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Der Anfang des 31.Jahrhunderts und das Ende meiner Welt

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24.09.23 21:26
12 Ab 12 Jahren
In Arbeit

Wir haben das Jahr 3000.
Wir schreiben Geschichte.
Oder wir gehen alle drauf.
Sucht es euch aus...
 

Fakt ist, dass beides möglich ist. Also, dass wir draufgehen und trotzdem Geschichte schreiben. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung.

Es gibt mich, Alexa Eleonore Bonnette, 17 Jahre.
Und es gibt ein Tagebuch. Ein wunderschönes, kleines Büchlein mit Lederumschlag...

 

 

Als ich zehn Jahre alt wurde, bekam ich von meinem Vater ein kleines Tagebuch. Es war klein, wunderschön in Leder eingebunden, in welches feine Muster graviert waren.
Mein Vater hatte damals zu mir gesagt, dass dies das letzte solcher Bücher auf der Erde war. Es war etwas Besonderes. Und natürlich musste es etwas Besonderes sein.
Einige Jahre nach der großen Klimakrise und der Coronapandemie begann die Weltzerstörung. Es bildeten sich Gruppen, Parteien, die sich auf bestimmte Themenfelder spezialisierten und für sich kämpften. Es gab weder Präsidenten, noch Bundeskanzler oder Könige. Diktaturen, Monarchien und Demokratien waren allesamt ausgestorben und würden sich auch nicht wiederherstellen lassen. Die Menschen eroberten untereinander. Es ging nur noch ums blanke Überleben. Geld verlor seinen Wert. Entweder hatte man Glück und konnte verhandeln, ansonsten musste man stehlen. Für niemanden war die Welt mehr sicher.
Das war Mitte des 29.Jahrhunderts. Gegen Ende des 29. Jahrhunderts wurde es dann wieder besser. Die Gruppen wurden untereinander freundlicher, man bildete Allianzen und schloss Friedensverträge. Die Sicherheit wurde einigermaßen wiederhergestellt. Das war der Zeitpunkt, an dem ich geboren wurde. Es gab keine Fabriken mehr und keine Staaten, aber es gab Menschlichkeit.
Wir sind eine Gruppe von zehn Leuten und leben zusammen in unserem kleinen Haus in einem großen Garten. Es gibt nicht mehr viele Menschen. Die meisten starben in der Mitte des 29.Jahrhunderts durch die endlosen Raubzüge, verhungerten, erfroren oder vergifteten sich.

Wir sind aber noch da. Die Leute unserer Gruppe sind nicht blutsverwandt mit mir aber trotzdem sind sie irgendwie alle meine Mütter und Väter.
Meine leibliche Mutter hat uns relativ früh verlassen. Sie fühlte sich uns und unseren Interessen einfach nicht mehr verbunden und wechselte die Allianz. Niemand nahm ihr das übel. Es war natürlich, dass man irgendwann unterschiedliche Interessen entwickelte. Die einzige Bedingung war jedoch, dass das, was sie über uns erfahren hatte, für sich behalten musste. Also eine Art Schweigepflicht.

Und hier meine Damen und Herren beginnt meine oder doch besser gesagt, unsere Geschichte...

