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Neue Gefühle

255
29.01.20 11:37
18 Ab 18 Jahren
Homosexualität
In Arbeit

Autorennotiz

Ein älterer Text von mir... Immer noch in alter Rechtschreibung... Ich werde es auch nicht ändern, da die Zeit, in der der Text handelt und in der ich ihn schrieb, die Rechtschreibung nun einmal so war... Es gibt ein Wiedersehen mit Videokassetten und auch Musikkassetten... zumindest werden sie immer mal im Text erwähnt... ach ja, die Umstellung von DM auf € kommt auch vor... In diesem Sinne, ganz viel Spaß mit meinem Chaospärchen
Tam

Schwungvoll warf ich die Tür zurWohnung hinter mir ins Schloß und griff in die rechte Hosentasche.
„Mist, so ein verdammter Mist“, fluchte ich, als ich den Schlüssel nicht fand. Wütend trat ich gegen die Wohnungstür, obwohl ich wußte, das es nichts an meiner Situation ändern würde. Die Stufen hinabstürmend verwünschte ich meine Schusseligkeit.
Jetzt lagen meine Schlüssel auf dem kleinen Schuhschränkchen im Korridor, langweilten sich und ich mußte bei diesem herrlichen Wetter die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und das in voller Montur.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße“, murmelte ich immer wieder vor mich hin, bis ich die Haustür erreicht hatte und den kühlen Hausflur verlassen mußte. Wütend stieß ich die Tür auf, da sie nur angelehnt war und trat auf die Straße. Sofort umfing mich die Hitze. Mit einem Ruck zog ich das Tuch um meinen Hals weg und stopfte es mit zu den Handschuhen in den Helm.
Da stand sie, meine Honda, strahlte im Licht der Sonne, frisch geputzt und ich Idiot hatte den Schlüssel in der Wohnung liegen lassen. Sanft strich ich mit den Fingern über den Tank und öffnete den Reisverschluß meiner Motorradjacke.
„Scheiße“, knurrte ich noch mal und stapfte los. Die nächste U-Bahn Station war zum Glück nur einen Straße weiter, doch ich haßte es im Sommer unter Tage zu fahren. Gerade als ich die Rolltreppe abwärts betreten wollte, vernahm ich eine grelle Stimme: „Sai!“
„Mist, das fehlte mir noch“, knirschte ich, dann legte ich mein Sonntagslächeln auf und dreht mich um.
Mandy, eine meiner Ex, kam auf mich zugestürmt, warf sich an meinen Hals und hauchte: „Lange nicht gesehen.“
Ich schob sie von mir, sah ihr ins Gesicht, die blauen Augen funkelten mich an. Lauernd blickte sie mich an. Auf was wartet sie, fragte ich mich.
„Ja“, antwortete ich nur knapp und wollte mich umdrehen, als sie feststellte: „Du warst lange nicht mehr im Club.“
„Ja, die Arbeit“, wich ich ihr aus.
Mandy nickte, preßte die Lippen aufeinander, fuhr sich mit den Fingern durch das lange, blonde Haar, bevor sie die Arme vor der Brust verschränkte und bockig fragte: „Was habe ich dir getan?“
Iiinerlich stöhnte ich auf. Wie oft wollte sie mich das noch fragen? Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben. Mußte man jede Beziehung, die auseinander gegangen ist, ausdiskutieren? Konnte man es nicht einfach hinnehmen?
„Gar nichts“, zischte ich genervt. „Nichts.“
„Und wieso behandelst du mich wie den letzten Dreck?“ Ihre Lippen bebten. Sie ballte die Hände zu Fäusten.
Unwillig schüttelte ich den Kopf. Ich wollte ihr nicht antworten. Was sollte ich sagen, daß ich noch nie eine Beziehung über zwei Wochen hinaus hatte? Ich war nun mal der Typ Mann, der seine Verflossenen nicht beachtete und so tat, als würde er sie nicht kennen. Ich wollte nichts als meine Ruhe. Mandy würde keine Antwort von mir bekommen und so drehte ich mich in Richtung Rolltreppe.
Plötzlich spürte ich ihre Finger, die sich in meinen rechten Oberarm gruben. Trotz des dicken Leders fühlte ich ihre Nägel. Sie krallte sich regelrecht fest. Sie schien es nicht anders zu wollen und so sagte ich trocken, ohne auch nur einen Muskel im Gesicht zu verziehen: „Du warst für mich nichts weiter als ein Abenteuer.“ Kurz ließ ich eine Pause, die Worte sollten ganz zu ihr durchdringen, dann setzte ich noch einen drauf: „Wie all die anderen vor dir.“
Sie ließ mich los, trommelte wild mit ihren Händen auf meinen Brustkorb ein. „Du mieses Schwein, du verdammtes Arschloch.“ Ihre Stimme überschlug sich, als sie mich mit Schimpfwörtern bombardierte.
Mein Helm fiel zu Boden, als ich nach ihren Handgelenken griff, sie zwang, mit ihren Schlägen innezuhalten, und dann blickte ich mit einem Grinsen im Gesicht über ihren Kopf hinweg zu den Passanten, die stehen blieben und zu uns sahen. Einige schüttelten nur den Kopf, andere gingen vorbei, ignorierten uns und eine Frau sagte: „Lassen sie das Mädchen in Ruhe!“
Langsam wurde ich echt wütend. Reichte es nicht, das ich zu Fuß gehen mußte? Mußte mir nun auch noch eine hysterische Ex Probleme machen?
Ich konnte Mandy, die mich noch immer wie ein Rohrspatz beschimpfte, nicht ernst nehmen und mein überhebliches Grinsen, ließ sie noch zorniger werden. Sie warf ihren Körper nach hinten, wollte meinen Griff sprengen, doch ich hielt ihre Handgelenke umklammert und flüsterte kaum hörbar: „Hast du dich jetzt ausgetobt?“
Kurz hielt sie in ihren Bemühungen, sich zu befreien, inne, sah mich an und wartete. „Gut, wenn du dich jetzt wie eine normale erwachsene Frau verhältst und nicht wie ein sechzehnjähriges pubertierendes Mädchen, dann laß ich dich los.“ Wieder lächelte ich sie an, doch war es ein spöttisches Lächeln.
Mandy nickte, hielt still und ich löste meine Finger von ihren Handgelenken. „Du wirst meine Rache noch zu spüren bekommen“, fauchte sie mich an, dann fühlte ich ihre flache Hand an meiner linken Wange, bevor sie herumwirbelte und verschwand.
Ich nahm meinen Helm auf, sah mich kurz noch mal nach ihr um und stieg dann auf die Rolltreppe. Schwüle, Hitze, Gerüche erwarteten mich unter Erde. Und je tiefer mich die Rolltreppe transportierte um so wärmer wurde mir. Ich zog meine Jacke aus, hing sie mir über die Schulter und begab mich, als ich unten angekommen war, an einen Fahrscheinautomaten.
Kurzstrecke reichte. Ich mußte nur drei Haltestellen fahren. Ich warf die 2,90 DM ein und wartete auf mein Ticket. Ich entwertete es noch und dann fuhr die U-Bahn auch schon ein.
Stinkig ließ ich mich auf eine Bank fallen. Doch ich sah einen hellen Punkt in dem Dunkel. Ich wußte, daß mein Zweitwohnungsschlüssel auf mich wartete.
In dem Waggon stand die Luft und hier unten würde es auch keine frische geben. Ich streckte die Beine aus, stellte den Helm neben mir ab und sah auf die Fensterscheibe gegenüber. Leicht verzogen und doppelt erkannte ich mein Gesicht, bis sich ein anderes davor schob, umrahmt von roten Locken. Grüne Katzenaugen sahen mich an, fixierten mich. Der rote Mund lächelte. Ich lächelte zurück und ließ meinen Blick über den Körper der Frau gleiten. Sie trug ein schwarzes, enges, kurzes Top und Hotpants in fast dem selben Grün, wie ihre Augen leuchteten. Die zierlichen Füße steckten in Pumps. Nicht schlecht, dachte ich. Die würde ich bestimmt nicht von der Bettkante stoßen.
Diese Hitze machte mich fertig. Ich liebe meine Haare, doch an solchen Tagen wünschte ich mir immer wieder, das ich sie nie hätte wachsen lassen.
Ich kramte in meinen Hosentaschen, bis ich fand, was ich gesucht hatte. Ich nahm den schwarzen Haargummi und band meine Haare am Hinterkopf zusammen. Die Frau ließ mich nicht aus den Augen, beobachtete jede Bewegung und fragte lächelnd: „War das Benzin alle?“
„Wie bitte?“ Scharf sah ich sie an, wußte nicht, was sie von mir wollte und runzelte leicht die Stirn.
„Es kommt selten vor, das ein Biker mit der U-Bahn fährt und das sogar in der Kombi.“ Was sollte ich jetzt erwidern? Ich konnte ihr ja schlecht sagen, das ich mich ausgesperrt hatte.
„Ach so, sie ist liegengeblieben und steht jetzt in der Werkstatt.“ Sie nickte und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Wow, die Frau hatte eine Ausstrahlung. Ich spürte ein leichtes Ziehen in meinem Unterleib und mußte mir eingestehen, das ich nicht gegen sie gefeit wäre, wenn sie mir jetzt näher käme und sicherlich würde ich heiß über sie herfallen können.
Als die U-Bahn anhielt, blickte ich auf. Zum Glück mußte ich die nächste Station raus. Ich erhob mich, als die Bahn wieder anfuhr, streifte ihre Knie, als ich mich an ihr vorbeischob und zuckte zusammen, als sie nach meiner freien Hand griff. Ich fühlte Papier zwischen meinen Fingern. Das Herz schlug mir bis zum Hals, dann kam die Bahn wieder zum Stehen.
Ich schob die Tür auf, stürzte auf den Bahnsteig und sah den Waggons nach, als sie in der engen unterirdischen Röhre verschwanden, dann erst schaute ich auf den Zettel und faltete ihn auseinander. Eine Telefonnummer, der Satz: ruf mich an und ihr Name, standen mit grünem Stift geschrieben darauf. Kitty - ja, der Name paßte zu ihr.
Gut, wieder eine Eroberung gemacht. Mit einem süffisanten Lächeln verließ ich die Erde wieder, begab mich an die Oberfläche und kniff die Augen zusammen, als mich die Sonne blendete. Morgen werde ich sie anrufen, mit dem Gedanken bog ich in die Straße ein, die mein Ziel gewesen war.
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Hatte ich tatsächlich fast zwanzig Minuten gebraucht? Man, ich mußte mir was einfallen lassen. Es war ja nicht das erste Mal, daß ich meine Wohnung ohne Schlüssel verlassen hatte. Hoffentlich war Steffen zu Hause, sonst würde ich mich den ganzen Tag in der Kombi durchschlagen müssen.
Seit meiner Kindheit war Steffen mein Freund. Ich erinnerte mich noch gut an den Tag, als er mit seinen Eltern das Restaurant meiner Eltern betrat. Damals hatte ich an einem der Tische gesessen und Hausaufgaben gemacht, obwohl ich viel lieber mit Klassenkameraden unterwegs gewesen wäre und mich ausgetobt hätte. So hatte ich dagesessen und mich gelangweilt, genauso wie der blonde Junge am Tisch seiner Eltern. Immer wieder hatte ich zu ihm hingesehen, bis er mir die Zunge rausstreckte. Ich hatte es ihm gleich getan und kurz darauf kam er zu mir, setzte sich mir gegenüber und fragte frech: „Deine Eltern lassen dich wohl nicht raus?“
So wurden wir Freunde. Zum Leidwesen unserer Eltern. Einer allein war schon anstrengend, doch Steffen und ich zusammen, das war Horror.
Obwohl wir damals gerade mal sieben Jahre alt waren, schafften wir es immer und immer wieder, alles auf den Kopf zu stellen, und irgendwann bekamen wir von meinem Vater Restaurantverbot.
Während ich über meine Kindheit grinste, erreichte ich das Haus, in dem Steffen mit seinen Eltern lebte. Noch immer wohnte er in seinem Kinderzimmer. Als Student konnte er sich keine Wohnung leisten und so blieb er im ‘Hotel-Mama’.
Ich war mit achtzehn zu Hause ausgezogen. Meine Mutter hatte es damals satt, daß ich ständig andere Mädchen angeschleppt brachte und so bekam ich ein Angebot, daß ich nicht abschlagen konnte. Mein Vater gab mir eine Stelle im Restaurant, besorgte mir eine Wohnung und half mir beim Umzug. Irgendwann meinte er zu mir. „Deiner Mutter geht es, nun da du ausgezogen, bist besser.“
Ich wußte, was mein Vater mir damit sagen wollte. Mutter hatten meine Frauenabenteuer nie gepaßt und nun bekam sie sie wenigstens nicht mehr mit. Aber ich war fast noch schlimmer geworden, fast jede Nacht nahm ich ein anderes Mädchen mit nach Hause, hatte meinen Spaß und ließ sie dann fallen. Was sollte ich mich fest binden? Ich hielt es mit Frauen nicht gerade aus. Mehrere Versuche waren gescheitert, doch es tat mir nicht leid. Ich war eben nicht für eine feste Beziehung geschaffen, nicht so wie Steffen, der seit neun Jahren mit meiner Cousine zusammen war.
Er war gerade mal sechzehn, als er sich Hals über Kopf in Tabtim verliebte. Ihre Beziehung hatte nur einen Haken, Tabtim lebte noch immer in meiner Heimat und so sahen sie sich nur zweimal im Jahr, aber das schien ihnen nicht zu schaden, manchmal hatte ich das Gefühl, es schweißte sie eher noch mehr zusammen.
Gut gelaunt öffnete ich das Gartentor, ging den Kiesweg hoch und läutete. Ich hörte Schritte, die sich der Tür näherten, und ein Geräusch, das ich sehr gut kannte. Ich lächelte, wußte ich doch, daß Whiskey mich am Schritt erkannt hatte. Mit wedelndem Schwanz stand der Schäferhund jetzt sicherlich hinter der Tür und wartet darauf, mich abschlecken zu können.
Frau Niedzilski öffnete mir die Tür, kam nicht dazu, mir guten Tag zu sagen, da Whiskey sich an ihr vorbeidrängelte und an mir hochsprang. Die Vorderpfoten des Hundes trafen mich an der Brust und ich kämpfte mit dem Gleichgewicht. Ich vergrub meine Finger in dem dichten Fell, kraulte den Hund zwischen den Ohren und sagte lachend: „Wenn mich nur alle so stürmisch begrüßen würden!“
Ich nickte Steffens Mutter zu und fragte: „Ist Stef da?“
„Ja, er ist oben. Hat sich den ganzen Morgen noch nicht hier unten blicken lassen.“ Frau Niedzilski schob Whiskey zur Seite, der unterdessen vor mir saß und mich mit bettelndem Blick ansah.
„Heute nicht, Whiskey“, murmelte ich und hörte wie Steffens Mutter sagte: „Stef hat schlechte Laune. Sei vorsichtig!“
„Das bin ich doch immer, Frau Niedzilski.“ Ich legte Helm und Jacke in der Garderobe ab, zog meine Schuhe aus und stieg die Stufen zur ersten Etage hinauf.
Steffen hatte wieder mal schlechte Laune. Ich kannte das und dachte gar nicht mehr darüber nach. Ich wußte, daß er Tabtim vermißte und meistens schlecht drauf war, wenn er sie telefonisch nicht erreichen konnte.
Vor seiner Zimmertür blieb ich stehen, lauschte kurz, bevor ich anklopfte. Normalerweise tat ich das nicht, doch in solchen Situationen war es besser. Denn wenn man unangemeldet sein kleines Reich betrat, konnte es bei seiner Laune schnell passieren, das man ein Kissen an den Kopf bekam.
Ein stinkiges „Komm rein!“, drang an meine Ohren und nun mußte ich schon wieder grinsen. Denn ich sah Steffen mit verbissenem Gesicht auf seinem Bett hocken und um ihn herum die Kissen verteilt, die er wütend von sich geschleudert hatte.
Doch heute täuschte ich mich. Nachdem ich die Tür geöffnete hatte und eingetreten war, blieb ich staunend stehen. Nichts deutete auf wütende Handhabung hin und Steffen lag auf seinem Bett, ein Kissen in den Armen. Aus geröteten Augen blickte er mich an. Seine Wangen wiesen noch immer Spuren von Tränen auf.
„Was willst du?“, fauchte er mich an. Mir verschlug es die Sprache. So kannte ich meinen besten Freund nicht. Unsicher sah ich mich um, wich seinem Blick aus und fragte: „Was ist denn in dich gefahren?“
Mit einem Ruck richtete er sich auf, warf das Kissen in meine Richtung und antwortete: „Nichts.“
Unbewußt griff ich nach dem Kissen, hielt es fest und näherte mich vorsichtig dem Bett, auf dem Steffen nun im Schneidersitz saß und ließ mich neben ihm nieder. Das kleine Kissen legte ich neben mich, dann sah ich ihn an, versuchte in seinem Gesicht zu lesen. Doch es wirkte so verbissen, das ich nicht mal eine Ahnung hatte, was ihn bedrücken konnte. Sanft fuhr ich fort: „Nichts? Danach sieht es für mich aber nicht aus.“
Er funkelte mich an und fragte nochmals: „Was willst du?“
„Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mit baden kommst? Aber du kannst gern hier bleiben und in Selbstmitleid versinken. Erwarte keine Hilfe von mir!“ Ich erhob mich nach meinen hart ausgesprochenen Worten und näherte mich der Tür, als er mich mit einem Satz erstarren ließ. „Ich habe mit Tabtim Schluß gemacht!“
Ich rührte mich nicht, blickte auf die Tür und glaubte mich verhört zu haben. „Wie war das gerade?“, hakte ich nach.
„Muß ich es noch mal sagen?“ Wieder klang seine Stimme wütend. Obwohl ich ihm nicht ins Gesicht sah, wußte ich, daß er jetzt die Zähne aufeinander preßte und mit ihnen knirschte.
„Aber...“ Ich drehte mich wieder in seine Richtung. „Wieso?“
Steffen senkte den Kopf, die hellblonden Haare verdeckten seine stahlblauen Augen. „Es ist alles falsch. Nichts ist richtig. Es geht einfach nicht.“
Für mich stammelte er Blödsinn. „Auf einmal?“, fuhr ich ihn an.
Er nickte nur.
„Ich erinnere mich an einen Mann, der vor drei Wochen am Flughafen gestanden und geheult hat, als die Maschine gestartet ist“, sagte ich gereizt.
„Und? Es geht nicht. Die Beziehung hat keine Chance.“ Er resignierte.
„Ach, und das fällt dir nach neun Jahren auf?“ Mit den Händen fuhr ich mir durch die Haare, öffnete sie und funkelte meinen Freund an. „Sieh mich an, wenn ich mit dir rede! Es geht schließlich um meine Cousine.“
Er reagierte nicht, starrte weiter auf das Bett.
„Ich erinnere mich an einen Jungen, der vor neun Jahren auf meine Cousine traf und dann wie ein Besessener meine Sprache gelernt hat, nur um mit ihr telefonieren zu können.“
Steffen blickte auf, strich sich Haarsträhnen aus der Stirn, und ich entdeckte Tränen, die über seine Wangen liefen. Steffen weinte? Noch nie hatte ich ihn, außer am Flughafen, weinen sehen. „Warum zum Teufel machst du mit ihr Schluß, wenn es dir so dreckig dabei geht?“
Er ballte die Hände zu Fäusten, erhob sich endlich von seinem Bett, näherte sich dem Fenster und sah hinaus in den Garten. Seine Antwort überraschte mich. „Weil ich jemand anderen liebe.“
In mir überschlugen sich die Gedanken. Bilder stiegen in mir auf. Nur dumpf erinnerte ich mich an die Party, die wir vorige Woche besucht hatten. Den ganzen Abend hatte er mit einem Mädchen zusammen gesessen. Ich hatte die beiden nicht weiter beobachten können, da ich mich beizeiten mit Mandy abgesetzt hatte.
„Das Mädchen von der Party neulich?“, erkundigte ich mich.
Steffen wirbelte herum, warf mir einen Blick zu, der mich hätte töten können, dann stutzte er kurz, lachte auf und sagte: „Du kennst mich echt zu gut.“
Ich sah nach oben an die Decke, atmete tief durch. Und nun? Jetzt stand ich zwischen den Fronten. Ich liebte meine Cousine und ahnte, wie schlecht es ihr jetzt ging. Doch Steffen war mein bester Freund und ich wollte, daß auch er glücklich ist. „Gut, aber ich frage mich trotzdem, warum du dann heulst?“
„Weil ich mit Tabtim Schluß gemacht habe, obwohl ich nicht weiß, ob Nancy überhaupt was von mir will.“
„Dann finde es heraus!“, gab ich ihm zur Antwort, angelte nach einem Taschentuch, das neben seinem Bett lag und warf es ihm zu.
„Das werde ich!“ Ich spürte, wie ernst es ihm war, und sagte: „Gut, das wäre geklärt. Nun geh dir endlich das Gesicht waschen und dann laß uns hier verschwinden. Das Wetter ist zu schön, um im Haus zu vergammeln!“
Jetzt erst fiel mir mein Schlüssel wieder ein und ich bat: „Ach, ich bräuchte mal wieder meinen Schlüssel!“
Steffen sah mich an und lachte auf. „Das ist mein Großer. Er hat sich mal wieder ausgeschlossen.“ Kurz schnaubte er sich. „Wir sollten dir ein Piercing verpassen und eine Kette mit deinem Schlüssel daran anbringen.“
Das war genug des Guten. Mit einem Satz war ich bei ihm, nahm ihn in den Schwitzkasten und wuschelte ihm durch die Haare, erst als er um Gnade bat, ließ ich ihn wieder frei.

