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Erinnern

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16.12.19 13:39
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Autorennotiz

Ich hab es mal wieder getan und eine kleine Fanfic geschrieben. Dieser kleine Oneshot bezieht sich auf die Vorkommnisse nach der Batmanausgabe Batman 55 in Amerika (in Dtl. Aktuelle Heftserie Batman 29) und Nightwing 50 (in Dtl. Nightwing Sonderband 8).  Wer noch nicht soweit im lesen ist und keine Spoiler mag, der sollte diesen Text lieber nicht lesen.
Dieser kleine Text ist für alle, die Nightwing, Dick Grayson genauso sehr vermissen wie ich, aber auch für die, die mit dem Istzustand leben. Natürlich gehören die Charaktere ihren Schöpfern. Ich leihe sie mir nur gerne mal aus, um Ruhe in meinem Kopf zu bekommen.

Und nun
viel Spaß
Eure Tam

Barbara Gordon / Batgirl wurde geschaffen von Bob Kane
Jason Todd wurde geschaffen von Gerry Conway, Max Allan Collins und Don Newton
Alfred Pennyworth wurde geschaffen von Bob Kane
Dick Grayson / Robin wurde geschaffen von Bob Kane und Bill Finger
Nightwing wurde geschaffen von Marv Wolfman und George Pérez
 Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Die Minuten flogen nur so dahin, ohne das ich es registrierte. Genauso wenig wie das, was sich unter mir in den Straßen von Gotham tat. Alles, was mich im Augenblick beschäftigte, waren meine Erinnerungen an eine vergangene Zeit.
 Die Knie angezogen, die Arme um die Beine geschlungen, dachte ich zurück und wünschte mir, es würde wieder so sein.
 Der Wind zerrte an meinem Cape, ließ es flattern und knattern und zum ersten Mal stand ich tatsächlich kurz davor, mir das Cape abzureißen. Im Moment nervte es mich einfach nur gewaltig.
 Die Zähne fest aufeinander gepresst, so sehr, das mir die Kiefergelenke wehtaten, kämpfte ich gegen die innerliche Ohnmacht an und gegen das Gefühl nichts tun zu können. Alles, was ich mir gerade wünschte, war, meinen besten Freund wieder zuhaben, den Menschen, der mir auf dieser Welt so unglaublich viel  bedeutete, beinah sogar alles.
 „Batgirl?!“
 Ich hatte die Schritte, die sich mir näherten nicht gehört, nicht gespürt, nicht mal erahnt. Viel zu tief war ich in meiner trostlosen Wut gefangen gewesen. Ein Fehler, ein übler Fehler, der mich sogar mein Leben hätte kosten können, wenn der Mann, der sich mir genähert hatte, nicht mein Dad gewesen wäre, sondern ein Auftragskiller der auf uns angesetzt worden war.
 Verdammt, was tat denn mein Dad hier?
 Ganz langsam sah ich auf und versuchte die Wut in mir herunterzuschlucken. Schief lächelte ich meinen Dad an, dessen Anwesenheit es tatsächlich schaffte, dass ich wieder klar denken konnte.
 Ich straffte mich, erhob mich und schaute stumm auf meinen Dad, der mir sein typisches warmes Dad-Lächeln schenkte, obwohl er im Augenblick als Commissioner Gordon vor mir stand.
 Beinah hätte ich mich in seine Arme geworfen, um den Schmerz mit ihm zu teilen. Das Dad lag mir schon auf den Lippen, ein Zeichen, wie sehr ich noch immer neben mir stand. Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zustande.
 „Es tut mir so leid!“ Leise sprach er die Worte aus, die mein Herz sofort wieder in eiserne Ketten legte, die sich ganz langsam enger zusammenzogen. Nun hieß es für mich vorsichtig sein. Ich musste höllisch aufpassen, was ich antwortete, was ich sagte, damit mein Dad nicht hinter mein über Jahre hinweg gut gehütetes Geheimnis kam.
 „Danke“, antwortete ich daher genauso leise. Man Dad war dabei gewesen. Er war es auch, der den Notruf gewählt hatte. Ich wusste, wie sehr ihn die Erinnerung daran quälte. Er war anwesend, als einer der unseren durch einen Heckenschützen 'getötet' wurde. Ich wusste nicht, wie viel mein Dad danach in Erfahrung hatte bringen können. Batman hatte mir gegenüber nichts erwähnt.