01.01.3000- Teil 1

Es gibt keine Winter mehr. Nicht mehr seit dem Jahr 2500. Dafür ist es inzwischen viel zu warm auf der Erde.
Sonnenstrahlen bahnen sich Wege durch die Holzbretterritzen in unseren Schlafraum und offenbaren den vorbeifliegenden Staub. Ich setze mich auf und strecke mich, bevor ich mich aus dem Strohbett kämpfe und aufstehe. Langsam und vorsichtig schleiche ich mich an meiner schlafenden Familie vorbei und schiebe die Holzplatte im Eingang zur Seite. Sofort strömt mir der Duft der puren Natur in die Nase. Sanfte Böen ziehen über die unendlichen Weiten des Landes und lassen die Baumkronen zur Seite schwanken. Der Bach plätschert ruhig vor sich hin und verleiht dem ganzen das Gefühl völliger Idylle. Vermutlich ist es das auch.
Ich gehe zum Bach hinüber, bilde ein Schälchen mit meinen Händen und lasse es mit Wasser volllaufen. Als ich das kalte Wasser auf meinem Gesicht spüre, werde ich von einer Gänsehaut erfasst, genieße sie jedoch mindestens genauso sehr wie ich sie verabscheue.
"Alexa?"
Ich zucke zusammen als ich die Stimme meines Onkels höre.
"Guten Morgen Onkel Joe."
Joe grinst und offenbart somit seine unzähligen Zahnlücken. Er setzt seinen alten Lederhut ab und kniet sich neben mich ins Gras. Dann trinkt er ein paar Schlucke. "Heute steht Gartenarbeit an, richtig?"
Ich nicke. "Wir müssen alles für die nächste Saat vorbereiten."
"Gerade im neuen Jahr und schon wieder am Planen", sagt Joe.
"Immer doch."
Spielerisch fährt mir mein Onkel durch das Haar, setzt seinen Hut auf und erhebt sich.
"Kommst du mit, Frühstück besorgen?"
Als ich nicke, reicht er mir meine Hand und ich stehe auf. Wir schnappen uns jeder zwei Körbe und wagen uns dann in den Wald hinein. Wilde Beeren und exotische Früchte hängen von allen Seiten herab und zeigen die Fruchtbarkeit und Zufriedenheit des Landes. Die Erde unter meinen nackten Füßen ist weich und warm, angenehm. Joe und ich nehmen alles mit, was uns in die Hände fällt aber auch nur so viel, dass es für unsere Familie zum Frühstück reicht. Plötzlich raschelt es im Busch. Meine Neugier ist geweckt und ich lasse den Korb stehen, um anschließend auf allen Vieren in den Busch zu kriechen. Meine Haare verfangen sich in dem dichten Buschwerk und dünne Ästchen zerkratzen mir mein Gesicht. Aber ich ignoriere sie und krieche weiter voran bis ich ein kleines Tier auf der Erde entdecke. Es sieht aus wie eine damalige Eidechse, hat aber einen viel längeren Schwanz und ist auffällig bunt. Es ist eine Regenbogenechse. Das Tier sieht mich ängstlich an, läuft aber nicht weg, sondern starrt mir mit seinen blauen Augen weiterhin ins Gesicht. Das ist ein recht ungewöhnliches Verhalten für Regenbogenechsen. Normalerweise sind sie sehr scheu und lassen sich nicht gerne blicken. Diese hier jedoch bleibt einfach dort sitzen, wo sie ist. Vorsichtig strecke ich meine Hand nach ihr aus und fahre über ihre bunten Schuppen. Ich spüre ihr Herz laut pochen und spüre ihr starkes Zittern, also lasse ich von ihr ab, bis ich Blut an ihrem rechten Vorderbein bemerke.
"Ohje", seufze ich. "Was hast du denn gemacht?"
Zaghaft packe ich sie am Körper und hebe sie an, um sie letztendlich auf den Rücken drehen zu können. Die Echse versucht sich zu bewegen, aber entkommt nicht meinem eisernen Griff. Ich begutachte ihr Beinchen und das heraustropfende Blut. Sie scheint sich stark geschnitten zu haben. Nur bloß wo?
"Alexa?" Onkel Joes Stimme hallt durch den Wald.
"Hier bin ich, Joe!"
Im nächsten Moment legt sich ein Schatten über mich. "Was machst du denn..."
Er verstummt urplötzlich. Ich setze die Echse auf den Boden und schaue auf. Sein Blick ist auf etwas gerichtet, das hinter dem Busch liegen musste. Er scheint völlig hypnotisiert zu sein. "Joe?", frage ich vorsichtig aber mein Onkel reagiert nicht.
Ich beschließe seinem Blick zu folgen, natürlich mit einer leichten Angst vor dem, was Joe die Sprache verschlagen hat. Schließlich war er schon lange nicht mehr wirklich beeindruckt gewesen. Also schaue ich auf und blicke geradewegs auf ein metallischen Riesenmonster. Einzelne Teile liegen verstreut herum, ein Baum wurde umgerissen, seine Wurzeln ragen nun in die Höhe. Glühende Glassplitter sind überall verteilt.
"Was ist das?" Meine Stimme war nichts weiteres als ein hohes Krächzen.
Onkel Joe starrt nur unverständlich auf das Konstrukt, antwortet mir aber nicht.
"Alexa... Komm wir müssen sofort von hier verschwinden."
Er packt die Körbe mit Nahrungsmittel und dreht sich auf der Stelle um.
"Aber Onkel Joe-"
"Nein Alexa. Komm jetzt mit! Sofort!"
Ich wage es nicht, ihm erneut zu widersprechen. Er wird schon wissen, wieso er so reagiert.
 

