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Der Reiz des Verbotenen (Waldes)

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01.07.17 10:26
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Autorennotiz

Die FF ist schon ein paar Jährchen alt, abgeschlossen und hat eine in Arbeit befindliche Fortsetzung. Gerade mit den ersten Kapiteln bin ich allerdings nicht mehr zufrieden, die werden bei Gelegenheit überarbeitet. Für alle Kritik bin ich selbstverständlich dankbar.

Die Nacht auf ihren elften Geburtstag verbrachte Sara Crowfield vor dem Fenster. Natürlich war es nicht der Geburtstag selbst, der sie vor Aufregung kaum schlafen ließ, schließlich war sie kein kleines Mädchen mehr. Nein, es war die Tatsache, dass es ihr elfter Geburtstag war und dass sie an diesem Tag einen ganz besonderen Brief erwartete. Seit sie einmal vom Baum gefallen und sanft gelandet war, war sie sich sicher, dass dieser Brief kommen musste.
So tat ihr Herz jedes Mal einen Sprung, als draußen vor dem Fenster eine Bewegung zu sehen war. Doch eine Eule war nicht darunter, zumindest keine mit einem Brief. Dafür hatte sie Gelegenheit, eine Fledermaus zu beobachten, die sich an um eine Straßenlaterne herumschwirrenden Insekten bediente. Auch wenn sie Fledermäuse wirklich mochte, taten ihr die kleinen Kerlchen leid, orientierungslos im hellen Licht gefangen und ohne Möglichkeit, dem flatternden Tod auszuweichen.
  Ihre Schwester Tabitha hatte gelacht, als Sara ihr das einmal gesagt hatte. So lief es in der Natur, hatte sie gesagt. Und sie musste es wissen, schließlich streifte sie durch die Wälder Irlands, seit sie die Schule abgeschlossen hatte. Nur einmal war sie seitdem zu Besuch gewesen. Sara war ein bisschen traurig darüber, dass sie ihre Schwester nicht mehr so oft sah. Aber wenn sie selbst auf die Schule kam, wäre sie ohnehin weit weg in Schottland.

Sara musste bis zum Frühstück warten. Gerade, als sie in ihr Marmeladenbrötchen biss, kam ein großer, vornehm wirkender Uhu durchs offene Fenster geflogen. Beinahe hätte er die Kaffeekanne umgeworfen, als er auf dem Tisch landete. Dafür schien er sich aber überhaupt nicht zu interessieren, ließ nur einen Brief mitten auf Saras Teller fallen.
  Sie erkannte ihren Namen in smaragdgrüner Schrift und hätte beinah das Brötchen fallen lassen. Hastig kramte sie in ihrer Tasche und holte ein paar Eulenkekse hervor, an denen der Uhu sich freudig bediente.
„Nimm dir gern auch etwas Wasser“, sagte sie und deutete auf eine Schale, die extra für die Posteulen auf dem Fensterbrett stand. Als der Uhu vom Tisch verschwunden war, riss Sara den Umschlag auf und nahm zwei Bögen Pergament heraus.
  Die Einladung reichte sie sofort an ihre Mutter weiter, ganz bestimmt stand dort drinnen nur das, was auch in Tabithas gestanden hatte. Sara selbst interessierte sich viel mehr für die Liste der zu besorgenden Zutaten und Bücher.
„Ich hab doch gesagt, dass du dir keine Sorgen machen musst, Spatz“, sagte ihr Vater mit stolzem Lächeln und streichelte ihr über den Kopf. „Heute Nachmittag besorgen wir alles aus der Winkelgasse. Und weil dein Geburtstag ist, darfst du dir ein Haustier aussuchen.“
  Sara fiel beinah vom Stuhl, als sie ihren Vater stürmisch umarmte. Sie war so froh, dass man Haustiere haben durfte. Hier hatte sie die Katze der Nachbarn, die sehr viel Zeit in ihrem Garten verbrachte. Es würde nur schwer werden, sich für eines unter denen auf der Liste zu entscheiden, am liebsten hätte sie eines von jedem gehabt.
  Als sie die Bücherliste durchsah, vermisste sie allerdings etwas. „Ach, da ist ja auch Newt Scamanders Magische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, bemerkte sie erleichtert. Sie würde kein neues Exemplar brauchen, lieber das ihrer Schwester benutzen, in dem viele nützliche Anmerkungen standen.
  Ihre Mutter lächelte sie mitleidig an. „Ich fürchte allerdings, vorerst wirst du es nur für Verteidigung gegen die Dunklen Künste brauchen, mein Schatz. Pflege magischer Geschöpfe wird erst ab den dritten Schuljahr unterrichtet.“
  Saras Kinnlade klappte herunter. Das war doch das Fach gewesen, auf das sie sich am meisten gefreut hatte. Tabitha hatte ihr das immer wieder gesagt, aber da hatte sie gedacht, dass sie sie nur hatte aufziehen wollen.
„Keine Sorge, Spatz.“ Ihr Vater nahm ihr die Liste aus der Hand und legte sie auf die Arbeitsplatte neben die Tür, damit sie gleich zur Hand lag, wenn sie nach London wollten. „Die zwei Jahre werden schneller vorbeigehen als du denkst.“

  Sara nickte und sah dem Uhu nach, der wieder fort geflogen war, nachdem er sich aufwändig die Federn gerichtet hatte. Schon bald kam die Schleiereule ihrer Eltern herein, ließ die Post fallen und nahm auf Saras Schulter Platz. Sara reichte ihr einen Eulenkeks und streichelte ihr übers Gefieder.
  Ihr Vater sah die Post durch. Darunter war auch eine leuchtend grüne Postkarte, die er Sara reichte, nachdem er sie gelesen hatte. Sie war von Tabitha und sehr eng beschrieben, weil sie viel über Leprechans zu berichten hatte. Außerdem schrieb sie, dass sie an Weihnachten nach hause kommen würde.

Saras Vater konnte nicht mit nach London kommen, gleich nach dem Frühstück hatte er nach Wales aufbrechen müssen. Natürlich hatte er ihr nicht gesagt, was los war, aber er war so aufgeregt gewesen, dass es sich um etwas Großes handeln musste, vielleicht sogar ein Drache.
  Nun stand sie allein mit ihrer Mutter auf dem Pflaster und hielt sich an ihrem Umhang fest. Um sie herum herrschte dichtes Gedränge, viele Familien kauften nun Schulsachen ein. Ihre Mutter studierte die Liste und arbeitete sich im Kopf wahrscheinlich gerade eine ideale Route aus.
„Du gehst am besten zu Madam Malkin’s und lässt dir Umhänge schneidern. Hier, das sollte reichen.“ Damit drückte sie Sara ein paar Galleonen in die Hand. „Ich geh einen Kessel kaufen, in dem wir dann alles verstauen können.“
  Sara nickte und suchte den Kesselladen, bevor sie sich selbst auf den Weg zur Schneiderei machte. Sie glaubte zwar nicht, dass sie als Erste fertig sein würde, aber es war besser, wenn sie wusste, wo ihre Mutter war.

  Im Geschäft wurde sie von einer freundlich dreinblickenden Hexe begrüßt, die sie in den hinteren Bereich des Ladens begleitete und sie anwies, sich auf einen Hocker zu stellen. Kurz darauf schwebten Maßbänder um sie herum und taten ihre Arbeit.
„Kommst du auch nach Hogwarts?“, fragte eine Mädchenstimme und Sara zuckte vor Schreck leicht zusammen.
  Erst jetzt bemerkte sie das Mädchen mit den blonden Locken, das auf einem anderen Hocker stand und ebenfalls ausgemessen wurde. Es hatte ein rundes Gesicht und lächelte sie an. Aber meinte es sie auch? Sicher, sonst war ja niemand hier.
„Äh, ja. Ich hab heute Geburtstag und den Brief bekommen. Ich bin Sara.“
„Herzlichen Glückwunsch!“ Das Mädchen wollte ihr eine Hand reichen, wurde aber von einer Geste eines Maßbandes unterbrochen. „Ich bin Margereth, aber alle nennen mich nur Maggie. Was denkst du, in welches Haus du kommst? Ich hoffe ja auf Ravenclaw, meine Geschwister waren auch da und sie haben mir schon ein paar Sachen beigebracht.“
  Sara hob die Schultern. Darüber hatte sie sich wirklich noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Sie wusste nicht, inwiefern das einen Unterschied machte, sicher würden alle Häuser in denselben Fächern unterrichtet werden. „Meine Eltern waren in Ravenclaw, aber meine Schwester in Slytherin und sie hat gesagt, dass ich bestimmt auch hinkomme.“

  Madam Malkin kam mit einem Stapel Umhänge angewuselt, drückte ihn Maggie in die Hand und brachte gleich darauf Saras Sachen. Die beiden Mädchen bezahlten und gingen nach draußen. Saras Mutter war gerade im Gespräch mit einem Mann, der Maggie sehr ähnlich sah, er hatte dasselbe runde Gesicht und die blonden Locken.
„Das ist Mr Grey“, sagte ihre Mutter. „Er und seine Frau arbeiten mit deinem Vater zusammen im Ministerium. Er ist im Innendienst beschäftigt.“
  Sara begrüßte ihn höflich und verabschiedete sich dann von Maggie. Mit ihrer Mum zusammen ging sie weiter die Straße entlang. „Hat er dir erzählt, was Dad zu tun hat?“, wollte sie wissen. Am liebsten hätte sie ihn das selbst gefragt, aber das wäre vielleicht unhöflich gewesen.
  Ihre Mutter antwortete nicht gleich, und als sie es tat, sah sie Sara ernst an. „Es geht um einen jungen Grünling, der ein paar Schafe gerissen hat. Aber hab keine Angst, dein Dad ist nicht in Gefahr.“
  Sara nickte. Ein bisschen Sorgen machte sie sich immer, aber er war ja nicht allein und kannte sich in seinem Beruf gut aus.

  Zusammen betraten Sie den Laden für Zauberstäbe, der mit länglichen Schachteln vollgestellt war. Hinter dem Ladentisch stand ein älterer Herr mit einem freundlichen Lächeln. Das war Mr Ollivander, von dem sie schon viel gehört hatte.
  Er erzählte davon, das Zauberstäbe sehr eigenwillig sein konnten. Währenddessen ließ er sie einen nach dem anderen ausprobieren und war lange nicht zufrieden. Er meinte, sie würde merken, wenn der richtige darunter war, aber bisher fühlte Sara sich eher unwohl. Nach einem halben Dutzend war dann aber einer dabei, der ein wohliges Kribbeln in ihrem Arm auslöste. Mr Ollivander erzählte ihr, dass er aus Weidenholz bestand und einen Kern aus Phönixfeder hatte. Der ihrer Mutter bestand ebenfalls aus Weidenholz, daran erinnerte er sich noch.

  Sara ging allein ins Haustiergeschäft, während ihre Mutter Bücher kaufte. Es war dunkel, an den Wänden standen etliche Käfige mit Eulen und Ratten. Sara entschied sich aber für eine weiße Katze mit rötlichen Pfoten und rot geringeltem Schwanz. Einen Namen hatte sie sich schon seit dem Mittagessen überlegt, sie sollte Athene heißen.

Die restlichen Ferien verbrachte Sara zusammen mit Athene und den Büchern im Garten am Teich. Die Nachbarskatze kam nicht mehr vorbei, nachdem die beiden sich heftig geprügelt hatten. Der Lesestoff war sehr interessant, sie begann mit Eine Geschichte von Hogwarts, weil es vielleicht Bonuspunkte bei einigen Lehrern gab, wenn man über die Schule Bescheid wusste.

Am ersten September stand Sara zusammen mit ihren Eltern am Gleis 9¾. Das Gepäck hatte sie vorsorglich in ein freies Abteil gebracht, damit sie einen Platz hatte. Nun wurde sie von ihrer Mutter so fest umarmt, dass sie fast keine Luft bekam.
„Mach bloß keinen Unsinn, Spatz“, sagte ihr Vater mit gespielt ernstem Ton. „Pass im Unterricht immer schön auf.“
„Lass dich nicht ärgern.“ Ihre Mutter küsste sie auf den Scheitel. „Bitte schreib jede Woche einmal, sonst komm ich selbst vorbei und sehe nach dem Rechten.“ Sie drückte ihre Tochter noch etwas fester und Sara spürte, wie Tränen auf ihren Kopf tropften.
„Natürlich werd ich schreiben.“ Sie lächelte und löste sich von ihrer Mutter, nur um sofort von ihrem Vater umarmt zu werden. Freilich war sie auch traurig, sie würde ganz allein so weit weg von zuhause sein und bis Weihnachten niemanden sehen. Auf der anderen Seite war sie aber auch aufgeregt wie nie. Endlich würde sie das Schloss, von dem sie so viel gehört und gelesen hatte, mit eigenen Augen sehen.
  Endlich pfiff der Schaffner. Sara ließ sich von ihren Eltern einen letzten Kuss auf die Wange drücken, nahm den Korb mit Athene und stieg in den Zug.

  Als sie ins Abteil kam, stand dort jemand aus dem Fenster gelehnt und winkte. Sie stellte sich daneben und erkannte Maggie, die sie in der Schneiderei kennen gelernt hatte. Die beiden Mädchen winkten ihren Eltern zu, bis der Zug hinter einer Kurve verschwand.
„Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich hier bin“, sagte Maggie mit einem schüchternen Lächeln. „Ich hab nur einen Koffer gesehen und gedacht, dass es okay ist.“
  Sara nickte nur und kramte ihren Umhang aus dem Koffer, um sich umzuziehen. Dabei stellte sie sich absichtlich vor Athene, die großes Interesse an dem Uhu zeigte, der neben Maggie auf der Bank im Käfig hockte. „Wie ist sein Name?“, wollte sie wissen.
„Balthasar“, antwortete Maggie undeutlich. Sie hatte eine Zeitung im Mund, während sie ebenfalls Sachen aus ihrem Koffer suchte. „Er hat meinen Eltern gehört, aber jetzt darf ich ihn haben.“
„Hallo, Balthasar.“ Sara beugte sich zu ihm runter und gab ihm einen Eulenkeks durch die Gitterstäbe. „Meine Katze heißt Athene.“
  Maggie lächelte. „Das ist ein niedliches Kätzchen. Aber leider hab ich kein Leckerli für sie.“ Sie lachte und setzte sich, als sie fertig umgezogen war, blätterte in ihrem Tagespropheten. „Ich hab mal in die Bücher geschaut“, sagte sie nach einer Weile. „Verwandlung interessiert mich am meisten. Die Lehrerin ist ein Animagus. Ach, das würd ich auch so gern können.“ Verträumt faltete sie die Zeitung zusammen und schaute aus dem Fenster.
  Sara nahm Athene aus dem Käfig und hielt sie fest, weil sie den Uhu noch immer anstarrte. Bald blieb sie aber selbstständig auf ihrem Schoß sitzen und schnurrte laut. „Das soll richtig kompliziert sein. Die Ausbildung dauert Jahre und das Ministerium muss das genehmigen. Ganz bestimmt braucht man richtig triftige Gründe. Ich hab ja Angst vor Kräuterkunde. Mit Pflanzen kann ich gar nicht.“
  Sie unterhielten sich darüber, was sie alles von der Schule erwarteten. Hin und wieder erwähnte Maggie etwas, das in ihrem Tagespropheten stand, aber etwas wirklich Interessantes war nicht darunter. Irgendwann kam eine gedrungene Hexe den Gang entlang und bot Süßigkeiten an. Die Mädchen kauften von allem etwas und Sara freute sich besonders über den Kesselkuchen.
  Maggie packte einen Schokofrosch aus, ließ ihn über ihren Arm hüpfen und steckte ihn sich schließlich ganz in den Mund. Erst dann sah sie sich die Karte an. „Schon wieder Agrippa“, stellte sie enttäuscht fest. „Und ich weiß auch nicht mal mehr wen, mit dem ich den tauschen kann.“
  Im Geiste ging Sara ihre Sammlung durch und erkannte, dass ihr Agrippa noch fehlte. Schnell packte sie einen ihrer Frösche aus, biss ihm den Kopf ab und schaute auf die Karte, die gerade leer war. „Merlin“, sagte sie. „Wollen wir tauschen?“
  Maggie beugte sich zu ihr vor und legte die Stirn in Falten. „Na, den kann ich wenigstens meiner Nachbarin schicken, die musste ihren ihrem kleinen Bruder schenken, weil der seine verloren hat. Da hat sie sich vielleicht aufgeregt, weil der so eine kleine Nervensäge ist …“ Sie gab Sara ihre Karte und steckte die von Merlin in ihre Manteltasche. „Wollen wir mal die Bohnen probieren?“
  Sara willigte ein. Ihr Fehler war, dass sie mit zu guten Erwartungen an die erste Bohne heranging. Beim letzten Mal hatte sie nur Glück gehabt. Diesmal sah es anders aus, sie erwischte Käse – auch noch den von der stinkigen Sorte. Maggie amüsierte sich sehr über ihren Gesichtsausdruck, aber nur so lang, bis sie selbst eine nahm und es ihr ähnlich erging.

Es war schon dunkel, als der Zug am Bahnhof von Hogsmeade hielt. Der Himmel war klar und es war kälter als in London. Sara und Maggie halfen sich gegenseitig mit dem Gepäck und standen schließlich etwas ratlos auf dem Bahnsteig. Ältere Schüler liefen an ihnen vorbei, rempelten sie an, entschuldigten sich.

„Alle Erstklässler zu mir!“, rief schließlich eine tiefe, aber freundliche Stimme. Alle drehten sich in die Richtung, aus der sie kam. Da erblickte Sara den größten Mann, den sie jemals gesehen hatte. Im Licht der Laterne in seiner Hand erkannte sie kaum sein Gesicht, nur dichtes Haar und einen buschigen Bart.
„Euer Gepäck wird aufs Schloss gebracht“, sagte er und führte sie einen schmalen Weg entlang, der schließlich unter die Erde führte. An einem unterirdischen Hafen blieben sie stehen. Im Wasser schaukelten Dutzende kleine Boote.
„Immer vier Kinder in ein Boot“, erklärte er so laut, dass es an den Wänden und der Decke des Gangs widerhallte. „Und behaltet bloß die Hände bei euch!“
Sara und Maggie teilten sich ein Boot mit zwei Jungen. Bald setzte es sich von allein in Bewegung und die Erstklässler glitten lautlos über den See, dessen Oberfläche sich im leichten Wind kräuselte.
Es dauerte nicht lang, da erschien das Schloss vor ihnen. Im fahlen Mondlicht sahen sie unzählige Türmchen sich in den Himmel recken. Sara fand, dass es in Wirklichkeit noch viel eindrucksvoller aussah als es in all den Büchern immer beschrieben wurde. Einer der Jungen dachte wohl genauso und wollte sich über die Kante beugen, aber der andere hielt ihn zurück.

Die Hochstimmung unter den Kindern verflog nicht, es gab viel Gemurmel, während der große Mann sie einen von Fackeln erhellten Gang entlang führte. Vor einem großen Eichenportal wurden sie von einer streng dreinblickenden Hexe erwartet, die eine quadratische Brille trug und deren Haar zu einem festen Knoten gebunden war. Neben Sara versteifte sich Maggie und starrte sie an.
„Guten Abend“, sagte die Hexe mit einem Lächeln. Sie sagte das nicht laut, und doch ließ es das Gemurmel unter den Erstklässlern verstummen. „Ich möchte Sie alle auf Hogwarts begrüßen. Ich bin Professor McGonagall und unterrichte hier an der Schule das Fach Verwandlung. Folgen Sie mir bitte.“ Sie führte die Kinder nach drinnen und gebot ihnen in einem kleinen Raum, zu warten. Sie meinte, sie müsse noch etwas für die Einteilung in die Häuser vorbereiten und ließ sie allein.
Sofort kam wieder Gemurmel auf.
„Was meinst du, wie das entschieden wird?“, fragte Maggie leise. „Was, wenn wir Fragen beantworten müssen?“
„Wie stellst du dir das denn vor?“ Sara ließ den Blick durch den Raum wandern. Die Personen in den Gemälden an der Wand tuschelten und deuteten mit den Fingern auf die Kinder. Geister schwebten knapp unter der Decke herein und einige andere Kinder erschraken. „Sieh doch mal, wie viele wir sind. Wäre das ein Test, würde er bis morgen früh dauern. Ich würde mich ja freuen, wenn wir uns das aussuchen dürften.“
„Das wäre auch Blödsinn“, erwiderte Maggie. „Dann hätten sie gleich einen Fragebogen schicken können. Ich hab so viele Leute gefragt und niemand wollte es mir verraten, das ist so gemein.“
Sara hob die Schultern. „Dann können wir wohl wirklich nur abwarten.“ Sie wollte noch eine Frage stellen, aber da kam schon Professor McGonagall zurück und wies sie an, sich in einer Reihe aufzustellen.

Im Gänsemarsch gingen sie durch eine große Tür und durch eine große Halle, zwischen vier langen Tischen entlang. Sara konzentrierte sich nur auf Maggies Rücken, um nicht daran denken zu müssen, von wie vielen Menschen sie hier umgeben war, die alle nur Augen für die neuen Erstklässler hatten. Sie hörte den Jungen hinter sich etwas rufen und jemand winkte.
Am anderen Ende der Halle mussten sie sich alle nebeneinander aufstellen. Am Lehrertisch erkannte sie Albus Dumbledore, den Schulleiter, und den Mann, der sie hergebracht hatte. Vor ihnen stand ein dreibeiniger Hocker, auf dem ein zerschlissener Hut lag, an dessen Krempe ein breiter Riss zu erkennen war.
Dieser Riss weitete sich und – der Hut begann, ein Lied zu singen! Viele Kinder erschraken und auch Sara, denn auch, wenn sie schon viel gesehen hatte, dann doch keine singenden Kopfbedeckungen. In seinem Lied erklärte er, was die Häuser ausmachte und dass er es sein würde, der die Kinder einteilte.
Als er geendet hatte, senkte sich Stille über die Halle. Sara und Maggie warfen sich ungläubige Blicke zu.
Professor McGonagall trat vor und entrollte ein langes Pergament. „Ich werde einen nach dem anderen aufrufen“, erklärte sie. „Derjenige kommt vor und setzt den Hut auf. Wenn er sich entschieden hat, setzen Sie sich an den entsprechenden Tisch.“ So begann sie damit, Namen aufzurufen.
Bald war Sara an der Reihe. Mit wild klopfendem Herzen und dem Gefühl, dass alle sie anstarrten, ging sie nach vorn und setzte den Hut auf. Er war so groß, dass er über ihre Augen rutschte.
In ihrem Kopf ertönte eine piepsende Stimme. „Sonnenklar“, sagte sie und Sara wusste, dass nur sie es hören konnte. Aber das nächste Wort rief der Hut in die Halle: „Slytherin!“
Sara legte ihn wieder auf den Hocker und beeilte sich, zu dem Tisch zu kommen, der in Silber und Grün geschmückt war. Sie fand einen Platz neben einem blassen Jungen mit schwarzem Haar, der nicht den Eindruck machte, als würde die Zeremonie ihn sonderlich interessieren. Hände klopften auf ihre Schultern und sie wurde freundlich begrüßt. Sie war erleichtert, dass sie wieder in der Menge verschwunden war.
Weitere Schüler wurden aufgerufen und es dauerte nicht lang, bis Maggie an der Reihe war. Auch sie wurde vom Hut nach einiger Bedenkzeit nach Slytherin geschickt. Sara stimmte in den Beifall ein und rutschte ein Stück zur Seite, damit sie sich neben sie setzen konnte.
Maggie legte ihr einen Arm um die Schultern. „Bin ich froh“, sagte sie. „Das ist zwar nicht Ravenclaw, aber hier bin ich wenigstens nicht allein.“
Sara lächelte und sah sich in der Halle um. Als ihr Blick zur Decke wanderte, klappte ihr die Kinnlade herunter. Sie wusste, dass über der Halle noch etliche Stockwerke lagen, aber die Decke sah aus wie der Sternenhimmel draußen.
„Hast du keinen Blick in Eine Geschichte von Hogwarts geworfen?“, fragte Maggie. „Dort steht doch, dass die Decke der Halle so verzaubert ist, dass sie sich dem Wetter draußen anpasst.“
„Ja, aber …“ Sara schüttelte den Kopf und sah wieder Maggie an. „Darüber lesen ist eine Sache. Jetzt, da ich es sehe … wow.“
Maggie nickte kichernd und sie wandten ihre Aufmerksamkeit wieder der Zeremonie zu. Ein Schüler nach dem anderen wurde einem Haus zugeteilt. Als der letzte Schüler am Hufflepuff-Tisch Platz genommen hatte, trug Professor McGonagall den Hocker mit dem Hut nach draußen.
Es wurde still, als der Schulleiter sich erhob. „Den neuen Schülern ein herzliches Willkommen. Und natürlich auch den alten Hasen. Bevor wir zum Festessen übergehen, möchte ich alle Schüler darauf hinweisen, dass der Wald auf dem Schulgelände streng verboten ist. Auch das Zaubern auf den Gängen ist zu unterlassen. Vergessen Sie nicht, Mr Filch, unser Hausmeister, sieht alles.“ Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Und nun, lasst uns essen!“ Er klatschte in die Hände.
Mit einem Schlag waren die vier Tische mit den verschiedensten Speisen gefüllt. Sara tat sich Bratkartoffeln und Steak auf. Es war köstlich, aber eine Frage brannte Sara noch immer auf der Seele.
„Weißt du, wer der Mann war, der uns hereingebracht hat?“
Maggie hob nur die Schultern und nahm sich eine Hühnerkeule.
„Das ist der Wildhüter“, sagte eine Stimme neben ihr. Es war der Junge mit den schwarzen Haaren. „Rubeus Hagrid.“
Sara wandte sich ganz zu ihm um. Wenn er der Wildhüter war, hatte er sicher mit vielen interessanten Tieren zu tun und das hieß, dass sie sich mit ihm anfreunden musste. Vielleicht würde sie dann einmal in diesen Wald kommen.
„Er wohnt in einer Hütte am Waldrand“, fuhr er fort, als er ihren interessierten Blick bemerkte. Sie wiederum bemerkte seinen abfälligen Ton, sprach ihn aber nicht darauf an. „Er ist von der Schule geflogen, aber Dumbledore hat ihm die Stelle gegeben.“
Sara bedankte sich mit einem Lächeln und er wandte sich ohne weitere Reaktion wieder ab.
„So, so, die Neuen“, erklang eine tiefe, schaurige Stimme und gegenüber von Maggie ließ sich ein hagerer Geist auf der Bank wieder. Zwei Schüle rutschten zur Seite, um bloß nicht von ihm berührt zu werden. Sara erkannte ihn, das war der Blutige Baron, Hausgeist von Slytherin. Er trug seinen Namen nicht zu Unrecht, an seinem Mantel schimmerte etwas Silbernes.
„Guten Abend, Sir.“ Sara versuchte, diesen Blutfleck nicht anzustarren, sicher würde ihm das nicht gefallen.
„Behalte diesen Anstand“, sagte er. „In deinem Alter gibt es nicht mehr viele damit.“ Er warf ihr ein mürrisches Lächeln zu und schwebte davon.
Maggie schüttelte sich gespielt. „Wir sind natürlich in dem Haus mit dem gruseligsten Geist gelandet.“

Nach dem Essen erhob Dumbledore sich vom Hohen Tisch und wieder kehrte Stille ein. „Jetzt, wo alle satt sind, ist es Zeit, ins Bett zu gehen. Ihre Koffer sind bereits in die Schlafsäle gebracht worden. Die Erstklässler folgen bitte den Vertrauensschülern in die Gemeinschaftsräume.“
Sara und Maggie sahen sich um und erkannten am Ende des Tisches ein groß gewachsenes Mädchen mit blonden Zöpfen, das ein Abzeichen mit einem V am Umhang trug. Sie folgten ihr in die Kerker, wo sie vor einer steinernen Schlange stehen blieben. Laut sagte sie das Passwort, das sie sich alle merken sollten, und es tat sich eine Öffnung in der Mauer auf.
Der Gemeinschaftsraum war ebenso wie der Haustisch in Grün und Silber gehalten und war durch die Lampen in grünliches Licht getaucht. Hinter großen Fenstern sah man bei Tag wohl den See, doch nun spiegelte sich nur der Raum. Es gab einen offenen Kamin und darum herum standen hohe Lehnstühle verteilt.
Momentan war Sara zu müde, als dass sie sich für etwas Anderes als ihr Bett hätte interessieren können, also ging sie sofort mit Maggie und den anderen Mädchen nach unten zum Mädchenschlafsaal. Vor einem der Betten standen tatsächlich Athenes Korb und ihr Koffer. Kaum hatte sie sich ihr Nachthemd angezogen und sich ins Bett gelegt, war sie auch schon eingeschlafen.

Als Sara sich am nächsten Morgen in der Halle gerade ihren Stundenplan anschaute, der mit dem Frühstück erschienen war, vernahm sie plötzlich das Flattern hunderter Flügel. Durch die Fenster der Halle strömten unzählige Eulen herein, um den Schülern die Post zu bringen.
Sie lehnte sich zurück und genoss das Schauspiel, bis Horus, der Waldkauz ihrer Schwester, auf ihrem Teller landete und einen Brief fallen ließ. Bevor sie den öffnete, gab sie ihm einen Keks.
„Wir haben den Nachmittag frei“, bemerkte Maggie. „Aber wenn ich sehe, dass unsere letzte Stunde Geschichte der Zauberei ist, haben wir das wohl auch nötig. Mein Bruder hat mir erzählt, dass das total langweilig ist.“
„Wir warten besser mal ab“, sagte Sara nur und klang vielleicht etwas abwesend. Sie las den Brief von ihrer Schwester. Tabitha hatte davon geschrieben, dass sie vielleicht nach Finnland gehen wollte, auch wenn es ihr in Finnland wirklich gefiel. Außerdem fragte sie Sara, wie sie angekommen war und in welches Haus der Hut sie gesteckt hatte. Sara nahm sich ein Stück Pergament und schrieb eine kurze Antwort, von Maggie und davon, wie beeindruckt sie vom Schloss war.
Als Horus davongeflogen war, konnte Sara sich endlich ihren Waffeln widmen.

Der Tag begann mit Zauberkunstunterricht. Professor Flitwick war der Hauslehrer von Ravenclaw und so klein, dass er auf einem Stapel Bücher stehen musste, um über sein Pult hinweg schauen zu können.
Sie sollten eine Feder schweben lassen. Bei den meisten Schülern tat sich lange überhaupt nichts. Am Ende der Stunde zitterte Maggies Feder leicht und die von Sara stellte sich kurz auf den Schaft. Dafür bekam sie sogar einen Punkt für das Haus.
Im Anschluss stand Verwandlung an. Im Unterricht machte Professor McGonagall einen ebenso strengen Eindruck wie am Abend zuvor. Nachdem sie sich eindrucksvoll in eine Katze und zurückverwandelt hatte, stellte sie den Schülern die Aufgabe, ein Streichholz in eine Nadel zu verwandeln.
Bei Sara und den meisten ihrer Klassenkameraden tat sich auch hier überhaupt nichts. Das eines Jungen in der hintersten Reihe bekam ein Öhr. Maggies Streichholz fing an, leicht zu glänzen.
Auf dem Weg zum Geschichtsunterricht versuchte Sara, Maggie beizubringen, dass ihr Streichholz etwas runder geworden war, doch das glaubte sie ihr nicht.
Der Unterricht von Professor Binns war endlos langweilig. Anfangs gaben die beiden Mädchen sich ernsthaft Mühe, seinem Vortrag aufmerksam zu folgen. Doch seine Redeweise war so monoton, dass es immer schwerer fiel, nicht einzunicken. Dazu kam, dass er wirklich haargenau das erzählte, was bereits im Buch stand. Darum sah Maggie bald nicht mehr ein, warum sie zuhören sollte, und übte unter dem Tisch weiter an ihrem Streichholz. Sara bezweifelte, dass Professor Binns es mitbekommen hätte, wenn sie es auf dem Tisch getan hätte.

Nach dem Essen ging Maggie sofort in den Gemeinschaftsraum, um weiterzuüben. Sara entschloss sich, den Wildhüter einfach zu besuchen. Vielleicht konnte sie sich mit ihm anfreunden und von ihm lernen. Und vielleicht ließ er sie irgendwann mit in den Wald kommen.
Sie klopfte an die Tür der runden Hütte am Waldrand, von drinnen waren schwere Schritte zu hören. Er öffnete und stand nun direkt vor ihr, was ihn noch viel größer wirken ließ als zuvor. Etwas beängstigend wirkte er schon, machte aber einen netten Eindruck.
„Hallo“, sagte Sara mit einem Lächeln. „Ich habe gehört, dass Sie der Wildhüter sind, Mr Hagrid, Sir.“
Hinter seinem dichten Bart lächelte er breit. „Nenn mich einfach Hagrid. Und komm doch erst ma rein.“ Er trat zur Seite und ließ sie ein. Sofort wurde sie von einem großen Hund begrüßt, der ihr das Gesicht ableckte.
„Fang“, sagte Hagrid bestimmt und das Tier ließ von ihr ab. Er deutete auf einen riesigen Sessel, der im einzigen Raum stand, aus dem die Hütte bestand.
Sie setzte sich, hätte drei mal in diesen Sessel gepasst. „Ich bin Sara Crowfield“, stellte sie sich vor. Dabei setzte sie das liebste Lächeln auf, das sie aufbieten konnte. Bei ihrem Vater half das freilich nicht mehr, aber bei ihm vielleicht schon. „Würden Sie mir bitte sagen, warum der Wald verboten ist?“
Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Es ist ein sehr gefährlicher Ort, vor allem für Kinder. Dort gibt es wirklich gefährliche Wesen. Die Zentauren wollen ihre Ruhe haben und die Einhörner können auch keine lärmenden Kinder brauchen.“
Sara wurde hellhörig, richtete sich im Sessel auf. „Zentauren und Einhörner?“ In diesem Moment fasste sie den Entschluss, dass sie diesen Wald irgendwann einmal betreten wollte. Unbedingt. Aber wie stellte sie das am besten an.
Hagrid seufzte. „Das hätte ich wohl nicht sagen sollen“, murmelte er.
Sara schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, ich werd schon keine Regeln brechen. Aber mein Vater arbeitet im Ministerium und ich interessiere mich wirklich sehr für Tierwesen aller Art.“
Sein Blick veränderte sich, er lächelte wieder. „Ach, du bist die Schwester von Tabitha!“, stellte er fest. „Sie kam auch direkt an ihrem ersten Schultag hierher, sie ist ein sehr nettes Mädchen. Wie geht es ihr?“
„Sie ist gerade in Irland“, antwortete Sara. Vielleicht half der Umstand, dass er ihre Schwester kannte. „Also, wenn es etwas gibt, wobei ich Ihnen helfen kann, wäre ich froh, wenn Sie mich lassen würden.“

Am Freitag nach der Doppelstunde Zaubertränke nutzte Sara die Gelegenheit, das Schloss etwas zu erkunden. Sie wollte sich von den Hausaufgaben ablenken. Für Professor Slughorn sollten sie bis Montag einen Trank brauen, den Sara nicht zustande brachte. Er war ein guter Lehrer, hatte ihnen Punkte für das Haus gegeben, als sie seine Fragen richtig beantwortet hatten, aber ihr Trank sah immer anders aus als er im Buch beschrieben wurde. Nach drei Versuchen war er wieder misslungen und sie hatte eine Pause gebraucht. Doch noch an diesem Tag musste sie das erledigen, schließlich sollte er bis Montag ruhen.

  Sie hatte Maggie, die den Trank auf Anhieb hinbekommen hatte, angeboten, sie zu begleiten, aber sie war lieber in die Bibliothek gegangen, um an ihrem Aufsatz für Kräuterkunde zu arbeiten. Den würde Sara aufschieben, wo er doch bis Dienstag Zeit hatte.

  So streifte sie durch die Gänge und unterhielt sich von Zeit zu Zeit mit einem Portrait über das Schloss und die Welt außerhalb. Ansonsten traf sie nur wenige Leute. Gerade, als sie an der Statue einer einäugigen Hexe vorbeigekommen war, hörte sie Schritte. Als sie sich umwandte, sah sie drei Drittklässler aus Gryffindor, die sich angeregt unterhielten. Vor der Statue blieben sie stehen und einer nahm ein Pergament aus der Tasche und entfaltete es. Die drei zogen ihre Zauberstäbe und murmelten leise etwas.

  Sara wurde neugierig. Sie tat so, als wäre sie sehr interessiert an einem Wandteppich, auf dem ein Mädchen und ein Einhorn zu sehen waren.

  „Du bist Sara, oder?“, fragte ein Junge mit schwarzem Haar und kam zu ihr herüber. „Könntest du bitte gehen?“

  „Warum denn?“, wollte sie wissen. „Was habt ihr vor?“

  Der Junge warf einen langen Blick zu seinen Freunden. Die beiden kamen nun auch zu ihr. Der eine, schwarzhaarig und mit Brille, schaute auf sein Pergament. Er hielt es aber so, dass sie nicht sehen konnte, was da war.

  „Oh, verdammt“, sagte er leise. „Filch ist auf dem Weg hierher. Bitte, geh doch.“

  Sara sah ihre Chance und schüttelte den Kopf. „Ihr sagt mir, was ihr vorhabt, oder ich schrei so laut, dass er noch schneller herkommt.“

  „Na schön“, sagte der dritte, braunhaarige, Junge nach etwas Bedenkzeit. „Wir wollen nach Hogsmeade gehen, in den Honigtopf. Es dauert uns zu lang, bis wir offiziell hinkommen.“

  Nun setzte Sara ihr allerliebstes Lächeln auf. Sie wollte gern wissen, woher die drei ihren Namen kannten und wie sie sich so sicher sein konnten, dass der Hausmeister in der Nähe war. Doch das konnte sie auf später verschieben. „Ich kann ihn natürlich auch ablenken. Wenn ihr mir Süßigkeiten mitbringt.“

  „Natürlich!“, sagte der erste Junge schnell. „Wir bringen dir mit, was immer du willst, nur verrate uns bitte nicht.“

  Sara nickte und drehte sich auf dem Absatz um. Sie dachte an Tabitha, die sie seit dem letzten Jahr nicht mehr gesehen hatte. An das tote Frettchen, das vor ihrem Haus auf der Straße gelegen hatte und das ihre Mutter nicht mehr rechtzeitig hatte beiseite räumen können, bevor sie es gesehen hatte. Es dauerte nicht lange, da stiegen ihr die Tränen in die Augen und bald weinte sie heftig. Laut schluchzend rannte sie durch den Gang, ihre Schritte hallten an den Wänden wieder. An einem Treppenabsatz traf sie tatsächlich Filch und seine Katze.

  Sie griff seinen Umhang. „Mr Filch, Sir, mein Kätzchen Athene ist weggelaufen und ich kann es nicht finden. Da lang ist sie gerannt!“ Sie deutete in die andere Richtung des Gangs.

  Mit einem mächtig genervten Gesichtsausdruck löste der Hausmeister ihre Finger von seinem Umhang und warf einen Blick in die Richtung, in die sie zeigte. „Hör auf zu plärren und komm mit, sie wird schon irgendwo sein.“

  Er stapfte voraus und sie lief ihm hinterher, schniefte hin und wieder in ein großes Taschentuch, das sie für Fälle wie diesen immer dabei hatte. Wenn sie ganz großes Glück hatte, war Athene wirklich in der Nähe. Wenn nicht, würde sie sich schon etwas einfallen lassen.

  Doch sie hatte dieses Glück. Sich die letzten Tränen aus dem Gesicht wischend, nahm sie Athene auf den Arm und streichelte sie ausgiebig. „Vielen Dank, Sir!“, sagte sie lächelnd zu Filch, der nur das Gesicht verzog und ging.

  „Pass in Zukunft besser auf“, rief er, als er schon etwas entfernt war.

  Sara schmiegte sich an Athenes weiches Fell und ging in Richtung der Kerker. „Du hast mich vor großem Ärger bewahrt, mein Kätzchen.“

 

  Maggie war noch nicht wieder im Gemeinschaftsraum, hockte wahrscheinlich noch immer in der Bibliothek. Sara hätte sie gern hier gehabt, während sie sich an den nächsten Versuch machte, diesen Trank zu brauen. Sie konnte sich leicht über viele Zoll über irgendein Thema auslassen, aber diese praktischen Dinge wollten ihr einfach nicht gelingen.

  Sie gab Athene ein Leckerli und zog dann ihren Kessel wieder hervor. Nach zwanzig Minuten hätte der Trank eigentlich eine satte orange Farbe annehmen sollen. Doch er war grün geworden und warf Blasen. Das sollte so nicht sein! Was hatte sie denn falsch gemacht? Sie hatte sich genau an die Anweisungen des Buches gehalten.

  „Du hast zu schnell gerührt.“

  Sara zuckte zusammen, als sie diese Stimme direkt hinter sich hörte und jemand auf die Seite im Buch deutete. Es war der Junge, der bei der Zeremonie neben ihr gesessen hatte und der nun gebeugt über ihr stand.

  „Da steht eindeutig: langsam rühren“, sagte er.

  „Ich hab gedacht, dass ich schneller fertig werde, wenn ich schneller rühre.“ Sie lächelte ihn entschuldigend an und wurde ein bisschen rot.

  Er schob sie ein Stück zur Seite und schwang den Zauberstab. Die Brühe verschwand und alles war wieder blitzsauber. „Das kann man ja nicht mit ansehen. Tu genau, was ich dir sage.“

  Anscheinend hatte er Ahnung von dem, was er tat, denn nach einer halben Stunde stand ein perfekter Trank vor Sara auf dem Tisch. Sie stellte ihn unter den Tisch und legte ein Stück Pergament mit ihrem Namen dazu.

  „Du musst alles haargenau so befolgen, wie es dasteht“, erklärte er. „Selbst wenn du nur einmal zu viel oder zu wenig rührst, kann eine Katastrophe geschehen.“ Er drückte ihr einen Lappen in die Hand. „Jetzt mach die Sauerei weg.“

  Mit viel Eifer wischte Sara Mäuseblut und Krötenlebern vom Tisch. Sie wäre ja nie auf den Gedanken gekommen, dass sie das so ernst meinten. Exakte Dinge waren nicht ihre Stärke. „Vielen lieben Dank!“ Ihr fiel ein, dass sie mal wieder etwas sehr Wichtiges vergessen hatte. „Wie heißt du eigentlich?“

  „Severus.“

  Bevor sie sich selbst vorstellen konnte, schob sich ein blonder Lockenschopf zwischen sie. „Draußen auf dem Gang stehen drei Jungs aus Gryffindor und wollen dich sehen. Wer sind die und was machen die hier?“

  „Das erklär ich dir später!“ Sara war froh darüber, dass die Jungs ihr Versprechen wohl wirklich einlösen würden. Aber sie wusste ja selbst nicht, wer die drei Jungs waren. Als sie auf den Gang kam, standen sie dort alle drei, die Taschen ihrer Umhänge ausgebeult und mit breitem Grinsen im Gesicht.

  „Hey“, sagte der Schwarzhaarige mit der Brille. „Das war echt cool, wie du Filch abgelenkt hast.“

  „Oh, ja, das war total cool.“ Der andere Schwarzhaarige trat vor und füllte Saras aufgehaltene Hände mit Massen an allerlei Süßigkeiten. Er wollte und wollte damit nicht fertig werden, also stopfte sie einfach alles in die eigenen Taschen und bekam die zweite Ladung.

  „Danke.“ Es war immer wieder nützlich, aus dem Stehgreif weinen zu können. Der, der zuerst weinte, bekam immer Mitleid, der andere wurde ausgeschimpft.

  „Wir haben uns ja gar nicht vorgestellt“, sagte der braunhaarige Junge. „Also, ich bin Remus Lupin, der gut aussehende Kerl hier ist Sirius Black und der mit der Brille ist James Potter.“

  Lächelnd schüttelte sie allen dreien die Hände. Sie wollte fragen, warum ein Black in Gryffindor war, ließ es aber besser bleiben.

  „Meinen Namen kennt ihr ja“, sagte sie stattdessen. „Woher? Wie konntet ihr wissen, dass Mr Filch in der Nähe war?“

  Die drei tauschten ernste Blicke. „Können wir dir leider nicht verraten“, antwortete schließlich Sirius. „Unser großes Geheimnis.“

  „Wir können aber drüber nachdenken, wenn du uns weiter so effektiv hilfst“, ergänzte James Potter und zwinkerte ihr zu.

  „Wenn ich euch dabei unterstütze, die Regeln zu brechen, verratet ihr mir irgendwann, was das ist?“, hakte sie nach. „Das klingt nach einer tollen Idee.“

  Die Jungs lachten und sie verabschiedete sich von ihnen. Sara ging zurück in den Gemeinschaftsraum. Maggie saß mit einem Tagespropheten am Kamin, Severus an einem der Tische. Er sah sie an, als sie neben ihm stehen blieb.

  „Nochmal, vielen lieben Dank.“ Sie hielt ihm eine Hand voller Süßigkeiten hin. Er zögerte, nahm dann aber an und lächelte sogar für den Bruchteil einer Sekunde. „Ich bin Sara.“

  „Woher hast du die?“

  Schnell überlegte sie sich eine Geschichte. „Ich war im Eulenturm, als ich die drei getroffen hab. Sie wollten sich grad was aus dem Honigtopf bestellen, ich hab gefragt, ob ich mitmachen darf und jetzt hab ich die hier.“ Sie grinste, war aber wohl nicht sonderlich überzeugend.

  „War einer von denen James Potter?“

  „Ja, schon“, antwortete Sara und war erschrocken darüber, dass er diesen Namen mit so viel Abscheu aussprach.

  „Dann brauchst du gar nicht weiterreden.“ Der Ausdruck seiner Augen veränderte sich. „Von den drei Vollidioten solltest du dich fernhalten, die haben nur Ärger im Sinn.“

  „Aber nur, weil die drei aus Gryffindor sind, heißt das doch nicht gleich …“

  „Darum geht es doch nicht!“, unterbrach er sie heftig. „Es gibt auch wirklich nette Leute in Gryffindor. Aber die drei überlegen sich in jedem Augenblick nur, wie sie die Regeln brechen können! Potter ist der Schlimmste von allen! Er bildet sich so viel darauf ein, dass er letztes Jahr Sucher für die Mannschaft geworden ist.“ Er war immer leiser geworden und sein Blick immer finsterer.

  Sara fand, dass das ein hervorragender Moment war, um das Thema zu wechseln, und schaute auf das Pergament, das vor ihm auf dem Tisch lag. Darauf standen zwei Sätze über Feuersalamander. Sie sah sich sofort in ihrem Element.

  „Darf ich dir bei deinem Aufsatz helfen?“, fragte sie. „Ich kann dir wirklich eine Menge über Salamander erzählen.“ Sie ließ sich auf den Stuhl neben ihn sinken.

  „Ich bitte darum.“

  Nach nur einem Moment des Überlegens fing sie an und hielt ihm einen Vortrag, der die erforderliche Länge locker erreichte. Manchmal wiederholte sie etwas, wenn er nicht hinterherkam. Am Ende legte er erleichtert die Feder zur Seite und sah sie nur stumm an.

 

  „Woher weißt du das alles?“, stellte Maggie, die sich irgendwann zu ihnen gesetzt hatte, die Frage, die ihm wohl auf der Zunge lag.

  „Mein Dad hält mich von Fragen über seine Arbeit ab, indem er mir viele Sachen über Tierwesen erzählt“, erklärte Sara lächelnd und deutete mit dem Daumen in Richtung Schlafsaal. „Ich hab mir auch ein Buch gemacht, in dem ich alles aufschreibe.“

  „Du bist komisch“, stellte Maggie fest, lächelte dabei aber. Sie holte zwei Streichhölzer hervor, legte Sara eins hin und zog ihren Zauberstab. Daraufhin sah sie Sara auffordernd an, als erwarte sie etwas von ihr, bis sie ebenfalls den Zauberstab zog. „Darf ich auch was von den Süßigkeiten haben?“

  „Klar.“ Sara leerte ihre Taschen auf dem Tisch und setzte Athene auf den Boden, die sie besser nichts davon fressen lassen wollte. „Fangen wir mit den Bohnen an?“

  Severus hob abwehrend die Hände. „Ohne mich. Ich hatte das letzte Mal ‚faule Eier’ und bin bedient.“

  Auch die beiden Mädchen hatten an diesem Abend wenig Glück. Sara erwischte nach zwei Fehlgriffen – ‚Schuhcreme’ und ‚Nasenhaare’ – Bananeneis und wollte sich den Geschmack etwas behalten. Maggie gab nach ‚Pergament’ und ‚Alter Stiefel’ auf.

  Sie übten lange an ihren Streichhölzern, ohne dass sich viel tat. Es wurde spät, immer mehr Schüler gingen zu Bett. Auch Severus rollte irgendwann sein Pergament zusammen und stand auf.

  „Danke“, sagte er und verschwand in den Jungenschlafsaal.

  Maggie wollte unbedingt Saras Buch sehen und schien davon ehrlich beeindruckt. Alle paar Seiten schüttelte sie ungläubig den Kopf. „Warst du das?“, wollte sie wissen und deutete auf ein bewegtes Bild von einem Werwolf.

  „Nee, das war meine Mutter. Sie kann wirklich toll zeichnen.“ Sara notierte sich, dass Einhörner im Verbotenen Wald lebten und legte das Buch wieder in den Koffer.  Beide Mädchen waren nicht wirklich müde, also erzählte Maggie von einem Mädchen namens Cecilia aus Ravenclaw, mit dem sie immer zusammen in der Bibliothek saß. Dann wollte sie wissen, wie sie den Jungs aus Gryffindor wirklich begegnet war, und sie erkundigte sich nach dem Trank.

Zusammen mit Maggie ging Sara an einem Donnerstag nach dem Mittagessen hinauf zur Eulerei. Manchmal ging sie einfach so dorthin, einfach weil sie Vögel beobachten wollte und weil man von hier aus einen herrlichen Blick über das Gelände hatte. Heute hatte sie jedoch selbst einen Brief, den sie mit einer Schuleule verschicken wollte. Ihre Schwester war nach Finnland gegangen, Sara wollte sie fragen, wie es ihr so ging und ob sie ihr zu Weihnachten eine kleine Trollfigur mitbringen konnte. Maggie wollte ihrer Nachbarin zum Geburtstag gratulieren und ihre ein paar Schokofroschkarten schicken.

