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Kapitel: | 2 | |
Sätze: | 50 | |
Wörter: | 1.770 | |
Zeichen: | 10.159 |
Am Rande des Pfades kämpft sich die gelbe Blüte eines Krokus ans Sonnenlicht und verkündet das Nahen des Frühlings. Eine unbedeutende Randnotiz in einem Land, in dem die Bäume silber und ihre Blätter golden sind.
Galadriel läuft diesen Pfad entlang, doch sie beachtet den mutigen Frühblüher nicht, denn vor einigen Stunden hat sie eine Nachricht erreicht, die das Eintreffen einer Vorhersage aus ihrem Spiegel verkündet. Einer der eher unangenehmen Art.
Zuerst waren die Bilder vor Jahren aufgetaucht, als Sauron als Nekromant getarnt in Dol Guldur seine Kräfte sammelte und der Weiße Rat noch lange diskutierte, ob dies eine wirkliche Bedrohung war, die man unterbinden musste.
Der Spiegel hatte ihr einen unbekannten jungen Mann gezeigt, dessen númenorische Abstammung ihm ins Gesicht geschrieben stand, und an seiner Seite war ihre Enkelin Arwen. Und mit ihm die Bilder der Zerstörung der Reiche der Menschen, Elben und Zwerge, Bilder von grausamen Armeen Saurons, wie sie schlussendlich den Sieg gegen die freien Völker davontrugen, aber gleichzeitig auch Bilder, auf der dieser Mann die Menschen vereinte, Sauron fiel und der Mann die Krone Gondors annahm und ein neues Zeitalter einleitete.
Ihre Schritte führen sie weiter, zwischen Bäumen hindurch zu einem bestimmten Baum, und als sie die Leiter erreicht, ist es ein Leichtes für sie, die Stufen zu erklimmen. Aber das ist es für alle hier.
Sie sie weiß, dass selbst wenn Sauron fallen sollte, ihr Volk in den kommenden Zeitaltern nur eine Randnotiz werden wird, dass jedes Ende dieses aufziehenden Krieges nur dazu führt, dass die Heimat, die sie sich so mühsam aufgebaut hat, bald nur noch ein Schatten in Erzählungen sein wird. Dass die Macht Nenyas schwindet, wenn Sauron und der Eine vernichtet werden.
Sie erreicht ein talan, auf dem nur wenige Zutritt haben, denn in den Kisten, hier lagern Schätze aus vergangenen Altern, die das Versinken Beleriands überlebt haben.
Heute ist der Tag, an dem der Bote des Untergangs wie sie ihn in schweren Stunden, wenn niemand ihre Gedanken hört, und sich Dunkelheit über ihr Herz schleicht, nennt, vor ihrem Tor stehen wird.
Beschreibungen, die von den Grenzposten gegeben wurden, passen zu den Bildern in ihrem Spiegel, und sie weiß, dass er es ist, der sich nach seiner Zeit in den Armeen Gondors, der weiten Reise in den Süden und durch Mordor schließlich wieder auf dem Weg in seine Heimat in Elronds Haus befindet.
In manchen schwachen Momenten fragt sie sich, was passieren würde, verschwände er im Wald. Was wäre, wenn sie ihre Tore nicht öffnete, seine schicksalsträchtige Begegnung mit Arwen unterbände, bevor sie möglich würde.
Aber sie ist besser als das. Zu sehr hasst sie Sauron für alles, was er getan hat. Für den Tod ihres Bruders, und für die Existenz der Werwölfe. Für Ost-in-Edhil, und Númenor, und die ungezählten Menschen und Elben und Zwerge, die vor und während und nach der Schlacht des letzten Bündnisses ihr Leben ließen. Aber auch für die Ringgeister und die Kriege mit Angmar - und für die Ringe, die zwar für den Moment Macht verliehen, sie aber schnell genug wieder nehmen konnten.
Galadriel hasst Sauron mehr, als sie den Verlust ihrer Enkelin hassen wird, weil sie weiß, dass, sollte der Mensch Erfolg haben, Arwen wenigstens für einige wenige Menschenjahre glücklich sein wird, und auch, weil es - so schmerzhaft dies auch sein mag - Gutes hervorbringen wird. Sie hasste ihn mehr, als sie den Verlust ihrer Freiheit je bedauern könnte.
