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Ein Fünkchen Leben

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14.06.24 15:46
Fertiggestellt

Ich renne gerne. Nicht körperlich, aber mental. Genauer gesagt renne ich gerne hinterher. Deadlines, Aufgaben, Träumen, Lebensvisionen – für andere eine Tortur, finde ich meinen Frieden darin, nicht meinen Frieden zu finden, sondern eine neue Idee zu haben, wer ich bin, was ich bin, wofür ich bin. Du glaubst mir nicht? Ich habe insgeheim gehofft, dass du das sagst. Lass mich versuchen, dich vom Gegenteil zu überzeugen.

 

Ich habe vor 5 Jahren angefangen, Tennis zu spielen. Davor 13 Jahre Fußball, dann Auszug von daheim, neue Stadt, Studium, und dann auch eine neue Sportart. Ich habe schnell gemerkt, dass ich für Tennis ein Talebt habe, und schon war ich hin und weg. So weg, dass ich kaum zuhause war, sondern auf dem Tennisplatz um die Ecke (erzähl es nicht meiner Mum).

Und ich wurde damals dafür belächelt und auch du wirst dir ein Grinsen nicht verkneifen können, aber für anderthalb Jahre dachte ich, ich werde jetzt zum Tennisprofi, wenn ich nur hart genug dafür trainiere (und ja, damals war ich schon 21, über 15 Jahre zu spät dran, um mit Tennis anzufangen, und außerdem aus heutiger Sicht auch ziemlich schlecht!). Ob mich das abgehalten hat, trotzdem jeden Tag zu spielen und im Sommer auf Turniere zu fahren? Die Frage kannst du dir gerne selbst beantworten).

 

Du bist noch nicht überzeugt? Sehr gut!

Vor 4 Jahren habe ich mit meinem besten Freund und damaligem Zimmernachbarn eine Firma gegründet und eine App entwickelt. Natürlich nicht bis ans Ende, die Firma wurde nie angemeldet, die App nie veröffentlicht. Wir haben irgendwann eine seriöse Marktanalyse gemacht und gemerkt, dass eine App für Sportvereine zur Organisation schon für damalige Verhältnisse nicht innovativ und schon gar nicht wert genug ist, um all unsere Zeit und unser Herzblut reinzustecken (neben dem Spielen von Tennis, versteht sich). Hätte man das auch schon in Woche 2 wissen und die „Schnapsidee“ frühzeitig begraben können? Definitiv! Aber weil mein bester Freund den gleichen Schaden hat wie ich, haben wir ein halbes Jahr, zahlreiche Nachtschichten, einen unfertigen Code, einen nicht weniger unfertigen Marketingplan und eine für unsere Verhältnisse sehr ausführliche Liste aller potentiellen „Kunden“ in unser Projekt investiert, mit der wir reich und erfolgreich werden wollten.

Und ich verrate dir was: Ich bereue keine einzige Sekunde an diesem Projekt (das einzige, was ich wirklich bereue, sind die unzähligen Monster Energy im Piratendesign, die wir uns währenddessen in unser System namens Körper eingeflößt haben. Die können, in der Menge, in der wir sie konsumiert haben, wirklich nicht gesund gewesen sein!)

 

Die beiden Beispiele stehen stellvertretend für unzählige Tätigkeiten und Visionen, die ich über die Jahre hinweg angesammelt habe. In dieser Zeit habe ich mit Gitarre angefangen, Bilder gemalt, mich nebenbei selbstständig gemacht, unzählige TED-Talks über den Sinn des Lebens gesehen, einen journalistischen Blog ins Leben gerufen und mit unfassbaren 5 Blogbeiträgen gefüllt, sowie gelernt, Brot zu backen, um dieses potentiell im Studentenwohnheim für kleines Geld verkaufen zu können und so die Miete wieder reinzuarbeiten (ihr dürft raten, wer mein erster Ansprechpartner und schnell Brotbackkollege war, der meine Idee zu 100% mitverfolgt hat.)

 

Du kennst mich nicht, aber du darfst mir eines glauben: Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Den Podcast, den ich auf Spotify veröffentlicht habe, habe ich bislang genauso wenig erwähnt wie das Buch, das ich angefangen habe zu schreiben (mit angefangen meine ich 22 Seiten Text und eine Idee, was ich den Kapiteln danach folgen soll).

 

Und jetzt sitze ich hier, bin erwachsene 25 Jahre alt, ziehe in 2 Wochen mit meiner Freundin zusammen, absolviere mein Masterstudium, finanziere mir mein Leben mit einer Werkstudentenstelle und einer Anstellung als Freelancer (immerhin das hat sich gehalten)!

 

Die Gitarre wird vermutlich bald aussortiert, die Pinsel und Leinwände meiner Malerlaufbahn sind längst zum Verschenken auf die Straße gestellt worden. Beim Tennis bin ich mittlerweile Vorstandsmitglied und Jugendtrainer, Profi werde ich wohl keiner mehr.

Aber ich spüre in letzter Zeit wieder ein kleines Fünkchen in mir. Ein Verlangen, was sich den Weg an die Oberfläche suchen wollte und vielleicht durch das Schreiben dieses Textes gefunden hat. Wohin mich dieses Fünkchen zieht? Ganz ehrlich, keine Ahnung. Aber eines kann ich dir versprechen: Wenn das Fünkchen zum Feuer wird, werde ich rennen.

Autorennotiz

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Klugscheissers Profilbild
Klugscheisser Am 03.10.2024 um 23:16 Uhr
Ich finde, Du hats eine ganz gute schreibe, locker, liest sich gut, das ist ausbaufähig.

Deine Erfahrungen kann ich vom Prinzip her teilen. Meine Spezialität ist es jeweils nur den allerletzten Schritt nicht zu machen.

Autor

Lukasmitkas Profilbild Lukasmitka

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Sätze: 33
Wörter: 734
Zeichen: 4.461

Kurzbeschreibung

Ich habe immer wieder Fünkchen im Kopf, was ich werden will, wohin ich will, wer ich sein will. Diese Fünkchen sind aber oft schneller wieder begraben, als ich schauen kann. Über ein Leben im Sprint und den Beginn von etwas Neuem.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Alltag auch im Genre Nachdenkliches gelistet.