***

Als ich am späten Abend meine Wohnung betrat und einen Blick auf meinen Anrufbeantworter warf, staunte ich nicht schlecht, als ich tatsächlich zwanzig Anrufe sah. Ich schälte mich aus meiner Jacke, betätigte den Wiedergabeknopf und lauschte.
„Sai, ruf mich an!“ Tabtims Stimme drang an mein Ohr. Dann kam nur ein: „Sai?“ Wieder Tabtim und irgendwann hörte ich, wie sie sagte: „Ruf mich an, egal wie spät es ist, bitte!“
Ich nahm das Telefon von der Basisstation mit ins Wohnzimmer, flaumte mich auf die Couch und tippte Tabtims Nummer ein. Nach dem zweiten Läuten wurde schon abgehoben und ich hörte eine verschniefte Tabtim am anderen Ende der Leitung.
„Ich bin es“, meldete ich mich.
„Wer ist die Neue?“, fragte meine Cousine, ohne mich zu grüßen.
„Niemand. Er hat noch keine Neue“, antwortete ich ehrlich.
„Aber er sagte doch, er liebe jemand anderes.“ Ich hörte, wie sehr ihre Stimme zitterte und ich wußte, was zu tun war.
„Paß auf. Ich weiß, du warst gerade erst hier, aber was hältst du davon, wenn du einfach noch mal herkommst?“ Es war Ruhe in der Leitung.
„Tabtim, bist du noch dran?“
„Was soll ich bei dir? Er will mich doch nie wiedersehen.“
„Er ist durcheinander, glaub mir. Ich kenne ihn gut genug und ich weiß auch, daß ihn die Trennung schmerzt. Er liebt dich. Sonst würde er nicht heulend in seinem Zimmer sitzen.“ Ich zog mir den Aschenbecher näher, klopfte mir eine Zigarette aus der Packung und zündete sie mir an.
„Er weint?“, fragte Tabtim nach.
„Ja, also was ist? Kommst du noch mal her?“
„Ich habe kein Geld, den Flug kann ich mir nicht leisten.“
„Ich werde dir das Ticket bezahlen. Stef und ich wollten doch eh im Winter runterkommen. Dann komm ich halt erst nächsten Winter wieder.“ Ich drückte meine Zigarette aus.
„Melde dich vorher! Ich muß Schluß machen. Vater steht schon in der Tür. Tschüß!“ Die Leitung war tot.
Lächelnd legte ich auf. Ich sah meinen Onkel vor mir, wie er mit hochgezogenen Augenbrauen auf Tabtim blickte und die Hände in die Hüften stemmte.
Zufrieden mit mir selbst schaltete ich den Fernseher ein und dachte nach. Ja, so könnte es funktionieren. Wenn Steffen meine Cousine wiedersah, sie wieder in den Arm nehmen könnte, dann würde ihm bewußt werden, wen er wirklich liebt.

***

Ich trug gerade Getränke an einen Tisch, als Steffen das Restaurant meiner Eltern betrat. Ich nickte ihm kurz zu und begab mich, nachdem ich noch eine Bestellung aufgenommen hatte, zu ihm.
„Stef, was ist?“, fragte ich. Er mußte etwas auf dem Herzen haben, denn er kam nicht hierher, um vielleicht nur etwas zu essen.
„Großer, hast du nachher Zeit?“
Ich nickte und stutzte. Wie hatte Steffen mich gerade genannt? Großer? Wieso sagte er Großer zu mir? So hatte er mich schon seit langer Zeit nicht mehr genannt. „Ja, ich mache um 22:00 Uhr Feierabend. Soll ich zu dir kommen?“, antwortete ich.
„Nein, komm ins ‘River-Mekhong’!“
„Gut, bis dann!“ Steffen erhob sich und ging. Mich ließ er grübelnd zurück. Irgend etwas stimmte mit meinem Freund nicht. Er nennt mich Großer, macht mit Tabtim Schluß und hat sich in Nancy verliebt. Das sah gar nicht nach meinem besten Freund aus.
Schweigsam ging ich zurück an meine Arbeit. Auf die Nacht war ich gespannt.

***

Gegen 1:00 Uhr, erreichte ich das ‘River-Mekhong’ und stellte meine ‘Honda’ neben einer ‘X-Eleven’ ab. Ich stutzte, als ich das Bike sah. Benny war wieder da.
Ich zog die Handschuhe aus, nahm den Helm ab und begab mich zum Eingang. Ich brauchte nicht zu klingeln, denn die Tür wurde mir geöffnet. Benny, einer der Türsteher, strahlte mich an, im Hintergrund sah ich Lai, der mir zunickte.
„Na, Urlaub vorbei?“, erkundigte ich mich.
Benny nickte nur, nahm mir meine Sachen ab und fragte: „Wieviel Frauen warten heute auf dich?“
„Keine“, lächelte ich und schob mich an ihm vorbei. Steffen saß an der Theke, blickte in das Glas vor sich und erschrak, als ich ihm auf die Schulter schlug.
„Ist Nancy hier?“, fragte ich.
„Nein, aber Mandy.“ Steffen nickte zur Tanzfläche. Das hatte mir gerade noch gefehlt. War ich denn nirgends vor ihr sicher?
Ich sah mich weiter um, als mein Blick an einem blonden Mädchen hängen blieb. Sie saß allein an einem der Tische, aß etwas und blickte auf. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, lächelte mich an, als sie meinen Blick bemerkte, dann widmete sie sich wieder ihrem Salat.
„Kennst du sie?“, fragte ich Steffen. Er sah zu ihr, zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf.
„Gut, ich geh mal die Lage erkundigen.“ Mit diesen Worten ließ ich meinen Freund allein und begab mich zu der Blonden. Sie schaute auf, als ich vor ihrem Tisch stehen blieb.
„So allein, schöne Frau?“, fragte ich.
„Ja, noch“, antwortete sie mir und lächelte.
„Kann ich mich zu dir setzten?“ Sie sah auf den Platz neben sich, zu mir und nickte wieder. Bevor ich mich neben ihr niederließ, stellte ich mich vor: „Ich heiße Sai.“
„Tam“, erwiderte sie knapp, und ich konnte einen Blick in ihre Augen werfen. Schelmisch lächelte sie mich an, griff nach dem Glas vor sich und trank einen Schluck.
„Du bist das erste Mal hier?“, erkundigte ich mich, neugierig auf die junge Frau, die so unscheinbar wirkte.
„Nein, ich war nur lange Zeit nicht mehr hier.“ Mehr sagte sie nicht, da sie ihren Blick wieder über die Köpfe der Gäste schweifen ließ. Sie nickte jemanden, den ich nicht sehen konnte.
Nan, der Besitzer des Clubs, kam zu uns und begrüßte sie wie eine alte Bekannte. „Hey Tam, schön, daß du mal wieder hier bist.“
„Ich dachte mir, daß ich vorbeischauen kann, wenn ich schon mal in der Nähe bin.“
Aha, sie kam also nicht von hier.
„Wie lange bleibst du denn?“, erkundigte sich Nan.
Tam lachte auf und sagte grinsend: „Hier? Mal sehen, bis mir die Augen zufallen. Nein, ich bin eine Woche bei jemandem zu Besuch.“
„Na, dann sehen wir uns bestimmt noch mal.“ Nan erhob sich und setzte seine Runde fort.
Tam schob ihren unterdessen leeren Teller von sich, griff nach der Zigarettenschachtel und klopfte sich ein Stäbchen aus der Packung. Noch bevor sie nach ihrem Feuerzeug greifen konnte, hatte ich meines angezündet und hielt ihr die Flamme hin. Dankbar nickte sie mir zu und rauchte in Ruhe.
Man, so schwer hatte ich es noch nie, mit einer Frau ins Gespräch zu kommen. Aber sie schien den Abstand zu wollen und so blieb ich schweigend sitzen und beobachtete sie nur.
In etwa zehn Lieder später sah ich, wie sie sich von ihrem Platz erhob und in Richtung Eingang blickte. Ich folgte ihrem Blick und sah Benny und Lai, die ihr winkten. Hinter den beiden Türstehern erkannte ich noch eine Gestalt, die sich an ihnen vorbeischob und zügig auf uns zukam.
Ich hatte den Thai hier noch nie gesehen und mußte schlucken, als ich ihn mir genauer betrachtete. Ich konnte die Ähnlichkeit zwischen uns nicht verleugnen. Er trug sein Haar genauso lang wie ich. Die Jeans wiesen Risse auf und das weise Shirt spannte über einem kräftigen Oberkörper. Mist, dachte ich nur. Da hatte jemand den selben Geschmack wie ich und als Tam ihm entgegenging und sich in seine Arme warf, sah ich hilfesuchend zu Stef, der grinsend auf seinem Barhocker saß. Er fand die Situation sicherlich amüsant, während ich einsah, das der Zug abgefahren war.
Tam und ihr Freund rutschten auf die Bank, und ich wurde von ihm gemustert. Sein Blick irrte zwischen mir und Tam hin und her, dann lächelte er und begrüßte mich mit einem kurzen Nicken.
Wie ein begossener Pudel saß ich da und fühlte mich neben dem Pärchen plötzlich unwohl. Ich sah, wie er einen Arm um ihre Schulter legte, sie näher an sich zog und etwas in ihr Ohr flüsterte. Sie kicherte und schlug ihm spielerisch auf den Oberschenkel.
„Ein Satz mit x, das war wohl nix.“ Ich drehte mich in die Richtung, aus der ich den Satz vernommen hatte. Steffen stand hinter mir, grinste von einem Ohr zum anderen und reichte mir ein Bierglas. Ich gab es ihm wieder und entgegnete: „Ich bin mit der Maschine hier.“
„Ich vergaß“, murmelte und trank.
„Dann ist das deine ‘CBR 600’?“, fragte mich Tams Freund.
„Ja, wieso?“
„Nur so, ich fahre auch, da ist man einfach neugierig. Ach übrigens, ich bin Yo.“
„Sai.“ Nun war ich es, der einsilbig blieb.
Steffen stieß mich immer wieder in die Seite, bis ich begriff, was er von mir wollte. Ich rückte auf der Bank ein Stück, damit er sich neben mich setzen konnte. Tam und Yo flüsterten schon wieder, wobei sie ständig kicherte. Nur zu gern hätte ich gewußt, über was sie sprachen, doch verstand ich dank der Musik kein Wort.
„Tja, sie ist für dich tabu“, feixte mein Freund neben mir.
Auf seine spitze Bemerkung ging ich nicht weiter ein und fragte: „Warum sollte ich eigentlich herkommen?“
„Warum? Einfach so. Es ist schon eine ganze Weile her, das wir zusammen auf Brautschau waren.“ Ich runzelte die Stirn. Das war nicht mehr der Steffen, den ich kannte.
„Gut, wer bist du, und wo ist Steffen?“, knirschte ich gespielt verärgert.
Entrüstet sah Steffen mich an, wollte sich schon wieder erheben, als ich ihn zurückzog und ihn mit ernster Mine ansah. „Mal ehrlich, was ist los mit dir?“
„Nichts, sagen wir mal so, ich genieße meine Freiheit und jetzt geh ich tanzen.“ Verblüfft sah ich ihm dabei zu, wie er kurz mit Yo flüsterte und dann mit Tam auf der Tanzfläche verschwand.
Er stahl mir gerade mein Mädchen! Oh nein, so konnte es nicht weitergehen. Es wurde Zeit, das ich meinen Plan in die Tat umsetzte und Tabtim hierher holte. Ich konnte nicht zulassen, daß mein bester Freund mir die Frauen ausspannte.
Ich entschuldigte mich bei Yo, der lächelnd zu Tam und Steffen sah, dann begab ich mich auf die Toilette.
Als ich das Herrenklo wieder verließ, traf ich einen Bekannten meines Bruders, der mich begrüßte und fragte: „Wie geht’s Nuy?“
„Dem geht’s gut, ist verlobt und will demnächst heiraten.“ Ich wich Nuys Freund aus, seinen Namen kannte ich eh nicht. Seine fragenden Blicke konnte ich auf meinem Rücken brennen fühlen, als ich mich einfach abwandte.
Ich sah zu unserem Tisch. Steffen und Tam saßen da und unterhielten sich angeregt. Ich blieb an die Wand gelehnt stehen und beobachtete sie, bis mich Steffen entdeckte und zu mir kam. Er schlug mir auf die Schulter und lachte: „Tja, diesmal war ich schneller - ausgestochen.“
Fragend sah ich ihn an. „Yo ist nicht ihr fester Freund, sie sind nur Freunde.“
Das schlug dem Faß den Boden aus. „Gut, ich gebe das Terrain frei und gehe. Wir sehen uns.“
Ich drückte ihm noch 10,- DM in die Hand, damit er das dämliche Bier bezahlen konnte und begab mich Richtung Ausgang.
Lai stand allein an der Garderobe und blickte mir mit einem fiesen Grinsen entgegen. „Na, war dein Freund schneller?“
„Ja“, knirschte ich und ließ mir meine Sachen geben.
„Mach dir nichts daraus, Casanova. Jetzt weißt du mal, wie es mir immer geht.“ Lai schlug mir noch mal auf die Schulter, dann öffnete er die schwere Eisentür und ich verließ das ‘River-Mekhong’.
Wütend auf mich selbst zog ich meine Lederjacke an, kramte die Schlüssel aus meiner Hosentasche und ging zu dem kleinen Parkplatz.
Wie vor eine Wand gelaufen blieb ich stehen, als ich zwei Umrisse an den Motorrädern sah. Ich konnte nicht feststellen was die beiden Männer da taten und wollte sie auf ihr Tun hin ansprechen, doch dann erkannte ich Benny.
Benny stand vor Tams Bekannten, hatte die Hände an dessen Taille gelegt und streckte sich, dann küßte er Yo, der ihn an sich zog und den Kuß erwiderte.
Ich verschluckte mich beinah, stand mit offenem Mund da und glaubte zu träumen. Benny, er... Ja, aber? War er wegen ihm drei Monate nicht in Deutschland gewesen? Ich mußte hier weg. Die beiden durften mich nicht sehen. Leise schlich ich mich davon. Was sollte ich jetzt tun? Ich mußte doch irgendwie an meine Maschine kommen. Wie lange würden die jetzt auf dem Parkplatz rumknutschen?
Ich versuchte, mit meinen Maßstäben zu rechnen. Eine Stunde, eine halbe? Dann spürte ich, wie mir schlecht wurde. Was, wenn sie sich wirklich so benahmen wie ich? Auf den Anblick von zwei Männer, die es auf einem Parkplatz miteinander trieben, konnte ich verzichten.
Was war nur mit dieser Welt geschehen? Ich raufte mir die Haare, winkte nach einem Taxi und ließ mich neben dem braunhaarigen Fahrer nieder.
Der Fahrer lächelte: „Das nenn ich anständig.“
Ich sah den Mann am Steuer an, legte die Hände auf meinen Helm und erklärte ihm, wo ich wohnte. Er gab Gas und schon rollten wir durch die nächtliche Stadt. Während ich aus dem Fenster blickte und grübelte, sah ich plötzlich wieder Benny vor mir, sah, wie er Yo küßte und schüttelte mich.
„Ist mit ihnen alles in Ordnung?“ Der ältere Mann warf einen kurzen Blick zu mir, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
„Ja“, antwortete ich knapp und lauschte seinen nächsten Worten.
„Der Alkohol - da kann es einem schon mal schlecht gehen, aber ich bin froh, das sie ihr Motorrad haben stehen lassen.“ Er setzte den Blinker und bog in meine Straße ein.
Erst wollte ich ihm widersprechen, ließ es dann aber sein. Ich konnte ihm ja schlecht sagen, daß ich mich wegen einem schwulen Pärchen nicht auf den Parkplatz getraut hatte.
Er stoppte, schaltete das Taxameter aus und sah mich wieder an. „Das macht 15,30 DM.“
Ich zog meine Brieftasche aus der hinteren Hosentasche, gab ihm 16,- DM und öffnete die Tür. Bevor ich diese jedoch hinter mir zuschlagen konnte, erklärte der Taxifahrer. „Man sollte am Morgen wieder mit dem anfangen, mit dem man aufgehört hat.“
„Danke, ich werde es mir merken.“ Ich winkte dem Fahrer noch mal, dann schloß ich die Haustür auf und fuhr mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock.
Wütend schlug ich die Wohnungstüre hinter mir zu, warf die Jacke in eine Ecke des Flures und begab mich in die Wohnstube. Mürrisch blickte ich mich um, sah auf mein Telefon und griff danach. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte mir, daß ich Tabtim anrufen konnte. Es war bei ihr unterdessen 10:00 Uhr - fast schon Mittagszeit.
Nach dem vierten Läuten hatte ich meine Cousine an der Strippe und freute mich wie ein Engel, als sie sagte: „Ich lande am Montag um 17:00 Uhr eurer Zeit. Holst du mich ab?“
„Na klar, mit welcher Gesellschaft kommst du denn?“
„Thai-Air.“
Kurz schwiegen wir und jetzt erst wurde mir bewußt, das ich mich ja gar nicht um ihren Flug gekümmert hatte. „Sag mal, woher hast du denn das Geld?“
„Vater...“, lachte sie. „Er erträgt meinen Liebeskummer nicht mehr. Was macht Stef?“
Tief holte ich Luft. Am liebsten hätte ich gesagt, das er mir gerade ein Mädchen vor der Nase weggeschnappt hatte, aber ich wollte Tabtim ja nicht weh tun.
„Er wird schlafen“, antwortete ich daher.
„Und du, laß mich mal raten! Kommst gerade von irgend einer Frau und hattest eine tolle Nacht.“
„So ungefähr. Tabtim, ich mach Schluß, ich bin müde.“
„Gut, wir sehen uns am Montag.“
Es klickte und schon war die Leitung unterbrochen. Ich zog die Beine an, strich die Schuhe von meinen Füßen und streckte mich auf der Couch aus. Ich hatte keine Lust, jetzt noch in mein Schlafzimmer zu gehen und mich auf die Matratze zu hauen.