Denn nichts anderes wird aus diesem Krieg folgen: Sie wird sterben oder aus freiem Willen in den Westen gehen, denn mit jedem Tag, den sie dann noch an diesem Ufer verbringt, schwindet ein Teil ihrer Macht, und sie ist nicht bereit zuzulassen, dass sie irgendwann zum körperlosen Geist wird. Bis irgendwann nichts mehr von ihr übrig ist.
Ihre Hand kommt auf einer Kiste zum Liegen, sie öffnet sie vorsichtig, und was sie sieht, lässt ihre Gedanken schweifen, in eine Zeit, in der das Innenliegende noch nicht erschaffen war.
Zurück in die Zeit der Verdunkelung Valinors, die brodelnde Unzufriedenheit der Noldor, die dafür sorgte, dass Morgoths Lügen auf fruchtbaren Boden trafen. An die Taten, die danach gefolgt waren.
Die Motive der Feanors und seiner Halbbrüder hatten vor ihr ausgebreitet gelegen, klar und deutlich, und sie hatte die Seite des Feuergeistes gewählt, denn seine Ziele entsprachen den ihren, auch wenn sie sonst keine Liebe und wenig Achtung für ihn spürte. Sie hatte die Verbannung gewählt, weil die Valar trotz der Unterschiede über die Eldar herrschen wollten, und sie niemand war - niemand ist - der sich gern beherrschen lässt. Weil die Verbannung Freiheit bedeutete, und die Herrschaft der Valar sie eingeengt, ihr Möglichkeiten geraubt hatte.
Sie weiß nicht, ob sie wirklich zurückkehren will. Vielleicht wäre einiges anders. Vielleicht haben die Valar erkannt, warum es zu jener Zeit zu dem Bruch gekommen war. Vielleicht beeindruckten Galadriels Errungenschaften nun mehr als ihre Schönheit, denn sie war weit gekommen. Regierte ihr eigenes Land, durch Zeitalter des Schattens und am Ende stand sie noch. Hatte drei Zeitalter überlebt, während andere - Mächtigere - kaum ein Zeitalter überstanden hatten. Hatte Ereignisse gesehen, die viele nur von Vaires Teppichen sahen, auch wenn sie manche Erinnerungen gern aus ihrem Kopf löschen würde.
Galadriel nimmt einen tiefen Atemzug, holt ihre Erinnerungen wieder ins Hier und Jetzt. Bald wird der Mann die Tore Caras Galadhons durchschreiten, und es ist besser, wenn er lebt. Noch immer besteht die Chance, dass die Sache mit Sauron ein erstrebenswertes Ende nimmt. Dass Sauron vernichtet wird, und seine Armeen mit ihm. Dass die, die danach begehren, in Frieden leben können, und die dunkle Sprache und die Horden von Orks sich nicht über Mittelerde ausbreiten. Vielleicht wird Nenya den Krieg überdauern.
Sie nimmt den Inhalt aus der Schatulle und trägt ihn zu dem talan, in dem der Mensch schlafen wird, platziert ihn auf der Kleidung, die sie für ihn hat bereitlegen lassen.
Als Aragorn, der Fremde aus dem Spiegel, Waldläufer, Dunadan, der in seiner Jugend auch Estel genannt wurde, begleitet von Wachen durch das Tor tritt, sieht sie schwere Linien in seinem Gesicht, die von Müdigkeit vom Krieg, vom Tod, von ungezählten Kämpfen zeugen, und Galadriel weiß, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hat.
Auf dem talan, das für ihn vorbereitet ist, findet er auf seiner Kleidung einen grünen Edelstein an einem Stirnreif.
Denn vielleicht wird dieser erschöpfte Mann irgendwann wie der Krokus das Ende des Winters einläuten.
Der Himmel färbt sich orange, und noch immer hat sich Nerdanel nicht ganz daran gewöhnt, dass er zweimal täglich diese Farbe annimmt. Manchmal, an schlimmen Tagen, fragt sie sich, ob sie nicht auch ein Bisschen Verantwortung hat für das, was passiert war. Nicht den Bäumen, aber alles danach.