 Ich musste schweigen, durfte nicht die Wahrheit erzählen und dieses Gefühl nahm mir die Luft zum Atmen und noch immer zerrte der Wind an meinem Cape.
 „Ich habe dich schon vor einer Stunde hier sitzen sehen und dachte, ich schau mal nach dir.“
 Wollte mein Dad tatsächlich gerade Trost spendend nach meiner Hand greifen? Zumindest wirkte es  kurz so.
 Eine Stunde also. Seit sechzig Minuten hockte ich also schon hier auf dem Dach, welches Nightwing, damals noch Robin, zu seinem Lieblingsplatz auserkoren hatte. So manche Nacht hatten wir gemeinsam hier verbracht, mal als Partner, mal als Freunde, dann als Geliebte und als Paar.
 Mühsam schluckte ich, als die Flut der Erinnerungen, wie eine Riesenwelle über mich hinweg schwappten. Ich wollte meinen Vertrauten zurück.
 „Nightwing und du...“, sprach mein Dad weiter, da ich lieber erst mal schwieg. „Ihr standet euch nah!?“
 War dies eine Frage oder eine Feststellung? Ich wusste es nicht, nickte daher nur.
 „Batman schweigt. Er spricht nicht darüber.“ Die Augen meine Dads wirkten dunkel und traurig. Er trauerte um Nightwing und als ich dies begriff, spürte ich die Flut der Tränen, die in mir aufstiegen.
 „Commissioner...“, setzte ich an, nur um überhaupt etwas zu sagen.
 „Er fehlt nicht nur dir.“ Ein Lächeln erhellte das Gesicht meines Dads. „Ich muss ehrlich gestehen, dass ich immer froh darüber war, wenn er an Batmans Seite stand. Mit ihm zu reden fiel mir  manchmal leichter. So unterschiedlich die beiden auch waren, so ähnlich waren sie sich auch.“
 Bestätigend nickte ich. Was Batman düster, mürrisch und eigenbrötlerisch war, war Nightwing meistens locker, gesellig und gut gelaunt, aber beide gaben alles in ihren nächtlichen 'Job' und stürzten sich mit allen Mitteln in den Kampf gegen das Verbrechen.
 In mir wuchs die Angst, dass ich mich versprach, dass ich mich verriet und somit auch Nightwing. Ich musste die Reißleine ziehen, bevor ich mich vor meinem Dad outete. „Tut mir leid, Commissioner, aber ich muss los. Das Verbrechen ruht nicht.“
 So leid es mir auch tat, meinen Dad vor den Kopf zustoßen, vor allen Dingen, weil er mit mir, also mit Batgirl nur über das was geschehen war, reden wollte, spürte ich, dass mir diese Unterhaltung nicht guttun würde.
 Nightwing galt als tot, ja aber Dick nicht, Dick lebte, aber er war nicht mehr er. Würde es vielleicht nie wieder sein. Ich wusste nicht, was mich mehr schmerzte, Nightwings Tod oder Dicks Amnesie? Mein Dad wusste von Dicks Schicksal, na ja, zumindest das, was ich, also Barbara, ihm erzählt hatte. Er kannte keine genaueren Einzelheiten. Für ihn waren Nightwing und Richard Grayson zwei vollkommen unterschiedliche Menschen. Der eine erschossen auf dem Dach vom GCPD, der andere litt nach einem Unfall unter Gedächtnisschwund. Ich hatte meinem Dad von Dick erzählt, alles schön in Worte gepackt, die ich vorher mit Bruce besprochen hatte, damit wir beide die selbe Geschichte über seinen Adoptivsohn erzählten und sich keine Ungereimtheiten auftaten. Und nun, nun musste ich höllisch aufpassen, was ich von mir gab, als Barbara und als Batgirl. Zwei unterschiedliche Geschichten, in der einen ein gefallener Held, in der anderen ein Zirkuskind ohne Erinnerungen.
 „Pass auf dich auf!“
 „Tu ich!“ Ich nickte meinem Dad noch einmal zu, ehe ich mich von diesem Dach auf das nächste schwang und in der Dunkelheit verschwand.