01.01.3000-Teil 2

"Wir haben ein Problem, Guy." Joes Stirn liegt in Falten und seine Stimme trieft nur vor Sorge. Seit dem wir aus dem Wald zurückgekehrt waren, hatte Joe nichts mehr zu mir gesagt, außer einiger kleinen Befehle, die größtenteils daraus bestanden, keine Fragen mehr zu stellen. Wir haben alle geweckt und gemeinsam gefrühstückt und jetzt, während mein Papa sich noch Obst in den Mund stopft, stiert Onkel Joe ihm in die Augen.
"Was gibt es denn, Joe?" Papa sieht weniger besorgt aus.
"Alexa und ich haben etwas gefunden, als wir Frühstück geholt haben... Ich muss mit dir darüber reden." Vermutlich ist es Joes Art, die meinen Papa dazu bringt, aufzustehen und mit Joe etwas weiter abseits zu gehen. Joe ist nicht der Typ für Panik und Geheimniskrämerei, also muss es etwas tiefschürfendes, vielleicht auch gefährliches sein. Ich weiß nicht, ob ich mich fürchten soll, schließlich weiß ich gar nicht, um was es geht. Aber ich bin neugierig.
"Alexa! Denk nicht einmal daran, den beiden zu folgen", mahnt mich Tante Manon, als würde meine gesamte Körperhaltung und Mimik meine Neugier preisgeben. Oder Manon kennt mich einfach zu gut. Ich kann mir eher letzteres vorstellen. Schließlich bin ich alles andere als durchschaubar.
"Hatte ich gar nicht vor", antworte ich wahrheitsgemäß, schnappe mir noch eine Mandarine und gehe dann in Richtung des Waldes. Es entspricht der Wahrheit, wirklich! Guy und Joe muss ich gar nicht folgen. Ich kann einfach in den Wald zurück gehen. Vermutlich würde ich Joes Groll auf mich ziehen, Papas besorgte Blicke und Tante Manons Kopfschütteln, aber ich kann nicht anders. Ich bin zu neugierig.
Also los.
​​​​


