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Kapitel: | 9 | |
Sätze: | 230 | |
Wörter: | 3.786 | |
Zeichen: | 22.421 |
Einen Schwur brechen
Geräuschlos klappte die große Metalltür ihres Kerkers auf. Es war auf geheimnisvolle Weise noch beängstigender, als wenn sie gequietscht hätte, oder dumpf gedröhnt, so wie sonst auch immer. Doch auch ihr Besucher war noch schrecklicher als die Werwölfe, die sonst kamen um sie zu zerfleischen. Es war Gorthaur selbst, der zu Finrod Felagund und Beren Erchamion kam. Der Dunkle packte Finrod an der Gurgel und hob ihn so hoch, wie dessen Ketten es zuließen. „Wer bist du?“, zischte er, dass es Beren den Magen umdrehte. Die roten Augen durchbohrten den Herren von Nargothrond, doch Finrods Gesicht blieb ausdruckslos. „Ich habe einen Eid geschworen“, entgegnete er nur. „Einen, der es mir verbietet, dir auch nur in irgend einer Weise nützlich zu sein, Abscheulicher! Schicke doch deine Werwölfe! Dann fahre ich in Mandos' Hallen ein und muss nicht mehr dein widerwärtiges Antlitz erblicken“
Für diese Worte wurde er gegen die Wand des Verließes geschleudert, wo er zusammenbrach.
„Egal was dies für ein Schwur sein mag, du wirst ihn brechen und mir davon berichten, ehe das Ende kommt“ Gorthaur wandte sich zum Gehen. „Schickt den nächsten Werwolf rein!“, wieß er den Kerkermeister an. „Aber passt mir auf, dass er sie nicht tötet!“
Himmelblau
Verwundert und erstaunt blickte Mairon auf die himmelblaue Gemme hinab die unter den kunstfertigen Fingern seines Meisters entstand. Das Licht der Lampen in der riesigen Werkstatt, die Aule etwas abseits der anderen am östlichen Ufer der Insel Almaren erbaut hatte, brachten die den durchsichtigen Edelstein zum Leuchten. „Wunderschön, nicht wahr?“, dröhnte die Stimme des Schmieds. „Ich nenne es Topas“
Er nahm ein anderes Werkzeug zur Hand und kurz darauf wurde der Stein dunkler, wie der Himmel, bevor Ormal und Illuin erschaffen waren. „Und das ist Lapislazuli!“
Mairon sah ergriffen zu und in ihm wuchs der Wunsch, ähnliches erschaffen zu können.
Schweiß und Tränen
Die großen Könige Harads hatten eines ihrer seltenen Treffen einberufen, um zu beraten was zu tun sei. In den letzten Monaten war in jedem ihrer nördlichen Königreiche, von Umbar im Westen bis nach Khand im Osten ein unheilvoller Bote aufgetaucht. Sie waren zu schnell an zu verschiedenen Orten aufgetaucht um nur ein Reiter zu sein, aber ihre große Ähnlichkeit konnten sich die südlichen Lords nicht erklären. Schwarz war ihre Gewandung gewesen und schwarz ihre Rösser. Niemand hatte ihre Gesichter gesehen, aber von ihnen ging eine Furcht aus, das selbst die hohen Könige Herumor und Fuinor sie demütig empfangen hatten, während der gemeine Mann so schnell er konnte das Weite suchte. Sie alle hatten dieselbe Nachricht verkündet. Aus dem Norden sollte ein Gott zu ihnen herabsteigen. Angeblich hatte er sie von dem Joch derer befreit, die sich die Númenorer nannten.
Nun war der Tag gekommen, an dem die Könige aller Harad-Völker ihren neuen höchsten Herren kennenlernen, die Treue schwören und ihn anbeten sollten.
Zuerst erschien es ihnen nur wie eine Fata Morgana in der Hitze. Aber schon bald zog ein unangenehm kalter Ostwind auf und der Himmel verdunkelte sich. Die stolzen Könige, dies nicht gewohnt, froren erbärmlich in ihren leichten Gewändern.