Als sie jünger war - als die Bäume strahlten, und ihre Liebe brannte, war sie sicher gewesen. Fühlte sich unbesiegbar, und der Mann an ihrer Seite erweckte ein Feuer, das sie antrieb.
Manchmal wünscht sie sich, dass sie niemals auf diesen jungen Elben getroffen wäre, der ihr so viele schöne Worte und noch schönere Schmuckstücke und Edelsteine und Küsse schenkte, denn noch heute vermisst sie ihn. Manchmal fühlt sie sich schuldig für das, was geschah. Glaubt, dass sie ihn hätte aufhalten können, wäre ihr die Stärke der aufflammenden Wut bewusst gewesen, hätte sie die Anzeichen richtig gedeutet. Aber sie weiß, dass die Ereignisse nicht in ihrer Verantwortung lagen. Dass der losgebrochene Sturm von niemandem hätte aufgehalten werden können, dass ihre beschwichtigenden Worte in nächtlichen Auseinandersetzungen das Unvermeidbare nur aufgeschoben hatten. Rational betrachtet.
Ihr kleiner Sieg ist, dass sie ihrem Mann nicht folgte, auch wenn es Tage gibt, an denen sie es bereut. An denen sie sich fragt, ob sie vielleicht den Verlauf der Dinge hätte ändern können, wäre sie an seiner Seite gewesen.
An guten Tagen ist sie froh, dass sie noch an diesem Ufer war.
Nerdanel hat es nie über sich bringen können, nach Mandos zu gehen, hat es nie geschafft, Vaire nach den Wandteppichen zu fragen, konnte nie den Mut aufbringen, mit eigenen Augen zu sehen, was dort, auf der anderen Seite des Ozeans, passiert war.
Aber Nachrichten verbreiten sich, und so hatten die mitleidigen Blicke, die Nachfragen, das Getuschel im Hintergrund ihr mehr verraten, als sie wirklich wissen wollte.
Und ihr war klar geworden, dass er tot war. Dass Hitzigkeit und Übermut ihm schließlich das Leben kosteten.
Verbannt in die Hallen für die Ewigkeit, oder was auch immer das in diesem Land bedeutete, wegen eines Eides, in Wut geschworen, und manchmal hasste sie ihn dafür, dass er ihre Kinder mit hineingezogen hatte. Hasste mit brennendem Herzen, aber vielleicht hatte sie auch schon immer geahnt, dass es mit ihm enden würde, wie es begann: In einem grandiosen Feuer.
War es nicht die rebellische Art gewesen, die sie so angezogen hatte? Der scharfe Intellekt, der alles hinterfragt hatte, auch die Valar und die von ihnen gegebenen Regeln?
Sie war jung gewesen, jung und verliebt, übermütig. Sie hatten geglaubt, ihnen würde die Welt gehören, und ... wäre sie wieder jung, und ihre Blicke würden sich erneut kreuzen, selbst mit den Erfahrungen und dem Schmerz der vergangenen Jahre - sie würde ihn wieder wählen, unter all denen, die ihr begegnet waren.
Und doch -
Abrupt wendet sie sich ab, als ein Rascheln aus den Büschen hinter ihr ertönt, als jemand auf die kleine Lichtung in dem Garten tritt.
"Nerdanel!", erklingt eine Stimme, beruhigend, tief, die eine angenehme Gänsehaut auf ihrem Rücken verursacht.
Sie hätte sich nicht umsehen müssen, um die große, blonde Frau zu erkennen, der zu ihr getreten war.
"Kommst du? Es ist bald Essenszeit, und manche Leute hier machen sich Sorgen um dich!" Sie grinst schief, und Nerdanel kann sich denken, wen sie mit "manche Leute" meint.
Sie dreht sich um, blickt in graue Augen und vergisst, dass sie nicht mehr so fühlen wollte.
"Gleich. Bleibst du einen Moment?"
Die Frau nickt, tritt näher an Nerdanel heran, und sie greift nach ihrer Hand, während die Sonne endgültig am Horizont versinkt.
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Mephistoria • Am 06.06.2019 um 6:56 Uhr • Mit 1. Kapitel verknüpft | |
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