Prolog
„Wie oft habe ich dir schon erklärt, warum das so wichtig ist?"
Lucius sah von oben auf seinen Sohn herab. Allmählich war er wirklich zur Genüge von ihm genervt.
Es waren momentan Sommerferien, dass fünfte Schuljahr war beendet. Der Abschluss rückte immer näher. Jeder freute sich auf diesen Moment. Nur Draco nicht. Für ihn war seine Zukunft bereits vorherbestimmt worden. Er würde den Platz seines Vaters einnehmen, einer von Voldemort‘s Anhängern werden. Die rechte Hand Voldemort‘s traf es wahrscheinlich eher. Er wollte eine Familie gründen. Den Spaß am Leben haben und eigentlich wollte er sogar in Snapes Fußstapfen treten, als Lehrer von Zaubertränke oder Verteidigung gegen die dunklen Künste.
Seine Eltern wussten davon nichts. Momentan führte ohnehin alles zu Diskussionen mit seinen Eltern. Daher vermied er es lieber gewisse Themen anzusprechen. Beinahe jedes Thema. Jedes Mal als er ein Thema angesprochen hatte, ließen seine Eltern nicht mit sich reden. Narzissa, seine Mutter, machte dicht. Lucius erst Recht. Er schickte Draco regelrecht Drohungen, sodass Draco nichts anderes übrig blieb, als zu gehorchen.
Seit dem letzten Schuljahr hatte er Zweifel seinem Vater gegenüber. Lucius war bei dem Angriff im Zaubereiministerium dabei und aktiv gewesen. Bellatrix hatte Harry‘s Onkel getötet. Zwar konnte Draco Harry ebenfalls nicht leiden und hasste ihn, dennoch würde er ihn niemals töten. Andersherum wollte er aber auch seine Familie nicht verlieren. Sie hatten viele Fehler, aber dennoch waren es seine Eltern. Seine Erzeuger.
Er zögerte nicht lange und folgte seinem Vater durch einen dunklen Raum, in dem lediglich ihre Schritte und das Zischen einer Schlange zu hören war. Nagini. Der dunkle Lord war bereits anwesend. Mit jedem Schritt fühlte sich Draco unbehaglicher. Entweder er schloss sich an oder er wurde von seiner Familie verstoßen. Das war eine klare Ansage und Draco musste nicht lange überlegen. Seine Entscheidung stand fest, ob es ihm nun gefiel oder nicht.
„Beweg dich, Draco! Ein wenig schneller", murmelte Lucius in die Dunkelheit hinein. Draco kam seiner Forderung nach und langsam kamen sie dem erleuchteten Saal näher. Einzelne Köpfe waren bereits zu erkennen sowie das schrille Lachen von Bellatrix zu hören.
Draco straffte seinen Rücken und betrat den Saal. Der Frau, die über dem Tisch mit Hilfe eines Zaubers schwebte, nahm er zwar wahr, aber er versuchte ihr keine Beachtung zu schenken.
Lucius nahm auf seinem Platz neben dem dunklen Lord Platz und Draco setzte sich zwischen seine Eltern. Beide musterten ihn misstrauisch. Er versuchte jedoch seine Maske zu wahren, sodass niemand seine Angst darunter erkennen konnte.
„Draco ...", säuselte Voldemort. „Wie schön, dass du dich endlich zu uns gesellst."
Draco sah den dunklen Lord an. Seine ergraute Hand, zwei Striche, die er anstatt einer Nase hatte. Die langen, spitzen Fingernägel, der skrupellose Blick. Mit einer schnellen Handbewegung seines Zauberstabs brach er der schwebenden Frau das Genick und ließ sie auf den Tisch fallen.
Draco konnte seine Mimik zwar aufrechterhalten, dennoch lief ihm ein Schauer über den Rücken. Früher hatte er gedacht, dass er nichts fürchtete, aber jetzt? Es war, als würde sein Leben mit Vollkaracho gegen eine Wand brettern.
„Ich hoffe doch, dass du dich uns anschließen wirst."
Draco nickte und fügte schließlich ein selbstbewusstes: „Ja, Meister hinzu."
Auf Voldemorts Lippen erschien ein zufriedenes, dennoch angsteinflößendes Lächeln.
„Dann erweise mir deine Treue mit einer Aufgabe-, mit zwei Aufgaben."
Draco sah den dunklen Lord erwartungsvoll an, forderte ihn stumm zum Weiterreden auf.
„Harry Potter's Tod steht ganz oben auf der Liste. Ich will, dass du uns ein Tor nach Hogwarts öffnest. Du wirst Dumbledore töten!"