 Während Maggie Balthasar das kleine Päckchen ans Bein band, hielt Sara Ausschau nach einer geeigneten Eule. Ein paar machten einen recht erschöpften Eindruck, sie waren sicher erst vor Kurzem zurückgekehrt. Denen wollte sie keinesfalls eine längere Reise zumuten. Manche schliefen, manche taten, als würden sie die Mädchen gar nicht bemerken. Aber zwei kamen zu ihr geflattert und ließen sich auf einer niedrigen Stange nieder, sahen sie erwartungsvoll an. Sara entschied sich gegen den Waldkauz und für die Schneeeule, die würde gut nach Finnland passen.

 „Komm nicht ohne Antwort zurück“, sagte sie leise und gab ihr den Brief in den Schnabel. „Du bekommst auch einen Keks.“

 Zusammen mit Maggies Uhu verschwand die Schneeeule aus dem Turm, bald war sie nicht mehr zu sehen.

 „Entschuldige“, sagte Sara zu dem Waldkauz und streichelte sein Gefieder vorsichtig. „Beim nächsten Brief, den ich verschicken will, werd ich dich wählen.“
 „Du entschuldigst dich bei einer Eule?“, fragte Maggie ungläubig und schob die Tür auf. Mit dem Fuß schob sie sanft Athene zurück, die ihre Gelegenheit nutzen wollte, zu den Eulen zu kommen.

 Sara hob die Schultern und nahm ihre Katze auf den Arm, bis sie am Fuß der Treppe angekommen waren. „Vielleicht hätte ich noch einen Brief für meine Eltern schreiben sollen, dann hätte sie auch was zu tun gehabt.“

 „Du bist komisch“, sagte Maggie mit einem Lächeln. Das sagte sie so oft, dass Sara es ihr überhaupt nicht mehr übel nahm. Meistens hatte sie damit ja auch ein bisschen recht. „Sag mal, ich geh zu Hagrid, er hat Kekse gebacken. Möchtest du mitkommen?“

 Das Lächeln gefror in Maggies Gesicht, sie blickte Sara voller Unbehagen an. „Also, versteh mich nicht falsch. Ich war ja letzte Woche mit da, aber es hat mir überhaupt nicht gefallen. All die toten Vögel an der Decke, die find ich gruselig. Und sie stinken. Dieser riesige Hund macht mir auch total Angst. Das hab ich nich gesagt, weil er ja so ganz nett ist und ich seine Gefühle nicht verletzen wollte.“ Auch jetzt hatte sie die Stimme gesenkt, obwohl niemand in der Nähe war.

 „Oh“, machte Sara nur und tat einen großen Schritt über Athene hinweg, die ihr um die Beine schwänzelte. „Wenn du meinst.“ Sie selbst interessierte es wenig, sie mochte die Hütte, und Fang war ein richtig lieber Hund.

 Maggie sah erleichtert aus. „Aber hey, wenn ich mit meinem Aufsatz Bezoare fertig bin, kann ich nach draußen kommen. Das Wetter ist heute noch so schön und du weißt ja nicht, wie es wird.“
Auf dem Weg über das Gelände traf Sara Remus Lupin, der sie ein Stück begleitete. Er sah müde und angeschlagen aus. „Hey, Sara“, sagte er lächelnd. „Ich muss dich um etwas bitten.“

 Sie blieb stehen, weil sie sich schon denken konnte, was er wollte. In den zwei Wochen, die sie bereits in dieser Schule verbracht hatte, hatten die Jungs sie schon oft um kleine Gefallen gebeten, die geplante Streiche betrafen. Weil sie dafür immer etwas bekommen hatte, hatte sie keinen Grund gesehen, warum sie hätte ablehnen sollen. „Was ist es denn diesmal?“

 Verstohlen blickte er sich um, dann langte er in die tiefen Taschen seines Umhangs. „Das hier“, sagte er und zog ein kleines Päckchen heraus, das in eine Seite des Tagespropheten eingewickelt war, „bringst du bitte heute Abend mit zum Essen. Filch wird vielleicht uns durchsuchen, dich aber auf keinen Fall. Wenn du es uns dann ganz unauffällig zuspielen könntest, wären wir dir sehr dankbar.“

 „Was ist mit Mrs Norris?“, hakte sie nach. „Die kriegt alles mit.“

 Remus winkte ab. „Das Katzenvieh hast du doch längst um den Finger gewickelt.“

 Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Nun nenn sie nicht so!“

 „Ach, entschuldige! Bitte nicht so laut.“ Er legte ihr die Hände auf die Schulter. Sie waren kälter als sonst. „Bitte.“

 Sie nahm ihm das Päckchen aus der Hand und betrachtete es skeptisch. „Sind das etwa Feuerw…“

 Er hielt ihr den Mund zu. „Leise! Und ja, sind es. Bitte, Sara.“

 Sie legte den Kopf schief. „Ihr habt doch nichts mit Severus vor, oder?“, fragte sie leise. Ihr war aufgefallen, dass er ein sehr beliebtes Ziel für ihre Scherze war und das gefiel ihr gar nicht. Mittlerweile hatte sie begriffen, dass sein Hass gegen sie nicht ganz unbegründet war. Aber zu ihr waren die Jungs nett, also hielt sie sich raus.

 Remus schüttelte den Kopf. „Dieses Mal wirklich nicht, das versprech ich.“

 Einen Augenblick musterte sie ihn kritisch, dann glaubte sie ihm. Sie steckte das Päckchen in eine Innentasche ihres Umhangs. „Ich warne dich. Wenn du mich anlügst, werd ich euch verraten.“

 Mit übertriebenem Grinsen klopfte er ihr auf die Schultern. „Nein, nein, wir haben was ganz anderes vor, glaub mir. Na, dann. Bis später.“ Er ging hinunter zum See.
 Sara klopfte an die Tür zu Hagrids Hütte. Er machte sofort auf und lächelte, drängte Fang zurück, der sie schon wieder anspringen wollte. So musste er sich gedulden, bis sie in einem der Sessel saß, um ihr das Gesicht abzuschlecken. Sie streichelte seinen Kopf und er legte sich neben ihre Füße, sabberte ihre Stiefel voll.

 „Ist deine Freundin nicht mitgekommen?“, fragte Hagrid und ließ Sara nicht einmal Zeit, ihm zu antworten. „Findet es wohl nicht so gemütlich hier.“

 „Sie meint es nicht böse.“ Sara lächelte schüchtern.

 Hagrid nickte verständnisvoll, sah aber trotzdem ein bisschen gekränkt aus, als er das überflüssige Gedeck wegräumte.

 Sara nahm ihm jedoch die bereits gefüllte Tasse aus der Hand. Sie mochte den Tee, den er kochte, er schmeckte irgendwie, als hätte er sich von Professor Sprout alle Kräuter besorgt, die sie in ihren Gewächshäusern so züchtete. Das heiterte ihn etwas auf.

 „Hat der Flugunterricht schon angefangen?“, fragte er.

 „Gestern“, antwortete Sara. „Es war ganz nett, aber bei meinem ersten Versuch bin ich vom Besen gefallen.“ Sie hatte sich nichts getan, weil es nicht sehr hoch gewesen war. „Aber ein paar haben die Besen nicht einmal in die Hand bekommen.“

 Er lächelte und reichte ihr einen Teller mit Keksen. „Wird schon noch, die wenigsten Schüler kriegen das in der ersten Stunde gleich hin.“

 Sara nickte. Sie hatte das auch überhaupt nicht erwartet. „Sag mal, gibt es einen Grund, warum du die ganze Zeit zur Hintertür schaust?“

 Ertappt riss er die Augen auf. „Oh, oh, also … Hast ja gesagt, du willst mir helfen. Also, ich hab das was, da kannste wirklich mitmachen.“ Er grinste, als sie sich gerade im Sessel aufsetzte. „Hab nen verletzten Jarvey im Wald gefunden. Kannst dich um ihn kümmern, wenn du willst.“

 Beinah verschluckte sie sich an einem Stück Keks. Hatte sie sich da gerade verhört? Sicher hatte er nur gesagt, dass sie einen Jungen namens Harvey in den Krankenflügel begleiten sollte. „Ein Jarvey?“, keuchte sie, um sich zu vergewissern. Sie trank einen Schluck Tee, als er nickte. Ihr Ausdruck schien ihn wirklich zu amüsieren.

 „Hagrid!“ Sie trank die Tasse aus und stellte sie heftig auf den Tisch. „Das Ministerium hat den Jarvey mit drei Sternen klassifiziert. Drei. Und ich bin in der ersten Klasse! Wenn das jemand sieht und petzt, kriegst du Riesenärger!“ Natürlich wollte sie sich gern um ihn kümmern, aber niemand sollte deswegen in Schwierigkeiten kommen.

 Der Wildhüter winkte ab. „Ach, was. Der ist harmlos, es geht ihm echt nicht gut. Hatte auch vor, mit Professor Dumbledore zu reden, falls du zusagst.“

 Sie lächelte. Das hatte er sich eben einfallen lassen. „Wenn du das wirklich machst und er ja sagt, dann helf ich gern.“
 Hagrid lachte und stand auf. Er nahm sie mit nach draußen in einen kleinen Garten. Tatsächlich entdeckte sie im Gras ein großes, zitterndes Fellknäuel. Bei näherer Betrachtung sah es aus wie ein gigantisches Frettchen. Es hob den Kopf, seine Knopfaugen fixierten sie.

 „Was ist das für eine Schnepfe?“, rief der Jarvey mit seiner hohen Stimme. Es war deutlich, wie schwer ihm das Reden fiel.

 „Weißt ja, er kann nicht anders“, raunte Hagrid ihr zu und beugte sich dann nach vorn. „Das ist Sara. Du kriegst ein großes Problem, wenn du sie beißt.“

 „Wofür hältst du mich denn?“, fauchte der Jarvey und stieß ein gequältes Quieken aus. Sara kam etwas näher und sah jetzt, dass ein Teil seines lang gezogenen Rumpfes verbunden war. Der Verband färbte sich schon ein wenig rot. „So scheiße bin ich nicht, dass ich Wänster beiße!“

 Sara kniete sich neben ihn und hielt ihm eine Hand hin, die er kommentarlos und schwer atmend beschnupperte.

 Zusammen mit Hagrid löste sie den Verband, der eine tiefe Wunde verdeckt hatte, die Sara Gänsehaut beschaffte. Schnell schmierte sie die Salbe, die Hagrid ihr gegeben hatte, an die Ränder der Wunde. Wieder quiekte der Jarvey.

 „Scheiße! Du tust mir weh, du Miststück!“

 Sara tat ihr Bestes, das zu überhören. Sie wusste ja, dass es nun einmal so war und da waren auch noch die Schmerzen.

 „Wie ist das passiert?“, wollte sie wissen. Vielleicht lenkte es ihn ab, wenn sie sich mit ihm unterhielt, so weit das möglich war.

 Bevor er antwortete, knurrte er und schnappte nach Hagrids Finger, bekam ihn aber nicht zu fassen. „Das waren die beschissenen Zentauren!“, rief er zornig. „Haben nach mir getreten, weil ich gesagt hab, dass sie verdammte Drecksgäule sind. Aber ist doch wahr!“
Sie blieb eine Weile bei ihm und fütterte ihn mit toten Maulwürfen aus einem Eimer. Als er eingeschlafen war, wusch sie sich die Hände in der Regentonne und schnupperte probeweise daran. Sie würde wohl ein Bad brauchen.

 Vor der Hütte wartete Maggie auf sie. Zu zweit machten sie einen Spaziergang über das Gelände. Maggie hatte sogar Verständnis für Saras Begeisterung, was den Jarvey betraf, aber sie betonte mehrfach, dass es sehr wichtig war, den Schulleiter um Erlaubnis zu bitten.

 Am See trafen sie Sirius und Remus, die zusammen mit einem ziemlich kleineren Jungen mit blondem Haar Steine ins Wasser warfen. Remus zwinkerte ihr zu, als sie auf ihren Umhang klopfte. Maggie bekam davon nichts mit, sie sprach gerade von einem sehr nützlichen Zauber, den sie in einem Buch in der Bibliothek gefunden hatte.
Nach dem Abendessen, bei der ihr das Paket zufällig in der Nähe von James Potters Platz aus der Tasche gefallen war, bestand Maggie darauf, dass Sara weiter an ihrem Streichholz übte. Die Feder hatten sie beide schweben lassen, sogar eine Schachfigur, die sich lautstark darüber beschwert hatte. Maggie hatte auch aus dem Streichholz eine einwandfreie Nadel gemacht, als Erste in der Klasse. Sara tat sich schwerer damit.

 „Fast“, sagte Severus, der sich über sie gebeugt hatte. Wieder war er einfach aufgetaucht und sie hatte sich furchtbar erschrocken. Er setzte sich neben sie und drehte ihre hölzerne Nadel zwischen den Fingern.

 „Nützlicher als die von gestern, die hatte ja das Schwefelköpfchen noch dran“, sagte Maggie und beugte sich vor. „Da ist es ja nur noch ein kleiner Schritt von Holz zu Metall.“

 Sara nickte und nahm Severus die Nadel aus der Hand. „Einer, den ich heute nicht mehr machen kann.“ Sie war müde und der nächste Tag würde mit Kräuterkunde beginnen. Auch wenn Professor Sprout eine sehr nette Lehrerin war, mochte sie das Fach gar nicht. Gärtnerei lag ihr überhaupt nicht.
Am Morgen landete eine Schleiereule zwischen dem Geschirr auf dem Tisch und streckte ein Bein nach ihr aus, an dem ein kleiner Zettel festgebunden war. Wie jeder gefiederte Gast bekam auch sie einen Eulenkeks, bevor sie fort flog.

 „Vom Schulleiter“, stellte Maggie fest.

 „Nach zwei Wochen schon Ärger?“, fragte Severus. „Ich wusste doch, dass …“

 Sie schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. „Das ist wegen des Jarveys, von dem ich dir gestern erzählt hab.“

 „Ach, ja. Du hast dich ja mit dem Wildhüter angefreundet.“ Er sagte das in einem abfälligen Ton, der Sara nicht gefiel, aber sie schwieg.

 „Ja, na und? Sie hat sich auch mit dir angefreundet“, erwiderte Maggie und streckte ihm die Zunge raus. Dann rutschte sie so nah zu Sara hin, dass man meinen könnte, sie wollte sich gleich auf ihrem Schoß setzen. „Jetzt mach schon auf. Ist das schon die Antwort?“

 Sara musste sie enttäuschen, das war noch nicht die Antwort. Auf dem Pergament stand nur das Passwort zu seinem Büro.
Als sie die Große Halle verlassen hatte, fiel ihr ein, dass sie überhaupt nicht wusste, wo das Büro des Schulleiters war. Eine Weile lief sie einfach durch die Gänge, merkte dann aber, dass es keinen Sinn hatte. Darum fragte sie ein paar Gemälde, aber die gaben ihr vollkommen unterschiedliche Anweisungen und amüsierten sich darüber, wie ratlos sie war.

 Es war ihr Glück, dass sie in einem Gang James Potter traf. Er stand nur da und sah eine Tür an, dabei lächelte er.

 „Hey.“ Sie blieb neben ihm stehen und schaute auch auf die Tür, konnte daran aber nichts Besonderes erkennen. „Was machst du hier?“

 „Muss bei McGonagall nachsitzen. Im Unterricht sollten wir Feuerzeuge in Böller verwandeln. Die waren natürlich leer, aber ich hab die von gestern auf den Tischen der anderen hochgehen lassen. Das hättest du sehen sollen, wie erschrocken alle waren.“ Er lachte. „Danke nochmal. Von unserem nächsten Ausflug bringen wir dir mit, was du willst.“

 „Ich komm darauf zurück.“ Sie kicherte über die Vorstellung von Professor McGonagalls Gesicht. Dann fiel ihr ein, warum sie da war. Dass er vielleicht nicht der Richtige war, um ihn so etwas zu fragen. Aber sie wollte ihr Glück versuchen. „Hör mal, ich such das Büro des Direktors. Kannst du mir sagen, wo ich lang muss?“

 Er hob die Brauen. „Das erste Mal zu Dumbledore bestellt nach nur zwei Wochen. Ich bin stolz auf dich, Sara.“ Er grinste. „Weißt du, ich bring dich hin. So falsch, wie du hier bist, kann ich dir den Weg nicht so einfach beschreiben.“

 Er setzte sich in Bewegung und sie folgte ihm. Offenbar hatte er kein Problem damit, das Nachsitzen zu verpassen. „Ich hab keine Regel gebrochen oder so, damit du das weißt. Es geht um was ganz anderes.“

 „Aber sicher.“ Das klang so, als würde er ihr nicht glauben, aber sie wollte ihm jetzt auch nicht die Wahrheit erzählen. Gleich nachdem er um eine Ecke gebogen war, hielt er sie am Arm fest und blickte sich um. Er entdeckte niemanden und schob Sara hinter einen Wandteppich. Da war ein Geheimgang. Damit hätte sie rechnen müssen. In einem alten Schloss wie diesem gab es sicher unzählige Geheimnisse. James schob sich an ihr vorbei und machte mit seinem Zauberstab ein wenig Licht. Eine Treppe nach der anderen ging es nach oben, bis sie schließlich hinter einer Rüstung hervor wieder auf den Gang traten.

 James beschrieb ihr den Rückweg. Sara bedankte sich bei ihm und er verschwand wieder in dem Geheimgang.
Dumbledores Büro wurde von einem steinernen Greif bewacht. „Bananensplit“, sagte Sara und die Statue schob sich zur Seite. Dahinter schwang sich eine Wendeltreppe in die Höhe. Sara stellte sich darauf und musste nur ein paar Stufen steigen. Oben klopfte sie und die Tür schwang von allein auf.

 Das Büro war ein großer runder Raum und es war leer – fast. Auf einer Stange neben dem Schreibtisch saß ein schwanengroßer Vogel von roter Farbe, der sie aus gutmütigen Augen ansah. Sie bemühte sich, die Fassung zu bewahren. Noch nie hatte sie einen echten Phönix gesehen. Sie ging zu ihm und streichelte über sein glänzendes Gefieder. Er schmiegte den schönen Kopf an ihren Arm.

 „Miss Crowfield“, hörte sie eine tiefe Stimme sagen. Sie sah auf und sah den Schulleiter in einer Tür stehen, die sie bisher überhaupt nicht bemerkt hatte. Als sie den Phönix erblickt hatte, hatte ihm ihre gesamte Aufmerksamkeit gegolten.

 „Guten Morgen, Sir.“ Sara machte einen leichten Knicks und nahm auf dem Stuhl Platz, auf den er deutete. Ihr Blick wanderte wieder zu dem Phönix. „Wie heißt er?“

 „Sein Name ist Fawkes. Du hast wirklich Glück, vor dem Frühstück ist er wieder auferstanden.“ Dumbledore schmunzelte, als er ihren begeisterten Blick bemerkt hatte.

 Sie betrachtete den herrlichen Vogel für eine Weile, bevor sie sich daran erinnerte, warum sie überhaupt hergebeten worden war. „Professor Dumbledore, Sir. Was sagen Sie zu dem Jarvey?“

 „Ein Jarvey ist ein Raubtier, mein Kind. Er sagt, dass er Ihnen nicht wehtun will, aber er folgt niederen Instinkten.“ Über die Ränder seiner Halbmondbrille sah er sie an. „So gesehen ist das keine gute Idee, mein Kind.“

 „Ich werde mich bestimmt nicht beschweren, wenn er mich beißt! Und er tut mir so leid, er ist wirklich schwer verletzt.“ Sie versuchte es mit dem traurigen Blick, der bei ihren Eltern immer Wirkung zeigte. Nun wirkte es allerdings nicht so. Darum musste eine andere Strategie her.

 „Ich hab mich schon oft um Tiere gekümmert“, sagte sie schnell. „Außerdem ist Hagrid doch dabei, mir kann nichts geschehen.“

 Lange Zeit sah er sie schweigend an. Es war ihr unangenehm, aber sie traute sich nicht, das zu sagen. Schließlich seufzte er. „Also gut, Miss Crowfield. Aber denken Sie daran, dass Tiere in den Wald gehören. Sie werden ihn vielleicht nie wieder sehen, wenn er einmal genesen ist.“

 Sara war so erleichtert, dass sie heftig nickte. Am liebsten hätte sie Fawkes umarmt. Und durch die Euphorie kam ihr noch ein anderer Gedanke. „Und, Sir, dürfte ich vielleicht in den Unterricht der dritten Klassen? Pflege magischer Geschöpfe meine ich.“

 Dumbledore sah sie einen Moment überrascht an. Dann fing er an, herzhaft zu lachen, was sie erröten ließ. „Es tut mir leid, aber das geht nun wirklich nicht. Da werden Sie sich noch zwei Jahre gedulden müssen.“ Sara war nicht so enttäuscht, wie sie hätte sein sollen. Sie hatte sich schon gedacht, dass das nicht machbar war.

Im Oktober war der Jarvey wieder gesund. Professor Dumbledore hatte sich geirrt, sie sah ihn wieder und das ziemlich oft. Wann immer sie bei Hagrid zu Besuch war, hielt er sich in der Nähe des Hauses auf. Manchmal saßen sie einfach zusammen auf der Wiese.

 So auch am letzten Samstag vor Halloween, und Sara hatte sogar Maggie dazu überreden können, ihre Bücher mit nach draußen zu bringen. Sie saßen am See und zwischen Sara und dem Jarvey lag ein toter Maulwurf, den er ihr als Geschenk mitgebracht hatte. Wie alle seine Mitbringsel würde sie ihn Athene geben, die freute sich immer.

 „Ich wüsste was Besseres, als mich immer wieder verbrennen zu lassen“, sagte Maggie irgendwann in die Stille hinein. Auf Saras fragenden Blick hin las sie eine Passage vor, die etwa in der Mitte des Buches war.

 „Beim Tempo von Professor Binns dauert es noch Jahre, bis wir an der Stelle sind“, bemerkte Sara und blätterte zu dem Kapitel, das er in der letzten Stunde rezitiert hatte. Nebenbei streichelte sie immer wieder kurz das struppige Fell des Jarveys, bis er genug hatte und nach ihr schnappte.

 Er sprach nie viel, wenn Maggie dabei war. Ihr fiel es nicht so leicht, seine Ausdrücke hinzunehmen, also begnügte er sich damit, einfach da zu sein. Manchmal ging er auch einfach und kam irgendwann wieder.

 Maggie seufzte. „Dabei ist das hier doch so viel interessanter als die Magie im Königreich Albion.“ Als sie das sagte, verdrehte sie die Augen.

 „Was denn? Du bist doch eh die ganze Stunde damit beschäftigt, für den Verwandlungsunterricht zu üben.“ Sara war ja auch nicht besser. Hin und wieder sah sie die Aufsätze der Jungs für Kesselbrand durch, ergänzte sie und war immer darauf bedacht, dass sie nicht zu gleich klangen. Das half ihr ein bisschen darüber hinweg, dass sie selbst noch nicht in Pflege magischer Geschöpfe unterrichtet wurde.

 Maggie lachte. „Ja, ich könnte sogar alle Tische in Esel verwandeln, ohne dass er es merken würde. Wenn ich das könnte.“
 Der Jarvey sprang auf und sah an Sara vorbei. „Wenn jetzt auch noch die Schnepfe kommt, bin ich weg! Drei Gören sind zu viel!“, rief er laut und rannte zum Wald.

 Maggie schnalzte die Zunge und schlug das Buch zu. Sie wollte gerade aufstehen, aber Sara hielt ihren Arm fest. Über die Wiese kam ein Mädchen mit roten Haaren. Sie erkannte es, Severus war öfter mit ihr unterwegs. Noch öfter sprach er von ihr.

 „Hi“, sagte das Mädchen und starrte in Richtung Wald. „Was war das denn eben?“

 „Mach dir nichts draus.“ Maggie winkte ab. „Haben deine Eltern die nie gesagt, dass man niemals auf das hören sollte, was ein Jarvey sagt? Und man soll sich schon gar nicht die Worte merken, die er sagt.“ Dabei wedelte sie tadelnd mit dem Finger.

 Das Mädchen runzelte die Stirn und senkte den Blick.

 Sara fiel ein, was Severus einmal über sie gesagt hatte. „Das ist Lily“, flüsterte sie in Maggies Ohr. „Lilys Eltern sind doch Muggel.“

 Maggie klappte der Unterkiefer herunter. „Oh“, machte sie und nahm das Buch, das sie neben sich gelegt hatte, auf den Schoß. „Entschuldige, ich wusste nicht, dass deine Eltern keine Zauberer sind.“ Sie lächelte schüchtern.

 „Also, dann sag ich dir jetzt was über Jarveys“, sagte Sara. „Sie können reden, aber das meiste, was sie sagen, sind Schimpfwörter. Er meint das nicht böse und eben wollte er nur nett sein.“

 „Er wollte nett sein?“, fragte das Mädchen namens Lily und setzte sich ins Gras.

 Maggie schnalzte mit der Zunge. „Wart’s ab, jetzt kommt’s.“

 Sara überging das. „Würde er sich mit dir unterhalten, müsste er dich die ganze Zeit beleidigen. Wenn er weiß, dass das gemein ist, unterhält er sich lieber nicht mit dir, um nicht gemein zu sein. Ich glaube ja, dass sie interessante Sachen sagen, die man einfach nur raushören muss.“ Sie überging auch Maggies übertriebenes Nicken.

 Lily sah sie an und schien wenig überzeugt. „Na, wenn du das sagst.“ Sie richtete den Blick auf die Oberfläche des Sees. „Du musst Sara sein.“

 „Ja, wieso?“ Sie ließ den toten Maulwurf in ihrem Umhang verschwinden und hoffte, dass Lily ihn noch nicht bemerkt hatte. Sie machte nicht den Eindruck, dass sie tote Tiere mochte.

 Jetzt lächelte Lily ein bisschen unsicher. „Sev hat mir erzählt, dass du dich um ein Tier aus dem Wald gekümmert hast. Und dass du seine Aufsätze für Pflege magischer Geschöpfe schreibst.“ Aus der Tasche ihres Umhangs holte sie einige Scheiben Toast. „Und er meinte auch, dass du den Kraken bestimmt schon kennst.“

 „Ein Kraken?“ Sara beugte sich vor, um an Maggie vorbei Lily besser ansehen zu können. „Nein, ich kenne keinen Kraken.“

 Ein seltsames Lächeln legte sich auf Lilys Züge. Sara meinte, darin Triumph erkennen zu können. „Und die Wassermenschen?“, fragte sie weiter.

 Sara schüttelte mit offenem Mund den Kopf. Sie hatte nie erwartet, dass es in diesem See auch so interessante Wesen gab. Sie musste zugeben, dass sie sich mit dem, was unter Wasser so lebte, kaum auskannte.

 „Warum setzt du dich nicht gleich auf meinen Schoß?“, fragte Maggie trocken und legte ihre Bücher zur Seite. Sie wirkte nicht überrascht, als Sara das Angebot annahm.

 Lily rupfte eine Toastscheibe in zwei Hälften. „Also, dort im See lebt ein riesiger Kraken. Und er mag Toast.“

 „Toast“, wiederholte Maggie und hob die Brauen.

 „Ich war auch total erschrocken, als ich das zum ersten Mal gesehen hab. Aber wir müssen nur das hier da rein werfen.“ Sie warf eine halbe Toastscheibe weg wie einen Frisbee und sie landete im Wasser.

 Es dauerte auch gar nicht lang, da erschien ein rundes, gezacktes Maul an der Oberfläche auf und schnappte sich das Brot. Zusätzlich tauchten zwei lange Fangarme auf und tasteten auf dem weichen Gras, bis sie ganz in Lilys Nähe zu liegen kamen.

 „Kann man den anfassen?“, wollte Sara sofort wissen.

 Lily kicherte und Sara wusste nicht, was sie so witzig fand. „Natürlich. Aber Vorsicht, er ist kitzlig.“

 Sara ging zu einem der Fangarme hin und streichelte vorsichtig mit der flachen Hand darüber. Es war ganz glitschig und zuckte. Aber er verschwand nicht und er griff sie nicht an, also war es wohl in Ordnung.

 „Ihr könnt ihn auch füttern, wenn ihr wollt.“ Lily hielt ihnen die restlichen Toastscheiben hin.

 Sara wischte sich die Hände am Mantel ab und setzte sich wieder. „Und was ist mit den Wassermenschen?“ Sie riss eine Scheibe in vier Teile und warf eins ins Wasser. Der Krake schnappte es sich sofort.

 „Die ziehen die Boote, mit denen die Erstklässler ankommen“, erklärte Lily. „Ich hab gehört, dass Professor Dumbledore ihre Sprache spricht.“

 Sara beschloss, dass sie ihn bei der nächsten Gelegenheit danach fragen wollte. Dann konnte sie auch gleich Fawkes besuchen. „Danke, dass du mir so toll Sachen zeigst“, sagte sie lächelnd.

 Sie fütterten dem Kraken alle fünf Scheiben Toast, die Lily mitgebracht hatte, dann verschwand er wieder in den Tiefen des Sees.

 „Wie gefällt es dir hier auf Hogwarts?“, wollte Maggie irgendwann wissen. Sie hatte zwischendurch ihr Buch wieder aufgeschlagen und wahrscheinlich nicht mitbekommen, was Lily Sara über den Unterricht bei Kesselbrand erzählt hatte.

 „Es ist schön hier“, antwortete Lily, ohne lange nachzudenken. „Ich wusste ja gar nicht, dass ich zaubern kann, bis Sev es mir erzählt hat. Dann kam Professor Dumbledore und hat meinen Eltern davon erzählt. Die freuen sich immer, wenn ich ihnen in den Ferien von der Schule erzähle. Aber meine Schwester nicht. Die sagt, das ist was für Spinner.“ Sie machte ein trauriges Gesicht. „Und hier rufen sie mir manchmal ‚Schlammblut’ hinterher.“

 Maggie zog die Brauen zusammen. Sie war immer sehr ernst, wenn es im Unterricht um die Dunklen Künste ging oder wenn sich ältere Jungs im Gemeinschaftsraum darüber unterhielten, wie gern sie später Todesser werden würden. Einmal hatte sie Sara erzählt, dass alle ihre Großeltern Muggel waren. Daran musste es wohl liegen. „Leute, die so was sagen, kannste vergessen.“

 „Genau“, pflichtete Sara ihr bei. „Du kannst zaubern, also gehörst du hierher. Die sind ja doch nur neidisch, weil du so eine gute Schülerin bist. Ja, das hat Severus mir erzählt“, fügte sie an, als Lily rot wurde. „Aber warum bist du nicht mit nach Hogsmeade gegangen? Meine Schwester hat mir erzählt, dass es da richtig toll ist.“

 Lily biss sich auf die Unterlippe. „Es ist das erste Wochenende und da sind alle gegangen. Weißt du … diese Jungs, mit denen du manchmal unterwegs bist, ich glaube, die sind ziemliche Idioten und verfolgen mich. Aber heute hab ich mal Ruhe vor denen. Sev bringt mir was mit, hat er gesagt. Und beim nächsten Mal geh ich bestimmt mit.“
Sie gingen nach drinnen. Im Gemeinschaftsraum stieß Sara mit einem Jungen aus ihrem Jahrgang zusammen, er war etwas kleiner als sie und hatte ein langes Gesicht, das er jetzt angewidert verzerrte. „Du stinkst ja schrecklich! Hast du ein totes Tier in der Tasche, oder was?“ fragte er so laut, dass es alle hören konnten.

 „Ja.“ Sara holte den Maulwurf aus der Tasche und hielt ihn dem Jungen vors Gesicht. „Ich weiß nicht, wie du das erraten hast, aber willst du ihn haben?“ Sie ging an ihm vorbei, als er den Kopf schüttelte und einen komischen Ausdruck im Gesicht hatte. Alle gingen ihr aus dem Weg, was wohl an dem Maulwurf lag, den sie hoch erhoben hielt und erst im Schlafsaal auf den Boden legte. Sofort kam Athene und schnappte ihn sich.

 Maggie, die ihr gefolgt war, lehnte sich von innen an die Tür und kicherte. „Jetzt halten sie dich alle für komisch“, sagte sie.

 Sara hob nur die Schultern. „Ich muss kurz ins Bad.“
 Sie zog sich um und ging mit dem Geruch von Seife in der Nase zurück in den Gemeinschaftsraum. Die älteren Schüler waren gerade wieder zurück, nur Severus war nicht da.

 Maggie hatte ihr Zaubererschachspiel mitgebracht und sie spielten so lang, bis Sara endlich mal gegen Maggie gewonnen hatte und der die Lust verloren ging. Die Figuren hatten ihr widerwillig gehorcht, immer mit einem Blick auf Athene, die neben Sara auf der Sessellehne hockte.

 Nun kam auch Severus herein und er hatte sehr schlechte Laune. Ohne Worte gab er Maggie die Zeitschrift über Besen, um die sie ihn gebeten hatte, und deutete an Sara gewandt zum Eingang hin.

 Sara ging auf den Gang und fand dort Sirius und die anderen vor. Sie hatten auch wieder den kleinen blonden Jungen dabei, der es tunlichst vermied, sie anzusehen.

 „Was habt ihr wieder gemacht?“, fragte sie, ohne den Jungs eine Möglichkeit zu lassen, vorher etwas zu sagen.

 „Nichts“, antwortete Sirius, aber sein Grinsen strafte seine Worte Lügen.

 Sie neigte den Kopf. „Lüg mich nicht an. Aber eigentlich will ich’s auch gar nicht wissen, weil es keinen Unterschied macht. Was soll das überhaupt? Warum macht ihr diesen Mist?“

 „Weil er’s verdient hat“, sagte James Potter trocken und sie sah, dass er es wirklich ernst meinte. Aber sie konnte es sich nicht erklären.

 „Ach ja? Und wieso?“

 „Er ist ein Slytherin.“

 Überrascht sah Sara den blonden Jungen an. Von ihm war diese Antwort gekommen, ganz leise und doch bestimmt. Dabei sah er noch immer zu Boden.

 „Peter!“ Remus rempelte ihn an.

 Sara stemmte die Hände in die Hüften. „Heißt das, dass ich es auch verdient hab, oder was?“

 „Nein, nein!“ Sirius hob abwehrend die Hände. Sein Lächeln war ein bisschen nervös geworden. „Du bist in Ordnung, Sara.“

 „Aber hast du dir mal die Kerle angesehen, mit denen er so unterwegs ist?“, fragte Remus ernst.

 Sara wusste, dass er damit diese älteren Jungs meinte. „Das ist mir doch egal! Er kann unterwegs sein mit wem er will.“ Sie wollte sich schon umdrehen und gehen, aber Sirius legte ihr eine Hand auf die Schulter.

 „Willst du gar nicht wissen, warum wir hier sind?“, fragte er.

 Sie blieb stehen. „Warum seid ihr denn hier? Ich kann mich nicht erinnern, in letzter Zeit was für euch getan zu haben.“

 „Also wirklich!“ James Potter hatte einen großartig geschauspielerten bestürzten Ausdruck im Gesicht. „Unsere Aufsätze in Pflege magischer Geschöpfe wären nur halb so gut ohne dich. Also wollten wir dir einfach mal ein Geschenk vorbei bringen.“ Behutsam holte er etwas aus seinem Umhang hervor. Es war eine Schachtel, etwa so groß wie seine Hand. Von außen war ihr nicht anzusehen, was darin war.

 Sara nahm sie skeptisch in die Hand. „Wenn ich die aufmache, werden mich dann Springschlangen anspringen?“

 James hob mit schelmischem Grinsen die Schultern.

 Sara klappte den Deckel auf. Ihr starrten zwei winzige Augen entgegen. Sie gehörten zu einem kleinen Chinesischen Feuerball. Sein Schwanz zuckte.

 Der Ärger verflog augenblicklich. „Danke!“, rief sie und umarmte James Potter flüchtig.

 „Hey. Ich hab ihn ausgesucht“, bemerkte Sirius.

 „Und ich hab gemeint, wir sollten einen nehmen, der sich bewegt“, ergänzte Remus.

 Sara umarmte die beiden ebenfalls. Sie wollte auch Peter kurz in den Arm nehmen, aber er wich zurück.

 „Aber ich helf euch gern bei den Aufsätzen“, sagte sie und klappte die Schachtel wieder zu. „Bis später.“ Sie hatte nicht das Gefühl, dass ihre Worte bei den Jungs irgendetwas bewirkt hätten.
 Im Gemeinschaftsraum setzte sie sich zu Maggie und Severus, der Süßigkeiten mitgebracht hatte. Athene kam unter einem Regal hervor und legte sich unter Saras Stuhl.

 Sara nahm den kleinen Drachen auf ihre Hand und sah ihn sich genauer an. Man konnte meinen, er sei echt und nur geschrumpft. Maggie schaute über die Ränder ihrer Zeitschrift hinweg. Sie hatte gesagt, für Drachen interessiere sie sich besonders. „Der ist ja niedlich.“

 Sara nickte und streichelte über seinen gestreckten Körper. „Trotzdem sind die Jungs ziemliche Idioten.“

 Severus sah sie an und seine Miene hellte sich ein wenig auf. „Ich hab dir auch was mitgebracht“, sagte er. Zwischen den Süßigkeitenverpackungen vor ihm auf dem Tisch lag auch eine Tüte mit Katzenleckerlis.

 Darüber freute Sara sich beinah so sehr wie über den Drachen. Die Tüte, die sie selbst mitgebracht hatte, war schon seit ein paar Tagen leer und sie hatte ihr Kätzchen immer wieder enttäuschen müssen. „Vielen Dank!“ Sie setzte den Drachen auf den Tisch und beugte sich vornüber. Athene nahm hin, dass Sara sie von ihrem Platz nahm und sie sich auf den Schoß setzte. „Diesen kleinen Kerl hier lässt du in Ruhe, ja?“ Athene streckte langsam die Pfote zum Tisch, bis der kleine Drache einen Feuerball ausstieß, der ihr beinah das Fell versengt hätte. Langsam wandte sie sich Sara zu und stupste mit ihrem Kopf ihre Hand an.

Es war Halloween und das Festessen stand an. Es war ein sonniger, aber kalter Tag und Sara und Maggie froren, nachdem sie den Nachmittag auf dem Flugübungsplatz verbracht hatten. Maggie hatte einen Heidengefallen am Fliegen gefunden und sie war richtig gut. Irgendwann wollte sie sich wohl auch für die Mannschaft bewerben. Sara war schon stolz auf sich, weil sie den Besen ruhig halten konnte.

 Offenbar war Halloween im Schloss ein großes Ereignis. Auf dem Weg in die Kerker tat der Poltergeist Peeves sein Bestes, die beiden Mädchen mit allem zu bewerfen, was er so zur Hand hatte, und ließ erst von ihnen ab, als Professor Slughorn vorbei kam. Die Geister schienen Spaß daran zu haben, Schüler zu passieren, was einem jedes Mal einen großen Schauer über den Rücken jagte. Nur der Blutige Baron fand das albern und beschwerte sich grummelnd über seine toten Kameraden.

 Die Große Halle raubte Sara den Atem. Sie war dekoriert mit Dutzenden schwebender Kürbislaternen. Echte Fledermäuse flatterten in großen Schwärmen durch die Halle, natürlich fand Sara sofort Gefallen an ihnen. Sie setzten sich nicht zufällig in die Nähe des Blutigen Barons, denn hier war die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass ein Geist sie passierte. Sie hofften nur, dass er nicht so bald wegschweben würde.

 Jemand setzte sich neben Sara. Sie vermutete, dass es einfach Severus war, deswegen nahm sie den Blick nicht von den Fledermäusen. Vielleicht konnte sie ihre Eltern davon überzeugen, sich daheim im Dachkasten welche zu halten. Erst als alle um sie herum anfingen, zu kichern, sah sie ihn an.

 Seine Laune schien heute besonders schlecht und der Grund dafür war offensichtlich. In seinen Haaren hingen unzählige kleine, glitzernde Kürbisköpfe aus Plastik, die leise kicherten. Woher um alles in der Welt kamen die? Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte er sie nicht selbst dort angebracht.

 Sara konnte sich zurückhalten, aber Maggie nicht. Vor lachen verschluckte sie sich an einem Stück Kürbispastete und hustete es wieder auf ihren Teller, als Sara ihr auf den Rücken klopfte. Dabei hörte sie nicht auf, zu lachen. Erst als Severus sie mit einem so finsteren Blick ansah, dass die ganze Halle etwas dunkler zu werden schien.

 „Warum hast du kichernde Kürbisköpfe im Haar?“, fragte Sara leise, als die anderen ihre Aufmerksamkeit wieder eigenen Angelegenheiten gewidmet hatten.

 Severus sah sie nicht an. „Frag doch deine sauberen Gryffindorfreunde. Die hielten das für eine witzige Idee.“ Der Hass, der unüberhörbar in seiner Stimme mitschwang, jagte Sara einen Schauer über den Rücken.

 „Und nun gehen sie nicht mehr ab?“

 Er fixierte sie mit seinen schwarzen Augen und langsam begann sie, sich wirklich zu gruseln. „Denkst du, ich lauf freiwillig so rum?“, fuhr er sie an.

 „Darf ich?“ Maggie beugte sich vor, sie hatte ihren Zauberstab gezückt und wartete auf ein Nicken. Sie richtete ihn auf Severus, schnippte zweimal und murmelte ein kurzes Wort. Auf der Stelle verstummten die Kürbisköpfe und fielen zu Boden. Wie sie da so verstreut lagen, sahen sie irgendwie traurig aus.

 Sara sah Maggie mit ehrlicher Bewunderung an. „Woher hast du den denn?“, fragte sie. Im Unterricht war der mit Sicherheit noch nicht dran gewesen.

 „Aus einem Buch in der Bibliothek“, antwortete Maggie stolz. „Löst alles außer den Dauerklebefluch.“

 „Danke“, sagte Severus leise und betrachtete die Köpfe noch ein bisschen, bevor er sich an Hähnchen und Kartoffeln bediente.

 Maggies Lächeln wurde verlegen. „Hähä, ja. Es war das erste Mal, dass ich es richtig hingekriegt hab.“

 Severus sah sie mit bohrendem Blick an. „Was wäre denn geworden, wenn es schief gegangen wäre?“

 Maggie senkte den Blick und ihre Ohren wurden ganz rot. „Dann“, fing sie kleinlaut an, „dann wären dir wohl all deine Haare ausgefallen. Im besten Fall.“

 Sara schnitt Severus mit einer Geste das Wort ab. Er hatte schon den Mund geöffnet. „Es ist ja nicht schief gegangen“, sagte sie. Damit versuchte sie auch, die Bilder in ihrem Kopf loszuwerden. Für den Rest des Abends widmete sie sich neben dem Essen auch den Fledermäusen. Sie wurde einfach nicht müde, sie zu beobachten.
 Nach dem Essen machten sie sich zu dritt auf zum Gemeinschaftsraum. Aber kaum, dass sie die Große Halle verlassen hatten, drängte sich ein Junge zwischen Sara und Severus. Es war James Potter. Auf ihrer anderen Seite erschien Sirius und neben Maggie liefen Remus Lupin und der Junge namens Peter.

 „Wo sind denn die Kürbisse?“, fragte James breit grinsend. „Wollten sich wohl nicht länger mit dir abgeben.“

 Severus antwortete nicht. Vielleicht versuchte er, James einfach zu ignorieren. Aber das war nicht einfach.

 „Könnt ihr nicht einmal mit den Gemeinheiten aufhören?“, fragte Sara. Dabei klang sie vielleicht nicht sehr überzeugend, weil sie wusste, dass die Jungs sich wieder nicht um ihre Worte scheren würden.

 Sirius lachte und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Nein, Sara. Das verstehst du ganz falsch. Wir machen doch nur Spaß. Wir mussten sie nicht mal festkleben, seine fettigen Haare haben ausgereicht.“

 Sie sah in sein grinsendes Gesicht. „Das ist nicht witzig, Sirius, das ist blöd.“

 „Ich find es schon witzig“, erwiderte James und als sie an der Treppe angekommen waren, verpasste er Severus eine weitere Ladung Kürbisse. Laut lachend rannten die Jungs die Treppe hoch.

 Severus hatte seinen Zauberstab gezückt und ihn nach oben auf den Rücken von James Potter gerichtet. „Cru-“

 „Nein!“, rief Maggie und stürzte sich auf ihn, packte sein Handgelenk und nahm ihm den Stab aus der Hand. „Bist du wahnsinnig?“, fragte sie laut. „Wenn Filch dich erwischt, kriegst du Riesenärger.“ Aber das schien nicht ihr größtes Problem zu sein.

 Sara stand daneben und bemerkte jetzt erst, was er da eben beinah getan hatte.

 Severus riss sich heftig los. „Lass mich!“, fauchte er. „Und gib den wieder her.“

 Maggie sah nach oben und als sie feststellte, dass die Jungs außer Reichweite waren, gab sie Severus den Zauberstab wieder. „War das dein Ernst?“ Ihre Stimme klang höher als sonst.

 „Ist doch meine Sache!“, erwiderte er schroff. „Jetzt lass die verschwinden!“

 Maggie sah ihn wütend an, dann schaute sie zu Sara, die immer noch nichts gesagt hatte. Sie wusste auch wirklich nicht, was sie jetzt tun sollte.

 „Nein“, sagte Maggie schließlich kalt und rannte wieder zurück in die Halle.
 Sara sah ihr nach und war unschlüssig, ob sie ihr folgen sollte. Aber im Moment ließ sie Severus wohl besser nicht allein. Hätte er wirklich … Hätte er das gekonnt? Der Blick in seinen Augen verhinderte gerade jeden Zweifel.

 „Hast du dazu nichts zu sagen?“, fragte er.

 „Wie wirst du die jetzt los?“

 Er sah sie an, ohne etwas zu sagen. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was er gerade dachte.

 „Wir können zu Professor Slughorn gehen, der kann das bestimmt.“

 „So werd ich garantiert nicht noch mal in die Halle gehen“, erwiderte er.

 Sara kam eine Idee. Wahrscheinlich war sie dumm. Aber es war das Einzige, was ihr im Moment dazu einfiel. „Dann warte bitte hier auf mich.“

 Sie rannte zurück in die Halle und klaubte die Kürbisse vom Boden auf. Wenn sie Glück hatte, hatte Maggies Zauber die Wirkung nur zeitweise ausgesetzt. Maggie saß nicht am Slytherintisch, sondern bei den Ravenclaws, wo sie sich gerade mit Cecilia unterhielt.

 Sara legte ihr zwei der Kürbisse hin. „Bitte“, sagte sie leise und hoffte, dass Maggie verstand.

 Das tat sie wohl, denn sie nahm sie in die Hände und musterte sie skeptisch. „Du bist echt komisch. Aber ich mach sie trotzdem nicht weg. Morgen fallen sie von allein ab, wir hatten die auch mal daheim.“

 Sara war erleichtert. „Trotzdem“, sagte sie und ging jetzt zum Gryffindortisch. Die Schüler sahen sie komisch an, als sie sich neben Lily Evans setzte und ihr ebenfalls zwei Kürbisse hinlegte. Den Rest  ließ sie über ihren eigenen Kopf rieseln und sie klebten tatsächlich noch. Alle fingen an, zu lachen, aber das störte Sara nicht. Darum war es ihr ja gegangen.

 Lily seufzte. „Sie können es nicht lassen.“ Daraufhin klebte sie sich die Kürbisse in die Haare, sodass sie aussahen wie zwei Spangen.

 Sara bedankte sich und rannte wieder in die Eingangshalle.
 Severus wartete dort auf sie, wo sie ihn zurückgelassen hatte, und sah sie mit undeutbarem Blick an. „Was soll das denn?“

 Sara lächelte und blieb vor ihm stehen. „Jetzt lachen sie über mich und nicht mehr über dich.“ Sie nahm eine ihrer Haarsträhnen zwischen die Finger. „Maggie und Lily hab ich auch zwei gegeben.“

 „Du hast …“ Er schlug die Hand an seine Stirn. „Und du glaubst, das würde mir irgendwie helfen?“

 „Ein bisschen vielleicht“, sagte sie. „Aber keine Sorge. Maggie meint, das ist morgen früh vorbei. Was machen wir jetzt?“

 Er antwortete nicht, er musterte sie nur. Es war ihr diesmal nur ganz wenig unangenehm. Aber sie wollte auch nicht die ganze Zeit nur hier stehen.

 „Lass uns ein bisschen nach draußen gehen. Wir haben noch Zeit bis zur Sperrstunde und das Wetter ist so schön.“

 Er hatte keine Einwände, aber Sara bereute ihren Vorschlag bald. War es am Tag schon kalt gewesen, war es nun eisig. Doch sie beschwerte sich nicht, weil es ja ihr Vorschlag gewesen war. Trotzdem merkte er mit Sicherheit, wie sehr sie fror.

 In der Dunkelheit gingen sie hinüber zum Quidditchfeld. Am Freitag würde Slytherin gegen Hufflepuff spielen und sie freute sich schon darauf.

 „Ich glaube nicht, dass das geklappt hätte“, sagte Sara irgendwann, damit sie sich nicht die ganze Zeit anschwiegen. Aber vielleicht wäre das besser gewesen.

 „Hör auf“, sagte er.

 „Bring dich bitte nicht in Schwierigkeiten.“ Sie wusste nicht genau, warum sie jetzt das Bedürfnis hatte, ihn darauf anzusprechen. Vielleicht war es das Gekicher der Kürbisse, das ihr mittlerweile ziemlich auf den Keks ging. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass sie hier vollkommen allein waren.

 „Nicht deine Sache.“

 „Ich möchte nicht, dass du von der Schule fliegst.“ Und das wäre das Harmloseste gewesen, was ihm passiert wäre, hätte das wirklich funktioniert. Warum hatte sie nur das Gefühl, dass es so gekommen wäre?

 „Soll ich das einfach über mich ergehen lassen?“ Er war laut geworden. Sie hätte den Mund halten sollen.

 „Natürlich nicht. Aber was nutzt dir das, wenn du der Schule verwiesen wirst?“

 Er musterte sie in dem wenigen Licht, dass der Mond und die Sterne brachten. „Vielleicht will ich ja gar nicht auf einer Schule sein, in der James Potter der größte Held ist.“

 „Das meinst du nicht ernst“, sagte sie leise. „Lily ist schließlich auch hier.“

 Darauf erwiderte er nichts, was ihr zeigte, dass sie recht hatte. Sie verfielen wieder in Schweigen.

 Sara schaute hinüber zum Wald, der in völliger Dunkelheit lag. So wirkte er selbst auf sie bedrohlich und sie fröstelte noch ein bisschen mehr. Aber wenn sie daran dachte, was für faszinierende Wesen es dort geben musste …

 „Du willst doch auch nicht von der Schule fliegen“, sagte Severus und reichte ihr ein schwarzes Bündel.

