihren Sohn nicht, der schon seit einer geraumen Weile, in seinen dicken Bademantel gehüllt, auf der untersten Stufe der Treppe saß und mit großen Augen und offenem Mund lauschte.
3. 3-Gänge-Menü von Ariana
Nicht ahnend, dass ihr Sohn ihr Gespräch belauscht hatte, verließ Familie Grayson etwa zwei Stunden später ihr Heim, um pünktlich zum Mittagessen auf Wayne Manor einzutreffen. Leger angezogen, hatte Tim zu seiner Einladung ausgesprochen. Er wolle nur einen gemütlichen Tag in Familie verbringen und kein Bankett abhalten. Für diese Anweisung war Barbara ihm dankbar, denn unterdessen fand sie so gut wie kein passendes Kleidungsstück mehr in ihrem begehbaren Kleiderschrank mehr und so trug sie bequeme Jeans und einen roten Wollpullover, der locker über ihren Bauch fiel und nicht zu sehr auftrug. In einem schicken Kleid wollte sie sich im Moment nicht sehen.
Nur noch sechs Wochen, huschte es ihr durch den Kopf. Ihr Frauenarzt hatte den 5. Februar als Geburtstermin errechnet, also kurz vor Bruce Geburtstag. Schon bald würden sie einen neuen kleinen Erdenbürger begrüßen dürfen.
Von der Seite sah sie Richard an, der sie sicher, durch den frisch gefallenen Schnee chauffierte.
„Johnny, du bist so still!“ sprach sie ihren Sohn an, der nicht wie sonst munter vor sich hinplapperte.
Sicher angeschnallt saß der Sechsjährige in seinem Kindersitz im Fond des Wagens auf der Beifahrerseite. Neben ihm auf dem Rücksitz, gesichert mit einem Hundegeschirr, lag Jason und döste. Mit neun Jahren war der golden Retriever schon ein Methusalem unter seiner Rasse. Es schien überhaupt ein Wunder zu sein, das der Hund bei ihnen lebte. Als Richard, dass winzige Bündel von Hund, vor etwa neun Jahren mit nach Hause brachte, gingen sie eher davon aus, dass der winzige Welpe die erste Nacht nicht überleben würde. Es stellte sich heraus, dass der Kleine ein Kämpfer war. Ein befreundeter Tierarzt, der für Wayne Animal Sanctuary arbeitete, tat alles, um den Kleinen aufzupäppeln, der regelrecht nach Wärme und Liebe schrie und beinah sofort anfing zu winseln, wenn Richard sich nicht in seiner Nähe befand.
„Johnny?“ Da sie keine Reaktion ihres Kindes erhielt, drehte Barbara sich auf ihrem Sitz, damit sie den Jungen anschauen konnte.
„Träumer“, lachte sie, als sie erkannte, das ihr Sohn tief in die eigenen Gedanken versunken zum Fenster hinaus schaute.
Kurz nach 12:00 Uhr öffnete sich das stählerne Tor für sie, das Wayne Manor vor fremden und nicht eingeladenen Gästen schützte. Dank der modernen Technik und einem Funkchip, schwangen die schweren Torflügel leise zur Seite. Sie folgen dem Kiesweg hinauf zu dem wuchtigen, immer ein wenig düster wirkenden, imposanten Anwesen.
„Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen“, murmelte sie. „Da ist mir unser helles, gemütliches Haus tausendmal lieber.“
„Ich mochte als Kind das Düstere. Ich hatte immer das Gefühl, dass das Gebäude sich meiner Stimmung anpasste.“
„Ich versteh wirklich nicht, wie Tim es hier aushält - die dunklen Räume, das fehlende Tageslicht, das alte Mobiliar. Über die Hälfte der Räume nicht beheizt, weil sie nie jemand betritt oder gar nutzt. Ich würde depressiv werden.“
Sanft legte Richard eine Hand auf den Oberschenkel seiner Frau. „Wann warst du das letzte mal hier? Im April zu Alfreds Geburtstag? Dann lass dich mal überraschen, was Tim in den acht Monaten aus dem alten, verstaubt wirkenden Kasten geschaffen hat. Du wirst kaum noch etwas wiedererkennen. Na ja, zumindest in seiner Hälfte des Anwesens.“
Ihr Ankunft war nicht unbemerkt geblieben, denn am Beginn des Westflügels öffnete sich das große Garagentor für sie. Neben einem alten schwarzen Bentley und Tims Audi parkte Richard ein.
„Jason muss mal“, erklang es aus dem Fond.
„Um 1:00 Uhr gibt's Mittag“, erinnerte Barbara ihren Sohn, der erst sich, dann Jason abschnallte und mit dem Hund in der großen parkähnlichen Anlage verschwand.
„Irgendetwas bedrückt ihn“, murmelte sie, als Johnny zwischen den hohen Bäumen verschwand. „Seit du ihn in die Wanne gesteckt hast, schweigt er vor sich hin und scheint angestrengt über etwas nachzudenken.“
„Hab ich auch bemerkt“, bestätigte Richard, während er ihr Gepäck, da sie über Nacht bleiben wollten, aus dem Kofferraum des Ford Explorer holte. „Wer weiß, was ihm durch den Kopf geht. Er wird zu uns kommen, wenn es wichtig ist.“ Er zog Barbara kurz an sich, hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und lächelte zuversichtlich: „Bisher kam er immer zu uns, wenn er über etwas reden oder etwas wissen wollte.“
„Du hast ja recht, aber ich mach mir trotzdem meine Gedanken.“
„Du bist nicht nur eine Mutter, sondern auch noch schwanger. Ich glaube das gehört es dazu, dass du wie eine Glucke über deine Kinder wachst.“
„Glucke, hmm? Du vergleichst mich wahrhaftig mit einer Glucke?“ Spielerisch boxte sie ihrem Mann in die Seite, der sich lachend, die freie Hand auf die getroffene Stelle drückte und Schmerzen vortäuschte.
„Komm, lass uns reingehen!“ Er griff nach Barbaras Hand und verschränkte ihre Finger, ehe sie dem hell erleuchteten Gang folgten, der sie ins Innere von Wayne Manor führte.
An einer Stahltür war plötzlich Schluss. „Die ist neu“, murmelte Richard und sah auf das Chip gesteuerte Schloss. „Tim hat wohl vergessen, mir Bescheid zu geben, das mein Transponder neu programmiert werden müsste.“
„Und nun?“
„Rufen wir Alfred an oder aber...“ Die Tasche entglitt Richards Fingern. Mit einem dumpfen Laut landete ihr Gepäck auf dem Estrichbeton, aber dies bekamen sie schon nicht mehr mit, da Richard Barbara, sanft mit seinem Körper, gegen die Wand in ihrem Rücke drängte. Die Finger an ihren Nacken legend, senkte er die Lippen auf ihre und küsste sie zärtlich. „Ich wüsste, wie wir uns die Zeit vertreiben können“, wisperte er in den Kuss.
„Wir sind doch keine sechzehn mehr“, antwortete Barbara heiser. „Wir haben ein Haus. Wir müssen nicht mehr in irgendwelchen dunklen Ecken knutschen. Falls du es noch nicht wusstest: wir dürfen das jetzt offiziell.“
„Ich finde es trotzdem aufregend.“ Bevor Richard seine Zärtlichkeiten jedoch vertiefen konnte, vernahmen sie ein Räuspern. Vor ihnen, in der nun geöffneten Tür, stand Alfred - der treue Butler von Bruce Wayne.
„Hallo Alfred!“, grüßte der Richard und wirkte für einen Moment wie ein, von seinen Eltern, ertappter Teenager. „Mein Transponder funktioniert nicht“, erklärte er schulterzuckend und hob die Sporttasche auf die Schulter.
„Barbara, darf ich das sagen? Du siehst umwerfend aus. Die Schwangerschaft steht dir.“ Der mittlerweile fünfundachtzig jährige Mann, schloss die werdende Mutter fest in seine Arme. Gemeinsam betraten sie kurz darauf einen Gang, dessen dicke bordeauxfarbene Auslegware ihre Schritte dämpfte.
„Wo sind denn alle?“, wunderte sich Dick, als nicht mal Tim zur Begrüßung erschien.
„Master Bruce hält sich in der Bibliothek auf und Tim und Ariana haben sich heute morgen noch nicht blicken lassen. Ich sah Tim nur ganz kurz, als er mich bat Spiegeleier zu braten und frischen Orangensaft zu pressen. Deswegen muss ich auch wieder los, da sich das Kochen nicht von alleine erledigt. Ich denke, es gibt heute kein versprochenes 3-Sterne-Menü von Ariana, sondern nur ein Alfred-hat-nachgekocht-Essen.“ Alfred, die gute Seele des Hauses wollte sich Richtung Küche wenden, als Barbara ihn aufhielt. „Warte kurz! Hat Ariana ja gesagt?“
„So weit ich informiert bin, ja.“ Noch immer gut zu Fuß eilte Alfred davon. Wer den Butler der Waynes nicht persönlich kannte, würde den agilen, älteren Herrn niemals für fünfundachtzig halten, sondern eher auf siebzig schätzen.