Das waren noch Zeiten, als Sky noch Premiere hieß und man einen Receiver und eine D-Box rumstehen hatte, die Fernseher noch kantig waren, mit riesigen Bildröhren *g*. Und heute, heute hängt ein Fernseher von 48 Zoll an der Wand und man sieht in Highdefinition... Davon konnte ich als Teenie nur träumen, unscharfe Bilder, Videokassetten, aber Videoabende waren trotzdem cool...
Viel Spaß
Tam

 

Ich stand gerade unter der Dusche, als ich Steffens Stimme vernahm: „Sag mal, warum bist du heute früh so zeitig abgehauen?“
Man, es war gut, das sich einer von meinen Schlüsseln bei ihm befand, aber damit konnte er auch jederzeit in meine Wohnung. So wie gerade eben.
„Hey, ich rede mit dir!“ Die Badtür öffnete sich und Steffen kam herein. Hinter sich schloß er die Tür wieder und lehnte sich frech dagegen.
Mist, ich hatte nicht abgesperrt. Aber warum auch, ich wohnte allein und woher sollte ich wissen, daß er ausgerechnet heute unangemeldet bei mir auftauchte.
„Kannst du mir mal ein Handtuch geben!“, grummelte ich und schob die Duschtür ein Stück zur Seite, nachdem ich das Wasser abgedreht hatte.
Steffen grinste mich an, griff nach dem Handtuch das über dem Badewannenrand hing und gab es mir, dann fragte er: „Was für eine Laus ist dir über die Leber gelaufen?“
„Du“, gab ich so leise wie möglich von mir.
„Ich?“ Er zog die Augenbrauen zusammen und fixierte mich.
„Ja, ich hatte Tam vor dir angesprochen“, fauchte ich, schlang mir das Handtuch um die Hüfte, öffnete die Duschkabine ganz und stellte mich vor den Spiegel, bevor ich nach meiner Bürste griff.
Steffen lachte, als er sich hinter mich stellte und mich durch den Spiegel anblickte. „Du bist echt dämlich.“
„Wieso, soll ich froh darüber sein, das du mir die Frauen ausspannst?“ Wütend knallte ich die Bürste zurück auf die Ablage, schob Steffen zur Seite und verließ das Bad.
Mein Freund folgte mir, stellte sich vor mich und lächelte mich an. Wieso war er so verdammt überheblich? So kannte ich ihn nicht und als er zu lachen anfing, fragte ich gereizt: „Was ist so lustig daran?“
„Der große Sai, der Mann, der bisher alle Frauen bekommen hat, ist doch nicht etwa eifersüchtig oder ist er nur wütend auf sich selbst, weil er es diesmal nicht geschafft hat einzulochen?“, spöttelte er weiter.
Fühlte er sich jetzt groß? Seine Überheblichkeit brachte mich auf die Palme. Ich griff nach seinem T-Shirt, zog ihn zu mir und sagte: „Jetzt hör mir mal genau zu. Wenn ich mir ein Mädel raussuche, läßt du die Finger von ihr!“
Unsanft stieß ich ihn wieder von mir, funkelte ihn an und wartete auf eine Reaktion von ihm. Nun mußte er doch klein beigeben, doch ich irrte mich, denn er fing wieder an zu lachen. Das schlug dem Faß doch denn Boden aus. Ich stürzte mich auf ihn, rang ihn zu Boden und blickte ihn an. „Vergiß meine Worte nicht, oder du bereust es irgendwann!“
Steffen schluckte hart und nickte. Ich erhob mich, vergaß dabei mein Handtuch festzuhalten. Der Stoff rutschte zu Boden. Fluchend hob ich das Tuch auf und sah zu Steffen, der seinen Kopf weggedreht hatte, mich nicht anschaute.
Polternd verschwand ich im Schlafzimmer, knallte die Tür hinter mir zu und kramte in der Schublade nach einem frischen Slip.
„Sai!“ Leise, fast sanft drang Steffens Stimme zu mir.
„Was?“, brummte ich.
„Tam hat mehrmals nach dir gefragt. Ich bin nicht ihr Typ. Du bist es. Sie verstand nicht, warum du so plötzlich gegangen bist, ohne dich von ihr zu verabschieden?“
Ich stutzte, traute meinen Ohren nicht und öffnete ungläubig die Schlafzimmertür, nachdem ich den Slip angezogen hatte.
„Ist das wahr?“, fragte ich.
„Ja“, antwortete Steffen und senkte seinen Blick, als ich vor ihm stand. „Verstehst du keinen Spaß mehr?“
Mit allen zehn Fingern fuhr ich mir durchs Haar. Eiskalt hatte Steffen mich erwischt, und ich war darauf reingefallen. Ich hätte mich selbst ohrfeigen können.
„Tut mir leid!“, murmelte ich.
„Ist schon gut. Wir sind heute Abend mit ihr verabredet. Aber sei vorsichtig - dein Ruf eilt dir voraus.“ Er drehte sich um, begab sich in die Wohnstube und rief von dort: „Zieh dir endlich was an!“
Erst nach einer Weile griff ich nach meinen Jeans, streifte sie über und ging in die Küche. „Willst du auch einen Kaffee?“
„Ja, ich kann einen vertragen. Ich bin hundemüde. Zu einer Vorlesung komm ich heute nicht mehr.“ Steffen erschien in der Küche, lehnte sich an den Kühlschrank und sah mir dabei zu, wie ich die Kaffeemaschine in Gang setzte.
„Was hat Tam denn alles erzählt?“, erkundigte ich mich neugierig.
„Oh, viel. Sie hat Yo in Thailand kennengelernt, als sie bei einem Kumpel zu Besuch war.“ Yo, da war der Name wieder. Ich schloß kurz die Augen, versuchte das aufkeimende Bild von Benny und Yo aus meinem Kopf zu verdrängen und hörte Steffen weiter zu.
„Sie ist bei ihm zu Besuch und eins sag ich dir, du und Yo, ihr seid euch unwahrscheinlich ähnlich.“
Ich warf Steffen einen Blick zu, der hätte töten können. Yo und ich, wir sollen uns ähnlich sein?
„Was ist? Habe ich was falsches gesagt?“, fragte Steffen, während er zwei Tassen aus einem Hängeschrank holte und auf den kleinen Bistrotisch stellte.
„Nein, aber wie kommst du darauf?“ Ich suchte nach Zucker und öffnete den Kühlschrank um die Kaffeesahne hervorzuholen. Ich rümpfte die Nase. Mist, die war sauer.
„Er hat in etwa die gleiche Wirkung auf Frauen wie du“, grinste Steffen, wobei er mir auf die Schulter schlug. „Aber Tam könnte dir gehören, weil die beiden wirklich nur gute Freunde sind. Yo hat sich kaum retten können, vor...“ Leise lachte er auf. „... deinen ganzen Ex.“
„Tja, nur daß er nie mit ihnen ins Bett gehen wird!“ Ich erfreute mich an Steffens perplexen Gesichtsausdruck.
„Hä?“
„Er ist schwul“, stellte ich trocken fest.
„Woher weißt du...?“ Steffen ließ sich auf einem Hocker nieder, füllte seine Tasse mit einem Löffel Zucker und goß den fertigen Kaffe auf. Langsam führte er die Tasse an die Lippen und sah mich über den Tassenrand hinweg an.
„Er und Benny haben auf dem Parkplatz rumgeknutscht.“
Steffen prustete los, Kaffee schwappte auf die Tischplatte. „Das ist ein Scherz, oder? Benny - schwul? Nein!“
„Wenn ich es dir sage. Was denkst du, warum meine Maschine noch am Club steht.“
„Aber Benny war doch lange mit Susanne zusammen und dann mit, wie hieß sie noch?“
„Keine Ahnung, aber jetzt treibt er es mit Yo.“ Ich nahm einen Lappen, wischte die Flecken vom Tisch und goß auch für mich etwas ein.
Steffen war plötzlich ganz schweigsam, nippte an seinem Koffeingetränk, bis er murmelte: „Aber schwul ist er nicht, auch wenn er jetzt mit Yo zusammen sein sollte.“
Steffen verteidigte Benny? „Was ist er dann? Wenn ein Mann wie Benny mit einem Mann ins Bett geht?“
„Ich weiß es nicht, aber nicht schwul, wohl eher bi.“
Stumm schüttelte ich den Kopf. Noch nie hatte ich mit Stef über so etwas gesprochen und es sah für mich so aus, als würde er eine Männerbeziehung verteidigen. Ich fand es einfach nur unnormal.
„Was hat Tam denn über mich gesagt?“, wechselte ich das Thema.
„Sie? Nicht viel. Sie hat nur mal nebenbei erwähnt, daß sie Männer mit langen Haaren mag und daß sie auf Motorräder steht. Ach, und sie liebt Thailand, die Thai und sie mag Rockmusik“ Steffen trank den letzten Rest seines Kaffees, dann spülte er seine Tasse aus und grinste: „Wenn du mich fragst, ihr beide würdet Klasse zusammenpassen, doch wenn du nur mit ihr ins Bett willst, dann bitte ich dich, laß die Finger von ihr. Sie ist echt in Ordnung und paßt so gar nicht in das Schema deiner bisherigen Frauen.“
Ich nickte, dann sagte ich: „Ich muß los. Meine Eltern warten sicherlich schon auf mich und ohne Maschine brauche ich etwas länger.“
„Gut, wir sehen uns im ‘River-Mekhong’.“ Hinter Steffen schlug die Tür zu, und ich war allein. Noch eine Weile dachte ich über unser Gespräch nach, dann zog ich mich fertig an und ging zur Arbeit.