„Ja, Meister", wiederholte Draco sich leise und schluckte. Er sollte Dumbledore töten? Dumbledore war Harrys Beschützer und die einzige Person die ihm, Draco Malfoy, Halt gab.
1 Sirius heir
Im Fuchsbau schlug die Uhr beinahe zwölf Uhr mittags. Nur mit Mühe konnte Harry seine Beine dazu zwingen aufzustehen. Es war ein Morgen wie jeder andere. Hermine und Ron waren früh auf den Beinen und hatten bereits mit der Familie gemeinsam gefrühstückt. Während Harry als Spätaufsteher alleine frühstücken musste. Heute aber nicht.
Harry hatte sich für heute fest vorgenommen in die Winkelgasse zu gehen. Er musste noch zu Gringotts und Sirius' Erbe dort abholen. Das hatte Sirius ihm damals in dem kleinen Raum am Bahnhof zugeflüstert, für den Fall, dass er sterben sollte. Bei der Testamentverlesung in der vergangenen Woche wurde ihm dies nochmals offiziell mitgeteilt, dass er den Gegenstand in Verlies Nummer 412 vererbt wurde. Nur konnte ihm niemand sagen, was dort drin war. Dumbledore, der ebenfalls dort gewesen war, hatte ihm den guten Tipp gegeben, das Erbe so schnell wie möglich dort abzuholen, da Harry bestimmt nicht der Einzige sein würde, der hinter dem Erbe her war.
Auf Zehenspitzen schlich Harry die Treppe hinunter und durch den düsteren Flur des Hauses. Wie sich jedoch herausstellte, hätte er dies gar nicht tun müssen. Der Fuchsbau schien wie leergefegt zu sein. Kein Geräusch Drang an Harrys Ohren. Nicht einmal das normalerweise laute Schnarchen von Arthur Weasley.
Er griff in die Schale aus Ton, die oben auf dem Kamin stand und stellte sich anschließend mit einer Hand voll Flohpulver in den Kamin. „Winkelgasse“, murmelte er und ließ im selben Moment das Flohpulver in den Kamin fallen.
Er kam auch tatsächlich in dieser an, wischte sich den Ruß von der Kleidung und hustete leicht. Dann richtete er seinen langen, schwarzen Mantel und machte sich mit eiligen Schritten auf den Weg zu Gringotts.
Langsam betrat er die Zaubererbank und schritt zu dem großen Holztresen vor, hinter denen kleine Kobolde auf hohen Stühlen hockten.
„Bitte?"
„Ich würde gerne in das Verlies Nummer 412", stammelte Harry etwas unbeholfen. Der Kobold musterte ihn misstrauisch.
„D-Der Schlüssel ist hier."
Harry zog einen goldenen Schlüssel aus der Hosentasche und reichte ihn dem Kobold. Mit langen, spitzen Fingernägeln nahm er den Schlüssel an sich und nickte als Zeichen, dass Harry ihm folgen sollte.
Er setzte sich mit dem Kobold zusammen in einen Wagon und spähte in den Abgrund. Erst als der Wagen zum Stehen kam, sah Harry auf. Der dunkle Flur brachte eine kühle Atmosphäre mit sich, die ihn erschaudern ließ Er folgte dem Kobold willig und beobachtete dabei jede seiner Bewegungen.
Als der Kobold den Schlüssel in das Schloss steckte, wuchs Harrys Neugier. Er selbst war neugierig, was Sirius ihm vererbt hatte, was auch andere haben wollten. Demnach musste es ja wirklich etwas sehr Wertvolles sein.
Die Tür des Verlieses öffnete sich langsam und Harry spähte hinein. Nichts! Es war leer und Harry war fassungslos, erschrocken und schockiert. Jemand war schneller gewesen und Harry wusste nicht, wer es war. Genauso wenig wie er wusste, was derjenige nun an seiner Stelle hatte.
Äußerlich ließ er sich nichts anmerken, während er durch die Gassen der Winkelgasse streifte. Er war auf dem Weg zu Flourish and Blotts, dem Laden für Zauberbücher. Wenn er schon mal, ohne Erfolg, hier war, konnte er auch gleich die Sachen für das nächste Schuljahr besorgen. Da die Ferien gerade einmal zur Hälfte um waren, war noch nicht so viel los. Die meisten Zauberer genossen ihre Ferien. Ganz im Gegensatz zu Harry. Er wusste nichts mit den Ferien anzufangen, wenn alle anderen im Fuchsbau unterwegs waren. Zumal ihn diese Pärchenturteleien wirklich nervten.