 Was wollte ich eigentlich hier? Wieso hockte ich minutenlang auf einem Dach in Gotham, wenn es mich doch eigentlich nach Bludhaven zog? Die Nacht war noch jung. Mit dem Bike würde ich ruckzuck dort sein. Burnside und auch Gotham würden eine Nacht ohne mich auskommen. Bruce stürzte sich gerade sowieso viel zu verbissen in den Kampf. Ihm wollte ich gerade nicht über den Weg laufen.
 Mitternacht war gerade mal vorbei, als ich auf einem Dach gegenüber der 'Prodigal-Bar', der Bar, in der Dick, nein, jetzt ja Ric, ein und ausging, Stellung bezog. Ich wollte Dick sehen, schauen, wie es ihm ging, wissen, was er so trieb und vielleicht, ja, vielleicht konnte ich ein paar Worte  mit ihm wechseln, ohne das Gefühl zu haben, dass er mich von sich weg stieß.
 Da hockte ich nun, wieder auf einem Dach, aber anders als vorhin, war ich aufmerksam und beobachtete, wer kam und ging.
 Kein Taxi weit und breit. Dick befand sich also nicht in der Nähe. Ich war mir jedoch sicher, dass er noch aufkreuzen würde. Immerhin arbeitete Bea, seine neue Flamme, hier.
 Leise seufzend malte ich mir aus, wie es sein könnte, wenn Dicks Erinnerung zurückkehrten. Bildhaft stellte ich mir vor, wie er mich in die Arme nehmen, mich necken würde und wir wieder über alles reden könnten. Bei Gott, er fehlte mir so schrecklich.
 Ich verstand nicht, wie ihn die Amnesie so sehr verändern konnte. Vielleicht war an dem Satz: 'Du kannst den Jungen aus dem Zirkus holen, aber nicht den Zirkus aus dem Jungen', ja tatsächlich etwas wahres dran.
 Ric. Ob ich mich jemals an diesen Namen gewöhnen würde? Ric, hatte so gar nichts mehr mit Dick gemein. Unterschiedlicher konnten zwei Typen gar nicht sein. Ich sah in Ric kaum noch etwas von dem Mann, den ich einst liebte.
 Im Moment lebte Dick, also Ric, wie ein Zigeuner. Heute hier, morgen dort. Hoffentlich blieb er nur ein Zigeuner auf Zeit und fing sich irgendwann wieder.
 Ich hatte bestimmt kein Problem damit, dass er nun Taxi fuhr und mit Bea seine Zeit verbrachte. Ich machte mir Sorgen, weil er plötzlich zu viel trank, sich zu viel prügelte, ja prügelte, nicht kämpfte und zu viel zockte. Dick hätte sich nie so gehen lassen. Ric dagegen schon. Obwohl er es nicht so sah. Für ihn war es sein Leben, das Leben, welches er führen wollte.
 Ja, mich stieß es auf, wenn er fremde Wohnungen besetzte, um dort zu leben, selbst wenn er sich um etwaige Haustiere und Zimmerpflanzen kümmerte. Auch, wenn er Geld auf den Tisch legte, wenn er weiterzog, so blieb es doch ein Einbruch und das Verletzen der Privatsphäre. Ich stellte mir einfach nur vor, wie ich mich fühlen würde, wenn ich aus einem Urlaub zurückkäme und bemerken würde, dass jemand Fremdes, während meiner Abwesenheit, in meiner Wohnung gewohnt hätte. Alleine schon der Gedanke daran schickte mir kalte Schauer über den Rücken.
 Wenn Ric mit diesem Lebensstil jedoch glücklich war, dann müsste ich mich ja eigentlich für ihn freuen, aber ich konnte es nicht. Einzig Bea akzeptierte ich an seiner Seite. Er schien sie echt zu mögen und wer weiß, vielleicht würde sie ihn ja wieder auf den rechten Pfad führen. Wenn sie für ihn da war, ihm half, ihn glücklich machte, dann sollte es so sein.
 Erschrocken, da ich schon wieder in den Strudel meiner Gedanken gerissen wurde, zuckte ich zurück, als ich die Gestalt erkannte, die eben den Pub verließ. Hatte ich tatsächlich nicht mitbekommen, wie Alfred die Kneipe betreten hatte oder war er schon lange vor mir hier gewesen?