„Und was nun? Zur Bibliothek? In die Küche und Alfred helfen oder bei Tim anklopfen?“
„Tim und Ariana sollten wir lieber nicht stören“, überlegte Barbara. „Ich werde Alfred helfen.“
„Ist gut. Ich geh Bruce hallo sagen.“ Gemeinsam betraten sie die große Empfangshalle, die sich weihnachtlich geschmückt, vor ihnen ausbreitete. Zwischen den beiden geschwungenen Treppen, die nach oben in die erste Etage führten, stand eine so riesige Tanne, das Richard sich fragte, wie sie diese in die Halle bekommen und aufgestellt hatten. An das Schmücken wollte er gar nicht denken, dies war sicher nur mit einem Hubwagen möglich gewesen. Er stellte die Tasche auf der untersten Treppe ab, stahl seiner Frau noch einen Kuss, dann begab er sich in den östlichen Flügel des Hauses, um Bruce in der alten Bibliothek aufzusuchen, während Barbara der versteckten Treppe in den Keller folgte, wo sich die alte, unterdessen modernisierte Küche befand. Noch vor einhundert Jahren war dies der Angestelltentrakt gewesen, mit Leben erfüllt und in der Küche befand sich damals nicht nur ein einziger Mann, sondern eine ganze Traube an Köchen, Beiköchen und Dienern. Heute war Alfred der einzige, der sich dort aufhielt.
„Ariana wollte eigentlich für uns alle kochen“, erklärte Alfred. „Ich nehme aber an, dass sie viel mit Timothy zu bereden hat, weshalb sie mir ihre Rezepte mit der Bitte, entweder zu kochen, überreichte oder im 'San Sebastian' anzurufen und für uns alle ein Menü zu bestellen. Ich entschied mich zu kochen.“
„Für sechseinhalb Personen kochen. Da hast du dir ganz schön was vorgenommen.“ Aus einem der Schränke, nahm sich Barbara eine Schürze und band sie sich um.
„Ich sehe dies als Herausforderung an.“
„Dann tue ich das auch. Was kann ich tun?“
„Ich bin soweit fertig, Barbara. Die Gans brutzelt seit heute Morgen im Ofen, das Rotkraut ist weich und die Klöße sind fertig geformt. Sie müssen nachher noch etwa zwanzig Minuten ziehen. Den Salat will Ariana selbst frisch anrichten. Bleibt nur noch das Dessert.“ Lächelnd reichte Alfred Barbara ein handgeschriebenes Rezept.
„Lebkuchenparfait mit gewürzten Blutorangen“, las Barbara leise, überflog die Zutatenliste und die Zubereitungsanweisungen. „Ähm, Alfred, das Parfait muss über Nacht ins Tiefkühlfach. Ich wüsste nicht, wie ich das in einer Stunde bewerkstelligen sollte.“
Ohne ein Wort öffnete Alfred den Tiefkühlschrank. Barbaras Blick fiel auf eine große, abgedeckte Schüssel. „Dann bleibt für mich nur der Rest, zum Glück.“
Gemeinsam und sich dabei angeregt unterhaltend zauberten sie ein leckeres 3-Gänge-Menü. Sie deckten den Tisch im Esszimmer, welches nur zu bestimmten Anlässen benutzt wurde. Alfred entfachte die Holzscheite in dem großen Kamin, dämmte das Deckenlicht und entzündete die roten Kerzen, die auf großen silbernen Kandelabern standen. Plötzlich wirkte der Raum gemütlich und mit der weihnachtlichen Dekoration, bestehend aus Tannenzweigen, die mit roten Schleifen und silbernen Kugeln verziert waren und der feierlichen Musik, Bachs Weihnachtsoratorium, die leise im Hintergrund spielte, konnte Weihnachten gebührend gefeiert werden.
„Ihr seid großartig.“ Im Türrahmen stand Ariana. Sie trug ein rotes Kleid und strahlte sie zufrieden an. Herzlich begrüßte sie Barbara. Es wirkte beinah, als hätten die beiden Frauen sich seit Monaten nicht gesehen und nicht miteinander telefoniert, dabei war es gerade mal drei Tage her, dass sie sich auf einen Nachmittagsplausch in einem der vielen Cafés trafen.
„Ich kann euch gar nicht genug danken, vor allen Dingen dir Alfred.“
„Gern geschehen, Miss Dzerchenko.“ Alfred zwinkerte Tims High-School-Liebe zu. „Ich hoffe für sie, dass ihr Gespräch mit Timothy gut verlaufen ist.“
„Ist es, Alfred, ist es.“
„Dann bin ich beruhigt.“
„Hilfst du mir beim Salat?“ Fragend schaute die Dunkelhaarige Barbara an. „Ich muss unbedingt mit jemanden reden. Ich habe das Gefühl vor Glück und vor enthüllten Geheimnissen bald zu platzen.“
Bevor Barbara zustimmend nicken konnte, unterbrach sie ihr vibrierendes Smartphone. „Könnt ihr mich bitte reinlassen?!“
„Ich geh schon, Barbara.“ Auf leisen Sohlen verließ Alfred das Esszimmer, um Johnny und Jason einzulassen.
„Nun zeig schon her!“ Barbara griff nach der Hand ihrer Freundin und betrachtete den schmalen goldenen Ring, mit dem kleinen Stein. Nicht zu aufdringlich, aber wunderschön. Ihr Mann schien Tim gut beraten zu haben.
„Ich habe tatsächlich ja gesagt.“ Ariane schüttelte noch immer ungläubig den Kopf. „Tim hat mir heute morgen so unendlich viele Geheimnisse anvertraut. Ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dass du Batgirl sein könntest, geschweige denn, dass Tim Red Robin ist. Er hat mir die Bathöhle gezeigt und mich gefragt, ob ich hier einziehen möchte und...“
„Hol einmal ganz tief Luft. Öffne dir einen Wein und trink ein Glas. Ich schau nur schnell nach Johnny. Danach stehe ich dir voll und ganz zur Verfügung und du erzählst mir, wie Tim dir den Antrag gemacht hat.“
4. Daddy, ist er...
Nachdem Richard und Tim zwei verfrorene, nasse Spielkameraden, die anscheinend die gesamte Zeit über im Schnee tollten, trocken legten, Bruce sich nicht mehr hinter der gestrigen Ausgabe des „Gotham City Herald“ versteckte und die beiden Frauen einen leichten Feldsalat mit Mozzarella und Granatapfel gezaubert hatten, schafften sie es tatsächlich, gegen 13:00 Uhr, gemeinsam an dem festlich gedeckten Tisch zu erscheinen.
Das Gesprächsthema des Nachmittags bildete Tims und Arianas Verlobung. Gemeinsam wurde geplant und überlegt. Es wurden Ratschläge und gute Tipps gegeben, bis Ariana darum bat, endlich über etwas anderes zu sprechen und so wand man sich der Politik, der Kultur und der Musik zu. Der Einzige, den dies alles nicht zu interessieren schien, war Johnny, der still aß und den Blick über die Anwesenden schweifen ließ, dabei tief in seine eigenen Überlegungen versunken. Ab und zu ließ der Junge heimlich etwas von dem Gänsefleisch unter den Tisch fallen, damit Jason nicht wie ein Hund darben musste. Johnny wusste ganz genau, dass Jason nicht am Tisch gefüttert werden sollte, aber er befand sich ja nicht zu Hause, sondern bei dem immer etwas mürrisch und ernst dreinschauenden Bruce Wayne, der so was wie sein Großvater sein sollte. Alfred mochte Johnny viel mehr, als den großen Mann, der der Adoptivvater seines Vaters war. Auch jetzt zwinkerte der Butler ihm zu. Alfred schien der einzige zu sein, der bemerkte, was sich unter dem Tisch abspielte. So sollte ein Großvater, Johnnys Meinung nach sein, gemütlich, liebevoll, interessiert an ihm und nicht wie Bruce Wayne, der ihn zwar wahrnahm, aber nie mit ihm scherzte, ihn mal drückte oder gar mit ihm spielte. Und so war Richards Sohn froh darüber, als sie sich nach dem ausgezeichneten, üppigen Essen in das große Wohnzimmer begaben. Im Kamin flackerte ein warmes orangenes Feuer. Und wie heute morgen zu Hause, lagen unter dem geschmückten Weihnachtsbaum, an dem sogar echte Kerzen befestigt waren, bunte Geschenke für ihn.
„Johnny!“ Es war Tim der zu dem Jungen trat, als dieser unschlüssig vor dem Baum saß und sich anscheinend nicht getraute, eines der Geschenke zu öffnen. Noch immer in seine eigene Welt versunken kraulte Johnny seinen besten Freund und grub die Finger tief in das goldfarbene Fell. „Bist du gar nicht neugierig?“
„Doch“, murmelte der Sechsjährige, aber der Gedanke, dass seine Eltern seine Superhelden sein sollten, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen und wenn er seinen Gedanken weiter folgte, dann musste Onkel Tim Red Robin sein und sein Großvater Batman? Unwillig schüttelte er den Kopf. So sehr er sich auch immer wünschte, seinen Helden einmal wirklich zu begegnen, so sehr wünschte er sich jetzt, dass sie ihm die Wahrheit sagen würden. Er war doch kein kleines Kind mehr. Sein Daddy sagte doch ständig Großer zu ihm, wieso also hielten sie es vor ihm geheim? Am liebsten wäre Johnny aufgesprungen, um ganz laut zu schreien: ich weiß wer ihr seid, aber er schwieg.