Dann bog er um eine weitere Ecke und drängelte sich an den entgegenkommende Zauberern hindurch.
"Potter!"
Diese Stimme kannte er doch! Er verharrte in seiner Bewegung und drehte sich langsam um. An der Wand lehnte tatsächlich Draco. Im Vergleich zum letzten Schuljahr sah er wesentlich reifer aus. Erwachsener. Seine weißblonden Haare waren ordentlich zur Seite gekämmt. Er trug edle Klamotten, ein weißes Hemd, mit einer schwarzen Anzughose und einem schwarzen Jackett.
"Malfoy..."
Harry musterte ihn misstrauisch und wollte sich schon abwenden, da bemerkte er die kleinen Zuckungen in Malfoy’s Gesicht. Das hochnäsige Grinsen wurde zu einem emotionslosen Gesichtsausdruck. Seine beinahe steife Körperhaltung ließ ein wenig nach. Aber innerhalb Sekunden hatte er sich wieder gefangen. Dennoch hatte Harry es bemerkt und ging ein paar Schritte auf ihn zu.
"Ist alles in Ordnung bei dir?", hakte er vorsichtig nach und sah zu ihm auf.
"Natürlich ist alles in Ordnung!"
Draco musterte ihn abfällig.
"Nimm's mir nicht übel, aber du siehst nicht aus, als wäre alles in Ordnung!"
"Du musst mich nicht analysieren, Potter. Wir haben keinerlei Verbindung zueinander."
Harry schüttelte seinen Kopf.
"So ganz stimmt das nicht. Wir sind nicht befreundet. Aber dennoch merke ich, wie du krampfhaft versuchst, deine Maske zu bewahren und wie dich das jegliche Kraft zu kosten scheint."
"Mit mir ist alles okay!"
"Anscheinend ja nicht! Du hast mich angesprochen und das ohne eine Beleidigung. Das ist Beweis genug, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt."
Harry’s Blick wurde durchdringend. Aber auch Draco‘s Blick sah kein Stück anders aus. Im Grunde konnte man die gegenseitige Abneigung bereits in deren Blicken erkennen. Seine Augenbrauen hatten sich zusammengezogen und hatten dabei beinahe eine bedrohliche Ausstrahlung.
„Es kann dir doch egal sein, was mit mir ist."
„Ja theoretisch, aber wenn du plötzlich Gefühle zeigst, muss es etwas Schlimmes sein."
Für einen kurzen Augenblick war Harry der Meinung Überraschung in Draco‘s Augen zu erkennen. Aber so schnell, wie sie gekommen war, war sie auch wieder weg. Dann seufzte Draco. „Du gibst nicht auf, oder?"
Er sah zu dem Gryffindor hinab und studierte seine Gesichtszüge.
Draco hatte definitiv Recht, dass Harry nicht nachgaben würde, dafür kannte Draco den Gryffindor bereits zu gut.
„Okay, komm!"
Draco stieß sich von der Wand ab und ging den Weg entlang. Er drehte sich zu Harry um. „Diesmal ohne irgendwelche Absichten ... los jetzt, Potter!"
Harry folgte Draco und holte ihn ein, wobei er beinahe laufen musste, um mit ihm Schritt zu halten. Der Weißblonde hatte ein ziemliches Tempo drauf. Irgendwann bog er links ab und hielt Harry die Tür zu einem verlassenen Gebäude auf.
Es wirkte alt und kaputt und auch war es halb eingestürzt. Es gab keine Tür mehr. Nur einen Bogen durch den sie in gebückter Haltung passen würden.
„Was wird das?"
„Draußen ist es zu auffällig."
Harry wurde argwöhnisch. Er trat einige Schritte von dem Größeren zurück und lehnte sich gegen die Fensterbank, mit seinen Händen stützte er sich darauf ab. „Was ist los?"
„Überleg doch mal! Ich bin sechszehn Jahre! Meine Eltern sind Todesser."
„Du ... wirst auch einer?"
Harry war geschockt und überlegte, ob er einfach verschwinden sollte. Schließlich war er das Ziel der Todesser. Aber er wollte Draco eine Chance geben, es zu erklären, schließlich wirkte dieser nicht so, als würde er es freiwillig tun.
„Ich muss ein verdammter Todesser werden, ansonsten werde ich von meiner Familie verstoßen. Die werden es mir heimzahlen, wenn ich mich ihnen nicht anschließe!"
„Und du willst das nicht? Kann ich verstehen, du hast auf mich nie so böse gewirkt."
Draco sah auf den Kleineren hinunter. „Ich habe niemanden."
„Wenn du weniger stur wärst, hättest du jemanden."