Und dann kamen sie: vier schwarze Gestalten und in ihrer Mitte ein großer schwarzer Mann, an seinem einen Finger ein goldener Ring, von dem ein unsagbares Grauen ausging. Sich unermesslich fürchtend, zogen viele der Könige ihre Schwerter und wichen vor ihm zurück.
Als er auf sie hinab blickte schien es jedem als ob er nur mit ihm persönlich reden würde und seine grausame Stimme hallte in ihren Köpfen wider: „Ich bin euer Gebieter und Gott, Mairon, der Anbetungswürdige, Herr der Erde! Folgt mir und ihr werdet im Schweiße eures Angesichts für mich kämpfen und belohnt werden. Bekämpft mich und ihr werdet umsonst euer Blut und eure Tränen vergießen müssen. Denn kein Mensch auf Erden kann sich meiner Herrschaft entziehen“
Da gelobten sie ihm einstimmig die bedingungslos Treue, bis an das Ende aller Zeiten.
Ich will dich
Unruhig schritt Mairon im Thronsaal Angbands hin und her. Seit Jahren nun schon baute er Angband aus und setzte es wieder in Stand. Viel musste getan werden.
Zu diesem Zweck hatte er seine treueste Dienerin ausgesandt, um alle in Utumno verbliebenen Wesen Melkors, die mächtig, aber weniger machtvoll als die Balrogs waren, nach Angband zu führen. Nun wartete er ungeduldig auf ihre Rückkehr, denn er wusste nicht, ob sein Meister nicht doch noch größere Schrecken in den Tiefen der großen Festung zurückgelassen hatte, als er annahm. Die Drachen waren noch nicht ausgezüchtet worden und die Balrogs waren schon eingetroffen und unter seinem Kommando.
Trotzdem konnte er nicht sicher sein und das machte ihn wahnsinnig, denn unter all seinen Dienern war ihm Thuringwethil die teuerste. Nicht nur war sie eine überaus nützliche Dienerin, sie war auch eine willkommene Abwechslung in mehrfacher Hinsicht.
Ja, er wollte sie. Mit ihrer Schönheit konnte in seinen Augen sonst niemand mithalten, keine der Valier, keine der Maiar und schon gar nicht diese Missgeburt aus Doriath. Er erinnerte sich zornig an Melians schmachvolle Zurückweisungen, damals vor langer Zeit. Und nun hatte sie diesen stinkenden Elben zum Mann genommen und mit ihm dieses Halbblut gezeugt! Die Elben mochten sie lobpreisen, doch er verabscheute sie.
In diesem Moment öffneten sich die Türen der Halle und rissen Mairon aus seinen Gedanken.
Herein kam eine gewaltige Fledermaus, die sich noch im Gleitflug in eine Frau verwandelte. Endlich!
Sie kniete vor ihm nieder. „Die Zurückgebliebenen haben diese Hallen nun erreicht, mein Gebieter“, sagte sie leise und doch kraftvoll.
„Erhebe dich und sieh mich an“
Sie tat, wie ihr befohlen wurde. In ihren Augen konnte er ein Verlangen ablesen, das noch viel größer war als sein eigenes, aber auch absoluter Gehorsam.
Langsam lies sie einen einzigen Bluttropfen auf ihr volles Dekolleté herabtropfen. Leuchtend hob er sich von der schneeweißen Haut ab.
„Eine beeindruckende Leistung. Dies wird unsere Bemühungen weit voranbringen und du sollst dafür belohnt werden“ Seine Augen glühten feurig rot auf. „Denn ich will dich!“
Unerklärlich
Es begann als ein dumpfes Grollen. Die Kelvar gerieten allesamt in Panik und stoben in alle Himmelsrichtungen davon, doch unfähig, der Gefahr, die sie witterten, zu entgehen. Sodann brach auch unter den Ainur Unruhe aus. Erdbeben hatte es nicht mehr gegeben, seit Melkor vor Tulkas aus Arda geflohen war. Nur Mairon und wenige andere wussten, was geschah, doch hüteten sie sich, es den anderen zu sagen. Aule jedoch erkannte die Gefahr, ob durch Mairons Fahrlässigkeit oder auf anderem Wege, vermochte sein Schüler nicht zu sagen.