 Alfred, die gute Seele des Hauses Wayne, gab nicht auf, würde er nie. Regelmäßig schaute er auch noch heute nach dem Rechten. Still und leise beglich er Dicks offene Rechnungen, ob mit oder ohne Bruce Erlaubnis, wusste ich nicht.
 Ich spürte Alfreds Blick. Natürlich hatte er mich längst entdeckt. Er nickte mir zu, ehe er die Hände tief in den Taschen seines Mantels verbarg und in der nächsten Querstraße verschwand. Alfred ging die Situation mit Fingerspitzengefühl an, ganz im Gegensatz zu Bruce, der, da war ich mir sicher, mit seiner Holzhammermethode alles nur verschlimmert hatte, anstatt es zu verbessern. Natürlich war ich Bruce dankbar dafür, dass er Gott und die Welt in Bewegung gesetzt hatte um Dick zu helfen. Spezialisten von der ganzen Welt hatte er eingeflogen, aber keine der Koryphäen hatte Dick wirklich helfen können und dann stieß ihn Bruce einfach so in den Abgrund. Natürlich, es ging um seinen Jungen, wie mein Dad immer so schön sagte, aber jemanden ohne Vorwarnung mit einer nicht gerade als normal zu bezeichnend Vergangenheit zu konfrontieren, nur damit dieser eventuell von seinen Erinnerungen eingeholt wurde, empfand ich als riesigen Fehler. Klar, es hätte helfen können, aber das tat es nicht. Das Dick ohne Netz und doppelten Boden erfahren musste, wer er, was er war, war gründlich schief gegangen. Mit dem Ergebnis, dass er sich erst recht von uns allen abwandte und, was ich noch viel schlimmer fand, das er seine geheime Basis in Bludhaven in Brand steckte. Dieses Verhalten zeigte doch, das es zu früh gewesen war, ihn in der Batcave, mit Batman und all den anderen geheimen Identitäten und dem, was daraus folgte, zu konfrontieren. Mit Sicherheit war es ein riesiger Schock für ihn gewesen und seine alten Kostüme zu sehen, die teilweise noch mit altem geronnenen, dunkelroten Blut verschmiert waren, hatten es nicht einfacher für ihn gemacht.
 Dicks Erinnerungen endeten an dem Tag, als seine Eltern getötet wurden. Für ihn gab es sein Leben bei Bruce Wayne nicht. Niemand von uns existierte noch in seinen Erinnerungen, wir waren Fremde für ihn, nichts anderes. Ich war für ihn genau das selbe, wie all die anderen Menschen, die uns tagtäglich über den Weg liefen - Unbekannte, die einen nicht wirklich interessierten. Man nahm sie nicht mal wirklich wahr. Ich hatte versucht mich in Dicks Lage zu versetze und mir vorgestellt, dass der alte Mann, der an der Bushaltestelle stand und den ich noch nie im Leben gesehen hatte, auf mich zukam und mir erzählte, dass er mein Großvater sei und die anderen an dem Wartehäuschen Familienangehörige und Freunde von mir seien. Für mich einfach nicht Vorstellbar.
 Beinah eine Stunde hockte ich nun schon wieder in der Kälte, ohne das Dick auftauchte. Sollte ich wirklich weiterhin auf ihn warten und mich quälen oder lieber den Heimweg antreten, Burnside, Burnside sein lassen und mich auf die Couch verkrümeln, um meine seelischen Wunden zu lecken?
 Während ich noch über eine Antwort grübelte, kam ein Taxi die Straße hochgefahren. Für einen Moment stolperte mein Herz. Heftig klopfte es in meinem Brustkorb, als ich mich tiefer in die Schatten zurückzog, da Dicks Blick, nachdem er ausgestiegen war und die Tür des Wagens in das Schloss gedrückt hatte, die Hauswand hinauf glitt. Komisch, seine Erinnerungen hatte er verloren, aber sein Körpergedächtnis funktionierte hervorragend. Alte Gewohnheiten traten immer wieder zu Tage.