Ich finde die Stelle sofort. Inzwischen ist es super warm geworden und meine Haare kleben mir an meiner Stirn. Aber ich mache mir nicht die Mühe, sie mir aus dem Gesicht zu streichen. Stattdessen nehme ich das Metallmonster erneut in Augenschein. In der prallen Sonne glänzt es. Ich wage mich einige Schritte heran, bis ich plötzlich einen stechenden Schmerz in meinem Fuß spüre. Brennend und beißend breitet sich der Schmerz in meinem gesamten Fuß aus und ich beiße die Zähne zusammen.
"Mist", fluche ich, hebe den Fuß an und ziehe die Scherbe heraus. Ich sollte vorsichtiger sein. Die Wunde ist nur ein oberflächlicher Kratzer, also nichts wildes. Jedoch muss ich, wenn ich zurück bin, den Kratzer trotzdem desinfizieren.
Noch ein Schritt, diesmal viel vorsichtiger. Dann noch einer und noch einer. Die Neugier vertreibt die schreiende Angst in mir und erschafft eine Welle des Muts. Nun stehe ich direkt vor dem Metallmonster. An einigen Stellen ist es schwarz angebrannt. Die ehemaligen Fenster an den Seiten existieren nicht mehr. Stattdessen zieren scharfe Kanten die Fensterrahmen. Ich werfe einen Blick in das Metallmonster. Stoffsitze, ein riesiges Pult mit Knöpfen, Hebeln und Reglern... Und...
Ich zucke zusammen. Da liegen zwei Menschen. Es sind zwei Männer. Einer hat die Augen weit aufgerissen und starrt ins Leere. Seine Haut scheint verbrannt zu sein. Das Blut ist bereits trocken. Ich habe schon oft tote Menschen gesehen. Wir sind eine progressive Gesellschaft, in der Dinge wie der Tod nicht vertuscht werden. Jedoch ist es etwas anderes, einem völlig verbrannten Menschen in die leblosen Augen zu sehen. Ich schlucke. Der andere hat die Augen geschlossen. Durch seine Platzwunde an der Stirn denke ich, dass auch er bereits tot ist, doch in dem Moment hebt und senkt sich sein Brustkorb. Er lebt? Der Mann hat blondes, zerzaustes Haar, das an manchen Stellen versengt ist. Einzelne Sommersprossen sind im verdreckten Gesicht erkennbar, genauso wie seine langen, dunklen Wimpern. Ich schlucke. Er lebt noch! Ich kann ihm helfen... Aber wie? Ich muss das irgendwie aufkriegen, ansonsten komme ich nicht an ihn dran. Oder soll ich lieber Guy und Joe holen? Sie werden vermutlich nicht sehr begeistert darüber sein, dass ich ohne sie hier war. Vor allem, nachdem Onkel Joe es mir ausdrücklich verboten hat.
Plötzlich regt sich die Hand des Mannes und dann schlägt er die Augen auf. Sie sind blau, leuchtend und für einen Moment vergesse ich zu atmen.
Rasch, aus Reflex ducke ich mich.
"Hey", krächzt er. "Hilfe... Bitte..."
Dann stöhnt er auf. "Mein Bein, brauche Wasser." Er spricht verwaschen und in einem sehr merkwürdigen Englisch, das ich im ersten Moment nicht verstehe, aber mit der Zeit werden mir seine Worte bewusst. Er braucht Hilfe. Da sind mir Joes und Guys mögliche Reaktionen egal.
"Wie kann ich helfen?", frage ich.
Der Mann nickt mit müdem Blick auf etwas gegenüber von ihm. Ich folge seinem Blick. Von innen ist ein Hebel an der Metallwand angebracht. Genau dort, wo ich mich außen befinde.
"Durchs Fenster, betätigen", stottert er dann. Ich greife mit meiner Hand vorsichtig durch das Fenster und versuche die scharfen Kanten am Rahmen nicht zu berühren. Dann betätige ich den Hebel. Die Tür springt auf. Der Mann richtet sich langsam auf, zieht sich an den Sitzen vorsichtig, mit zusammengebissenen Zähnen hoch und kriecht schließlich zu mir zu der Tür. Sofort springe ich nach hinten und ignoriere den erneuten Schmerz in meinen Füßen. Ich kenne diesen Mann nicht. Trotz seiner Verletzungen weiß ich nicht, ob er immer noch dazu fähig ist, mich anzugreifen. Ich habe ihn hier noch nie gesehen. Inzwischen hat der Mann das Metallmonster verlassen. Er trägt eine blaue Uniform mit weißen Streifen. Seine schwarzen Schuhe würden bei uns nicht existieren. Dank Papa weiß ich, dass es Schuhe das letzte Mal im Jahr 2700 gegeben hat. Also woher kam dieser Typ? Woher hatte er diese Kleidung? Und was hatte es mit dem Metallmonster auf sich?
Der Mann hat sich auf den Boden gesetzt und streicht sich durch sein Haar. "Wasser", keucht er erneut.
Ich zögere kurz. Dann husche ich davon, renne zu einer naheliegenden Wasserquelle, ziehe mein Haarband aus und tränke es in dem Wasser. Meine Hilfsbereitschaft überwiegt. Ich renne, mit den Scherben in den Füßen, die mir jeden Schritt zur Qual machen, zurück zur Lichtung und reiche ihm das Haarband. Dankbar nimmt er es an. Als sich unsere Hände bei der Übergabe berühren, spüre ich dass seine Hände heiß sind. Er wringt das Halsband über seinen Lippen aus und scheint die frischen Tropfen zu genießen. Ich lasse mich ebenfalls nieder, jedoch, ohne meinen Blick von ihm abzuwenden und mache mich dann daran, die restlichen Scherben zu entfernen.
"Wie lautet dein Name?", fragt er nach kurzer Zeit.
"Wer will das wissen?", entgegne ich frech.
Der Mann hebt eine Augenbraue hoch und verzieht dann sein Gesicht vor Schmerz. "Egal... Ich bin Don... Don 33."
Bevor ich mir weitere Gedanken über seinen merkwürdigen Namen machen kann, redet er weiter. "Mein Bein... Ich kann es nicht mehr spüren."
Ich presse meine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Ich kenne mich zwar aus, bin aber trotz allem keine Ärztin. Dafür bräuchte ich schon Jade.
​Mist.
In dem Moment ertönt ein Knacken aus dem Gebüsch und anschließend nehme ich Guys und Joes Stimmen wahr. Adrenalin schießt durch meine Adern. Ich spüre, wie die Furcht mir die Kraft in die Beine treibt und mich von hier wegbringen will. Aber kann ich Don hier lassen? Was würden Joe und Guy mit ihm tun? Immerhin scheint er definitiv keiner von uns zu sein und trotzdem ist er in unser Revier eingedrungen. Ehe ich mich anders entscheiden kann, packe ich ihn, eine Hand unter seine Knie, die andere unter seinen Armen. Er ist erstaunlich leicht.
Don starrt mich entgeistert an. "Was wird das?"
Doch ich ignoriere ihn und flüchte mit ihm in meinem Arm tief in den Wald.
 