 Sie war froh, dass er in der Dunkelheit nicht sehen konnte, wie sie rot wurde. „Ich hab ganz bestimmt nicht vor, einfach in den Wald zu spazieren“, ließ sie ihn wissen. „Irgendwann lässt Hagrid mich schon mitkommen, und wenn es nach der Schule ist.“ Sie stellte fest, dass dieses Bündel ein Schal war. Er war ganz ausgefranst und hatte einige Löcher, aber darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Er war warm. „Danke.“
Maggie saß mit Athene im Gemeinschaftsraum. In ihren Haaren waren noch immer die Kürbisse. Sie war allein, alle anderen waren wohl schon im Bett. Neben ihr auf dem Stuhl stand ein Teller mit Würstchen.

 „Wo seid ihr denn gewesen?“, wollte sie wissen, ohne den Blick von Athene zu nehmen, die sich an sie schmiegte.

 „Frische Luft schnappen“, antwortete Sara und nahm den Schal ab, der im Licht jetzt noch etwas schlimmer aussah. „Danke nochmal.“ Sie gab ihn Severus zurück. Dann nahm sie den Teller und setzte sich. „Sind die für mich?“

 Maggie nickte. Mit dem Finger drückte sie gegen die weichen Polster an Athenes Pfötchen.

 Sara merkte erst, dass Severus sich nicht zu ihnen setzen würde, als sie die Tür zum Schlafsaal hörte. „Gute Nacht“, rief sie ihm hinterher und bekam natürlich keine Antwort. „Danke für die Würstchen.“ Von einer biss sie das Ende ab.

 „Ja, ihr wart schon weg, als die aufgetragen wurden. Ich dachte mir, dass du gern welche hättest.“

 „War es noch schön?“

 Maggie nickte. „Bis auf die Tatasche, dass ich mir eine Ausrede ausdenken musste, warum ich die im Haar hab. Die Wahrheit kannste ja keinem erzählen. Ich wundre mich ziemlich über dich.“

 Sara wusste, was sie meinte. Bei Maggie hatte sie das raus, sie konnte manchmal sogar ihre Blick richtig konkret deuten. Aber bei den meisten anderen Leuten hatte sie ganz schön Probleme. „Ich war ziemlich geschockt“, gab sie zu. „Aber als wir draußen waren, haben wir beide festgestellt, dass wir nicht von der Schule fliegen wollen.“

 „Vernünftig“, sagte Maggie, als Sara fertig war, und stand auf. „Um dich muss ich mir keine Sorgen machen, oder?“

 „Niemals“, antwortete Sara und nahm Athene auf den Arm. Sie gingen leise zum Schlafsaal und wurden von den leuchtenden Augen des winzigen Drachen beobachtet. Maggie setzte sich mit auf Saras Bett und nahm ihn auf die Hand. Es schien sie zu freuen, dass er am Ärmel Pyjamas nach oben kletterte und sich auf ihre Schulter setzte.

 „Was ist dein Lieblingsdrache?“, fragte Sara.

 Maggie überlegte einen Moment. „Der walisische Grünling, schätze ich. Ich find sie alle irgendwie cool, aber den mag ich am meisten. Warum fragst du?“ Sara lächelte. „Ach, nur so.“

Der November verlief vollkommen ereignislos und bald stand Weihnachten vor der Tür. Eine dichte Schneedecke hatte sich über das Schloss und die Ländereien gelegt. Bei diesem Wetter kam selbst Maggie manchmal gern mit zu Hagrid, weil es in der Hütte immer warm war und weil sein Tee die Kälte lange vertrieb.

 In der letzten Woche vor den Ferien wurden sie mit Hausaufgaben nur so überschüttet. Die Lehrer meinten zwar, dass die Prüfungsvorbereitung nach den Ferien erst richtig begann, es kam ihnen aber ganz anders vor.

 Um sich von einem Aufsatz über Zutaten für Liebestränke abzulenken, hatten Sara und Maggie den Freitagnachmittag mit einer Schneeballschlacht verbracht. Bald hatten sich ihnen die meisten ihrer Klassenkameraden angeschlossen. Professor Flitwick war vorbei gekommen und sie hatten schon gefürchtet, dass sie aufhören mussten. Aber er hatte sie nur gelobt, weil sie die Schneebälle durch Zauberei fliegen ließen.

 So waren ihre Haare noch ganz nass, als sie zum Abendessen gingen. Hagrid war gerade dabei, eine riesige Tanne in der Eingangshalle aufzustellen. Sicher war es zu Weihnachten auch schon im Schloss. Aber sie hatte nur diese eine Gelegenheit, ihre Eltern und vor allem Tabitha zu sehen, darum fuhr sie lieber nach Hause.

 Es gab Brathähnchen und Sara suchte nach einem Gesprächsthema. Ihr fiel nur eines ein, das nicht wirklich mit dem Zaubertrankaufsatz zu tun hatte. „Fährst du auch über die Ferien nach Hause, Severus?“

 „Um meinen Eltern da beim Streiten zuzusehen? Lieber nicht.“ Das war das erste Mal, dass er selbst über seine Familie erzählte. Lily hatte Sara im Vertrauen verraten, dass sein Vater ein Muggel war und dass er ihn überhaupt nicht leiden konnte.

 „Ich freu mich auch schon total drauf“, sagte Maggie und stocherte mit der Gabel in ihrem Kartoffelpüree. „Meine ganze Familie kommt jedes Jahr an Weihnachten zu Besuch, aber eigentlich können sie sich gar nicht leiden.“

 Sara fand plötzlich überhaupt nicht mehr schade, dass sie nur zu den Eltern ihrer Mutter noch Kontakt hatten. Die waren aber in diesem Jahr woanders eingeladen.
Schon als der Zug in den Bahnhof King’s Cross einfuhr, erkannte Sara die hoch gewachsene Gestalt ihrer Schwester und ihren kleeblattgrünen Schal auf dem Bahnsteig. Sie und Maggie halfen sich gegenseitig mit dem Gepäck und stellten fest, dass ihre Eltern zusammen auf dem Bahnsteig warteten. Nun verabschiedeten sie sich, denn Maggies Familie wollte gleich nach Hause disapparieren. Saras Vater wollte noch in die Winkelgasse, so konnten sie Geschenke einkaufen gehen. Sie fuhren mit einem Bus voller Muggel und Sara kam sich ziemlich komisch vor mit all dem Gepäck und noch im Umhang.

 „Du musst mir alles erzählen“, sagte Tabitha. „Was hast du so gemacht? Wie kommst du zurecht?“

 „Dann musst du mir aber auch alles erzählen.“

 „Wartet damit am besten, bis wir im Tropfenden Kessel sind“, sagte ihre Mutter leise.
 Beim Essen erzählte Sara alles noch einmal, was sie auch schon in ihren Briefen erwähnt hatte. Aber jetzt konnten sie nachfragen. Tabitha wollte wissen, wie es den Lehrern ging und was sich so alles verändert hatte. Das war nicht viel, schließlich war sie erst seit zwei Jahren aus der Schule raus.

 Tatsächlich dauerte es bis in die Winkelgasse, bevor Tabitha anfing, zu erzählen. „Ich hab mir ne Hütte in Finnland gekauft“, sagte sie stolz. „Weit weg von allen möglichen Muggeldörfern. Es ist schön ruhig. Ich glaube nur, dass ich mit unangemeldetem Besuch von Werwölfen rechnen muss.“ Sie lachte dabei, aber Sara fand die Vorstellung gruselig, dass sie nachts auf dem Balkon saß und plötzlich ein Werwolf vorbeikam.

 „Na, dann pass bitte gut auf dich auf“, sagte ihre Mutter und ihr Gesichtsausdruck war tatsächlich besorgt. Finnland war viel gefährlicher als Irland.

 „Dein Kamin ist übrigens an das Flohnetzwerk angeschlossen“, bemerkte ihr Vater. „Heute Morgen kam die Nachricht vom Ministerium rein.“

 In der Winkelgasse herrschte wie immer reges Treiben. Sara hielt ging mit Tabitha und hielt sich an ihrem Mantel fest, um nicht verloren zu gehen. Sie blieben vor einem Schaufenster stehen.

 „Es ist komisch in den skandinavischen Bergen“, sagte sie leise und in Gedanken. „Sie sehen so tot aus, sind aber in Wirklichkeit voller Leben.“

 Sara fröstelte es. „Hast du auch schon Trolle gesehen?“ Sie dachte an einen Wandteppich im Schloss, auf dem ein Zauberer zu sehen war, der versuchte, Trollen das Ballett beizubringen.

 Ihre Schwester nickte mit einem Lächeln. „Aber man passt besser auf, dass man ihnen nicht zu nahe kommt. Jetzt sag mal, hast du auch ein paar Freunde gefunden? Das Mädchen am Bahnhof bestimmt.“

 „Ja, das ist Maggie.“ Sara zog sie weiter zum Tierladen, wo sie auch eine Weile vor dem Schaufenster standen und die Eulen beobachteten. „Außerdem mit ein paar Drittklässlern. Ich versteh mich ganz gut mit den meisten Leuten aus meinem Jahr.“ Ihr fiel ein, dass sie ja nicht bloß hier war, um sich Tiere anzusehen. Sie musste auch noch Geschenke kaufen.
Die Zeit bis Weihnachten war ein bisschen so wie damals, bevor Tabitha weggezogen war. Es war eisig kalt. Athene wollte das Haus nicht verlassen und die Posteulen ruhten sich immer besonders lang im Warmen aus. Den gesamten Sonntag verbrachte Sara mit einem Buch vor dem Kamin. Am Abend spielte sie mit Tabitha Schach, gewann aber kein einziges Mal und erreichte nur ein Unentschieden.

 Am Weihnachtsabend stand sie mit ihrer Mutter in der Küche und backte Tanzende Lebkuchenmänner, von denen sie welche an Maggie schicken wollte. Zusammen mit dem kleinen Grünling, den sie in der Winkelgasse gekauft hatte.

 Als es Zeit fürs Bett war, setzte sie sich ans Fenster und wartete. Sie wollte nicht, dass Weihnachten so schnell verging.
Als sie aufwachte, lag sie auf dem Boden und jemand hatte sie zugedeckt. Athene hatte sich an sie gekuschelt und zuckte im Schlaf. Die Sonne war bereits aufgegangen und vor Sara stapelten sich die Geschenke.

 Ganz oben stand eine Schachtel mit einem etwa zwanzig Zentimeter großen skandinavischen Troll, der eine kleine Keule schwang. Sara drückte ihn an sich, was ihm anscheinend nicht gefiel, und stellte ihn dann auf ihr Nachtkästchen. Dort machte er es sich gemütlich, aufmerksam beobachtet von Athene. Sara sah ihm eine Weile zu, bevor sie sich den anderen Geschenken zuwandte.

 Eines war eine selbst gestrickte grüne Mütze von ihrer Großmutter, auf die silberfarben die Initialen SC gestickt worden waren. Sie passte zu den Handschuhen, die sie im letzten Jahr bekommen hatte.

 Darunter lag ein großes Paket, das hin und her wackelte. Es war mit einem groben Seil zugebunden worden. Darunter klemmte ein Zettel. Kraul seinen Rücken stand da in Hagrid krakeliger Schrift. Sie wunderte sich, was das sein konnte, und packte es vorsichtig aus. Es war ein grünes Buch, das sie aus kleinen schwarzen Augen musterte. Und es knurrte sie an! Als sie es öffnen wollte, schnappte es sogar nach ihr und sie ließ es vor Schreck zu Boden fallen. Wie sollte sie dem denn bitte den Rücken kraulen? Was war das überhaupt für ein Ding?

 Es war Athene, die ihr half. Die Katze sprang vom Bett auf den Boden, machte einen mächtigen Buckel und das Fell an ihrem Schwanz sträubte sich. Sie fauchte. Das Buch hoppelte aufgebracht hin und her, hielt inne und wollte gerade einen Satz auf Athene zu machen, da stürzte Sara sich auf es und drückte es zu Boden. Auch wenn es sich heftig wehrte, schaffte sie es, ihm den Rücken zu kraulen. Daraufhin wurde es ganz zahm und sie konnte endlich lesen, was da in goldenen Lettern auf dem Einband stand: Das Monsterbuch der Monster. Sie fand, dass das ein passender Name war. Als sie eine Weile darin blätterte, stellte sie fest, dass das so etwas ähnliches wie Newt Scamanders Buch war, das in der Schule für den Unterricht benutzt wurde.

 Auch im nächsten Paket war ein Buch. Es war nicht einmal so lang wie ihr Unterarm, aber ziemlich dick und trug den Namen Tausend Tierische Tränke und da wusste sie schon, von wem das war. Als sie es aufschlug, entdeckte sie auf der Umschlagseite einen Satz: Mach wirklich genau, was da steht. Sie kicherte und drückte das Buch an sich. Wie sehr sie sich auch über alles andere freute, aber das hier gefiel ihr am besten.

 Maggie hatte ihr ein Fass mit farbwechselnder Tinte geschickt und die Karte auch damit geschrieben. Die Worte schimmerten abwechselnd in grün und rot.

 In dem Päckchen von ihren Eltern war ein kleinen Antipodisches Opalauge, das sich sofort auf das Regal zu dem Chinesischen Feuerball verzog, als es Athene erblickt hatte. Aus seinem Maul kam eine winzige, scharlachrote Flamme, die glücklicherweise nichts in Brand steckte.

 „Keine Sorge, kleiner Freund. Mein Kätzchen wird dir nichts tun.“ Sie nahm Athene auf den Arm. „Für dich hab ich natürlich auch was.“ Sie nahm auch das Buch von Severus mit und ging nach unten in die Küche.
 Tabitha stand da und schmierte ein Toast, während zwei weitere neben ihr von allein dasselbe taten. „Morgen, Schwesterchen“, sagte sie. „Kannst du mal bitte den Teig ins Waffeleisen gießen?“

 Sara setzte Athene auf ihren Stuhl und legte das Buch auf den Tisch, bevor sie tat, wie geheißen. Dann ging sie in den Flur, wo sie in einer Tasche das Halsband fand, das sie Athene gekauft hatte, es war rot mit weißem Fischmuster.

 Als sie es ihrer Katze angelegt hatte – zum Glück ohne dass die sich gewehrt hatte, setzte sie sich zu Tabitha, die in dem Buch blätterte. Sie kicherte, weil Sara ihr erzählt hatte, warum der Satz da stand.

 „Das ist ja richtig nützlich“, sagte sie. „Darf ich mir ein paar davon kopieren?“

 „Natürlich. Und danke für den Troll. Weißt du, was Hagrid mir geschenkt hat? Ein Buch, das beinah Athene aufgefressen hätte.“

 „Und man muss es kraulen?“, fragte Tabitha und lachte, als Sara nickte. „Ja, davon hat Professor Kesselbrand uns erzählt. Es gibt wirklich komische Sachen. Ich sag es dir, wenn Hagrid Lehrer wäre, würde er das als Unterrichtsmaterial verwenden.“
Nach dem Frühstück schrieb Sara an Maggie und die anderen, um sich zu bedanken und ihnen schöne Ferien zu wünschen. Im Garten baute sie einen Schneemann und bekam mal wieder Besuch von der Nachbarskatze.

 Für den Rest der Ferien schrieb sie sich mit Maggie und Hagrid, ließ sich Geschichten aus Irland und Finnland erzählen, und las in dem Tränkebuch. Da gab es wirklich kaum etwas, für dessen Behandlung kein Trank verzeichnet war. Die zweite Woche verwendete sie auf die Hausaufgaben, die sie im Schloss nicht geschafft hatte. Ihre Mutter half ihr bei einem Trank, von dem sie dann eine Probe an Slughorn schickte. Beim zweiten Versuch schon war er gelungen.

 Doch so schön es daheim auch war, alle Kinder in ihrem Alter hier waren Muggel und sie freute sich doch ziemlich darauf, wieder nach Hogwarts zu kommen. Und Maggie ging es wohl ähnlich, sie hatte nur wenig Erfreuliches zu berichten. Anscheinend lebte sie in einem großen Haus, denn ihre ganze Familie hatte darin Platz. Und sie musste wohl ziemlich abgelegen wohnen, weil sie davon berichtete, dass sie einen Besen bekommen hatte, mit dem sie manchem Ausflüge machte, um nicht die ganze Zeit im Haus zu sein.
Die ganze Zugfahrt lang hatte Maggie ihr vorgeschwärmt, was für schöne Bilder sie trotz allem gemacht hatte. Sie hatte nämlich eine Kamera bekommen, aber die hatte sie nicht mitgebracht, weil sie ziemlich sperrig war.

 Am Abend im Gemeinschaftsraum zeigte sie die Fotos dann auch endlich. Viele davon zeigten Familienmitglieder mit mal mehr, mal weniger freundlichen Gesichtern. Eins, auf dem sie mit ihren Eltern und beiden Brüdern zu sehen war, steckte sie sich in den Umhang.

 „Schau dir mal das an“, sagte sie und reichte Sara ein Foto, auf dem ein großer Garten zu sehen war. Da hatte jemand ziemlich gewütet, Pflanzen rausgerissen und Blumentöpfe überall verstreut. Sara konnte sich schon denken, wer das gewesen war und warum Maggie ihr das Bild zeigte.

 „Ja, du siehst ganz recht, das war ein Knarl“, bestätigte Maggie ihr. „Meine Oma hat ihn mit nem Igel verwechselt und Dad hat zu spät bemerkt, dass sie ihm was hingestellt hat. Ach, das hat wieder Krach gegeben … Ich hab ihn dann sogar gefunden. Hier.“ Sie gab Sara noch ein anderes Foto, auf dem ein kleines Tier unter einem Haufen Laub zu sehen war, das tatsächlich ein bisschen Ähnlichkeit mit einem Igel hatte und vor sich hin schnarchte.

 Auf Maggies Wunsch hin hatte Sara das Buch hervorgeholt, das sie von Hagrid bekommen hatte. Weil sie es für die Fahrt zusammengebunden hatte, knurrte es sie wieder an, aber durch die Stricke fiel es ihr nicht so schwer, seinen Rücken zu kraulen.

 „Verrückt.“ Ganz vorsichtig blätterte sie durch das Buch, als hätte sie Angst, es würde zubeißen. Dabei war es jetzt ganz brav. „Passt aber auch irgendwie zu Hagrid.“

 Sara kicherte. „Das dacht ich mir auch. Aber als Buch ist es echt toll.“

 „Und das da?“, fragte Maggie und nahm das dicke Tränkebuch, das zwischen ihnen auf dem Sofa lag. „Das“, sagte Sara stolz, „ist das beste Geschenk, das ich jemals bekommen hab.“

Das zweite Schuljahr war Sara schrecklich lang vorgekommen. Schon am Anfang der Ferien freute sie sich darauf, wieder in die Schule zu gehen, aus dem einfachen Grund, dass sie dann endlich Pflege magischer Geschöpfe haben würde.

 Eine noch größere Überraschung war jedoch eine Waldohreule, die eine Woche vor ihrem Geburtstag einen kleinen Brief brachte. Sie staunte nicht schlecht, als sie Severus’ Handschrift erkannte. Er hatte ihr bisher nur zu Weihnachten und zum Geburtstag geschrieben, aber das hier kam etwas zu früh.

 Die Eule saß auf ihrer Schulter und knabberte an ihrem Ohr, bis sie ihr eine Eulennuss gab. Sie wartete wohl auf Antwort.

 Noch mehr wunderte Sara sich über den Inhalt des Briefes. Er wollte sie besuchen. Als sie ihm angeboten hatte, Weihnachten bei ihr zu verbringen, hatte er abgelehnt. Natürlich freute sie sich, nur konnte sie leider nicht allein entscheiden.

 „Mum, darf mich ein Freund besuchen kommen? Die nächste Woche?“ Sie schrieb schon mal den Anfang und zwar so, dass er in beiden Fällen passte.

 Ihre Mutter warf einen Blick auf den Kalender. „Es kommen ja nur Tabitha und Robert.“ Das war ihr Freund, den sie in Irland kennen gelernt und in Finnland wieder getroffen hatte. Beide waren viel auf Reisen, doch den Sommer verbrachten sie in Finnland. In den Weihnachtsferien hatte Sara ihn kennen gelernt und fand ihn ziemlich nett.

 „Wir können ein zweites Bett in mein Zimmer stellen.“ Sara faltete die Hände und lächelte. „Es ist keiner von den Jungs aus Gryffindor“, sagte sie. „Du musst dir also keine Sorgen machen, dass er Ärger macht.“

 Ihre Mutter setzte sich zu ihr, während das Geschirr sich weiter selbst abwusch. „Ich freu mich, dass du mal Besuch bekommst, Spatz. Also schreib ihm, dass er gern kommen kann.“

 „Oh, danke!“ Sara bemühte sich, die Antwort mit besonders schöner Schrift zu schreiben. Als die Tinte trocken war, gab sie der Eule einen Keks und den Brief. Als sie aus dem Fenster verschwunden war, kam Athene auf Saras Schoß gesprungen und verlangte die Aufmerksamkeit, die ihr gebührte.
Am Montag klopfte es an der Tür. Sara war allein daheim. Ihre Mutter hatte Schicht im St. Mungos und ihr Vater hatte überraschend während eines dringenden Auftrags nach Plymouth gemusst. Natürlich hatte er ihr trotz beharrlichen Fragens nicht gesagt, worum es ging.

 Vor ihr stand Severus in einem Mantel, der ihm viel zu groß war. Auf dem Rücken trug er einen Rucksack, der den Eindruck machte, er würde gleich platzen, so voll war er.

 Sara sah sich um, aber nirgends war etwas zu sehen. „Wie schön, dass du gekommen bist.“ Am Handgelenk zog sie ihn ins Haus.

 „Lily ist verreist und ich wollte den Rest der Ferien nicht allein mit meinen Eltern verbringen. Kann ich meinen Umhang anziehen?“

 Sie sah ihm an, wie sehr er aus diesen Muggelsachen rauswollte, also nickte sie. „Mein Zimmer ist oben.“ Sie ging voraus und zeigte auf das Bett, das sie vom Dachboden geholt und zurecht gemacht hatten. Es stand gegenüber von Saras Bett, direkt unter dem Fenster. „Falls du möchtest, wir haben dir auch ein Fach im Schrank frei geräumt.“

 Severus stellte seinen Rucksack auf das Bett und musterte den kleinen Troll und die beiden Drachen, die es sich heute im Bücherregal bequem gemacht hatten und schliefen. Da war eine Lücke, wo normalerweise das Lehrbuch für Verwandlung stand, das nun auf dem Schreibtisch lag. Maggie und Sara übten und schickten sich ihre Ergebnisse gegenseitig zu. Die von Maggie waren um Längen besser.

 „Bist du allein zuhause?“, fragte er und sie hörte, wie er über die Dielen ging.

 „Meine Eltern müssen heute beide arbeiten“, antwortete Sara und ging in die Knie, um unter dem Bett nach Athene zu suchen. Das Fenster war geschlossen, also war sie nicht draußen. Und da saß sie tatsächlich, ihre grünen Augen leuchteten in der Dunkelheit.

 „Was machst du da unten?“, fragte sie und streckte einen Arm aus. Es war sehr staubig unter ihrem Bett und da lagen einige Schokofroschpackungen. Vielleicht hätte sie aufräumen sollen. „Das ist nur Severus, du kennst ihn doch.“

 Athene ging zielgerichtet an Saras dargebotener Hand vorbei und streifte ihren Arm und ihre Hüften, sprang aufs Bett und leckte sich die Pfoten.

 Sara stand auf und klopfte sich den Staub von den Knien. Es war so warm, dass sie nur ein kurzes Kleid mit Drachenmuster trug. „Wie bist du hergekommen?“

 Erst sah Severus aus, als wollte er nicht antworten. „Mein Vater hat mich hergebracht“, sagte er dann doch und es schien ihm überhaupt nicht zu gefallen. „Es hat ewig gedauert.“

 Er suchte sich Sachen aus dem Rucksack und sah dann Sara an, die seinen Blick wieder einmal überhaupt nicht deuten konnte. „Würdest du bitte gehen?“, fragte er in einem Ton, als hätte sie das wissen müssen.

 Sie wollte ihn fragen, warum, aber dann fiel es ihr ein. Sie nahm Athene auf den Arm. „Komm schon, Kätzchen. Wir lassen den Herr sich allein umziehen.“ Sie setzten sich auf den Flur im Boden.

 Im Umhang trat er schließlich zu ihr heraus.

 „Hast du Hunger? Möchtest du was trinken?“, fragte sie und rappelte sich auf. Ihre Katze ging die Treppe nach unten und war wohl auf dem Weg in die Küche, wo das Fenster offen stand. Sie hatten eine Katzenklappe an der Tür zum Garten, aber das interessierte sie nicht.
Am Donnerstag wurde Sara von einer Eule geweckt, die schwer auf ihrem Bett landete. Dann kitzelte sie etwas an der Seite und als sie an sich hinunter sah, bemerkte sie, dass das Athenes Schwanzspitze war. Die Katze lauerte und beobachtete die Eule, die wegen des Päckchens an ihrem Bein nicht so leicht davonkommen würde.

 „Vergiss es!“, sagte Sara laut und gab ihr einen kleinen Klaps auf die Flanke.

 Erschrocken sprang Athene auf und hetzte von Saras Bett aus dem offenen Fenster.

 Sara nahm der Eule das Paket ab und fischte in der Schublade des Nachtkästchens nach ein paar Keksen. Viele waren nicht mehr da, sie würde bald Nachschub besorgen müssen.

 In dem Paket war ein kleiner Schokoladenkuchen. Dabei lag eine Karte: Wir wünschen dir einen schönen Geburtstag, Sara. Unterschrieben war es mit Krone und Tatze. Sara wusste, dass James und Sirius sich gegenseitig so nannten, wenn sie allein waren. Außerdem war Remus Moony und Peter war Wurmschwanz. Sie hatte nie verstanden, was das sollte und hatte auch nicht gefragt. Aber der Kuchen sah lecker aus.

 Erst, als die Eule weggeflogen war, fiel Saras Blick auf Severus, der auf seinem Bett saß und einen Brief las. Bei ihm saß ein Uhu. „Guten Morgen“, sagte sie und bekam nur ein Nicken als Antwort. Sie nahm sich noch einen Eulenkeks und klopfte auf das Bettgestell. Der Uhu flatterte zu ihr herüber und ließ sich auf dem Pfosten nieder, freute sich anscheinend sehr über den Keks.

 „Der ist von Lily“, sagte Severus. „Ich soll dir von ihr auch Alles Gute ausrichten. Sie will dir was schicken, wenn sie wieder daheim ist.“ Jetzt sah er von dem Brief auf und in ihr Gesicht. „Ich hab auch nichts für dich.“

 Lächelnd schüttelte Sara den Kopf. „Das macht doch nichts. Du bist hier. Das ist das erste Mal, dass mich jemand zum Geburtstag besucht, weißt du? Möchtest du was von dem Kuchen?“

 Er faltete den Brief und steckte ihn in seinen Rucksack. Dabei musterte er den kleinen Kuchen argwöhnisch. „Wer weiß, was die damit angestellt haben.“

 Sara seufzte. „Aber sie wissen doch gar nicht, dass du hier bist. Sie werden ja nicht mein Geburtstagsgeschenk verhexen.“ Vorsichtig schnupperte sie daran, er roch nach einem ganz gewöhnlichen Schokoladenkuchen. Aber vielleicht würde er wegrennen, wenn sie versuchte, ihn anzuschneiden. Oder die Glasur, mit der sie 13 geschrieben hatten, würde ihr die Lippen zusammen kleben. Was, wenn sie eine Plastikkakerlake eingebacken hatten? Zuzutrauen wäre es ihnen, aber an ihrem Geburtstag? „Dann ess ich ein Stück und wenn er gut ist und du was haben willst, kannst du gern.“

 „Aber doch nicht vor dem Frühstück“, sagte ihre Mutter, die in der Tür stand.
Auf einem Tisch im Wohnzimmer lagen einige Päckchen und Karten. Zuerst zog eine sehr lange Schachtel ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie dachte sich schon fast, was das war. Als sie es auspackte, durfte sie feststellen, dass es tatsächlich ein Besen war: ein Nimbus 1500. Zwar war das nicht das ganz neueste Modell, aber sie wollte ja auch nicht Quidditch damit spielen. In der beiliegenden Karte entschuldigten sie sich dafür, dass sie nicht kommen konnten. Saras Großmutter schien es nicht so gut zu gehen. Sie merkte sich vor, ihnen einen besonders langen Dankesbrief zu schreiben.

 Als Sara den Brief öffnete, den Maggie geschickt hatte, fiel ihr etwas Kleines in die Hand.

 „Das ist ein Knopf“, stellte Severus fest. Die Verwunderung war fast gar nicht aus seiner Stimme herauszuhören, aber manchmal bekam selbst Sara so etwas mit.

 „Ja“, sagte Sara und hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. Er war etwa so groß wie ihr Daumennagel, silbern und hatte zwei Löcher. „Jetzt ist es ein Knopf. Aber vorher war es ein Löffel.“ Das war Maggies erster geglückter Versuch gewesen. „Ich hab es noch nie mit nem Löffel hinbekommen, aber dafür mit einer Spinne, die grad über den Tisch gelaufen ist. Damit war Professor McGonagall auch zufrieden.“

 Er nickte nur und Sara packte auch die anderen Geschenke aus. Remus hatte ihr Schokolade geschenkt und von Tabitha und Robert hatte sie ein Buch über die Tierwesen Skandinaviens bekommen.

 Als ihre Neugier befriedigt war, las sie Maggies Brief, der länger war als sonst. Neben weit schweifenden Glückwünschen schrieb sie auch davon, dass sie Karten für ein Spiel der Ballycastle Bats hatte und wie sehr sie sich auf das Spiel freute.
Sara hatte damit gerechnet, dass es komisch sein würde, Severus bei sich daheim zu haben. Ihre Mutter hatte sie darauf angesprochen, dass er so wenig sprach, hatte sich aber dann damit zufrieden gegeben, dass er eben immer so war. Aber Sara war nicht darauf gefasst, was am Abend ihres Geburtstags passierte.

 Eigentlich passierte überhaupt nichts Seltsames. Severus wollte sich nur an den Kartoffeln bedienen und dabei rutschte der Ärmel seines Umhangs an seinem Arm nach oben. Zum Vorschein kamen ein paar krakelige Tintenlinien, die Sara erst nicht erkannte. Sie erkannte nur den Blick ihres Vater.

 Hastig schnappte sie Severus am Arm und zog ihm mit sich, noch bevor jemand etwas sagen konnte, und zerrte ihn mit sich ins Badezimmer. Als sie die Tür abgeschlossen hatte und sich dagegen lehnte, sah sie ihn an, ohne etwas zu sagen.

 Er erwiderte ihren Blick und diesmal bemühte er sich nicht einmal um eine ausdruckslose Miene, sie sah ihm sein Unbehagen deutlich an. Das war sein Problem gewesen, er hatte nicht gewollt, dass sie es sah. Garantiert war es schon die ganze Zeit da, sonst hätte sie es gemerkt.

 Sie wusste nichts, was sie hätte sagen können, also stellte sie einfach das Wasser an und schrubbte mit einem nassen Lappen über seinen Arm, bis die Haut ganz rot wurde. Er ließ es sich gefallen, wenn auch mit Widerwillen. Doch es brachte nichts, die Tinte wollte einfach nicht abgehen.

 „Hör schon auf“, sagte er endlich. „Das bringt doch eh nichts.“

 Sie schmiss den Lappen ins Waschbecken und sah Severus an. „Das war Avery, oder nicht? Und er hat wasserfeste Tinte benutzt.“ Sie ließ ihn los, als er nickte, und suchte in den Schränken nach einem bestimmten Putzmittel, das sich auch für verhexte Flecken eignete. Sicher würde es damit gehen.

 „Hast du eine Ahnung, was passiert, wenn sie dich in der Schule damit erwischen?“ Großzügig verteilte sie das Mittel auf seinem Arm und schrubbte wieder mit dem Lappen darüber. Immerhin wurde es blasser.

 „Das geht dich überhaupt nichts an!“, fuhr er sie an.

 Sara wollte etwas erwidern, aber im Flur waren Schritte zu hören und jemand betätigte die Klinke, klopfte, als er feststellte, dass verschlossen war. Er klopfte heftig. „Sara, mach die Tür auf“, sagte ihr Vater, gezwungen ruhig.

 „Nein!“, rief sie zurück und wandte sich demonstrativ der Tür ab. Severus sah sie nicht an, also konzentrierte sie sich ganz auf das mittlerweile verwischte falsche Dunkle Mal an seinem Arm.

 „Komm raus“, rief ihr Vater. Sie fragte sich, warum er die Tür nicht einfach aufhexte. Aber sie war auch ganz froh drüber, dass er es nicht tat.

 „Nein!“

 Severus zog seinen Arm aus Saras Griff. Das Mal war fast verschwunden, sie hatte seine Haut fast wund gescheuert. Hastig strich er den Ärmel seines Umhangs wieder glatt.

 „Entschuldige“, sagte sie leise. Sie wünschte sich, dass ihr Vater von der Tür verschwinden würde. Sie wollte nicht, dass er ihnen zuhören konnte. Aber sie wusste, dass er nicht einfach gehen würde; er würde sie auch nicht so einfach vorbeilassen, wenn sie jetzt die Tür aufmachte.

 Zögerlich drehte sie den Schlüssel im Schloss und zog die Tür auf. Sie traute sich nicht, ihrem Vater ins Gesicht zu sehen. „Wir gehen auf mein Zimmer“, nuschelte sie.

 „Du gehst nirgendwohin“, erwiderte ihr Vater heftig. „Wir müssen uns dringend unterhalten.“

 Über die Schulter sah sie zu Severus, der ihrem Blick noch immer auswich. Sie ließ zu, dass ihr Vater sie am Arm packte und mit sich zog. Er tat ihr nicht weh, war nur ein bisschen unsanft.
 In der Küche war der Abwasch gerade in vollem Gange und Saras Mutter saß allein am leer geräumten Tisch. Sie sah entsetzt aus. Nicht wütend, bloß entsetzt. Sara wollte fragen, wo Tabitha war, aber sie brachte kein Wort heraus. Also ließ sie sich auf einen Stuhl fallen und starrte das Muster der Tischplatte an. Man sah, wie abgenutzt sie war, auch wenn Saras Mutter am Morgen mit einem Politurzauber drüber gegangen war.

 Sie schwiegen, für eine Weile war nur das klirrende Geschirr zu hören, die sich stapelnden Teller auf der Anrichte.

 „Was ist das für ein Junge?“, fragte ihr Vater, der ihr gegenüber stand, beide Hände auf den Tisch gestützt. „Wie kommt er dazu, sich so etwas auf den Arm zu …“

 „Das ist doch egal!“, unterbrach Sara ihn laut. „Er ist ein Freund von mir!“

 „Wie kannst du dich mit einem wie ihm anfreunden?“, rief ihr Vater. Die Zornesröte war ihm ins Gesicht gestiegen.

 Tränen stiegen Sara in die Augen. „Was soll das denn heißen? Er ist nett zu mir! Er hilft mir in der Schule.“

 „Natürlich ist er nett zu dir!“ Ihr Vater beugte sich zu ihr nach unten. „Weil du nun mal aus einer Zaubererfamilie kommst. Weißt du eigentlich, was dieses Symbol bedeutet?“

 Sie hob den Blick. Natürlich wusste sie das. Das wusste jeder. „Das ist doch nur eine Blödelei“, sagte sie leise, es konnte nicht überzeugend sein. Sie wusste es ja selbst nicht, wie ernst ihm das war.

 „Oh, nein“, sagte ihre Mutter. „Solche Dinge kann man nicht als Kinderscherze abtun, Sara.“

 „So ist es.“ Ihr Vater schob sich die Brille auf der Nase hoch. „Ich möchte, dass er geht. Leute wie ihn will ich in diesem Haus nicht haben.“

 Sara sprang auf. „Vergiss es!“, schrie sie ihn an. Sie war lauter, als sie gewollt hatte und der erschrocken-überraschte Ausdruck im Gesicht ihrer Mutter tat ihr weh. „Du hast ja überhaupt keine Ahnung!“

 Und sie rannte. Sie war schon auf der Treppe, als sie hörte, wie er ihr zurief, dass sie bleiben sollte. Aber sie dachte nicht daran. In ihrem Zimmer schloss sie die Tür ab und stellte einen Stuhl davor. Mit angezogenen Beinen setzte sie sich darauf und wischte sich mit den Händen über die Augen, damit sie nicht anfing, richtig zu weinen.

 Am Bett stand Severus und verschnürte gerade seinen Rucksack.

 „Was machst du da?“, fragte sie.

 Er sah sie an, als wäre sie dumm. „Ich gehe, du hast doch besser gehört, was dein Vater gesagt hat, als ich.“ Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass er schmerzte. „Auf keinen Fall! Ich möchte, dass du bleibst. Und wenn du unbedingt gehen willst, dann komm ich mit.“

Severus ließ von dem Rucksack ab. Er stand da und blickte sie mit seinem undeutbaren Blick an. Sara schwieg ebenfalls und so war nur die laute Stimme ihres Vaters zu hören, der auf ihre Mutter einredete. Die blieb still oder sprach zumindest so leise, dass man sie hier oben nicht hören konnte.

  „Ist es dir wirklich ernst?“, fragte sie, als sie das Schweigen nicht mehr ertrug, und wusste im selben Moment um die Sinnlosigkeit der Frage. Natürlich malte man sich ein Dunkles Mal nicht aus Spaß auf den Arm.

  „Und wenn es so wäre?“, fragte er leise.

  Sie wusste erst nicht, was sie sagen sollte. „Was ist dann mit Lily?“

  Er bleckte die Zähne und setzte zu einer Antwort an, die er jedoch nie aussprach. „Lily hat damit nichts…“, sagte er.

  „Das ist nicht wahr“, fiel sie ihm ins Wort. „Das hat sie sehr wohl und das weißt du.“

  „Aber ich habe nach dir gefragt, also weich nicht aus.“

  Sie sah zu ihm hoch und wollte sagen, dass er damit auch nur der Frage nach Lily auswich. „Ich habe damit wirklich nichts zu tun“, antwortete sie. „Es interessiert mich nicht, du musst selbst wissen, was du tust. So oder so, ich bin deine Freundin. Aber ich bin auch Lilys Freundin. Also bitte ich dich, tu ihr nicht weh.“

  Wieder öffnete er den Mund, aber er sagte nichts.

  Jemand kam die Treppe hoch. Sara sprang von dem Stuhl auf und setzte sich auf das Bett, genau vor Severus’ Rucksack.

  Diesmal klopfte Saras Vater nicht. „Lass mich rein“, sagte er und klang wieder ruhig.

  „Nein! Ich lass dich ihn nicht wegschicken!“ Sie hörte sich in ihren Ohren komisch an und erst jetzt bemerkte sie, dass sie weinte.

  „Ich bleibe dabei, was ich gesagt habe“, beharrte er und probierte die Klinke. Aber sie ließ sich durch den Stuhl nicht drücken. „Was hast du mit der Tür gemacht?“

  „Nur ein Stuhl“, antwortete sie. „Und wenn er gehen soll, dann geh ich auch!“ Ihr Blick wanderte zum Fenster. Vielleicht sollten sie einfach mit dem Besen abhauen. Aber dann würden alle sie sehen und sie würden im schlimmsten Fall von der Schule verwiesen.

  „Das kannst du doch nicht ernst meinen!“ Sie hörte die Sorge aus seiner Stimme. Doch die gezwungene Ruhe war noch immer da.

  „Natürlich mein ich das ernst!“ So ganz konnte sie den Trotz nicht aus ihrer Stimme bannen und das ärgerte sie. „Und jetzt geh bitte!“

  Sie hörte ihn wirklich gehen, war sich aber sicher, dass er wiederkommen würde. Aber sie wollte nicht mit ihm reden, er würde doch nicht verstehen.

  „Entschuldige.“ Sie rutschte nach hinten zur Wand und zog die Beine zu sich heran. „Wenn du jetzt gehen willst, dann kann ich dich auch nicht aufhalten.“

  Achtlos ließ er den Rucksack zu Boden fallen und setzte sich neben sie. „Ist doch egal, bei mir daheim erleb ich das hier jeden Tag.“

  Saras Kinn bebte. Genau deswegen war er ja hergekommen und nun das. „Es tut mir so leid“, schluchzte sie und drückte die Augen auf die Knie.

  „Hör auf, zu heulen.“

  Sie presste die Lippen aneinander. Er konnte das so leicht sagen. Sie versuchte es ja, eigentlich wollte sie jetzt überhaupt nicht weinen. Aber die Dinge hatten einen schrecklich unangenehmen Lauf genommen.

 

Es dauerte, bis sie sich beruhigt hatte. Sie sprachen nicht, saßen nur nebeneinander auf dem Bett. Athene war hereingekommen und hatte sich neben Saras Bein zusammen gerollt und schnurrte jetzt, während Sara sie kraulte.

  Die Sonne schien genau in ihr Fenster und auf den Kuchen, der noch immer unberührt auf ihrem Schreibtisch stand. Kuchen war immer eine gute Ablenkung. Also holte sie ihn sich und riss sich vorsichtig ein Stück von einem Ende ab. Er schmeckte hervorragend und ihr wurde gleich ein wenig leichter ums Herz. „Möchtest du auch?“

  Misstrauisch musterte er den Kuchen in ihrer Hand, nickte schließlich knapp. Doch als er in das Stück biss, das Sara ihm reichte, weiteten sich seine Augen. Er griff sich an den Hals und sie schaffte es gerade noch, ihm ein Taschentuch zu reichen, als er anfing, zu husten.

  „Was ist denn los?“, fragte sie.

  „Das schmeckt wie Erde!“, antwortete er und hustete wieder. „Und du sagst, das ist in Ordnung?“

  Sara hielt sich eine Hand vor den Mund. „Also, für mich war es in Ordnung“, sagte sie schnell. „Ein Schokoladenkuchen halt. Gib mal bitte her.“ Sie nahm ihm das Stück aus der Hand und biss ab, gleich neben seinem Gebissabdruck. „Ja, normaler, ziemlich leckerer Kuchen.“ Sie legte ihn wieder in die Schachtel. Vielleicht wusste sie was damit los war, aber wie sollte sie das jetzt herausfinden?

  „Vielleicht ist es auch Erde und schmeckt für dich nur anders“, vermutete Severus mit der Andeutung eines höhnischen Lächelns.

  Entschieden schüttelte Sara den Kopf. „Das würden sie nicht machen. Sonst könnte ich ja nach den Ferien einfach zu Filch gehen und ihm alles erzählen.“

  „Und dich wird er dann auch bestrafen.“

  „Ja, aber vielleicht kann ich dann mit Hagrid in den Wald gehen.“ Remus hatte ihr mal erzählt, dass Schüler manchmal zu Strafarbeiten in den Wald geschickt wurden. Die meisten von denen hatten hinterher niemals wieder die Regeln gebrochen.

  Jetzt lächelte er, wenn auch nur schwach. „Aber jeder weiß, wie gern du in den Wald möchtest. Und Sinn einer Strafarbeit ist ja nicht, dass du dich drüber freust.“

  Sara hob die Schultern. „Na, ich hab eh keine Lust, erwischt zu werden.“ Sie sah zum Fenster. Darunter war das Dach eines kleinen Schuppens und man konnte unbeschadet in den Garten gelangen.

  Sie war gerade aufgestanden, da klopfte es wieder an der Tür. Zaghafter diesmal. „Sara?“, fragte Tabithas Stimme. „Darf ich bitte reinkommen?“

  Sara schaute wieder zum Fenster, dann zum Bett und dann auf den Kuchen. Sie ging zur Tür und nahm den Stuhl weg, schloss auf und öffnete die Tür. „Ich sag es gleich, ich lass nicht zu, dass ihr ihn wegschickt.“

  Tabitha lächelte unsicher. Sie setzte sich auf den Stuhl vor Saras Schreibtisch und deutete auf das Bett.

  Sara setzte sich. „Bevor du irgendwas sagst, iss bitte ein Stück von dem Kuchen.“

  Tabitha legte den Kopf schief. Aber sie stellte keine Fragen und biss ein kleines Stück ab. Ihre Augen weiteten sich und sie spuckte sofort in den Papierkorb aus. „Was ist das denn?“, fragte sie und streckte die Zunge raus. „Das schmeckt ja nach Erde.“

  Sara drehte sich zu Severus um. „Es liegt jedenfalls nicht an dir. Sie können ja auch nicht wissen, dass du hier bist.“ Sie schloss die Schachtel. „Für mich schmeckt er nach Kuchen“, erklärte sie ihrer Schwester. „Hab ihn von zwei Freunden und ich glaube, sie haben ihn so verhext, dass er nur mir schmeckt.“

  Tabitha lachte. „Bei Merlins Bart, die Kinder kommen heutzutage auf Sachen.“ Sie kratzte sich mit dem Nagel des Daumens über die Zunge und räusperte sich. „Aber jetzt zu den ernsten Sachen. Ihr wisst beide, wie ernst die Sache ist.“ Sie sagte das ernst, aber nicht laut. Darüber war Sara sehr froh.

  Sara nickte. „Aber das ist nicht Dads Sache. Er soll sich da nicht einmischen.“

  Tabitha nahm ihre Hand und beugte sich vor. „Da hast du recht. Aber er macht sich Sorgen um dich und da kann ich ihn irgendwo verstehen.“

  „Ihr müsst euch doch keine Sorgen um mich machen.“ Erst jetzt merkte Sara, wie ihre Schwester das wirklich gemeint hatte. „Natürlich nicht. Das interessiert mich alles überhaupt nicht, ich halt mich da raus.“

  „Das ist schön.“ Tabitha sah für einen Moment an ihr vorbei. „Ich finde trotzdem, dass Dad übertrieben heftig reagiert. Aber das kann man ihm ja jetzt nicht sagen. Wir hoffen mal, dass er sich bald beruhigt.“

  Sara stiegen schon wieder Tränen in die Augen. „Kann ich nicht mit euch mitkommen, wenn ihr wieder heim geht?“

  Tabitha lächelte. „Von mir aus gern. Wir haben uns einen Kniesel gekauft, den wirst du garantiert mögen. Aber ich fürchte, so einfach ist das nicht. Wir können dich nicht einfach so mitnehmen, wenn Mum und Dad was dagegen haben.“

  Sara nickte. Aber wenn sie fragte, würde ihre Mutter vielleicht ja sagen. Sie wollte den Kniesel kennen lernen. Hier konnten sie sich keinen halten, weil zu viele Muggel in der Nähe wohnten. Und dafür hatte sie ja auch Athene, aber Kniesel waren was besonders Tolles.

  Tabitha stand auf und ließ sie los. „Lass uns erstmal abwarten, was passiert. Ich weiß ja, dass du kein dummes Kind bist und dass du weißt, was du tust.“ Sie ging, in der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Ach, ja. Vielleicht solltet ihr nicht mehr zu lange auf diesem Bett sitzen.“

  „Das kann er doch nicht…“, fing Sara an, aber ihre Schwester hatte schon die Tür geschlossen. Also nahm sie einfach Athene und setzte sie auf ihr eigenes Bett. „Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten“, sagte sie. „Entweder, wir schlafen beide in meinem Bett oder wir schlafen im Garten. Mum hat sich letztes Jahr ein Viermannzelt gekauft, weil wir irgendwann mal zur Quidditch-Weltmeisterschaft wollen.“

  Severus sah sie an und diesmal war sein Blick eindeutig.

 

Sie waren aus dem Fenster geklettert und hatten das Zelt aufgebaut, das im Schuppen lag. Sara hatte sich die Hängematte geschnappt. Oft hatte sie darum gebeten, eine in ihr Zimmer zu bekommen. Es gab sogar ein Körbchen für Athene.

  „Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn ich einfach gehe?“

  Sara fiel fast aus der Hängematte, als sie sich umdrehte und nach unten zu Severus schaute. Es war stockdunkel und sie konnte nichts sehen. Sie konnte nur Athene schnurren hören und wie die Zikaden draußen sangen. „Nein, wäre es nicht. Du bist mein Gast und ich möchte dich gern hier haben. Mein Vater soll nicht glauben, dass er recht hat mit dem, was er heute durchs Haus gebrüllt hat.“

  Er machte einen Laut, sagte aber nicht das, was er eigentlich sagen wollte. „Du legst dich wirklich mit deinem Vater an? Wegen mir?“

  „Immer“, antwortete sie. „Mit jedem.“

 

Bis Sonntag verließen sie das Zelt nur, wenn sie zur Toilette oder zum Essen gingen. Sara sprach kaum und mied den Blick ihres Vaters. Seine Laune hatte sich nicht gebessert, aber er schrie nicht mehr. Er sagte gar nichts.

  Severus hatte gesagt, er wollte allein gehen, aber Sara hatte sich nicht abwimmeln lassen. Sie hatte mit ihm gehen wollen und nun saßen sie auf einer Bank und warteten. Bestimmt würde sein Vater ihn auch abholen. Er hatte Sara erzählt, dass er ein Muggel war und dass er immer schlechte Laune hatte.

  Sie saßen nur da und schwiegen. Sara mochte die Stille. Sie hatte nur Angst davor, was sie erwartete, wenn sie wieder daheim war. Allein jetzt. Ihre einzige Hoffnung war, dass sie mit nach Finnland gehen durfte. Nur für eine Woche.

  Ein Auto kam um die Ecke gefahren und Severus stieß einen gequälten Laut aus. Nur widerwillig rutschte er von der Bank und nahm seinen Rucksack. Das Auto hielt neben ihnen, aber niemand stieg aus. Am Steuer saß ein Mann, der in die andere Richtung blickte.

  Sara stand auf und lächelte. „Ich find es schön, dass du da warst. Trotz allem.“

  „Wirklich?“, fragte er.

  Sie nickte und nahm ihn in den Arm. Er tat überhaupt nichts, aber das störte sie nicht. Immerhin machte er auch keine Anstalten, sie abzuwehren. „Grüß bitte Lily schön von mir, wenn du sie siehst. Wir sehen uns in der Schule.“

  Er nickte nur und wartete, bis sie ihn losließ. Kurz sah er aus, als wollte er etwas sagen, aber dann riss er die hintere Autotür auf, warf seinen Rucksack auf den Sitz und stieg ein. Sie winkte ihm, bis das Auto außer Sichtweite war.

  Sara nahm sich viel Zeit für den Heimweg. Sie blieb eine Weile stehen und hörte einfach den Vögeln in den Hecken zu. Sollte sie Maggie schreiben, was passiert war, oder wartete sie damit lieber, bis sie darüber sprechen konnten? Das war wohl besser, denn sie würde sicher nicht so einfach verstehen und Sara wollte ihr auch mit solchen Nachrichten nicht die Freude über das Quidditchspiel verderben.

  Sie stellte fest, dass ihr Zimmerfenster geschlossen war. Es ärgerte sie, dass sie jetzt durchs Haus gehen musste. Eigentlich hatte sie vor, ihrem Vater so weit möglich aus dem Weg zu gehen. Andererseits hatte sie jetzt die Chance, ihre Mutter zu fragen, ob sie Tabitha begleiten durfte.

