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Würdest du das Geschehene ändern?

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24.06.17 23:49
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Würdest du das Geschehene ändern?

Der Wind ging durch die Bäume, ließ Äste sich bewegen und Blätter zu Boden gehen. Der heutige Tag war ein stürmischer und doch, war es gut so. Unbändige Hitze oder Eiseskälte hätten irgendwie nicht ganz ins Bild gepasst. Das Rauschen des Windes übertönte jeden Gedanken.

 Wenn er ganz ehrlich zu sich war, dann war Bertolt dankbar dafür. Die Gedanken, seine Gedanken, waren in letzter Zeit kaum erträglich gewesen.  Jede einzelne Erinnerung war voller Reue. Er bereute eine Menge seiner Taten. Bereute, dass er seine Freunde hintergangen, Marco umgebracht und die Mauer zerstört hatte. In seinem kurzen Leben fügte er bisher anderen mehr Leid hinzu, als dass er jemanden behilflich gewesen war. Genau da lag das Problem. Ein Gedanke, eine Erkenntnis, die ihn zur Einsicht gebracht hatte, die ihn sich selbst hassen ließ und die ihn quälte. Bertolt seufzte. Es brachte nichts, jetzt verrückt zu werden. Sie, Reiner und er, hatten noch eine Mission zu erfüllen. Eine letzte Schlacht, die jede weitere Handlung entscheiden würde. Sie mochten nicht im Vorteil sein, aber genauso wenig, waren sie im Nachteil. Würden sie gewinnen, erhielten sie nach fünf Jahren endlich das Recht, nach Hause zurückzukehren.  Fünf Jahre, die sich wie ein ganzes Leben angefühlt hatten. Jahre, in denen sie ihre Rollen, der unschuldigen armen Menschen, die ihr Zuhause  durch den Mauerfall verloren haben, perfekt gespielt hatten. In denen sie Freundschaften geschlossen hatten, die zum Scheiter verurteilt gewesen waren und in denen er selbst nichts als Hass empfunden hatte.  Der braunhaarige fuhr sich eine seiner Strähnen aus dem Gesicht. Vielleicht jammerte er bloß zu viel rum. Wahrscheinlich war es so. Schließlich gab es tausende, denen es schlechter ging als ihm.

Eine Hand, die behutsam auf seiner Schulter lag, weckte ihn aus einer Trance. Eigentlich hätte er sich nicht mal umdrehen müssen, um zu wissen, dass die Hand auf seiner Schulter zu Reiner gehörte. 

Sein Blick suchte sogleich den Reiners. Die bernsteinfarbenen Augen des anderen strahlten Besorgnis aus. Bertolt hätte ihm diese Sorgen gerne genommen, indem er sage, dass alles gut sei, aber er konnte nicht. Es wäre eine Lüge gewesen und das hätte auch Reiner gewusst. Zwischen ihnen herrschte Stille. Eine, der unangenehmen Art. Sie zu brechen war nun wirklich nicht anstrengend, allerdings beschlich den jüngeren das Gefühl, dass es nicht verkehrt wäre, wenn es einfach so blieb, wie es war. Die Kraft sich zu überwinden war einfach nicht da.  Er wandte seinen Blick ab, beobachtete nun die Zweige, die im Wind raschelten. Sie trugen grüne Blätter und trotz der Kraft des Windes hielten die Äste stand und brachen nicht. Hier und dort flog mal ein Blatt nach dem anderen herab, aber die meisten blieben an ihrem Platz.

Letztlich war es Reiner, der die Stille brach: »Bertolt, was ist los? Worüber denkst du nach, dass es dich so fertig macht? Du weißt, uns steht ein wichtiger Kampf bevor. Verschwende deine Gedanken jetzt nicht mit sinnlosen Dingen« Sinnlos. Sicher war es das nicht.  Zwar waren seine Gedanken nicht optimal, aber sie  waren gewiss nicht sinnlos. Für ihn war es wichtig, sich über seine Taten im Klaren zu sein.  Der braunhaarige wusste zwar nicht genau wieso, aber die Worte seines Freundes versetzten ihn in Rage. Bereute Reiner denn nichts? Doch, sicher sogar, also wie ging er damit nur um? Er musste doch dieselben Gedanken gehabt haben.