Es erweist sich als wesentlicher Vorteil, wenn man sich so hervorragend im Wald und den einzelnen Gebieten auskennt, wie ich. Wir umgehen die einzelnen Reviere und ich mache erst halt, als ich mir sicher bin, dass ich außer Hörweite bin und mich nicht in der Nähe anderer Reviere befinde.
In der Nähe eines Baches setze ich Don 33 ab. Hier plätschert das Wasser schmackhaft vor sich hin, die starken Äste der Bäume spenden uns Schatten und ein angenehmer Lavendelduft liegt in der Luft.
"Wieso bist du so schnell?", kommt es ihm über die Lippen.
"Bist du denn nicht so schnell?", frage ich zurück. Er schüttelt mit dem Kopf. "Nein... Keiner von uns rennt so schnell und niemand ist auch so stark wie du...."
Ich zucke mit den Schultern. "Tut dein Bein sehr weh?" Ich deute besorgt auf die blutgetränkte Hose.
"Ich spüre es kaum... Ich kenn mich aber nicht mit Medizin aus... Ich werde also..." Sein Blick bleibt an meinem Oberteil hängen. Ein Top aus Fell.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht steckt er seine Hand in seine Hosentasche und offenbart ein kleines spitzes Messer. Ich mache einen Satz nach hinten.
"Ich will dir nichts tun", sagte Don 33 in einem unglaublich sanften Ton. "Schneid mir bitte etwas von deinem Oberteil ab."
Ich verstehe, was er will, nehme das Messer und gehorche. Der Schock hat nachgelassen, mein Herz pocht wieder langsam und gleichmäßig. Mit einem Ratsch geben das Fell und die sich darunter befindende Haut nach. Ich überreiche Don 33 den Stofffetzen, welcher sich bis eben noch sanft an meine Haut geschmiegt hat und nach Wild duftete. Don 33 legt sich einen Druckverband an, in dem Bereich, in dem sein Bein schwer verwundet zu sein scheint. "Ich weiß nicht, ob es noch etwas bringt", gesteht er.
"Aber einen Versuch ist es wert", vollende ich seinen Satz.
Er hält in seiner Bewegung inne. "Wie kann es sein, dass es hier noch Menschen gibt? Wie kann es sein, dass ihr so intelligent seid? Wir haben doch die Präsidenten und die Technik und die Schulen..."
"Wir haben gar nichts von all dem", entgegne ich. Ich verstehe nicht viel von dem, was er da erzählt, aber am wenigsten nachvollziehen kann ich, wieso er uns für weniger intelligent hält. So klang es zumindest in seiner Aussage.
"Woher kommst du?", frage ich. Die Neugier hat mich gepackt und ich kann mich nicht länger zurückhalten. Ich meine, wenn jemand von uns redet, als seien wir eine andere Spezies, muss es sich doch um etwas außergewöhnliches handeln. "Wieso bist du in unser Revier eingedrungen? Wären Joe und Guy nicht so freundlich, könnten sie dich umbringen! Andere Reviere handhaben Eindringlinge üblicherweise so." Ich sehe ihn schief an, doch Don 33 scheint nicht ganz zu verstehen.
"Don 33 ist außerdem ein komischer Name", sage ich schließlich.
"Nein, ist er nicht."
"Doch, das ist er."
Don 33 verdreht die Augen. "Wie heißt ihr denn so?"
"Also ich heiße Alexa Eleonore Bonette", sage ich und vergesse, dass ich ihm eigentlich meinen Namen verschweigen wollte- aber jetzt ist es sowieso zu spät.
"Lass mich raten. Deine Vorfahren stammen aus dem früheren Frankreich, nicht wahr?"
"Ja...", murmele ich. "Ja. Aber wie kannst du so etwas wissen?"
"Dein Zweitname lautet Eleonore", sagt Don 33 lächelnd. "Typisch Französisch wie dein Nachname... Bonette."
"Aber wenn du dich mit Namen auskennst, wieso heißt du Don 33? Was hat die Zahl und der Name zu bedeuten?"
Don 33 streicht sich sein blondes Haar aus der Stirn und ich traue mich, mich direkt gegenüber von ihm zu setzen. "Don bedeutet: der Mutige. Und 33 bedeutet, wie viele Generationen von Don es bereits gegeben hat. Bei mir in der Familie heißen alle Söhne Don und alle Töchter Andra. Wir sind die Familie der Mutigen.."