Die Stimme des Schmieds rollte über die Ebene: „Melkor ist zurückgekehrt. Ormal und Illuin fallen“
Zimperlich
„Jetzt stell dich nicht so an! Was hast du denn gegen ihn? Ich finde, er hat was besonderes. Aules Maiar sind sowieso alle irgendwie besonders, aber er sticht nochmal unter allen hervor. Ich weiß nicht, ob ich ihm widerstehen würde!“
Gespannt lauschte Mairon dem Gespräch der beiden Maiar. Aule hatte ihm freigegeben und so war er zum Vergnügen in den Wald gegangen, um sich auszuruhen. Er war gerade auf einen breiten Ast einer gewaltigen Eiche geklettert, als die Beiden unter ihm vorbeigekommen waren, ohne ihn zu bemerken und sich an den Stamm der Eiche gesetzt hatten. Es war Ilmarë gewesen, die zuerst das Wort ergriffen hatte. Als die zweite Frau etwas entgegnete, erstarrte er vor Schreck. Melian!
„Ich weiß nicht, Ilmarë“, sagte sie. „Er kann ja ganz niedlich sein, wenn er sich als ein Kind ausgibt. Und schmuck, wenn er Aule bei seiner neuesten Kreation behilflich ist. Doch irgendwas ist komisch. Er hat sich ja noch nichtmal wirklich entschieden, ob er männlich oder weiblich ist! Und gleichzeitig ist er viel zu interessiert an Melkor. Ich habe Vana mit Yavanna darüber reden hören! Es gibt ihr zu denken“
Sei doch nicht so zimperlich! Gib ihm eine Chance! Du hast so ein sanftes Wesen, wenn jemand ihn von allem dunklen fernhalten kann, dann du! Zeig ihm die singenden Nachtigallen!“
„Im Gegensatz zu seinem Meister interessiert er sich sehr für die Kelvar und Olvar. Zu sehr. Er will sie nicht so lassen wie Yavanna sie erschaffen hat, sondern sie bearbeiten, wie die Steine mit denen er sonst zu tun hat! Das ist doch abartig, oder?“ Ilmarë stimmte ihr widerwillig zu.
Hoch über ihnen ärgerte sich Mairon gewaltig. Ganz stolz hatte er ihr seine Ideen vorgestellt, ohne zu ahnen, wie sie darauf reagieren würde. Dabei hatten sie sich in den lezten Jahren doch angefreundet, wahrscheinlich noch mehr als das, was allein schon aufgrund seiner Seltenheit eine Besonderheit darstellte. Im Gegensatz zu den Valar blieben die Maiar lieber für sich. Er würde sie schon noch für sich gewinnen!
Schmetterlinge im Bauch
„Melian!“, jammerte er, „ich hab Bauchschmerzen!“
„Kein Wunder! Erinti hat dir ja auch Schmetterlinge in den Bauch gezaubert!“, erwiderte Melian lachend. „Yavanna sollte aufpassen und sich mehr um die Kelvar kümmern. Wenn sie sich immer nur um ihre großen Bäume sorgt, wird ihre Schülerin bald alles beherrschen, was ihre Meisterin erschaffen hat!“
„Das ist aber nicht schön! Es kribbelt so stark!“
„Hmmm“ Sie lächelte ihn an. „Das könnte möglicherweise noch an etwas anderem liegen. Das würde auch erklären, warum sie sich für Schmetterlinge entschieden hat!“
„Und das wäre?“
„Das ist ein Geheimnis Yavannas und derer, die sie einweiht!“, erwiderte sie.