  Die beiden Frauen saßen zusammen mit Robert in der Küche, jeder einen Teil des Tagespropheten in der Hand. Leise setzte sich Sara auf einen vierten Stuhl und hoffte, nicht bemerkt zu werden.

  Aber natürlich wurde sie bemerkt. Von Tabitha, die ihre Zeitung beiseite legte und sie aufmunternd anlächelte. „Mum“, fing sie an. „Wir wollten dich fragen, ob Sara für den Rest der Ferien mit nach Finnland kommen kann. Wir wollten ihr unseren Kniesel vorstellen.“

  Ihre Mutter sah sie an. „Ich weiß nicht, ob das im Moment so eine gute Idee ist.“

  „Oh, ich finde das schon“, sagte Robert und zwinkerte Sara hinter seiner Zeitung zu. „Vielleicht beruhigt sich die Lage so ein bisschen.“

  Ihre Mutter legte die Stirn in Falten. Sie hatte Sara noch überhaupt nicht auf all das angesprochen. Doch man merkte, wie wenig ihr das gefiel. „Zwei Wochen“, sagte sie schließlich. „Aber wenn du dann wieder da bist, müssen wir uns unterhalten.“

 

Finnland war anders, als Sara es sich vorgestellt hatte. Sie hatte gedacht, hier würde das ganze Jahr über tiefer Schnee liegen, doch das war wohl nur auf den Gipfeln der Berge so. Das Haus von Robert und Tabitha lag am Rande eines Nadelwaldes. Es war kühler als in Downe, aber nicht kalt.

  Auf dem Küchentisch lag längelang ein rotbraun gefleckter Kniesel, sein Schwanz, der etwa in der Mitte einen Knick hatte, zuckte.

  Robert klopfte sich laut die Asche vom Umhang, als er als letzter aus dem Kamin getreten war. „Na, wirst du wohl!“, rief er. „Da sind wir eine Woche nicht da und du machst, was du willst!“

  Der Kniesel stellte die großen Ohren auf und sah Robert an. Betont langsam stand er auf und sprang vom Tisch, strich um Tabithas Beine und blickte schließlich Sara an.

  Sie ging in die Knie und hielt ihm eine Hand hin. Athene hatte sie lieber daheim gelassen, weil sie nicht wusste, wie die beiden zurecht kommen würden. Und offenbar gefiel dem Kniesel der Geruch der Katze überhaupt nicht, er biss Sara in die Daumenwurzel. So sehr, dass sie blutete. Aber es machte ihr nichts aus, sie war nur kurz erschrocken und zuckte zurück.

  „Knickschwanz!“, rief Tabitha streng. „Gebissen wird nicht!“ Mit dem Fuß schob sie ihn zur Seite und zog Sara auf die Beine. „Lass mal sehen. Ach, das kriegen wir schnell wieder hin.“ Sie hatte schon ihren Zauberstab gezogen.

  Aber Sara schüttelte den Kopf. „Nein, das ist schon in Ordnung. Ist ja nicht schlimm. Tut auch gar nicht weh.“ Das war gelogen, aber sie wollte nicht, dass ihre Schwester die Wunde schloss. Das würde schon nicht so lang dauern, bis sie von allein verheilte. „Aber ich würde mich schon gern mit dir vertragen“, sagte sie zu dem Kniesel und lächelte.  Er sah sie eine Weile an, bevor er mit hoch erhobenem Schwanz aus dem Raum stolzierte.

Im Zug sprach Maggie lange darüber, wie schön das Spiel gewesen war. Dass sie sich jetzt noch dringender als Jägerin für die Hausmannschaft bewerben wollte und dass sie unbedingt Karten für die nächste Weltmeisterschaft wollte. Dann wollte sie alles, was Sara ihr aus Finnland geschrieben hatte, noch einmal hören. Sara zeigte ihr die Narbe, die Knickschwanz hinterlassen hatte, und berichtete von dem Schwedischen Kurzschnäuzler, den sie eines Morgens über das Haus hatte fliegen sehen. Sie hatte glänzende Laune und Sara wusste nicht, ob sie ihr die verderben sollte. Aber sie erzählten sich sonst auch alles. Nur vielleicht war jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt.

  Zusammen mit Severus und Lily fuhren sie in der Kutsche zum Schloss hinauf. Sie erzählte von ihrem Urlaub in Frankreich. Währenddessen warf Severus ihr einen fragenden Blick zu, auf den sie nur mit einem kaum merklichen Kopfschütteln antwortete. Die Lage daheim hatte sich überhaupt nicht verändert. Mit ihrem Vater sprach sie nur so wenig wie möglich. Mit ihrer Mutter hatte sie sich unterhalten, und auch wenn sie Bedenken hatte, war sie erleichtert gewesen, als Sara ihr mehrfach beteuert hatte, dass sie damit überhaupt nichts zu tun hatte und das auch niemals wollte.

 

Sie war überrascht, als er am Tisch wirklich danach fragte. Dass ihn das so beschäftigt hatte, hatte sie nicht erwartet.

  „Er hat gesagt, dass ich nicht mehr mit dir reden soll“, sagte sie so leise, dass sie sich unter den Unterhaltungen selbst kaum verstand. „Aber das ist Blödsinn. Er kann es ja eh nicht prüfen, und selbst wenn.“

  Er legte sein Besteck weg. „Du hast das wirklich ernst gemeint?“ Dabei war er so leise, dass sie erst nicht richtig verstand und es sich zusammenreimen musste.

  „Natürlich“, antwortete sie.

  Er sah aus, als wollte er etwas sagen, aber Sara wurde abgelenkt. Maggie legte ihr einen Arm um die Schulter und drehte sie zu sich herum. „Hey, Sara. Da du jetzt auch nen Besen hast, wollen wir gleich morgen ein bisschen fliegen? Wir können ja ein bisschen Quidditch üben.“

  „Klar.“ Sara lächelte. „Also, kommt drauf an, was wir für Unterricht haben. Sag mal, ist es auch verboten, über den Wald zu fliegen?“

  Maggie presste die Lippen zusammen, als müsste sie sich das Lachen verkneifen. „Du gibst einfach nicht auf, was? Ja, es ist verboten. Aber wenn du dich mit Professor Kesselbrand gut stellst, darfst du ihm vielleicht mal bei den Vorbereitungen helfen.“

  „Das ist die Idee!“, rief Sara. „Oh, ich freu mich so sehr auf die erste Stunde! Was kommt als erstes dran?“ Als Maggie nur die Schultern hob, drehte Sara sich um zu Severus.

  „Was Harmloses“, antwortete er. „Vielleicht zeigt er euch Feen oder so. Lily meint, in ihrer ersten Stunde hatten sie einen Fwuuper da. Uns hat er Salamander gezeigt, das weißt du ja.“

  Maggie beugte sich vor. „Fwuuper? Oh, die sind gruselig.“

  „Nicht, wenn du ihnen nicht zu lang zuhörst“, meinte Severus. „Er lässt sie nur kurz singen und bindet ihnen dann wieder den Schnabel zu.“

  Sara hob die Brauen. „Aber ist das nicht gemein, wenn sie nicht singen dürfen?“

  Maggie seufzte. „Ach, Sara. Besser als wenn die halbe Klasse verrückt wird, oder? Du hast selbst Mitleid mit Irrwichten, oder?“

  „Bitte?“ Sie dachte daran, dass Tabitha beim Einzug einen im Küchenschrank gefunden hatte. Er war zum Troll geworden und hatte fast die Einrichtung ruiniert. Sie hatte ihm ein Ballettkostüm angezogen und ihn damit vertrieben. Sara hatte dabei an den Wandteppich im Schloss denken müssen. „Ich denke nicht. Auch wenn ich gern wüsste, was mein Irrwicht ist.“

  „Meiner ist bestimmt ein Wurm“, überlegte Maggie laut. „Ich hab ein Beet umgegraben und da war ein Regenwurm in der Erde, da bin ich schreiend ins Haus gerannt. Mum fand mich richtig albern, aber sie sind so widerlich.“ Angewidert streckte sie die Zunge raus.

  „Im Unterricht kommen Irrwichte dran. Vielleicht dieses Jahr, vielleicht erst nächstes“, erklärte Severus.

  Sara wollte schon fragen, was sein Irrwicht war, ließ es dann aber lieber. Vielleicht war es ihm peinlich.

 

  Sie hatte auch gar keine Gelegenheit, denn gerade kamen die Jungs aus Gryffindor vorbei. Sara stand auf, als Sirius und James auf ihrer Höhe waren. „Ihr zwei“, sagte sie mit erhobenem Zeigefinger. „Was habt ihr mit meinem Kuchen gemacht?“

  Die Jungs grinsten schon breit. „Was war denn mit deinem Kuchen?“, fragte James Potter mit bemühter Unschuld in der Stimme. Aber mit dem Grinsen war das völlig überflüssig.

  Kurzerhand entschloss Sara sich, nicht zu erwähnen, dass Severus bei ihr gewesen war. Das wäre eine Steilvorlage für die beiden gewesen, die sie ihnen einfach nicht geben wollte. „Hab meiner Schwester ein Stück abgegeben und er hat für sie nach Erde geschmeckt.“

  Sirius lachte los. „Das war ja auch dein Kuchen, Sara. Dir konnten wir an deinem Geburtstag ja keinen Streich spielen, aber ganz konnten wir es uns auch nicht verkneifen. Und dir hat er ja geschmeckt, oder?“

  „Ja“, musste sie zugeben. „Aber ihr seid trotzdem Idioten.“

  „Hilfst du uns trotzdem weiter?“, fragte Peter ganz leise. Man konnte ihn einfach übersehen, weil er so klein war und sich meistens stumm hinter Remus versteckte.

  Sie hob die Brauen. „Ja, natürlich. Aber ich dachte, ihr hättet Magische Geschöpfe abgewählt.“ Vor allem Peter war nie wirklich gut darin gewesen, in seinen Aufsätzen fand sie die meisten Fehler. Manchmal verwechselte er die offensichtlichsten Dinge.

  „Nur Tatze und ich“, erklärte Remus lächelnd.

  Sara sah James Potter an. Sie war sich sicher, dass er nur weitermachte, weil Lily auch weitermachte. Sie hatte Sara erzählt, dass Tierwesen sie faszinierten. Natürlich, das war ja alles neu, sie war nicht damit aufgewachsen.

  „Ich hoffe, du nimmst uns das nicht übel“, sagte Sirius breit grinsend. Man konnte meinen, dieser selbstgefällige Ausdruck sei auf seinem Gesicht festgewachsen.

  Sara stemmte die Hände in die Hüften. „Nein, das nehm ich euch nicht übel, Black. Ich hab mich jetzt um meine eigenen Aufsätze zu kümmern und keine Zeit mehr, dein halbherziges Geschreibsel zu korrigieren.“

  Sein Grinsen schmälerte sich fast unmerklich, das hatte sie nicht erwartet. Und aus irgendeinem Grund senkte Peter den Blick. Wahrscheinlich fühlte er sich auch angesprochen und damit hätte er auch nicht Unrecht.

  „Na, Hauptsache, du bist nicht zu beschäftigt dazu, uns ein wenig zur Hand zu gehen“, lachte James Potter und wandte sich zum Gehen. Dabei versäumte er nicht, Severus an den Haaren zu packen und seinen Kopf so weit runterzudrücken, dass seine Nase in den Kartoffelbrei tauchte.

  „Hör doch auf, du Blödmann!“, rief sie, als er sich die Hand übertrieben an der Hose abwischte. „Du bist der Schlimmste von allen! Warum sollte ich dir noch helfen?!“

  „Weil du doch nicht so ein braves Mädchen bist, wie deine Eltern glauben“, sagte Remus leise und klopfte ihr auf die Schulter, bevor er seinen Freunden folgte.

  Sara war kurz davor, ihm nachzurufen, dass ihre Eltern das überhaupt nicht mehr von ihr dachten, aber das ließ sie besser. Aber ihr fiel ein, dass sie mit ihm irgendwann darüber sprechen konnte. Er würde ihr zuhören und vernünftig bleiben. Und selbst wenn nicht, würde es sie wesentlich weniger interessieren, was er von ihr dachte als was Maggies Meinung war. Bevor sie mit der sprach, musste sie sich wirklich genau überlegen, was sie sagen würde.

 

Als Sara am Dienstagmorgen ihren Stundenplan bekommen hatte, war sie so froh darüber, dass sie am Nachmittag Pflege magischer Geschöpfe haben würde, dass sie sich kaum auf den Verwandlungsunterricht am Morgen konzentrieren konnte. Der Igel, den sie in ein Nadelkissen verwandeln sollte, bekam statt Stacheln Nadeln. Auch wenn die Klassenkameraden das cool fand, war es doch viel weniger, als sie alle zustande brachten.

  Danach hatten sie eine Doppelstunde Geschichte der Zauberei. Wieder hatte Sara sich vorgenommen, in diesem Jahr aufzupassen. Wieder warf sie diesen Vorsatz schnell über den Haufen. Im Grunde war die Zauberei im frühen Mittelalter wirklich interessant, aber ihre Gedanken schweiften immer wieder zu Newt Scamanders Buch, das sie schon den ganzen Tag mit sich trug. Zu den Kommentaren ihrer Schwester hatte sie sich noch einige weitere gemacht.

 

  Nun stand sie hier mit Maggie und ihren Klassenkameraden am Rand des Waldes und spekulierte mit ihr darüber, worum es wohl gehen würde. Zumindest waren sie nicht angewiesen worden, irgendwelche besonderen Dinge mitzubringen. Sara hatte Professor Kesselbrand ja schon oft am Lehrertisch sitzen sehen, ihm fehlte ein Arm. Zu gern hätte sie sich die Geschichte erzählen lassen, wie es dazu gekommen war, aber sie hatte sich nie getraut, ihn anzusprechen. Gegenüber einem Lehrer wollte sie nicht aufdringlich wirken.

  Sara wurde sofort still, als er kam. Umständlich auf einen Gehstock gestützt, kam er über das Gras gehumpelt.

  „Guten Tag, liebe Schüler“, sagte er mit rauer Stimme, als er vor ihnen stehen blieb. „Da ihr noch so jung seid, hat der Schulleiter mir verboten, euch Geschöpfe zu zeigen, die eine höhere Einstufung als 4 haben.“

  Sara war ein bisschen enttäuscht und sie konnte das nicht gut verbergen.

  Professor Kesselbrand wandte sich ihr zu. „Sie sind Miss Crowfield, nehme ich an. Ja, ich erinnere mich gut an Ihre Schwester Tabitha.“

  Sara konnte nicht verhindern, dass sie rot wurde, als alle sie ansehen. Dabei waren ihre Blicke ganz neutral.

  „Nun denn“, sagte er laut und zog so wieder die Aufmerksamkeit auf sich. „Wir widmen uns heute also harmlosen Geschöpfen. Wer von Ihnen kann mir etwas über den Crup erzählen?“

  Sara meldete sich sofort. „Sie sehen aus wie Jack-Russel-Terrier“, sagte sie, als er ihr das Wort erteilte. „Aber seine Rute ist gegabelt und er greift Muggel sofort an, wenn er welche sieht. Darum braucht man eine Erlaubnis vom Ministerium, wenn man einen halten will, und muss einen Test bestehen.“

  Maggie fing an zu kichern.

  Professor Kesselbrand nickte zufrieden. „Was finden Sie so komisch, Miss Grey?“

  Maggie winkte ab, bis sie sich beruhigt hatte. „Meine Mum arbeitet für die Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe. Sie hat gemeint, dass einmal ein Crup bei so einem Test Dosen von einem Müllhaufen vor einem Muggelhaus gefressen hat und das jemand gesehen hat. Dann ging der Zauber schief, mit dem die Erinnerungen des Muggels gelöscht werden sollten und er hielt sich noch zwei Wochen lang für einen Blumenverkäufer. Aber der Zauberer hat den Test bestanden.“

  „Wunderbar!“, rief der Professor. „Da haben wir es. Man muss aufpassen, dass man mit einem Crup nicht die Aufmerksamkeit der Muggel auf sich zieht. Und ein Hund mit einer gegabelten Rute fällt natürlich auf. Was tut man dagegen?“

  „Ein schmerzfreier Abtrennzauber“, antwortete ein Mädchen mit dunklen Zöpfen. „Der muss alle sechs bis acht Wochen durchgeführt werden.“

  „Genau!“, stellte Kesselbrand fest. „Und genau das werden wir heute üben. Natürlich noch nicht an den Tieren, nicht dass etwas schiefgeht. Aber ihr sollt sie schon einmal sehen.“

  Sara nahm Maggies Hand und ging gleich ein wenig schneller. Sie konnten leider keinen haben, weil wirklich zu viele Muggel in ihrer Nachbarschaft wohnten und nicht immer jemand zuhause war. Nun war sie fasziniert, als sie vor einem Gatter stehen blieben, in dem ein Dutzend kleiner Hunde herumlief. Als sie die Schüler bemerkten, stellten sie sich am Gatter auf die Hinterbeine und wedelten mit den Schwänzen.

  „Jeder sucht sich einen aus. Sie werden sich mit ihnen anfreunden und nebenbei an Zweigen üben.“

  Ein Junge mit dunklen, krausen Locken meldete sich. „Wir haben einen daheim, Sir, und ich weiß, wie das geht.“

  Professor Kesselbrand neigte ihm den Kopf zu. „Aber natürlich haben Sie den Zauber noch nie selbst angewendet, Mr Wilson.“

  Die Augen des Jungen weiteten sich und zwei Mädchen, die bei ihm standen, fingen an zu kichern. „Oh, nein, Sir. Natürlich nicht“, sagte er schließlich. „Aber ich hab meinen Eltern oft genug dabei zugesehen.“

  „Sehr gut, dann zeigen Sie uns doch mal, wie das aussieht.“ Der Professor öffnete die Tür des Gatters und die Schüler gingen nach drinnen, wo sie von den Hunden fröhlich begrüßt wurden. Sara hielt dem Weibchen, das auf sie zugerannt kam, die Hand hin und ließ sich ablecken.

  Der Junge – Sara erinnerte sich jetzt an seinen Namen, er hieß Gordon – nahm einen Hund auf den Arm und zückte seinen Zauberstab. „Cauda secerno“, sagte er zu einer kurzen Bewegung seines Zauberstabes, als würde er eine Linie in die Luft zeichnen.

  Der Hund zeigte kein Anzeichen davon, dass er etwas bemerkt hatte, und die zweite Rute fiel zu Boden. Gordon sah ziemlich erleichtert aus, vielleicht war es wirklich das erste Mal gewesen, dass er den Zauber angewendet hatte.

  Der Professor klopfte ihm auf die Schulter. „Ausgezeichnet, Mr Wilson, ganz ausgezeichnet. Fünf Punkte für Slytherin. Nun, der Spruch für die Zweige, die dort hinten auf dem Tisch aufgereiht sind, lautet Virga secerno.“

 

Nach der Stunde blieb Sara noch ein bisschen am Gatter stehen und sah den Crups zu, bis Maggie darauf drängte, dass sie zum Quidditchfeld gingen. Sie liehen sich den Quaffel und übten ein bisschen Tore werfen. Ihr Besen war ein bisschen zu schnell für Sara und mehrmals fiel sie beinah herunter. Aber wenigstens konnte sie gut die Hälfte der Würfe halten, die Maggie versuchte.

  Als sie es vollkommen erschöpft für dieses Mal gut sein ließen, hörten sie Jubelrufe von der Tribüne. Sie klangen halb höhnisch und Sara wusste, dass es die Jungs aus Gryffindor waren, noch bevor sie hinsah.

  Die beiden Mädchen flogen hin zu ihnen und Sara stolperte bei der Landung, sodass sie neben Remus auf die Bank knallte. Stechender Schmerz breitete sich bis zwischen ihre Schulterblätter aus und verging nur langsam wieder.

  „Da hat James ja den Schnatz gefangen, bevor du nur einen Treffer landest, Maggie“, sagte Sirius und wurde immer wieder vom eigenen Lachen unterbrochen.

  Sie antwortete nicht, sah ihn nicht einmal an. „Wahrscheinlich braucht es einen Klatscher, um dem das blöde Grinsen aus dem Gesicht zu tilgen“, flüsterte sie in Saras Ohr. Dabei klang sie so ernst, dass man hätte meinen können, sie wollte sich gleich einen holen.

  Sara kicherte nur und nickte. Ähnliche Gedanken hatte sie sich selbst auch schon gemacht, weil dieser Kerl wirklich niemals ein ernstes Gesicht machte. „Seid ihr aus nem bestimmten Grund hier?“, wollte sie wissen.

  Remus schüttelte den Kopf. „Eigentlich wollten wir auch ein bisschen spielen, wollten euch dann aber nicht stören.“

  „Zu freundlich“, meinte Maggie trocken. „Also, wir halten euch dann nicht weiter davon ab. Haben noch Hausaufgaben zu machen.“ Sie stand auf und blickte Sara auffordernd an.

  Aber die schüttelte nur den Kopf. Sie sah ihre Chance. „Geh schon mal vor, ich muss Remus was fragen.“ Dabei ignorierte sie das „Uuuuuh“, von Sirius und James. Sollten die doch denken, was sie wollten, so lang sie nicht die Wahrheit erfuhren. Das wäre ein gefundenes Fressen für sie.

  Maggie hob nur die Schultern und setzte sich auf den Besen. „Bis später dann.“

  Sara winkte ihr und drehte sich dann zu Remus um, ohne die anderen Jungs zu beachten. „Ich muss dich um etwas bitten. Können wir uns mal allein unterhalten?“

  „Heute Abend“, sagte er. „Nach dem Abendessen.“

Natürlich hatte Maggie sie gefragt, warum sie sich gerade mit Remus treffen wollte. Sie dachte genau wie Sara, dass er wenigstens ein bisschen Vernunft besaß, im Gegensatz zu seinen Freunden. Aber sie hatte es nicht gesagt.

  Nun hatte sie sich mit Remus einen Ort gesucht, an dem sie ungestört sein konnte. In einem Gang, durch den um diese Zeit wohl kein Schüler mehr kommen würde, saßen sie auf dem Fenstersims. Draußen kroch die Dunkelheit schon am Horizont empor und eroberte langsam aber sicher den Himmel.

  „Muffliato“, sagte Sara zur Sicherheit und schnippte mit dem Zauberstab. Über Remus’ fragenden Blick ging sie einfach hinweg. „Kann ich dir vertrauen?“, fragte sie. „So wirklich, mein ich. Dass du alles für dich behältst und es nicht mal – gerade nicht – Potter und Sirius erzählst?“

  „Natürlich kannst du das“, antwortete er aufrichtig und streichelte mit dem Daumen über ihre Hand. Sie hatte nicht einmal gemerkt, wie sie seine genommen hatte. „Worum geht es denn?“

  Sara biss sich auf die Unterlippe. „Ich möchte, dass du mir einfach zuhörst. Bitte sag mir erst ganz am Ende, was du dazu denkst. Aber nicht alles.“ Sie traute sich ein kleines Lächeln und als er nickte, fing sie an, ihm von ihren Ferien zu erzählen. Von dem Brief von Severus bis zu dem Biss des Kniesels ließ sie nichts aus.

  Remus sah öfter aus, als wollte er etwas sagen, aber er ließ es. Bloß zog er irgendwann ein Taschentuch aus dem Umhang und reichte es ihr. Hatte sie etwa angefangen, zu weinen? Wie konnte es sein, dass sie das nicht merkte? Aber sie konnte wieder lächeln, als sie ihm ihre Hand zeigte, an der kleine Narben von dem Biss waren. Als sie sich die Tränen von der Wange tupfte, bemerkte sie Blutspuren an dem Taschentuch. Aber sie tat so, als hätte sie nichts gesehen. Es sah nach viel Blut aus, aber das konnte von allem möglichen kommen.

  „Entschuldige“, sagte sie, als die Tränen langsam versiegten. Um Zeit zu schinden, faltete sie das Taschentuch und gab es ihm zurück. „Jetzt weiß ich eben nicht, was ich machen soll. Am liebsten würde ich Maggie davon erzählen, aber sie wird total ausrasten. Tut mir so leid, dass ich dir damit nun so auf die Nerven geh.“

  „Das tust du nicht“, versicherte er ihr. „Aber ich glaube, dass dein Vater recht hat.“

  Das überraschte Sara nicht. Aber sie war froh, dass er das so ruhig sagte. Es klang nicht einmal nach einem Vorwurf. „Aber wir sind Freunde, Remus. Trotzdem.“

  Er lehnte sich an die Wand. „Und das kann ich eben nicht verstehen. Wie du nach allem noch so zu ihm halten kannst. Sonst bist du ein wirklich nettes Mädchen, aber das ist komisch.“

  Sie hob die Schultern. „Trotzdem hängt ihr mit mir rum.“ Fast hätte sie gesagt, dass es ihr egal wäre, selbst wenn nicht. Aber das würde ihn wohl verletzen und das wollte sie nicht. „Und ich meine, hallo? Du bist mit einem Black befreundet.“

  Remus seufzte. „Das ist ein Unterschied, Sara. Man könnte sagen, Sirius hat dieselben Probleme daheim wie du, nur umgekehrt. Er hasst seine Familie dafür, dass sie fast nur aus Todessern besteht.“

  Sara hob die Brauen. „Oh, entschuldige, das wusste ich nicht.“ Sie hatte sich ja schon gefragt, warum ausgerechnet ein Black nach Gryffindor kam. Sein Bruder Regulus ging ja mit ihr nach Slytherin, aber mit ihm hatte sie wenig zu tun.

  Er schüttelte den Kopf. „Darüber spricht er ja auch nicht mit jedem. Darum wäre es wohl auch besser, wir würden so tun, als hätte ich dir das nicht erzählt.“

  „Schon in Ordnung.“ Sie lächelte. „Ich bin gut darin, heikle Themen zu vermeiden, das weißt du ja. Ist ja seine Sache. Und genauso ist es meine Sache, mit wem ich mich anfreunde, oder nicht?“

  Er nickte, auch wenn es ihm nicht uneingeschränkt zu gefallen schien.

  „Außerdem find ich es unmöglich, wie James und Sirius sich benehmen. Wie sie immer auf Severus losgehen, nur weil er grade da ist. Kannst du da nicht mal bitte was sagen?“ Sie wusste ja, dass er auch nicht immer ganz unschuldig war, aber meistens ging es von den beiden Jungs aus.

  „Denkst du nicht, ich hab schon öfter versucht, ihnen das zu sagen? Sie hören ja nicht.“ Er verzog den Mund. „Aber vielleicht solltest du trotzdem versuchen, dich wieder mit deinen Eltern zu vertragen.“

  „Ja, das würde ich auch gern. Wenn sich alles wieder ein bisschen beruhigt hat.“

 

Sie fühlte sich besser, nachdem sie mit ihm gesprochen hatte. Noch einmal hatte sie ihm das Versprechen abgenommen, dass er alles für sich behielt, bevor sie zum Kerker gegangen war. Dort verzog sie sich gleich in den Schlafsaal, um einen Brief zu schreiben. Athene lag mitten auf Saras Bett und wollte auch um keinen Preis selbstständig zur Seite rutschen. Als Sara sie weg schob, legte die Katze sich so nah an sie heran, dass man meinen könnte, sie wollte sie von diesem Platz verdrängen.

  Maggie saß auf ihrem Bett und las die Hexenwoche. „Was hattest du denn mit Remus Lupin zu besprechen?“, wollte sie wissen.

  Sie wusste nicht, wie sie antworten sollte. „Das erklär ich dir später, ja?“ Sara schrieb sehr ausführlich von der ersten Stunde Pflege magischer Geschöpfe. Dass sie nicht darauf hören würde, was ihr Vater gesagt hatte, erwähnte sie nur am Rande. Erst als sie den Brief geschrieben hatte, überlegte sie, an wen er sein sollte. An ihre Mutter oder doch lieber an ihre Schwester? Sie entschied sich für Tabitha, die hatte ihr genau das angeboten, falls sie einmal Hilfe brauchte.

  „Du hast geheult“, stellte Maggie fest, als Sara das Pergament faltete und auf die Schreibsachen auf ihren Nachttisch legte. Da saß der kleine Troll an einem Becher gelehnt und schnarchte schon.

  „Jaah“, sagte Sara lang gezogen und rieb sich die Augen, auch wenn es jetzt zu spät war. Warum hatte sie eigentlich die Wahrheit gesagt? Sie hätte auch einfach lügen können, dass sie müde war. „Das passiert manchmal. Aber ist nur was ganz Albernes.“

  Maggie setzte sich neben sie aufs Bett und deckte sich zu. Dabei vertrieb sie Athene von ihrem Platz, die Katze rollte sich am Fußende zusammen und kehrte den beiden Mädchen nur den Rücken zu. „Erzähl mir nichts. Du heulst nicht wegen alberner Sachen. Sag schon, was ist passiert?“

  Sara sah sich um. Sie waren allein im Schlafsaal. „Das kann ich dir jetzt nicht sagen.“

  „Warum nicht?“, hakte Maggie nach. Sie zog den Vorhang auf ihrer Seite des Bettes zu und legte sich hin. „Du kannst mir alles sagen. Ich kann dir doch auch alles sagen.“

  „Schon.“ Sara nahm sich ihr Exemplar von Magische Tierwesen und wo sie zu finden sind und blätterte ziellos darin herum. Normalerweise half ihr das, ein bisschen zur Ruhe zu kommen, aber in diesem Moment wollte das nicht so recht klappen. „Aber du wirst mir sehr böse, wenn ich dir das jetzt erzähle.“ Andererseits fragte sie sich, wann denn der geeignete Augenblick sein würde, auf den sie wartete, und ob es überhaupt so einen geben würde. Je länger sie darüber nachdachte, desto unsicherer war sie sich.

  „Ich werd dir schon nicht böse sein“, sagte Maggie voller Zuversicht.

  Sara schüttelte den Kopf. „Sag so was nicht vorher. Es wird auf jeden Fall so sein.“ Sie löschte die Kerze, um ihrer Freundin nicht ins Gesicht sehen zu müssen. „Aber jetzt wirst du eh nicht ablassen. Also … Severus hat mich zu meinem Geburtstag besucht. Meine Eltern können ihn nicht leiden. Nein“, sagte sie scharf, weil sie wusste, dass Maggie gerade etwas sagen wollte. Nichts Nettes. „Es war in Ordnung, bis …“ Sie senkte die Stimme. „Na ja, er hatte sich ein Dunkles Mal auf den Arm gemalt. Mit Tinte. Ich hab ewig gebraucht, bis es wieder weg war.“

  Ruckartig setzte Maggie sich auf. „Er hat was? Und du redest noch mit ihm? Und du gehst mit ihm um, als wäre nichts gewesen? Ist dir klar, was er da getan hat?“

  „Nun sei doch leise.“ Sara zog sie am Ärmel ihres Nachthemdes wieder nach unten. „Er hat doch nichts gemacht.“

  „Ich würde ein Dunkles Mal aus wasserfester Tinte nicht als nichts bezeichnen!“, zischte Maggie.

  „Komm schon, wir malen uns in jeder Stunde Zaubereigeschichte irgendwas auf die Hand, das ist doch harmlos.“ In Saras Stimme hatte sich ein flehender Ton geschlichen, der ihr eigentlich überhaupt nicht gefiel. Sie hatte nicht gewollt, dass dieses Gespräch so verlief. Zum Glück waren sie hier allein.

  Maggie schnalzte laut mit der Zunge. „Das nennst du harmlos? Wirst du das auch noch sagen, wenn da ein echtes Dunkles Mal an seinem Arm ist?“

  Sara biss sich auf die Unterlippe. Sie konnte Maggie jetzt nicht sagen, dass ihre Antwort wohl ja wäre. Nun, nicht ja für harmlos, aber es würde für sie nichts ändern. „Aber er … Er ist doch mit Lily befreundet, da kann er doch nicht …“

  Maggie schwieg. Doch sie blieb neben Sara liegen, ging nicht in ihr eigenes Bett. „Du willst es einfach nicht sehen“, sagte sie irgendwann leise. „Das gefällt mir eigentlich überhaupt nicht, aber ich kann dir ja nichts vorschreiben. Aber ich sag dir eins. Wenn du selbst damit anfängst, dann …“

  „Was denkst du denn von mir?“, fragte Sara, jetzt auch aufgebracht. „Ich würde niemals auch nur auf die Idee kommen!“

 

Es war besser gelaufen, als Sara erwartet hatte. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass Maggie für Tage nicht mit ihr reden würde, aber sie verhielt sich viel nicht anders als sonst. Gleich am nächsten Morgen ging sie mit Sara zusammen in die Eulerei, wo sie selbst einen Brief an ihre Eltern abschicken wollte.

  Sara suchte sich eine große Schneeeule aus, die sich lange von ihr streicheln und mit Keksen füttern ließ. Ein bisschen Sorgen machte sie sich schon, der Weg nach Finnland war weit. „Du kannst dir ruhig Zeit lassen, mein Lieber. Falls du eine Pause brauchst, gönne sie dir ruhig, so dringend ist es nicht.“ Sie gab der Eule ihren Brief in den Schnabel und sah zu, wie sie aus dem Fenster davonflog.

  „Ich hab dich gestern gar nicht zuende erzählen lassen“, sagte Maggie ruhig, während sie ein paar Eulen musterte. Einige gaben vor, zu schlafen, damit sie nicht ausgewählt wurden. „Was ist jetzt mit deinen Eltern?“

  „Für den Rest der Ferien hab ich kein Wort mit meinem Vater gesprochen. Ich weiß nicht, wie genau Mum drüber denkt, aber sie ist auch ziemlich ernst. Ich weiß ja auch, dass ihr alle irgendwo recht habt, aber man kann sich doch nicht in die Angelegenheiten von anderen Leuten einmischen.“ Nervös scharrte sie am Boden und das raschelnde Stroh zog die Aufmerksamkeit gleich mehrerer Eulen auf sich. Vielleicht dachten sie, da sei eine Maus.

  „Ich hoffe mal, dass ihr das klären könnt.“ Maggie gab den Brief an einen Sperberkauz, der auf der Stange vor ihr landete.

 

An den folgenden Tagen musste Sara glücklicherweise nicht mehr oft an diese Sache denken. Sie konzentrierte sich einfach voll und ganz auf den Unterricht, in Geschichte der Zauberei erledigte sie Hausaufgaben für andere Fächer oder las im Lehrbuch weit voraus. Die Nachmittage verbrachte sie mit Maggie auf dem Quidditchfeld – Sirius hatte sich angeboten, mit ihnen zusammen zu üben – oder zusammen mit ihr, Lily und Severus in der Bibliothek. Die beiden hatten schrecklich viel für die OWLs zu tun und an einem anderen Tisch saßen auch Remus und Peter. Nur James und Sirius sah man selten hier oben und James hatte gemeint, sie würden so oder so bestehen. Manchmal konnte er unerträglich arrogant sein, aber es war auch viel ruhiger in der Bibliothek ohne ihn und seine Kommentare.

 

  Es dauerte bis Sonntag, dass die Schneeeule zurückkam. Sie landete mitten auf Saras Teller und ließ einen Brief auf ihren Schoß fallen. Er war von Tabitha. Sara gab der Eule eine Eulennuss und bedankte sich dafür, dass sie auch gleich die Antwort gebracht hatte. Als das Tier davon geflogen war, legte sie den Brief zur Seite und wischte mit ihrem Umhang den Teller sauber. Zum Glück hatte darauf kein Essen gelegen.

  „Willst du den nicht aufmachen?“, fragte Severus. An einem Krug mit Saft lehnte sein Buch für Kräuterkunde. Sie wusste, dass er in diesem Fach am unsichersten war. Auf die Prüfung in Pflege magischer Geschöpfe hatte Sara ihn und Lily so gut vorbereitet, dass die beiden ihr sicher im Schlaf die Arten von Geflügelten Pferden aufzählen könnten. Sein Rührei, von dem er nur ab und an einen Bissen nahm, musste schon ganz kalt sein.

  Sara gab nur ein unentschlossenes Brummen von sich. „Das, was da drin steht, wird mir mit Sicherheit den Appetit verderben.“

  Er warf einen Blick auf den Briefumschlag, dann auf Sara und dann wandte er sich wieder seinem Buch zu.

  Sara war froh darüber, dass er nichts dazu sagte. Sie nahm sich Toast, Marmelade und Waffeln. Erst, als sie wirklich nicht mehr konnte, riss sie betont langsam den Brief auf. Weiter konnte sie es nicht mehr herauszögern.

  Zum Glück begann Tabitha mit einer kleinen Geschichte darüber, wie sie mal einer Familie geholfen hatte, als der schmerzfreie Abtrennzauber schief gegangen war. Sie ließ auch nette Grüße an den Professor ausrichten. Doch als der neue Abschnitt begann, krampfte Saras Magen sich zusammen.

  Dort stand genau das, was sie erwartet hatte. Dass ihr Vater nicht von seinem Standpunkt abgerückt war. Die Worte verschwammen vor ihren Augen und sie wischte sich schnell übers Gesicht, um nicht zu weinen. Als sie zur Seite sah, hatte Severus das Buch zugeschlagen und blickte sie an. Es beruhigte sie, dass ihm das auch nicht gleichgültig war. Bloß ließ er es sich nicht so sehr anmerken wie sie.

  „Ich bin eine Enttäuschung für meinen Vater“, sagte sie tonlos, „weil ich mich mit den falschen Leuten abgebe. Jetzt denkt er bestimmt, dass ich weinend angerannt komme und sage, dass mir alles so leid tut.“ Sie faltete den Brief, steckte ihn in den Umschlag und stellte ihren Kakaobecher darauf, der allerdings schon leer war. „Severus.“

  „Was?“ Er nahm den Blick nicht von ihr.

  „Ich werde an Weihnachten hier im Schloss bleiben.“ So konnte sie ihrem Vater nicht mehr unter die Augen treten. Und das wollte sie ihrer Mutter auch irgendwann schreiben. Aber nicht jetzt. Vielleicht im Oktober oder November.

  Er kam nicht dazu, etwas zu sagen, auch wenn er vielleicht wollte. Jemand legte die Hände heftig auf Saras Schultern und als sie sich umdrehte, sah sie, dass es Maggie war. Sie war ganz rot im Gesicht und atmete schwer, wobei sie ein breites Grinsen im Gesicht hatte.

  „Professor Kesselbrand“, sagte sie und zog Sara an den Händen auf die Beine. „Er will dich sehen. Er hat mir nicht gesagt, warum, aber er hat gemeint, dass es dir bestimmt gefällt.“

  Sara konnte sich nicht im geringsten vorstellen, was er von ihr wollte, aber gerade, weil er es war, musste es etwas Großartiges sein. Sie schnappte sich schnell den Brief, wobei ihr Becher umfiel. Er war leer, darum kümmerte sie sich nicht darum und rannte los, nachdem sie sich von Maggie und Severus verabschiedet hatte. In der Eingangshalle stieß sie mit Peter zusammen, dessen Umhang ganz unordentlich war. Bestimmt hatte er lange gelernt und war noch nicht richtig wach. Während er sich dutzende Male bei ihr entschuldigte, obwohl gar nichts passiert war, richtete sie den Kragen seines Umhangs.

  „Ist doch in Ordnung, Peter. Es hat nicht mal wehgetan.“ Sie wollte schon an ihm vorbeigehen, als er sie am Ärmel festhielt.

  „Ich … ich wollte dich fragen …“

  „Leider hab ich grad keine Zeit, Peter. Professor Kesselbrand erwartet mich. Frag nachher, wenn ich wieder da bin.“ Sie verschwendete keinen Gedanken daran, was er wohl von ihr wollte, sondern winkte nur und ging weiter, die Treppe nach oben und zu seinem Büro.

  Er erwartete sie und vor ihm auf dem Tisch lag ein Buch aufgeschlagen. Warum ich nicht starb, als der Augurey schrie, das erkannte sie an einem Kapitelbild. Dieses Buch stand bei ihrer Mutter im Regal und Sara hatte es schon zweimal gelesen. Unter dem Schreibtisch lag einer der Crups und musterte sie, während sie sich auf einen Stuhl setzte. Sie betrachtete die Gemälde an den Wänden, auf denen Chimären und Mantikore zu sehen waren. An einer Korkwand waren Zeitungsartikel festgemacht. Eröffnung eines Drachenreservates in Rumänien, ErGREIFende Freundschaft, Ganzes Dorf von Nogschwänzen befallen. Viele davon stammten aus der Zeit vor Saras Geburt. Sie waren vergilbt und der Professor Kesselbrand, der auf einem Bild mit einem weißen Bluthund zu sehen war, hatte noch beide Arme.

  „Das waren noch Zeiten“, sagte er, als er ihren Blick bemerkte. „Der gute Junge hieß Orthrus und seit diesem Tag hat die Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe ein paar seiner Nachkommen parat. Ja, sie stammen alle von ihm ab.“

  Sara nickte. Sie wusste von den Albinobluthunden, einmal hatte sie ihren Vater zur Arbeit begleitet und sie kennen gelernt.

  „Den Arm hab ich dann im Drachenreservat verloren, aber das war es absolut wert.“

  „Das glaube ich Ihnen.“ Sie nahm sich vor, irgendwann einmal nach Rumänien zu reisen. Dieses Reservat musste sie sehen. Und vielleicht wollte Maggie mitkommen.

  Der Professor lachte. „Sie sind mir genau die Richtige. Miss Crowfield, ich habe mit Hagrid über Sie gesprochen. Er erzählte mir davon, wie engagiert Sie dabei sind, ihm zu helfen. Auch mit dem Jarvey habe ich einige Worte gewechselt und wenn ich mich nicht irre, konnte ich heraushören, dass er Sie für vertrauenswürdig hält. Darum denke ich, dass Sie sich sehr gut dazu eignen, mir bei der Vorbereitung der nächsten Stunde zu helfen.“

  Bei jedem seiner Sätze hatte sie sich weiter vorgebeugt und sie musste sich Mühe geben, ihre Freude zu bändigen. Noch immer hatte sie keine Ahnung, was genau ihre Aufgabe sein würde, aber das war unwichtig. Es hatte mit ihrem Lieblingsfach zu tun, also würde es ihr in jedem Fall gefallen. Als der Crup ihre Hand ableckte, fuhr zu zusammen, bevor sie wieder klar im Kopf wurde und seinen Kopf kraulte. Zum Glück hatte Athene nichts gegen diesen Geruch von Hund, aber sie störte sich ja auch nicht an dem des Jarveys oder der Eulen. „Was soll ich tun, Sir? Egal, was es ist, ich werde Ihnen gern helfen.“

  Er lächelte, dabei zog er nur einen Mundwinkel nach oben, über die andere Seite seines Gesichts verlief eine lange Narbe zum Ohr hinauf. „So ist es recht. Ich erwarte Sie morgen nach dem Unterricht an der Hütte des Wildhüters. Ich habe bereits mit Professor Dumbledore gesprochen und er ist einverstanden, dass Sie mit ihm, seinem Hund und mir gemeinsam in den Wald gehen.“

  Sara konnte einen kleinen, quietschenden Laut nicht unterdrücken, sich aber mit einiger Mühe davon abhalten, dem Professor um den Hals zu fallen. Niemals hatte sie erwartet, dass ihr Wunsch so schnell in Erfüllung gehen würde. „Vielen Dank, Sir! Ich werde so bald wie möglich da sein!“ Aus reiner Freude drückte sie dem Crup einen Kuss auf die Schnauze, worauf er aus ihren Armen sprang.

Sara vermutete Maggie und Severus draußen, da die Sonne schien und man das ausnutzen musste, bevor der Herbst kam. Auf dem Weg zum See traf sie James und Sirius, die beide einen Besen in der Hand hatten und James trug sein Trikot. Sie kamen wohl gerade vom Training und weil sie gerade so gute Laune hatte, umarmte Sara erst Sirius und dann James.

  „Was ist denn mit dir los?“, wollte James wissen.

  „Ich darf in den Wald!“, sagte sie so schnell, dass ihre Worte sich fast überschlugen. „Morgen schon! Mit Hagrid und Fang und Professor Kesselbrand!“

  „Gratulation!“ Sirius legte einen Arm um ihre Schultern. „Dann erzähl doch mal, was musstest du anstellen, damit du da rein musst? Hast du McGonagall aus Versehen in einen Besen verwandelt? Hast du ne Stinkbombe ins Lehrerzimmer geworfen?“

  „Das ist zu alt“, sagte James nachdenklich. „Hast du den Kessel von irgendwem hochgehen lassen?“ Er hatte ihr jetzt auch einen Arm umgelegt und die beiden Jungs nahmen sie mit in Richtung See.

  „Ich hab gar nichts angestellt!“, unterbrach Sara ihre Vermutungen und streckte ihnen die Zunge raus. „Der Professor meint, ich soll ihm bei der Unterrichtsvorbereitung helfen. Ist sogar von Dumbledore abgesegnet.“

  „Hat sich also doch ausgezahlt, so viele Nachmittage bei Steinkeksen in Hagrids Hütte zu verbringen“, sagte Sirius. „Du erfüllst mich mit Stolz, Sara Crowfield.“ Er sagte das so ernst und feierlich, dass sie sogar kurz lachen musste.

  „Aber ich besuche ihn nicht nur deswegen und so hart sind die Kekse auch nicht.“ Sie stieß ihn mit der Hüfte an.

  „Natürlich doch, Sara.“ James zwinkerte ihr zu. „Wie kommt man auch auf die Idee, du würdest jemanden ausnutzen? Aber sag mal, bei was genau sollst du ihm denn helfen?“

  Sara öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber dann fiel ihr ein, dass sie gar nicht gefragt hatte, was sie da im Wald tun sollten. „Äh…“, machte sie. „So genau hat er das nicht gesagt.“

  Die Jungs brachen in Gelächter aus.

  „Na, und?“ Sara blieb stehen, sodass die beiden fast zusammenknallten. „Mir doch egal, ich werd es toll finden.“

  Sirius fing sich als erster wieder. „Ja, klar. Und am Ende wollen sie von dir, dass du Riesenzehennägel sammelst.“

  Nun musste auch Sara lachen. „Ich glaube nicht, dass es im Wald Riesen gibt. Und selbst wenn, wozu bei Merlins getupften Unterhosen sollte man Zehennägel von denen brauchen?“

  James wischte sich eine Lachträne aus dem Gesicht. „Ach, hier kann man nie wissen. Aber schon klar, für den Unterricht ist das unwahrscheinlich. Na, du wirst wohl warten müssen. – Hey, Evans, wollen wir zusammen Zauberkunst üben?“

  Auch Sara entdeckte jetzt Lily, die zusammen mit Maggie und Severus am See saß. Sie wandte sich um. „Hau ab, Potter!“, rief sie. „Der See wird trüb, wenn du hier bist.“

  Darauf wollte James etwas erwidern, aber Sara hielt ihm den Mund zu. Sie machte sich von den Jungs los. „Ich werd euch natürlich erzählen, was ich gesehen hab, wenn ich wieder da bin. Bis dann.“

 

  Sie rannte zu den anderen und ließ sich neben Maggie ins Gras fallen. „Das ist verrückt!“, sagte sie, weil sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte.

  „Was denn?“, fragte Maggie. „Sollst du deinen Vater bitten, irgendetwas total Gefährliches herzuschicken?“

  Sara schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass mein Vater mir irgendetwas schicken würde, selbst wenn es so wäre.“

  Maggie hielt sich den Mund zu. „Entschuldige … Also, was sollst du denn nun machen?“

  Auf den fragenden Blick von Lily hin schüttelte Sara nur den Kopf. Jetzt wollte sie sich ihre gute Laune nicht durch so etwas verderben lassen. „Ich weiß nicht genau, was ich machen soll, aber ich darf morgen zusammen mit Professor Kesselbrand und Hagrid in den Wald gehen. Fang ist auch dabei.“

  „Oh“, machte Maggie und umarmte Sara. „Du musst mir dann unbedingt alles erzählen! Aber nicht, was nun dran kommt, das soll bestimmt eine Überraschung sein.“

  „Und komm bloß in einem Stück wieder“, sagte Severus, ohne von seinem Kräuterkundebuch aufzusehen.

  „Da mach ich mir keine Sorgen. Ich bin ja nicht allein unterwegs.“ Sara zog den Brief aus der Tasche und reichte ihn jetzt Maggie. „Lies das und sag mir, was du jetzt davon hältst.“

  „Was ist denn los?“, fragte Lily mit besorgtem Ausdruck im Gesicht.

  „Ich hab Streit mit meinem Vater“, antwortete Sara nur. Sie wusste nicht, ob und wenn ja wie viel Severus ihr von den Ferien erzählt hatte. Ganz sicher wollte er nicht, dass sie davon wusste, was Sara da von seinem Arm gewaschen hatte, also beließ sie es dabei.

  „Ist es was Schlimmes?“, fragte Lily weiter.

  Nach einem Augenblick Bedenkzeit nickte Sara. „Aber ich bin sicher, er wird sich irgendwann beruhigen.“

  Lily lächelte aufmunternd. „Wenn du drüber reden willst, wende dich ruhig an mich.“

  „Das ist lieb von dir.“ Sara erwiderte ihr Lächeln und überlegte, ob sie irgendwann einmal darauf zurückkommen würde. Ob sie konnte.

  Severus beugte sich zu ihr herüber. „Sag es nicht“, flüsterte er ihr ins Ohr und sie lächelte ihn an zum Zeichen, dass sie verstanden hatte.

  „Entschuldige“, sagte Maggie und nahm sie in den Arm. „Entschuldige alles, was ich bisher gesagt habe. Das hier ist wirklich fies.“

  Sara war unheimlich froh, dass Maggie sie jetzt verstand. Auf keinen Fall wollte sie sich lang streiten. „Fies ist vielleicht das falsche Wort dafür.“ Sie steckte den Brief wieder ein. „Aber ich bin ja jetzt hier und hier ist alles in Ordnung.“

 

Am Montag ging Sara gleich nach dem Unterricht zu Hagrid und es blieb sogar noch Zeit für eine Tasse Tee. Hagrid amüsierte sich darüber, wie aufgeregt sie war, und erkundigte sich nach ihrem Wochenende. Sie erzählte ihm von Peter und dass sie ihn zwar noch mehrmals gesehen hatte, er aber nicht gesagt hatte, was er nun eigentlich gewollt hatte. Wäre sie nicht gerade viel zu sehr darauf versessen, endlich in den Wald zu kommen, hätte sie wahrscheinlich intensiver nachgehakt. Das würde sie sich für später aufheben. Nun war ihre größte Sorge, das Bauchkribbeln loszuwerden.