***

Bevor ich den Club betrat, sah ich nach meinem Motorrad. Es stand noch immer da, unberührt und ohne Schaden. Bennys ‘X-Eleven’ stand daneben und auch eine ‘Ninja’. Die mußte Yo gehören. War der etwa auch schon wieder hier?
Ich vergrub den Klingelknopf unter meinem Daumen und mußte kurz warten, bis die Tür aufgezogen wurde.
„Hey, das nächste Mal trink nichts! Du kannst dein Bike doch nicht einfach hier stehen lassen. Was wenn jemand lange Finger bekommt?“ Kopfschüttelnd schaute Benny mich an.
Ich schob mich an ihm vorbei, legte meinen Helm und meine Jacke auf den Garderobetresen und vermied es, Benny in die Augen zu blicken. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf stieg, als ich aus den Augenwinkeln Yo wahrnahm, der sich von Lai eine Kippe geben ließ.
Ob hier jemand wußte, daß Benny und Yo was miteinander hatten, oder war ich der einzige mit Steffen, der ihr Geheimnis kannte?
Ich atmete durch, verscheuchte die Gedanken aus meinem Kopf. Ich nickte Lai zu, sah zu Yo, senkte kurz den Blick und erkannte dann Tam, die gerade die Arme um Yo schlang und ihn zu sich runterzog. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf er nickte, sie anstrahlte und etwas fester an sich zog.
Wie jetzt? Ich dachte, die beiden sind nur Freunde? Ich blickte hier nicht mehr durch. Ich sah noch, wie Tam mich anstrahlte, als ich mich an ihr vorbei schob und nach Steffen suchte.
Mein Freund saß im hinteren Teil des Clubs und winkte mir zu, als er mich entdeckt hatte. Mit ein paar schnellen Schritten war ich bei ihm, ließ mich nieder und griff nach seinem Bier.
„Hey, ich dachte, du möchtest wenigstens heute deine Maschine mit nach Hause nehmen!“, fuhr er mich an und entriß mir das Glas, bevor ich daraus trinken konnte.
„Seit wann bist du so geizig?“, erkundigte ich mich und suchte nach meinen Kippen, die ich normalerweise in der linken Gesäßtasche trug - doch diese war leer.
„Was?“, fragte Steffen, sah zu mir und bemerkte, wie ich nervös mit meinem Feuerzeug spielte. Trocken bemerkte er: „Du kennst meine Einstellung zu Zigaretten.“
„Ja, ja“, antwortete ich genervt, lehnte mich zurück und winkte nach der Bedienung, um mir eine Cola zu bestellen. Ich wußte, daß Stef Zigaretten nicht mochte, doch war das noch lange kein Grund, um mir das Rauchen abzugewöhnen.
„Ich glaube, die gehören dir“, vernahm ich eine weibliche Stimme hinter mir und drehte mich langsam um. Ich sah in grüngraue Augen, die mich schalkhaft anblickten. Tam stand direkt hinter mir, drückte eine Schachtel Zigaretten in meine Hand und lächelte: „Die lag vorn an der Garderobe.“
„Danke“, murmelte ich und erblickte Yo, der hinter der blonden Frau stand und die Hände auf ihrer Schulter plaziert hatte. Ich senkte meinen Blick, aus Angst, daß er in meinen Augen lesen konnte, daß ich von ihm und Benny wußte und er erkannte, daß ich ihre Beziehung nicht gut heißen konnte.
Tam umrundete mich, schob sich neben Steffen auf die Bank und verwickelte ihn in ein Gespräch. Ich versuchte, sie zu belauschen, was mir nicht gelingen wollte, und so beließ ich es dabei, Tam einfach nur zu beobachten.
Endlich kam auch meine Cola und als die Bedienung das Glas auf dem Tisch vor mir abstellte, bemerkte ich, wie viele Getränke da eigentlich vor mir standen.
„Sag mal, wer sitz noch alles hier?“, fragte ich Steffen, als Tam jemanden begrüßte.
Mit gerunzelter Stirn sah Steffen mich an und fing an aufzuzählen: „Tam, Yo, du, ich, ach, und ein paar Freunde von Benny.“
Er griff nach seinem Bier, trank davon und erkundigte sich: „Du bringst mich doch nach Hause, oder?“
Auf seine Frage ging ich nicht ein, denn ich wollte unbedingt mehr über Bennys Freunde wissen und hakte nach: „Bennys Freunde...“ Ich unterbrach mich, holte noch mal Luft und blickte in Stefs fragendes Gesicht. „... sind die auch schwul?“
Schon allein der Gedanke, daß einer von ihnen auch noch auf mich scharf sein könnte, ließ mir eine Gänsehaut über den Rücken laufen.
Stef kicherte, sah mich mit einem Augenaufschlag an und sprach wie eine Schwuchtel: „Nein, keine Angst, Süßer.“ Er machte eine theatralische Pause, feixte und hauchte: „Kob ist leider verheiratet und Kong, der ist vielleicht süß, hat aber leider seine Freundin Nit mit.“
Heftig schluckte ich. Wieso benahm er sich wie ein Schwuler? Sein Gehabe war mir peinlich. Mein Blick irrte durch den Club. Hoffentlich hatte keiner sein Verhalten mitbekommen. Mit ernster Mine blickte Steffen mich weiter an, erst einige Zeit später, fragte er ganz normal: „Beruhigt?“
Erleichtert nickte ich und zündete mir eine Zigarette an. Yo kam zu uns, zog Tam mit sich und quetschte sich zu uns auf die Bank. Die Sitzecken waren eindeutig zu klein.
Ich sah, wie Yo Tam an sich zog, einen Arm um ihre Schulter legte und etwas in ihr Ohr flüsterte, worauf sie zu mir schaute und den Blick verschämt senkte.
Was hatte er ihr gerade gesagt? Konnte er mich doch auf dem Parkplatz gesehen haben? Hatte er bemerkt, das ich mich nicht zu meiner Honda getraut hatte, um sie zu holen?
Nun war ich es, der peinlich berührt zu Boden schaute. Was mußte Tam von mir halten?
„Du schaffst mich doch nach Hause?“ Aus meinen Gedanken gerissen sah ich zu Steffen, der mich anblinzelte. Er konnte nun nicht mehr leugnen, daß er schon etwas zu viel getrunken hatte.
„Wie denn? Denkst du, ich nehme dich ohne Helm mit?“, fuhr ich meinen Freund an.
„Man, bist du in letzter Zeit empfindlich!“, fauchte er zurück und drängelte sich an mir vorbei. Bevor er in den Massen verschwand, sagte er noch: „Ich bin bestimmt nicht blöd. Mein Helm liegt vorn, sicherlich neben deinem. Aber nun werde ich mir ein Taxi nehmen.“
Das ging mal wieder daneben. Nur, weil ich mit Yos Sexualität nicht klar kam, pfiff ich meinen besten Freund zusammen und brachte ihn gegen mich auf. Nun konnte ich wieder eine Woche darauf warten, daß er ein Wort mit mir sprach. Ich kannte niemanden, der so stur wie er war, oder so schnell zu beleidigen.
Neugierig sah ich zu Yo und Tam. Ob sie den kleinen Streit mitbekommen hatten? Erleichtert atmete ich auf, denn sie machten nicht den Eindruck als hätten sie ein Wort verstanden. Urplötzlich sah Yo zu mir, ließ kurz seinen Blick über die Köpfe der Club-Besucher gleiten. Dann hatte er es genauso eilig wie Steffen, von unserem Tisch wegzukommen. Und schon saß ich allein mit Tam da. Sie schaute an den Tisch vor uns, nickte einem der Jungs zu und schien dann meinen ruhenden Blick auf sich zu spüren, denn sie sah zu mir und lächelte mich an. „Du heißt Sai?“
Verblüfft riß ich die Augen auf, nicht weil sie nach meinem Namen gefragt hatte, sondern weil sie es in meiner Sprache getan hatte. Sie wußte, daß ich Sai gerufen wurde, denn ich hatte mich erst heute Morgen selbst vorgestellt.
„Du sprichst Thai?“, fragte ich zurück, nachdem ich genickt hatte.
„Nur ein wenig, aber es reicht aus“, gab sie lächelnd in Thai zu und erkundigte sich sofort, ohne Scheu: „Warum warst du heute früh so schnell verschwunden?“
Was sollte ich ihr antworten? Meine Eifersucht auf Steffen konnte ich ja schlecht zu geben. „Ich mußte zeitig raus.“
Sie nickte verstehend, verfiel in Schweigen und versuchte es hinter einer Zigarette zu verstecken. Was war denn nun schon wieder? Sie konnte doch reden! Aber wie es schien, mit jedem, nur nicht mit mir, denn sie erhob sich ohne ein weiteres Wort und näherte sich einem Landsmann von mir. Sie schienen sich zu kennen, denn er hauchte ihr einen Kuß auf die Wange.
Ich hörte, wie er fragte, was sie in Bangkok alles gemacht hat und wie es einem mir unbekannten Ka ging. Bangkok - Ka - Tam? Neugierde erwachte in mir. Ich mußte mehr über sie erfahren, doch in diesem Moment begann ein neues Lied und ihre Antwort ging unter. Mein Ehrgeiz war geweckt. Unendlich viele Fragen entstanden in meinem Kopf, doch auf die Antworten würde ich noch warten müssen, denn Tam ergatterte sich einen Hocker an der Bar und redete weiter mit dem Thai, der ihr einen Trink spendierte. Ich sah sie lachen und schaute müde zur Tanzfläche, wo Steffen eingekeilt zwischen fünf Frauen tanzte. Ein schadenfrohes Lächeln huschte über mein Gesicht, als er fragend und um Hilfe bittend zu mir blickte. Damit mußte er allein fertig werden.
Das er mit meiner Cousine Schluß gemacht hatte, hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet und nun mußte er die Konsequenzen allein tragen, dabei konnte ich ihm nicht helfen.
Hinter Steffen und seiner Traube erblickte ich Yo, der mit einem bildschönen Mädchen tanzte und heftig mit ihr flirtete. Aus dem Typ wurde ich nicht schlau. Ich fing an zu zweifeln. Vielleicht war es gar nicht er gewesen, den ich mit Benny auf dem Parkplatz gesehen hatte.
Alle unterhielten sich prächtig. Nur ich saß allein an dem Tisch, blies Trübsal und zum ersten Mal fühlte ich mich in meinem Stammclub unwohl. Nun wußte ich, wie sich Steffen immer gefühlt haben mußte. Sonst hatte er immer allein gesessen und mich beobachtet, wie ich mich durch die Reihen geflirtet hatte. Was mußte er gedacht haben, wenn ich dann auch noch mit einem meiner Opfer gegangen bin und ihn einsam zurückließ?
Eines stand für mich fest - ich hatte mich nie wie sein bester Freund verhalten, sondern eher wie ein sprichwörtliches Arschloch. Ob ich mein falsches Verhalten ihm gegenüber je wieder gut machen konnte?
Ich überlegte, wie ich Steffen eine Freude bereiten konnte, doch wollte mir einfach nichts einfallen. Noch vor ein paar Wochen wäre es Tabtim gewesen, doch nun? Ich kannte den genauen Grund für seinen Schlußstrich noch immer nicht. Er hatte zwar gesagt, daß er sich neu verliebt hat, aber ich hatte ihn noch nie mit Nancy gesehen und ich konnte mich auch nicht daran erinnern, daß der Name Nancy noch mal gefallen war.
Für mich stand es außer Frage, daß er Nancy nicht liebte. Sonst hätte er ja ständig über sie geredet, so wie damals über Tabtim. Ich zermarterte mir den Kopf über sein Verhalten und war froh darüber, daß meine Cousine am Montag hier sein würde. Dann würde ich ja sehen, wie wichtig oder unwichtig sie ihm ist.
„Du bist der grüblerische Typ!?“
Heftig zuckte ich zusammen, als Tam mich von der Seite ansprach. Ich hatte nicht bemerkt, daß sie sich wieder neben mich gesetzt hatte.
„Manchmal“, antworte ich. „Wieso?“
Tam lächelte geheimnisvoll, griff nach ihrer Cola und gab ehrlich zu: „Ich mag Männer, die grübelnd zwischen ausgelassenen Partymenschen sitzen und traurig, in Gedanken versunken vor sich hinstarren.“
„Sah man es mir gerade so extrem an?“, erkundigte ich mich.
Sie nickte, griff nach ihren Zigaretten und hielt mir die geöffnete Packung vor die Nase. Dankend nahm ich mir ein Stäbchen und gab zuerst ihr Feuer. „Steffen sagte, daß du Motorrad fährst.“
„Ja, eine ‘Honda'. Dein Freund fährt auch?“ Jetzt war ich gespannt, wie sie reagierte.
„Falls du den Typ meinst, der fast so aussieht wie du und gerade tanzt, dann ja.“ Sie warf einen Blick über ihre Schulter zur Tanzfläche.
„Typ?“ Spielerisch zog ich die Augenbrauen nach oben. Sie mußte ja nicht gleich merken, daß ich wußte, daß Yo nicht ihr Freund war, sondern anscheinend Bennys. „Ist er nicht dein Freund?“
Tam kicherte und sagte: „Wenn Yo mein Freund wäre, würde ich sicherlich nicht so ruhig hier sitzen, während er auf Teufel komm raus flirtet.“ Sie nickte in Richtung Tanzfläche, wollte mich auf ihn aufmerksam machen.
Ich folgte ihrem Blick und sah Yo, der seiner Tanzpartnerin einen Kuß auf die Wange hauchte, sich galant bei ihr bedankte und die Tanzfläche verließ, wobei er Benny entgegen lief, der gerade auf dem Weg von der Küche zum Eingang war.
Vor Benny blieb Yo stehen, sah ihn an und lächelte mit einem Glitzern in den Augen, das ich sogar von meinem Platz aus erkennen konnte. Dann sah ich, wie er Bennys Hand nahm, sie sanft drückte. Für mich wirkte die Geste wie eine Art Beruhigung oder Besänftigung und Benny reagierte auf seine Art und Weise, indem er Yo ein paar widerspenstige Haarsträhnen aus der Stirn schob. Tief sahen die beiden sich in die Augen, bevor Benny seine Hand entzog und zu Lai ging, der nach ihm winkte.
Also war es doch Yo gewesen, den ich gestern mit Benny auf dem Parkplatz gesehen hatte. Ich sah weg, wieder zu Tam, deren Blick noch immer versonnen auf Yo ruhte, der mit einem Bekannten sprach. Ein warmes Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie ihren Blick über Yo gleiten ließ.
„Er kann nicht dein Freund sein, weil er mit Benny zusammen ist?“, erkundigte ich mich vorsichtig.
„Ja“, wisperte Tam, wobei sie wieder zu mir sah. Erkannte ich da Wehmut und Sehnsucht in ihren Augen? Oh, Man, sie wird ihn doch nicht lieben, dachte ich.
„Er ist...“ Ich schluckte heftig. Mir wollte das Wort nicht über die Lippen gleiten. „...schwul?“
„Yo? Nein.“ Tam kicherte wieder. Ihr Lachen gefiel mir, es klang nicht so gekünstelt wie bei vielen anderen.
„Aber...“ Ich wollte gerade zu meiner nächsten Frage ansetzen, als sie mich unterbrach und erklärte: „Yo steht auf Frauen. Doch irgendwann traf er auf Benny. Sie waren Freunde, doch er verliebte sich ganz langsam in ihn. Erst verstand er seine Reaktionen nicht, doch dann gab er sich ihm hin. Benny ist für ihn das Wichtigste auf der Welt. Er würde für ihn sterben.“
Ich nickte, obwohl ich es nicht verstand oder verstehen wollte. „Und Benny?“
„So ähnlich.“ Tam sah mich an, ließ mich nicht aus ihrem Blick und ich hatte das Gefühl, daß sie in diesem Moment bis auf den Grund meiner Seele blicken konnte.
„Kannst du mir das näher erklären!“, bat ich Tam, die sie schon wieder eine Zigarette aus der Schachtel klopfte.
„Klar, Benny ist bi und er wird sich, wenn er sich mal von Yo trennen sollte, auf beiden Seiten umschauen, aber Yo nicht. Yo wird bei Benny bleiben, so lange seine Liebe für ihn da ist.“
Mußte ich eigentlich verstehen, was Tam versuchte, mir begreiflich zu machen? Ich nickte, tat so, als würde ich mit der Liebe zwischen Benny und Yo keine Probleme haben und winkte nach der Bedienung.
„Willst du auch was?“, fragte ich, worauf sie nickte und etwas von einer Whiskeycola sagte. Ich bestellte zwei. Eine würde gehen und der Alkohol bis zum Morgen aus meinem Blut verschwunden sein.
„Ich hoffe, du sprichst nur gut über mich?“ Unverhofft war Yo hinter Tam aufgetaucht, rutschte neben sie und zog sie an sich. Deutlich konnte ich an ihrem Gesicht ablesen, wie sehr sie seine Nähe und Wärme genoß.
„Aber immer doch“, antwortete sie ihm, lehnte sich gegen ihn, zog seine Arme um ihre Taille und schloß die Augen. Stille breitete sich aus, bis die bestellten Whiskeycolas kamen und ich Tam zuprostete.
Yo schob Tam von sich, sah auf das Glas in meiner Hand und grummelte gespielt entsetzt: „Und ich bekomme keine?“
Leise lachte Tam, knuffte Yo in die Seite und erklärte: „Ich muß immerhin nachher noch bei dir mitfahren.“
Yo lächelte sie an, fuhr mit den Fingern in ihr langes, blondes Haar und grinste schelmisch, als er sie wuschelte. Sie stellte das Glas zurück auf den Tisch, griff nach der Hand auf ihrem Kopf und schlug sie zur Seite. „Du weißt, wie sehr ich es hasse, wenn du das tust!“
Yo legte eine unschuldige Mine auf, doch Tam rutschte von ihm weg, in meine Richtung. Ich lächelte, verstand ich doch, warum sie so reagierte. Auch für mich gab es nichts Schlimmeres, als wenn mir jemand die Haare durcheinander brachte. Steffen machte sich regelmäßig einen Spaß daraus, mein langes Haar zu verfitzen, doch tat er dies zum Glück nicht mehr in der Öffentlichkeit.
Yo lachte auf, folgte Tam, die nun so weit zu mir rutschte, das ihr Oberschenkel mich berührte. Sie sah mich an und bat: „Rette mich vor dem Haarmonster!“
Ich wußte nicht, was ich von dieser Situation halten sollte und blickte immer wieder von Tam zu Yo und zurück. War das tatsächlich ein um Hilfe Flehen in ihren Augen? Ich mußte wohl handeln, sie schien es von mir zu erwarten.
Vorsichtig legte ich einen Arm um ihre Schulter und zog sie etwas näher zu mir. Ich spürte, wie sich ihr geringes Gewicht an mir verteilte und atmete tief durch. Ich hatte nichts getan und trotzdem hielt ich eine Frau in den Armen. So funktioniert das also auch, dachte ich und lächelte.
„Er hat auch lange Haare, und er haßt es bestimmt genauso wie du oder ich, wenn man ihm seine Pracht durcheinander bringt“, flüsterte ich in ihr Ohr, nachdem ich mich ihr noch mehr genähert hatte. Ihr Parfum drang in meine Nase. Der sportliche Duft paßte zu ihr.
Wieder lachte sie auf, ehe sie sagte: „Da hast du Recht. Was denkst du, was ich tue, wenn ich sauer auf ihn bin?“
Sauer auf ihn? Das konnte ich mir fast nicht vorstellen. Sie schienen wie ein Herz und eine Seele zu sein.
Yo mußte unsere Worte vernommen haben, denn er erhob sich rasch und murmelte etwas, wie: „Ich geh mal deinem Freund helfen.“
„Tja, und wieder ist er entkommen“, grinste Tam. „Aber seine Rache bekommt er noch und wenn ich ihm, während er schläft, lauter kleine Zöpfe flechte.“
Ich wollte gerade einen Schluck von meiner Cola nehmen, als sie von den Zöpfen sprach und prustete los. Allein die Vorstellung, Yo mit lauter kleinen Zöpfen zu sehen, ließ mich lachen.
„Hast du das schon mal gemacht?“, erkundigte ich mich.
„Bei Yo?“ Mit glitzernden Augen sah Tam mich an, rutschte von mir weg und zwinkerte mir zu. „Nein, nicht bei ihm, aber bei meinem besten Freund, als er mal ziemlich stark betrunken war.“ Bei der Erinnerung an ihren Streich kicherte Tam wieder. „Er hat wie ein Stein geschlafen und geschnarcht, als müßte er einen ganzen Wald fällen. Naja, ich konnte nicht widerstehen und rächte mich auf meine Weise für die Nacht, in der ich kaum ein Auge zubekam.“
Ihr bester Freund? Hatte Steffen nicht erwähnt, das sie mit Yo befreundet ist? „Ich dachte Yo ist dein bester Freund?“, fragte ich neugierig.
Tam klopfte sich eine Zigarette aus der Packung. Ihr Blick wurde sehnsüchtig und mit zitternden Finger entzündete sie das Feuerzeug. „Ja, Yo ist ein sehr guter Freund, aber noch nicht sehr lange. Ich habe ihn erst jetzt in meinem Urlaub kennengelernt. Es war, als hätten wir uns schon ewig gesucht.“ Tam schwieg, zog an ihrer Zigarette und lächelte traurig.
„Und dein bester Freund, was ist mit ihm?“ Ich war richtig heiß darauf, mehr über sie zu erfahren. Noch nie hatte mich jemand so angezogen wie die Frau, die mir gerade gegenüber saß. Tam schien eine Aura zu umgeben, die geheimnisvoll war und zum ersten Mal dachte ich nicht daran, eine Frau gleich ins Bett zu bekommen.
„Er ist in Bangkok.“ Mehr sagte sie nicht, doch die Art wie sie die vier Worte aussprach, zeigte mir, wie sehr sie ihn vermißte. Unentschlossen griff sie nach ihrer Cola, stellte das Glas jedoch ohne einen Schluck getrunken zu haben zurück auf den Tisch.
„Seit er Deutschland verlassen hat, ist er die Karriereleiter ganz nach oben gestiegen und der Kontakt zu ihm schläft immer mehr ein. Nicht, weil er mich vergißt, sondern, weil er kaum noch Zeit hat.“ Sie unterbrach sich, sah mich an, lächelte wieder sehnsüchtig und bat: „Laß uns das Thema wechseln!“
Einverstanden nickte ich, wußte nicht, was ich erwidern sollte und blickte zur Tanzfläche. Ich sah, wie Steffen und Yo vor den Frauen auf der Tanzfläche flüchteten und grinste. Erwartungsvoll sah ich meinem Freund entgegen, der sich völlig fertig und ausgepowert neben mir fallen ließ. Genervt fragte er: „Wie hältst du das nur aus?“
Als ich den Ausdruck in seinen Augen sah, der panisch schien, lachte ich auf und erklärte: „Übung macht den Meister.“
„Ach, du...“ Er führte seinen Satz nicht zu Ende, funkelte mich nur an und griff nach meiner Whiskeycola, die er auf einen Zug leerte.
„Ich glaube, wir sollten los, sonst verpaß ich morgen wieder eine Vorlesung.“ Steffen unterstrich seine Worte, indem er sich erhob und seine und meine Getränke bezahlen ging. Ich verlor ihn aus den Augen, als er Richtung Eingang ging. Nicht viel später tauchte er mit seinem und meinem Helm und unseren Jacken wieder auf.
Tam erhob sich, umarmte Steffen und ich hörte, wie sie zu ihm sagte: „Kopf hoch, das wird schon.“
Steffens Lächeln darauf fiel gequält aus. Er hauchte ihr einen Kuß auf die Wange und verabschiedete sich von Yo mit einem Handschlag.
Tams Freund lächelte süffisant, zog Steffen näher an sich und lachte: „Das nächste Mal schleppen wir eine der Frauen ab.“
„Das machen wir“, antwortet mein Freund und lachte auf, als Tam Yo in die Schulter boxte und gespielt entsetzt sagte: „Das wird Benny aber nicht gefallen.“
„Och, ich darf doch noch träumen...“, schluchzte Yo und zog Tam an sich, die ihm gegen die Brust schlug. „Du Ekel.“
Ich nickte ihnen zu, zog Steffen mit mir und war froh, als ich den Club hinter mir gelassen hatte. Endlich war ich Tams grüngrauen Augen entkommen.
„War doch ein lustiger Abend“, stellte Steffen fest, als wir uns dem kleinen Parkplatz im Hinterhof näherten. „Yo ist echt in Ordnung und eins merkt man ihm nicht an, da mußt du mir Recht geben, daß er was mit einem Mann hat.“
Ich nickte. Steffen hatte Recht. Yo entsprach nicht der Vorstellung, die ich bisher über Schwule hatte. Er war weder tuntig noch benahm er sich wie ein schmachtendes Weib. Doch Tam hatte ja auch widerlegt, das Yo schwul ist.
„Du scheinst von Tam echt eingenommen zu sein.“ Ich wirbelte herum, sah Steffen in die blauen Augen, wollte etwas auf seine Worte erwidern, doch versagte mir die Stimme, was er ausnutzte und einfach weiter redete: „Sie liegt dir echt am Herzen. Sie ist die erste, bei der du nicht versucht hast, sie gleich ins Bett zu bekommen.“
„Aber nur weil Yo wie eine Glucke über sie wacht“, wand ich mich aus der prekären Situation.
„Ach komm, so was hat dich doch noch nie von deinen Verführungskünsten abgehalten“, lachte Steffen auf.
„Ist gut! Vergiß es! Reite jetzt nicht darauf herum!“, fuhr ich meinen Freund an, der unter meiner heftigen Reaktion zusammenzuckte.
Beschwichtigend hob der Blonde die Hände, nach dem er seinen Helm auf der Sitzbank meiner Honda abgelegt hatte. „Laß uns fahren“, bat er nun und fragte: „Kann ich bei dir pennen?“
„Klar, deine Zahnbürste steht ja bei mir im Bad.“
Ich zog meinen Helm über, wartete, bis auch Steffen startklar war und fuhr dann mit ihm auf dem Sozius zu meiner Wohnung.