Gestandene Männer
Schweigend suchten sie das Schlachtfeld nach Überlebenden ab. Es war eine siegreiche Schlacht gewesen, wie öfters in letzter Zeit; die Orks waren in Scharen geflüchtet. Doch das machte den Tod guter Männer nicht weniger traurig und die Verkrüppelung anderer nicht weniger schmerzhaft. Doch all das war nicht das Schlimmste. Es war der giftige Brodem der Verzweiflung, dunkle Hexerei, die von Barad-dûr ausging, der ihnen am meisten zusetzte und ihren Siegeswillen zu zerstören suchte. Er machte aus gestandenen Männern jämmerliche Gestalten, Elben wie Menschen. Lediglich die Zwerge, dickköpfig wie eh und je, schien der dunkle Atem des schwarzen Feindes wenig auszumachen, oder wenn doch, so ließen sie es sich nicht anmerken.
Dahinter kommen
Der Sieg war zum Greifen nahe. Die selbsternannten Menschen des Westens hatten in ihrer maßlosen Arroganz geglaubt, ihr einzelner Sieg bei Minas Tirith hätte ihnen den ganzen Krieg gewonnen und wollten ihn nun vertreiben. Welche Narren! Er würde sie zermalmen und aus ihren Überresten bergen, was sein war!
Schon schnappte seine stählerne Falle zu. Sie hatten keine Chance.
Doch plötzlich zerrte etwas geradezu übermächtig an seiner Aufmerksamkeit und er richtete seinen feurigen Blick auf den Schicksalsberg. Das war unmöglich! Wie konnte sich der Ring dort befinden? Da kam er hinter die Finte seiner Feinde. Verzweifelt kommandierte er seine Treuen Nazgûl ab vom Schlachtfeld, doch es sollte ihm nichts mehr nützen.
Mosaik
Mit zahlreichen Ketten gefesselt und von zahlreichen starken Soldaten bewacht, durchschritt Tar-Mairon die gewaltigen Tore des Palastes Ar-Pharazôns von Númenór. Sämtliche hohen und niederen Würdenträger des mächtigen Landes hatten sich versammelt um ihn zu begaffen und ihrem König für diesen prächtigen „Fang“ zu gratulieren. Vielmehr als für sie interessierte Mairon sich für die gewaltigen Mosaike die die Wände hinter ihnen schmückten und die Geschichte und Herkunft Númenórs erzählte. Auffallend waren die riesigen Löcher, die dort klafften, wenn die Valar oder Elben zu sehen gewesen wären. Letztere sah er vereinzelt mit anderen Menschen abgerissen aussehend die Herrem des Westens bewirten. Der Dunkle lächelte: Er würde leichtes Spiel haben, sie zu manipulieren
Durcheinander
Die Erde erbebte, als weitere gewaltige Brocken der beiden Leuchten auf die Erde hinabstürzten. Ein beonders gigantisches Stück fiel, von Ormal kommend, in den Almaren umschließenden großen See und erzeugte eine gewaltige Flutwelle, höher als alle Bäume, die Yavanna je erdacht hatte. Ulmo bot sein ganzes Können auf, um Almaren zu beschützen, doch schon im nächsten Moment schlug ein nicht minder großes Felsstück auf Almaren ein und tötete alle Lebewesen in der Nähe. Viele Maiar verzagten da und suchten Schutz, den es nicht gab, nicht jedoch Mairon, der inmitten des Chaos stand und die totale Zerstörung um sich her genoss.
Krumme Geschäfte
In den Höhen der Eisenberge flatterte eine kleine Fledermaus gegen einen gewaltigen Schneesturm an. Dass sie noch nicht erfroren, oder von den schneidenden Winden davongetragen worden war, lag lediglich an ihrer übernatürlichen Herkunft. Verloren war sie trotzdem.