  Das gelang ihr leider nicht, vielmehr wurde es nur noch schlimmer, als sie den Professor erkannte, der über die Wiese auf die Hütte zuhinkte. Hastig stürzte sie den letzten Schluck Tee hinunter, sprang auf und strich ihren Umhang glatt.

  „Jetzt wirst du doch keine weichen Knie kriegen.“ Hagrid lachte und schob sie nach draußen, Fang folgte ihm auf dem Fuße.

  „Nein!“, sagte sie laut und ihre Stimme klang dabei komisch in ihren Ohren. „Ich bin doch nur so aufgeregt.“ Ihr Blick wanderte zwischen dem Waldrand und Hagrid hin und her.

  „Das sollten Sie auch sein“, sagte Professor Kesselbrand und blieb vor ihr stehen. „Hagrid. Miss Crowfield. Fang.“ Er streichelte den Hund ausgiebig. „Also. Wir werden in den Wald gehen. Dabei folgen wir dem Pfad und Sie bleiben zwischen uns. Hagrid wird vorausgehen, er kennt sich am besten aus. Fang geht hinter Ihnen und ich bilde die Nachhut.“

  Sie nickte heftig. „Und was suchen wir, Sir? Warum soll ausgerechnet ich Ihnen helfen?“ Die ganze Nacht hatte sie gerätselt, aber so lang sie nicht wusste, was alles so im Wald lebte, konnte sie sich nicht sicher sein.

  Er lächelte mit einem Mundwinkel. „Wir sind auf der Suche nach einem Einhorn, Mädchen. Und es wird sich eher Ihnen nähern als einem von uns beiden. Aber wir wissen nicht, was uns auf dem Weg so auflauert, also müssen wir still sein und dicht beieinander bleiben. Haben Sie das verstanden?“

  Nachdem er Einhorn gesagt hatte, waren Saras Gedanken etwas abgeschweift, aber sie hatte ihm mit einem halben Ohr zugehört und nickte wieder.

  „Halt dich an Fang“, sagte Hagrid. „Er ist ein Riesenfeigling und wenn er wegrennt, bist du am besten ganz dicht hinter ihm. Aber nun wollen wir gehen, damit wir auch vor Sonnenuntergang wieder da sind.“

 

  Jetzt, da Sara hier direkt am Waldrand stand und in die Dunkelheit schaute, die dort drinnen herrschte, obwohl die Sonne noch am Himmel stand, war sie unendlich froh, dass sie nicht allein war. So stand sie und starrte, bis Fang sie mit seiner Schnauze anstupste.

  Wie sie so Hagrid folgte, sah sie kaum etwas von dem breiten Weg vor ihnen. Dafür konnte sie umso mehr hören: knarrende Äste, raschelnde Blätter und die Schritte von großen und kleinen Tieren auf dem Waldboden. Je tiefer sie in den Wald kamen, desto mehr hatte sie das Gefühl, sie würde angestarrt, doch in den Büschen war weit und breit nichts zu sehen. Zwar hatte Hagrid eine Lampe dabei, doch der Wald wurde schließlich so dicht, dass Sara und der Professor auch mit ihren Zauberstäben Licht machen mussten.

  Irgendwann, nachdem sie eine ganze Weile schweigend gegangen waren, begann Fang, zu winseln. Hagrid blieb stehen und hob die Lampe. Sara kraulte den Hund, damit er sich beruhigte. Vielleicht hatte er sich bloß vor einem Käuzchen im Baum erschrocken.

  Sie gingen erst weiter, als der Hund wieder ruhig geworden war. Der Weg nahm Biegungen und gabelte sich öfters. Nach einer Weile hatte Sara vollkommen die Orientierung verloren und war zum erneuten Male froh darüber, Hagrid dabei zu haben, der sich hervorragend auskannte.

  Gerade, als sie fragen wollte, wie weit der Weg wohl noch war, blieb Hagrid stehen und drehte sich zu ihr um. Mit der Lampe deutete er in Richtung eines Findlings, auf den ein kleiner Sonnenstrahl fiel. Besser gesagt deutete er auf das Einhorn, das neben diesem Fels stand und Blätter von einem Busch zupfte. Es war vollkommen weiß, sodass es in der Sonne zu strahlen schien. Sara musste unweigerlich lächeln, als sie so da stand und es beobachtete.

  Professor Kesselbrand legte ihr den Arm um die Schultern. „Steck den Zauberstab weg“, raunte er ihr zu. „Es wird dir nichts tun, eher rennt es weg. Damit es nicht wegrennt, gehst du ganz vorsichtig auf es zu. Rede mit ihm. Keine hastigen Bewegungen. Dann legst du ihm die hier an.“ Er deutete auf Hagrid, der aus seinem Mantel Zaumzeug holte.

  Sie nickte und ließ ihr Licht verlöschen, steckte den Zauberstab weg. Fang wollte ihr folgen, wurde aber von Hagrid zurückgehalten. Langsam ging sie auf das Einhorn zu, wobei ihr Herz vor Freude und Aufregung heftig pochte. Als sie noch etwa zehn Schritte von ihm entfernt war, hob es den Kopf und trat unsicher einen Schritt zurück.

  „Nein, hab keine Angst.“ Sara lächelte und blieb kurz stehen. Am liebsten wäre sie auf dieses herrliche Geschöpf zugerannt und hätte es umarmt, aber das wäre das Dümmste gewesen, was sie hätte tun können.

  „Ich tu dir nichts. Ich brauch nur mal deine Hilfe.“ Vorsichtig machte sie den nächsten Schritt und noch einen, als das Einhorn nicht zurückwich. Sie streckte die freie Hand aus. „Komm schon.“

  Es stand da und tänzelte mit den Vorderhufen, nahm den Blick nicht von Sara. Ganz langsam und zögerlich kam es schließlich auf sie zu, schnupperte an ihrer Hand und ließ sich von ihr streicheln.

  „So ist es brav“, sagte sie sanft und streichelte den kräftigen Hals und die weiche Mähne. So hätte sie ewig hier stehen können, erfüllt von purem Glück. Alle Probleme waren vergessen. „Ich bin Sara. Möchtest du mit mir kommen? Es ist nicht gefährlich und keiner will dir was tun. Es soll in unserem Unterricht um dich gehen. Da hinten ist mein Lehrer.“ Sie deutete über ihre Schulter auf Professor Kesselbrand. „Er ist vielleicht ein bisschen gruselig, aber sehr nett“, sagte sie ganz leise, damit er es nicht mitbekam. „Wenn du mitkommst, stell ich dir meine Freundin Maggie vor und noch ein paar andere Mädchen. Was hältst du davon?“

  Es schien einverstanden zu sein, denn als sie ihm das Zaumzeug anlegte, wehrte es sich nicht. Aber es wurde wieder unruhig, als sie zu Hagrid, Fang und dem Professor zurückkehrte. Darum lief sie diesmal hintendrein und führte es an den Zügeln, sprach ihm immer wieder beruhigend zu. Da sie sich nur auf das Einhorn konzentrierte, achtete sie kaum auf den Wald, wahrscheinlich waren ihr etliche Hinweise auf mehr Tierwesen entgangen. Dennoch fühlte sie sich einfach gut, ihr Traum war so früh wahr geworden. Und vielleicht würden sich mehr Möglichkeiten auftun, herzukommen.

  Nahe am Waldrand war eine Wiese weitläufig eingezäunt. Hagrid öffnete das Gatter für sie und drinnen machte sie das Einhorn los. „Du wartest hier und wir kommen dich morgen besuchen. Dann darfst du wieder nach Hause.“ Liebevoll streichelte sie seine Stirn und klopfte ihm zum Abschied auf den Hals.

  Hagrid hob sie über den niedrigen Zaun und klopfte ihr auf den Rücken, sodass sie einen Schritt nach vorn stolperte. „Das hast du gut gemacht“, lobte er sie.

  Professor Kesselbrand nickte lächelnd. „Das hast du wirklich. Bist ruhig geblieben und hast nicht versucht, auf eigene Faust loszuziehen. Ich denke, das ist fünfzehn Punkte für Slytherin wert.“

  Sara hielt sich den Mund zu, damit hatte sie nicht gerechnet. Das wäre auch überhaupt nicht nötig gewesen, sie war schon vollkommen zufrieden damit, dass sie überhaupt hatte mitgehen dürfen. „Vielen, vielen Dank, Professor. Und danke, Hagrid. Und natürlich auch danke, lieber Fang.“ Sie kraulte den Hund und verabschiedete sich, um rechtzeitig zum Abendessen zu kommen.

 

  Auf dem Weg zum Haupteingang traf sie die vier Jungs aus Gryffindor und in einem Moment überschwänglicher guter Laune sprang sie Sirius und Remus von hinten an. „Jungs, ihr werdet mir nicht glauben!“, rief sie.

  Sie waren so erschrocken, dass sie Sara abschüttelten, die fast hingefallen wäre. Aber es störte sie nicht.

  „Oh, entschuldige.“ Sirius zog sie an sich und legte einen Arm um ihre Schulter. „Was schleichst du dich aber auch so an? Na, erzähl mal.“

  „Es ist ein Einhorn!“ Sie erschrak vor ihrer eigenen Stimme, die eher mit einem Quietschen zu vergleichen war. „Ich hab es gestreichelt und morgen sprechen wir im Unterricht darüber. Aber sagt bitte Maggie nichts!“

  „Werden wir natürlich nicht“, sagte Remus lächelnd.

  „Dann mal viel Spaß.“ Sirius ließ sie los und ging in der Großen Halle direkt zum Gryffindortisch. Remus und James folgten ihm, aber Peter blieb bei ihr stehen.

  „Also, also … Was ich dich schon gestern fragen wollte …“ Er sah seine Schuhe an und sprach so leise, dass sie sich zu ihm vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. „Bei unserem ersten Wochenende in Hogsmeade … Wollen wir uns da vielleicht in den drei Besen treffen?“

  „Aber gern doch.“ Sie klopfte ihm auf die Schulter und ging ihrerseits zum Slytherintisch, wo Maggie gerade ins Gespräch mit ein paar Klassenkameraden vertieft war, sich aber umwandte, als jemand auf Sara zeigte.

  „Sag schon, wie war es?“, fragte sie, kaum dass Sara sich gesetzt hatte.

  „Es war gruselig“, antwortete Sara. „Aber gleichzeitig war es traumhaft. Man sieht und hört kaum etwas, ist sich aber trotzdem sicher, dass in jedem Busch irgendein Tierwesen hockt. Ich hab fünfzehn Punkte dafür bekommen, dass ich meine Aufgabe so gut erledigt habe! Und wenn du morgen erst mal siehst, um was es geht!“

  Sie verstummte, als Maggie eine Hand hob. „Bitte nichts verraten“, sagte sie, aber ihr war anzusehen, dass sie kurz davor war, doch danach zu fragen. Sara konnte sich ihrerseits kaum davon abhalten, es ihr zu sagen. Schließlich wollte sie Maggie doch an ihrer Freude teilhaben lassen. Aber schon am nächsten Tag würde es ja schon so weit sein.

Zu Stundenbeginn hatten die Schüler sich am üblichen Platz versammelt. Sara stand neben Maggie in einem Kreis aus Schülern und beteiligte sich nicht besonders stark an dem Gespräch über das Aufnahmetraining für die Mannschaft, das am Donnerstag anstand. Maggie war sich ganz sicher, dass sie nach all den Übungssequenzen mit Sara und Sirius als Jägerin aufgenommen wurde. Als ein Mädchen mit hohem dunklen Pferdeschwanz das bezweifelte, wandte sie sich um zu Sara und hatte einen säuerlichen Ausdruck im Gesicht.

  „Gib doch einfach nichts drauf“, meinte Sara nur und hob die Schultern. „Ich sitz auf der Tribüne und werd dich anfeuern.“

  „Dann werden alle anderen eh von dem Gestank abgelenkt sein, wenn du wieder ein totes Tier in der Tasche hast“, sagte das Mädchen mit dem Pferdeschwanz. Sara hatte das Gefühl, sie müsste seinen Namen kennen, aber er fiel ihr einfach nicht ein.

  Maggie wollte etwas erwidern, aber Sara kam ihr zuvor. „Ich glaube nicht, dass der Jarvey mich heute wieder besucht. Schließlich war er erst vorgestern da und hat mir eine Wühlmaus gebracht. Athene hat sie auf deinem Bett gefressen, glaub ich.“ Das stimmte natürlich nicht, Athene hielt sich von den Betten der anderen Mädchen fern, aber als sie das Mädchen bleich werden sah, war Sara zufrieden.

  „Ich meine“, sagte Sara leise und beugte sich zu Maggie vor. „Selbst wenn du nicht in die Mannschaft kommst, kannst du dich immer noch im nächsten Jahr bewerben.“

 

  Professor Kesselbrand kam über die Wiese gehinkt und winkte den Schülern zu, die ihm in Richtung des Waldes folgten. Maggie nahm Saras Hand und ging besonders schnell, sodass sie als erste bei dem eingezäunten Bereich ankamen. Das Einhorn war nicht zu sehen, Sara vermutete es bei einer Baumgruppe, die etwas entfernt stand.

  „Also, die Jungs halten bitte ein bisschen Abstand“, rief der Professor.

  In diesem Moment schien Maggie zu wissen, worum es ging. Sie sah Sara mit großen Augen und breitem Grinsen an. Als Sara nickte, drückte Maggie ihre Hand noch etwas fester.

  „Sehr schön. Die Mädchen kommen bitte hierher. Miss Crowfield.“ Der Professor streckte die Hand nach ihr aus. „Ich denke, Sie sollten hineingehen und unseren Gast holen, er kennt Sie schließlich schon.“

  Wieder fing Saras Herz an, ihr bis in den Hals zu schlagen. „Darf ich Maggie mitnehmen, Sir?“

  Er musterte die beiden Mädchen für einen Moment, dann lächelte er. „Selbstverständlich. Wenn Sie sich beide ruhig verhalten.“ Er öffnete das Gatter und Sara nahm Maggie mit auf die Wiese. Sie hörten ihre Schulkameraden tuscheln und spekulieren, welches Tier wohl auf dieser Weide war.

  Tatsächlich fanden sie das Einhorn im Schatten der kleinen Baumgruppe an einer Tränke. Es hob den Kopf, als die Mädchen sich näherten, und wurde nervös.

  Sara ließ Maggie los und ging ein paar Schritte voraus. „Hey“, sagte sie leise. „Da bin ich wieder, wie versprochen.“ Sie hielt ihm die Hand hin und blieb ein paar Schritte entfernt stehen, damit es selbst entscheiden konnte.

  Es dauerte einen Moment, bis das Einhorn an Sara herantrat und sich streicheln ließ. Sein Blick war auf Maggie gerichtet.

  „Das ist meine Freundin“, erklärte Sara lächelnd. „Von ihr hab ich dir gestern erzählt. Sie ist auch total nett.“

  Maggie stellte sich neben sie und strich dem Einhorn zögerlich über die Stirn. Sie schien kein Wort herauszubringen und lächelte nur breit.

  „Wir gehen jetzt zu unserer Klasse, in Ordnung?“ Sara nahm die Zügel und sie gingen wieder über die Wiese. Sowie sie in Sichtweite der anderen Schüler kamen, konnten sie Mädchen „Ohh“ und „Ahh“ machen hören.

  „Hab keine Angst, niemand tut dir was“, sagte Maggie und streichelte dem Einhorn über die Mähne.

  „Sehr schön!“, rief Professor Kesselbrand und öffnete wieder das Gatter. Die Mädchen kamen auf die Weide, er und die Jungs blieben draußen stehen. „Was Sie hier sehen, ist ein Einhorn. Was können Sie mir über Einhörner sagen?“

  Maggies Freundin Cecilia meldete sich sofort. „Als Fohlen sind sie golden, dann silbern und erwachsen weiß. Darum ist dies hier ein erwachsenes.“

  „Genau. Miss Hanson?“

  „Blut, Horn und Haare haben magische Eigenschaften“, sagte das Mädchen mit dem dunklen Pferdeschwanz. „Einhornhaar ist zum Beispiel ein Bestandteil von Zauberstäben.“

  „Das ist richtig.“ Der Professor lächelte. „Wer von Ihnen hat denn zum Beispiel ein Einhornhaar in seinem Zauberstab?“

  Einige Schüler meldeten sich, darunter auch Maggie.

  „Schön. Und warum habe ich gerade Miss Crowfield losgeschickt? Warum stehe ich hier draußen?“

  Einer der Jungs meldete sich. „Weil sich Einhörner eher Hexen nähern als Zauberern.“ Er grinste, als ihm ein anderer Junge etwas ins Ohr flüsterte.

  „So ist es. Nun werden Sie eine Skizze des Einhorns machen und die Merkmale notieren.“

 

  Die Stunde verging schnell. Saras Skizze war nicht besonders hübsch, aber sie hatte sich das Einhorn so gut eingeprägt, dass sie die vielleicht auch gar nicht brauchen würde. Außerdem waren überall in Büchern und auf Wandteppichen im Schloss Bilder von Einhörnern zu sehen.

  „Hervorragend!“, rief Professor Kesselbrand, als vom Schloss her das Läuten der Schulglocke erklang. „Nun lassen wir es wieder frei, denn Einhörner gehören nicht in Gefangenschaft.“

  Sara nahm dem Einhorn die Zügel ab. „Vielleicht komm ich dich irgendwann mal wieder besuchen“, sagte sie leise. „Auf Wiedersehen, liebes Einhorn.“

  Das Einhorn rannte über die Wiese, schneller als es jedes normale Pferd gekonnt hätte, und setzte mit einem mächtigen Sprung über den Zaun. Mit den anderen Mädchen zusammen stand Sara auf der Weide und blickte ihm nach, bis der weiße Schimmer zwischen den Bäumen verschwunden war.

  „Bis zum nächsten Dienstag schreiben Sie bitte einen Aufsatz über die Verwendung und Wirkung des Horns in Zaubertränken.“

  Als sie hinauf zum Schloss gingen, wandten sich ein paar ihre Mitschüler an Sara und fragten sie um Hilfe bei den Aufsätzen. Es hatte sich wohl herumgesprochen.

 

Am Donnerstag saß Sara auf der Quiddtichtribüne und wartete darauf, dass Maggie dran war. Den ganzen Tag lang war sie furchtbar aufgeregt gewesen und hatte im Verwandlungsunterricht ihre Trillerpfeife zwar in einen Vogel verwandelt, der aber statt zu singen das Geräusch der Trillerpfeife gemacht hatte. Die Stunde war früher aus gewesen, weil es allen in den Ohren geklingelt hatte.

  Jemand ließ sich neben Sara auf die Bank fallen. Da sie gerade darüber lachen musste, dass das Mädchen mit dem hohen dunklen Pferdeschwanz so weit daneben geworfen hatte, achtete sie nicht weiter darauf.

  „Auch dir einen schönen Tag, liebe Sara“, hörte sie dann aber Sirius Blacks Stimme sagen.

  „Was machst du denn hier?“

  „Dasselbe wie du, Sara. Maggie anfeuern.“

  „Du?“ Sie schaute ihn ungläubig an. „Ich sag es dir, wenn du nur hier bist, um dich über sie lustig zu machen, verhex ich dich so, dass du den ganzen Tag quakst wie ein Frosch.“

  Er lachte. Etwas anderes hatte sie auch gar nicht erwarten können. „Natürlich will ich mich nicht über sie lustig machen. Warum hätte ich euch sonst helfen sollen? Nein, ich finde wirklich, dass sie ziemlich gut ist.“

 

 Als nächstes war Maggie an der Reihe und tatsächlich jubelte Sirius genauso wie Sara, wann immer sie ein Tor machte. Und das geschah oft. Maggie flog ausgezeichnet und täuschte immer wieder so geschickt an, dass der Hüter fast jedes Mal darauf hereinfiel. Am Ende hatte sie tatsächlich das beste Ergebnis. Der Kapitän nahm die Anwärter mit in die Umkleiden, um dort alles zu klären. Sara blieb mit Sirius sitzen.

  „Wenn sie in die Mannschaft kommt, hat Slytherin wenigstens eine kleine Chance auf ein Tor, bevor James den Schnatz fängt.“

  Sara schnalzte mit der Zunge. „Weißt du, Black, du solltest James Potter heiraten.“

  Er grinste sie an. „Ach, du hast die Einladung also bekommen? Immerhin sollst du meine Brautjungfer werden. Kriegen wir dann wenigstens auch ne Einladung, wenn du Schniefelus heiratest?“

  Sie sprang auf und hätte ihm beinah eine geknallt. „Manchmal weiß ich echt nicht mehr, warum ich überhaupt noch mit dir rede! Du hältst dich für so nen tollen Kerl, aber eigentlich bist du nur ein riesiger schleimiger Flubberwurm!“ Mit erhobenem Haupt ging sie zu den Treppen.

  „Hey, Sara!“, rief er ihr hinterher. „Wollen wir in Hogsmeade zusammen ein Butterbier trinken gehen?“

  „Natürlich nicht!“, fauchte sie und drehte sich auf dem Absatz um. „Nenn mir einen Grund, warum ich mit dir irgendwo hingehen sollte!“

  Er war aufgestanden und kam auf sie zu. „Weil ich“, fing er an, aber er beendete den Satz nicht.

  „Eben!“, fuhr sie ihn an und hastete die Treppen nach unten. Sie wollte vor dem Stadion auf Maggie warten um sich entweder mit ihr zu freuen – und dabei auch die eigene Laune wieder aufzubessern – oder sie zu trösten.

 

In den folgenden Tagen schien nichts Maggies Laune verschlechtern zu können. Mehrmals erklärte sie Sara und allen, die es sonst hören wollten, wie gut ihre Manöver gewesen waren. Am Samstag feierten sie das mit einer ausgiebigen Einkaufstour in Hogsmeade. Sara schenkte Maggie ein Besenpflegeset. Sie sahen sich die heulende Hütte an, wagten aber sich nicht allzu nah heran. Im Honigtopf kauften sie von allem etwas und Sara deckte sich mit Leckereien für die Eulen und Athene ein. Überall begegneten sie Schülern und saßen eine Weile mit Lily und Severus einfach auf einer Bank, um sich auszuruhen.

  Zum Schluss gingen sie in die Drei Besen und setzten sich an einen Tisch am Fenster, von wo aus man das Treiben auf der Straße beobachten konnte. Hier drin waren neben Schülern auch erwachsene Zauberer und Hexen aus der Gegend anzutreffen, die sich auf ein Gläschen trafen. Über einem Tisch mit drei älteren Zauberern hatte sich eine Schwade Pfeifenrauch gebildet.

  Mit dem nächsten Schwall Schüler kam auch Peter herein, der in der Nähe des Eingangs stehen blieb und sich im Schankraum umsah. Sara stand auf „Hey, Peter!“, rief sie und winkte ihm.

  Alle Leute schauten zu ihm hin und er wurde rot, kam hastig zu ihr an den Tisch. Erst als er sich gesetzt hatte, fiel sein Blick auf Maggie. „Oh“, machte er ganz leise. „Du … hast Maggie mitgebracht.“

  „Natürlich.“ Sara verstand nicht, warum das verwunderlich war. Schließlich war Maggie ihre beste Freundin und sie hatte nicht das Gefühl gehabt, dass er sie nicht leiden konnte. „Schlimm?“

  Peter wurde rot wie eine Tomate und schüttelte den Kopf.

  Maggie stieß Sara heftig mit dem Ellbogen in die Seite. „Warum hast du mir das nicht gefragt?“, flüsterte sie.

  „Was nicht gesagt?“, fragte Sara genauso leise zurück. Sie hatte das Gefühl, dass sie mal wieder etwas Entscheidendes nicht mitbekommen hatte.

  Maggie antwortete ihr nicht, sie schnalzte nur mit der Zunge. „Peter, sollen wir dir ein Butterbier mitbringen?“ Als er zaghaft nickte, zog Maggie Sara auf die Beine und mit sich in Richtung Theke. „Zwei Butterbier, bitte“, sagte sie zu Madam Rosmerta, von der die Jungs schon viel erzählt und geschwärmt hatten. Sie fand, dass das auch berechtigt war, denn die Bardame war eine sehr hübsche Frau.

  „Was soll ich dir nicht gesagt haben?“, fragte Sara noch einmal und schaute hinüber zu Peter.

  Maggie sah ihr ernst ins Gesicht. „Na, dass du ein Date mit ihm hast.“ Dabei klang sie so, als müsste Sara das wissen.

  „Wieso Date?“, hakte Sara nach. „Er hat mich doch nur gefragt, ob wir uns hier treffen wollen.“

  Maggie schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen. „Bei Merlins getupften Unterhosen, Sara!“ Sie lachte. „So was fragen Jungs Mädchen, wenn sie zusammen auf ein Date gehen wollen.“

  Sara spürte, wie sie rot wurde. „Aber … Aber doch nicht Peter.“ Wieder schaute sie zum Tisch, jetzt etwas vorsichtiger. Wenn das wirklich stimmte und Peter eigentlich mit ihr allein hier sein wollte, dann war ihr das unheimlich peinlich. Wie sollte sie ihm das erklären, ohne ihn zu verletzen?

  Maggie nahm zwei Gläser Butterbier und drückte Sara eins in die Hand. „Wenn du möchtest, geh ich.“

 „Lass mich bitte nicht allein“, flehte Sara leise und wäre auf dem Weg zum Tisch fast über ihre eigenen Schuhe gestolpert. Am Tisch stellte sie Peter das Glas hin und setzte sich ihm gegenüber. Maggie nahm neben ihr Platz. Sie wollten sich ein Glas teilen, weil sie beide noch niemals Butterbier getrunken hatten.

  „Entschuldige, Peter“, sagte Sara und lehnte sich über den Tisch. „Ich hab dich total falsch verstanden und wusste gar nicht, dass du dich mit mir allein treffen willst.“

  Er wich ihrem Blick aus und sie machte sich Vorwürfe.

  Jemand lachte und als Sara nach oben schaute, sah sie Sirius Black hinter sich stehen. „Wie solltest du Peter auch verstehen? Er kriegt ja kaum einen Satz raus, wenn du in Reichweite bist.“ Er tätschelte ihren Kopf und ging um den Tisch, wo er sich neben Peter setzte. Dem war das sichtlich unangenehm, aber er sagte nichts.

  „Was machst du denn hier?“, fragte Sara, der es auch lieber gewesen wäre, ihn heute nicht sehen zu müssen. In Hogsmeade gab es so viel zu sehen und zu tun, und doch kamen alle immer hierher, hatte sie sich sagen lassen.

  Er hob die Schultern und lächelte sie entschuldigend an. „Sieht aus, als würden wir doch mit einem Butterbier hier enden.“ Damit nahm er einen Schluck aus Peters Glas. Der setzte an, zu protestieren, ließ es aber.

  „Ich dachte, du würdest mit Potter Zonkos leer kaufen, damit es bei eurer Hochzeit auch ein ordentliches Feuerwerk gibt.“

  Maggie, die gerade an ihrem Glas genippt hatte, verschluckte sich und setzte es heftig ab, sodass Butterbier über ihre Hand auf den Tisch lief. Sie kicherte.

  „Und ich dachte, du würdest den ganzen Tag Schniefelus hinterher rennen wie das Schoßhündchen, das du nun mal bist.“

  Sie trat ihn unter dem Tisch vors Schienbein, sodass er die Zähne zusammenbiss und das Grinsen endlich einmal aus seinem Gesicht verschwand. „Vollkommen egal, wen ich einmal heirate, Sirius Black. Aber du wirst garantiert nicht meine Brautjungfer.“

  Damit war es bei Maggie vorbei. Sie fing an, herzhaft zu lachen, aus welchem Grund auch immer. Auch als Sara sie mit sich zog und sie sich an einen anderen Tisch setzten, gluckste sie ununterbrochen und schaute zu den Jungs hinüber.

Maggie kam hereingewuselt und packte alles, was auf ihrem Bett verstreut lag, hastig in ihren Koffer, während Sara auf ihrem Bett saß und schnell einige Pergamentbögen in ihrem Nachttisch verschwinden ließ.

  „Schreibst du Liebesbriefe?“, wollte Maggie wissen und kniete sich auf den Boden. Leise vor sich hinmurmelnd, schien sie etwas unter dem Bett zu suchen.

  „Nein“, antwortete Sara. Wie kam sie ausgerechnet auf diese Frage? An wen sollte sie Liebesbriefe schreiben? Sie war gerade mit etwas völlig anderem beschäftigt, von dem Maggie nichts mitbekommen sollte. „Was suchst du?“

  „Meine Mütze. Sie verschwindet ständig.“ Maggie tauchte wieder auf und schlug ihre Bettdecke zurück. „Du weißt schon, von den Ballycastle Bats.“

  Sara wusste in der Tat, wovon Maggie sprach, und sah Athene an. Die Katze saß am Fußende von Saras Bett und blickte hinüber zum Nachttisch, wo der kleine Troll gerade mit seiner Keule nach einer Fliege schlug. „Klar, die ist hier.“ Sara holte die Mütze aus einem Schubfach ihres Nachttischs. „Ich hab sie da versteckt, weil Athene zu gern damit spielt.“ Grinsend klopfte sie die Mütze ab und warf sie ihrer Freundin zu.

  „Danke.“ Maggie betrachtete sie ausgiebig und legte sie dann zu einem Paar passender Handschuhe und einem Schal, den sie für die Abreise am nächsten Tag bereit gelegt hatte. „Sag mal, packst du gar nicht?“

  Sara schüttelte den Kopf. „Ich geh doch nicht heim, wenn ich nicht muss. Und an Weihnachten kann ich auch nicht nach Finnland, weil ich da ganz allein wäre.“ Anfang November hatte sie das ihrer Schwester geschrieben und sie gebeten, es ihren Eltern schonend beizubringen. Sicher hatte sie das versucht, doch es war ihr nicht gelungen. Zwei Tage später hatte Sara einen Heuler erhalten und sich schnell in die Kerker verzogen. Dort hatte er sich noch schlimmer angehört als normal, aber niemand anders hatte gehört, wie ihr Vater sie angebrüllt hatte. Er musste wohl den Brief gelesen haben, der zugegebenermaßen recht ungehalten gewesen war. Davon hatte sie niemandem erzählt. Bisher.

  „Noch nicht besser geworden?“, fragte Maggie mit gerunzelter Stirn und setzte sich neben Sara. „Möchtest du vielleicht mit zu mir nachhause kommen? Ich könnte Gesellschaft brauchen, wenn es wieder so schrecklich wird wie letztes Jahr.“

  Sara schüttelte den Kopf. Sie hätte das Angebot gern angenommen, aber so einfach war das nicht. „So kurzfristig sind deine Eltern bestimmt nicht einverstanden. Im Sommer können wir uns aber vielleicht sehen. Und so schlimm wird es bestimmt nicht werden.“ Sara tätschelte ihr den Rücken. Sie wusste noch, wie Maggie davon erzählt hatte, wie das Lieblingsgeschirr ihrer Mutter durch den Raum geflogen war. Sie hatte sich nicht getraut, zu fragen, warum die Familie sich überhaupt noch an Weihnachten traf. Das war nicht ihre Sache und sie sollte sich heraushalten.

 

Am Morgen saß Sara mit Severus beim Frühstück. Sie war froh, dass er ebenfalls blieb, sonst hätte sie es sich vielleicht überlegt und doch irgendwie die Ferien daheim verbracht. Zum Glück musste sie das nicht.

  Als Maggie und Lily mit ihren Koffern in die Große Halle kamen, wurde ihr bewusst, dass dies ihre letzte Gelegenheit war, Lily etwas zu fragen. Sie vergewisserte sich also, ob sie das Pergament bei sich hatte und bat Lily darum, sich für einen Moment etwas abseits zu setzen. Sara setzte sich so zwischen sie und Maggie, dass die überhaupt nichts sehen konnte. „Ich hatte dich doch gestern gefragt, ob du mir mal helfen würdest.“

  Lily nickte und nahm sich ein Brötchen und etwas Marmelade. „Ich helf dir gern. Worum geht es denn?“

  Mit einem skeptischen Blick über die Schulter holte Sara die Pergamentbögen aus ihrem Umhang und legte sie vor Lily auf den Tisch.

  „Die sind ja schön“, sagte Lily und schob ihren Teller etwas zur Seite. Blind schmierte sie sich ein Brötchen mit Marmelade. „Hast du die gezeichnet?“

  Sara nickte. „Welches gefällt dir am besten?“, fragte Sara leise. Natürlich war sie stolz darauf, dass Lily die Skizzen gefielen, für die Sara wertvolle Lernzeit aufgewendet hatte. Aber das war ja nur der Anfang, nun begann die richtige Arbeit. Die einzige Möglichkeit, dass Maggie wirklich nichts sah, hatte sich geboten, während die in der Bibliothek war.

  Lily überlegte und schaute sich jedes Bild näher an. Nun fielen Sara unzählige kleine Fehler auf, die sie gemacht hatte. Die Proportionen auf dem einen Bild stimmten hinten und vorne nicht und auf einem anderen war die Pose vollkommen unnatürlich.

  Das schien Lily reichlich egal zu sein, sie konnte sich offenbar gar nicht satt sehen. Am Ende nahm sie zwei der Skizzen in die Hand und legte sie Sara hin. „Die sind alle niedlich, aber die zwei gefallen mir am besten. Ich kann mich wirklich nicht entscheiden. Aber eigentlich …“ Sie schaute wieder zu den aussortierten Bögen. „Ach, das ist so schwer.“

  Sara wurde ein bisschen rot ob des Lobs. Im Grunde waren das wirklich noch Skizzen und sie konnte all die Fehlerchen in der endgültigen Arbeit beheben. Und in diesem Moment fasste sie einen Entschluss. „Dann nehm ich die zwei und du kannst dir von den anderen eins aussuchen und behalten.“ Sie nahm Lily die zwei Bögen aus der Hand und steckte sie schnell weg. Sobald der Zug abgefahren war, konnte sie mit der Arbeit beginnen.

  „Ehrlich?“, fragte Lily und wandte sich wieder den anderen Bögen zu. „Dann nehm ich … das hier.“ Sie steckte einen der Bögen ein schob die anderen wieder zu Sara. „Vielen Dank! Das werd ich mir an die Wand hängen.“

  „Oh“, machte Sara und wurde jetzt richtig rot. „Wenn es dir so gefällt … Gern geschehen.“

 

  „Was gab es denn so Heimliches?“, fragte Maggie, als Sara sich wieder neben sie gesetzt hatte. „Was darf ich nicht sehen?“

  „Es ging ja gar nicht um dich“, erwiderte Sara und hoffte, überzeugend zu klingen. Sie wollte einfach nicht, dass die Überraschung flöten ging.

  Aber Maggie kannte sie wohl zu gut und legte nur den Kopf schief. „Ach. Erzähl mir doch nichts. Du drehst mir genau den Rücken zu und schaust dich dann total unauffällig um, dass ich auch ja nichts seh.“

  „Ganz genau das hab ich gemacht. Eben deswegen werd ich dir das jetzt auch sicher nicht verraten. Warte doch einfach mal ab.“

  Das ließ Maggies Neugier wohl nicht zu, sie wandte sich mit einer heftigen Bewegung an Severus. „Sagst du mir vielleicht, was Sara vorhat?“

  Er hob nur die Schultern. „Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht.“

  Dafür war Sara ihm unendlich dankbar. Natürlich hatte sie ihm davon erzählt, sie hatte ihm ihre Skizzen gezeigt und sie würde ihm auch sagen, dass ihr Plan sich geringfügig verändert hatte. Ob es ihn interessierte, war die andere Sache, aber immerhin hatte er ihr zugehört. „Also, wirklich“, sagte sie und drehte Maggie wieder zu sich herum. „Es ist nicht mal eine Woche bis Weihnachten. Das wird doch nicht zu viel verlangt sein.“

 

Am Nachmittag saß Sara bei Tee und sternförmigen Keksen allein mit Fang in Hagrids Hütte. Sie hatte den Wildhüter angefleht, ihn in den Wald begleiten zu dürfen, während er einen Weihnachtsbaum aussuchte. Er hatte darauf erwidert, dass sie schon einmal dort gewesen war und sich damit zufrieden geben sollte. Aber das konnte sie nicht. Am liebsten würde sie jeden Tag mit Hagrid in den Wald gehen.

  Aber natürlich wollte sie weder sich selbst noch ihn in Schwierigkeiten bringen, darum hatte sie es gut sein lassen und wollte auf eine bessere Gelegenheit warten. Es war auch schön, hier zu sitzen und den Hund zu kraulen, der ihr den Umhang voll sabberte. Die ganze Zeit schaute sie aus dem Fenster in Richtung Wald, wartete auf Hagrid und seinen Baum.

  Fang stand langsam auf, noch bevor Sara etwas sehen konnte, streckte sich und ging zur Tür. Sara nahm sich den letzten Keks, schwenkte kurz den Zauberstab, um das Geschirr sich selbst abwaschen zu lassen, und ließ den Hund nach draußen. Kauend stand sie da, bis er tatsächlich vom Wald her kam und eine riesige Tanne schleppte.

  Sie rannte durch den Schnee und verschluckte sich beinah an dem Keks. „Kann ich dir helfen, Hagrid?“

  „Schon in Ordnung“, schnaufte er. „Ich komm zurecht.“

  Sie folgte ihm über die Wiese und hielt sich hinter ihm, wo der Schnee ihr nicht bis zu den Knien reichte. „Kannst du mich nicht morgen oder so mal wieder mit in den Wald nehmen? Als Weihnachtsgeschenk?“

  „Nee, nee. Ich hab ein andres Geschenk für dich. Da wirst du dich auch drüber freuen.“

  „Wird es wieder versuchen, mich aufzufressen?“, fragte sie kichernd. Nach dem Buch und einer Figur eines Norwegischen Stachelbuckels, die sich als äußerst bissig herausgestellt hatte, musste sie davon ausgehen.

  Hagrid lachte. „Nein, dieses Mal nicht, Sara. Das versprech ich. Aber es wird dir trotzdem gefallen.“

  „Da bin ich sicher.“ Sie rannte an ihm vorbei und zog die schwere Tür des Schlosses auf, um ihn hinein zu lassen. Die Tanne hinterließ massenweise Nadeln in der Eingangshalle. In der Großen Halle saßen einige Schüler im Weg, die schnell die Flucht ergriffen.

  Vorn am Lehrertisch stand Professor Flitwick und dirigierte Hagrid zu dem Platz, an den er den Baum stellen sollte. Neben sich hatte er Kisten mit Weihnachtskugeln stehen.

  Sara bot ihm Hilfe beim Dekorieren des Baums an ließ silberne und goldene Kugeln an die Äste schweben. Als der Stern an seinen Platz gekommen war, ließen sie gemeinsam ein Lamettaband sich um den Baum schlängeln wie eine riesige Schlange. Daheim hatte sie den Baum nie mit schmücken dürfen, sie hatte ihn immer erst zur Bescherung gesehen.

  Sie dachte daran, wie Weihnachten daheim wohl sein würde. Ob man sich daran stören würde, dass – und vor allem warum – sie nicht da war. Sollte sie einen Brief an ihre Mutter schreiben? Seit sie hier war, hatte sie nur Tabitha geschrieben und die hatte ein paar Dinge weitererzählt. Aber nun war Weihnachten.

  Sara rannte nach unten in die Kerker und wäre beinah mit Professor Slughorn zusammengestoßen, der selbst ein bisschen aussah wie ein rot und golden geschmückter Weihnachtsbaum. Eine Entschuldigung murmelnd ging sie langsamer weiter und kam schließlich in den Gemeinschaftsraum. Sie und Severus waren die einzigen Schüler aus Slytherin, die geblieben waren. Darum hatte sie einfach ihre Skizzen und die noch weißen Stofftaschentücher auf dem Tisch verteilt. Er saß da mit seinem Zaubereigeschichtsbuch.

  Sara setzte sich ihm gegenüber und legte die beiden Pergamentbögen vor sich hin. Genug silber- und goldfarbenen Faden hatte sie ebenfalls. Heute musste sie alles fertig bekommen, damit sie morgen die Eulen losschicken konnte. Doch während es ihr in der Theorie so leicht vorgekommen war, hegte sie nun Zweifel, ob sie so gut sticken konnte. Ihre Mutter hatte es ihr mal ein bisschen beigebracht, seitdem hatte sie sich nur an Initialen auf Kleidung versucht. Den entsprechenden Zauber wollte sie gar nicht erst ausprobieren, so ein kompliziertes Motiv traute sie sich nicht zu.

 

Bis zum Abendessen hatte sie eines fertig bekommen. Mehrfach hatte sie sich in den Finger gestochen und sie hatte drei Versuche gebraucht, aber nun sah es sogar besser aus als ihre Zeichnung. Ein Einhorn im Galopp, das etwas ein Viertel des Taschentuchs einnahm. Sie war zufrieden. Aber das war das leichtere Motiv.

  Das andere zeigte ein Einhorn mit Fohlen beim Grasen. Gleich nach dem Abendessen setzte sie sich daran und brauchte bis etwa Mitternacht. Dabei war sie so konzentriert gewesen, dass sie ziemlich überrascht war, als sie aufblickte und Severus nicht mehr sein Lehrbuch las, sondern ein Tränkebuch, das er sich vor einer Weile einfach zum Spaß aus der Bibliothek ausgeliehen hatte.

  „Darf ich dich was fragen?“ Sara klang vielleicht etwas undeutlich, weil sie gerade den Finger im Mund hatte, in den sie sich ein letztes Mal gestochen hatte.

  „Ich möchte keins davon“, antwortete er, ohne dass er überhaupt wusste, was sie hatte fragen wollen.

  Sie kicherte. „Natürlich nicht. Darum geht es doch gar nicht. Was meinst du, welches wird Lily besser gefallen?“ Sie legte beide vor ihn hin und strich den Stoff glatt.

  Er sah über den Rand des Buchs hinweg. Mit undeutbarem Blick musterte er ihre Arbeit. „Das mit dem Fohlen“, sagte er schließlich.

  Sara drehte die Taschentücher zu sich um und besah sie selbst noch eine Weile. Sie konnte sich nicht denken, welches Maggie mehr mögen würde. Ganz bestimmt hätte sie sich selbst auch nicht entscheiden können. „Danke“, sagte sie und faltete die beiden Taschentücher zusammen. „Aber …“

  „Ich hab auch nichts für dich“, sagte er, bevor sie ausgesprochen hatte. Aber diesmal hatte er erraten, was sie hatte sagen wollen. „Ist egal.“

  Etwas beleidigt sammelte Sara ihre Sachen zusammen. Ihr war es nicht egal. Sie hätte ihm gern etwas geschenkt, aber es war sehr schwer, etwas Passendes zu finden. Mit dem Schal im ersten Jahr und dem faltbaren Kessel im zweiten hatte sie Glück gehabt. Sie selbst wollte ja nicht einmal unbedingt ein Geschenk, das Buch reichte in ihren Augen für den Rest ihres Lebens.

  „Wir müssen immerhin beide an Weihnachten nicht allein sein“, sagte sie. „Falls du mich irgendwann um irgendetwas bitten musst, ich werde es tun. Alles.“ Es war wohl ziemlich blöd, ihm das als Weihnachtsgeschenk anzubieten, weil er das so oder so konnte. Aber er sollte es wissen.

  „Worum sollte ich dich denn bitten?“, fragte er und sah sie an. Er hatte das Buch aufgeschlagen neben sich gelegt.

  „Ich weiß nicht.“ Sie ging an ihm vorbei zum Schlafsaal. In der Tür blieb sie stehen. „Ist ja auch egal, es kann alles sein. Du weißt ja nicht, was in der Zukunft ist.“ Sie hatte angefangen, zu weinen. Im ersten Moment wusste sie nicht, warum, aber dann fiel es ihr ein. Sie wollte nach Hause. Doch wenn sie da wäre, da war sie sich sicher, würde sie es bereuen. Bei dem Gedanken, dass er hier über die Feiertage allein hockte, war ihr ebenfalls nicht ganz wohl. Auch wenn er ganz sicher meinte, dass es ihn nicht kümmerte.

  „Dann bitte ich dich darum, dass du aufhörst, zu heulen.“

  Sara hob das Kinn und schüttelte den Kopf. „Noch zählt es nicht. Erst ab übermorgen. Gute Nacht.“ Damit ging sie in den Schlafsaal, wo sie von Athene begrüßt wurde, die ihr um die Beine strich und aufs Bett sprang, als Sara sich setzte.

  Als Sara sich umgezogen hatte, fing sie einen Brief an ihre Mutter an, dass ihr Vater bitte einsehen sollte, dass sie kein kleines Mädchen war und er nicht zu entscheiden hatte, mit wem sie befreundet war und mit wem nicht. Sie schrieb, dass sie gern nach hause gekommen wäre, aber dass sie sich unter keinen Umständen vorstellen konnte, mit ihm an einem Tisch zu sitzen und Gans zu essen, nachdem er ihr solche Sachen an den Kopf geworfen hatte. Und sie schrieb, dass sie sich keiner Schuld bewusst war.

  Tränen tropften auf das Pergament und ließen die Worte verschwimmen. Sie knüllte es zusammen und warf es in den Ofen, der in der Mitte des Raums stand. Achtlos stellte sie das Tintenfass auf den Nachttisch und weckte damit den kleinen Troll, der erbost mit der Keule wedelte.

  „Entschuldige“, flüsterte Sara und löschte ihre Kerze. Ihr war kalt und sie rollte sich im Bett zusammen, die Bettdecke bis zur Nase gezogen, ganz allein in diesem Bett, das sie sich sonst mit Maggie teilte. Nur Athene lag an ihre Beine gekuschelt bei ihr.

Als Sara am nächsten Morgen noch vor dem Frühstück in den Eulenturm ging, um Geschenke zu verschicken, traf sie dort Sirius. Er stand am Fenster und schaute auf die schneebedeckte Landschaft. Sie beschloss, ihn nicht dabei zu stören.

  An einem klirrend kalten Tag wie diesem war es schwer, Eulen für eine Zustellung zu finden, und wenn es nur innerhalb Großbritanniens war. Obwohl Sara Eulenkekse in der Hand hielt, taten die meisten Vögel so, als bemerkten sie sie nicht.

  „Kommt schon“, sagte sie und streckte den Arm nach oben. „Ihr habt ja keine Ahnung, wie schön es bei Maggie daheim ist. Und bei Lily. Und bei mir daheim erst!“

  Bei den Eulen zeigte das nur wenig Wirkung, aber Sirius hatte sich erschrocken zu ihr herumgedreht. „Sara?“, fragte er. „Was machst du denn hier?“

  Sie sah ihn aus dem Augenwinkel an. „Ich versuche, ein paar Eulen dazu zu überreden, meine Post auszutragen.“ Eine kam jetzt tatsächlich zu ihr und fraß ihr einen Keks aus der Hand. Sie band ihr ein Päckchen ans Bein. „Für Maggie in Ballycastle“, sagte Sara leise.

  Sirius duckte sich unter der Schleiereule weg und kam zu ihr. „Das seh ich. Aber warum bist du nicht daheim?“

  Sara war erleichtert, dass Remus ihm nichts gesagt hatte. Aber wäre das so gewesen, hätte sie sich schon einiges anhören müssen. „Das geht dich nichts an. Warum bist du denn nicht daheim?“

  Er hob die Schultern und blies die Backen auf. „Die Hausaufgaben. Und die ganze Lernerei.“

  „Lüg mich nicht an.“ Sie nahm die Kekse in die andere Hand, weil der Arm ihr langsam wehtat. „Sag mir die Wahrheit oder lass es einfach, aber lüg mich nicht an.“ Sie wusste, dass er die Hausaufgaben schon erledigt hatte und vom Lernen hielt er nicht viel.

  „Ich halt es daheim nicht aus“, antwortete er nun. Mehr nicht. Sie kannte ja sein Problem, tat aber so, als wüsste sie von nichts. Remus hatte ihr das im Vertrauen erzählt.

  Sara fragte also nicht weiter, verkniff sich aber auch einen bissigen Kommentar. Stattdessen balancierte sie einen Eulenkeks auf der Stange vor sich. Ein Uhu kam herunter und sie band ihm das zweite Päckchen ans Bein.

  Sirius deutete ihr Schweigen falsch. „Ach, Sara, es tut mir leid.“

  „Nein, tut es nicht.“ Sie glaubte nicht einmal, dass er wusste, wofür er sich da gerade entschuldigte. Ihr ging es genauso, manchmal half es einfach, aber eben nicht immer. „Nach Downe“, sagte sie zu dem Uhu und sah ihm nach, wie er zum Fenster hinaus flog. „Du musst dich auch überhaupt nicht bei mir entschuldigen. Aber vielleicht solltest du einfach manchmal darauf achten, was du sagst.“

  „Das kannst du doch nicht ernst meinen. Das alles.“

  „Natürlich mein ich das alles ernst.“ Sie ging zu einem Waldkauz und band ihm Lilys Päckchen ans Bein. „Man kann es nämlich wirklich mit dir aushalten, wenn du ausnahmsweise mal keinen hirnlosen Kommentar abgibst.“ Die restlichen Eulenkekse in ihrer Hand legte sie aufs Fensterbrett und verließ die Eulerei, Sirius dabei dicht auf den Fersen.

  „Aus deinem Mund ist das ja schon ein Kompliment.“ Am Fuß der Treppe legte er ihr einen Arm um die Schultern. „Ehrlich, ich hatte vor, über die Ferien zu lernen. Was hältst du davon, wenn wir uns zusammen in die Bibliothek setzen?“

  „Warum nicht?“ Sie hatte noch haufenweise Hausaufgaben und Lernstoff vor sich. Er konnte ihr sicher helfen. Wenn keiner von seinen Freunden in der Nähe war, war er sogar manchmal ganz zahm. „Aber ich sag dir eins. Wenn ich heute auch nur einen dummen Kommentar von dir höre, werde ich dich in eine Quietschente verwandeln. Und du weißt, dass ich nicht besonders gut in Verwandlung bin.“

  Diese durchaus ernst gemeinte Drohung tat er mit einem Grinsen ab. „Versprochen. Ich bin heut zur Abwechslung mal dein Schoßhündchen.“

 

Es war ganz gut, dass Severus nicht mit in die Bibliothek hatte kommen wollen. Er hatte Professor Slughorn dazu überredet, im Tränkeklassenzimmer ein bisschen üben zu dürfen. Natürlich hatte der Hauslehrer nichts dagegen gehabt.