„Na los, Kleiner, nun pack schon aus!“ Wie sein Vater wuschelte Onkel Tim ihm durchs Haar. Eigentlich mochte Johnny dies, aber heute nicht und so zuckte er zurück, strich sich das Haar wieder glatt und funkelte seinen Onkel an.
„Okay“, murmelte er dann doch und zog das erste kleine Päckchen, mit Rentieren mit roter Nase als Motiv auf dem Papier, zu sich.
„Das nicht, Johnny, das ist für deine Mom!“ hielt Ariana den Jungen zurück, der sich daraufhin erhob und das Präsent zu seiner Mutter brachte.
„Also nicht wirklich für dich“, lachte Tims Verlobte. „Es hieß ja, Geschenke nur für Kinder.“
„Danke!“ Aus leicht zusammengekniffenen Augen schaute Barbara ihren Sohn, dessen seltsames Verhalten ihr nicht entgangen war, an. Sie machte es sich auf dem riesigen braunen Ledersofa gemütlich und entfernte das bunte Papier. Ein paar winzige Turnschuhe fielen ihr entgegen und als würde das Kind in ihrem Leib spüren, dass es ein Geschenk für es war, fing es kräftig an zu treten. Barbara griff nach Arianas Hand, legte diese auf ihren runden Bauch und lachte. „Es sagt danke.“
Lächelnd fühlte Ariana den Tritten nach. „Und ihr wollt wirklich nicht wissen, was es wird?“
„Nein“, antworteten die werdenden Eltern wie mit einem Mund.
„Bei Johnny wussten wir es doch auch nicht“, erklärte Barbara. „Außerdem hat dies einen großen Vorteil. Niemand schenkt einem rosafarbene oder hellblaue Babysachen.“ Wie zum Beweis hielt sie die winzigen grünen Turnschuhe hoch.
„Na los, Johnny, du bist dran“, erinnerte Tim seinen Neffen.
Passend zu seinem Baseballhandschuh fand Johnny Basebälle unter dem Baum, drei Stück an der Zahl, einen Plüsch-Golden-Retriever, einer weltweit bekannten Plüschtiermanufaktur und ein neues Head-Set für seine X-Box, damit er sich auch weiterhin online mit Tim unterhalten konnten, wenn sie gemeinsam eines von Johnnys Legospielen zockten. Johnnys Head-Set knackte und brummte seit einer geraumen Weile und man konnte tatsächlich den Anflug eines Lächelns auf dem kindlichen Gesicht erkennen. Das letzte Paket enthielt die Batgirl-Action-Figur, die der Junge sich so sehr gewünscht hatte.
Jeder der Anwesenden im Raum schien die Luft anzuhalten, als Johnny das Papier entfernte und danach auf sein Geschenk schaute. Der Junge sprang nicht wie heute morgen kreischend durch den Raum. Er nickte nur, murmelte ein: „Dankeschön“, und erkundigte sie bei seinem Onkel, ob er nach oben gehen durfte um zu spielen.
„Was hat er denn?“, fragte Tim während er die Reste des Geschenkpapiers aufhob und die Geschenke auf einem Sideboard ablegte, nachdem Johnny den Raum verlassen hatte.
Richard zuckte mit den Schultern. „Heute morgen schien seine Welt noch in Ordnung zu sein, aber seit er baden war, schweigt er vor sich hin. Vielleicht wäre er lieber zu Hause oder drüben bei Nicky spielen. Ich kann es nachvollziehen. Als einzige Kind unter lauter Erwachsenen, da kann es ganz schön langweilig werden.“
„Ich geh mal zu ihm.“ Tim folgte dem Grayson Sprössling und holte ihn auf der Treppe, die nach oben führte, ein. Er griff den Jungen an der Taille, drehte ihn zu sich und schloss ihn in die Arme. „Hast du Bock eine Runde zu zocken?“
„Keine Lust“, grummelte Johnny, schlang aber die Arme um seinen Onkel.
„Ich weiß, alleine zu sein ist nicht schön.“ Sanft glitten Tims Finger durch das wirre Haar des Kindes.
„Onkel Tim, kann ich dich etwas fragen? Aber du darfst nicht böse sein.“
Vor dem Jungen ging der dunkelhaarige Mann in die Knie. Aufmerksam schaute er Johnny in die blauen Augen. „Du darfst mich alles fragen, Kleiner und keine Sorge, ich werde bestimmt nicht böse sein.“ Oh weh, was hatte der Kleine nur wieder angestellt, dass er sich nicht an seine Eltern wandte.
„Daddy, ist er...“ Verlegen biss Johnny sich auf die Unterlippe und zappelte von einem Fuß auf den anderen.
„Was ist mit deinem Daddy?“
„Ist Daddy...“ Johnny schaffte es nicht, die Frage aller Fragen zu formulieren. Viel zu groß war die Angst, zu erfahren, dass sein Vater tatsächlich Nightwing war oder eben doch nicht. Das Kind war sich nicht wirklich sicher, über was seine Eltern heute morgen genau gesprochen hatten. „Ach nichts, Onkel Tim.“
Bevor Timothy seinen Neffen weiter befragen konnte, vernahmen sie das Läuten an der Tür.
Mit eiligen Schritten durchquerte Alfred die Empfangshalle, trat an die Gegensprechanlage und blickte auf den Monitor, bevor er auf dem Bedienungs-Panel das Symbol mit dem Lautsprecher berührte.
„Alfred, ich bin es, Roy.“
„Ich öffne ihnen das Tor, Mister Harper.“
Plötzlich kam Leben in Johnny. Die eben noch melancholisch wirkenden Augen des Jungen strahlten. „Lian“, rief er und löste dabei die kräftigen Hände seines Onkels von seiner Hüfte. Der Junge stürmte die Stufen hinab, eilte durch die Halle und drängelte sich an Alfred vorbei, ehe er mit etwas Mühe die große, schwere Tür öffnete, um hinaus auf die Freitreppe zu gelangen, die zu dem Anwesen hinaufführte.
Als Johnny den dunklen Mietwagen entdeckte, der den Kiesweg hinaufgefahren kam, konnte ihn nichts mehr aufhalten. Sobald der Wagen zum Stillstand kam, riss er die hintere Türe auf und wartete nicht erst ab, bis Lian ausstieg. Er kletterte zu ihr in den Fond und schloss das schwarzhaarige Mädchen, mit den schmalen Mandelaugen in die Arme.
„Junge Liebe“, lachte der Vater des Mädchens, bevor er ausstieg.
„Was verschafft uns die Ehre ihres Besuchs, Mister Harper?“ erkundigte Alfred sich von der Treppe.
„Richard meinte, ich sei jederzeit herzlich willkommen.“ Auf der anderen Seite des Wagens öffnete der rothaarige Mann die hintere Tür und schaute zu den Kindern auf den Rücksitz. „Los, raus mit euch! Drinnen ist es bestimmt gemütlicher.“
Hand in Hand und fröhlich lachend, liefen Johnny und Lian in das große Haus.
Von dem Rücksitz nahm Roy eine dick gefütterte, schwarze Lederjacke und zog sie über. „Soll ich einparken, Alfred?“
„Ich kümmer mich darum, Mister Harper. Gehen sie ruhig rein. Sie finden Richard im Wohnzimmer des Westflügels. Johnny weiß wo.“ Alfred hielt dem alleinerziehenden Vater seine Hand hin, damit er den Wagenschlüssel entgegen nehmen konnte.
„Alfred!“ Lachend warf Roy den Schlüssel über das Wagendach in Richtung des älteren Mannes, der den Schlüssel geschickt auffing.
„Keyless, Alfred.“
Als Roy die Empfangshalle von Wayne Manor betrat, überkam ihn wie immer ein Gefühl von Ehrfurcht. Sein Blick glitt zu seiner Tochter, die eben etwas in Johnnys Ohr flüsterte, worauf dieser freudig lachte. Ja, die Kids verstanden und mochten sich. In der Halle stehend schaute der Gast aus Star City sich um, bevor er jedoch den Weg in den Westflügel einschlagen konnte, erschien Timothy Drake auf der Treppe, die nach oben führte.
„Hey Tim!“, grüße er. „Kannst du mir verraten, wo ich lang muss?“
„Hallo Roy!“ Tim nickte dem rothaarigen Mann zu, ehe sie sich die Hand zur Begrüßung reichten. „Lian, erst Guten Tag sagen, dann kannst du mit Johnny verschwinden.“
„Seht mal, wen ich mitgebracht habe“, sprach Timothy, nachdem er die Tür aufgezogen und den Blick in den Gang freigab.
„Überraschung...“ Schalkhaft blitzen die blauen Augen unter den roten Haarsträhnen, die Roy locker ins Gesicht fielen, auf. „Ich störe hoffentlich nicht.“
„Niemals“, lachte Richard, der sein Bierglas wegstellte, sich von dem Sofa erhob und auf seinen besten und ältesten Freund zuging. „Schön dich zu sehen.“ Kurz zog er den gleichgroßen Mann für eine Begrüßung unter Männern an sich, bevor die beiden Männer von vier kleinen Händen zur Seite gedrängt wurden und Johnny und Lian in das Wohnzimmer stürmten.