Lange stellte er sich schon diese Fragen, versucht eine Antwort zu finden, hatte er jedoch nie wirklich. Stets war er dieser Konfrontation aus dem Weg gegangen, weil er sich nicht zugetraut hatte, ein solches Gefühlschaos durchzustehen. Nun aber wurde ihm das Ganze zu viel. In all seiner Unsicherheit fasste er nun endlich den Mut, die Fragen zu stellen, die er seinem Partner schon längst hätte stellen sollen: »Reiner, wie kannst du mit all dem leben? Wir haben so viele Menschen umgebracht, haben unsere Freunde leiden lassen und das alles wofür? Wir haben unsere Kammeraden verloren. Wir haben Annie verloren. Ymir hat uns helfen müssen. Sie ist mitgekommen, obwohl sie wusste, dass sie sterben wird. Wozu? Wozu haben wir das alles getan? Für welchen Preis?«, Bertolt beruhigte sich ein wenig, diesmal bereit, nur die Fragen zu stellen, die ihm wirklich wichtig waren und auf die er unbedingt eine Antwort brauchte »Wenn du von Anfang an frei gewesen wärst und die Chance dazu gehabt  hättest, hättest du alles  so gemacht, wie jetzt? Hättest du diese Menschen getötet oder wärst du einfach gegangen? Könntest du heute ein weiteres Mal wählen, würdest du das Geschehene ändern?« Geschockt blickte sein Freund zu ihm hoch. Der blonde schluckte, wirkte nachdenklich, geradezu so, als hätte man ihm  die schwerste Frage gestellt, die man hätte stellen können. Eventuell war sie es sogar. Bertolt war in der Lage zu hören, wie sein Gegenüber scharf die Luft einzog, ehe dieser seine Augen schloss. In seinem ganzen Gesicht sah man Anstrengung und Unwissenheit. Reiner fehlten die richtigen Worte, um die Fragen die ihn erstellt worden waren zu beantworten. An sich war die Antwort nicht schwer, jedoch war es schwer, sie zu formulieren.

Bertolts Blick galt den Boden. Warum hatte er überhaupt versucht, eine Antwort zu erhalten? Womöglich hätte er lieber schweigen sollen. Letzten Endes brachte es ihm nichts. Er war um kein Wissen reicher, als zuvor und zudem war seine einzige Errungenschaft, die Ratlosigkeit seines Freundes.

Mit einer Antwort hatte er längst nicht mehr gerechnet, aber meistens geschehen wichtige Dinge genau dann, wenn man sie am Wenigsten erwartet. »Ich hätte, denke ich, nicht alles so gemacht wie jetzt… Ich… Ich hätte all diese Menschen nicht umgebracht. Ich wäre einfach gegangen. Aber sicher nicht ohne dich oder Annie! Weißt du, Bertolt, vieles, von dem was wir getan haben, hätte sich vermeiden lassen und ja, sicher, einige dieser Tode hätte man verhindern können, dennoch, ich bin der Meinung, dass es, so wie es jetzt eben ist, notwendig war. Es bringt nichts, sich zu fragen, was wäre wenn. Geschehen ist geschehen und wir können es nicht mehr rückgängig machen und das ist das Wichtige. Gerade deshalb, ist es umso wichtiger, dass wir das Hier durchstehen. Glaube mir, die letzten fünf Jahre waren nicht völlig umsonst… Wir haben das alles für unsere Familien getan, die anders nicht mehr als Dreck gewesen wären und wir haben es für unser Leben getan. Ich weiß, dass du auch endlich in Frieden leben willst. Nach diesem Kampf, werden wir diesen Frieden haben. Nach diesem Kampf werden wir endlich unsere Familien wiedersehen. Wenn wir gewinnen, dann ist es endlich vorüber.« Reiner schaute ihn direkt an und Bertolt wusste, dass sein Partner und Freund recht hatte. Genauer gesagt, waren die Sätze wohl alles, was er  hören wollte und gebraucht hatte. Im Nachhinein betrachtet, war es ihm wirklich unangenehm, nicht mehr an seine Familie gedacht zu haben. Die Menschen, die er liebte und für die er damals jede Schwierigkeit auf sich genommen hatte. Es waren Momente wie diese, in denen er wirklich froh war, einen Freund, wie Reiner, an seiner Seite zu wissen.

Die Schuldgefühle würden nicht verschwinden, aber man konnte sie lindern. In seinem Leben hatte er bisher eine schlechte Tat nach der anderen vollbracht und dabei vergessen was für ihn einst wichtig gewesen war. Hilflos konnte er nur nicken. »Ja, stimmt. Wir können nicht ändern, was bereits geschehen ist, aber wir können trotzdem versuchen, das Beste daraus zu machen.«

Ob sie den letzten Kampf gewinnen würden konnte er nicht sagen, aber er war sich in einer Sache sicher. Zusammen würden sie es, wie auch all die letzten Jahre, durchstehen.

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Bloonas Profilbild
Bloona Am 25.06.2017 um 21:55 Uhr
Hey,
ich hab mir vor kurzem erst den Anime angeschaut und war sofort Feuer und Flamme. Ich mag deinen One-Shot.
Gerade die Sicht von diesen beiden Charakteren fand ich sehr interessant. :)
Viele Grüße
Bloona
BlueDreams Profilbild
BlueDream (Autor)Am 26.06.2017 um 21:31 Uhr
Hi,
vielen lieben Dank für den Kommentar. :)
Ich freue mich sehr, dass der One-Shot dir gefallen hat.
Ich persönlich finde, dass die Sichtweise der Beiden gerade im Anime viel zu kurz kommt.
Grüße zurück,
BlueDream

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Sätze: 95
Wörter: 1.331
Zeichen: 7.679

Kurzbeschreibung

Reiner und Bertolt steht der wichtigste Kampf in ihrem Leben bevor. Ein Kampf, der über ihre gesamte Zukunft entscheiden wird. Somit ist es wohl nicht undenkbar, dass Bertolt gerade zu diesem Zeitpunkt besorgt ist. Mit Reue, Angst und Hass kommen auch Zweifel und Fragen und manchmal sind Antworten auf eben diese Fragen alles, was man braucht.

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