 So weit ich es erkennen konnte, schien es ihm ganz gut zu gehen. Die Haare trug er wieder etwas länger, vielleicht um die zurückgebliebene Narbe zu verdecken.
 Ich wusste nicht, ob er mich bemerkt hatte. Zumindest ließ er sich nichts anmerken. Seelenruhig schloss er sein Taxi ab, danach betrat er die 'Prodigal-Bar'.
 Hart schluckte ich. Es schmerzte mich, ihn zu sehen, ohne mit ihm reden zu können. Kein Lächeln auf seinen Lippen, welches mir galt. Ich war ihm einfach egal, eine Fremde, wie jede andere in dieser Stadt. Da war nichts mehr vorhanden, das uns verband. Nur noch kühle Fremde. Am liebsten wäre ich ihm gefolgt, nur um ihn bei den Schultern zu packen und kräftig durchzuschütteln, nur damit er sich wieder an mich, an uns erinnerte.
 Wir alle, seien es Bruce, Alfred, Tim, ja sogar Damian, haben versucht  mit ihm zu reden, wieder und wieder, aber er blockte, wollte nichts mehr mit seinem alten Leben, als Bruce Adoptivsohn oder als Nightwing zu tun haben. Alles, was Dick wollte, war sein eigenes Leben, ein Leben ohne uns, ein neues Leben, neu erschaffen, ein Leben als Ric, wer auch immer dies war oder sein würde.
 Okay, ihm ging es soweit gut. Anscheinend sogar besser als mir. Ich konnte nach Hause und obwohl ich mir diese immer wieder still sagte, verharrte ich, setzte keinen Fuß vor den anderen und schluckte die Tränen hinunter, die in mir aufstiegen. Auf was wartete ich eigentlich? Darauf, dass er sich erinnert, lachte meine innere Stimme gemein.
 Wie gebannt sah ich hinab, nur um einige Augenblicke später Zeuge von Dicks neuem Glück mit Bea zu werden. Die beiden lachten gemeinsam, wirkten entspannt und glücklich und eigentlich wollte ich Dick dieses Glück ja gönnen, aber, so sehr ich es auch versuchte, tat mir der vertraute Anblick der beiden einfach nur weh, so unglaublich weh. Der Schmerz in mir fühlte sich anders an, als damals bei Starfire, krasser, schmerzhafter, endgültiger. Weil es das auch war. Ich war kein Teil mehr von Dicks Leben, anders als damals. Denn, obwohl Dick damals seine Liebe und sein Leben für Kory gab, war er immer als guter Freund für mich dagewesen und nach Koriand'r hatte es ja auch wieder ein uns gegeben. Dieses Glück würde mir nicht wieder hold sein, außer es geschah ein riesiges Wunder.
 Still, mit Wehmut im Herzen, beobachtete ich, noch immer unfähig mich zu rühren. Meine gesamte Aufmerksamkeit galt Dick und Bea und der Traurigkeit in mir. Überrascht zog ich meine Hand zurück, nachdem ich realisierte, dass mein Finger zum Kommunikator zuckte, um eine Verbindung zu Nightwing herzustellen. Macht der Gewohnheit, wenn ich jemanden zum Reden benötigte, war es immer Dick gewesen, der ein offenes Ohr für mich hatte. Gerade wünschte ich mir nichts mehr, als mein Herz bei jemanden auszuschütten, aber, ich wusste nicht, mit wem ich reden sollte. Mein Leben bestand aus zwei Teilen, aus Geheimnissen, aus unbekannten, von sich getrennten Identitäten, was es nicht leicht machte Vertraute zu finden. Natürlich gab es gute Freunde, Mitkämpfer und Leidensgenossen, aber die einen kannten Barbara und die anderen Batgirl, nur die wenigstens wussten von beiden. Mit Bruce konnte ich ganz schlecht reden, schon gar nicht über mein Gefühlschaos. Tim, wo immer er sich gerade befand, war auch keine Freundin, mit der man über die kleinen und großen Liebesdinge reden konnte. Blieb Alfred. Er würde mir zuhören, mir eine heiße Schokolade kredenzen und mir mit guten Ratschlägen beistehen, aber wollte ich das? Eher nicht. Und so fraß ich seit Tagen alles in mich rein. Gerade spürte ich, wie sehr mir eine wirkliche Freundin fehlte, eine Freundin, die Dicks und meine Geschichte kannte.