  Sie waren nicht allein in der Bibliothek, hatten sich aber einen Platz etwas abseits von den anderen Grüppchen gesucht. Sirius machte einen lustlosen Eindruck, blätterte desinteressiert durch seine Bücher und fing immer wieder von Dingen an, die mit dem Lernen nichts zu tun hatten. Davon, warum sie hier war. Vom letzten Quidditchspiel von Gryffindor gegen Ravenclaw, das sie haushoch gewonnen hatten. Dabei war sie dabei gewesen, sie hatte neben ihm auf der Tribüne gesessen, mit ihm gejubelt, sich hinterher von Maggie hatte anhören dürfen, dass sie doch der Konkurrenz nicht gratulieren sollte. Darauf hatte sie nur erwidert, dass sie bei ihren Spielen natürlich ausschließlich ihr zujubeln und Erfolg wünschen würde. Nun war Saras Interesse an Quidditch eher gering, wenn nicht gerade ein Spiel anstand, und das machte sie Sirius auch bald klar. Trotzdem hatte er wohl mehr Interesse daran, sich mit ihr zu unterhalten als am Lernstoff.

  Darum gab sie es auch auf, als sie ihren Aufsatz über Verwandlungen am lebenden Objekt beendet hatte. Madam Pince schaute immer wieder mürrisch zu ihnen hinüber und Sara bekam beinah Schuldgefühle, weil sie in der Bibliothek nicht so still war, wie sie es hätte sein sollen.

  „Wie wäre es, wenn wir nach draußen gehen und ich dich ein bisschen abfrage?“, schrieb sie auf einen Zettel und als sie ihn Sirius hinschob, nickte er nur. Also stellten sie die Bücher zurück ins Regal und gingen nach draußen.

  „Erst mal brauch ich frische Luft“, meinte er und streckte sich ausgiebig. „Da drin erstickt man ja fast. Kannst mich ja draußen abfragen.“

  „Das würde dir nicht so sehr zu schaffen machen, wenn du dich da öfter blicken lassen würdest“, bemerkte Sara mit einem frechen Lächeln.

  Er hob die Schultern. „Aber warum sollte ich? Bisher kam ich auch so gut klar.“

  Sie seufzte. „Dir ist aber klar, dass es nach den OWLs erst so richtig böse wird? Meine Schwester hat erzählt, dass man dann keine freie Minute mehr hat, weil es so viel Lernstoff gibt.“

  Sirius lachte und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Und dir ist hoffentlich klar, dass Geschwister einem immer Angst machen? Sicher hat sie sich über deinen entgeisterten Ausdruck ins Fäustchen gelacht.“

  „So ist sie nicht“, erwiderte Sara und reckte das Kinn. „Tabitha macht sich nicht über mich lustig und sie erzählt mir keine Schauermärchen von der Schule. Sie hält sogar jetzt zu mir.“ Sie biss sich auf die Zunge. Da hatte sie zu viel gesagt.

  Natürlich tat Sirius ihr nicht den Gefallen, das zu übergehen. „Wobei hält sie zu dir?“

  Sie fand, dass sie ihm doch einen Teil verraten konnte, nachdem es ihn wirklich so zu interessieren schien. Es war ja ganz klar, was sie ihm stattdessen nicht verraten sollte. „Ach, weißt du, ich halt es im Moment auch nicht daheim aus. Hab ein paar Probleme mit meinem Vater. Aber mehr musst du nicht wissen.“

  Er nickte. „Darum der Heuler. Ja, ich hab gesehen, wie du aus der Halle gerannt bist. Ist es was Schlimmes?“

  „Ziemlich schlimm“, bestätigte sie und sah zu Boden. Sie hoffte, dass er verstehen würde, dass sie nicht darüber sprechen wollte, nachdem es ihm selbst auch nicht besser erging. Und diesmal wurde sie nicht enttäuscht.

  Sirius strubbelte ihr durch die Haare. „Schon in Ordnung. Was hältst du von ner Schneeballschlacht?“

  „Wolltest du nicht, dass ich dich abfrage?“

  „Zwischendurch brauchen wir auch mal ne Pause vom vielen Lernen.“ Er nahm ihre Hand und sie rannten durch die Gänge nach draußen.

 

  Es schneite gerade nicht, am Himmel waren nur einzelne Wölkchen und die Sonne schien auf die schneebedeckten Wiesen. Ihre Taschen stellten sie auf einer Stufe ab, die sie vorher vom Schnee befreiten. Mit einer Handvoll davon warf Sara auch sogleich Sirius ab und kam ihm damit zuvor, er hatte dasselbe geplant.

  Bald waren sie beide nass und außer Atem. Es war kein Sieger auszumachen, aber er erklärte sich freiwillig dazu bereit, in der Großen Halle weiterzulernen. Sie fragte ihn aus seinen Büchern und Notizen ab und musste zugeben, dass er, was den Unterricht betraf, nicht so dumm war wie in anderen Belangen.

  Als es dunkel wurde waren es noch zwei Stunden zum Abendessen und er räumte seine Materialien zusammen und stand auf. „Danke. Aber entschuldige mich jetzt bitte, ich hab etwas zu erledigen.“

  Sie hielt ihm am Umhang fest, als er an ihr vorbei gehen wollte. „Lass es dir von einem Profi sagen. Du bist ein ganz tolles Schoßhündchen.“

  Er grinste sie an und machte den Eindruck, als würd er etwas antworten wollen, doch er klopfte ihr nur auf die Schulter und verließ schnell die Halle.

 

Am Weihnachtsmorgen lagen vor Saras Bett Weihnachtsgeschenke. Kekse von ihren Eltern, was mehr war, als sie erwartet hatte. Ein Kniesel aus Stoff von ihrer Schwester mit dem Versprechen, dass Knickschwanz nett zu ihr sein würde, wenn sie wieder einmal nach Finnland kam. Ein Besenpflegeset und eine liebe Karte von Maggie, in der stand, dass sie auch an Weihnachten gern zu Besuch kommen konnte. Von Lily ein Umschlag, in dem ein Foto von ihnen und Severus, das sie im Herbst in Hogsmeade aufgenommen hatten, im Hintergrund war die heulende Hütte zu sehen. Und von Hagrid ein Buch über Geflügelte Pferde. Eine Weile saß sie mit Athene auf ihrem Bett und schaute sich Bilder von Arthons an. Irgendwann, wenn sie die Welt bereisen würde, wollte sie auch eines haben.

  Als sie in den Gemeinschaftsraum kam, stand Severus an der Tür zum Gang und schien zu warten. Sie hatte wohl doch länger gebraucht, als sie gedacht hatte.

  „Fröhliche Weihnachten!“, sagte sie lächelnd und gab ihm einen Keks. Gern hätte sie ihm mehr anzubieten gehabt, aber das war nicht so leicht. Vielleicht war er genauso froh darüber, nicht allein sein zu müssen, wie sie, einfach ohne es zu zeigen.

  „Fröhliche Weihnachten“, sagte er wenig überzeugt und schaute den Keks in seiner Hand an. „Kann den essen, ohne eine böse Überraschung zu erleben?“

  Sara lachte und hakte sich bei ihm ein. Er hatte offenbar nichts dagegen, also gingen sie auf den Gang und in Richtung Treppe. „Keine Sorge. Die sind von meinen Eltern. Auch wenn ich mich wundere, dass sie mir überhaupt was schicken.“

  Er sah sie an, als wollte er etwas sagen. „Meine haben mir auch was geschickt. Also, meine Mutter. Mein Vater hasst Weihnachten.“

  „Gibt es irgendwas, das dein Vater nicht hasst?“, fragte sie und hoffte, dass er das nicht böse nehmen würde.

  „Nicht, dass ich wüsste“, antwortete er mürrisch.

  Sara befand es für besser, das Thema nicht weiter zu vertiefen und er schien auch wenig Interesse daran zu haben, also schwiegen sie für den restlichen Weg in die Halle. Dort saßen schon andere Schüler, alle zusammen an einem der Tische. Bei so wenigen lohnte es nicht, die Häusereinteilung zu berücksichtigen.

 

  Sirius saß ganz in der Nähe der Tür und als sie in seine Nähe kamen, summte er einen Hochzeitsmarsch. Sara streckte ihm die Zunge raus und wollte sich zu ihm setzen, aber Severus zog sie weiter und so nahmen sie etwas abseits von allen Platz.

  Gerade, als sie sich Waffeln nehmen wollte, stand Sirius aber neben ihr. Sie erwartete eine dumme Bemerkung, aber die blieb aus. Stattdessen beugte er sich ein Stück zu ihr runter. „Sara“, sagte er leise. „Komm mal bitte mit, ich möchte dir was zeigen.“

  Am liebsten hätte sie gefragt, ob das bis nach dem Frühstück Zeit hatte. Aber wenn, dann wäre er ja nicht jetzt zu ihr gekommen. „Hast du dir ein Kleid ausgesucht und willst jetzt meine Meinung dazu hören?“, fragte sie grinsend. „Passt es auch zu Potters Anzug?“

  Grinsend schüttelte er den Kopf und sie stand auf, folgte ihm zu seinem Platz. Dort lag ein kleines Päckchen, eingewickelt in rotgrünes Papier und gebunden mit einer goldenen Schleife. Es sah aus, wie in großer Eile zusammengeschludert. Sirius schnappte es und gab es ihr.

  „Du hast dich noch mal aus dem Schloss geschlichen?“, flüsterte sie.

  Er nickte. „Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass du von mir bestimmt nichts möchtest. Aber gestern …“

  „Ich hab doch gar nichts für dich.“ Sie war unschlüssig, ob sie es akzeptieren sollte. Natürlich hatte er für sie Aufwand betrieben, aber vielleicht war darin auch Juckpulver oder eine Springschlange, das konnte man bei ihm niemals wissen. Doch er hatte recht, am Tag zuvor war es echt nett mit ihm gewesen.

  „Das macht nichts“, versicherte er ihr. „Mach es schon auf.“

  Vorsichtig löste Sara die Schleife und band sich das Band um den Arm. Dann faltete sie das Papier auf, wobei sie darauf achtete, dass sie es nicht einriss. Das tat sie, um ihn noch etwas nervöser zu machen, denn er hatte sich vorgebeugt und schien es kaum erwarten zu können, dass sie es auspackte.

  Als sie den Deckel der Schachtel abnahm, die in das Papier eingewickelt gewesen war, entdeckte sie auf einem Samtkissen einen kleinen grünsilbernen Augurey aus Metall. Er sah nicht unbedingt aus wie ein echter, eher stilisiert, aber das gefiel ihr sehr. Als sie ihn herausnahm, stellte sie fest, dass das eine Haarspange war.

  Im ersten Moment wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Natürlich freute sie sich riesig über dieses Geschenk, aber gleichzeitig fühlte sie sich noch etwas schlechter, da er ihr so etwas Schönes schenkte und sie hier mit leeren Händen stand.

  „Oh, danke!“, sagte sie und fiel ihm um den Hals. „Die ist wirklich niedlich. Aber ich kann das doch nicht annehmen, wenn ich gar nichts für dich hab.“

  Er klopfte ihr auf den Rücken. „Das ist schon in Ordnung, Sara. Ich hab eh einiges bei dir gutzumachen.“

  Fast hätte sie gesagt, dass das dazu nicht ausreichte, aber die Geste war so nett, dass sie das nicht kaputt machen wollte. „Du hast überhaupt nichts gutzumachen, Sirius. Es wäre mir nur lieb, du würdest dich ab jetzt wirklich ein bisschen zurückhalten.“ Es war schon bemerkenswert, dass er das gerade eben getan hatte.

  Während sie sich von ihm löste, küsste sie ihn flüchtig auf die Wange, ohne zu wissen, warum eigentlich. Sie hatte gesehen, dass andere Schüler das manchmal machten, wenn sie sich bei jemandem bedankten oder sich verabschiedeten. Und da Sirius nicht protestierte, konnte es nicht falsch sein.

  Sie klemmte sich mit der Spange die Haare aus dem Gesicht und nahm sich Sirius’ Messer, um zu schauen, wie es aussah. Es gefiel ihr.

  „Er summt, wenn es bald regnet“, erklärte Sirius. „Aber anders als ein echter Augurey hört der hier auf, wenn du ihn mit dem Zauberstab antippst.“

  „Das ist echt toll.“ Sie fuhr mit einem Finger über das Metall, vom silbernen Rand zur Vertiefung, die grün angemalt war.

  „Ich wusste, dass es dir gefällt. Und ich musste dir einfach was schenken, nachdem du uns so oft davor bewahrt hast, von der Schule zu fliegen.“

Sara und Maggie kamen aus dem Geschichtsklassenraum und streckten sich ausgiebig. Wie oft sie sich auch vornahmen, aufmerksamer zu sein, der Vorsatz verschwand, sobald er anfing, seine eintönigen Vorträge zu halten. Darum lasen sie das Kapitel immer schon im Voraus und später noch einmal, so blieb es ebenfalls im Gedächtnis.

  Maggie verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Da dachte ich, juhu, ein freier Nachmittag, aber nein, ein Aufsatz über die Rolle der Magier in der Schlacht von Culloden. Da hätte ich lieber Unterricht.“

  „Ich hätte so oder so lieber Unterricht“, meinte Sara. Sie war ein bisschen traurig, dass Pflege magischer Geschöpfe ausfallen musste, weil Professor Kesselbrand sich mit um die Prüfungen kümmern musste.

  „Ja, du schon.“ Maggie lächelte. „Aber wir können nach draußen gehen, es ist so schön warm. In der Sonne erledigen Aufgaben sich viel besser.“

  „Da hast du recht.“ Sara tastete in ihrer Tasche, ob sie auch alles dabei hatte. Dabei war sie etwas unaufmerksam und stieß mit einem Mädchen zusammen. Als sie aufsah, erkannte sie Lily, die ein paar Schritte zurückstolperte und sich mehrmals entschuldigte. Sie war ganz aufgebracht und weinte. Aber warum? Sara wusste, dass sie gerade von einer Prüfung kam, aber daran konnte es nicht liegen. Schließlich war sie eine sehr gute Schülerin und hatte die Prüfung mit Sicherheit nicht verhauen.

  „Was ist los?“, stellte Maggie die Frage mit besorgtem Ton und kramte in den Taschen ihres Umhangs nach einem Taschentuch, das sie schließlich Lily reichte. Es war das mit der Einhornstickerei, das Sara ihr zu Weihnachten geschenkt hat. Sara war immer ein bisschen stolz, wenn sie merkte, dass Maggie es dabeihatte.

  Lily tupfte sich die Tränen aus dem Gesicht und warf einen Blick über die Schulter. Sie faltete das Taschentuch und gab es Maggie wieder, dann zog sie selbst eines aus der Tasche. „Ich würde hier nur ungern darüber reden.“

  „Dann suchen wir uns einen ruhigeren Platz“, bot Sara an und reichte Lily eine Hand. Da sie oft mit den Jungs aus Gryffindor unterwegs war, kannte sie die Orte in der Schule, an denen man nur selten Schüler antraf.

 

  Darunter auch die Mädchentoilette, zu der sie jetzt gingen. Sie war in der Nähe des Astronomieturms und die meiste Zeit des Tages verirrte sich niemand hierher, wo doch andere Räume schneller zu erreichen waren. Hier mussten sie nicht damit rechnen, dass Myrthe sie stören würde. Die konnten sie nun wirklich nicht gebrauchen, auch wenn Maggie meinte, dass sie eigentlich ganz nett war. Sara fand nicht viel an Geistern und hatte darum auch nicht viel Lust, irgendeinen näher kennen zu lernen.

  „Beruhig dich erstmal ein bisschen“, sagte Maggie und tätschelte Lilys Schulter.

  Sara stand nur daneben und fühlte sich unwohl, weil sie nicht wusste, ob es etwas gab, das sie tun oder sagen konnte, um Lily zu helfen. Sie wusste ja nicht, worum es ging und was vorgefallen war, wollte sie aber auch nicht drängen. Darum war sie froh, dass Maggie hier war, die sich damit anscheinend besser auskannte und leise auf Lily einsprach.

  Mehrmals begann sie, kam aber immer nicht weit, weil ein neuer Schwall Tränen aus ihr heraus brach. Sara hockte sich neben sie und streichelte ihren Arm, in der Hoffnung, dass das etwas half. Ihr hätte es geholfen und vielleicht war das bei Lily genauso.

  Schließlich hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie erzählen konnte. Und was sie erzählte, machte sowohl Maggie als auch Sara vorerst sprachlos. Sie erzählte davon, was James Potter mit Severus gemacht hatte. Doch das war noch nicht das Schlimmste, denn dann war da noch dieses Wort gewesen …

  „Ich hab es gewusst!“, unterbrach Maggie heftig die drückende Stille, die eingetreten war, nachdem Lily geendet hatte. „Ich hab gewusst, dass er doch nur ein mieser …“

  „Maggie!“, unterbrach Sara sie und schaute ihre Freundin finster an. Die verstummte tatsächlich, offenbar hatte sie schon ein bisschen gelernt. Solche Worte halfen im Moment herzlich wenig, stattdessen wandte sie sich mit einem schwachen Lächeln an Lily und nahm ihre Hand. „Er hat das bestimmt nicht so…“

  „Doch“, fiel Maggie ihr scharf ins Wort. „Wie hätte er das denn sonst meinen sollen? Das ist ja wohl ganz eindeutig! Aber was will man von dir auch erwarten?“ Sie riss die Arme hoch wandte sich ruckartig von Sara ab.

  „Bitte“, sagte Lily leise und schniefte. „Jetzt streitet euch doch nicht auch noch.“

  „Hat ja auch gar keinen Sinn“, sagte Maggie schnippisch. „Sie lässt sich ja doch nichts sagen.“

  Sara überging das und die Tatsache, dass es unhöflich war, von Anwesenden in der dritten Person zu reden. Schließlich hatten sie andere Probleme. „Ich glaub wirklich nicht, dass er das so gemeint hat. Keine Ahnung, was ihn geritten hat, aber du weißt doch, dass er dich gern hat und alles.“

  „Ne komische Art, das zu zeigen!“, rief Maggie und sprang auf. „Weißt du, Lily, wenn ich du wäre, würde ich ihn nicht mal mehr mit dem Hintern ansehen!“ Damit war sie auch schon verschwunden und knallte die Tür hinter sich.

  Sara war sich unschlüssig, ob sie ihr folgen sollte, aber Maggie würde sich wohl eher wieder beruhigen als Lily. Darum blieb sie hier und legte vorsichtig einen Arm um Lily. Sie wusste nichts, was sie sagen sollte, darum hoffte sie einfach, dass es reichte, wenn sie da war.

  „Ich hätte das wissen müssen“, murmelte Lily. „Aber ich hab doch nie gedacht, dass er …“ Ihre Stimme brach und sie verbarg das Gesicht hinter den Händen.

  „Ich auch nicht“, sagte Sara mehr zu sich selbst. Was sollte sie jetzt tun? Sollte sie mit ihm reden? Mit den Jungs? Das musste sie schon, allein weil Lily ihre Freundin war, aber gleichzeitig wusste sie, wie wenig davon zu erwarten war. Warum sollte jemand etwas auf ihre Worte geben?

 

Die beiden Mädchen saßen in dieser leeren Toilette, bis Lily sich beruhigt und Sara versichert hatte, dass sie in Ordnung war. Sie brachte Lily zum Gryffindorturm und da die Jungs nicht dort waren, wollte sie draußen nach ihnen suchen.

  Doch vorher begegnete sie Maggie, die mit grimmigem Gesicht und dem Arm voller Bücher durch den Gang hastete. Sicher war sie auf dem Weg zur Bibliothek, um sich ein bisschen abzureagieren.

  „Maggie!“, rief Sara und rannte ihr hinterher, bis sie stehen blieb. Sie wollte sich entschuldigen. Wofür auch immer. Sie wollte ihr davon erzählen, was sie vorhatte.

  „Spar’s dir“, fuhr Maggie sie an, bevor sie überhaupt was sagen konnte. „Spar dir deine Entschuldigung, weil ich weiß, dass es dir eigentlich gar nicht leid tut. Also lass mich jetzt bitte in Ruhe.“ Damit ging sie weiter und Sara blieb mitten im Gang stehen.

  Sollte sie ihr doch hinterher rennen? Aber wenn sie sagte, dass sie ihre Ruhe wollte, war es wohl besser, wenn sie die bekam. Vielleicht beruhigte sie sich dann wieder. Erst einmal hatte sie etwas anderes zu klären.

 

  Sie fand die Jungs draußen am See, wo sie lachten und Witze machten, als wäre nichts gewesen. Sie hatten ja auch keine Ahnung, was sie angerichtet hatten. Aber das wollte sie jetzt ändern.

  „Oho“, hörte sie Sirius von Weitem sagen. „Seht mal, wer da kommt. Jetzt können wir uns auf was gefasst machen.“ Dabei hatte er dieses Grinsen im Gesicht, das einen ganz leicht zur Weißglut treiben konnte. James fing an zu lachen, Peter starrte auf die Oberfläche des Sees, nur Remus wirkte ernst.

  „Klappe zu“, schrie sie und blieb mit verschränkten Armen stehen. „Und du, Potter, hör auf, so blöde zu lachen!“

  Es hatte eher den gegenteiligen Effekt, auch Sirius brach jetzt in Gelächter aus und stieß James mit dem Ellbogen an. „Hörst du sie kläffen?“, fragte er prustend.

  „Nun sei schon still.“ Remus stand auf, klopfte sich den Staub vom Umhang und stellte sich hinter Sara. Das hatte wohl mehr Wirkung, denn die Jungs warfen sich nun Blicke zu und verstummten.

  Sara hätte sich gern bei ihm bedankt, aber das war einfach der falsche Zeitpunkt. „Was fällt euch eigentlich ein!“, rief sie und beugte sich zu ihnen vor. „Das übersteigt alles, was ihr euch jemals geleistet habt! Was geht eigentlich manchmal in euren Schädeln vor?“

  „Reg dich doch nicht so auf, Mädchen.“ James Potter lächelte gönnerhaft. Es war kaum zu ertragen. „Wir haben doch nur bewiesen, was wir alle schon wussten.“ Erst jetzt sah sie, dass er in der einen Hand einen Schnatz hielt, der aufgeregt flatterte und versuchte, zu entkommen. Auch wenn es nur ein Ball war und kein echter Schnatzer, war es doch mies, ihn so gefangen zu halten.

  „Ihr habt bewiesen, dass ihr Idioten seid!“

  „Diesmal habt ihr es übertrieben“, pflichtete Remus ihr bei. Wenigstens war er auf ihrer Seite.

  Sie wandte sich zu ihm um. „Ich meine auch dich, Remus! Du warst die ganze Zeit dabei, aber hast du sie davon abgehalten? Nein, hast du nicht!“ Hinter sich hörte sie ein leises Quietschen, das nur von Peter kommen konnte. Als sie ihn ansah, wurde er rot und schaute noch angestrengter auf den See. Er hatte natürlich auch nichts gesagt. Aber das hatte er nie. Er traute sich nicht, irgendwas gegen die Jungs zu sagen.

  „Ach, das war doch nur Spaß.“ Sirius riss einen Grashalm ab und drehte ihn zwischen den Fingern. „Komm schon, Sara. Wärst du dabei gewesen, hättest du das sicher auch lustig gefunden.“

  Sie stampfte mit dem Fuß auf, was ihn nur noch breiter grinsen ließ. Zu gern hätte sie ihn verhext, aber am Ende würde sie noch bestraft und das wollte sie nicht riskieren. „Ganz bestimmt nicht!“, fauchte sie. „Ich hab ja einiges mit angesehen, aber das ging echt zu weit!“

  „Ach ja richtig.“ Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Ich vergaß, wir haben es ja hier mit seinem ganz persönlichen Schoßhündchen zu tun. Dann bin ich lieber still, nicht dass du anfängst, zu beißen.“

  Sie wusste nicht, ob sie das als Beleidigung auffassen sollte, aber in jedem Fall ging das nun zu weit. „Wisst ihr was? Das war’s! Ich hab genug von euch!“ Sie wandte sich auf dem Absatz um und ging an Remus vorbei in Richtung Schloss. Dabei hoffte sie, dass ihr jemand hinterher kommen würde.

  „Sara!“, hörte sie Remus rufen, aber sie blieb nicht stehen.

 

  Ihr folgte tatsächlich jemand. Peter, der neben ihr her ging und anscheinend nach Worten suchte. Noch immer war er rot wie eine Tomate. „Sara“, fing er an, wusste dann aber wohl schon nicht mehr, was er sagen sollte. Sie konnte ihn ja verstehen, sie hätte selbst nichts gewusst. Auf ihn war sie auch nicht wirklich böse, von ihm konnte man keinen Widerstand erwarten. Er hielt sich immer im Hintergrund.

  An der Treppe blieb sie stehen und ging zum Geländer, weil gerade eine Horde Ravenclaws aus dem Gebäude kam. „Ist schon in Ordnung, Peter.“ Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Schätze, ich hab die ganze Zeit nur übersehen, wie blöd alle sind. Und ich bin auch ziemlich blöd.“

  „Ich weiß auch nicht, was mit ihnen los ist“, sagte er leise und schaute ihre Füße an.  „Aber … Ich wollte … Also, das ist ja das letzte Hogsmeadewochenende für dieses Jahr und ich dachte … Wollen wir zusammen gehen?“

  Sie hob die Brauen. Der Moment war mehr als unpassend. Darum wusste sie auch gar nicht, was sie antworten sollte. „Peter … Es tut mir wirklich leid, aber für so was hab ich im Moment keine Nerven.“

 

Am Abend saß Sara allein im Gemeinschaftsraum an ihrem Geschichtsaufsatz. Alle waren schon im Bett und es war grässlich, wie still es war. Athene lag zwischen ihr und der Lehne der Couch eingeklemmt, wie auch immer das bequem für sie sein konnte. Sie schnurrte und wachte immer mal wieder auf, um Sara dazu zu bewegen, sie zu streicheln.

  Den Tag hatte sie bei Hagrid verbracht, bei Tee und Keksen, hatte mit Fang gekuschelt und war zufrieden damit gewesen, dass Hagrid wenig Fragen stellte. Als er in den Wald gegangen war, hatte er sich nur darüber gewundert, dass sie nicht gefragt hatte, ob sie mitkommen durfte.

 

  Jemand betrat den Raum und Sara sah auf. Gerade wollte sie Maggie etwas zu dem Aufsatz fragen, als sie bemerkte, dass das gar nicht Maggie war. Die saß wohl noch immer in der Bibliothek. Nein, es war Severus, die Hände tief in den Taschen seines Umhangs vergraben. Er sah sie nicht an, als er zu ihrer Couch kam.

  „Ich hoffe, du hast gerade etwas sehr Wichtiges erledigt“, sagte sie und räumte ihr Buch vom Polster, damit er sich setzen konnte. Dabei schaute sie auf ihr Pergament. Nach drei langen Jahren hatte sie endlich Gelegenheit, ihm die kalte Schulter zu zeigen, weil sie uneingeschränkt im Recht war. Aber damit kam sie sich schlecht vor.

  „Halt den Mund!“

  Sie hob im letzten Moment ihr Tintenglas an, als er sich neben sie fallen ließ und mit Wucht vor den Tisch trat. Das hätte eine Sauerei gegeben. Athene wachte auf und krallte sich vor Schreck in Saras Bein.

  „Nein. Ich hab dir unzählige Male gesagt, du sollst dich zurücknehmen und wir waren uns einig, dass du Lily aus all dem heraushalten würdest. Und nun war die ganze Mühe umsonst.“ Aus dem Augenwinkel sah sie ihn an und sie konnte seine Zähne knirschen hören.

  „So was muss ich mir von dir nicht sagen lassen.“

  „Severus.“ Sara legte ihre Feder zur Seite, nahm Athene auf den Schoß und drehte sich zu ihm. „Ich hatte mir vorgenommen, eine Woche lang nicht mit dir zu reden. Das hat nicht geklappt. Weißt du, warum? Weil ich deine Freundin bin und das auch bleiben werde. Aber es gibt Sachen, die unverzeihlich sind.“

  „Das hab ich gemerkt!“ Er sah sie an und sein Blick durchbohrte sie beinah. „Mein Tag war beschissen genug, auch ohne deine Kommentare!“

  Sara merkte, dass sie nicht weiter kommen würde. Die Situation war einfach noch zu geladen. Sie nahm ihre Schreibsachen und stand auf. Athene krallte sich in ihren Arm, weil sie fast gefallen wäre. „Behalte eins immer im Hinterkopf. Manche Sachen lassen sich nicht mehr gerade biegen, wenn man einmal einen Schritt zu weit gegangen ist.“

 

  Sie versuchte, im Schlafsaal so leise wie möglich zu sein. Aber als sie im Bett lag, fing sie doch an zu weinen und es kostete sie einige Mühe, die anderen Mädchen davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. Sie zog die Vorhänge zu und hielt sich den Mund zu. Vielleicht hatte Maggie recht. Aber Sara war immer am besten zurecht gekommen, wenn sie die Leute einfach hatte machen lassen. Warum sollte sie das jetzt ändern?

  Sie weinte noch immer, als Maggie in den Schlafsaal kam, den Vorhang von Saras Bett zurückzog und sich zu ihr setzte. Im Dunkeln schauten sie sich schweigend an.

  „Ich versteh dich einfach nicht“, sagte Maggie leise. „Ganz egal, was er macht, wie er mit den Leuten umgeht und redet und sogar wenn er das zu Lily sagt … Du hältst zu ihm. Du nimmst das hin, du verteidigst ihn. Manchmal kommt es mir vor, als würdest du …“

  „Nein!“, sagte Sara schnell, bevor sie das beenden konnte. „Wo denkst du hin? Aber wir sind befreundet, Maggie. Ich würde auch zu dir halten, was auch immer du anstellst. Darum will ich mich nicht mit dir streiten. Du hast natürlich recht, alle haben sich unmöglich aufgeführt und ich auch. Aber was soll ich machen? Ich will doch eigentlich nur Ärger vermeiden. Und ich bin eben doch nichts weiter als sein Schoßhündchen.“

  „Darauf bist du auch noch stolz, was?“ Maggie seufzte. „Ich bin auch nicht so sehr wütend auf dich. Das ist ja auch alles nicht deine Schuld. Aber immer, wenn ich so was höre, werde ich rasend. Tut mir leid, dass ich so laut war.“

  Sara schüttelte den Kopf. „Du brauchst dich doch nicht entschuldigen, Maggie. Du hast nichts falsch gemacht.“ Wie zur Aufforderung rutschte Sara ein Stück zur Seite.

  Maggie verstand sie richtig und legte sich zu ihr. „Es gibt nichts Schlimmeres, als seine Hausaufgaben allein machen zu müssen.“

Am liebsten hätte Sara die Sache ganz schnell vergessen und wäre zum Alltag zurückgekehrt. Auf die Jungs aus Gryffindor konnte sie im Moment gern verzichten, aber nicht auf Maggie und Severus. Und auf Lily natürlich auch nicht. Es wäre ihr lieb gewesen, sie hätten sich einfach wieder vertragen können.

Andererseits war das, was passiert war, aber zu schwerwiegend, als dass es sich einfach nach ein paar Tagen von selbst hätte erledigen können. So ganz wusste Sara nicht, wie sie darüber denken sollte. Natürlich konnte sie Lily verstehen, die seitdem kein Wort mehr mit Severus gesprochen hatte. Überhaupt war sie sehr bedrückt und obwohl sie versuchte, das zu verbergen, merkte selbst Sara es. Dementsprechend war die Laune von Severus noch schlechter als sonst. Er hatte ihr beim letzten Trank des Jahres zwar geholfen, war dabei aber viel genervter gewesen als gewöhnlich, obwohl sie wirklich kaum einen Fehler gemacht hatte. Das verletzte sie am meisten. Noch mehr als die Tatsache, dass Maggie ihn nicht einmal mehr ansah und sich auch nicht zu Sara setzte, wenn die neben Severus auf einem Sofa saß.

Im Zug war es genauso gewesen. Da hatte sie zwar mit den beiden zusammen im Abteil gesessen, sich aber demonstrativ hinter dem Verwandlungsbuch versteckt und die ganze Zeit mit Sara gesprochen, sodass auch die keine Gelegenheit hatte, sich mit Severus zu unterhalten.

Von dem Thema selbst hatte niemand wieder angefangen. Auch wenn sicher nichts geklärt war, wollte Sara die Stimmung nicht noch mehr verderben. Zu gern hätte sie ihm gesagt, dass auch sie das nicht in Ordnung fand. Dass sie das nie in Ordnung gefunden hatte und es Lily gegenüber gleich doppelt so schlimm war. Aber sie konnte es einfach nicht. Wer war sie denn, ihm Vorwürfe zu machen?

Am Bahnsteig umarmte Maggie sie lange. Verständnisvoll hatte sie Sara in der vergangenen Nacht zugehört, als die von ihrer Angst gesprochen hatte, nach Hause zu gehen.

„Du kannst mir immer schreiben", sagte sie jetzt. „Und ich werd mit meinen Eltern darüber sprechen, dass du mich vielleicht auch besuchen kannst. Versuch einfach, mit ihm zu reden. Wenn das nicht klappt, geh ihm erstmal aus dem Weg."

Beinahe kamen Sara die Tränen. Sehr gern wäre sie schon jetzt mit zu Maggie gegangen oder hätte sie mit zu sich heim genommen. Dort wollte sie nicht allein sein und sie wusste nicht, wie lang Tabitha und Robert in diesem Sommer da waren.

Nur ganz zögerlich lösten sie sich voneinander und Maggie drückte ihr flüchtig ein Küsschen auf die Wange, bevor sie ihren Koffer und Balthasars Käfig nahm und zu ihren Eltern ging, die schon auf sie warteten.

Auch Severus hatte seine Mutter offenbar entdeckt, machte aber keine Anstalten, zu ihr zu gehen. Stattdessen blieb er neben Sara stehen und schaute sie mit seinem undeutbaren Blick an.

Sie wollte ihn in den Arm nehmen, aber er hob die Hände und hielt sie fest. Sara zog eine Schnute und löste sich aus seinem Griff. „Kann ich dich vielleicht besuchen kommen?"

„Nein", sagte er sofort in einem Ton, der sie davon abhielt, noch einmal zu fragen.

Sara fragte sich, ob es ihm peinlich war, aber das musste es wohl sein, denn warum sollte er sie sonst abweisen? Sie war sich sicher, dass ihr nichts von dem, was sie bei ihm daheim vorfinden würde, etwas ausmachen würde. Vielleicht wollte sein Vater aber auch nicht, dass er jemanden mit nachhause brachte. In dem Fall konnte sie wohl nichts tun, denn sie wollte nicht, dass er noch schlimmeren Ärger bekam als den, von dem er immer erzählte.

Wie gern sie ihm doch angeboten hätte, sie wieder zu besuchen, aber das war wohl ebenfalls nicht möglich. Dabei war es schön gewesen, als er da gewesen war, auch wenn sie ihr Zimmer überhaupt nicht mehr verlassen hatten. „Ich freu mich schon drauf, wenn die Schule wieder losgeht und wir uns wiedersehen." Jetzt umarmte sie ihn doch, nur ganz kurz, bevor er Zeit hatte, sie von sich zu schieben.

„Ich auch", hörte sie ihn leise sagen, als sie schon auf dem Weg zu Tabitha und Robert war.

Die beiden waren allein gekommen, um sie abzuholen. Sie machten beide einen müden Eindruck, was wohl daran lag, dass Tabitha vor nicht mal einem Monat eine kleine Tochter zur Welt gebracht hatte, die die beiden nun mächtig auf Trab hielt.

Tabitha umarmte sie länger, als nötig gewesen wäre, und Sara machte auch keine Anstalten, einen Schritt zurückzutreten. Sie genoss diesen Moment in dem sie sich einfach freuten, einander wiederzusehen, ohne Gedanken daran, was bald kommen würde. Nun kamen ihr wirklich die Tränen.

„Kann ich mit zu euch nachhause kommen", fragte in den Stoff von Tabithas Umhang. Sie hatte geschrieben, dass sie das Haus in Finnland für eine Weile vermieteten und nun vorläufig in einem Dorf nahe Liverpool lebten. Die kleine Samantha sollte in England aufwachsen und später nach Hogwarts zur Schule gehen.

Mit einem trockenen Lachen klopfte Robert ihr sanft auf die Schulter. „Das wird wohl nicht so einfach gehen."

Jetzt ließ Tabitha von ihr ab, nahm aber sofort ihre Hand und den Koffer.

„Aber ich bin auch ganz leise und ihr merkt bestimmt gar nicht, dass ich da bin", versicherte sie in der Hoffnung, man hätte Erbarmen mit ihr und würde sie nicht abweisen.

Tabitha drückte ihre Hand nur etwas fester und schwieg dazu. Robert lächelte. „Es liegt ja nicht an uns, wir haben dich gern bei uns. Aber du kannst nicht die ganze Zeit vor der Konfrontation mit deinem Vater davonlaufen."

Sie schaute zu ihm hoch. „Das würde ich aber gern", sagte sie und obwohl sie das vollkommen ernst meinte, musste er grinsen. Da wurde ihr wieder bewusst, dass sie ja nur ein Mädchen war, ein Teenager. Nicht einmal er nahm sie so ernst, wie sie es sich gewünscht hätte. Gleichzeitig war ihr klar, dass er recht hatte.

„Du musst das doch nicht allein machen", sagte Tabitha mit einem aufmunternden Lächeln. „Für eine Weile sind wir noch da und da hat Dad auch andere Probleme als nur dich."

„Wir schlafen natürlich keine Nacht wirklich durch", erklärte Robert. „Darum kann es natürlich auch sein, dass alle ein bisschen gereizter sind als sonst. Ich hoffe, dass er einsieht, dass jetzt niemand noch zusätzlichen Stress gebrauchen kann."

Sara nickte und sah zu Boden. Sie wollte sich ja auch mit ihm vertragen, wusste aber nicht, ob das so leicht möglich war. Denn sie würde sicher nicht davon abrücken, was sie bisher gesagt hatte. Und ihr Vater bestimmt auch nicht.

Sara hatte die Gelegenheit genutzt, dass ihre Eltern gerade mit dem Baby auf einem Spaziergang waren, und hatte sich umgehend auf ihr Zimmer verzogen. Am liebsten wäre sie die ganze Zeit dort geblieben, wünschte sich, dass niemand sie beachtete. Doch das löste keine Probleme.

Trotzdem wollte sie nicht von sich aus nach unten gehen, sondern warten, bis jemand nach oben kam.

Schließlich war es ihre Mutter, die sachte an die Tür klopfte und im Rahmen stehen blieb, als Sara sie hereinbat. Ihr Lächeln wirkte, als wüsste auch sie nicht, was sie tun sollte. Athene ging sofort zu ihr und strich ihr schnurrend um die Beine, aber Sara blieb auf dem Bett sitzen und sah sie an. „Möchtest du mit uns essen?"

„Soll ich denn?", fragte Sara und klang dabei kälter, als sie eigentlich wollte. Mit ihrer Mutter wollte sie sich noch viel weniger streiten als mit ihrem Vater, aber das Gefühl, sie enttäuscht zu haben, war genauso stark.

„Es würde mich freuen", antwortete ihre Mutter und ihr Lächeln wurde ehrlicher.

Sara rutschte vom Bett und folgte ihr nach unten, um guten Willen zu zeigen. Doch als sie in die Küche kam und dem finsteren Blick ihres Vaters begegnete, verflog dieser Wille sofort wieder. Sie setzte sich schweigend neben ihre Schwester und nahm sich ein Fischfilet und Kartoffelpüree. Die ganze Zeit spürte sie seinen Blick auf sich.

Währenddessen tat Tabitha ihr Bestes, ein Gespräch zu beginnen. Sie erzählte von Samantha, von dem neuen Haus, fragte Sara über die Schule, den Unterricht, die Besuche in Hogsmeade.

Sie hatte viel zu erzählen von Professor Kesselbrand, den Crups und dem Einhorn. Ihre Mutter hörte aufmerksam zu, während Tabitha und Robert alles davon schon aus den Briefen kannten. Von den jüngsten Vorkommnissen verlor sie natürlich kein Wort, nicht einmal ihrer Schwester würde sie davon erzählen. Das Risiko, dass deren Unterstützung ihr dadurch ebenfalls verloren gehen würde, war zu hoch.

Ihr Vater sah sie nicht mehr ganz so finster an, aber auch nicht so entspannt, wie sie es sich gewünscht hatte. Würde es einen Moment geben, in dem er bessere Laune hatte, damit sie ein ruhiges Gespräch führen konnten?

Ein geeigneter Moment war bis zum Ende der Ferien nicht gekommen. Sara hatte die Woche um ihren Geburtstag bei Maggie in Nordirland verbracht und war danach allein mit ihren Eltern in Downe gewesen. Zuvor hatte sie sich mit Samantha beschäftigen können, aber nun saß sie nur mit Athene in ihrem Zimmer oder im Garten.

Einmal war sie mit ihm aneinander geraten, wieder hatte er gefordert, dass sie sich von Severus fernhalten sollte und als sie versucht hatte, ihm zu erklären, warum sie das nicht tun würde, hatte er gemeint, sie solle nicht albern sein. Sie hatte sich seine Schimpftiraden nicht mehr länger anhören wollen und war an diesem Abend schon um sieben ins Bett gegangen, obwohl es draußen noch ganz hell gewesen war. Einige Male war hatte jemand geklopft, aber sie hatte getan, als würde sie schon schlafen.

Beinah jeden Tag schrieb sie Maggie und die Antworten waren immer aufmunternd, bis zu diesem einen Tag. Der Brief war kürzer als alle davor und Maggies Schrift war nicht so ruhig und schön geschwungen wie sonst, sondern eher krakelig. An manchen Stellen war die Tinte verlaufen, als sie geweint hatte.

Sara las den Brief zweimal, bevor sie begriff. Maggies Opa war verstorben, er war schon krank gewesen, als Sara zu Besuch gewesen war. Trotzdem hatte sie ihn als netten Mann mit Humor kennen gelernt. Maggie hatte ihr anvertraut, dass sie ihn aus ihrer Familie am liebsten gehabt hatte.

Was sollte sie antworten? Irgendetwas musste sie schreiben, sonst würde Maggie sie nur falsch verstehen. Aber sie hatte keine Ahnung, was man in so einer Situation schrieb und außerdem nicht das Gefühl, als könnte sie mit Worten irgendetwas für ihre Freundin tun. Am liebsten hätte sie jemanden gefragt, aber im Haus gab es niemanden, mit dem sie jetzt darüber sprechen wollen würde. So konnte sie nicht mehr tun, als nur ihr Beileid auszusprechen – wobei sie hoffte, dass es nicht zu sehr nach hohlen Phrasen klang – und ihr zu versichern, dass sie in Hogwarts für sie da sein würde.

Im Zug war Maggie still gewesen, hatte sich nicht an Severus gestört, der ebenfalls schweigend bei ihnen im Abteil gesessen hatte, und ihn überhaupt nicht beachtet. Sara hatte ihn nach den Prüfungsergebnissen befragt und er hatte nur ganz knapp geantwortet, dass er jede Prüfung bestanden hatte.

Maggie hatte aus dem Fenster gesehen, eine Hand in Saras, hatte nicht geweint, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Aber vorher wohl schon, wie ihre geröteten Augen verrieten. Sara wagte kaum, von sich daheim zu erzählten, sie aus ihren Gedanken zu reißen, also schwieg sie ebenfalls und streichelte einfach Athene, die neben ihr auf dem Polster lag.

Irgendwann wurde die Abteiltür aufgeschoben und im Rahmen standen Sirius und James ganz dicht hintereinander. Sie wollten gerade den Mund aufmachen, aber Sara schob die Tür heftig wieder zu und verkniff sich dabei den Kommentar, den sie gern gegeben hätte. Auch von den beiden hatte sie während der Ferien Briefe bekommen, die sie aber unbeantwortet gelassen hatte. Irgendwann wollte sie sich auch mit den Jungs vertragen, einfach weil sie keinen Streit wollte, aber noch nicht und vor allem nicht jetzt.

Während Hagrid am Bahnsteig die Erstklässler zu sich rief und Sara zwischendurch fröhlich zuwinkte, machten die Mädchen und Severus sich auf den Weg zu den Kutschen, die sie zum Schloss bringen würden. Der Weg wurde nur von Laternen erhellt, die an den Kutschen hingen, von denen manche schon abgefahren waren.

Für Sara war alles wie immer und darum verstand sie nicht, warum Maggie plötzlich spitz aufschrie und sich hinter Sara schob. „Was ist das?", fragte sie, wobei sie sich in Saras Arm festkrallte.

„Was meinst du?", fragte Sara, die noch immer nicht begriffen hatte, was ihre Freundin für ein Problem hatte. Warum sie so zitterte. Auf ihren fragenden Blick hin hob Severus nur die Schultern. Er hatte wohl auch keine Ahnung und es konnte nicht einmal sicher sein, dass es ihn überhaupt interessierte.

„Willst du mir sagen, du siehst sie nicht?" Maggie schaute zu Sara hoch und in ihren Augen stand etwas zwischen Angst und Abscheu. Ihre Stimme war ganz schwach. Aber wovon sprach sie denn nur?

„Ich sehe gar nichts. Nur die Kutschen und die anderen Schüler." Demonstrativ schaute sie sich um. Nichts Ungewöhnliches zu entdecken.

„Aber ..." Ihre eine Hand umklammerte noch immer Saras Arm, mit der anderen griff sie sich in die Haare. Ein gequältes, quietschendes Geräusch, mehr kam nicht mehr aus ihrem geöffneten Mund.

„Komm schon." Sara stellte sich vor sie, sodass sie nicht mehr sehen musste, was immer sie so beunruhigte, und nahm sie in den Arm. „Lass uns einfach zum Schloss hoch fahren und in der Halle wird es gleich besser sein." Sanft schob sie Maggie in Richtung einer geöffneten Kutsche, in der Severus bereits saß und wartete.

Aus irgendeinem Grund wehrte Maggie sich anfangs, in die Kutsche zu steigen. Aber sie fand keine Worte und gab schließlich nach, vergrub das Gesicht in Saras Halsbeuge. Unverständliche Worte vor sich hinmurmelnd, hob sie den Blick die ganze Fahrt bis zum Schloss nicht.

Dadurch fühlte Sara sich nur noch hilfloser, aber es schien zu reichen, dass sie Maggies Arm tätschelte und einfach da saß.

Das, was Maggie bei den Kutschen gesehen hatte, ließ sie scheinbar einfach nicht los. Doch wie oft Sara auch fragte, sie erhielt keine vernünftige Antwort. Über alles hatte sie gesprochen. Über ihren Großvater und wie sie gerade an seinem Bett gesessen hatte, als er gestorben war. Aber mittlerweile kam sie irgendwie zurecht, hatte sie gesagt, und wenn sie etwas brauchte, würde sie es schon sagen. Abends im Bett hatte sie lange geweint und sich dafür entschuldigt, dass sie Sara vom Schlafen abhielt. Dabei war ihr das vollkommen gleich, da Maggie auch für sie da gewesen war, als sie wegen ihres Vaters geweint hatte und Sara sich kaum vorstellen konnte, was Maggie nun durchmachte.

Wann immer sie draußen waren, ob es einfache Spaziergänge waren oder beim Unterricht, selbst beim Quidditchtraining war Maggie nervös, schaute sich immer wieder um, als würde sie nach dem suchen, was immer sie gesehen hatte. Sie tat Sara leid, weil es sie wirklich zu quälen schien, aber sie glaubte nicht, dass sie irgendwie helfen konnte, wenn sie nicht wusste, worum es ging.

 

  Am Samstag saßen Sara, Maggie und Cecilia lange in der Bibliothek. Sara, die all ihre Hausaufgaben schon während der Woche gemacht hatte, saß nur hier, weil das ihre spontane Ausrede gewesen war, sich nicht mit Sirius Black unterhalten zu müssen, der sie um ein kleines Gespräch gebeten hatte. Wahrscheinlich wollte er sich mal wieder bei ihr entschuldigen, ohne es zu meinen und darauf hatte sie nun wirklich keine Lust. Da saß sie lieber hier und schaute über die Aufsätze über Bowtruckles, die Maggie und Cecilia geschrieben hatten.

  Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er ihr vor der Bibliothek auflauern würde. Wie sie mit den anderen Mädchen auf den Flur trat, erschrak sie ziemlich, wie er sich aus dem Schatten löste.

  „Was willst du denn?“, fragte sie und blieb stehen, während Maggie und Cecilia weitergingen.

  „Ich warte im Gemeinschaftsraum auf dich.“ Maggie lief rückwärts, bis Sara nickte.

  Sirius wartete, bis sie allein waren. Er sah aus, als wäre ihm wirklich unwohl zumute, aber nicht deswegen, weswegen Sara es ihm wünschte. „Sara, bitte“, fing er an. „Warum hast du uns nie geantwortet?“

  „Weil es manchmal einfach nicht mit leeren Entschuldigungen getan ist, Sirius. Weil es euch nicht leid tut, was ihr gemacht habt, sondern nur, dass ich es mitbekommen hab und euch nicht mehr helfe. Und ich … hatte einfach genug von euch.“ Fast hätte sie habe gesagt, aber das stimmte nicht so ganz. Irgendwie fehlten ihr die harmloseren Blödeleien der Jungs, wenn auch nicht die Severus gegenüber. Aber so einfach konnte sie nicht verzeihen.

  Er sah verletzt aus und er grinste gar nicht. In jeder anderen Situation hätte sie das gefeiert. „Sara, du kannst doch nicht ernsthaft…“

  „Oh, doch“, unterbrach sie ihn und beugte sich vor. „Ihr könnt nicht einfach solche Dinge mit meinen Freunden anstellen und dann erwarten, dass ich einfach darüber hinwegsehe.“

  „Ich hoffe, ihm hast du dasselbe gesagt“, sagte Sirius tonlos.

  „Das geht dich überhaupt nichts an, was ich ihm gesagt habe. Natürlich war es nicht in Ordnung, wie er Lily genannt hat, aber es war das wäre nicht passiert, wenn ihr nicht angefangen hättet! Ich frag mich, wie ihr das jemals wiedergutmachen wollt.“ Sie wandte sich von ihm ab und ging den Gang entlang.

  Sofort folgte er ihr, hielt sie an der Schulter fest, damit sie etwas langsamer wurde. „Ich … Bist du dir sicher, dass das nicht irgendwann doch passiert wäre?“

  Heftig schüttelte sie seine Hand ab. „Das kann dir doch vollkommen egal sein! Was habt ihr mit Lily zu schaffen? Haltet euch doch einfach aus der Sache raus!“

  „Aber, ich …“ Er ging jetzt etwas schneller, blieb vor ihr stehen und brachte sie dazu, ebenfalls anzuhalten. Wie er jetzt so vor ihr stand, fiel ihr auf, wie groß er auf einmal war. Sie kam sich winzig vor, so weit wie er sich hinunterbeugen musste, um ihr ins Gesicht zu sehen. Dabei war sie größer als Maggie und ein paar andere Mädchen aus ihrer Klasse. Bis vor den Ferien auch als die Jungs.