***

Hinter mir stieg Steffen die Stufen zur Wohnung hinauf.
„Hast du Bier im Haus?“, erkundigte er sich.
Ich stoppte, drehte mich, zwei Stufen höher als er stehend, um, sah ihn an und traute meinen Ohren nicht. Steffen wollte Bier trinken? Ausgerechnet er? „Ja, wieso?“
Steffen zuckte mit den Schultern und gab zur Antwort: „Ich würde mich jetzt gern vor die Glotze hauen, mir irgend ein Video reinziehen und ein Bier dazu trinken. Du bist gern eingeladen.“
Nein, schoß es mir durch den Kopf. Der Kerl wollte tatsächlich noch einen draufmachen. „Dafür hätte ich dich auch nach Hause bringen können“, murrte ich sauer.
„Da könntest du mir aber keine Gesellschaft leisten“, murmelte er, mit einem Anflug von Traurigkeit.
„Okay, aber nicht lange. Morgen muß ich arbeiten und das gesamte Wochenende auch.“ Mit diesen Worten drehte ich mich wieder und begann, den letzten Treppenabsatz hinauf zu steigen.
„Spielverderber“, hörte ich Steffen bitter sagen. Mir lag eine Antwort auf der Zunge, doch ich schluckte sie hinunter und kramte nach dem Wohnungsschlüssel.
Täuschte es, oder war Steffen gerade dabei, sich zu verändern? Lag es daran, das er mit Tabtim Schluß gemacht hatte und nun tun konnte, was er wollte? Ich mußte ihm mal auf den Zahn fühlen. Während ich über meinen besten Freund nachdachte und über sein eigenartiges Verhalten in letzter Zeit, hielt ich den Schlüssel fest in der Hand.
„Hey, willst du nicht langsam mal aufschließen? Träumen kannst du nachher im Bett!“ Mit der Hand schlug Steffen mir auf die Schulter. Ich stöhnte auf. Womit hatte ich das verdient?
Die Tür schwang auf, als ich ihr einen leichten Tritt gab, nachdem ich den Schlüssel ins Schloß geschoben und gedreht hatte. Blind tastete ich nach dem Lichtschalter, drückte drauf und es wurde hell in meinem Flur. Ich ließ die Motorradjacke von den Schultern gleiten, hängte sie auf einen Bügel an der Garderobe und stellte den Helm auf dem Schuhschränkchen ab.
„Bier ist im Kühlschrank. Wo die Küche ist, weißt du ja.“ Ich ließ Steffen im Korridor stehen, verzichtete sogar darauf, mir die Schuhe auszuziehen und flüchtete ins Bad. Genervt ließ ich mich auf dem Toilettendeckel nieder und atmete tief durch.
Das konnte heiter werden, Steffen sprudelte vor Unternehmungslust und ich wollte eigentlich nur eins, ins Bett und über den Abend nachdenken. Doch auch hier auf dem stillen Örtchen durfte ich meinen Gedanken nicht nachhängen. Steffen donnerte gegen die Tür und rief: „Los, daß Bier wird warm!“
Wieder stöhnte ich auf, erhob mich, begab mich zum Waschbecken und warf mir kaltes Wasser ins Gesicht, nachdem ich den Einhebler auf kalt gestellt und nach oben gekippt hatte. Ich zwinkerte Wasser aus den Augen, angelte nach dem Handtuch, das links neben dem Waschbecken hing, trocknete mein Gesicht ab und sah mich im Spiegel an. Ich streckte mir selbst die Zunge raus und mit neuer Kraft verließ ich das Bad, um in die Wohnstube zu gehen.
In der Tür blieb ich stehen, sah auf Steffen, der vor dem Fernseher auf dem Boden saß, die Fernbedienung malträtierte und etwas unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart murmelte.
„Was ist los?“, fragte ich.
„Kannst du mir mal verraten, wo ‘TGN’ läuft?“ Mit einer wütenden Bewegung, zielte er mit der Fernbedienung auf den Fernseher und zappte weiter.
Ich lächelte, das war so typisch Steffen. Fast täglich war er bei mir und sah Thai-TV, doch konnte er sich einfach nicht das Programm merken. „Über den Reciever habe ich ‘TGN’ noch nie bekommen. Wie wäre es, wenn du die Fernbedienung der ‘D-Box’ nimmst und auf Kanal 271 stellst.“
Steffen drehte sich in meine Richtung. Ich lachte über sein dämliches Gesicht, nahm eine Bierbüchse vom Couchtisch und warf sie ihm zu. Dankbar fing er die Büchse auf, öffnete sie mit einem Knacken und trank, während ich die andere Fernbedienung nahm und die ‘D-Box’ in Gang brachte. „Hast du wirklich Lust fernzusehen?“
Steffen nickte. „Jepp, jetzt kommt ‘Jarachon Game’.“
„Du bist unmöglich“, antwortete ich, machte es mir auf der Couch bequem und sah in die Flimmerkiste.
„Wieso? Ich mag die Show.“, verteidigte sich Steffen.
„Ist ja gut“, murmelte ich und schloß die Augen. Wieder dachte ich an Tam. Sie hatte mich zum Nachdenken gebracht. Die wenigen Sätze, die ich mit ihr gesprochen hatte, hatten mir gezeigt, daß ich viel in meinem Leben falsch gemacht hatte und noch immer machte.
Ich hörte Steffen lachen, sah kurz auf und grinste, als ich einen weiß eingestaubten Kandidaten sah - der war raus. Trotzdem richtete ich mich mürrisch auf. Ich war einfach nicht in der Stimmung für so was und wollte nach meinen Zigaretten auf dem Tisch greifen, als Steffen schneller war. Mußte er ausgerechnet jetzt seinen Gesundheitstick bekommen? „Steffen!“, knurrte ich.
„Ist was?“, lachte er.
„Nein.“ Sauer drehte ich mich auf den Rücken, starrte an die Decke und erschrak, als er mir einen angezündeten Glimmstengel zwischen die Lippen schob.
„Ich kann dich nicht leiden sehen“, sagte er mit einem Ernst in der Stimme, der mich aufhorchen ließ. Langsam drehte ich mich, richtete mich auf, um Steffen ansehen zu können, der schon wieder in die Glotze schaute und lachte. Ich beließ es dabei, sprach ihn nicht darauf an, doch er schien meinen fragenden Blick zu spüren, denn er sah zu mir. „Was ist?“
„Nichts“, murmelte ich und zog den Aschenbecher näher.
„Du hast vergessen, daß ich auch mal geraucht habe.“ Die blauen Augen glitzerten, blickten schelmisch, wachsam, warteten auf eine Antwort.
„Nein, ich wunderte mich nur, daß du mich in meiner Sucht unterstützt. Da du ja bisher nichts unversucht gelassen hast, es mir abzugewöhnen.“ Ich strich die Asche ab.
„Ich habe es schon vor langer Zeit aufgegeben.“ Steffen konzentrierte sich wieder auf die Show.
Es wurde ruhig im Wohnzimmer. Müde rauchte ich, trank mein Bier, bis Steffen lachte: „Ich glaube, ich habe zu viel getrunken.“
„Hä?“ Irritiert sah ich ihn an.
„Als du mit Tam geflirtet hast, hat Yo eine Runde ‘Chivas Regal’ spendiert. Ich hatte vier.“ Steffen schob sein Bier von sich, schaltete den Fernseher aus und verzog sich ins Schlafzimmer.
Innerlich lachte ich, als ich sah, wie er davon schwankte. Ich wußte, wie wenig er vertrug. Morgen würde er mit einem schweren Kopf erwachen und einen Kater haben. Für mich war nun auch erklärt, wieso er sich so aufgedreht verhalten hatte, als wir die Wohnung betraten.
In Ruhe rauchte ich auf, drückte die Kippe aus und folgte Steffen, doch bevor ich das Schlafzimmer betrat, ging ich ins Bad und holte sicherheitshalber einen Eimer. Konnte ja sein, daß ihm mehr als nur drehend war.
Steffen fluchte vor sich hin, als ich die Tür öffnete. Vergeblich versuchte er, die zweite Decke zu beziehen. Immer wieder rutschte sie ihm aus dem Bezug. Für mich war es eh ein Rätsel, wie er es in seinem Zustand noch geschafft hatte, sie aus dem Schrank zu holen. „Jetzt weiß ich endlich, warum du noch immer zu Hause wohnst“, zog ich ihn auf, blieb im Türrahmen stehen und amüsierte mich.
„Mach dich nicht lustig! Hilf mir lieber!“, babbelte er. „Ich sehe alles so schief.“
Schnell war ich bei ihm, nahm das Bettzeug an mich und gab ihm einen Stoß vor die Brust. Sanft fiel er auf mein Bett, blieb liegen und zog sich meine Decke über den Körper.
Wieder schüttelte ich den Kopf, bezog endlich das Bett und stellte den Eimer an Steffens Kopfende auf den Boden. Steffen kicherte. Das konnte eine anstrengende Nacht werden.
Mit einem Klick legte ich den Schalter der Nachttischlampe um, damit ich das große Licht löschen konnte. Dann quälte ich mich aus meinen Jeans und den Socken, kroch ins Bett und starrte an die Decke.
Wieder sah ich Tam vor mir, hinter ihr Yo, der die Arme um sie legte. Das Bild verschwand, machte Benny und Yo Platz, die sich auf dem Parkplatz küßten. Noch nie hatte ich mir wirklich Gedanken über eine homosexuelle Beziehung gemacht und nun ließ es mich nicht mehr in Ruhe.
„Mir leiert es.“
Das Bild verzog sich. Leise hatte Steffen gesprochen. Nun wälzte er sich auf die Seite, sah mich an. „Kennst du vielleicht ein Mittel dagegen, großer Meister?“
„Ja, Augen zu und schlafen.“
Steffen stöhnte, preßte sich die Hände vor die Augen und grummelte: „Wenn ich sie schließ, dreht es erst recht.“
„Jammern hilft jetzt auch nicht. Da mußt du durch“, brummte ich und drehte ihm den Rücken zu.
Noch ein wenig hing ich meinen Träumen von der perfekten Frau für mich nach, ehe ich in Schlaf fiel, aus dem ich hochfuhr, als es klingelte. Benommen schlug ich nach meinem Wecker. Es wurde still, doch dann klingelte es wieder.
„Telefon“, sagte Steffen neben mir.
Im Dunkel tastete ich nach dem Nervtöter, drückte auf die kleine Taste mit dem grünen Hörer und meldete mich: „Hallo!“
„Sai!“
Verdammt - Tabtim!
„Hey Nuy!“, antwortet ich, damit Steffen nichts merkte.
„Stef ist bei dir?“, hörte ich meine Cousine fragen.
„Ja.“ Nun machte ich doch Licht, warf einen nervösen Blick auf Steffen, doch er sah gar nicht zu mir, interessierte sich nicht für mein Gespräch. Er sah nur blaß aus.
„Gut, hast du dir schon was einfallen lassen?“ Das hatte ich völlig verpennt. Kurz überlegte ich, ehe ich antwortete: „Ja, wir kommen dich am Flughafen abholen.“
„Wen willst du abholen?“, fragte Steffen nun doch neugierig.
„Warte mal, Nuy!“, hielt ich meine Cousine kurz hin.
„Nuy landet am Montag um 17:00 Uhr“, antwortete ich Steffen.
„Sag ihm, wenn ich bis Montag wieder auf den Beinen bin, komm ich mit.“ Steffen zog sich die Decke über den Kopf und ich hörte ihn noch bitten: „Mach endlich das Licht aus!“
Gemein lächelte ich, da ich wußte, wie es ihm ging. Oft genug war ich selbst betrunken gewesen.
„Nuy, hast du mitgehört?“, wand ich mich wieder an Tabtim.
„Ja, er ist also am Flughafen, wenn ich lande. Was meint er mit, wenn er wieder auf den Beinen ist?“
„Stef ist betrunken. Dem geht es nicht gut.“
„Betrunken?“ Ich hörte, wie sie am anderen Ende der Leitung tief Luft holte.
„Ich weiß, das klingt eigenartig, ist aber so.“
„Kannst du jetzt mal aufhören, über mich zu reden!“, fauchte Steffen neben mir.
„Nuy, du hast ihn gehört. Ich mach Schluß. Wir sehen uns am Montag“, verabschiedete ich mich von Tabtim, legte den Hörer zur Seite und löschte das Licht.
„Danke“, hörte ich Steffen sagen und spürte, wie er sich neben mir bewegte, um wenigstens eine etwas angenehme Schlaflage zu finden.