„Mom, dürfen Lian und ich hochgehen?“ fragte Johnny, während Roys Tochter Ariana und Bruce Wayne begrüßte.
„Dürft ihr.“ Da war er wieder, Barbaras kleiner Wirbelwind, mit einem strahlenden Lächeln auf den feingeschnittenen, weichen Zügen.
„Wir kommen mit hoch.“ Ariana erhob sich von den Sessel, auf dem sie saß und wandte sich an Barbara: „Du hast doch die neuen Zimmer noch nicht gesehen, oder?“
5. Schlechte Träume
Freudig bellend begrüßte der Golden Retriever den Besucher, der nun die Aufmerksamkeit auf den Hund lenkte und diesen hinter den Ohren kraulte. „Hey, alter Junge!“
Nachdem der Familienhund sich genug Streicheleinheiten bei Roy abgeholt hatte, lief er mit der Rute wedelnd auf Richard zu, setzte sich vor ihn, schaute ihn aufmerksam, mit schief gelegtem Kopf an und zeigte so, dass er etwas von seinem Herrchen wünschte.
„Musst du mal raus?“ Diese vier einfachen Worte sorgten dafür, dass Jason aufgeregt im Kreis sprang und herzhaft anfing zu bellen. „Sieht so aus.“ Obwohl er Jason hier auf dem Grundstück immer frei laufen lassen konnte, griff Richard gewohnheitsgemäß nach der Leine, was dazu führte, das Jason zur Tür rannte und sich abwartend, dass es endlich losging, davor niederließ.
„Kommst du mit?“ erkundigte sich Johnnys Vater bei seinem besten Freund, der noch nicht mal dazugekommen war seine Jacke abzulegen.
Nur Augenblicke später traten die Männer ins Freie. Tief atmeten sie die kalte, klare Winterluft ein, füllten ihre Lungen damit und blinzelten in die Sonnenstrahlen, die sich einen Weg hinter den dicken, schweren Schneewolken hervorkämpften. Weiß und glitzernd, wie in einem kitschigen Weihnachtsfilmfilm, lag das Grundstück vor ihnen. Weiße Weihnacht, nicht nur für Kinder ein Traum.
Die Hände tief in den Taschen der Jacken vergraben, folgten sie schweigend einem der Wege, die sich durch das Anwesen schlängelten. Zumindest nahmen sie an, auf einem der Wege zu gehen, denn im Gegensatz zu der Auffahrt, hatte Bruce auf den Gehwegen keine Straßenheizung einbauen lassen. Sie orientierten sich einfach an den kleinen Lampen, die Abends die Wege beschienen.
Vor ihnen tollte Jason im Schnee, ausgelassen und voller Freude über die weiße Pracht, in der er scharrte und seine Schnauze vergrub, bis Roy einen Schneeball formte und diesen warf. Sofort hechtete der Golden Retriever hinterher, suchte dann aber vergeblich nach dem Ball und so griff Richard in seine Jackentasche, um einen Tennisball hervorzuholen, damit Jason seinen Jagderfolg bekam.
„Du bist meiner Einladung tatsächlich gefolgt“, freute der ehemalige Artist sich, während er seinem Hund den Tennisball abnahm und wieder warf.
„Wir haben den ersten Flug genommen. Lian konnte sowieso nicht schlafen.“ Nun war es Roy der den Ball werfen musste. „Einmal, weil ich gestern unsere Taschen packte und ihr mitteilte, dass wir euch besuchen und zum anderen, weil Weihnachten ist. Sie ist irgendwann gegen 3:00 Uhr ins Wohnzimmer geschlichen, um heimlich ihre Geschenke auszupacken. Ich hab sie in dem Glauben gelassen, dass ich schlafe, dabei habe ich sie beobachtete...“ Ein warmes Lächeln huschte über Roys Gesicht, sichtlich stolz auf seine Tochter und total in sie vernarrt. „Dafür hat sie den gesamten Flug verschlafen. Ich bin so froh darüber, dass ich mich damals gegen Ollie stellte. Sonst wäre Lian jetzt nicht bei mir, sondern bei irgendeiner Pflegefamilie. Was ja nichts schlechtes sein muss, aber Kinder gehören zu ihren Eltern, wenn sie denn welche haben und diese für ihr Kind sorgen können.“
Aufmerksam zuhörend nickte Richard. Sie beide waren Waisenkinder und hatten ihre Eltern viel zu früh verloren. Während Richard von Bruce Wayne aufgenommen wurde, verbrachte Roy einige Zeit in der Obhut eines Navajo-Stammes. Als dieser dann dreizehn wurde, legte man ihm nahe, den Stamm zu verlassen und als sein Ziehvater Brave Bow, der Medizinmann des Stammes im Sterben lag, sah dieser sich nach einem geeigneten Vorbild und Mentor für Roy um und fand diesen in dem Superhelden Green Arrow.
„Ich erinnere mich noch gut, als du damals mit einem gerade mal einem Monat alten Baby vor unsere Türe standest. Alles was du sagtest war: ich benötige eure Hilfe.“
„Und ihr seid für mich dagewesen. Ich hatte doch keine Ahnung von einem Baby, geschweige denn davon Vater zu sein.“
„Du bist ein guter Vater für Lian. Sie würde sicherlich keinen anderen haben wollen.“ Richard zog den Reißverschluß seiner Jacke nach oben und ließ Roy in seinen Erinnerungen schwelgen, der damals über Nacht und ohne es zu ahnen, Vater geworden war, nachdem er sich zehn Monate vorher, bei einem Aufenthalt in Südostasien, zu einem One Night Stand hinreißen ließ, der nicht ohne Folgen geblieben war. Jade Nguyen, die Mutter des Kindes, starb bei der Geburt, hatte Roy aber als Vater in der Geburtsurkunde angegeben und so war ihm Lian übergeben worden.
„Vielleicht sollten wir mit unseren Kids einen Schneemann bauen“, überlegte Roy, während er wieder in den Schnee griff. „Der Schnee pappt gut.“
„Können wir gerne machen, wenn die beiden Lust dazu haben, aber vorher verrätst du mir, was dich wirklich hergeführt hat.“ Die beiden Männer kannten sich lange genug, um zu merken, wenn dem anderen etwas auf der Seele lag. Richard kannte den nachdenklichen Ausdruck in Roys Augen.
„Lian soll ein schönes Weihnachtsfest erleben. Eines, an das sie sich noch in vielen Jahren erinnern kann. Es ist nicht schön, wenn ein kleines Kind zu Weihnachten ganz alleine mit seinem Vater ist. Ollie und ich gehen uns immer noch aus dem Weg. In absehbarer Zeit wird sich daran sicher nichts ändern.“ Roy zuckte mit den Schultern. „Wir kommen klar, irgendwie. Es ist nicht leicht alleine für ein Kind zu sorgen, nebenbei zu arbeiten und nachts unterwegs zu sein. Ich habe mehrmals darüber nachgedacht Arsenal in Rente zu schicken oder zumindest in den Urlaub, bis Lian größer ist.“
„Dann komm wieder her. Ich hab es damals sowieso nicht verstanden, wieso du mit Lian nach Star City gezogen bist. Die Kinder mögen sich. Irgendjemand ist immer da, um auf die beiden aufzupassen. Und ganz ehrlich, ich würde mich über Gesellschaft freuen. Tim und ich wechseln uns seit fünf Monaten ab und es wird wenigstens noch ein Jahr dauern bis Barbara sich uns wieder anschließt.“
„Und Oliver Queen, den von sich selbst ach so überzeugten Milliardär, Star City überlassen?“
„Warum nicht? Vielleicht merkt er so, dass er einen Sohn hat...“
„Nur noch auf dem Papier, Richard, nur noch auf dem Papier...“, unterbrach Roy seinen Freund. Mit aller Macht warf er einen Schneeball, zielte dabei hoch in die Krone einer der ehrfürchtigen Fichten, die seit dem Bau des Herrenhauses auf dem Grundstück standen und wuchsen. Schnee rieselte auf sie herab, hüllte sie in einen weißen Flockenzauber und um Roy zu zeigen, dass er nicht alleine auf dieser Welt stand, legte Richard ihm eine Hand auf die Schulter, ehe er sagte: „Gut, das wäre der eine Grund und was ist Nummer zwei?“
„Ich träume schlecht, schon seit Wochen.“ Langsam lief der rothaarige Mann weiter, hinterließ dabei tiefe Abdrücke im Schnee.“ „Manchmal sehe ich die Bilder sogar, wenn ich munter bin oder zumindest denke, dass ich wach bin. Vielleicht falle ich auch in einen Sekundenschlaf, weil ich vollkommen übermüdet bin.“
„Du träumst?“
„Wirres Zeug“, bestätigte Roy. „Lians Mutter zum Beispiel: in meinen Träumen ist sie nicht bei der Geburt gestorben, sondern sitzt im Gefängnis. Sie ist eine Auftragskillerin mit dem Namen Cheshire. Sie war nicht nur ein OneNightStand. In meinen Träumen liebte ich sie. Du tauchst auch immer wieder auf, aber du bist nicht mit Barbara verheiratet. Wir gehören einem Team an, du bist unser Anführer und hast..“ Heißer lachte er auf. „Du wirst es mir nicht glauben, eine Beziehung zu einer außerirdischen Prinzessin.“
Richard zog die Stirn kraus. Gerade so konnte er sich ein Grinsen verkneifen, denn das was Roy erzählte, schob er eindeutig auf Überarbeitung. Außerirdische? Dennoch unterbrach er seinen Freund nicht, als dieser weitersprach: „ Am schlimmsten sind die Träume, in denen ich mich mit Heroin vollpumpe. Ein Trip in einem Traum. Kannst du dir vorstellen, wie verwirrend das ist? Manchmal habe ich das Gefühl verrückt zu werden und da ist noch Ollies Sohn - Connor.“ Wie vor eine Wand gelaufen blieb Roy stehen, drehte sich in Richards Richtung und sah ihn fragend an. „Dick, du kennst mich so gut, wie niemand sonst. Werde ich verrückt?“
Den Kopf hin- und herwiegend dachte der Dunkelhaarige nach, ehe er vehement verneinte: „Nein, ich glaube nicht, dass du verrückt wirst. Für mich klingt es eher wie ein lauter Hilferuf deines Unterbewusstseins. Wie viel Stress warst du in den letzten Monaten ausgesetzt? Du benötigst eine Auszeit. Fahr mit Lian weg, irgendwohin, macht gemeinsam Urlaub oder flieg mit ihr ins Warme. Du musst zur Ruhe kommen, dich mal entspannen und mal nur für dich und deine Tochter da sein. Lass die Seele baumeln und verwöhnen und vor allen Dingen vergiss in der Zeit mal Star City und Ollie.“
„Zu Beginn habe ich auch daran gedacht. Du bist überarbeitet, genervt, überfordert, du hast keinen Bock mehr, dies alles ging mir durch den Kopf. Ich fand sogar für jeden verrückten Traum, in dem es um mich ging, eine plausible Erklärung und trotzdem ließ es mich nicht los. Was hat es mit dir in meinen Träumen auf sich? Wieso wurde Johnny nie geboren? Was ist mit Barbara? Wieso spielt sie in deinem Leben keine Rolle?“ Verwirrt fuhr der Mann sich durch das längere rote Haar.