Sie verwandelte sich in einen hoch gewachsenen Mann mit kupferfarbenen Haaren und scharfem Blick. „Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen“, murmelte er leise vor sich hin. „Das ist doch Wahnsinn!“ Und das war es auch.
Als er den letzten Pass zwischen zwei besonders spitz aufragenden Bergen genommen hatte, verschlug es ihm den Atem. Unter ihm klaffte ein gewaltiges Loch im Gebirge, ein riesiger Schlund aus dem es unheilvoll schimmerte. Dieses Licht, wenn man es denn so nennen wollte, zeigte die abscheulichsten Kreaturen, die man sich nur denken konnte. Verkommene Maiar und Verderbte Schösslinge Yavannas gleichermaßen, bewacht von Feuerdämonen und ihren langen Peitschen. Aus der Mitte aber schritt eine riesenhafte schwarze Gestalt, die gleichzeitig zu brennen und aus Eis zu bestehen schien, und ein Schrecken verbreitete, der selbst das wildeste Geheul der Bestien weiter unten verstummen ließ.
Ehrfürchtig sank Mairon vor ihm auf die Knie. Noch war er sich nicht sicher, ob dieser ihm geben konnte, was Yavanna und Aule ihm verweigerten. Doch in jedem Fall war es ratsam, sich gut mit ihm zu stellen, denn seine Macht war ohne Frage gewaltig.
Melkor.
„Du bist also Mairon“, dröhnte seine Stimme. „Viel haben mir meine Späher schon berichtet. Ein Maiar von großem Wissen, Geschick, List und Macht. Stärker als meine Balrogs je werden könnten und nützlicher für meine Pläne, als alle meine Späher. Wahrlich, großes sollst du in meinen Diensten leisten, und groß soll dein Lohn sein“
„Oh, größter unter den Ainur“, antwortete Mairon da, „Gewaltiges verlangt Ihr von mir und Gewaltiges mag ich leisten, doch woher weiß ich, dass ihr euren Teil erfüllen könnt?“
Melkors Stimme hallte laut von den Bergwänden um sie herum wieder.„Ha, zweifelst du, der du Utumno errblickst, an meiner Macht? Dann sollst du sie nun erkennen. Von nun an mögest du die Kraft haben, aus den Geschöpfen Yavannas eigenes hervorgehen zu lassen. Und wenn die Zeit reif ist, werde ich Ormal und Illuin selbst einstürzen lassen, zum Zeichen meiner Macht!“
Mairon verbeugte sich vor ihm, dankte ihm und schwor zu tun wie ihm geheißen, bis er den Fall der Leuchten sähe. bevor er erneut Fledermausgestalt annahm und davonflog, einem dunkleren Schicksal entgegen, welches er nun selbst besiegelt hatte.
Eierschale
„Mairon?“ Vorsichtig bewegte sich Melian durch das Dickicht. Vorsichtig, nicht weil sie fürchtete, irgendwo hängen zu bleiben, ihre Macht war groß genug, um sich ohne Probleme hindurchzubewegen. Vielmehr war es eine tiefergründige Angst, was sie finden würde. Seit Mairon von seiner Reise zu den Außenlanden wiedergekommen war, war er noch seltsamer geworden und sie fürchtete um ihn. Schon der Umstand, dass er, wenn er nicht in der Schmiede war, sich nur noch im Wald an der nördlichen Küste aufhielt und auch sie dazu bewegen wollte, bereitete ihr großes Unbehagen.
Ein äußerst unangenehmes Knacken riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte nach unten. Sie würde sich niemals so fortbewegen, das etwas unter ihrem Tritt zerbarst. Tatsächlich lag vor ihr ein kleines Nest. Auf dem Boden. Mit eindeutig deformierten Eiern. Melian ahnte übles.