Die Sonne schien mir ins Gesicht, kitzelte mich mit ihren Strahlen, bis ich erwachte. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß ich noch eine Stunde bis zum Aufstehen hatte. Müde wälzte ich mich auf den Rücken, sah wie jeden Morgen zur Decke hinauf und verfiel ins Grübeln.
Hoffentlich war das eine gute Idee, daß Tabtim kam und auf Steffen traf. In drei Tagen würde ich es erfahren und beschloß, mir jetzt noch keinen Kopf darüber zu machen. Meine Gedanken wanderten weiter, wieder hin zu Tam. Sie war eigentlich nicht der Typ Frau, auf den ich stand, doch ihre Art und Weise hatte mich betört, so daß ich kaum noch ein paar Minuten verbringen konnte, ohne an sie zu denken.
Steffen murmelte im Schlaf, drehte sich in meine Richtung und schlug die Augen auf. Panisch sah er sich um und als er mich erkannte, fuhr er zurück, als hätte er sich gerade verbrannt. Sein Gesicht lief rot an. Er senkte den Blick, zog die Decke über seinen Körper und knurrte: „Scheiße.“
„Alles okay?“, erkundigte ich mich.
„Ja, war nur ein Traum“, hörte ich ihn sagen, bevor er sich entspannte, es sich wieder bequem machte, sich aufrichtete und die Beine anzog. Verloren fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. Dann sah er mich aus seinen blauen Augen an, fing mich mit ihnen ein und sagte: „Ich habe totalen Mist geträumt.“
„In welchem Zusammenhang?“, hakte ich nach.
Ich sah wie Steffen mit sich selbst rang. Bei seiner Antwort konnte er mir nicht in die Augen blicken. „Benny und Yo.“ Er verschränkte seine Finger, knetete sie.
Was hatte er gerade gesagt? Benny und Yo? Hatte ihn die Sache genauso aufgewühlt wie mich? Auch ich machte mir zum ersten Mal einen Kopf über Homosexualität. Fassungslos fragte ich ihn: „Das ist nicht dein Ernst, oder?“
„Doch.“ Er sah mich noch immer nicht an, starrte stur auf seine Hände. „Ich frage mich, ob sie glücklich, wirklich glücklich sind? Ob sie sich lieben? So wie ich Tabtim geliebt habe?“ Erschrocken über Steffens Gedanken schluckte ich, dachte nach, was ich ihm antworten könnte. Doch bevor ich reagieren konnte, sprach er weiter: „Sie küssen sich. Sie haben Sex.“
Der Gedanke an Sex mit einem Mann schüttelte mich. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Nichts war schlimmer als der Gedanke, es mit einem Mann zu treiben - einfach widerlich. „Stef, bitte!“, murmelte ich. Das Gespräch driftet in die falsche Richtung ab, gefiel mir nicht.
„Was ist verwerflich daran?“, fragte er mich.
„Oh, bitte!“, stöhnte ich auf. Ich wollte nichts mehr davon hören und schob die Decke von meinem Körper. Ich schwang die Beine über die Bettkante und stand auf.
„Was ist dabei?“ Steffen gab keine Ruhe.
„Ich bitte dich!“ Aufgebracht öffnete ich die Schranktür, kramte ein T-Shirt, frische Socken und einen Slip hervor. „Stell dir einfach mal vor, irgendein Kerl fickt dich in den Arsch!“ Meine Wortwahl war mit Absicht deftig. Damit wollte ich zum Ausdruck bringen, wie abstoßend ich das fand.
Ich ließ Steffen sitzen und ging ins Bad. Mürrisch öffnete ich die Duschkabine. Der Tag fing gut an. Steffen quälte mich mit Schwulensex und ich bekam Tam nicht aus dem Kopf. Mit einem wütenden Ruck zog ich mir das Shirt über den Kopf, feuerte meinen Slip in die Wäschebox und drehte das Wasser auf, nachdem ich die Dusche betreten und die Tür hinter mir zugezogen hatte. Hart prasselte das Wasser auf mich herab, rann in Strömen über meinen Körper. Ich genoß die Wärme die mich einhüllte, schloß die Augen, stemmte die Hände gegen die Fliesen und senkte den Kopf. Bewußt atmete ich durch, lauschte in mich und verscheuchte die Gedanken an das eben geführte Gespräch.
Als ich endlich den Kopf frei von belastenden konfusen Ideen hatte, griff ich nach dem Duschgel, seifte mich ein und wusch mir die Haare. In kleinen Strudeln verschwand der Schaum im Abfluß. Ich fühlte mich wohl, erholt und befreit. Niemand war jetzt in der Lage, meine Laune zu vermiesen, dachte ich jedenfalls. Mit den Fingern wischte ich mir die Wassertropfen vor den Augen weg, drehte mich und sah einen Schatten, der sich vor dem milchigen Glas der Kabine bewegte. „Sai?“, hörte ich auch schon meinen Freund rufen.
„Was willst du?“, knurrte ich. Nicht mal in Ruhe duschen konnte ich.
„Telefon für dich. Tam.“ Tam? Woher hatte sie meine Nummer? Sprachlos hielt ich still.
„Was ist?“, riß Steffen mich aus meinem Schockzustand.
„Reich mir mal ein Handtuch!“, bat ich. Panik brach in mir aus. Ich vergaß sogar, das Wasser abzustellen, als ich die Kabinentür zur Seite schob. Schnell hatte ich mir das Handtuch geangelt, das mir Steffen ohne mich anzusehen hinhielt, und um die Hüfte geschlungen.
Erst als ich ihm das Telefon entwand, sah er wieder auf, runzelte die Stirn. War das Wut in seinen Augen?
„Hallo?“, meldete ich mich, bemüht, die nassen Haare vom Hörer fernzuhalten.
„Hallo, Sai!“ Das war sie, die ruhige Stimme, die ich noch vor ein paar Stunden im Club gehört hatte.
„Woher hast du meine Nummer?“, fragte ich. Ein: „Benny“, bekam ich als kurze Antwort. Ich sah zu Steffen, der das Wasser abdrehte und sich auf dem Toilettendeckel niederließ, mich beobachtete. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, blickten mich funkelnd an.
„Was gibt es?“ Ich gab mich kühl, gelassen, obwohl ich innerlich aufgeregt war.
„Ich wollte auf Wiedersehen sagen“, hörte ich Tam sprechen.
„Auf Wiedersehen?“ Hilfe suchend blickte ich Steffen an, bemerkte dabei, daß er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Er schien innerlich zu kochen.
„Ich fahr nach Hause. Mein Urlaub ist vorbei.“ Ich nickte, schwieg, bis mir bewußt wurde, daß es Tam ja gar nicht sehen konnte.
„Sehen wir uns wieder?“ Mein Herz pochte wild, wartete auf eine positive Antwort.
„Ja, ruf mich an! Steffen hat meine Nummer. Tschüß.“ Ich wollte noch etwas erwidern, doch Tam hatte schon aufgelegt.
Eine Weile sah ich auf das Telefon, ehe ich mich an Steffen wandte, der noch immer auf der Toilette saß und mich ansah. „Du hast ihre Nummer?“ Steffen nickte, reagierte aber sonst nicht. Er wirkte niedergeschlagen, wütend, aber auch, als wollte er mir gleich an die Kehle gehen.
„Und, gibst du sie mir?“
Steffen sprang auf und schrie mich an: „Wenn du sie unbedingt willst!“ Dann wirbelte er herum, verließ das Bad, schlug die Tür ins Schloß. Der Knall ließ mich zusammenzucken. Was war denn nun schon wieder? Hatte ich was Falsches gesagt? Ich konnte mir seinen Stimmungswechsel nicht erklären und zuckte mit den Schultern. Ohne einen weiteren Gedanken an seinen Wutanfall zu verschwenden legte ich das Telefon zur Seite und wollte nach einem weiteren Handtuch greifen, als es wieder knallte. Wie ein Schuß hallte es in meiner Wohnung nach. Jetzt reichte es. Ich riß die Badtür auf und schaute in den Flur. Ich kam zu spät. Steffen war weg. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen. Er hatte sich in Tam verliebt, war nun eifersüchtig auf mich. Ich konnte nicht mehr anders, ich mußte lachen. Sollten wir uns wirklich zum ersten Mal in die selbe Frau verguckt haben? Das konnte noch lustig werden, doch ich beschloß, daß, wenn Steffen Tam wirklich liebte, er sie gern haben konnte. Ich würde schon noch eine andere finden.
Schulterzuckend ging ich zurück ins Bad und kam endlich dazu, die Haare trocken zu rubbeln. Abtrocknen mußte ich mich nun nicht mehr. Die Wassertropfen auf meiner Haut waren verschwunden. Ich griff nach der Zahnbürste, der Zahnputzcreme, füllte lauwarmes Wasser in den kleinen blauen Becher und putzte mir die Zähne, während ich immer wieder grinsen mußte. Zum Glück hatte ich mich nicht in Tam verliebt, so, daß ich auf Steffen nicht böse sein konnte. Ich verstand ihn sogar, denn Tam schien etwas ganz Besonderes zu sein. Obwohl ich nur die heutige Nacht mit ihr gesprochen hatte, gab sie mir das Gefühl, sie schon ewig zu kennen.
Mit Wasser spülte ich mir den Mund aus und begann, mir die Haare zu föhnen. Jeden Tag das gleiche Spiel, Haare waschen, bürsten, föhnen. Oft hatte ich überlegt, mir die Haare einfach abzuschneiden, doch ich hing viel zu sehr an der Pracht und ich wußte, daß ich diesen Entschluß schon am nächsten Tag bereuen würde. So beließ ich es dabei und quälte mich jeden Morgen durch die Prozedur.
Endlich waren meine Haare trocken. Im Spiegel lächelte ich mich an und ging so nackt wie ich war ins Wohnzimmer, gönnte mir eine Zigarette und schaltete das Radio ein.
Mein Körper schrie plötzlich nach einem Kaffee. Ich gab ihm nach, stellte in der Küche die Kaffeemaschine an und lauschte dem Blubbern, als die braune Flüssigkeit in die Kanne lief. Ich sah auf die Uhr. Es wurde langsam Zeit. Meine Schicht fing bald an, doch vorher mußte ich mit Steffen reden. Wo war nur mein Telefon? Ich erinnerte mich, daß ich mit Tam telefoniert hatte, doch durch Steffens eifersüchtiges Verhalten hatte ich vergessen, wo ich den Hörer abgelegt hatte.
Im Flur stand die Basisstation. Ich drückte auf die Taste fürs Signalklingeln und hörte auch schon das Piepen. Es kam aus dem Bad. Natürlich - dort hatte ich den Hörer auf die Waschmaschine gelegt.
Ruhig, ohne Hektik oder Panik tippte ich die Nummer meines Freundes ein. Er mußte längst zu Hause sein. Nach dreimaligen Läuten hob seine Mutter ab: „Niedzilski!“ Im Hintergrund hörte ich Whiskey bellen, der wie immer eifersüchtig auf den nicht sichtbaren Gesprächspartner seines Frauchens war.
„Hallo, hier ist Sai!“, sprach ich in den Hörer.
„Whiskey, das ist nur Sai“, hörte ich Steffens Mutter sagen und der Schäferhund gab Ruhe. „Ja, Sai, was ist denn?“
„Kann ich mit Steffen reden. Es ist wichtig!“, bat ich Frau Niedzilski.
„Nein, tut mir leid. Er ist nicht da.“ Ich schluckte. Steffen war nicht nach Hause gefahren? „Ich dachte, er hat bei dir übernachtet?“, stellte sie fest.
„Ja, er war hier“, antwortete ich.
„Laß mich raten. Ihr habt euch gestritten?“
Ich nickte und bejahte leise.
„Er ist schon seit Tagen streitsüchtig. Wenn er nach Hause kommt, sag ich ihm, daß er sich bei dir melden soll.“
„Danke.“ Ich legte auf. Knurrend verzog ich mich ins Schlafzimmer, zog mich an und kippte den Kaffe hinunter, um endlich ins Restaurant zu fahren.

***

Es war Montagmorgen und Steffen hatte sich noch nicht bei mir gemeldet. Doch auch ich war stur gewesen und hatte es nicht für nötig gehalten bei ihm anzurufen. Sollte der Idiot doch schmollen. Ich würde Tabtim allein vom Flughafen abholen. Ich hatte mir extra Vaters Audi geliehen. Erst gestern erzählte ich ihm, daß Tabtim schon wieder nach Deutschland kam.
Während ich mir einen Kaffee genehmigte und frühstückte, saß Tabtim im Flugzeug, auf dem Weg zu Steffen und mir. Noch ganze sechs Stunden und ich konnte mein Cousinchen in die Arme schließen. Die paar Stunden bis zu ihrer Ankunft würde ich auch noch rumbekommen.
In aller Ruhe schmierte ich mir ein halbes Brötchen mit Kräuterremoulade und legte Käse drauf. Mir wäre eine scharfe Nudelsuppe zwar lieber gewesen, doch verspürte ich keine Lust zu kochen und aß so deutsch, wobei mir einfiel, daß ich ja noch schnell einkaufen fahren konnte.
Ich zog mich an, rauchte noch eine, bevor ich nach dem Schlüssel des Wagens griff und zum ‘Thai-Land’ fuhr. Mit einem fiesen Grinsen saß ich hinter dem Steuer, dachte daran, wie gut Tabtim kochen konnte und freute mich auf ihre ‘Tom Kha Gung’. Nachdem ich eine knappe halbe Stunde einen Parkplatz gesucht hatte, wußte ich wieder, warum ich Motorrad fuhr. Denn mit meinem Bike hatte ich bisher immer einen Platz vor dem ‘Thai-Land’ gefunden. Auch heute war der Platz leer, doch zwei Motorräder fielen in meinen Blick - eine rote ‘X-Eleven’ und eine grüne ‘Ninja’ - Benny und Yo.
Schnell hatte ich den Laden betreten. Ich wußte nicht, was ich einkaufen sollte, das würde sich noch ergeben. Ich griff nach einem Korb neben der Eingangstür und begab mich in Richtung Getränke. Mangosaft, Guavensaft und Kokossaft für Tabtim. In der Tiefkühltruhe angelte ich nach einer Großpackung Riesengarnelen. Gewürze? Ich kramte in meinem Gedächtnis. Was hatte ich noch zu Hause? Mir wollte partou nichts einfallen und so landeten in meinem Korb Koriander, Zitronengras, Ingwer und Thai-Basilikum. Nach weiteren Überlegungen nahm ich noch frische Chillischoten an mich. Mit Reis mußte ich mich zum Glück nicht abquälen, denn da hatte ich einen ganzen Sack zu Hause. Der würde reichen. Und zur Not konnte ich ja morgen mit Tabtim einkaufen gehen.
„Sai?“, hörte ich plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir und drehte mich um. Yo lächelte mich an, Benny stand neben ihm.
Ich legte die Hände zusammen, führte sie in Mundhöhe vor mein Gesicht und grüßte traditionell mit dem Wai. Yo tat es mir gleich, nur Benny reagierte nicht.
„Großeinkauf?“ Fragend sah mich Yo an und nahm die Hände wieder runter.
„Ja, mein Bruder kommt zu Besuch“, log ich. Ich konnte den beiden nicht sagen, daß eigentlich meine Cousine kam. Sie könnten es ja Steffen verraten, falls sie ihn treffen sollten.
„Dann viel Spaß!“ Benny zog Yo, der mich schulterzuckend ansah, mit zur Kasse.
Schnell lief ich ihnen nach, winkte Yo zur Seite und fragte: „Kannst du mir Tams Telefonnummer geben?“
„Klar.“ Yo ging zur Kassiererin, lieh sich einen Kugelschreiber und als Benny gezahlt hatte, nahm Yo den Kassenbon an sich, schrieb etwas auf die Rückseite und gab ihn mir mit den Worten: „Erst nach 19:00 Uhr anrufen.“
Dankbar nickte ich. Yo winkte mir, bevor er in Bennys Schlepptau den Laden verließ. Unerwartet mußte ich plötzlich wieder an das letzte Gespräch mit Steffen denken, die Unterhaltung über Homosexualität. Danach hatte ich meinen besten Freund kaum wiedererkannt. Er war gereizt gewesen und als Tam bei mir angerufen hatte, war er wütend abgedampft. Die Trennung von Tabtim machte ihm mehr zu schaffen als er zugab. Unwillig schüttelte ich den Kopf, blickte auf den Kassenbon, steckte ihn in meine Brieftasche, überprüfte den Inhalt des Einkaufskorbes und nickte zufrieden.