Draco schüttelte unnachgiebig seinen Kopf.
„Wer würde sich freiwillig mit mir abgeben wollen?"
„Als mein Feind solltest du eigentlich wissen, dass ich allen helfe, wenn sie Hilfe brauchen und dabei ist es egal ob Freund oder Feind. Ich würde sogar dir helfen, aber du bist ja zu stur, um Hilfe entgegenzunehmen."
„Ich brauche keine Hilfe", fuhr Draco ihn an. Seine Stimme wurde ein wenig dunkler und klang beinahe drohend. Aber Harry machte sich da nichts draus. Er war Draco’s Launen bereits aus den gesamten letzten Jahren gewohnt.
„Irgendetwas brauchst du aber! Wie gesagt, ansonsten wärst du jetzt anders zu mir."
Draco stieß sich von der Wand ab und ging an Harry vorbei. Er wirkte so unruhig.
„Jeder hat mal Probleme ... ich weiß einfach, dass auf dich Verlass ist."
Es straffte seine Schultern und ging auf Harry zu. Harry sah ihn verständnisvoll an.
„Ich werde dir helfen", sagte Harry und sah dem Größeren dabei in die Augen. Er erkannte, dass nach und nach Draco’s Maskerade bröckelte und man seine wahre Hilflosigkeit dahinter erkennen konnte aber trotz der Hilflosigkeit war es noch immer Draco.
„Morgen. Hier, um dieselbe Zeit: Zwölf Uhr!"
Rechtzeitig zum Abendessen kam Harry im Fuchsbau an und setzte sich auf seinen Platz zwischen Ron und Fred. Er hatte gar nicht bemerkt, dass die Zeit so schnell vergangen war. Molly reichte Harry den Topf mit dem frisch gekochten Grünkohl und er tat sich eine Kelle davon auf.
„Wie schön, dass du es doch noch rechtzeitig geschafft hast, Harry."
„Wo warst du? Du warst einfach weg ..."
Ginny zog eine kindliche Schnute. Harry verdrehte die Augen und warf seinem besten Freund einen vielsagenden Blick zu. Ron wusste, dass Harry seine kleine Schwester ein wenig aufdringlich fand, weswegen es häufiger in Streit zwischen Ron und Harry ausartete.
„Ich musste etwas erledigen", murmelte Harry kurz angebunden und wandte sich dann Molly zu.
„Morgen zum Mittag werde ich nicht da sein und ich weiß noch nicht, ob ich zum Abendessen zurück sein werde."
Molly nickte und hatte ein wissendes Lächeln auf ihren vollen Lippen. Harry erwiderte nichts darauf. Er konnte ja schlecht sagen, dass er sich mit Draco Malfoy traf, schon gar nicht, wenn er jetzt wirklich ein Todesser war. Aber er wollte es nicht groß breittreten. So oder so würde es zu einer Auseinandersetzung mit Ron führen. Ron war sehr sensibel, vor allem, wenn es um Draco ging.
„Und ihr?", fragte Harry nun direkt an Ron gerichtet.
„Wir?", schmatzte Ron.
„Mund zu beim Essen!"
Seine Mutter schlug ihm mit einem Geschirrtuch auf den Hinterkopf. Ron warf ihr einen geschockten Blick zu, gehorchte aber. Auf seinen Lippen hatte sich ein kleines Lächeln geschlichen. Auch Hermine, die Harry gegenüber saß, gluckste auf. „Ich hab's dir vorhin gesagt", murmelte sie schulterzuckend.
„Hermine und ich waren in London. Sie wollte einkaufen gehen und ich wollte sie nicht alleine gehen lassen", erzählte Ron stolz.
„Du? Wie viele Zauberstäbe hast du in den letzten Jahren zerstört?", fragte Harry zweifelnd.
„Beinahe jedes Jahr", ergänzte Hermine und sah Ron mit einem Lächeln an. Es sah ziemlich vertraut aus, beinahe zu vertraut.
„Ich glaube, da wäre Hermine ohne dich besser dran gewesen."
Ron wirkte geschockt, murmelte dann aber eingeschnappt: „Möglich ..."
Nach dem Abendessen saß Harry noch mit Ron und Hermine zusammen. Aber er erwähnte nichts von dem, was er getan hatte oder von Draco Malfoy. Stattdessen hielt er sie hin mit einem (möglichst beiläufigen)„Ich werde es euch noch erzählen."
Aber beide wurden nur noch skeptischer, als Harry sich bereits am frühen Abend in sein Zimmer verzog. Normalerweise saßen sie bis in die Nacht zusammen.