  „Was?“, fuhr sie ihn trotzdem an. „Sprich aus, was du die ganze Zeit sagen willst, oder lass es!“

  Er ließ es. Irgendetwas war da, das er ihr einfach nicht sagen wollte oder konnte. Das weckte die Neugier in ihr, auch wenn sie das eigentlich überhaupt nicht brauchen konnte im Moment.

  „Hör mal, Sirius. Ich hab im Moment wirklich ganz andere Probleme. Komm bitte erst wieder zu mir, wenn du einen vernünftigen Grund hast, warum ich mich wieder mit euch vertragen sollte.“ Sie ging an ihm vorbei und rannte den Flur entlang, diesmal folgte er ihr nicht. An der Ecke blieb sie stehen. „Und sag mal, du hast ja Potter doch geheiratet und mich nicht mal eingeladen!“ Die Briefe waren immer von ihnen beiden gekommen und sie waren auch zusammen am Bahnhof gewesen. Seine Eltern waren nur mit Regulus da gewesen, er war mit denen von James gekommen.

  Er antwortete nicht und als ihr klar wurde, dass er das auch nicht mehr vorhatte, ging sie weiter und ließ ihn dort stehen.

 

  Maggie saß auf Saras Bett und blätterte in Saras Buch über Geflügelte Pferde. Sie hatte den Finger zwischen zwei Seiten und kehrte immer wieder zu ihnen zurück, jedoch nur für einen Augenblick, bevor sie wieder woanders las.

  Auf dem Weg zum Bett zog Sara sich aus und im Hinsetzen streifte sie ihr Nachthemd über. Maggie schien so in Gedanken versunken, dass sie Sara erst jetzt bemerkte.

  „Tut mir leid, dass ich dich nicht gefragt hab“, sagte sie, wobei ihre Stimme komisch klang, und hob das Buch leicht an.

  Sara schüttelte den Kopf und rutschte zu ihr unter die Decke. „Ist schon in Ordnung, bedien dich ruhig an allen meinen Büchern.“

  Maggie lächelte schwach. „Was wollte er denn schon wieder?“

  „Dasselbe wie immer“, antwortete Sara. „Er wollte sich mit mir vertragen, aber ich wüsste nicht, warum.“

  „Meinst du nicht, dass du ihnen verzeihen kannst, wenn du sogar Snape verziehen hast?“, gab Maggie zu bedenken. Sara glaubte nicht, dass ihre Freundin sie da jemals verstehen würde, aber bei ihr machte es ihr nicht allzu viel aus. Sie hatte ja sonst nichts getan und ritt nicht die ganze Zeit darauf herum, was geschehen war.

  Sara schüttelte den Kopf. „Remus hat mir die ganze Geschichte erzählt, das kann ich einfach nicht.“

  Maggie seufzte. „Hach, ja, Schoßhündchen sondergleichen.“

  Sara lächelte. „Für immer und ewig. Sag mal, wenn ich fragen darf … hast du was Bestimmtes gesucht?“ Sie deutete auf das Buch.

  „Ja“, gestand Maggie. „Schau mal hier.“ Ohne hinzusehen schlug sie das Buch an der Stelle auf, an der sie den Finger hatte.

  „Thestrale“, las Sara vor. Da war ein Bild von einem schwarzen Pferd, nur Haut und Knochen, fledermausartige Flügel und rot schimmernde Augen.

  Maggie nickte. „Das sind die Wesen, die ich gesehen habe. Die ziehen die Kutschen zum Schloss.“

  Sara glaubte ihr sofort, warum sollte Maggie sie auch anlügen? Doch in diesem Moment stürzte die Wahrheit auf sie ein. Da waren Tierwesen, direkt vor ihrer Nase, die sie nicht sehen konnte. Aber Maggie konnte sie aus irgendeinem Grund sehen und sie hatte schreckliche Angst vor ihnen. Zugegeben, das Bild sah recht furchteinflößend aus und Maggie war in der letzten Zeit verständlicherweise sehr empfindlich. Trotzdem wünschte Sara sich, diese Wesen sehen zu können.

  „Das ist schon ziemlich gemein, dass du sie sehen kannst und ich nicht. Was muss ich wohl machen, damit ich sie auch sehe?“ Sie war ziemlich müde und nach dem ganzen Tag in der Bibliothek drehten sich die Buchstaben vor ihren Augen.

  Es war wohl falsch gewesen, das zu sagen. Laut klappte Maggie das Buch zusammen und Athene, die bis eben am Fußende geschlafen hatte, sprang erschrocken auf und huschte unter Maggies Bett. „Wie kannst du so was sagen?“, fragte Maggie scharf. Sie hatte Tränen in den Augen.

  „Was hab ich denn gesagt?“, fragte Sara und wollte das Buch aus Maggies Hand nehmen, weil da bestimmt drinstand, warum Maggie sie sehen konnte und sonst niemand. Aber sie erwischte es nicht, bevor Maggie es auf ihr eigenes Bett pfefferte.

  „Ja, natürlich hast du wieder keine Ahnung!“, rief Maggie und jetzt liefen ihr Tränen über die Wangen.“ Sie drehte sich weg und legte sich hin, ganz an den Rand des Bettes. Aber wieder blieb sie und das konnte nicht nur daran liegen, dass ihr eigenes Bett voll war mit ihren Sachen.

  „Maggie…“ Sara legte ihr eine Hand auf den Arm, die jedoch sofort abgeschüttelt wurde. Wie gut, dass die anderen Mädchen noch draußen im Gemeinschaftsraum waren. „Ich weiß wirklich nicht, was ich Falsches gesagt hab.“

  „Dann sag am besten nächstes Mal gar nichts.“ Maggie zog sich die Decke über die Ohren, damit war das Gespräch für sie beendet.

  Sara akzeptierte das, sie hatte ja auch kaum eine andere Wahl. In der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass Maggie meistens einfach nur eine Weile brauchte, um sich zu beruhigen. Und im Moment wollte Sara sie auch gar nicht mehr belasten, als nötig war.

 

Am Sonntagnachmittag ging Sara zu Hagrid, nachdem sie sich nicht getraut hatte, Maggie noch einmal auf die Thestrale anzusprechen. Sie schien nicht wirklich böse auf Sara zu sein, war aber noch stiller und durchgehend ein bisschen abweisend. Also hoffte sie, dass Hagrid ihr sagen konnte, was los war, damit sie sich wirklich entschuldigen konnte und damit sie nicht bald wieder irgendetwas Dummes sagte.

  Sie saß in einem der riesigen Sessel und kraulte Fang, dessen Kopf auf ihren Beinen lag, während sie darauf wartete, dass der Tee fertig wurde. Sie wollte das in Ruhe besprechen und Hagrid erklären, dass sie ihre Fragen diesmal aus einem bestimmten Grund stellte. Sonst würde er sich vielleicht mit seiner Antwort zurückhalten und ihr nicht alles sagen. Aber diesmal war es ihr wichtig. Sie wollte alles von ihm wissen, was er ihr über diese Thestrale sagen konnte und das war wahrscheinlich mehr, als sie aus dem Buch erfahren konnte, weil sie ja hier an der Schule lebten.

  „Du bist heute doch aus einem bestimmten Grund gekommen“, vermutete er und stellte ihr eine Tasse hin. Jede Woche kam sie ja einmal einfach so zu ihm, und auch heute hatte sie nichts gesagt. Aber er sah ihr das wohl an.

  „Jaah …“ Sie nippte an dem Tee und verbrannte sich die Zunge. Besonders im Winter hatte sie ihren Tee gern so heiß. Heute eher nicht, also setzte sie die Tasse gleich wieder ab. „Stimmt es, dass die Kutschen von Thestralen gezogen werden?“, fragte sie frei heraus. Es brachte ja nichts, um den heißen Brei herumzureden.

  Mit gehobenen Brauen sah er sie an. „Du hast bestimmt in dem Buch von ihnen gelesen.“

  „Also … nicht wirklich.“ Sie hatte bisher viel mehr Interesse an den anderen Arten von Geflügelten Pferden gehabt und war in dem Buch noch gar nicht so weit vorangekommen. „Aber Maggie hat sie gesehen, als wir angekommen sind und ich weiß nicht, warum sie sie sehen kann und ich nicht.“

  Hagrid wirkte überrascht. „Deine Freundin kann sie sehen? Soll das heißen … Ist im Sommer irgendwas passiert?“

  Sara überlegte, was er meinen konnte. „Maggies Opa ist gestorben und sie war dabei“, war das Einzige, was ihr einfiel.

  Nickend strich Hagrid sich durch den dichten Bart. „Weißt du, Thestrale werden von vielen Leuten als böses Omen betrachtet. Der Grund ist, dass sie nur der sehen kann, der dem Tod begegnet ist. Und natürlich, weil sie so gruselig aussehen, aber eigentlich sind sie ganz nette Kerlchen.“

  So recht konnte Sara sich nicht über seine Worte freuen. Zwar glaubte sie ihm, dass sie nicht gefährlich waren – sonst würde Dumbledore sie ja nicht die Kutschen ziehen lassen – aber wenn das stimmte, hatte sie wirklich etwas ganz Schreckliches gesagt. Und sie konnte verstehen, warum Maggie solche Angst hatte. „Wo sind sie denn das Jahr über?“

  „Sie leben im Wald“, erklärte Hagrid. „Tief im Wald. Und wenn du sie sehen könntest, könntest du sie manchmal fliegen sehen.“

  Das beruhigte Sara. Jetzt konnte sie Maggie sagen, dass sie keine Angst haben brauchte, auf dem Schulgelände einem Thestral zu begegnen. Und für den Wald interessierte sie sich ohnehin nicht so sehr, dass sie allzu oft dorthin schauen würde.

  Sara blieb noch eine ganze Weile und ließ sich davon erzählen, was er in der letzten Zeit so im Wald getan und gesehen hatte. Mit jedem Wesen, das er erwähnte, wollte sie etwas mehr wieder in den Wald. Doch ihre erste Gelegenheit war früher gekommen, als sie gehofft hatte, vielleicht würde dann auch bald eine zweite kommen. Aber sicher nicht dadurch schneller, dass sie ihm auf die Nerven ging, also übte sie sich in Geduld.

  Als der Tee leer war, verabschiedete sie sich von ihm und Fang.

  „Komm nicht auf falsche Gedanken“, sagte er, als er in der Tür stand, und klang dabei nur halb so scherzhaft wie sonst. Dachte er wirklich, sie würde über Leichen gehen, um die Thestrale sehen zu können? Niemals würde sie jemanden umbringen, schon gar nicht aus so einem Grund. Sie war sich ja nicht mal mehr sicher, ob sie die Thestrale jemals sehen wollte, wenn es zu diesem Preis war.

 

  Auf der Wiese begegnete sie Remus Lupin, der heute etwas gesünder aussah als zu manchen anderen Gelegenheiten. Sie ging einfach an ihm vorbei, auch wenn sie auf ihn nur dafür böse war, dass er nichts gesagt hatte. Aber hätte es die beiden gekümmert? Wäre Sara dabei gewesen, hätte sie auf jeden Fall etwas gesagt – und wäre mit Sicherheit ignoriert worden.

  „Ist irgendwas vorgefallen zwischen dir und Sirius?“, fragte er, als er schon eine Weile einfach neben ihr hergelaufen war.

  „Na ja, er war ein Arsch, dann waren Ferien, ich hab seine Briefe nicht beantwortet, ich hab ihn ignoriert, gestern Abend hab ich kurz mit ihm gesprochen und ihn gefragt, warum er noch mehr mit James Potter zusammenhängt als sonst schon.“ Das war die Kurzfassung und mehr gab es auch eigentlich nicht zu sagen.

  Remus gab einen gequälten Laut von sich. „Hör mal, ich kann dir von mir aus nicht sagen, was los ist, aber es wäre ganz nett, wenn du so was nicht mehr erwähnen würdest. Er hat wirklich Probleme daheim.“

  Fast hätte Sara gesagt, dass sie ja auch Probleme hätte, aber dann merkte sie, dass sie darauf auch lieber nicht so unsensibel angesprochen werden wollte. „Meinetwegen muss ich auch gar nicht mehr mit ihm reden.“

  „Sara!“, sagte Remus plötzlich streng und sie blieb stehen. „Du merkst das natürlich nicht, aber es macht ihn ganz schön fertig, dass du so sauer auf ihn bist. James interessiert das alles natürlich nicht so sehr, aber Sirius …“

  „Und warum sagt er mir das nicht selbst so ins Gesicht?“, fragte sie und ballte die Hände zu Fäusten. „Warum schickt er dich denn?“

  „Er hat mich nicht geschickt!“, erwiderte Remus. „Ich bin auf eigene Faust hier, weil ich mir Sorgen mache. Er tut so, als ginge ihm das am Arsch vorbei, aber das tut es nicht. Er will trotzdem wieder mit dir ins Reine kommen. Würde er merken, dass ich dir das sage, würde er mir wahrscheinlich ordentlich den Kopf waschen, also psst.“

  Sara hob das Kinn. Dieses ewige Herumdrucksen ging ihr gehörig auf die Nerven. „Er hat sich das alles ja selbst zuzuschreiben. Und wenn er echt will, dass ich ihm verzeihe, soll er mir einen Grund ins Gesicht sagen. Basta.“

Nachdem sie Maggie über die Thestrale auf dem Gelände aufgeklärt hatte, hatte Maggie sich beruhigt und Sara hatte sie nicht mehr darauf angesprochen. Während der September und der Oktober verstrichen waren, war es Maggie zunehmend besser gegangen. Nun, an Halloween, war sie sogar mit zur Feier in den Saal gekommen und unterhielt sich ausgelassen mit Cecilia, die zu ihnen an den Slytherintisch gekommen war.

Sara hatte fortwährend ein Auge auf die Jungs aus Gryffindor, während sie sich mit Severus über dies und jenes unterhielt, was bedeutete, dass sie sprach und er nur kurze Kommentare dazu abgab. So erzählte sie ihm vom Unterricht und den Hausaufgaben, von ihren Versuchen, wieder einmal mit Hagrid in den Wald zu kommen, die nur ganz unterschwellig waren, um ihm nicht auf die Nerven zu gehen.

Bis Remus sie zu sich winkte. Unschlüssig, ob sie gehen sollte, schaute sie auf die anderen Jungs. Aber James und Sirius lachten gerade über irgendetwas und Peter sah in eine ganz andere Richtung. Mit dem Gedanken, dass sie sich ja nur mit Remus und Peter unterhalten musste, wenn sie wollte, ging sie also hinüber und setzte sich zwischen die beiden.

„Wie war's in Hogsmeade?", fragte Sirius, kaum dass sie saß, und machte ihr einen Strich durch die Rechnung.

Tatsächlich war ihr aufgefallen, dass er nicht mit im Dorf gewesen war. Anscheinend hatten seine Eltern ihm keine Erlaubnis erteilt und er hatte sich auch nicht in den Honigtopf geschlichen. Doch auch wenn sie das wunderte, ging es sie eigentlich gar nichts an, also sprach sie es auch nicht an. „Wie immer", antwortete sie mit einem Lächeln. „Also total schön. Ich hab Athene ein Halsband mit Fledermausmuster und Glöckchen gekauft. Maggie wollte mir eins in meiner Größe kaufen, aber sie hatten keins."

Er lachte, klang dabei aber ein bisschen nervös. Anders als seine Freunde, die das einfach nur witzig zu finden schienen.

Sara bemerkte, dass man ihr einen Becher mit Kürbissaft hingestellt hatte, und nahm einen Schluck. Er schmeckte anders als sonst, aber nicht im schlechten Sinne. Ihr wurde warm, und noch wärmer, als James ihr nachschenkte. Remus sagte irgendetwas, das sie kaum verstand und doch unheimlich komisch fand.

Sie erzählte von ihrer letzten Stunde Zauberkunst. „Und dann ist das Kissen genau ins Gesicht von Florence Hanson geflogen!", sagte sie und aß kichernd ein Stück Schokolade.

„Sicher, dass das keine Absicht war?", fragte Remus lachend.

„Ich weiß nicht", antwortete sie grinsend und drehte ihren Becher in der Hand. „Kann sein, dass ich etwas ungenau gezielt hab."

Die Jungs lachten, aber das Geräusch kam ihr vor wie gedämpft, als etwas passierte. Sie wusste nicht mehr, was genau. Nur noch, dass ihr im nächsten Moment noch viel wärmer wurde als zuvor. Alles ging so schnell und sie sah bloß Peters Augen ganz nah vor ihren und geschlossen, spürte seine Hand in ihrem Nacken und – seine Lippen auf ihren. Als sie endlich realisierte, was hier gerade geschah, fühlte ihr Kopf sich an, wie in Watte gepackt.

Dann merkte auch Peter, was er gerade getan hatte, und löste sich hastig von ihr. Mit matter Stimme flüsterte er irgendetwas, das Sara kaum verstand, und drehte sich ein Stück von ihr weg.

Die Umgebungsgeräusche wurden wieder lauter und sie hörte, wie die anderen Jungs johlten. Köpfe wandten sich ihnen zu, die Gespräche in der näheren Umgebung verstummten. Aber Sara merkte, wie es ihr gar nichts ausmachte. Sie legte eine Hand auf Peters Rücken. „Hey", sagte sie lang gezogen. „Das war echt nett."

Ihr Kopf sank auf den Tisch und irgendetwas fand sie so komisch, dass sie kichern musste. „Und Maggies Kissen ist dann genau auf Flitwick zugeflogen, beinah wäre er von seinem Bücherstapel gefallen."

Jemand zog sie unsanft auf die Beine und am Arm quer durch die Halle, bevor sie überhaupt mitbekam, wer es war. Sie sah nur die Gesichter von James und Sirius, die vor Lachen ganz rot geworden waren. Warum konnte sie nicht bei ihnen bleiben?

Erst in der Eingangshalle drehte sie sich um, um herauszufinden, wer sie da gerade hinter sich her zerrte. Eigentlich hatte sie mit Maggie gerechnet, aber es war Severus. Aber warum? Warum brachte er sie jetzt in Richtung der Kerker?

„Och, Severus, was zerrst du denn so?", nuschelte sie. Die unterste Stufe der Treppe übersah sie und fiel beinah hin. Der Schritt, den sie machte, um sich zu retten, scheuchte einen Schwarm Fledermäuse auf, der über ihrem Kopf davon flatterte. Fasziniert schaute sie ihnen nach. „Es war doch grad so lustig."

„Was ist lustig daran, dass du dich wie ein Kleinkind aufführst?", fragte er scharf. „Du wusstest nach dem ersten Becher, dass etwas nicht stimmt, aber nein, du machst natürlich weiter!" Er klang furchtbar wütend, aber warum nur? Es war doch nichts passiert.

„Was interessiert's dich?", fragte sie, klang dabei vielleicht ein bisschen genervt. Sehr gern wäre sie noch eine Weile bei den Jungs sitzen geblieben oder hätte sich noch mit Maggie unterhalten, warum brachte er sie schon zum Gemeinschaftsraum?

Severus blieb ihr die Antwort schuldig, er spie nur der Schlange das Passwort förmlich ins Gesicht und schob sie durch das Loch in der Wand.

Der Gemeinschaftsraum war leer. Ein Lächeln schlich sich in Saras Gesicht. Langsam nickte sie in dem Glauben, etwas erkannt zu haben. „Also wirklich, Severus. Wenn du mit mir allein sein willst, dann musst du das nur sagen." Es ging ihr selbst viel zu schnell und ihm wohl auch, doch sie hatte seine Hand auf ihre Hüfte gelegt und ihre auf seine Schulter und hielt seine andere. „Lass uns doch ein bisschen tanzen." Sie konnte das nicht, Tabitha hatte zwar mal versucht, ihr ein paar Schritte beizubringen, es aber bald wieder aufgegeben.

Was auch immer sie sich dabei dachte, aber sie legte den Kopf auf seine Schulter und schloss die Augen. In diesem Moment hoffte sie nur, ihm nicht auf die Füße zu treten.

Es sollte sich herausstellen, dass sie dazu auch gar keine Gelegenheit hatte. Fest packte er sie an den Schultern und hielt sie auf Abstand, nachdem sie nur zwei Schritte gemacht hatten. „Du hast es wirklich übertrieben!" Bevor sie wieder nach seinen Händen greifen konnte, hatte er sie auf eines der Sofas gesetzt.

Ihr war jetzt noch viel wärmer als in der Großen Halle, was natürlich daran liegen konnte, dass sie jetzt begriff, was sie da eben getan hatte. Um sich etwas Erleichterung zu verschaffen, löste sie ihre Krawatte und knöpfte die Bluse ein Stück auf. „Es war so schön", seufzte sie. „Peter hat mich geküsst. Mein erster wirklicher Kuss!"

„Ich will das nicht hören", sagte er streng und ließ sich neben ihr auf das Sofa fallen.

Sara schob die Unterlippe vor. „Entschuldige", sagte sie leise. Sie zog die Beine zu sich heran und rutschte zu ihm, lehnte sich an seine Schulter. „Tut mir wirklich leid."

„Lass das." Er wollte sie von sich schieben, aber sie wehrte sich, bis er es aufgab. „Was fällt diesen zwei Vollidioten eigentlich ein?", murmelte er und bewegte die Schulter, auf der jetzt ihr Kopf lag. Doch auch davon ließ sie sich nicht beirren.

„Ich weiß, dass ich dir manchmal auf die Nerven gehe", sagte sie, ohne weiter darüber nachzudenken. „Aber eins muss ich jetzt wissen. Magst du mich? Ich mag dich nämlich. Wirklich. Ich hab dich immer gemocht, seit du mir mit dem blöden Trank geholfen hast."

Jetzt schob er sie doch von sich weg, als sie gerade nicht aufpasste, sodass sie aufrecht saß. „Sara", sagte er langsam. „Wonach sieht es denn bitte für dich aus?"

Sie lachte, weil sie seinen Gesichtsausdruck unheimlich komisch fand. „Zumindest hältst du es mir aus, was?" Grinsend rutschte sie wieder zu ihm, legte die Hand auf seine Schulter und den Kopf auf ihre Hand. „Ich werd mich niemals wieder mit meinem Vater verstehen, Severus. Niemals, weil er einfach nicht verstehen will. Er hat keine Ahnung und darum darf er nicht solche Sachen über dich sagen."

Er schüttelte den Kopf und seine Haare blieben in ihren hängen. „Vielleicht solltest du ins Bett gehen, bevor du noch mehr Unsinn redest."

„Aber ich bin doch noch gar nicht müde und ich muss morgen auch nicht so früh aufstehen." Sie setzte sich aufrecht hin und langte in ihre Taschen. „Lass uns Süßigkeiten essen."

Sara wusste nicht mehr, worüber sie sich an diesem Abend noch unterhalten hatten. Irgendwann hatte er sich darüber beschwert, dass sie ihn angrinste und später war Maggie gekommen und brachte sie ins Bett. Bevor die Tür zum Schlafsaal sich schloss, hörte sie ihn sagen, dass sie sich am nächsten Morgen nicht bei ihm beschweren sollte. Aber worüber denn?

Am Morgen sollte sie es erfahren. Sie erwachte davon, dass Maggie an ihrer Schulter rüttelte. „Steh schon auf", sagte sie barsch und schob den Vorhang zur Seite. Das Geräusch war wie ein Stich mitten durch ihren Kopf.

„Sei doch bitte leiser", nuschelte sie. Ihr Mund fühlte sich pelzig an und dieser Pelz schien auch ihren Kopf zu füllen. Ihr war schlecht und alles fühlte sich unendlich schwer an.

„Ich denk ja gar nicht dran!", fuhr Maggie sie an. „Hast du eigentlich eine Ahnung, was du gestern alles gesagt hast?" Als Sara die Augen länger aufhalten konnte, sah sie, dass Maggies Augen gerötet waren.

„Nein. Wirklich nicht." Das war keine Lüge. Sie erinnerte sich an kaum etwas vom Abend zuvor. Nur daran, wie sie ... und dann ... Verflucht, dachte sie bei sich.

„Du hast wieder von diesen grässlichen Thestralen angefangen! Davon, wie gern du doch mal einen sehen würdest! Dass du es unfair findest, dass ich sie sehe und du nicht! Weißt du, ich finde das auch unfair, ich würde sie lieber nicht sehen können!" Mit Schwung stand sie auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Aber das ist noch nicht mal das Schlimmste! Du hast gemeint, du würdest eher niemals wieder nach Hause gehen, als dass du die Freundschaft mit Snape beendest. Dass es dir auch egal wäre, wenn er ein echtes Dunkles Mal auf dem Arm hätte!" Jedes dieser Worte spuckte sie aus, als wollte sie es loswerden, und jedes war wie ein Hammerschlag auf Saras Kopf. Durch die Lautstärke. Und durch ihren Inhalt.

„Es tut mir leid!" Sie und zwang sich, sich aufzusetzen. „Ich hab das doch nicht so gemeint", sagte sie flehend. Manches davon. „Und du weißt doch, dass ich das niemals gesagt hätte, hätte ich gewusst, was ich sage!" Sie konnte kaum deutlich sprechen mit diesem ekelhaften Gefühl im Mund.

„Ich weiß ja!", keifte Maggie. „Das ist auch der einzige Grund, warum ich überhaupt noch mit dir rede!" Sie warf das Nachthemd auf ihr Bett und damit mitten auf Athene, die es sich dort zwischen Büchern bequem gemacht hatte. „Aber diese verdammten Idioten, ich sollte zu Professor McGonagall und ihr alles sagen! Die haben dir mit Sicherheit Feuerwhisky in den Saft getan, das war kein einfaches Butterbier!"

„Maggie, bitte." Sara hielt sich den Kopf. „Ich verstehe, dass du wütend bist, aber bitte, sag nichts. Ich werd schon mit ihnen reden."

Sara war im Krankenflügel gewesen und hatte sich einen Trank gegen Übelkeit und Kopfweh geholt. Die Krankenschwester hatte es für eine einfache Erkältung gehalten, weil es draußen ja schon kühl war und da konnte man sich etwas einfangen.

Als sie wieder klarer im Kopf war, hatte sie sich auf die Suche nach den Jungs gemacht und Maggie hatte darauf bestanden, mitzukommen. Gefunden hatten sie die am See, weit und breit war niemand zu sehen.

Niemals hatte Sara Maggie so wütend erlebt. Es war ihr bisher unvorstellbar gewesen, dass dieses runde Gesicht, sonst so freundlich, derart wutverzerrt sein konnte. Sie hielt eine wahrhafte Standpauke, aber Sara fürchtete, dass die vollkommen an James und Sirius vorbeigehen würde, denen das Grinsen nicht aus dem Gesicht gewichen war. Remus gab sich unbeteiligt und Peter schaute zu Boden, aber das konnte auch daran liegen, was er am Abend zuvor getan hatte.

„Noch eine solche Aktion und ich bin schneller bei Professor McGonagall, als ihr schauen könnt!", donnerte Maggie zum Abschluss und fuhr auf dem Absatz herum. Sie hatte Saras Hand genommen und wollte schon gehen.

„Sara, warte mal bitte", hörte sie Sirius sagen, der gar nicht mehr klang, als würde er grinsen.

„Was?", fragte sie gereizt und schaute sich nicht um.

„Ich muss mit dir reden." Sie hörte seine Schritte im Laub, als er näher kam. „Und ich muss dir was zeigen."

„Bist du sicher?", fragte James, bevor Sara die Gelegenheit hatte, etwas zu sagen.

„Ja, ich bin sicher." Sirius atmete tief durch. „Bitte, Sara. Es ist wichtig."

Maggie ließ ihre Hand los. „Ich warte mit dem Essen auf dich. Aber lass es trotzdem nicht zu lang dauern."

„Klar." Sara wollte auch nicht unnötig lang aufgehalten werden, sie merkte langsam, dass sie Mordshunger hatte.

Sirius ging mit ihr über die Wiese und schien sie an einen bestimmten Ort führen zu wollen, sagte kein Wort. Als sie schon fragen wollte, was er vorhatte, blieb er stehen und sie erkannte, dass sie in der Nähe der Peitschenden Weide waren. Niemand kam jemals hierher. Was taten sie nun also hier?

„Kann ich dir vertrauen?", fragte er unvermittelt.

„Was soll die blöde Frage? Natürlich kannst du das." Ihr Blick hing die ganze Zeit an dem Baum, doch er schien sie nicht bemerkt zu haben, war ganz ruhig.

„Du darfst niemandem sagen, dass wir hier waren und dass ich ... Nicht mal Maggie. Kann ich mich drauf verlassen?"

Immer hatte sie sich gewünscht, dass er mal nicht nur grinsen und blödeln würde, aber jetzt machte er ihr fast Angst. Vor allem, weil er sie extra auf Dinge hinwies, die selbstverständlich waren. „Ich werd nicht mal Maggie was verraten", versicherte sie ihm. „Können wir also endlich zum Punkt kommen."

„Dreh dich um und halt dir die Augen zu. Nicht schauen." Er lächelte wieder, wenn auch unsicher.

„Sirius Black, was hast du vor?"

„Das wirst du erfahren, sobald du dich umgedreht hast. Nich gucken, wirklich."

Sie tat also, was er verlangte, und kam sich dumm vor, wie sie da stand, die Hände vor dem Gesicht. Wollte er verstecken spielen? Aber dafür waren sie zu alt. Würde er wegrennen und sie noch ewig hier stehen lassen?

Das zog sie ernsthaft in Betracht, bis etwas sie am Ellbogen anstupste. Sie dachte, es wäre Fang, doch als sie sich umdrehte, erschrak sie heftig. Vor ihr stand ein schwarzer Hund, größer als so manche andere Hunde, die sie kannte. Unsicher schaute Sara sich um, aber sie war allein mit diesem Hund. Und sie begriff.

„Oh, Sirius!", sagte sie leise und hielt sich die Hände vor den Mund. Er war ein Animagus. Tatze. Hieß das, dass die anderen Jungs auch ... Aber wie hatten sie das gemacht? Hatten sie sich das selbst beigebracht, ohne dass jemand es mitbekommen hatte? Aber warum? Natürlich war es sinnlos, ihm jetzt diese Fragen zu stellen, antworten konnte er ja nicht.

Der Hund legte sich auf den Rücken und schaute sie an. Das war die Art Entschuldigung, die sie verstand. Also ließ sie sich ins Laub fallen und kraulte das weiche Fell an seinem Bauch, seinem Hals und seinen Wangen. Eigentlich wollte sie Maggie schon davon erzählen, weil sie es sicher genauso beeindruckend finden würde wie Sara. Aber sie hatte es ja versprochen.

„Sirius, warum hast du mir das nicht früher gesagt? Wir hätten uns so viel Ärger ersparen können!" Plötzlich konnte sie ihm nicht mehr so böse sein wie zuvor, auch wenn sie nichts von dem vergessen würde, was er getan hatte. Aber er war dieser Hund und er hatte es ihr gezeigt, auch wenn er größte Schwierigkeiten bekommen würde, wenn jemand davon erfuhr.

Sie stand auf und sah sich um, ob sie auch wirklich noch allein waren. Doch auch in den Fenstern des Schlosses konnte sie niemanden sehen. Als sie sie wieder zu ihm umdrehte, stand da wieder der Mensch Sirius.

„Frag nicht, warum, Sara. Das kann ich dir nicht sagen. Aber ich hoffe, dass du nicht mehr so sauer auf mich bist."

 

Sara fand es schade, dass sie alle von Maggies Fragen zu ihrer plötzlichen guten Laune abschmettern musste. Als sie gesagt hatte, dass Sirius doch kein so schlechter Kerl sei, hatte Maggie ihr nur den Vogel gezeigt. Vor Severus hatte sie zur Sicherheit gar nichts davon erwähnt, das würde ihn so oder so nicht interessieren.

  Tatsächlich stellte sich heraus, dass er mit Sara ganz andere Sachen vorhatte. Am Mittwoch hatten beide den Nachmittag frei, Maggie verbrachte die freie Zeit mit Cecilia, weil die Geburtstag hatte.

  Severus brachte sie in ein leeres Klassenzimmer. „Du hast gesagt, ich könnte dich um etwas bitten.“ Er stellte sich mitten in den Raum.

  „Ja, und das gilt immer noch.“ Sara war gerade im Begriff, sich auf einen der Tische zu setzen, die an der Wand aufgereiht standen, doch er deutete auf einen Punkt am Boden etwas entfernt von sich. Dort stellte sie sich jetzt hin. Als er seinen Zauberstab zog, tat sie es ihm gleich. „Was wird das?“

  „Ungesagte Magie“, antwortete er. „Hausaufgabe für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Ich möchte, dass du mich angreifst“, fügte er nach einer kurzen Pause an, als wäre das vollkommen selbstverständlich.

  Sara fand das gar nicht und nahm den Zauberstab hinter ihren Rücken. Sicher wollte sie ihm bei seinen Hausaufgaben helfen, ihm aber dabei auch nicht wehtun. „Ich kann doch nicht…“

  „Ich dachte, ich könnte dich um alles bitten“, unterbrach er sie kühl. Da hatte er einen Punkt, schließlich hatte sie das in diesem Moment auch wörtlich gemeint. Doch mit so einer Bitte hatte sie nicht gerechnet. „Du sollst mich ja nur entwaffnen“, ergänzte er, es musste wohl etwas in ihrem Blick liegen.

  „Na schön.“ Nach einem kurzen Moment des Zögerns hob sie ihren Zauberstab. „Expelliarmus!“, rief sie auf sein Zeichen hin.

  Severus zog die Brauen zusammen, wie um sich zu konzentrieren. Doch der Schutzzauber, den er wohl hatte wirken wollen, kam nicht zustande und der Zauberstab fiel ihm aus der Hand, landete außerhalb seiner Reichweite unter einem Tisch.

  „Entschuldige“, sagte Sara schnell und hob ihn auf, bevor Severus dazu kam.

  Er riss ihn ihr beinah aus der Hand, als sie ihn ihm reichte. „Lass das. War doch klar, dass es nicht beim ersten Mal klappen würde.“

  Es klappte auch nicht beim zweiten Mal. Oder beim dritten. So richtig klappte es gar nicht, nur beim letzten Versuch war der Ansatz eines Schutzschildes zu erkennen, der dem Entwaffnungszauber jedoch ebenfalls nicht standhalten konnte.

  „Hast du morgen was vor?“, fragte er in der Tür.

  „Bin zum Tee bei Hagrid eingeladen“, antwortete sie. „Aber dann hab ich mir bis nächste Woche nichts groß vorgenommen. Wenn also nicht gerade ein Spiel ansteht oder wir viele Hausaufgaben aufhaben, können wir gern weiterüben.“ Auch wenn sie sich nach wie vor unwohl dabei fühlte.

  Er nickte nur, ließ sie vorbei und schloss die Tür hinter sich. „Hast du deine Zaubertrankhausaufgabe schon gemacht?“

  Die Frage überraschte sie. Natürlich wusste er, dass sie sich auch um diesen Trank so lang wie möglich gedrückt hatte, was das in gewisser Weise zu einem Angebot machte. Als Gegenleistung für ihre Hilfe? Eigentlich wollte sie sagen, dass das nicht sein musste. „Nein“, sagte sie stattdessen und lächelte verlegen. „Eigentlich wollte ich dich schon fragen, ob du mir helfen kannst.“ Im Vorbeigehen sah sie nur aus dem Augenwinkel, wie er lächelte – und ließ den Gedanken einfach nicht zu, dass da auch Hohn mitspielte.

 

Der Trank war schon beinah fertig, als Maggie in den Gemeinschaftsraum kam. Sie blieb neben Sara am Tisch stehen und wollte wohl etwas sagen. Aber sie schwieg, als Sara eine Hand hob, um zu signalisieren, dass sie sich beim Rühren konzentrieren musste. Einmal zu viel und es kann eine Katastrophe geschehen, hatte er damals gesagt und im Unterricht hatten mehrere ihrer Klassenkameraden bewiesen, dass das keine Übertreibung gewesen war.

  „Peter steht draußen im Gang“, sagte Maggie also erst, als Sara fertig war und darauf wartete, dass die Flüssigkeit in ihrem Kessel die gewünschte dunkelblaue Färbung annahm. „Er denkt wahrscheinlich, dass er sich hinter der großen Schlangenstatue versteckt hat und ich ihn nicht gesehen hab.“

  Sara nahm den Blick nicht von ihrem Kessel. „Meinst du, er ist wegen mir hier?“

  Maggie schnalzte mit der Zunge. „Natürlich ist er wegen dir hier, weswegen denn sonst? Die Frage ist nun nur, ob du zu ihm raus gehen willst.“

  Die Antwort auf diese Frage kannte Sara selbst nicht. Seit Halloween hatte Peter sich von ihr ferngehalten, sie nicht einmal angesehen, wenn sie sich doch auf dem Gang begegnet waren. Normalerweise hätte sie das für eine Beleidigung gehalten, aber nun war es ihr ganz recht. Wann immer sie ihn sah, musste sie an diesen Kuss denken und konnte spüren, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.

  Um etwas Zeit zu gewinnen, wischte sie also die Zutatenreste vom Tisch und wandte sich an Severus, der neben ihr saß und zwischen seinen Anweisungen nur stumm in den See vor den Fenstern gestarrt hatte. „Danke vielmals.“

  Er nickte nur kaum merklich mit dem Kopf und starrte weiter. Vielleicht eine Konzentrationsübung. Konzentration war das Wichtigste bei ungesagter Magie, hatte er auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum erklärt. Dabei war sein Ton so tadelnd gewesen, dass sie sich fragte, ob er ihr damit etwas Spezielles mitteilen wollte.

  „Was meinst du?“, fragte Sara, als sie mit Maggie zusammen den Kessel unter den Tisch stellte. „Soll ich gehen oder nicht?“

  Ihre Freundin legte den Kopf schief. „Solltest du das nicht selbst wissen, ob du ihn sehen willst oder nicht? Aber ich glaube, du solltest in beiden Fällen gehen, damit er bescheid weiß und nicht noch dort draußen Wurzeln schlägt.“

  Da hatte sie wohl recht, also nickte Sara und ging hinaus auf den Gang. Dort fand sie tatsächlich Peter, der halb im Schatten einer großen Kobrastatue an die Wand gelehnt stand und sich gerade, als sie in seine Richtung ging, weit dahinter hervorlehnte.

  Natürlich erkannte er sie und wandte sofort den Kopf in die andere Richtung, machte einen Schritt in ebendiese und sah ziemlich komisch aus, wie er da ganz unschlüssig stand. Doch genauso unschlüssig blieb Sara ein paar Schritte von ihm entfernt stehen. „Hallo, Peter“, sagte sie leiser, als sie es beabsichtigt hatte.

  „Sara“, hauchte er und selbst im schwachen Licht der Kerzen konnte sie erkennen, wie sein Blick an den Wänden entlang sprang, um etwas zu finden, das er anschauen konnte. Doch die Kerkergewölbe waren kahl, nur hier und dort fanden sich Spinnweben.

  „Bist du aus einem bestimmten Grund hier?“, fragte sie, obwohl sie es doch wusste. Von allein würde er wahrscheinlich niemals anfangen, also musste sie dieses Mal die Initiative ergreifen. Aber wozu eigentlich?

  „Äh… Ja!“ Er schaute sie an und wirkte, als wäre es ihm in diesem Augenblick selbst er wieder eingefallen. „Also, am Sonntag… Das…“

  „Das war schön“, beendete sie den Satz hastig, um es endlich loszuwerden. Die Erinnerung war verschwommen, aber sie hatte kein schlechtes Gefühl dabei. Im Gegensatz zu anderen Dingen, die an jenem Abend geschehen waren. „Etwas unerwartet, aber schön.“

  Er lächelte nervös. „Ja… Ich fand es auch schön. Aber eigentlich hatte ich das nicht gewollt…“ Peter machte eine Pause und zog eine gequälte Grimasse, als ihm klar wurde, was er da gerade gesagt hatte. „Versteh mich bitte nicht falsch! Ich wollte schon, nur … wollte ich dich damit nicht so überfallen.“

  Sara lächelte mild, unterdrückte ein Kichern und machte einen Schritt auf ihn zu. „Du wolltest schon?“ Wie sie so langsam begriff, was das hieß, machte sich ein seltsames Gefühl in ihrer Magengrube breit. Das war wohl das, von dem Tabitha einst gesagt hatte, es würde sich wie Schmetterlinge anfühlen. Für Sara war es eher, als würde ein Niffler sich auf der Suche nach Gold quer durch ihren Bauch graben.

  Aus irgendeinem Grund wirkte Peter erleichtert und trat hinter der Statue hervor, sodass sie nur noch einen Schritt voneinander entfernt standen. „Genau, es ist … schon eine Weile … Weißt du …“ Er druckste herum, wurde rot, wippte von den Zehen auf die Ballen und sie konnte sehen, wie er mit irgendetwas spielte, das sich in der Tasche seines Umhangs befand. „Außerdem wollte ich dir was zeigen.“

  Damit sprach er die Neugierde in Sara an und sofort war die bisherige Unbehaglichkeit der Situation verschwunden. „Ach ja? Was denn?“

  Peter schaute sich über die Schulter und obwohl weit und breit niemand zu sehen war, schüttelte er den Kopf. „Das kann ich nicht hier machen. Komm mit.“ Er streckte den Arm nach ihr aus, hielt jedoch inne, kurz bevor ihre Hände sich berührten. Bevor die Unbehaglichkeit zurückkehren konnte, griff Sara einfach nach ihm und sie gingen nebeneinander durch den Gang zur Treppe.

 

Peter führte sie ohne ein Wort in einen leeren Gang. Sara hatte Angst, von den Schülern, denen sie begegneten, seltsam angeschaut zu werden, aber niemand schenkte ihnen mehr Beachtung als gewöhnlich, worüber sie erleichtert war.

  Nachdem er sich vergewissert hatte, dass wirklich niemand in der Nähe war, setzte er sich auf eine Fensterbank und klopfte neben sich, damit Sara ebenfalls Platz nahm. Als sie saß, zog er etwas aus seinem Umhang. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Stück leeres Pergament, aber sie wusste genau, was das ist. Damit wussten die Jungs immer, ob die Luft rein war, und es hatte ihnen damals auch irgendwie ihren Namen verraten. Wollte Peter sie nun tatsächlich in dieses Geheimnis einweihen? Hatte er das mit den anderen abgesprochen? Irgendwie kam es ihr nicht so vor. Sirius hätte es sich auf keinen Fall nehmen lassen, ihr Gesicht zu sehen.

  „Erzähl bitte keinem was davon“, war das Erste, was er sagte und damit bestätigte er ihre Annahme. Extra für sie riskierte er es, wie ein Verräter dazustehen. „Das hier ist die Karte des Rumtreibers“, erklärte er, als sie genickt hatte. „Ich zeig sie dir, aber ich werd dir nicht verraten, wie sie funktioniert.“

  „In Ordnung.“ Sie wollte auch gar nicht, dass das heimlich geschah. Wenn, dann wollte sie es offiziell von ihnen allen beigebracht bekommen. Schließlich wäre es sonst ein Verrat auch von ihrer Seite.

  Peter lächelte erleichtert, wohl weil sie nicht widersprochen hatte, und zog den Zauberstab. Er ließ Sara nicht aus den Augen, während er ein paar Worte murmelte und die Spitze seines Zauberstabs auf die Mitte des Pergaments drückte. Von diesem Punkt aus breiteten sich Linien aus, verzweigten sich, dazu tauchten sich bewegende Punkte auf. Schließlich durfte Sara feststellen, dass dort ein Grundriss des Schlosses abgebildet war – inklusive der Bewohner. Sie suchte nach den Kerkern und fand dort tatsächlich die Namen von Maggie und Severus. Dort, in einem anderen Flügel des Schlosses, wurde Filch angezeigt, der gerade auf Patrouille war.

  „Schau mal hier.“ Peter deutete auf einen Gang. Dort standen Sara Crowfield und Peter Pettigrew. Zur Verdeutlichung drückte er ihr die Karte in die Hand und lief ein paar Schritte, der Punkt auf der Karte tat es ihm gleich.

  „Das ist großartig.“ Für eine Weile beobachtete Sara Professor Dumbledore, der in seinem Büro auf und ab ging. Dort saß auch Fawkes, unbeweglich auf seiner Stange. „Wo habt ihr die denn her?“

  Peter straffte die Schultern und lächelte. „Die haben wir selbst gemacht. Und sie zeigt auch alle Geheimgänge, die wir bisher entdeckt haben.“

  Anerkennend pfiff Sara durch die Zähne und schaute sich die Karte etwas genauer an. Ihr fiel ein Gang etwas abseits der Schule, aber noch auf dem Gelände auf. „Was ist…“

  Bevor sie weiter kam, nahm Peter ihr vorsichtig, aber doch bestimmt die Karte aus der Hand und faltete sie zusammen. „Das ist gar nichts“, sagte er hastig. „Also, wie gesagt, bitte verrat niemandem was hiervon.“ Mit einem kurzen, leisen Spruch wurde aus der Karte wieder ein bloßes Pergament.

  „Keine Sorge, Peter. Danke, dass du mir die Karte gezeigt hast.“ Insgeheim fragte sie sich natürlich, was es mit diesem Gang auf sich hatte und warum er so – für seine Verhältnisse – heftig reagiert hatte. Aber irgendwann würde sie es schon herausfinden, wenn es nicht gerade etwas war, das sie wirklich nicht wissen sollte.

  Er steckte das Pergament in seinen Umhang und schaute sie dabei nicht an. In sein Gesicht war die Röte gestiegen, was sie sich nicht erklären konnte. „Außerdem wollte ich … Also …“ Er knetete seine Hände und starrte sie an, stammelte immer wieder dieselben Worte. „Ich … also… Ich hab… Ich hab dich gern, Sara.“

  Sie fragte sich, warum er da so ein Brimborium machte, das wusste sie doch. „Ich dich auch, Peter“, antwortete sie also lächelnd, auch wenn sie sich sicher war, dass er das ebenfalls wusste.

  Doch er schaute ihr ins Gesicht und wurde noch etwas röter. „Ja, aber ich meinte, ich … wir…“

  Und wieder ging es zu schnell, als dass sie einfach hätte begreifen können. Wieder spürte sie seine Lippen auf ihren und konnte diesmal nicht den Feuerwhisky dafür verantwortlich machen, dass ihr heiß wurde. Der Niffler in ihrem Bauch hatte wohl einen großen Klumpen Gold gefunden und führte ein Tänzchen auf, so kam es ihr vor. Doch es währte nicht lang, und als sie gerade zu dem Schluss gekommen war, dass es doch ganz schön war, was hier passierte, löste er sich von ihr, starrte sie für einen Augenblick aus großen Augen an und rannte dann, als wäre Filch hinter ihr aufgetaucht. Zur Sicherheit schaute sie nach, doch sie stand ganz allein im Flur.

Es war Dezember und trotz des Ofens war es kalt im Schlafsaal. So kalt, dass Sara kaum schlafen konnte, obwohl sie eng an Maggie und Athene gekuschelt unter der Decke lag. Sie hatten sich extra hingelegt, weil sie in der Nacht Astronomie hatten und sich vorher etwas ausruhen wollten, aber so recht ging es nicht. Zusätzlich schob Sara es auf den Vollmond, der es ihr nie wirklich leicht machte. Und das, obwohl man ihn von hier unten aus nicht einmal sehen konnte.

  Das Problem schien Maggie nicht zu haben, sobald sie gelegen hatte, hatte sie sich zusammengerollt und war eingeschlafen.

  Doch auch sie wurde hellwach, als aus dem Gemeinschaftsraum ein Poltern zu hören war. Die anderen Mädchen hörten es wohl auch, fanden es aber nicht wichtig genug, um aufzustehen. Sara schon. Sie hatte sich die ganze Zeit gefragt, wo Severus gewesen war, nach dem Abendessen war er verschwunden.

  Maggie saß noch blinzelnd im Bett, da war Sara schon an der Tür, doch als sie in den Gemeinschaftsraum kam, war ihre Freundin im Morgenmantel hinter ihr. Der Raum war leer, bis auf Severus, der schwer atmend auf einem Sofa saß, das etwas schief im Raum stand. Anscheinend war er darauf gefallen und das hatte auch diesen Krach verursacht. Einen anderen Grund als Anstrengung schien es aber auf den ersten Blick nicht zu geben.

  Auf den zweiten schon. Sein Haar war nass und es hingen Zweige dazwischen. Als sie um das Sofa herum ging und ihm ins Gesicht sah, erkannte sie im schummrigen Licht ein dünnes Rinnsal Blut, das an seiner Schläfe herab lief. Sein Umhang war ebenso nass und überall waren kleine Risse. Im Grunde sah er aus, als wäre er durch ein Dornengestrüpp gewatet oder über den Boden gezogen worden.

  Als er sie sah, wandte er den Blick ab.

  „Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Maggie halb belustigt.

  Sara warf ihr einen wenig wirkungsvollen strengen Blick zu und setzte sich neben Severus. Maggie ließ sich auf der Lehne neben ihr nieder, schräg, sodass sie jederzeit einfach wieder gehen konnte. Warum war sie nicht im Bett geblieben? Weil die Neugier immer wieder siegte, wie oft sie auch betonte, dass die ganze Sache sie nicht interessierte?

  Sie fragte nicht noch einmal nach, wartete nur. Es hätte genauso gut sein können, dass er einfach aufstand und ging, aber er blieb einfach nur sitzen, ohne sie anzusehen. „Dieser verdammte Baum“, war das erste, was er sagte.

  Maggie beugte sich vor und ihre Locken kitzelten Saras Nacken. „Halluzinierst du, oder was? Ist dir ein Zaubertrank zu Kopf gestiegen?“

  „Maggie!“ Sara zog ihr an den Haaren. „Könntest du das bitte lassen?“ Es war unmöglich von ihr, dass sie offenbar einfach mitgekommen war, um blöde Fragen zu stellen.

  Unsanft nahm Maggie Saras Finger von ihren Haaren und rutschte von der Lehne. „Ja, tut mir leid, ich hätte mich nur gern noch etwas ausgeruht, bevor wir die halbe Nacht damit verbringen, in den Himmel zu glotzen.“ Sie rauschte durch den Raum und blieb an der Tür zum Schlafsaal stehen. „Ich warte im Bett, vielleicht kommst du ja nach.“

  Zugegebenermaßen war Sara mächtig überrascht von Maggies gereizter Reaktion. Was war ihr Problem? Sollte sie ihr nachgehen? Aber nein, sie hatten genug Zeit und im Moment war es wichtiger, zu erfahren, was mit Severus los war. Später musste sie aber unbedingt mit ihr darüber sprechen.

  „Was für ein Baum?“, fragte sie, als hätte es Maggies Auftritt überhaupt nicht gegeben. Auf der Suche nach ihrem Taschentuch griff sie sich an das Nachthemd, doch es war leider nicht ihr Umhang und hatte keine Taschen. Stattdessen zupfte sie ihm Blätter aus den Haaren und von den Schultern.