Flughafen - Menschenmassen, Gepäck und Trubel. Gestreßte und fröhliche Menschen. Die einen auf dem Weg in den Urlaub, die anderen wollten so schnell wie möglich zu ihrem nächsten wichtigen, geschäftlichen Termin. Ich sah Kinder, wie auch ältere Leute, als ich mich der Anzeigetafel näherte und nach oben schaute - ‘Bangkok - erwartet’.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß ich wie immer viel zu früh war. Lächelnd schob ich mich durch die Urlauber, beschloß, mir etwas zu Lesen zu besorgen, doch bevor ich zu dem Zeitschriftenladen abbog, kaufte ich eine einzelne rote Rose für Tabtim. Ich freute mich auf meine Cousine. Mit ihr konnte ich lachen, über alles reden, obwohl sie meinen Lebensstil, oder besser gesagt: mein Liebesleben, verabscheute. Trotzdem respektierte sie mich und lauschte meinen Erzählungen von meinen Sexabenteuern. Das letzte Mal, kurz bevor sie nach Hause geflogen war, hatte sie zu mir gesagt, daß sie wohl nie Erfahrungen mit anderen Männern machen wird und das Steffen nicht nur ihr erster Mann im Bett war, sondern auch bleiben würde, weil sie ihn über alles liebte. Und nun sah es schlecht für ihre gemeinsame Zukunft mit Steffen aus, da er sich anscheinend in eine andere verliebte.
Ich war nicht verwundert über diese Tatsache. Schon lange hatte ich auf den Tag gewartet, an dem Steffen mit Tabtim Schluß machte. Ich hatte eh nie verstanden, wieso er nicht scharf auf andere Frauen gewesen war.
Ich war nervös, roch an der Rose, ging weiter zum Zeitschriftenhandel, um nachzusehen, ob die neue ‘Motorrad’ schon ausgeliefert worden war. Am Ladeneingang blieb ich erst mal stehen, ließ meinen Blick über die Regale schweifen, las die Schilder darüber - Frauen, Haus und Garten, Tiere, Magazine, Auto und Motorrad. Ah ja, da hinten befand sich das Regal, direkt neben dem Thema Sport.
Ich stutzte. Die blonden, wirren Haare kannte ich doch. Mein Blick wanderte über den Körper des jungen Mannes, der in eine Zeitschrift vertieft war. Wie üblich trug er Turnschuhe, helle, ausgewaschene Buggys und ein weites, weißes T-Shirt. Ich lächelte und war froh, daß Steffen sich hier befand, obwohl ich nicht mit ihm gerechnet hatte.
Steffen sah aus, als hätte er sich heute in der Sonne geaalt. Seine Wangen waren rot, wirkten verbrannt. Noch hatte er mich nicht bemerkt, denn er schlug das Journal zu, drehte mir den Rücken zu, stellte die Ausgabe zurück und griff nach der nächsten Zeitschrift.
Leise näherte ich mich ihm, blieb in seinem Rücken stehen und überlegte kurz. Ob er noch sauer auf mich war? Ich tippte auf ja, denn sonst hätte er sicherlich bei mir angerufen, doch nun wußte ich, daß er meinen Bruder mochte und nicht darauf verzichtete ihn abzuholen, nur weil wir zerstritten waren.
„Du kannst Tam gern haben“, hauchte ich in sein Ohr, nachdem ich näher an ihn getreten war und unsere Körper sich fast berührten.
Ich sah, wie er heftig zusammenzuckte, dann herumwirbelte und mich mit großen Augen anschaute. Verwirrt fragte er: „Tam?“
Ich lachte. „Ja, die kleine, blonde Freundin von Yo. Du weißt schon, die bei mir angerufen hat, als ich unter der Dusche war. Du bist dann eifersüchtig auf mich weggelaufen.“
Steffen schluckte, wich meinem Blick aus und ich sah, wie er rot anlief, selbst der Sonnenbrand konnte das Blut in seinen Wangen nicht verbergen. „Das muß dir nicht peinlich sein“, grinste ich, schlug ihm leicht gegen den rechten Oberarm und fragte, als ich merkte, wie schlecht er sich in der Situation fühlte: „Willst du die ‘Kick’ mitnehmen?“
„Die was?“ Oh Mann, was war nur mit dem Kerl los?
„Das Heft in deiner Hand“, antwortete ich.
Es wirkte auf mich, als würde Steffen aus einem langen, tiefen Schlaf erwachen, denn er sah verwirrt auf seine Finger, die die Zeitschrift hielten. „Ach so, ja.“ Er nickte, zog die Brieftasche aus der linken Gesäßtasche und näherte sich der Kasse. Kopfschüttelnd blickte ich ihm nach, machte mir meinen Kopf. Wußte er etwa, daß Tabtim kam und nicht mein Bruder? Hatte er mit meinen Eltern gesprochen? War er deswegen so nervös und stand völlig neben sich? Ich hatte durch sein überraschtes Auftauchen vergessen, was ich wollte. Ich konnte ihn nur ansehen und erkennen, wie gehetzt seine Blicke wirkten. Er verbarg etwas vor mir, da war ich mir sicher.
„Kommst du? Die Maschine landet gleich!“ Steffen winkte mich zu sich und ich lief wie ein treuer Hund hinter ihm her.
Vor dem Laden fragte er mich: „Was soll eigentlich die Rose?“
„Was?“ Jetzt war ich es der neben sich stand. Überrumpelt sah ich auf die Blume und schluckte. Nun war guter Rat teuer.
„Die ist doch nicht für Nuy!“, stellte er fest, wobei er mich skeptisch musterte.
„Nein, für seine Verlobte“, log ich, froh darüber, daß mir eine Ausrede eingefallen war und daß er anscheinend nichts von Tabtim wußte.
„Wir treffen uns an der Anzeige“, erklärte ich und lotste Steffen hin, als mir siedendheiß einfiel, daß ich vergessen hatte, meine Zeitschrift zu kaufen. Noch zehn Minuten, das war zu schaffen. Ich ging los und bat Steffen, auf mich zu warten.
Als ich dann wieder neben ihm stand, blickte ich zur Anzeige - ‘Bangkok - gelandet’. Freudig sah ich mich um. Wie würde Steffen reagieren, wenn er Tabtim sah und nicht meinen Bruder? Leise lachte ich, drehte mich von Steffen weg, damit er es nicht bemerkte und erschrak, als ich plötzlich eine Hand an meinem Oberarm fühlte und Fingernägel, die hart in meine Haut drangen.
„Tabtim!“, stöhnte Steffen neben mir. Seine Augen waren aufgerissen und ich erkannte, wie er bleich wurde. Was sollte ich jetzt tun? Tabtim entgegengehen, sie in den Arm nehmen? Ich tat gar nichts und gab mich, als wäre auch ich total überrascht. Aus leicht zusammengekniffenen Augen betrachtete ich meine Cousine. Das lange Haar wehte hinter ihr her, als sie mit raschen Schritten auf uns zukam. Sie trug Bluejeans, ein kurzes Top und auf dem Rücken einen Rucksack. Sie winkte uns.
Ich konnte nicht mehr reagieren, als Steffen meinen Arm losließ und auf meine Cousine zueilte. Ich sah, wie Tabtim ihren Rucksack abnahm, ihn zu Boden gleiten ließ und auf Steffen zurannte. Sie warf sich in seine Arme, Tränen liefen über ihre Wangen.
Glücklich sah ich, wie Steffen die Arme um sie legte, sie fest an sich drückte. Was er groß und kräftig war, war sie klein und zierlich. So unterschiedlich sie auch waren, so gut paßten sie zusammen.
Respektvoll näherte ich mich ihnen, lächelte und wußte, daß alles gut werden würde, als Steffen die Hände von ihrem Rücken löste, um sie an ihre Wangen zu legen. Sanft hielt er sie fest, sah ihr in die Augen, ehe er seine Lippen auf ihre senkte. Ich erkannte, wie gierig sie sich küßten und wie egal es ihnen war, wie viele Leute sie jetzt sehen konnten. Was für die beiden im Moment zählte waren ihre Lust und ihr Verlangen, das sich während ihrer Trennung aufgebaut hatte.
Zwei Männer mit offenen Hawai-Hemden und Goldkettchen um den Hals näherten sich uns, blickten auf Steffen und Tabtim, die anscheinend alles um sich vergessen hatten. Der Dickere der beiden sagte: „Der hat die doch auch nur gekauft.“ Sein Begleiter lachte.
Ich runzelte die Stirn. Das waren genau die Männer, die ich zum Tod nicht ausstehen konnte. Denn die flogen mindestens einmal im Jahr in meine Heimat, um Sex zu haben.
Tabtim schien den Satz auch vernommen zu haben, denn sie unterbrach den Kuß, löste sich von Steffen und drehte sich ganz langsam um. Mit lasziven Bewegungen strich sie sich einige verirrte Haarsträhnen aus der Stirn und sprach leise, aber hörbar: „Für 200,- blas ich dir einen. Hier vor all den Menschen.“
Der Mann schluckte. Er hatte wohl nicht erwartet, daß sie Deutsch verstand und sogar sprach.
Ich mußte mir ein Lachen verkneifen, als ich sagte: „Man sollte sich nie mit meiner Cousine anlegen. Und jetzt verschwinden Sie!“
Die beiden Männer verzogen sich, denn andere Urlauber waren auf uns aufmerksam geworden und lachten mit Tabtim, als diese sich an Steffens Hals warf. Ich war stolz auf sie. Ich mochte ihr loses Mundwerk im Gegensatz zu Steffen, dem es immer nur peinlich war. Sein Gesicht verschloß sich.
Fragend sah er zu mir. In seinem Gesicht konnte ich erkennen, was er dachte. Zu offensichtlich war, daß er mich verdächtigte, das ich Tabtim hierher bestellt hatte. „Was machst du hier, Tim?“, erkundigte er sich auch schon bei meiner Cousine, ohne sie anzublicken. Sein Augenmerk galt weiter mir. Ich reagierte nicht auf seinen fast sezierenden Blick, hielt ihm stand und lächelte. Ich konnte nur hoffen, daß Tabtim sich nicht versprach, daß sie zu mir hielt. Sie enttäuschte mich nicht. „Ich habe Nuy überredet mich mitzunehmen.“
Tabtim lehnte sich rückwärts gegen Steffen, zog seine Arme um ihre Taille und schien schon in Gedanken zu Hause zu sein, alleine mit ihm.
Ich atmete auf. Sah auf das Pärchen vor mir und war froh, daß Steffen sie nicht von sich wies. Dann riß ich die Augen auf, als ich tatsächlich meinen Bruder sah, der zwei Koffer trug. Tabtim schien ihm alles erzählt, ihn eingeweiht zu haben. Strahlend lächelte mich Nuy an, stellte einen Koffer neben Steffen und Tabtim ab, dann stand er auch schon vor mir. Er verzichtete auf das traditionelle Wai, als er mich begrüßte: „Hey, kleiner Bruder!“
Tief holte ich Luft, konnte aber nicht auf ihn böse sein, schließlich war er es, der einen Kopf kleiner war als ich. Grinsend fragte ich: „Wen nennst du hier klein?“
„Dich!“ Nuys Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. „Denkst du, ich ändere mich jemals?“ Nein, das würde nie passieren. Für ihn würde ich immer der sechsjährige Junge bleiben, der nichts anderes im Kopf hatte, als seinem großen Bruder das Leben schwer zu machen. Als wir älter wurden, hatten wir häufig Streit, doch mit fünfzehn spürte ich, wie wichtig es war, einen Bruder zu haben, der die Hand schützend über einen hielt. Nuy hatte nur ein Problem: obwohl er damals schon zwanzig war, überragte ich ihn um eine Kopflänge.
Leicht hieb mir Nuy in die Seite, zog Tabtim einfach von Steffen weg, schob sie zu mir, um meinen Freund begrüßen zu können. Tabtim lehnte sich gegen mich und hauchte mir einen Kuß auf die Wange. Leise flüsterte ich: „Danke.“
„Für Stef würde ich alles tun.“ Sie schlang die Arme um mich.
„Ich weiß. Wir können nur hoffen, daß das gut geht.“
Tabtim nickte, löste sich von mir und sah auf die Rose in meiner Hand. „Ist die für mich?“
Ich sah wie Steffen die Stirn runzelte, uns aus zusammengekniffenen Augen beobachtete. „Ähm, eigentlich war sie für Nuys Verlobte. Aber nun gehört sie dir.“ Ich reichte ihr die langstielige, rote Rose und hörte Nuy lachen, der mir auf die Schulter schlug und sagte: „Wir sehen uns. Ich fahr zu den Eltern.“
Steffen zog Tabtim wieder an sich, sah auf den Koffer in Nuys Hand und auf den anderen, der zu meinen Füßen stand. „Wie willst du nach Hause kommen?“, fragte er meinen Bruder.
„Ich nehme ein Taxi.“ Nuy sah mich an, reckte sich zu mir hoch und fragte mit einem hinterhältigen Grinsen im Gesicht: „Kannst du mir was leihen? Ich habe nur Baht einstecken.“
Ich stöhnte auf, das mußte ja kommen. Genervt zog ich meine Brieftasche aus der Hosentasche, kramte einige Scheine hervor und reichte sie Nuy. „Wiedersehen macht Freude“, murmelte ich.
„Danke. Ich lade euch zum Essen ein.“ Nuy verschwand lachend im Gewühl und ich rief ihm sauer nach: „Aber nicht in unserem Restaurant!“
Nuy winkte uns, dann sah ich ihn nicht mehr.
„Wollen wir auch los?“ Fragend sah ich zu Steffen.
„Jepp.“ Er hob sich Tabtims Rucksack auf die Schultern, griff nach ihrer Hand und lief los. Typisch, der Koffer blieb wieder mal an mir hängen.
Ich überholte die beiden, die verliebt turtelten, begab mich zum Parkplatz und entriegelte mit der Fernbedienung den Wagen. Ich öffnete alle Türen und sorgte so für Durchzug. Obwohl der Wagen eine Klimaanlage besaß, haßte ich es, in ein muffiges, glühendes Auto zu steigen. In der Ablage suchte ich nach meinen Kippen, entzündete eine, lehnte mich an den Audi und wartete auf Tim und Steffen, die gemächlich auf mich zu schlenderten.
Ohne ein Wort verzogen sie sich in den Fond und fielen wieder übereinander her. Genervt schlug ich die Türen zu, klemmte mich hinters Steuer und stöhnte leise auf, als ich Steffen und Tabtim eng umschlungen im Rückspiegel sah. Ich schloß den Gurt, gab Gas und versuchte mich dann auf den Verkehr zu konzentrieren, was mir nicht gelingen wollte, da ich immer wieder leises Stöhnen vom Rücksitz vernahm. „Wir sind gleich da. Wartet wenigstens, bis ihr ein Bett in der Nähe habt!“, fuhr ich sie an.
Tabtim kicherte: „Das mußt gerade du sagen.“
Ich schwieg und war froh, als Steffen sich zu Wort meldete: „Kannst du am Einkaufscenter kurz parken! Ich muß noch was einkaufen.“
„Klar, aber dann bringe ich euch nach Hause.“ Ich hatte keine Lust, die Turteltäubchen den Rest des Tages um mich zu haben.
„Nein, wir fahren zu dir!“ Steffen widersprach mir? Für mich war das was Neues, doch Steffen machte auf mich einen nervösen Eindruck. Er schien Angst davor zu haben, mit Tim allein zu sein.
Vor dem Haupteingang des Centers hielt ich, ließ Steffen aussteigen und fing an Runden zu fahren, da ich keinen Parkplatz gefunden hatte.
„Sai?“ Tabtim rutschte in die Mitte der Sitzbank, stützte sich rechts und links auf die Rückenlehnen der Vordersitze auf und sah mich von der Seite an.
„Ja?“, fragte ich und gab Gas, als die Ampel an der Kreuzung auf grün schaltete.
„Was meinst du? Wird das mit Steffen wieder was?“
„Tim, ich weiß es nicht.“ Wieder bog ich rechts ab, um meine Runde zu beenden. Steffen stand noch nicht vor dem Eingang und so startete ich in die nächste. „Du hast ihn doch geküßt. Da mußt du es doch gemerkt haben!“
Tabtim hauchte mir in den Nacken und ließ die Finger durch mein Haar gleiten. Im Rückspiegel sah ich sie glücklich lächeln, ihre Augen glitzerten. „Er war gerade ganz heiß auf mich und er ist es noch. Soviel steht fest.“
Sie lehnte sich wieder zurück und sah auf die Straße. Ich begann meine vierte Runde und als ich diese beendet hatte, sah ich Steffen winken. In der Hand hielt er eine kleine Tüte, mit dem A der Apotheke drauf. Süffisant grinste ich. Dieser Schwerenöter hatte tatsächlich noch Kondome besorgt.
Ich brachte den Wagen zum stehen und Steffen stieg ein, doch kroch er nicht zu Tim in den Fond, sondern nahm den Beifahrersitz in Beschlag. Jetzt konnte ich endlich zu mir fahren.