Das Knacken hatte vom größten der Eier hergerührt, durch das sich ein Riss zog. Geduldig wartete Melian den Schlüpfvorgang ab, doch das Tier, welches seinen Kopf durch den Spalt schob und sich aus dem Ei befreite hatte nur entfernt Ähnlichkeit mit einem Vogel. Schlimmer noch: Mit einer Nachtigall. Grau, federlos und hässlich war es. Und es stieß furchtbare Schreie aus. „Oh, Mairon!“, flüsterte Melian entsetzt. „Was hast du getan?“
Kristallklar
Müde betrachtete Mairon die Notizen und Zeichnungen, die er zu seinem neuesten Projekt gemacht hatte. Es handelte sich um kleine Kugeln aus einem speziellen Kristall, den er nur mit Aules Hilfe hatte erschaffen können und der so durchsichtig war, dass man selbst durch fingerdicke Stücke hindurchsehen konnte, als ob sie gar nicht da wären. Gleichzeitig waren sie sehr empfänglich für die Macht, die ihr Besitzer besaß, sowie für andere Dinge aus demselben Material. Die Möglichkeiten waren unbeschreiblich, allein für die Ainur. Für die Kinder Erus gab es sicherlich ein noch viel größeres Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten.
Nur in eine solche nutzbare Form zu bringen schaffte er nicht. Sicher, einige krude Gegenstände waren ihm gelungen, doch weder waren sie besonders nutzbringend, noch wurden sie dem Material, aus dem sie bestanden, gerecht.
Nun arbeitete er stattdessen an Kugeln, eine Form, die leicht zu erreichen war. Er gedachte, mit ihrer Hilfe weit in die Ferne, bis an den Rand Ardas schauen zu können, denn selbst die Valar waren einer solchen Weitsicht nicht mächtig.
Doch funktionierte es nicht und ihm war nicht klar, warum nicht. Schließlich seufzte er laut und beschloss, das Projekt auf unbestimmte Zeit ruhen zu lassen und bei Melian Ruhe zu suchen.
Lass mich nicht los
Die gewaltigen Trümmer der Leuchten rissen schreckliche Furchen in die Erde Almarens, die bis zu den Wurzeln Ardas herabreichten und sich mit Feuer und flüssigem Gestein füllten.
Um der furchtbaren Feuersbrunst zu entgehen, der nur die Valar standhalten konnten, nahm Mairon die Gestalt der Fledermaus an, schwang sich in die Luft und wandte sich nach Nordosten. Er war dem schlimmsten Chaos schon beinahe entronnen, als er am Boden eine Nachtigall erblickte, die halb von einem Felsbrocken eingeklemmt wurde, unfähig sich zu befreien, oder in die Frau zurückzuverwandeln, die er so sehr liebte. Ohne zu zögern änderte er seinen Kurs, landete und begann, den Fels zu verschieben, noch ehe er ganz zurückverwandelt war. Von ihrer steinernen Kette befreit, konnte Melian wieder ihre Hauptgestalt annehmen, doch war sie sehr geschwächt und nicht in der Lage zu fliegen.
„Danke“, murmelte sie leise.
Mairon wusste, dass sie es zu Fuß nicht schaffen würden. An immer mehr Stellen brach die Erde auf. Und die schlimmste Gefahr war nicht einmal das Feuer. Sondern das, was darin lebte.
Da bot er seine ganze Macht und sein ganzes Wissen auf und schuf sich mit den dunklen Hexenkünsten, die Melkor ihn gelehrt, den Körper einer riesigen, fliegenden Echse, furchtbar zu schauen.
„Steig auf, und lass mich nicht los!“, hieß er Melian und schwang sich in die Lüfte, weg von allem Chaos.
Dreck
Wo immer der dunkle Herrscher seinen Fuß setzte, verdarb er alles, was sich dort befand. Das Land trocknete aus, und was an Wasser blieb verdreckte. Pflanzen gingen ein oder mutierten zu aggressiven, giftigen oder dornigen Gewächsen, Tiere starben massenweise und alle Menschen die davon tranken wurden schwer krank. Dies führte zu dunklen Ritualen, in denen die Männer Khands und Rhûns dieses Wasser tranken, um ihre Stärke zu beweisen. So wurde ein Schlag großer und hässlicher Menschen mit gelblich-brauner und wulstiger Haut herangezüchtet, um sich gegen die dunklen Haradrim, als auch die edlen Menschen von Gondor zu verteidigen und anzugreifen.
