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Sätze: | 72 | |
Wörter: | 913 | |
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„Das Messer sollte etwas weiter seitlich angesetzt werden, an der Keule – ja – nein, nein, nicht so!“
„Weißt du was?! Mach es doch einfach selbst!“ Ein lautes Klirren ertönte, danach beleidigte Funkstille. Die Kerzen flackerten träge und warfen stilvolles Licht auf die silbernen Besteckteile, die einzelne Rose in ihrer Vase und das angerichtete Fleisch neben einer Schüssel dampfender Beilagen.
Violet, heute in einem schwarzen Samtkleid, die grauen Haare sorgfältig zu einer Hochfrisur gesteckt, versuchte es versöhnlich: „Tranchieren ist nicht so einfach, vielleicht werde ich das jetzt in die Hand nehmen. Bei so einem guten Stück Fleisch muss man eine gewisse...“
„Natürlich, du kannst ja sowieso immer alles besser nicht wahr? Darauf läuft es doch hinaus! Du lässt uns nie etwas anfassen, weil wir ja sowieso immer alles falsch machen, oder zerrst es uns mittendrin aus der Hand!“ - „Es verdirbt uns das gute Essen, wenn erst alles kalt wird ehe wir überhaupt dazu gekommen sind, eine Keule auszulösen, meine Liebe!“ - „Würdest du nicht immer bei allem dazwischenfunken, ginge auch einfach alles viel schneller, auch ohne deine tolle wertvolle Hilfe!“ Meredith, die zwischen den zwei Streithähnen hin und hergeblickt hatte, seufzte. Sie nahm einen Schluck von ihrem Rotwein und achtete penibel darauf, dass die langen Ärmel ihres Kleides nichts vom Tisch fegten.
Prüfend hielt sie eine Hand über die Beilagen, die in ihren Servierschüsseln abkühlten, während neben ihr der Streit weiter tobte. „Vergessen wir bitte nicht, meine Liebe, wer hier der Gastgeber ist. Das ist immer noch mein Haus und...“, begann Violet, kam aber nicht zum Ende, weil Clementine, heute in einem pompösen roten Kleid, mit einer ihrer kleinen, zierlichen Fäuste auf den Tisch hieb, dass es schepperte. „Das lässt du uns aber auch nie vergessen, dass du hier diejenige mit dem fetten Haus und dem dicken Bankkonto bist, oder?“ Meredith hielt es für angebracht jetzt doch beschwichtigend einzuschreiten. „Es ist doch nicht wichtig, in wessen Haus wir uns treffen.“ „Natürlich ist es nicht wichtig. Nun, es ist hier zwar definitiv sauberer und geht im Allgemeinen etwas gesitteter zu...“ - „Was willst du damit andeuten, Violet?“ Meredith war auf einmal nicht mehr so freundlich.
„Dass das Essen in einer, nunja, wie sagt man, Höhle in der Wildnis vielleicht nicht ganz standesgemäß für ein Mondscheinmahl ist. Ein gewisser Stil sollte doch...“ „Hörst du was sie da sagt?“, Clementines Stimme überschlug sich beinahe, „Hast du das gehört Meredith?“ - „Ich bin nicht taub.“ - „Was soll das denn jetzt wieder heißen, hä?“ - „Es ist nicht jeder an so einen Lärmpegel wie du gewöhnt, Clementine, das ist alles.“ - „Richtig, wir können uns durchaus auf einem kultivieren Sprachniveau bewegen, nicht wahr Meredith“, fiel Violet ein.
„Wenn wir uns denn in einer vererbten Villa befinden sollten, liebste Violet“, giftete Meredith zurück, die die Anspielung auf ihre Höhle noch längst nicht vergessen hatte. „In der Villa eines Ex-Mannes, den man eigenhändig abserviert hat“, trumpfte Clementine auf und nahm erneut das Tranchierbesteck zur Hand, aber Meredith packte es nun ebenfalls und versuchte es ihr aus der Hand zu ziehen. „Lass das jetzt endlich Violet machen, wir kommen ja sonst nie zum Essen!“ - „Was? Bist du jetzt etwa auf ihrer Seite? Das ist ja sowas von typisch! Ich habe...“ Während die zwei rangen, stand Violet nun ebenfalls auf und versuchte, das Messer zu ergattern, kam aber gegen Clementines Armmuskeln nicht an und zerrte hilflos an den zwei anderen Frauen. Obwohl sie hin und her geschüttelt wurde versuchte sie immer wieder, sich zu artikulieren, auch wenn die Kraftanstrengung ihr sichtlich die Luft raubte.
„Das hier - ist ja wohl - immer noch - mein - Haus!“ Das Ergebnis all dieses Ringens war schließlich, dass Clementine das Besteck entnervt los ließ, Violet abrutschte, Meredith weiter zog und das Tranchiermesser mit einem klirrenden Geräusch in einer dunklen Zimmerecke verschwand. Die große Standuhr im Raum schlug laut und gravitätisch zwölf mal. Betreten sahen sich die drei Frauen über dem fast kalten Essen schweigend an. „Das darf doch nicht wahr sein... wir haben das Mondschein-mahl vermasselt... was sind wir nur für Hexen...!“, stammelte Clementine.
Meredith fühlte betreten den saftigen Braten, den sie sich extra gefangen hatten um ihn den dunklen Mächten zu opfern, eine zweiköpfige Ziege, der schon fast kalt war.
„Das wird der dunkle Herr nicht so einfach hinnehmen.“ Überraschenderweise war es Violet, die das betretene Schweigen brach. „Naja, es könnte durchaus schlimmer sein. Ich habe hier drei Ehemänner begraben, was macht da ein fehlgeschlagenes Ritual schon. Wärmen wir die Ziege eben nochmal auf.“
„Wir könnten sie in die Mikrowelle packen!“, schlug Clementine vor. Meredith hätte sie am liebsten unter dem Tisch getreten, und Violet erwiderte streng: „Was? In der Mikrowelle?“ Sie schüttelte den Kopf. „Liebes, in der Mikrowelle wird Ziege zäh wie Leder, glaube mir! Ich schlage vor, wir lassen uns von einem Küchenmädchen den Ofen anheizen und singen derweil ein paar nette Lieder zur Huldigung des dunklen Herren.“
„Und ich würde sagen, für das nächste Mahl fangen wir uns ein Kind, wenn wir dieses Mal mit einer aufgewärmten Ziege durchkommen wollen“, seufzte Meredith. „Aber das tranchiere dann ich, oder?“ Meredith und Violet warfen Clementine einen eisigen Blick zu.
„Na schön, dann nicht.“
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