  „Lass das!“, fuhr er sie an und schlug ihre Hand weg. In derselben Bewegung drehte er sich zu ihr um. „Die Peitschende Weide meine ich! Welcher Baum könnte denn sonst so was anrichten?“

  Sara brauchte einen Moment, um zu begreifen. Man erzählte von diesem Baum, etwas abseits vom Schulgebäude, dem man sich besser nicht näherte, denn der Name kam nicht von ungefähr. So hatte sie zumindest gehört, denn selbst war sie niemals auch nur in die Nähe gegangen. Wenn sie sich jetzt allerdings in Erinnerung rief …

  „Was hast du denn da zu suchen?“ Mit dem Ärmel ihres Nachthemds wischte sie etwas Blut von seiner Stirn, wodurch sie es jedoch noch mehr verschmierte.

 „Ich bin drauf reingefallen“, antwortete er nur und wehrte sich jetzt nicht, als sie damit fortfuhr, ihm kleine Zweige und Blätter aus den Haaren zu pulen. „Ich hätte es wissen müssen, wieso hab ich mich eigentlich darauf eingelassen?“

  „Wovon redest du?“, fragte Sara und unterbrach damit sein Gemurmel. Langsam machte sie sich ernsthafte Sorgen. „Schau mich an.“

  Sie sahen sich in die Augen und abgesehen von seinem zerkratzten Gesicht machte er den gewohnten, beinah Angst einflößenden Eindruck. „Ich bin voll und ganz da“, fauchte er sie an.

  „Aber vielleicht sollten wir trotzdem zu Madam Pomfrey gehen“, schlug Sara vor und wollte aufstehen, aber er hielt sie zurück, sodass sie wieder auf die Polster sank. Dabei wäre es wirklich besser, sie würde zumindest nach ihm sehen. Selbst wenn es nicht sehr gefährlich aussah, war es immer besser, auf Nummer sicher zu gehen.

  „Sie ist nicht da“, stellte er mit einer Sicherheit fest, die sie sich erst nicht erklären konnte. Aber wahrscheinlich war er dort gewesen, bevor er hergekommen war. Nur, wo war sie denn?

  Sie setzte sich auf ihre Hände, weil sie nicht wusste, was sie sonst damit tun sollte. „Dann erzähl mir doch bitte von Anfang an, was passiert ist, Severus. So, dass ich es auch verstehe.“

  „Dir kann auf keinen Fall entgangen sein, was mit Remus Lupin los ist“, sagte er leise und wandte den Blick ab. Es kam ihr vor, als spräche er nur halb mit ihr und eigentlich mit jemandem, der gar nicht da war. Ging es ihm wirklich so gut, wie er sagte?

  „Remus ist … krank“, wiederholte sie das, was die Jungs ihr immer sagten, wenn sie merkte, wie schlecht es ihm manchmal ging. Sie fragte dann nicht weiter und hatte bisher versäumt, ihn selbst darauf anzusprechen. Es ging sie ja auch gar nichts an, sonst hätte es sicher schon jemand für nötig befunden, es ihr mitzuteilen.

  „Komisch, dass er immer einmal im Monat so krank wird“, bemerkte Severus und Sara verstand den spöttischen Unterton nicht. Was immer es war, es musste etwas Ernstes sein, also nichts, worüber man sich lustig machen sollte. Sie verstand ebenfalls nicht, warum er damit nun angefangen hatte.

  „Was hat Remus damit zu tun?“, fragte sie und daran, wie er sie nun ansah, erkannte sie, dass sie ihn augenscheinlich aus einem Gedanken gerissen hatte.

  „Black“, sagte Severus jetzt und Sara hätte fast erneut gefragt, ob sie nicht lieber Professor Slughorn aufsuchen sollten. Aber sie kam nicht dazu, denn er fuhr fort. „Er hat gesagt, wenn ich wissen wolle, was mit Remus los ist, sollte ich zur Peitschenden Weide gehen. Darunter ist ein Gang, kannst du dir das vorstellen? Ich war schon dort drin, als …“ Unvermittelt verstummte er.

  „Als was?“, hakte Sara nach. Wie sie versuchte, einen Zusammenhang zwischen Remus und dem Baum herzustellen, kam ihr die Karte in den Sinn, die Peter ihr gezeigt hatte. Da war dieser Gang gewesen, konnte das in etwa dort bei der Weide sein? Die stand noch nicht lang dort, war wenige Jahre, bevor Sara auf die Schule gekommen war, gepflanzt worden. Wegen Remus? Aber wieso? Oder war das vielleicht nur wieder ein besonders dummer Scherz der Jungs gewesen?

  „Dann …“, sagte Severus zögerlich, „hat mich irgendetwas aus dem Gang gezogen und die Weide begann, um sich zu schlagen. Ganz so viel hab ich nicht abbekommen, ich konnte rechtzeitig abhauen.“

  Selbst Sara bemerkte in diesem Moment, dass er ihr etwas verschwieg. Dass er wusste, wer oder was ihn aus dem Gang hervorgezogen hatte, es ihr aber aus welchen Gründen auch immer nicht sagen wollte. Doch sie beschloss, nicht weiter nachzufragen.

 

  Schweigend hatten sie sich darauf geeinigt, dass das Gespräch an dieser Stelle beendet war, und während Severus ins Bad gegangen war, um sich zu waschen, hatte Sara sich umgezogen. Die Gedanken rasten in ihrem Kopf, an Ruhe war im Moment gar nicht zu denken. Maggie hingegen schlief und bemerkte sie gar nicht, was ihr ganz recht kam. Später würde sie mit ihr darüber sprechen, aber nicht jetzt.

  Nebeneinander saßen sie wieder auf dem Sofa, umgeben von den Blättern und Zweigen, die Sara einfach achtlos fallen gelassen hatte, beide tief in Gedanken versunken.

 

„Schlimm mit dir“, sagte Maggie, als sie oben im Astronomieturm an ihren Teleskopen standen und Jupiter suchten. Dabei klang sie wie eine alte Dame, die mit ihrem kleinen Hund schimpfte, weil er etwas umgeworfen hatte. „Ein falsches Wort und du gehst hoch wie von der Acromantula gestochen.“

  „Ja, ja, davon musst du grad reden“, gab Sara zurück. Sie meinte das ja gar nicht böse, und es war unbestreitbar, dass auch Maggie manchmal übertrieben reagierte.

  Maggie schnalzte mit der Zunge und schaute an ihrem Teleskop vorbei in den Himmel. „Das ist ja wohl ein gewaltiger Unterschied, mir geht es um Weltanschauungen und Moral und solche Sachen.“

  Sara verkniff es sich, zu kichern. Witzig war es ja schon, wie wichtig Maggie sich vorkam, wenn sie von so was sprach, aber im Grunde hatte sie wohl recht. „Und mir geht es um meine Freunde. Weißt du, ich würde genauso reagieren, wenn jemand solchen Mist mit dir machen würde.“

  „Bist du sicher?“, fragte Maggie gerade leise genug, damit Professor Sinistra sie nicht hören konnte, und der Ernst in ihrem Ton versetzte Saras Herz einen winzigen Stich. Gerade sie sollte nicht zweifeln, und doch schien sie alle Gründe dafür zu haben.

  Sara konnte sich sogar vorstellen, woran das lag, in diesem Moment wurde es ihr klar. „Ja, das meine ich“, antwortete sie trotzig. „Jeder hat eben so seine Themen, bei denen er empfindlich ist.“

  Maggie nickte nur hastig und sagte nichts dazu, was vielleicht auch daran lag, dass Professor Sinistra auf ihrem Rundgang durch die Klasse bald in ihrer Nähe ankam. So lang die Lehrerin in Hörweite war, beobachteten sie schweigend Jupiter.

  Für den Rest der Stunde kam das Thema nicht noch einmal zur Sprache, aber Sara war klar, dass es noch nicht vom Tisch war.

 

Nach einem wahren Schneesturm am Morgen war der Nachmittag des nächsten Tages sonnig und die Mädchen beschlossen, ein letztes Mal für dieses Jahr ein bisschen zu fliegen. Dafür hatte Sara sogar Severus abgesagt, der mit ihr hatte weiterüben wollen, und sie hoffte, dass Maggie diese Geste verstand. Ungesagte Magie konnten sie immer üben, aber dieses Wetter musste man ausnutzen.

  Während sie sich gegenseitig über das Quidditchfeld und das Schulgelände jagten, musste Hagrid auf den Wiesen Wege freischaufeln, weil der Schnee so hoch lag wie ein durchschnittlicher Erstklässler groß war. Um ihn herum flogen immer wieder kleine Wölkchen, wenn Fang einen Satz in einen Schneehaufen machte.

  Trotz des Sonnenscheins war es klirrend kalt, Sara schob sich ihren Schal über den Mund und achtete dabei darauf, die zweite Hand nicht unnötig vom Besenstiel zu nehmen. Maggie freilich hatte keine Probleme damit, flog an Sara vorbei und um sie herum und schien ganz in ihrem Element.

  Dann verlor sie ihre Mütze und beim Versuch, sie aufzufangen, fiel Sara beinah vom Besen. Mit der Wollmütze in der Hand bemerkte sie überhaupt erst, wie steif und kalt ihre Finger waren.

  „Wollen wir’s gut sein lassen?“, rief sie Maggie zu und wedelte mit der Mütze in der Hand.

  „Ach, nein!“, rief Maggie zurück und flog auf Sara zu. „Es wird doch gerade erst dunkel.“ Sie streckte die Hand aus, um sich ihre Mütze geben zu lassen, und Sara sah, dass auch Maggie ihre Hand kaum mehr öffnen konnte.

  „Dann musst du aber ohne die hier weiterfliegen – oder du schnappst sie dir.“ Grinsend steckte Sara sich die Mütze hinter den Schal, damit sie nicht verloren gehen konnte, und flog in Richtung Quidditchfeld.

  „Hey!“, hörte sie Maggie hinter sich rufen. „Sei ein braves Hundchen und bring sie her!“

  „Vergiss es!“, rief Sara über die Schulter. „Musst mich schon fangen!“ Das Reden war unangenehm durch die eisige Luft, also zog sie den Schal wieder über den Mund.

  Maggie ging es wohl ganz ähnlich, denn sie antwortete nicht. Mehrmals kam sie Sara gefährlich nahe, aber die hatte auch das eine oder andere Ausweichmanöver gelernt. Ganz knapp kam sie als erstes auf dem Feld an, und als sie triumphierend mit Maggies Mütze wedeln wollte, geriet sie aus dem Gleichgewicht und landete mitten im Schnee. Tief gefallen war sie zum Glück nicht, und weich gelandet, der Besen kam ebenfalls neben ihr zu liegen, doch sofort war sie ganz durchnässt.

  „Hast du dir was getan?“, fragte Maggie besorgt und sprang direkt neben Sara vom Besen ab. Sie half ihr auf die Beine, wobei Sara ihr eine Ladung Schnee entgegen wirbelte.

  „Nein, ich bin in Ordnung“, sagte sie und klopfte den Schnee von Maggies Mütze, bevor sie sie ihr wiedergab. „Aber ich muss mich auch zum Trocknen aufhängen.“ Sie strich sich gefrorene Haarsträhnen aus dem Gesicht und hob den Besen auf. „Ich geh zu Hagrid, willst du mitkommen?“

  Maggie lachte und schüttelte sich, schlang ihren Umhang enger um sich. „Ja, heute komm ich echt gern mit.“

 

  Nachdem sie die Besen weggebracht und bei Hagrids Hütte angekommen waren, trat er gerade heraus und zündete seine Laterne an. Offenbar war er auf dem Weg zu seinem allabendlichen Kontrollgang durch den Wald.

  Sara fragte nicht, ob er sie mitnehmen würde, da Maggie ganz bestimmt nicht dorthin wollte, wo vielleicht die Thestrale auf sie warteten. Stattdessen bat sie darum, in der Hütte zu warten und Tee kochen zu dürfen.

  Etwas überrascht schaute er auf Maggie, aber dann lächelte er. „Natürlich, macht es euch gemütlich. Und lasst mir was übrig. Ich hab auch noch Kekse, bedient euch.“

  „Danke sehr.“ Sara nahm Maggie an der Hand und schlüpfte in die Hütte, in der es mollig warm war. Endlich konnte sie den Winterumhang ausziehen und auf der Lehne eines Stuhls ausbreiten, der nah des Kamins stand.

  Maggie tat es ihr nach und schien sich zu bemühen, nicht an die Decke zu schauen, wo wie immer tote Vögel und Marder hingen. Sie nieste und ließ sich in einen Sessel fallen, in den Sara auch noch passen würde. „Keine Kekse für mich, bitte.“

  Zur Antwort hob Sara nur die Schultern und setzte einen Kessel mit Wasser auf. „Es tut mir leid“, sagte sie und drehte zu Maggie um. In diesem Augenblick wusste sie, was, und sie meinte es auch. „Wir sollten mehr solcher Nachmittage haben und auch sonst …“ Nach Worten suchend musterte sie die großen, etwas unförmigen Kekse auf dem Tisch eindringlich. „Hab ja selbst keine Ahnung, was ich mir manchmal denke, aber …“

  Maggie schüttelte den Kopf und gab Sara dadurch frei. „Ich glaub, ich weiß schon“, sagte sie mit einem Lächeln. „Ich hab es dir schon einmal gesagt, da sind Dinge, die du einfach nicht sehen willst. Und um nicht an diese Dinge erinnert zu werden, blockst du ab und fängst an zu beißen.“

  Darauf konnte Sara nur nicken, denn sie wusste, dass Maggie es genau auf den Punkt gebracht hatte. All diese Dinge waren ihr bewusst, aber schlichtweg persönlich egal. Das hatte sie aber nicht vor, zu sagen. „Können wir versuchen, deswegen nicht mehr zu streiten?“ Unsicher schaute sie ihrer Freundin ins Gesicht.

  Maggies Lächeln wurde wärmer. „Können wir versuchen“, sagte sie. „Und lange böse sein kann ich dir auch nicht, dazu hast du den Hundeblick viel zu gut drauf.“

Die letzte Prüfung der OWLs würde Verwandlung sein und stand am nächsten Tag an. Im Gegensatz zu Maggie, die schon alle Übungsaufgaben mit Bravour gemeistert hatte, blickte Sara ganz pessimistisch auf ihre Teekanne, die eigentlich eine Bisamratte sein sollte. Bisher war nicht einmal der Ansatz eines Fells zu sehen, obwohl das noch zu den leichteren Aufgaben gehörte. Andere Sachen hatte sie ganz passabel hinbekommen, aber immer da, wo Tiere im Spiel waren, haperte es.

  Von sich selbst enttäuscht blickte sie auf die Uhr und stellte gleichzeitig mit Erleichterung und Entsetzen fest, dass es schon nach drei war. Mit Entsetzen, weil die Zeit nur so verflogen war, mit jedem Ticken kam die Prüfung näher. Mit Erleichterung, weil die NEWTs vorbei waren und Sirius sich bereit erklärt hatte, ein letztes Mal mit ihr zu üben.

  Darum schnappte sie sich jetzt ihre Kanne und ging nach draußen, wo sie die Jungs an einem schönen Tag wie diesem vermutete. Auf der Treppe begegnete sie Severus, der ihr jedoch nur zunickte und dessen Gesichtsausdruck nichts über sein Gefühl bezüglich der Prüfung verriet. Aber da machte sie sich keine großen Sorgen, es war nur Zaubereigeschichte.

  Sie fand die Jungs genau dort, wo sie sie vermutet hatte: am See. Lily war nicht dabei, was Sara ein bisschen wunderte, weil sie sonst immer in der Nähe war, seit James und sie irgendwann während des Schuljahres zusammengekommen waren. Das hatte wohl nicht nur Sara ziemlich überrascht, schließlich hatte es zuvor so ausgesehen, als würde sie ihn einfach hassen für all das, was er angestellt und wie er sich in ihrer Gegenwart benommen hatte. Allerdings, so musste selbst Sara zugeben, hatte er sich wirklich gebessert – und Sirius auch.

  Die Jungs standen auf, als Sara sie erreicht hatte, und begrüßten sie, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen. Nur Peter blieb sitzen und schaute sie nicht an. Er schaute sie fast nie an und ging ihr auch sonst aus dem Weg, bis auf einige Tage, an denen er sie stammelnd zu irgendetwas einlud. Meist geschah das, nachdem Sara mit Sirius geübt hatte oder wenn sie sich einmal erbarmte und mit ihm in die Drei Besen ging. So richtig schlau wurde sie nicht aus ihm.

  „Wie war die Prüfung?“, fragte sie, konnte die grobe Antwort jedoch schon aus ihren Gesichtern ablesen.

  „Gar nicht der Rede wert“, sagte James Potter und winkte ab. „Die Hälfte der Zeit, die wir in der Bibliothek verbracht haben, um zu lernen, hätten wir uns sparen können, so einfach war das.“ Er grinste, als Remus und Sirius nickten. Nur Peter sah nicht aus, als wäre es ihm ebenso leicht gefallen.

  „Hab schon mal ein O drauf geschrieben, damit sie sich nicht die Mühe machen müssen“, sagte Sirius und legte einen Arm um Sara. Sie glaubte ihm das natürlich nicht, nicht einmal er würde das wagen. „Und du willst jetzt, dass du das auch morgen bei deiner Prüfung machen kannst, ja?“

  „Nein, ein O verlang ich ja gar nicht. Lauter As würden mir völlig reichen.“ Sie nahm seine Hand und wollte mit ihm zusammen schon über die Wiese gehen, doch er hielt sie zurück.

  „Warte mal bitte“, sagte Remus. „Vorher haben wir noch etwas mit dir vor, Sara.“ Er lächelte, und sie schaute in die Gesichter von James und Sirius, um einen Anhaltspunkt zu erhalten, wovon er sprach, fand jedoch keinen wirklichen. Nur hatte sie nicht das Gefühl, als ginge es diesmal um einen Streich.

  Peter war jetzt aufgestanden und hatte sich hinter Remus gestellt, als würde er sich verstecken. „Danke, dass du uns die ganze Zeit geholfen hast“, flüsterte er, zu Boden schauend. „Jetzt wollten wir uns auf gewisse Art und Weise revanchieren. Wenn du Zeit hast.“

  „Ja, sicher… Aber worum geht es denn?“, fragte sie Sirius, der ganz dicht an sie getreten war und seine Finger mit ihren verschränkt hatte.

  „Das können wir dir hier nicht verraten. Dafür gehen wir besser irgendwo hin, wo wir ungestört sind.“

 

  James war vorausgegangen und hatte sich ein leeres Klassenzimmer ausgesucht, dessen Tür er mit Alohomora öffnete. Sie schlüpften hinein und Peter blieb an der Tür stehen, um zu lauschen, während Sirius und Remus Stühle um eine Schulbank herum aufstellten. Sirius zog Sara sogar einen zurück, als sie sich gegenüber von James setzte.

  „Du hast uns viel geholfen“, fing er an und faltete die Hände auf dem Tisch. „Ohne dich hätten wir manchmal echte Schwierigkeiten gehabt, nicht erwischt zu werden.“

  „Und du hast uns ertragen“, fügte Remus grinsend an, „wenn wir auch nicht immer leicht zu ertragen waren.“

  „Jedenfalls wollten wir uns bei dir bedanken“, sagte Sirius schnell, bevor Remus noch mehr sagen konnte. „Du erinnerst dich doch sicher noch an unser erstes Treffen.“

  Sara wusste sofort, worauf das hinauslaufen würde und beschloss, so zu tun, als hätte Peter ihr die Karte noch nicht gezeigt. Die Tatsache, dass er nicht hier saß, sondern noch immer an der Tür stand, bedeutete wohl, dass das auch besser so war. Sie nickte bloß.

  „Also erinnerst du dich auch an das hier?“, fragte James und holte das zusammengefaltete Pergament aus dem Umhang. Vorsichtig breitete er es auf dem Tisch aus, es war leer.

  „Damit habt ihr gewusst, wie ich heiße. Und es hat euch verraten, dass Filch in der Nähe war.“

  „Korrekt.“ James lächelte stolz. „Und wir wollten dir irgendwann verraten, was es ist.“

  „Heute“, ergänzte Sirius mit demselben Gesichtsausdruck. „Zieh deinen Zauberstab.“

  Damit hatte sie nicht gerechnet und es freute sich ehrlich gesagt sehr. Zu diesem Zeitpunkt musste sie auch nicht mehr die unwissende Neugierige spielen, das war sie so oder so. Erwartungsvoll hielt sie ihren Zauberstab erhoben.

  „Du richtest ihn auf das Pergament.“ Sirius deutete auf die Stelle in der Mitte, an der die Falzen sich trafen. „Und du sagst Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin. Dann wartest du und staunst.“

  Sie tat wie geheißen und musste über den Spruch lächeln. So etwas konnte nur von den Jungs kommen. „Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin“, sagte sie und konnte sofort beobachten, wie sich Tintenlinien über das Pergament ausbreiteten und die Grundrisse der Schlossetagen bildeten, inklusiver aller Geheimgänge, die die Jungs so kannten und der kleinen Figürchen der Bewohner. Wieder musste sie beim Staunen nicht schauspielern, denn auch beim zweiten Mal fand sie es einfach beeindruckend. Da waren sogar die Prüfer zu sehen, die gerade in der Großen Halle saßen.

  Die Jungs grinsten über ihren Gesichtsausdruck. „Ich weiß, was du dich fragst“, sagte James Potter. „Ja, sie zeigt, wo alle, die sich im Schloss aufhalten, gerade sind, und ja, wir haben die selbst hergestellt.“

  „Das ist genial“, hauchte Sara und fand auch bald den Raum, in dem sie gerade saß. Niemand war in der Nähe, aber Athene stromerte gerade ein Stockwerk über ihnen herum.

  „Ich weiß.“ Sirius wackelte mit den Brauen. „Wenn man sie benutzt hat, muss man sie natürlich auch wieder unsichtbar machen. Dann sagt man Missetat begangen.“

  „Missetat begangen“, wiederholte Sara und tippte das Pergament mit dem Zauberstab an. Die Linien wurden blasser und verschwanden schließlich vollkommen.

  James nahm es an sich, faltete es zusammen und steckte es in den Umhang. „Zu schade, dass wir keine Gelegenheit mehr haben, sie zu benutzen.“ Voller Bedauern schüttelte er den Kopf.

  „Was habt ihr damit vor?“ Sara sah ihnen nacheinander in die Augen. Es konnte nichts Gutes bedeuten, wenn sie von einem Plan sprachen. Bisher war es nie so gewesen.

  „Da du einmal eingeweiht bist“, begann Remus, „wollen wir dich ein letztes Mal um deine Hilfe bitten.“

  „Du sollst sie haben“, sagte Sirius. „Wir schicken sie dir in den Ferien. Damit niemand merkt, dass sie von uns kommt.“

  Saras starrte ihn an. Damit hatte sie nun am allerwenigsten gerechnet. Zwar hatte sie nur wenig Verwendung dafür, weil sie nicht vorhatte, die Streiche der Jungs fortzuführen, aber sie wusste, was es für sie bedeutete. Dass es eine ganz schöne Ehre war, die ihr hier zuteil wurde.

  „Und irgendwann, wenn du es für richtig hältst, soll Filch sie finden“, fuhr James fort, bevor Sara Gelegenheit hatte, etwas zu sagen.

  „Was? Im Ernst?“ Sie schaute zu Remus, dem sie am ehesten angesehen hätte, wenn das ein Scherz gewesen wäre. Doch anscheinend war es keiner.

  „Natürlich“, sagte er. „Irgendwann wird sie jemand aus seinem Büro klauen und wer das schafft, der hat sie wirklich verdient.“

  „Derjenige wird sich dann fragen, wer die vier genialen Geister waren, die sich diese Genialität in Kartenform ausgedacht haben“, schloss Sirius und lehnte sich zufrieden zurück. „Was sagst du? Bist du dabei? Willst du in die Geschichte von Hogwarts eingehen, wenn auch von allen unbemerkt?“

  Sein Ton brachte sie zum Kichern, ließ das hier wie irgendein Ritual eines Geheimbundes aussehen. Aber der Plan klang ganz vernünftig. Wüsste Filch, dass es von den Jungs kam, würde er es wahrscheinlich besonders sicher wegschließen, aber von Sara erwartete er so etwas eher nicht. „Natürlich bin ich dabei.“

 

Nachdem sie noch ein bisschen mit Sirius geübt hatte und sich dadurch gleich viel sicherer vorkam, ging sie zu Hagrid, der sie zum Abschluss und um ihr Mut zuzusprechen, zum Tee eingeladen hatte.

  Sie führte ihm ein paar Verwandlungen an seinem Geschirr vor, die ihr auch ganz gut gelangen. Aber nachdem sie seinen Tisch in eine Katze und zurück verwandelt hatte, behielt er die Pfötchen. Sara fand, dass man das so lassen konnte, doch Hagrid benutzte einen Regenschirm, um sie zu entfernen.

  Sie sah ihn nicht oft zaubern, aber wenn, dann benutzte er diesen Schirm. Sicher war sein Stab zerbrochen worden, als man ihn der Schule verwiesen hatte. Bisher hatte sie ihn nicht gefragt, wie es dazu gekommen war, aber heute wollte sie es gern wissen.

  „Hagrid“, begann sie zögerlich, „ich würde dich gern was fragen. Aber du musst mir nicht antworten, wenn es dir unangenehm ist.“

  Erst antwortete er nicht, schaute nur sie an und dann den Schirm. Nachdenklich runzelte er die Stirn. „Weiß schon, was du fragen willst“, sagte er schließlich. „Schon gut, hatte eh vor, es dir irgendwann zu sagen. Kannst es dir denken, schon als ich ’n kleiner Junge war, hatte ich was übrig für große Tiere.“ Er lächelte, als Sara hastig nickte, ihr ging es ja ganz ähnlich.

  „In meinem dritten Jahr hatt’ ich dann ein Haustier“, fuhr er fort und schloss die Hände um seinen Schirm, so fest, dass man fürchten musste, er würde ihn durchbrechen. „Es war ziemlich gefährlich, aber ich dachte, ich halt es einfach geheim und eigentlich war er auch ganz nett, hab ihn mit Essensresten gefüttert und eine ganze Weile hat’s auch keiner bemerkt. Aber dann gab es eine Reihe … Vorfälle und … jemand bekam Wind von meinem Geheimnis und machte mich für all das verantwortlich. Dabei hatten wir überhaupt nichts damit zu tun. Dumbledore wusste das auch und obwohl ich von der Schule verwiesen wurde, setzte er sich beim Schulleiter dafür ein, dass ich bleiben durfte.“

  „Ich glaub dir, Hagrid.“ Sara nahm sich einen Keks und lächelte. Was auch immer das für Vorfälle gewesen sein mochten, sie konnte sich nicht vorstellen, dass er jemandem absichtlich Leid zufügen würde. „Aber… Was war das für ein Haustier?“

  „Da hab ich wieder deine Neugier geweckt, was? Na gut, weil du’s bist.“ Er beugte sich zu ihr vor über den Tisch. „Ne Acromantula“, sagte er so leise, wie er es eben konnte. „Aber frag mich nich, wo ich ihn her hab.“

  Sara riss die Augen auf und ihr Unterkiefer klappte herunter. Selbst sie fand Acromantulas furchterregend, dadurch aber nicht weniger faszinierend. „Und was ist aus ihm geworden?“

  „Er konnte in den Wald fliehen und lebt jetzt dort, manchmal besuche ich ihn noch.“ Als sie lächelte, setzte er sich hastig aufrecht und knallte die Hände auf die Lehnen seines Sessels. „Das hätt’ ich nich sagen soll’n, was?“

  Saras Lächeln wurde breiter. „Möchtest du ihn vielleicht mal wieder besuchen? Und mich mitnehmen? Das würde mir bestimmt meine Angst vor der Prüfung morgen nehmen.“ Sie bemühte sich um eine unschuldigen Blick, auch wenn sie seit geraumer Zeit niemanden mehr hatte, an dem sie den üben konnte.

  Hagrid runzelte die Stirn. Er stand auf und ging zum Fenster, schaute eine Weile schweigend hinaus zum Schloss. „Weil du’s bist, Sara“, sagte er schließlich, als sie schon ihren Keks gegessen hatte. „Aber du bleibst immer dicht hinter mir und du wirst niemandem davon erzählen.“

  „Natürlich.“ Sie schob Fangs Kopf sanft von ihrem Schoß und stand auf. Hagrid hielt ihr die Hintertür auf und Sara erwartete, dass der Hund ihr folgen würde, aber er blieb dort liegen. „Nehmen wir Fang nicht mit?“ Sie hätte ihn gern dabei, auch wenn er nicht gerade der mutigste Hund war, den sie kannte.

  „Den feigen Kerl hatte ich einmal mit, danach hatte er zwei Tage lang Angst vor jeder Spinne, die in einer Ecke saß.“ Als sie nach draußen traten, schaute Hagrid sich noch einmal nervös um, ob auch ja keiner in der Nähe war, dann betraten sie den Wald.

 

Er führte Sara besonders tief in den Wald hinein, und die ganze Zeit über hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Am Rande ihres Blickfelds huschten Schatten durchs Gebüsch und lang konnte sie sich nicht einreden, dass sie sich das nur einbildete. Sie hörte Hufe klappern und vermutete ein Einhorn, was eine der beruhigenderen Vorstellungen war. Also beschloss sie, sich am besten einfach nur auf Hagrid zu konzentrieren.

  Irgendwann fielen ihr die ersten Spinnweben auf, und je weiter sie gingen, desto mehr wurden es, bedeckten die Büsche, die Wurzeln der Bäume, selbst den Himmel, da sie zwischen den Ästen der Bäume hingen. Wäre Hagrid nicht bei ihr gewesen, wäre sie vermutlich nicht weitergegangen, auch wenn es sie sehr interessierte.

  „Sein Name ist Aragog“, raunte Hagrid ihr zu. „Er hat eine Frau und viele Kinder, verflucht viele.“

  In Saras Kopf tauchten Bilder von einer Spinnenhochzeit auf, und von Babyspinnen in Windeln. Es brachte sie zum Kichern, auch wenn sie wusste, dass die Wahrheit wohl anders und beängstigender war. Als sie sich umsah, fielen ihr die leuchtenden Äuglein auf, erschreckend viele, die sie aus den Büschen heraus beobachteten. Sie schaute auf den Boden und sah jetzt unzählige Spinnen, manche so groß wie ihre Hand, andere so klein, dass sie sie nur durch die Bewegung überhaupt erkannte. Sie hatte nichts gegen Spinnen, machte sich in diesem Moment aber Sorgen, sie wäre vielleicht auf einige getreten.

  Auf einer kleinen Lichtung blieb Hagrid stehen und legte einen Arm um Saras Schultern. Sein Blick war auf einen ausgehöhlten Baum gerichtet. „He, Aragog? Ich würd dir gern wen vorstellen?“

  Vorerst blieb es still, doch Sara bemerkte, dass die kleinen Spinnen in Aufruhr gerieten und von der Lichtung krabbelten. Sie rutschte hinter Hagrid und schaute ebenfalls zu der Baumhöhle. Ohne direkten Auslöser bekam sie Herzklopfen, es war die ganze Atmosphäre, die alles andere als angenehm war.

  Das erste, was sie von der Acromantula sah, waren zwei lange, dünne, haarige Beine, die sich durch die Öffnung schoben, und einen dicken Leib mit sechs weiteren herauswuchteten. Auf dem kleinen Kopf saßen acht kleine, glänzende Augen und es machte ein klackerndes Geräusch, als Aragog die Kieferzangen gegeneinander schlug.

  Sara hätte es sich am liebsten nicht eingestanden, aber sie hatte Angst. Obwohl sie den Blick nur zu gern von diesem riesigen Wesen abgewandt hätte, ging es nicht. Wie angewurzelt stand sie da und starrte ihn an. Fand er das unhöflich? Sie hoffte, nicht.

  „Wen hast du mir denn da mitgebracht?“, fragte Aragog und kam Sara so nah, dass sie sich in seinen Spinnenaugen spiegelte. Mit etwas Mühe zwang sie sich, ruhig zu atmen. So lang hatte sie sich gewünscht, herzukommen und all das zu sehen, das hier im Wald wohnte, Wesen wie diese Acromantula und die, die sie auf dem Weg nicht gesehen hatte. Und nun? Nun war es so weit und sie hatte Angst.

  „Das ist Sara.“ Hagrid klopfte ihr auf die Schulter und sie knickte beinah ein. „Eine Freundin von mir, die dich gern kennen lernen wollte.“

  „Hallo“, krächzte sie und es war ihr peinlich, wie sie gerade auf ihn wirken musste. Sie wollte lächeln, doch es gelang ihr nicht, ihr Gesicht fühlte sich ganz steif an. „Es freut mich, Sie kennen zu lernen.“

  Aragog entfernte sich wieder von ihr, was sie gewissermaßen erleichterte. „Für gewöhnlich bringst du niemanden mit“, sagte er. „Und für gewöhnlich will mich auch niemand kennen lernen. Und selbst dieses Mädchen fürchtet mich. Was vernünftig ist, denn wäre sie allein hier, würden wir sie fressen.“

  Bei diesem letzten Satz fuhr Sara zusammen und drückte sich etwas fester an Hagrid, störte sich nicht an den toten Frettchen an seinem Gürtel.

  „Hier wird niemand gefressen“, sagte Hagrid ernst.

  „Nein“, stimmte Aragog zu. „Für dich, weil du so gut zu mir warst und bist, lassen wir die Menschen in Frieden, wenn sie uns in Frieden lassen. Darum, Mädchen, kommst du besser nicht allein hierher.“

  „Natürlich nicht.“ Glücklicherweise klang Sara jetzt etwas fester. „Ich möchte nicht stören und ich darf den Wald auch eigentlich überhaupt nicht betreten, aber sofort, als ich von Ihnen gehört habe, musste ich mit herkommen. Man hat ja nicht jeden Tag eine Gelegenheit, jemanden wie Sie zu treffen.“

  „Da hast du jemanden gefunden“, sagte Aragog und krabbelte zurück zu dem hohlen Baum. „Sie erinnert mich an dich, in ihrer Faszination für Monster wie mich. Bring sie ruhig öfter mit, sie amüsiert mich.“ Und bevor Sara sagen konnte, dass sie ihn bei all ihrer Angst kein Monster in ihm sah, war er schon wieder verschwunden.

  „Komm schon, sonst verpasst du das Abendessen.“ Hagrid nahm ihre Hand und da merkte sie, wie kalt sie war. Begleitet von Aragogs Kindern machten sie sich auf den Weg zurück zur Hütte. „Ich hoffe, dass du jetzt weißt, dass du niemals allein in den Wald gehen solltest.“

Es wurde gerade hell. Durch die zugeschneiten Fenster drang nur wenig Licht in die Küche. Doch so eisig es draußen auch sein mochte, hier drin war es angenehm warm und die Luft war mit dem Duft von Waffeln und Kaffee erfüllt.

  Sara hatte darauf bestanden, Hattie beim Frühstück zu helfen und sich trotz heftiger Proteste seitens der Hauselfe durchgesetzt. Sie hatte es sich einfach nicht nehmen lassen, die Waffeln selbst zu backen.

  „Danke, Hattie“, sagte Sara, als die Hauselfe gerade einen Korb mit Brötchen auf den Tisch stellte. „Möchtest du dich vielleicht zu uns setzen?“ Sie zog einen Stuhl neben sich zurück und bereute es in dem Augenblick, in dem sie in Hatties Gesicht blickte. Die großen, gelben Augen machten den Eindruck, als wollten sie gleich aus den Höhlen springen.

  „Aber, Herrin … Das … Das kann Hattie doch nicht machen … Sie … ist es nicht wert.“ Unsicher rieb sie sich die Hände und wusste nicht, wohin sie schauen sollte. Man hätte denken können, dass sie sich nach einem Jahr bei Tabitha daran gewöhnt hatte, aber dem war wohl nicht so.

  In diesem Moment hatte Sara keine Lust auf eine Diskussion darüber, dass solches Gerede überflüssig war. „Schon in Ordnung. Dann räum jetzt doch bitte das Zimmer unseres Gastes auf.“ Als die Hauselfe die Küche verlassen hatte, nahm Sara einen Schluck Kaffee. Natürlich schmeckte er ausgezeichnet und darum verstand sie noch weniger, warum Severus, der ihr gegenüber saß, so ein mürrisches Gesicht machte. Er war nach Einbruch der Dunkelheit einfach aufgetaucht und sie war unendlich froh gewesen, dass er ihr Angebot angenommen hatte, Weihnachten mit ihr hier in Finnland zu verbringen. So sah sie ihn mal wieder und musste nicht allein hier sein, während ihre Schwester samt Familie den Jahreswechsel daheim in Downe verbrachte.

  Als sie ihn hatte umarmen wollen, hatte er sie zurückgewiesen und gemeint, er müsse gehen, sobald man ihn riefe. Dabei hatte er sich nervös den Arm gerieben und sie hatte ihn doch umarmt, sich von der mangelnden Reaktion nicht stören lassen. Sie verstand nicht, warum er sich dabei so unwohl fühlte, es vor ihr zu erwähnen. Schließlich war es nicht seine Schuld, dass sie daheim in Downe nicht mehr willkommen war, seit das Mal auf seiner Haut nicht mehr bloß aus wasserfester Tinte bestand.

  Sie lächelte, als er sich zwei Waffeln nahm. Es machte ihr nichts aus, dass sie noch kein Wort miteinander gewechselt hatten. Ihr reichte es einfach, dass er da war.

 

  Ein Klopfen ertönte irgendwann und im ersten Moment wusste Sara nicht, woher es kam. Aber Severus hatte den Blick zum Fenster hinter ihr gerichtet. „Post“, sagte er.

  Sara drehte sich auf dem Stuhl um. Da saß tatsächlich eine Schleiereule draußen auf dem Fensterbrett und bat um Einlass. Sara öffnete das Fenster, ließ das Tierchen herein und mit ihm auch einen kalten Luftzug, der sie frösteln ließ. Die Eule schüttelte sich auf der Anrichte den Schnee aus dem Gefieder und hielt ihr ein Bein hin.

  Sara nahm ihr den Umschlag ab und gab ihr einen Eulenkeks. „Draußen am anderen Fenster steht ein Napf mit toten Mäusen, kannst dich ruhig bedienen.“ Sie wandte sich dem Brief zu. In dem Umschlag war zum Einen eine Karte, auf der zwei Täubchen abgebildet waren, die auf einem Ast hockten und sich eng aneinander kuschelten. Sie wusste, was das war, noch bevor sie es öffnete.

  Die Einladung zur Hochzeit von Lily und James im Sommer. Das zweite Stück Pergament stammte von Sirius und er lud sie ein, mit ihm dorthin zu gehen.

 

  In jeder beliebigen anderen Situation hätte sie jetzt einen Freudensprung gemacht und sich Athene geschnappt, die vor dem Herd lag und schlief. Aber nun sah sie nur aus dem Augenwinkel Severus an und hoffte, dass er nicht wissen wollte, was das für Post war.

  „Was ist das?“, fragte er. Warum interessierte ihn das jetzt? Er interessierte sich seltenst für ihre Post und wenn, dann ließ er es sich nicht anmerken. Er reagierte dann nur nicht ganz so genervt, wenn sie ihm von selbst davon erzählte. Und nun? Was sollte sie ihm jetzt sagen?

  „Sirius lädt mich zu einer Hochzeit ein“, antwortete sie schlicht und hoffte, dass er dadurch das Interesse verlieren würde. Er hatte in der Schule gemeint, er schere sich nicht darum, wenn sie mit Black in den Drei Besen saß oder wenn er ihnen etwas Nachhilfe in Verwandlung gab, wo selbst Maggie scheiterte. Vielleicht wollte er also auch nichts davon wissen, wenn sie jetzt mit ihm auf eine Hochzeit ging.

  Doch ihre Hoffnung wurde jäh zerschlagen. „Der hat jemanden gefunden?“, fragte er gehässig, aber in seinem Blick erkannte sie noch etwas anderes. Sie meinte, zu wissen, was das war, und gleichzeitig wurde sie rot und nahm es als Beleidigung auf. Doch sie entschloss sich, das zu übergehen. Sie hatte größere Probleme, denn sie konnte ihn nicht anlügen.

  „Das nicht“, gestand sie leise und konzentrierte sich auf die Täubchen, die über das Pergament flogen und doch immer wieder zueinander fanden. „Weißt du … Er lädt mich ein zur Hochzeit … von Lily und James.“ Es war raus. Aber das hieß nicht, dass sie sich dadurch besser fühlte.

 

  Etwas zerbrach. Es war nicht nur sein Glas mit Saft, der sich nun mit seinem Blut vermischte und auf den Tisch tropfte.

  Sara zückte in Sekundenschnelle ihren Zauberstab und dachte nicht einmal daran, dass sie als minderjährige Hexe vielleicht Probleme mit dem Ministerium kriegen würde. Als die Splitter nach einem stummen Reparo wieder allesamt an ihren Platz flogen, hoffte sie inständig, dass die einfach annehmen würden, dass Hattie es gewesen war. Als sie das sich selbst lang genug eingeredet hatte, nahm sie seine Hand und schloss die Wunde mit einem kleinen Spruch. Mit ihrem Taschentuch wischte sie die Sauerei auf dem Tisch weg. Das alles tat sie, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Doch dann konnte sie nicht mehr anders.

  Der Ausdruck in seinem Gesicht jagte ihr eine mordsmäßige Angst ein. Angst vor ihm und auch ein bisschen Angst um ihn. Mit der freien Hand nahm er sich die Einladung schneller, als sie hätte reagieren können, und starrte auf das Pergament, nachdem er sie sicher mehrmals gelesen hatte. „Nein“, hörte sie ihn ganz leise murmeln. „Gerade er …“

  Noch immer hatte er keine Einwände, also behielt sie seine verheilte Hand in ihrer und rutschte mit ihrem Stuhl etwas weiter zu ihm heran. Eine ganze Weile saßen sie so da und schwiegen. Die Schleiereule hatte sich auf Saras Schulter niedergelassen und knabberte an ihrem Ohr. Sie wartete auf Antwort.

  „Wenn“, fing Sara leise an und suchte in ihrem Umhang nach einer Feder, um Zeit zu schinden. „Ich muss nicht mit Sirius hingehen. Wenn du möchtest, geh ich mit dir. Ich darf jemanden mitbringen.“

  Die Reaktion darauf hätte sie erwarten müssen. Mit zusammengebissenen Zähnen streckte er den rechten Arm aus und ließ die Einladung fallen. Die Täubchen flatterten aufgebracht umher, bis Sara die Karte wieder aufhob und auf den Tisch legte.

  „Ich glaube nicht, dass ich erwünscht bin“, sagte er langsam und fixierte Sara mit seinen schwarzen Augen. „Und selbst wenn. Wie kommst du auf die Idee, dass ich das sehen will?“ Trotz des bissigen Tons ließ er ihre Hand nicht los und langsam fragte sie sich, ob er das überhaupt mitbekam.

  „Ich dachte nur …“ Sie war davon ausgegangen, dass er Lily mal wieder sehen wollte und höchstwahrscheinlich entsprach das auch der Wahrheit. Doch sicher nicht unter diesen Umständen. „Ich muss auch gar nicht hingehen, wenn es dir lieber ist.“ Zwar wollte sie den beiden liebend gern eine Freude machen, aber nicht, wenn er wirklich was dagegen hatte.

  „Geh doch ruhig mit Black hin“, sagte er mit bemühter Gleichgültigkeit. Dabei schloss er die Hand um ihre Finger.

  Ihr wurde heiß, und um nicht weinen zu müssen, schrieb sie hastig je eine kurze, aber freundliche Antwort auf die beiden Anfragen. Sowie die Eule fort geflogen war, heftete Sara den Blick auf Athene, die noch immer schlief. In letzter Zeit war sie sehr träge geworden, was Sara dem Alter zuschrieb. Aber wenn sie etwas wollte, konnte sie auch noch sehr energisch sein. Fieberhaft überlegte sie, wie sie ihn jetzt davon ablenken konnte.

 

  „Kannst du mir helfen?“, fragte sie lächelnd, als ihr endlich etwas eingefallen war. Etwas, das ihn auf jeden Fall auf andere Gedanken bringen würde.

  „Was hast du vor?“, fragte er nur. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert und sie konnte ihn wieder ansehen, ohne eine Gänsehaut zu bekommen.

  „Hattie!“, rief sie und die Hauselfe erschien augenblicklich vor ihr. „Sei doch bitte so gut und spül das Geschirr ab. Wenn du Hunger hast, nimm dir gern ein Brötchen.“

  „Aber Hattie kann doch nicht …“, fing sie an, aber diesmal wollte Sara sich wirklich nicht darauf einlassen.

  „Doch, Hattie, das kannst du. Bitte. Bedien dich.“

  Die Hauselfe nahm sich eines der Brötchen und verneigte sich tief. „Vielen Dank, Herrin, Ihr seid zu gütig.“

  Sara lächelte nur und stand auf, noch immer seine Hand in ihrer. „Wenn ich dich ganz lieb bitte, hilfst du mir dann, ein Gegengift anzurühren? Hoffentlich haben wir alles da, was du brauchst.“ Sie ging mit ihm in einen kleinen Keller, in dem ein Kessel über einer Feuerstelle hing und in dessen Wand ein Schrank eingelassen war, in dem alle Zutaten standen, die sie hatten finden können.

  „Was denn für ein Gegengift?“, fragte er und sah sich im Raum um. Da wusste sie, dass sie ihn hatte. Seine Gedanken schienen nicht mehr so weit entfernt zu sein.

  Sara ließ seine Hand los und ging zu einem Bücherregal. „Ich hab einen Knarl im Garten, der wohl an einer giftigen Pflanze geknabbert hat. Diese hier.“ Sie schlug eine Seite auf und deutete auf eine Abbildung, in dem Wissen, dass er genau hinter ihr stand.

  Severus nickte nur stumm und für eine halbe Stunde gab er ihr Anweisungen, die sie natürlich ganz genau befolgte. Zumindest glaubte sie das, aber hin und wieder griff er selbst ein und strafte sie mit tadelnden Blicken. Doch darauf kam es ihr nicht an, sondern nur auf das Ergebnis – und das war natürlich perfekt.

 

  Ein paar kleine Fläschchen füllte sie als Vorrat ab und eine nahm sie mit nach draußen, wo der Knarl unter einem Laubhaufen lag. Freilich war sie nicht so töricht gewesen, ihm Futter anzubieten, stattdessen hatte sie rohe Fleischstückchen im Garten verteilt. Selbst wenn er es merkte, es war Winter und im Garten gab es nicht viel, was er verwüsten konnte, darum war sie ganz unbesorgt.

  „Komm schon“, sagte sie und kniete sich vor ihn in den Schnee. Aus der Küche hatte sie eine Pipette mitgebracht, mit dem sie ihm und das Gegengift verabreichen wollte, doch er wehrte sich. Als sie ihn festhalten wollte, biss er sie sogar in den kleinen Finger.

  „Du bist schon vergiftet, was hätte ich nun davon, dir noch mal Gift zu geben? Das hier ist das Gegenmittel.“ Sie wusste nicht, inwiefern logische Argumente bei einem Tier wie diesem wirken würden, aber der Versuch schadete ja nicht. Als er sich weiter wehrte und versuchte, wegzurennen, obwohl er zu schwach war, packte sie ihn sanft und sperrte das kleine Maul auf. „Es geht dir morgen schon besser, ehrlich.“

  Severus hatte gesagt, zwei Tropfen würden bei einem so kleinen Kerl helfen, also gab sie ihm genau diese Dosis. Sofort wurde er ruhig und blickte sie aus winzigen Knopfaugen an.

  „Jetzt lass ich dich auch wieder in Ruhe“, sagte sie lächelnd. Unter seinem wachsamen Blick ging sie zurück in die Küche und wusch sich erst einmal die Hände.

 

  Im Wohnzimmer fand sie Severus, der über ein Buch gebeugt in einem Sessel saß. „Du hast das noch?“, fragte er, ohne aufzusehen.

  Erst wusste sie nicht, was er gemeint hatte, dann erkannte sie, was das für ein Buch war: Tausend tierische Tränke. „Natürlich“, sagte sie und nahm auf der Sessellehne Platz. „Ich hab es auch immer in meiner Nähe. Schließlich ist es das beste Geschenk, das ich jemals bekommen hab.“ Sie nahm es ihm aus der Hand und blätterte es durch. Hier und da hatte sie sich Anmerkungen gemacht und es waren Zettelchen eingelegt, wo etwas besonders Nützliches zu finden war. Wenn sie irgendwo einen Trank gefunden hatte, der noch nicht darin verzeichnet war, hatte sie sich das Rezept aufgeschrieben und eingelegt.

  Ein Blatt fiel heraus und segelte zu Boden, Sara konnte nicht schnell genug danach greifen.

  „Und was ist das?“, fragte er und hob den Zettel auf, überflog ihn mit gehobenen Brauen. Sie könnte schwören, dass da etwas ganze Bestimmtes in seinem Blick lag.

  „Ein unfertiges Rezept, ganz offensichtlich“, sagte sie und wollte es ihm aus der Hand nehmen. Er ließ sie nicht. „Das soll ein blutungsstillender Trank werden, der bei Menschen und einigen Tierwesen wirkt“, erklärte sie. Dabei beugte sie sich über ihn, aber er hielt den Arm ausgestreckt, sodass sie das Papier einfach nicht erreichen konnte. Beinah hätte sie das Gleichgewicht verloren und wäre auf ihm gelandet, aber er schob sie mit dem Arm wieder von sich.

  Er sah ihr ins Gesicht. Ernst, aber nicht, als hätte sie etwas falsch gemacht. Ganz im Gegenteil. Allein dieser Umstand ließ ihr Herz einen kleinen Freudenhüpfer machen.

  „Interessant“, sagte er und schaute wieder auf das Rezept, das er noch immer etwas von ihr entfernt hielt. Aber sie hatte es aufgegeben. „Darf ich?“

  Ohne Worte reichte sie ihm Feder und Tinte. Tatsächlich strich er nichts durch, sondern fügte an der Stelle, an der sie einfach nicht mehr weitergekommen war, einige Zutaten und Arbeitsschritte hinzu. Kurz schaute sie ihm auch ins Gesicht und obwohl sie ihn nur von der Seite sah, bildete sie sich ein, ein Lächeln zu erkennen.

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Kurzbeschreibung

Sara Crowfield hält sich am liebsten aus den Angelegenheiten anderer Leute heraus und kümmert sich um die von Tierwesen. Endlich in Hogwarts aufgenommen, gerät sie zwischen die Fronten einer erbitterten Feindschaft. | Rumtreiberzeit

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