Vermögen
Unablässig kreisten Saurons Gedanken. Wenn er noch eine Gestalt hätte annehmen können, so wäre er nun auf und ab gegangen. Konnte er aber nicht, nicht die kleinste Ablenkung war ihm gestattet.
Der Drache, der vor kurzem im Norden aufgetaucht war und den Einsamen Berg verwüstete, könnte ein extrem nützlicher Verbündeter werden, wenn er sich erneut erhob. Doch wie ihn überzeugen? Der Wurm hatte bereits alles Gold der Region, und auch wenn seine Goldgier sicherlich unersättlich war, so würde er seinen Stolz nicht für das wenige Ostlinggold mehr herunterschlucken. Es also doch lieber so einfädeln, dass dieser sich von allein mit den freien Völkern anlegte, um selbst als lachender Dritter daraus hervorzugehen?
Die Sinne rauben
Groß und boshaft stand Sauron in den Kellergewölben des Hauses der Gwaith-i-Mírdain, die nach dem Fall von Ost-in-Edhil zu seiner persönlichen Folterkammer umfunktioniert worden waren.
„Ich wiederhole mich nur ungern,``Schmied´´“, sagte er ruhig. „Wo sind die Ringe?“
„Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst, Gorthaur. Was die Zwerge mit den ihren gemacht haben, interessiert mich nicht und die neun hast du genommen. Ich … Aahhh!“
Celebrimbor brüllte vor Schmerzen.
„Lügner!“, grollte es durch den Raum. „Du hast noch drei gefertigt, ich habe es gespürt! Aber gut, fangen wir mit den Zwergenringen an. Das wird eine lange Nacht werden …“
Und das wurde sie, bevor Celebrimbor endlich in eine gnädige Ohnmacht fallen durfte.
Akte
Akte. Das Wort beschäftigte Mairon schon seit Wochen. Es war unheimlich vielfältig. Ein solches Wort besaß die Schwarze Sprache nicht. Woher hätte er das auch wissen sollen? Selbst im Valarin gab es kein so überaus nützliches Wort und davor waren Worte generell nicht nötig gewesen. Unter den Númenorern jedoch gab es ihm das, was auf dieser von Eru selbst verdammten Insel als einziges zählte: Macht.
Es beschrieb perfekt seine Grundprinzipien. Akte, wie die Buchhaltung, die diese schwachen Menschen betrieben, um sich mächtig gegenüber noch schwächeren Menschen zu machen, die das nicht taten. Sie würden nie verstehen was wahre Macht ist. Deshalb verstanden sie auch die zweite Bedeutung nicht.
Akte, wie die Bruchstücke des gespielten Lebens, dem sie sich in ihren Musikhäusern so gerne hingaben, ohne zu begreifen, dass sie selbst genauso Marionetten waren, gespielt von anderen Marionetten, denn alle Fäden liefen irgendwann bei Ar-Pharazôn zusammen, und er selbst, Tar-Mairon kontrollierte ihn. Es war so einfach.
Und dann gab es noch die dritte Bedeutung. Fast sofort musste er an Thuringwethil denken und fast automatisch begannen seine Eckzähne zu wachsen.
„Reiß dich zusammen!“, fauchte er sich selbst an. Niemals durfte er den Númenorern Anlass geben, ihn nicht als einen ihresgleichen zu sehen. Das war Gift. Doch solange sie es taten, kontrollierte er sie mit sienen Akten. Und das würde schlussendlich ihr Verderben sein.
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Kapitel: | 9 | |
Sätze: | 230 | |
Wörter: | 3.786 | |
Zeichen: | 22.421 |
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