 Ein Schatten neben mir. Schon zum zweiten Mal heute Nacht wurde ich überrascht. Es war wohl wirklich an der Zeit Feierabend zu machen und mich zu Hause einzuigeln.
 Gerade war es mir vollkommen egal, wer sich da zu mir auf das Dach gesellte. War es einer von den selbsternannten Nightwings, die nun durch das nächtliche Bludhaven patroullierten? Ich ging nicht wirklich davon aus. Eher erwartete ich jemanden von uns. Ich rechnete sogar mit Batman.
 „Babs!“ Leise nur vernahm ich meinen Namen. Eine bekannte Stimme, aber nicht die von Batman. Mal ganz davon abgesehen, dass er mich nie Babs nennen würde, wenn ich Batgirl war. Nein, diese Stimme gehörte einer Person, mit der ich nie im Leben gerechnet hätte.
 „Jason!“, grüße ich zurück, ohne mich zu regen. Es war nicht nötig, denn Red Hood trat direkt zu mir, hockte sich neben mich und schaute nun, wie ich, hinab auf Dick und Bea.
 „Hätte nie gedacht, dass es mir mal fehlt.“ Nur eine leise Feststellung, aber diese drückte alles aus, was Jason wohl fühlte.
 „Was tust du hier?“, fragte ich, noch immer überrascht von seinem Auftauchen. „Nach dem Rechten sehen?“
 „So ungefähr.“
 Ich konnte das Grinsen auf seinem Gesicht regelrecht vor mir sehen. Aber ich täuschte mich, denn als mich in seine Richtung drehte, schaute ich nicht auf seine Maske, sondern ihm direkt ins Gesicht, welches ernst und eine Spur traurig wirkte. Das ich Jason in die Augen schauen konnte, zeugte davon, dass er das Gespräch mit mir tatsächlich suchte. Er wollte sich nicht verstecken. Er war als Freund zu mir gekommen, als Familie und als Vertrauter, was ich ihm hoch anrechnete.
 Ich tat es ihm gleich. Ich würde seine Geste annehmen und schob meine Maske nach oben. Unsere Blicke trafen sich. Jasons Augen wirkten müde, klein, ruhig, ohne ein Funkeln oder das typische Glitzern, wenn er sich im Kampfmodus befand.
 „Wolltest du zu mir?“, erkundigte ich mich, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass Jason sich in Bludhaven befand um nach Dick zu schauen.
 „Auch“, antwortete er knapp, was meinen Verdacht bestätigte. Selbst ihm ging Dicks Schicksal nah.
 „Ihm scheint es soweit gutzugehen, wie ich sehe.“ Und da war es, sein typisches Grinsen. „Hat ja nicht lange gefackelt.“ Mit dem Kinn deutete er auf Bea und Dick, ehe er leise lachend, mit einem herausfordernden Blick auf mich, feststellte: „Kein Grund länger zubleiben.“
 Ertappt sah ich auf den Boden. War ich so leicht zu durchschauen? Anscheinend schon, zumindest, wenn es um Dick ging.
 „Du kleine Stalkerin“, lachte Jason auf.
 „Er fehlt mir“, gestand ich, wobei meine Stimme beinah kippte und funkelte Jason an.
 „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass er mit uns nichts mehr zu tun haben will. Selbst wenn du ihn jede Sekunde beschattest, wird er sich nicht an dich erinnern.“
 „Hmm“, machte ich und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Dick und Bea, die soeben zurück in die Kneipe gingen.
 Hörbar atmete ich auf und schnaubte leise. Jasons Worte holten mich zurück in das Hier und Jetzt. Nichts würde sich ändern, egal, was ich tat.