„Ich bin dein bester Freund. Ich habe ein Recht darauf in deinen Träumen zu erscheinen.“ Den belustigten Unterton in seiner Stimme konnte Richard nicht ganz verbergen.
„Trotzdem, irgendetwas stimmt nicht. Da bin ich mir ziemlich sicher, und um herauszufinden, was sich in meinem Kopf abspielt, würde ich gerne ins Reservat fahren und euch fragen, ob ihr Lian für eine Weile bei euch aufnehmen könnt!“
„Johnny wird sich freuen“, stimmte Richard zu, der es für Richtig hielt, dass sein ältester Freund sich Hilfe suchen wollte und wer konnte ihm besser zur Seite stehen, als ein spiritueller Führer? „Wann willst du los?“
„Besser zu früh, als zu spät...“
6. Aufbruchsstimmung
„Sie schlafen, endlich.“ Leise seufzend setzte Barbara sich zu Richard, nahm ihm dankbar das Glas Wasser ab, welches er ihr reichte. Zusammen mit Roy hatte sie den beiden Kindern noch eine Geschichte vorgelesen, bei dieser sogar Jason, der zwischen Lian und Johnny in dem Bett lag, eingeschlafen war.
„Wollt ihr nochmal los?“ erkundigte sie sich leise, um die anderen nicht in ihrem Gespräch zu unterbrechen.
„Nur eine kleine Runde drehen und nach dem Rechten schauen.“ Mit warmen Fingern strich er ihr einige widerspenstige Haarsträhnen aus der Stirn. „Du musst nicht warten. Ich habe ja zwei Aufpasser dabei. Außerdem bin ich mir sicher, dass es ruhig bleibt.“
„Es ist schön, dass Roy und Lian da sind“, gähnte die rothaarige Frau herzhaft. „Lian scheint Johnny aus seinen Grübeleien gerissen zuhaben.“
„Ich glaube, dass wir einen riesigen Schneemann für sie gebaut haben, trug auch dazu bei“, lachte der Mann an ihrer Seite leise. „Ich hoffe nur, dass Bruce noch nicht raus gesehen hat. Die grauen, unendlich vielen Bahnen, im weißen Schnee, in seinem Garten, gefallen ihm mit Sicherheit nicht.“
„Ich habe es genossen, euch dabei zuzusehen. Ein Bild für die Götter, wie drei erwachsene Männer, versuchten die riesigen Schneekugeln übereinanderzustapeln.“
„Selbstüberschätzung“, erklang es neben ihnen, da Roy einen Teil ihres Gespräches mitbekommen hatte. „Das Wichtigste für unsere Kids schien allerdings zu sein, dass der Schneemann zum Schluss Kohleaugen, woher Alfred die Kohlen auch immer gezaubert hat, eine Möhrennase und einen Topf als Hut bekam.“
„Kohlen findet man sicher noch eine ganze Menge in einem der alten Kellergewölbe“, unterbrach Richard seinen Freund. „Und zu unserer Verteidigung muss ich sagen, dass wir vorher und auch während dem Bauen eine Menge Eierpunsch getrunken haben.“
„Nichts als Ausreden“, lachte Barbara. „Aber geschmeckt hat es euch. Es ist nicht mal mehr ein Tropfen in dem Topf.“
„Was gut ist. Noch ein Glas mehr davon und ich würde oben neben meiner Tochter liegen und schlafen.“
„Apropos Schlafen, ich werde es wie Ariana halten und mich zurückziehen.“
„Du darfst ruhig hier einschlafen“, murmelte Richard ihr ins Ohr und zog sie an sich. „Ich werde ja noch in der Lage sein, meine Frau ins Bett zu tragen. Also, wenn du lieber in meinem Armen einschlafen möchtest.“
„Ein sehr verlockendes Angebot, aber ich werde es ausschlagen.“ Fest sah sie in die strahlend blauen Augen. Bevor sie sich jedoch, aus den Armen wand, die sie festhielten, wisperte sie, nur für Richard hörbar, gegen seine Lippen: „Lass dir nicht zu viel Zeit. Du könntest etwas verpassen.“
„Träum was Schönes!“ Nur ungern gab der dunkelhaarige Mann seine Frau frei.
„Ich weiß, am besten von dir.“ Bevor die Bibliothekarin sich jedoch erhob und das Wohnzimmer verließ, stahl sie sich einen Kuss und sagte an die anderen Anwesenden gewandt: „Passt auf euch auf!“
„Tun wir, Rotschopf“, grinste Roy. „Und ich verspreche dir, dass ich deinen dir angetrauten Ehemann pünktlich gegen 3:00 Uhr vor eurer Zimmertüre abliefere. Stell dir den Wecker, falls du es überprüfen möchtest.“
Lachend erwiderte sie: „Wir sprechen uns morgen, Rotschopf.“ Roy war der einzige Mensch auf der Welt, dem sie das Wort Rotschopf nicht übel nehmen konnte, da dieser ja selbst zu der Gattung Rothaarig gehörte.
Kaum das die Tür hinter Barbara ins Schloss gefallen war, fragte Tim: „Wann wollen wir los?“
„Jetzt gleich?“ Roy erhob sich und streckte sich. „Ist ewig her, dass ich mit einem Partner unterwegs war, geschweige denn gleich mit Zweien.“
„Bruce?“ Tims Blick glitt zu seinem Adoptivvater, der seit einer geraumen Weile sein Trainingsprogramm wieder augedehnt hatte. „Hast du Lust uns zu begleiten?“
„Nein. Ich werde hier Stellung halten.“
Kurz darauf sah man, wie fünf Männer auf leisen Sohlen durch das Haus schlichen, die Empfangshalle durchquerten und sich zur Bibliothek begaben. Hinter einem der schweren Bücherregale, vollgestopft mit Monografien und Inkunabeln aus dem späten Mittelalter, befand sich der Durchgang zu dem Allerheiligsten des Anwesens, der geheimen Höhle, die sich beinah unter dem gesamten Anwesen erstreckte und die Basis von Batman und den anderen bildete, vollgestopft mit der modernsten Technik und allerlei anderen Sachen, die sie für die Verbrechensbekämpfung benötigten.
„Alfred, wo hast du denn meine Ersatzsachen?“ Neugierig schaute Roy sich um, auf der Suche nach neuen Errungenschaften, die bei seinem letzten Besucht noch nicht vorhanden waren.
„Folgen sie mir, Mister Harper.“
„Bis gleich, Jungs.“ Lians Vater verschwand mit der guten Seele des Hauses in der Dunkelheit, die sich außerhalb des riesigen Bereiches, in dem die Computer standen, ausbreitete und betrat einen Raum, der anscheinend alleine für ihn eingerichtet worden war.