Ich verziehe das Gesicht. "Ist das nicht ein wenig Eigenlob?"
Don 33 schnaubt. "Du kannst das nicht verstehen, du bist noch zu jung..."
"Ach ja", entgegne ich trotzig, denn ich hasse es, als zu jung abgestempelt zu werden. Als wären Erwachsene in der Lage alles zu verstehen und Kinder nur halb so intelligent wie sie. Dabei wissen sie gar nicht, zu was Kinder wirklich in der Lage sind. Aber davon ganz zu schweigen, bin ich gar kein Kind mehr. Jedenfalls würde ich das mit meinen siebzehn Jahren nicht behaupten. "Wie alt bist du denn?", frage ich ihn.
"Ich bin gerade achtzehn geworden, du?"
"Ich bin siebzehn. Ich werde achtzehn... Dieses Jahr."
Da verstummt er. Was soll er sagen? Ich bin also nicht zu jung.
"Was hast du gesagt? Ich sei zu jung? Nun ja dann wärst du es aber auch", gebe ich zurück.
Don 33 setzt ein schiefes Lächeln auf.
Ich richte mich kerzengerade auf. "Also Don 33. Ich will ehrlich sein. Du bist komisch. Du trägst Klamotten, die es zuletzt im achtundzwanzigsten Jahrhundert gegeben hat und du hast Schuhe... kein Mensch trägt mehr Schuhe. Ganz zu schweigen von deiner hellen Haut oder dem komischen Akzent. Und dieses Metallding da, in dem du drin warst. Wer bist du? Woher kommst du?" Das alles platzt aus mir raus und ich versuche auch nicht ansatzweise, mich zurückzuhalten.
"Ich will ehrlich mit dir sein", ahmt Don 33 mir nach. "Du bist komisch. Du trägst kaum Klamotten, wie Tarzan, trägst keine Schuhe, was zu Verletzungen führen kann. Du bist viel zu stark für ein Mädchen und rennst viel zu schnell. Nicht einmal ich bin so stark wie du... und ich meine, ich verbringe normalerweise jeden Tag im Fitnessraum, wenn ich nicht gerade auf Missionen bin.... Also... Wer bist du, Alexa Eleonore Bonette? Es dürfte gar keine Menschen auf der Erde mehr geben!"
Ich kann nichts tun, außer ihn perplex anzustarren. "Was ist Tarzan?", frage ich dann. Don 33 schlägt sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Dann überlegt Don 33, wobei er sich seine Finger ans Kinn legt und seinen Blick nach oben in die Baumkronen richtet. Ob ihm aufgefallen ist, dass es teilweise rosa Blätter gibt?
"Okay...", sagt er nun. "Ich erzähle dir meine Geschichte.... Aber erst nachdem du mir deine erzählt hast."
"Versprochen?", hake ich nach.
"Versprochen."
Ich nicke. "Okay. Deal, denn Versprechen werden nicht gebrochen."
Und dann beginne ich. "Einige Jahre nach der großen Klimakrise und der Coronapandemie begann die Weltzerstörung. Es bildeten sich Gruppen, Parteien, die sich auf bestimmte Themenfelder spezialisierten und für sich kämpften..."

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Galaxie Am 09.02.2022 um 19:33 Uhr Mit 2. Kapitel verknüpft
Mal gespannt wie deine Geschichte weiter geht.
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kakaos1 Am 15.02.2022 um 21:54 Uhr
Ich freue mich auf die Fortsetzung

Autor

Miras Profilbild Mira

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Statistik

Kapitel: 5
Sätze: 382
Wörter: 3.613
Zeichen: 20.875

Kurzbeschreibung

Es ist das 31. Jahrhundert. Neue Entdeckungen auf der Erde, neue Menschen, ein neues Leben. Doch ist es nicht möglich, dass sich unter ihnen Verräter befinden? Und wem wird der blaue Planet am Ende gehören?

Kategorisierung

Diese Story wird neben Katastrophe auch in den Genres Abenteuer, Science Fiction, Drama und gelistet.

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