 „Du kannst es abstreiten oder lassen, aber ich weiß, dass du ihn noch immer liebst. Du wirst Dick immer lieben. Eure Leben sind verbunden, nein, waren verbunden. Du musst ihm auf Wiedersehen sagen.“
 „Wie denn?“, fuhr ich auf und verschränkte verletzt die Arme vor der Brust. „Er will nichts mit uns zu tun haben. Er weiß nicht, wer ich bin, wie soll ich ihm dann Lebewohl sagen?“
 „Nicht persönlich, Babs. Du darfst ihm nicht mehr folgen.“
 Empört wollte ich hochfahren und Jason meine Meinung geigen. Konnte gut sein, dass er Dick einfach so gehen lassen konnte, aber ich konnte es eben nicht. Ich wollte ihm schon seine Kaltblütigkeit an den Kopf werfen, aber Jason sprach weiter, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. „Du musst ihn loslassen! Er führt sein eigenes Leben. Er ist ein Stehaufmännchen. Er wird immer auf den Füßen landen, egal wie tief er fällt.“
 „Das weiß ich doch!“, schnaubte ich. Wie ein bockiges Kind, schoss es mir durch den Kopf. Nicht rational, sondern emotional reagierte ich auf alles, was mit Dick zu tun hatte.
 „Aber du kannst nicht raus aus deiner Haut!?“
 Nickend schloss ich kurz die Augen und dann platzte es aus mir heraus: „Manchmal wünschte ich mir, die Kugel hätte ihn getötet.“ Nun war es raus, was ich in letzter Zeit so oft dachte. Der Druck auf meiner Seele verschwand, dafür brach mein mühsam aufrecht gehaltener Damm. Zum ersten Mal ließ ich denn Tränen freien Lauf. Heiß rannen sie meine Wangen hinab und kribbelten auf der Haut, als der kalte Wind sie kühlte und trocknete.
 Mit diesem Satz hatte ich es tatsächlich geschafft Jason mundtot zu bekommen.Überrascht und mit offenem Mund blickte er mich an.
 „Dann könnte ich wenigstens wirklich trauern“, versuchte ich meine harten Worte zu mildern.
 „Nur um auf ihn wütend zu sein, weil es sich hat töten lassen?“ Ein bitterer Zug kerbte Jasons Mundwinkel. Ein Ausdruck, der nicht alleine Dick galt, sondern noch jemanden und da erinnerte ich mich. Die letzten Tage hatte sich mein Leben nur um Dick gedreht. Dass auch andere ihr Päckchen zu schleppen hatten, daran hatte ich mit keiner Silbe gedacht.
 „Bist du wütend?“, wollte ich leise wissen, woraufhin Jason nur mit den Schultern zuckte.
 „Du willst es Dick sagen, aber kannst es nicht, weil es ihm total egal sein wird?“ Meine Finger fanden seine. Auch ein Jason Todd benötigte Beistand, wenn er trauerte, auch, wenn er dies nicht zeigte.
 „Es tut mir so leid“, murmelte ich, als er meinen Griff erwiderte.
 „Roy war auch Dicks Freund“, fuhr Jason fort. „... und er hat ein Recht darauf zu erfahren, was geschehen ist, aber...“ Jason verstummte.
 „Red Hood und Arsenal waren ein gutes Team, seltsam aber stark.“ Fest drückte ich noch einmal Jasons Finger, während die Tränen noch immer über meine Wangen rannen. Dieses Ende hatte Arsenal nicht verdient. Niemand von uns sollte sterben, schon gar nicht, wenn er sich in Sicherheit wähnte.
 Mit einem schiefen Lächeln quittierte Jason mein Lob, dann tat er etwas, womit ich nie im Leben gerechnet hatte. Er zog mich an sich, schlang die Arme um mich und hielt mich fest. Gemeinsam dachten und erinnerten wir uns an gute Freunde, an Freunde, die nicht mehr an unserer Seite kämpfen würden.
Ende
© by Tam Sang
November 2019

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Autor

TamSangs Profilbild TamSang

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Sätze: 293
Wörter: 4.003
Zeichen: 22.706

Kurzbeschreibung

Nightwing wurde Opfer eines Heckenschützen. Er überlebte den Anschlag, leidet aber nun an einer schweren Amnesie. Als Ric, wie er sich nun nennt,  versucht er sich ein neues Leben aufzubauen, immer unter den wachsamen Augen seiner Freunde und Familie, an die er sich nun nicht mehr erinnert. Vor allen Dingen Batgirl lässt 'ihren' Dick nicht mehr aus den Augen.

Kategorisierung

Diese Fanfiction wurde mit Freundschaft und Schmerz und Trost getaggt.

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