„Ja leck mich doch am Arsch“, kommentierte Roy, worauf ihm Alfred einen zweifelnden Blick zuwarf. „Tschuldige, Alfred, aber das ist einfach nur der Wahnsinn.“ Sein Blick glitt über die beiden Puppen, die seine Ersatzkostüme, die er irgendwann mal bei Richard gelassen hatte, trugen. „Wie oft musst du Staub wischen?“ erkundigte er sich, während seine Finger liebevoll über einen der Bogen glitten, die durch eine Vitrine, die er geöffnet hatte, geschützt waren. Daneben fand er seine alte Armbrust und in einem Regal an der Wand, bewahrten sie eine Menge Trickpfeile für ihn auf. Einige schienen neu zu sein, nicht aus seinem Vorrat. Ein breites Grinsen erschien auf Roys Gesicht. Da musste jemand eine Menge Langeweile gehabt und viel Zeit investiert haben. Mit Hochachtung vor dem unbekannten Entwickler, griff Roy nach einem der Pfeile und drehte ihn zwischen den Fingern, ehe er seine endgültige Wahl traf und seinen Köcher bestückte.
„Alfred?“ Fragend drehte Lians Vater sich um. „Kannst du mir...“ Mitten im Satz unterbrach er sich, als er bemerkte, dass er sich alleine in dem Raum befand. Mit den Schultern zuckend, nahm er ein rot-grünes Dress an sich, um sich umzuziehen. Als er nur einige Augenblicke zu Richard und Tim zurückkehrte, fand er sie umgezogen und einsatzbereit vor.
„Wer?“ Roy hob den Köcher mit den Pfeilen an, damit ihn alle sehen konnten. „Wem muss ich danken?“
„Uns“, antwortete Bruce, der es nicht für nötig hielt, sich von dem Bildschirm abzuwenden. „Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen.“ Damit schien das Thema für den wortkargen Mann abgehakt zu sein.
„Dank euch.“ Mit einem Nicken in Richtung Alfred, Nightwing und Red Robin tat er seine Freude über die neuen Pfeile kund, ehe er Richtung Fuhrpark schlenderte.
Nightwing folgte seinem besten Freund, trat zu seinem Motorrad und strich sehnsuchtsvoll mit der flachen Hand über den Tank. Nur zu gern hätte er sich auf das blauschwarz lackiertes Bike geschwungen, um damit in der Nacht zu verschwinden. Die winterlichen Straßenverhältnisse jedoch, zogen ihm einen Strich durch die Rechnung.
„Gemeinsam oder getrennt?“ Unterdessen hatte sich auch Red Robin bei ihnen eingefunden. „Mit wem willst du mitfahren, Arsenal?“ wollte der junge Mann in dem rot-schwarzen Anzug wissen.
„Durfte Ariana dich schon in Natur darin bewundern?“ wollte Nightwing wissen, während er Tim ansah und auf Arsenals Antwort wartete. Dabei konnte er sich ein, anzüglich zu nennendes, Grinsen nicht verkneifen.
„Eigentlich wollte ich es mir als Überraschung für die Hochzeitsnacht aufsparen“, lachte der Angesprochene.
„Ehrlich?“ Noch immer amüsiert zog Richard eine Augenbraue nach oben. „Und bis dahin auf die Annehmlichkeiten verzichten, die dir so ein Outfit einbringen kann? Aus eigener Erfahrung muss ich dir sagen, dass so manche heiße Nacht...“
„Ihr solltet los!“, unterbrach Bruce sie in ihrem Gespräch.
„Spielverderber“, wisperte Nightwing so leise, wobei er sich ziemlich sicher war, dass ihn wirklich nur Red Robin und Arsenal verstanden.
„Wir reden im Wagen weiter.“ Red Robin wartete nicht erst ab, ob Nightwing und Arsenal eventuell zusammen in einem der anderen Wagen fahren wollten, sondern ging zielstrebig auf seinen Redbird zu. „Einsteigen bitte! Der kleiner von euch sollte hinten Platz nehmen.“
„Ja ja, so behandelt man seinen älteren Bruder, der es nur gut mit einem meint.“ Nightwing zwinkerte Tim, der auf den Zentimeter genauso groß war wie er, zu und erklärte an Roy gewandt: „Und manchmal führen zwei Zentimeter zum Sieg.“
7. Mord am ersten Feiertag
Keine zehn Minuten später konnte man den roten Wagen auf einer Ausfallstraße Richtung Gotham City fahren sehen. Leer lagen die Straßen der Stadt vor ihnen. Nur hier und da sah man eine einzelne Person oder eine Gruppe Einwohner, die nach den Feierlichkeiten auf dem Weg nach Hause oder unterwegs zur nächsten Party waren. Ab und zu blitzen, in dem Licht der Scheinwerfer, gelb die Augen von streunenden Tieren auf. Es sah nicht danach aus, als hätten die drei Vigilanten in dieser Nacht viel zu tun und so konnten sie in aller Ruhe, Stellung auf einem der Dächer im Hafenviertel beziehen, denn dort wollten sie mit ihrer Runde beginnen.
Nach dem sie leise und von kaum jemandem wahrgenommen, zehn Minuten auf dem Dach ausharrten, erklärte Arsenal leise, dass er sich bei den Docks einen Überblick verschaffen wollte und verschwand in der Dunkelheit.
Einen Fuß auf die kleine Begrenzungsmauer gestellt, blickte Nightwing hinab in die Häuserschlucht unter ihnen, während Red Robin aufmerksam dem Polizeifunk lauschte. Sie schwiegen, bis der rot gekleidete Mann die Stille zerbrach: „Johnny wollte mich heute etwas fragen oder mir etwas mitteilen. Dann traute er sich aber nicht so recht.“
Ein: „Hmm“, war alles, was der erste Partner des Dunklen Ritters von sich gab, denn er beobachtete einen Obdachlosen, der in einem der Müllcontainer, die am Rande der Straße auf dem Gehweg standen, nach etwas Brauchbarem wühlte, dann schaltete er die Kommunikationsverbindung aus, denn dieses Gespräch sollte unter ihm und Tim bleiben.
„Dein Sohn benahm sich auffällig still, irgendwie ganz weit weg in Gedanken, was für ihn vollkommen untypisch ist, da er eine ganz schöne Plaudertasche sein kann. Hat sich bei euch irgendwas ereignet, von dem ich wissen sollte?“
Als Antwort den Kopf schüttelnd, wandte der, in blauschwarz gekleidete, Mann seine Aufmerksamkeit auf seinen Partner. „Zumindest nichts, von dem ich wüsste.“
„Mal schauen, ob ich es noch zusammenbringe. Johnnys erste Worte waren: Daddy, ist er...“ Red Robins Blick glitt zu einem imaginären Punkt, irgendwo in der Ferne. „Danach sagte er: ist Daddy..., bevor er ein: ach nichts, Onkeln Tim, folgen ließ. Also, was ist los?“
„Ich kann es dir nicht sagen.“ Richard zuckte mit den Schultern. „Heute morgen schien seine Welt noch in Ordnung zu sein. Wir haben gefrühstückt, danach packte Johnny seine Geschenke aus und vollführte einen Freudentanz, als er mich...“ Lachend in Erinnerung an den Moment, fuhr er fort: „... als Actionfigur unter dem Baum fand.“
„Batgirl hat hin dagegen nicht wirklich hinter dem Ofen hervorgelockt. Dabei haben auch wir mit etwas mehr Freude gerechnet, so wie er uns in den letzten Monaten damit in den Ohren gelegen hat.“
„Vielleicht hat er es geahnt, oder es hing mit seinem Wunschzettel zusammen.“ Nightwing wendete seine Aufmerksamkeit wieder der Gasse zu.
„Wunschzettel?“
„Sein Wunschzettel, für nächstes Jahr, lag unter dem Baum, damit Santa Claus ihn mitnehmen kann. Weißt du was Johnny gemalt hat?“
Nun war es an Red Robin den Kopf zu schütteln.
„Nightwing und Batgirl. Sie hielten sich an den Händen und um die beiden hatte Johnny ein großes rotes Herz gemalt. Kannst du dir denken, was er sich wünscht?“
„Ahnen, Nightwing, ahnen.“ Ein amüsiertes Lächeln erhellte Tims Gesichtszüge.
Grinsend erklärte der Vater des Jungen: „Er wünscht sich tatsächlich, das Nightwing und Batgirl heiraten.“
Nur ein verhaltenes Lachen, verließ Tims Kehle, damit es niemand in der unmittelbaren Umgebung vernehmen konnte. „Wenn euer Sohn wüsste, wie nah er damit der Wahrheit gekommen ist. Wie habt ihr reagiert?“
„Ich erst mal gar nicht. Ich war viel zu überrascht. Barbara war es, die ihm erklärte, dass die beiden sich ganz bestimmt mögen. Dann verglich Johnny unser Haarfarben mit denen seiner Lieblingshelden. Worauf Barbara etwas von Perücken, Geheimidentität und Privatsphäre sagte.“
„Oh man, da wäre ich nur zu gern dabei gewesen. Wie ging es weiter? Wie seid ihr aus der Situation gekommen? Johnny kann einem ganz schön Löcher in den Bauch fragen, wenn er etwas unbedingt wissen möchte.“
„Dann warte mal ab, bis Ariana und du Nachwuchs habt. Wer weiß, was eure Kinder eines Tages an peinlichen Fragen loslassen.“ Mit den Augen verfolgte Nightwing eine grauschwarz getigerte Katze, die eben auf einem der Nachbardächer erschien und sie still beobachtete. „Zumindest schaffte Johnny es, dass ich neugierig wurde. Ich wollte von ihm wissen, wieso Batgirl Nightwing heiraten sollte und nicht Red Robin.“
„Und, was hat er geantwortet?“
„Weil Red Robin rot trägt.“ Mit etwas Abstand betrachtet, schien die verwirrende Situation vom Morgen, nicht mehr an Komik zu überbieten sein.
„Das scheint kein Grund für Johnnys stilles Verhalten zu sein. Was geschah danach?“
„Ich hab Johnny in die Wanne gesteckt“, erinnerte sich Richard. „Danach sind Barbara und ich auf dem Sofa eingeschlafen und als Johnny uns weckte, benahm er sich irgendwie anders, nachdenklich, in sich gekehrt, grüblerisch.“
„Also ist etwas geschehen, während er baden war.“
„Scheint so.“ Wieder zuckte Nightwing mit den Schultern. Er konnte sich einfach nicht erklären, was genau vorgefallen sein könnte. Er dachte zurück an den ruhigen Augenblick auf der Couch, der nur ihm und seiner Frau gehörte.
Ein: „Oh“, entrutschte ihm, als er in Gedanken sein Gespräch mit Barbara Revue passieren ließ. „Ich glaube, ich weiß was er hat.“
„Was?“
Unruhig, bei dem Gedanken daran, strich Nightwing sich durchs Haar. „Ich sag es mal so, Babs und ich haben gemeinsam in Erinnerungen geschwelgt. Kann gut möglich sein, dass Johnny nicht die ganze Zeit über in der Wanne saß und einen Teil von unserem Gespräch mitbekommen hat. Vielleicht hat er nur eins und eins zusammengezählt...“
Red Robin kniff die Augen ein wenig zusammen. „Du meinst, er weiß, wer ihr seid?“
„Durchaus möglich.“ Die Hände zu Fäusten geballt, verfluchte Richard innerlich ihre nicht vorhandene Vorsicht, auf die sie sonst so viel Wert legten. „Es würde erklären, wieso Johnny sich den Tag über seltsam verhielt.“
„Mal angenommen, Johnny weiß es wirklich“, zerbrach Red Robin nach einer Weile die Stille, die eingekehrt war, da Nightwing tief in Gedanken versunken grübelte. „Meinst du nicht, er hätte euch sofort darauf angesprochen? So sehr wie er von seinen Helden schwärmt? Wenn er bei uns ist, dann müssen wir Abends die Gotham News schauen, damit er erfährt, was wir gerade tun und damit er uns sieht.“
„Nicht, wenn er die Erklärung seiner Mutter verinnerlicht hat. Dann wird er kein Wort darüber verlieren, weder uns, noch anderen gegenüber.“ Wütend auf sich selbst schlug Nightwing einmal mit der flachen Hand auf die
Begrenzungsmauer. „Verdammt, wir hätten vorsichtiger sein müssen.“
„Damit dürfte eure Geheimidentität fürs erste geschützt sein“, beruhigte Tim seinen älteren Bruder. „Johnny ist ein cleverer Junge. Er weiß zwischen gut und böse zu unterscheiden und er weiß auch, wenn es angebracht ist zu schweigen. Er wird zu euch kommen, wenn er bemerkt, dass das Geheimnis zu viel für ihn wird und er unbedingt mit jemanden darüber reden muss. Oder er kommt zu uns.“ Aufmunternd drückte Red Robin Nightwings Schulter. Er ließ seine Hand dort liegen, als er fortfuhr: „Er war bei mir, hat versucht mit mir zu reden. Sein Gestammel könnte die Frage: Daddy, ist er Nightwing? gewesen sein.“
„Ich soll also nicht mit ihm darüber reden?“
„Nein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Johnny zu euch kommt.“ Seinem Bruder zunickend lief Tim zur gegenüberliegenden Seite des Dachs und ließ den Blick über die, vom Schnee eingehüllte, Stadt, die im Glanz, der unzähligen Weihnachtslichter erstrahlte, schweifen.Gedämpft drang Musik an seine Ohren. Bei dem Haus, direkt vor ihm, stand ein Fenster, sicher um frische Luft einzulassen, offen. In der Wohnung brannte Licht und durch das Fenster konnte er einen Blick auf die Anwesenden, eine Familie oder Freunde, erhaschen. Gemütlich saßen sie bei einer Flaschen Wein beisammen und unterhielten sich gedämpft, während Bing Crosby „White Christmas“ sang.
„Lass uns weiterziehen. Hier schient sich nichts mehr zu tun.“ Mit einem sicheren Sprung, erreichte Red Robin das rechts von ihm liegende Dach des Nachbarhauses.
Still, keinen Laut von sich gebend, folgte Nightwing, der gerade nicht ganz bei der Sache war, da ihm die eventuelle Entdeckung seines Sohnes, nicht aus dem Kopf ging.
„Arsenal, wir bewegen uns Richtung Norden“, informierte er dennoch seinen Freund.
„Hab verstanden“, erhielt er unverzüglich Antwort.
Dem Vater blieb nur eins, abwarten, wie Johnny sich verhielt. Auf alle Fälle musste er seiner Frau Bescheid geben, damit sie nicht aus allen Wolken fiel, falls Johnny zuerst zu ihr ging, um zu reden.
Ziemlich ereignislos rannen die Minuten dahin und nach etwa einer Stunde gesellte sich Arsenal wieder zu ihnen. Gemeinsam fuhren sie ins East End, nur um dort eine ähnliche ruhige Lage vorzufinden und so dachten die drei Männer tatsächlich darüber nach, noch irgendwo ein Bier trinken zu gehen, als sie mehrere Funksprüche, davon einer mit dem Code 187, des GCPD hochschreckten.
„Nightwing, Red Robin, Arsenal!“ erklang kurz darauf Bruce Stimme in ihren Inears.
„Sind schon unterwegs“, antwortete Nightwing und schwang sich dabei mit einer fließenden, im Traum beherrschenden Bewegung, über das Geländer des Daches. Dabei sicherte er sich mit einem seiner Seile, an der metallenen Fluchttreppe und landete, wie seine Begleiter ungesehen auf dem Bürgersteig.
Der Mord an einer Mutter in einem der Vororte bescherte ihnen nun doch noch einen Fall. Den Mord hatten sie nicht verhindern können, aber sie konnten den Tatort besichtigen und Spuren sichern, vorausgesetzt sie kamen vor den Tatortermittlern an. Ansonsten blieb ihnen nur der Rest, aber es wäre nicht das erste Mal, das die Spurensicherung etwas am Tatort übersah.
Innerhalb der nächsten zwanzig Minuten erreichten sie die Wohngegend, da Red Robin die vorgeschrieben Richtgeschwindigkeiten geflissentlich ignorierte und parkten eine Querstraße weiter.
Links und rechts von ihnen erstreckten sich kleine Einfamilienhäuser mit Vorgärten. Jedes einzelne Haus schien mehr oder weniger weihnachtlich beleuchtet zu sein. Kaum noch ein Licht brannte in den Häusern. Ihre Bewohner, meist Familien mit mittlerem Einkommen, schliefen größtenteils.
Bisher schien nur ein Streifenwagen vor dem Haus von Familie Miller zu stehen. Mit dem typischen gelben Plastikband hatten sie den Tatort großräumig abgesperrt, um die sich langsam einfindenen Neugierigen fernzuhalten.
Ungesehen schafften sie es in das kleine Haus vorzudringen. Im Wohnzimmer angekommen, standen sie einen Moment vor der Leiche. In Sekundenbruchteilen nahmen sie jede Kleinigkeit wahr, die tiefen, mit Wucht ausgeführten Messerstiche in ihrem Brustkorb, der tiefe Schnitt über der Kehle, die Tatsache, dass die Frau mit den hellbraunen, lockigen Haaren, bequeme Hauskleider trug, ein viel zu großes Shirt, sicher eines ihres Mannes, mit dem Logo der Gotham Knights, eine schwarze Trainingshose und Badeschlappen.
Nichts war durchwühlt, keine Unordnung. Also schlossen sie einen Raubmord aus. Sie trennten sich, Red Robin und Arsenal sollten die anderen Räume besichtigen, während Nightwing im Wohnzimmer diverse Spuren sicherte. Bei ihrer stillen, gewissenhaften Arbeit lauschten sie Bruce, der ihnen durchgab, was die beiden Streifenpolizisten ans GCPD gemeldet hatten: „Das Opfer hieß Katie Miller, geborene McSorley, 33 Jahre alt, Floristin. Sie und ihr Mann, Tobias, besitzen einen kleinen Blumenladen in New Town. Tobias Miller, 36 Jahre, befand sich seit ca. 20:00 Uhr bei seine Nachbarn, den Spinottis. Als er gegen 00:05 Uhr zurückkehrte, fand er seine Frau ermordet vor. Ihr fünf Monate alter Sohn Vince schlief oben im ersten Stock in seinem Zimmer.“
Nur noch fünf Minuten blieben ihnen, dann vernahmen sie die Sirenen und verließen auf dem selben Weg, den sie gekommen waren, das Haus. Im Schatten einer riesigen Platane blieb Nightwing stehen und schaute zurück. Er sah den aufgelösten Vater auf dem Bordstein sitzen, seinen Sohn dabei fest an die Brust gedrückt. Erst als er Dean Morgan, Detective bei der Mordkommission, entdeckte zog er sich zurück. Bei Dean befand sich der Fall in guten Händen. Es gab keinen besseren Ermittler beim GCPD. Gemeinsam hatten sie die Academy besucht, sich etwa ein halbes Jahr lang sogar ein Apartment geteilt und einen Freund in dem anderen gefunden. Dean war damals ganz schön angefressen gewesen, als Richard sich nicht mit ihm gemeinsam für den gehobenen Dienst bewarb, sonder ausschied. Noch heute gingen sie ab und zu mal ein Bier trinken, gemeinsam in die Kletterhalle oder zu einem Baseballspiel.
„Nichts, rein gar nichts“, knurrte er, als er sich auf dem Beifahrersitz niederließ und sich der fragenden Blicke von Red Robin und Arsenal bewusst wurde. „Keine Fingerabdrücke, keine Fußspuren, keine Tatwaffe, rein gar nichts. Hoffentlich finden wir in den Proben, die ich genommen habe etwas.“ Noch immer das Bild der Frau, die in ihrem eigenen Blut lag, vor Augen, schüttelte Nightwing den Kopf, als könnte er die Erinnerung so vertreiben.
„Es ist Deans Fall.“ Er musste nicht erklären, wer gemeint war. Tim und auch Roy, kannten den Detective von ihren gemeinsamen Ausflügen in die Kletterhalle.
„In der Mikrowelle stand ein Becher mit noch lauwarme Milch“, meldete Arsenal aus dem Fond. „Vielleicht wollte sie schlafen gehen, als sie überrascht wurde.“
„Ich entdeckte keinerlei Abwehrspuren an ihr. Entweder kannte sie ihren Mörder oder sie wurde überrascht“, bemerkte Red Robin, der den Weg Richtung Wayne Manor einschlug.
Richard nickte. „Beides möglich, warten wir ab, was der Computer ausspuckt, was die Spurensicherung findet und was die Obduktion ergibt.“
Dank Bruce, der den Hightech-Rechner schon mit diversen Angaben gefüttert hatte, mussten sie nur noch die gesammelten Spuren sorgfältig untersuchen und da sie dies zu viert tun konnten, hatten sie innerhalb einer halben Stunde alles soweit erledigt, um am nächsten Tag die Ergebnisse zu erhalten.
„Morgen sind wir schlauer“, gähnte Roy. „Lasst uns schlafen gehen!“
Während Arsenal und Red Robin sich in der Höhle umzogen, hing Nightwing seinen Gedanken nach. Gerade mal 33 Jahre alt und der Chance beraubt, den eigenen Sohn aufwachsen zu sehen. Katie Miller würde nie die ersten Schritte ihres Sohnes filmen, das erste Wort nicht hören und nicht dabei sein, wenn Vince das erste Mal alleine Fahrrad fuhr und damit hinfiel. Der Junge musste ohne seine Mutter aufwachsen und ohne eine Erinnerung an sie.
„Ich sehe nochmal nach Johnny“, erklärte Richard, sich der Tatsache bewusst, das jeder Tag sein letzter sein könnte - eine Kugel, ein Sturz, ein Messerstich, ein stumpfer Schlag oder sich einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort zu befinden, zum Beispiel mitten in einer Massenkarambolage auf dem Highway, dies waren die Dinge, die ihn das Leben kosten konnten. Normalerweise verschwendete er keinen Gedanken daran, aber sobald einer ihrer Fälle Kinder und deren Familien betraf, wusste er wieder, wie leicht Glück zerbrach. Er musste jeden Tag im Kreise seiner Familie genießen, sonst würde er es vielleicht irgendwann bereuen.
„Ich komme mit!“
Leise schlichen Roy und Richard durch das dunkle Haus. Stille umgab sie, eine beinah schon unheimlich zu nennende Ruhe, aber der dunkelhaarige Mann mochte gerade diese Atmosphäre, ganz im Gegenteil zu seiner Frau. Die Geräusche, hier und da ein Knacken, wenn das alte Gebälk arbeitet, das leise Rauschen, wenn der Wind sich in den Giebeln fing, hatten, als er noch ein Kind war, dafür gesorgt, dass er sich wohl und sicher aufgehoben fühlte. In diesem Haus mit Batman als Vater, konnte ihm niemand etwas tun und so verließen ihn nach und nach die Albträume, in denen seine Eltern, mal mit und mal ohne ihn in die Manege von Haly's Circus stürzten.
Vorsichtig öffneten sie die Tür zu dem Gästezimmer, in dem Johnny und Lian schliefen. Den leisen Atemzügen ihrer Kinder lauschend, blieben die Väter stehen. Die einzige Reaktion, die sie erhielten, war Jason, der sich müde von dem Läufer neben dem Bett erhob und auf sie zu getrottet kam.
„Leg dich wieder hin, alter Freund!“ Einen Finger sanft zwischen die wachen Augen seines Hundes legend, zog Richard den Schwung bis zur Nase nach, worauf Jason sich zufrieden zurück zu dem Vorleger auf Johnnys Seite begab. Ein warmes, von Liebe geprägtes Gefühl erfüllte die Brust des dunkelhaarigen Mannes, der viel zu früh seine Eltern verlor und er hoffte, das sein Sohn noch als Erwachsener, mit Problemen, zu ihm kommen konnte.
„Schlaf gut!“, wünschte er Roy, nachdem er die Tür zuzog. Richard wollte nur noch eins, sich an seine Frau schmiegen und ihre Nähe genießen.
„Du auch! Bis nachher.“ Sie nickten sich noch einmal zu, dann begaben sie sich zu ihren Gästezimmern.
So leise wie möglich drückte Richard die Klinge nach unten und schob die Tür auf. Dunkel lag der Raum vor ihm, bis ein heller Schein das riesigen Bette erhellte. „Alles in Ordnung?“, fragte Barbara, die er eigentlich gar nicht hatte wecken wollen.
„So weit ja. Ich erzähl es dir morgen.“ Auf keinen Fall wollte er das warme Gefühl in sich zerstören, indem er von dem Mord berichtete. Lächelnd trat er an das Bett und blieb im Schein der Lampe stehen. Sich der Blicke seiner Frau sehr wohl bewusst, schälte er sich aus seinen Sachen, ließ sie fallen, jedoch nicht einfach liegen. Mit dem Fuß schob er den Stoff, der mit Aramidfasern der unterschiedlichsten Art durchzogen war, unter das Bett. Nur eine Sicherheitsmaßnahme, falls Johnny sie am Morgen wecken wollte, wovon er aber nicht ausging, da Lian zu Besuch war.
„Magst du gleichziehen?“ Mit einem versprechenden Lächeln im Gesicht, lüftete Barbara für einen Moment die Decke und gewährte ihrem Mann, einen Blick auf ihren unverhüllten Körper, der die Aussicht sichtlich genoss. Schweigend ließ er das letzte Stück Stoff fallen, kroch danach an ihre Seite, um sich an den geliebten, vom Schlafen noch warmen Leib zu schmiegen. Zärtlich glitten seine Finger über den gerundeten Bauch, wobei er Barbaras Lippen für einen Kuss einfing und heiser murmelte: „Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?“
Sein Kuss wurde tiefer, verlangender, während ihre Hände unstet über seinen Rücken, tiefer hinab zu seinem Hintern glitten.
„Ich will dich fühlen!“
Zustimmend vergrub sie die Finger in dem schwarzen Haar und gab sich den Zärtlichkeiten ihres Mannes hin, die vertraute Zweisamkeit mit allen Sinnen auskostend, bevor sie ihm den Rücken zuwandte.
Verlangend zog Richard seine Frau an sich, dann drang er sanft in sei ein - einfach nur fühlen, ihre Nähe, ihre Wärme, den geliebten Geruch einatmen, ihrem Atem lauschen und spüren, wie ihre Körper einander antworteten.
Das Gesicht an ihrem Nacken, in ihrem Haar verborgen und einen Arm um sie geschlungen, bewegte er sich sanft und sicher, nicht fordernd. Er wollte die Hitze spüren, ihr einfach nur nah sein.
„Dick!“
Nur noch selten vernahm er seinen Rufnamen aus Kinder- und Jugendtagen. Barbara benutzte ihn als Kosenamen, immer dann, wenn sie zu zweit waren und sich ihrem Verlangen hingaben. Oder es war Roy, der ihn aus Macht der Gewohnheit aussprach.
Ihre Finger verschränkten sich fest mit seinen. „Lass uns so einschlafen!“
„Hmm.“ Zu mehr war er im Moment eh nicht mehr fähig. Eingehüllt in die Wärme seiner Frau, bewegte er sich nur noch minimal, immer dann, wenn er das Gefühl hatte, ihre innige Verbundenheit zu verlieren. Einige Minuten später, blieben auch diese Bewegungen aus. Der lange Tag zollte seinen Tribut. Er war eingeschlafen.
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Kapitel: | 7 | |
Sätze: | 1.126 | |
Wörter: | 16.430 | |
Zeichen: | 97.456 |
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