Nervös lief Steffen in meinem Wohnzimmer auf und ab, fuhr sich immer wieder durch das kurze, strohblonde Haar, sah sich gehetzt um. Ich ließ mich erst mal nicht von ihm beirren, rauchte in Ruhe und lauschte den Duschgeräuschen, die aus dem Bad an meine Ohren drangen.
Als mein Freund sich nicht beruhigte, fauchte ich ihn an: „Stef, du machst mich wuschig!“
Er hielt in seinem Gang inne, sah mich an und murmelte: „Verdammt, das Shirt macht mich wahnsinnig.“ Ich wußte, daß er nicht wegen einem weißen T-Shirt Wege in meinen Teppich lief. Er hatte ganz andere Probleme, wollte sie aber nicht zugeben, was ich akzeptierte. Tief in ihm brodelte ein Vulkan, der nur darauf wartete, ausbrechen zu dürfen.
„Ich werde wahnsinnig.“ Mit einer schnellen Bewegung hatte er sich das Shirt aus der Hose und über den Kopf gezogen. Hart schluckte ich, als ich seinen Oberkörper sah, der knallrot, stark verbrannt war.
„Was hast du gemacht?“, erkundigte ich mich fassungslos.
„Ich habe mit Bekannten Basketball gespielt, den ganzen Mittag über und nicht bemerkt, wie stark die Sonne geschienen hat.“ Mit den Fingern fuhr er sich über die Brust, stöhnte dabei leise auf und biß die Zähne aufeinander.
„Hör auf!“, fuhr ich ihn an. „Setzt dich, ich mach ein Handtuch naß.“
Ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. Er hätte sich eh nur gegen meine Hilfe gewehrt und eilte ins Schlafzimmer, wo ich ein Handtuch aus dem Schrank nahm, um es dann in der Küche unters kalte Wasser zu halten. Mit dem ausgewrungenen Tuch kehrte ich zu Steffen zurück. In der Hand hielt er Phantenolspray.
„Setz dich!“, sagte ich derber, als ich es eigentlich wollte. Steffen zog die Stirn kraus, ließ sich aber ohne zu widersprechen auf meinem Sofa nieder, zog die Beine nach oben und drehte sich zur Seite, so das ich mich hinter ihn setzten konnte. Vorsichtig legte ich ihm das kalte Tuch um die Schultern, hörte wie er zischend Luft holte und stichelte: „Hab dich nicht so, oder bist du ein Weichei geworden?“
Er bot kein Paroli. Der Sonnenbrand mußte schlimmer sein, als ich gedacht hatte. Sanft drückte ich das weiche Tuch auf seine Haut. „Besser?“, erkundigte ich mich, wobei ich meiner Stimme einen sanften Ton gab.
„Es kühlt“, war alles was ich hörte. Schnell hatte sich das Tuch aufgewärmt. Ich nahm es von seinem Körper. Rote Haut kam zum Vorschein. Wieder atmete er tief ein. Er schien höllische Schmerzen zu leiden.
„Reich mir mal das Spray!“, bat ich ihn, da er die Dose die ganze Zeit mit den Händen umklammert hielt. Er ließ die Dose los und ich sah, wie das Blut wieder in seine Knöchel floß. Er hatte also keine Kondome in der Apotheke gekauft. Kräftig schüttelte ich das Spray, nahm den Deckel ab und sprühte den weißen Schaum auf meine rechte Handfläche.
Ich grinste, als ich den weißen Schaumberg sah, dachte an Schlagsahne und an unsere Sahneschlacht im letzten Sommer, im Garten von Steffens Eltern.
Alles hatte damit begonnen, das Tabtim den Sahnesiphon schief gehalten hatte, als sie den Schlag auf ihr Eis spritzen wollte. Sie traf dabei Steffen, der erst perplex aus der Wäsche schaute, dann aber nach dem Siphon griff und sich auf Tim stürzte.
Nach der Schlacht sahen wir aus wie kleine Schweinchen, die sich nicht im Dreck, sondern in Sahne gewälzt hatten. Lachend sahen wir uns an und ich hatte Tränen in den Augen, als Whiskey an Steffen hochsprang, ihn zu Boden riß und die Sahne aus dem Gesicht schleckte.
Leise lachte ich auf, als sich die Bilder von damals vor mein inneres Auge schoben. „Was ist so lustig?“, wollte Steffen wissen.
Ich antwortete ihm, während ich das Spray zur Seite stellte und den Schaum auf meinen Handflächen verteilte: „Ich mußte gerade an unsere Sahneschlacht denken.“
Steffen lachte, verstummte jedoch, als ich meine Hände auf seine Schultern legte. Heiße Haut, glühend stach die Hitze in meine Fingerspitzen. Vorsichtig verteilte ich das Phantenol mit kleinen, kreisenden Bewegungen und hoffte, daß ich Steffen nicht mehr weh tat, als nötig war. Er spannte die Muskeln an. Ich wurde vorsichtiger, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. „So schlimm kann es doch gar nicht sein, Kleiner.“
Steffen zuckte zusammen, wollte sich umdrehen, doch ich ließ meine Hände schnell auf seine Schultern wandern und legte sie fest auf seine Haut. Wenn er sich jetzt noch weiter drehte, würde er sich selbst weh tun und das schien er zu spüren, denn er unterbrach seine Bewegung. „Du hast gut reden. Du mit deiner braunen Haut.“
Ich hörte, daß er sauer war, und lachte auf: „Du hättest dich nur eincremen brauchen.“
„Arsch“, war alles, was ich als Antwort bekam. Davon ließ ich mich aber nicht beirren und fuhr seinen Rücken hinab. Als ich kaum noch etwas von der Creme auf den Händen hatte, griff ich wieder nach dem Spray.
„Dreh dich!“, forderte ich ihn auf und freute mich, daß ich ihn weiter quälen konnte. Die Strafe für sein: „Arsch“.
Es dauerte eine Weile bis mein Freund reagierte und mir seine Vorderseite präsentierte. Seine Brust war genauso stark verbrannt wie die Schultern. Ich warf einen Blick in seine Augen. Panik schien in ihnen zu glimmen. Ich reagierte nicht darauf und senkte die Hände ohne Mitleid auf seinen Brustkorb. Heftig zuckte er zusammen, als ich über seine Brust strich, das Phantenol verteilte. Ich fühlte die Gänsehaut, die sich auf seinem Körper ausbreitet und sah wie sie von seiner Brust zu den Oberarmen wanderte. Leise stöhnte er auf.
„Sieht nicht so aus, als könntest du heute noch mit meinem Cousinchen im Bett landen.“ Es tat mir gut, mich über ihn lustig zu machen. Die Situation war einfach zu viel für mich.
„Hör auf!“, knurrte Steffen, senkte den Blick und sah auf meine Hände, die noch immer sanft das Spray auf seinem Oberkörper verteilten. Als seine Brust eingecremt war, fuhr ich mit den Fingerspitzen zu seinem Bauch hinab. Ich berührte die Stelle knapp über dem Bauchnabel und erschrak, als seine Bauchmuskeln unkontrolliert zuckten.
„Laß das! Das kann ich auch allein.“ Seine Stimme klang scharf, Finger griffen hart nach meinen Händen, rissen sie regelrecht von seiner Haut.
„Ist ja gut.“ Ich angelte nach dem feuchten Handtuch, wischte den restlichen Schaum von meinen Händen und sah auf Steffen, der nun das Phantenol auf seinem Bauch verteilte.
„Was ist eigentlich mit dir los?“, fragte ich, verwundert über seine heftige Reaktion zu meinem Satz mit Tabtim.
Sein Kopf ruckte hoch, dann funkelte er mich an. „Was soll sein?“
„Du benimmst dich seit geraumer Zeit eigenartig.“ Ich hob sein T-Shirt vom Boden auf und legte es über die Sofalehne. „Erst sagst du, du liebst Tabtim nicht mehr, sondern Nancy, dann machst du einen auf eifersüchtig, weil Tam mich angerufen hat und nicht dich. Und heute...“ Ich unterbrach mich, als ich sah, wie sich Steffens Gesicht verschloß, er die Zähne zusammenbiß. „... fällst du über Tim her.“
„Und, wo liegt das Problem?“ Wütend knallte er die Spraydose auf den Tisch. „Du machst es doch genauso. Am liebsten hättest du doch jede Nacht eine andere im Bett.“ Vor mir baute Steffen sich auf. Sein Blick war geladen, nicht mit Haß, sondern mit Vorwurf.
Noch nie hatte er mir meinem Lebensstil zum Vorwurf gemacht. „Steffen, das bist nicht mehr du“, gab ich leise von mir. Ich war enttäuscht und verletzt. Der Mann, der hier vor mir stand, war nicht mehr der, den ich seit Jahren kannte.
„Ich bin nicht mehr ich?“, schrie er plötzlich. „Ja, ich erkenne mich selbst nicht mehr.“
„Steffen“, flüsterte ich, geschockt über seinen Ausbruch.
„Was?“, polterte er. „Was willst du hören? Willst du hören, daß ich mit meinen Gefühlen nicht mehr klar komme, daß ich meine neue Empfindung nicht mehr verstehe?“
Ich schüttelte den Kopf, wollte ihm zeigen, das er nicht so laut sein sollte und schloß die Tür. Tabtim mußte ihn ja nicht unbedingt hören.
„Neun verdammte Jahre - neun.“ Völlig fertig fiel er auf das Sofa und vergrub das Gesicht in den Händen. Verwirrt sah ich auf ihn. Unentschlossen blieb ich vor ihm stehen, fand keine Worte und schwieg, lauschte seinem nächsten Satz. „Neun Jahre war Tabtim mein Leben, doch jetzt... Plötzlich ist da nichts mehr.“
Ich setzte mich neben ihn, zog ihn sanft an mich, legte einen Arm um seine Schultern und fragte: „Warum hast du Tim dann geküßt?“
Er zog die Hände vor seinem Gesicht weg, blickte langsam auf. „Ich habe mich gefreut, als ich Tabtim am Flughafen gesehen habe und ich dachte, ein Kuß und alles ist wieder, wie es war. Ich habe mich getäuscht.“
Wir sahen uns an. „Was willst du nun tun?“, erkundigte ich mich.
„Erst mal so weitermachen. Ich kann es Tim immer noch sagen.“ Seine Augen machten einen gequälten Eindruck auf mich, tief in ihnen sah ich die Angst, die er davor hatte, es Tabtim ins Gesicht zu sagen. Am Telefon war es ihm sicherlich leichter gefallen.
„Gut. Willst du ein Bier?“ Ich strubbelte ihm durchs Haar, lachte ihn an und erhob mich, als er dankbar nickte.

***

Ich erwachte. Etwas war anders. Dunkelheit hüllte mich ein. Ich verspürte Durst, was mich nicht weiter verwunderte, hatte ich doch ein wenig zu viel Bier oder einen Whiskey zu viel getrunken. Leicht verkatert drehte ich mich auf den Rücken und hielt die Augen geschlossen. Ein leises Schniefen erklang neben mir. Wer lag in meinem Bett?
Neugierig sah ich neben mich, erkannte Tabtim, die sich eng an Steffen gekuschelt hatte. Ihre Hand lag auf seinem Brustkorb. Im Dunkel erkannte ich, daß Steffen nicht schlief. Seine Augen glitzerten. Eine einsame Träne lief über seine Wange und fand den Weg auf das Laken.
„Stef?“, flüsterte ich.
„Ja?“ Er drehte den Kopf in meine Richtung, sah mich an.
„Alles okay?“ Ich griff nach seiner rechten Hand, verschränkte meine Finger mit seinen und drückte leicht. Ich wollte ihm Trost spenden.
„Nein, ich fühle mich mies.“ Ich verstand, was er meinte. Lag Tabtim doch in seinen Armen und glaubte, daß er sie noch immer liebte.
„Du mußt es ihr sagen. Du gehst sonst daran kaputt.“ Ich wälzte mich auf die Seite, fuhr mit den Fingern durch sein Haar, zeigte ihm damit, daß ich für ihn da war, und daß ich auf seiner Seite stand.
„Ich kann es nicht. Sie bedeutet mir noch immer sehr viel. Ich möchte ihr nicht weh tun.“ Er zog Tim näher zu sich und fuhr ihr durch das lange Haar.
„Du mußt dir über deine Gefühle für sie klar werden. Ihr quält euch sonst beide.“ Ich unterbrach mich, da sich meine Cousine regte. Sie drehte sich aus seiner Umarmung, ihm den Rücken zu. Sie schien tief zu schlafen und nichts von unserem Gespräch mitbekommen zu haben.
„Ich weiß, daß ich jemand anderen liebe. Doch diese Person ist für mich unerreichbar.“ Hart schlossen sich Steffens Finger um meine.
Was mich in dem Moment so handeln ließ, wußte ich nicht. Jedenfalls zog ich Steffen an mich und schloß ihn in meine Arme. Er brauchte jemanden, gerade in dieser Lage. Ich konnte nur erahnen, wie er sich fühlte.
Sein Körper zitterte. Beruhigend strich ich ihm über den Rücken und wisperte: „Das wird wieder.“
Steffen nickte gegen meine Brust, klammerte sich an mich und suchte Halt bei mir.
Stille breitete sich aus und als ich kurze Zeit später nach Steffen sah, erkannte ich, daß er eingeschlafen war.
„Schlaf gut, Kleiner“, murmelte ich, suchte nun nach meinem Gefühl der tiefen Ruhe und begab mich auf den Weg ins Land der Träume.

„Frühstück, ihr Schlafmützen!“ Erschrocken öffnete ich die Augen. Es war hell in meinem Schlafzimmer. Lächelnd stand Tabtim in der Tür. In der Hand hielt sie meine Kaffeekanne.
Ein leises Brummen erklang neben mir. Lächelnd sah ich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Steffen lag neben mir, hatte mir sein Gesicht zugewandt und versuchte die Augen zu öffnen. Seine Hand lag auf meiner Brust und als er es erkannte, zog er sie rasch weg.
„Schatz, ich bin aber nicht Sai!“, kicherte Tim.
„Sai ist nicht ich“, verbesserte ich meine Cousine.
„Er scheint im Schlaf wohl gedacht zu haben, das ich du bin“, half ich Steffen aus der Klemme. Irgendwie schien ihm die Situation peinlich zu sein, denn er war rot angelaufen.
Tim nickte. „Die beiden wichtigsten Männer in meinem Leben, sollten so langsam ihr Schäferstündchen beenden und duschen gehen!“
Ich lachte auf, erhob mich und scheuchte Tabtim in die Küche. In der Tür blieb ich stehen, blickte auf den gedeckten Tisch, in dessen Mitte sogar ein Blumenstrauß und eine Kerze standen. Ich hauchte ihr einen Kuß auf die Stirn und flüsterte ergriffen: „Danke.“
„Wofür?“ Tabtim sah mich an, hob dabei die Augenbrauen und tat so als wüßte sie nicht, wovon ich sprach.
„Dafür.“ Ich nickte zum Bistrotisch. Noch nie hatte jemand für mich, das Frühstück so liebevoll zubereitet.
„Das ist für Steffen, nicht für dich.“ Erbost schlug sie mir vor die Brust, wobei sie kicherte.
„Dann werde ich ihn mal holen gehen.“ Mit wenigen Schritten war ich wieder im Schlafzimmer. Steffen saß noch immer auf dem Bett, hatte die Knie angezogen, die Arme um die Beine geschlungen und sah mich an. „Kannst du Tim und mich nachher allein lassen? Ich muss mit ihr reden.“
Ich trat ans Bett, sah ihm in die Augen und nickte. Steffen griff nach meiner Hand, hielt sie fest umklammert und bat: „Kannst du dich danach um sie kümmern?“
„Mach ich. Sie hat den Tisch gedeckt, du solltest frühstücken gehen! Ich geh schnell duschen und fahr dann in den Park. Dort müßte schon so einiges los sein. Ich nehme mein Handy mit, dann kannst du mich anrufen.“ Noch mal seelische Kraft spendend drückte ich seine Hand.
„Grüß die Truppe von mir und trink nicht so viel!“
Ich grinste, entzog ihm die Hand und verteidigte mich: „Ich bin mit dem Bike unterwegs.“
„Ich kenne dich, Großer. Das war noch nie ein Hindernis für dich.“ Lachend verzog ich mich ins Bad. Steffen kannte mich echt zu gut.

***

Es war etwa 15:00 Uhr. Ich saß mit Freunden auf einer Decke im Schatten eines Baumes und lauschte ihnen. Yai erzählte von seinem Urlaub in Spanien, Chit schwärmte von seiner neuen Flamme und Vieng erklärte, dass er demnächst ein neues Studium beginnen wollte.
Wieder holte ich mein Handy hervor, überprüfte, ob ich es wirklich eingeschaltet hatte, denn Steffen hatte sich noch nicht bei mir gemeldet und Tabtim machte sich auch rar. Nicht mal eine SMS hatte ich bekommen.
„Ist das nicht deine Cousine?“, erkundigte sich Yai plötzlich und deutete mit dem Kopf hinter mich. Ich drehte mich um, sah Tabtim, die ihren Blick suchend über die Köpfe der Leute schweifen ließ. Sie lächelte, doch das hatte nicht viel zu bedeuten.
„Tabtim!“, rief Yai.
Meine Cousine sah zu uns, näherte sich und nahm neben mir Platz, nachdem sie meine Freunde begrüßte. Sie lehnte sich an mich und zog meine Arme um sich.
„Willst du was trinken?“ Yai erhob sich, blickte auf die leeren Becher, grinste und verschwand ohne auf die Antwort zu warten, in Richtung eines Verkaufsstandes.
„Wo hast du deine andere Hälfte gelassen?“, wollte Chit von Tabtim wissen, worauf ich ihm einen bösen Blick zuwarf und ihn still aufforderte zu schweigen.
Tabtim blieb locker: „Zu Hause.“
„Willst du reden?“, flüsterte ich ihr ins Ohr, so leise, daß es wirklich nur sie verstehen konnte.
„Du hast es gewußt?“, fragte sie zurück.
Ich nickte. „Es tut mir leid.“
„Tim, Cola?“ Yai war unverhofft vor uns aufgetaucht, hielt meiner Cousine eine Dose hin und sie griff dankbar danach.
„Laß uns ein Stück spazieren gehen!“, forderte ich Tim auf. Ohne eine Antwort erhob sie sich, gab Yai die Dose zurück und entfernte sich langsam von unserer Decke.
„Paßt mal auf meine Sachen auf!“, bat ich meine Freunde und folgte Tabtim. Kaum das wir außer Sichtweite waren, warf sie sich an meinen Hals, barg ihren Kopf an meiner Brust und weinte. Ich ließ sie, stellte keine Fragen, sprach kein Wort, spendete ihr einfach Trost.
„Ich verstehe ihn nicht. Warum?“, schluchzte sie.
„Ich weiß es nicht.“ Fest zog ich sie an mich, strich ihr übers Haar und fühlte mich zerrissen. Ich stand zwischen Tabtim und Steffen. Beide fühlten sich mies und ich mußte beide trösten.
„Wer ist sie?“, erkundigte sich Tabtim.
„Wenn ich das wüßte.“ Wieso wußte ich nicht, was in Steffens Kopf vor sich ging? Das erste Mal seit wir uns kannten hatte er nichts über seine Gefühle erzählt, sondern sich vor mir verschlossen.
„Verdammt, Sai!“ Tabtim fluchte. „Ihr seid täglich zusammen. Niemand kennt ihn so gut wie du und du behauptest, du weißt es nicht.“ Wütend löste sie sich von mir und funkelte mich an.
„Tim, ich habe ihn mit keiner anderen Frau gesehen.“ Sanft legte ich meine Hände an ihre Taille und wollte sie an mich ziehen. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen mich und schlug meine Hände zur Seite.
„Wenn er es jemandem sagt, dann doch wohl dir!“ Tränen rannen ihre Wangen hinab. Verzweifelt fuhr ich mir durchs Haar. Es schmerzte mich, sie so zu sehen.
„Erst sprach er von einer Nancy, dann von Tam. Er widerspricht sich ständig. Und wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht daran, daß es eine von ihnen ist.“
„Aber wenn er keine Neue hat, wieso macht er dann mit mir Schluß?“ Sollte ich schon wieder antworten, ich weiß es nicht? Zu oft hatte sie die drei Worte von mir gehört und irgendwie fand ich, daß sie nicht mehr glaubwürdig klangen. So schwieg ich und senkte den Blick.
„Ich hätte nie herkommen dürfen“, fauchte Tim. „Ich geh zu deinen Eltern und morgen fliege ich nach Hause.“ Mit diesen Worten drehte sie sich und verschwand in Richtung U-Bahn. Ich hielt sie nicht auf. Sie wollte jetzt sicherlich allein sein.
Ich mußte mit Steffen reden, zog mein Handy hervor und rief ihn an, doch nur seine dämliche Mailbox redete mit mir.
„Verdammt!“, knirschte ich und klingelte bei mir an. Vielleicht war er ja noch in meiner Wohnung, aber dort begrüßte mich nur meine eigene Stimme. Irritiert ging ich zu meinen Freunden zurück, die in ein Kartenspiel vertieft waren.
„Wo ist Tim?“, fragte Yai, als er mich kommen sah.
„Zu meinen Eltern“, brummte ich, griff nach meinem Helm und der Motorradjacke. „Wir sehen uns.“
Yai, Chit und Vieng nickten mir zu, als ich ging. Ich mußte Steffen finden.

***

Spät am Abend kehrte ich im Restaurant meiner Eltern ein. Ich hatte Steffen nicht gefunden und ihn auch nicht erreicht. Sein Handy war noch immer abgeschaltet und seine Eltern schienen nicht zu Hause zu sein.
Mit einer höllischen Wut im Bauch stieß ich die Tür auf und blieb stehen, als ich Tim und Nuy an einem Tisch sitzen sah. Leise unterhielten sie sich.
Tim sah mich an, lächelte und fragte: „Hast du Steffen getroffen?“
„Ist er hier gewesen?“, fragte ich.
„Ja, eigentlich hättest du ihn noch sehen müssen. Er ist gerade erst gegangen.“ Verwirrt blickte ich auf sie. Nichts erinnerte mehr an die verzweifelte Frau von heute Nachmittag.
„Du siehst glücklich aus, Cousinchen“, stellte ich fest, zog mir einen Stuhl zurecht und nahm an ihrem Tisch Platz.
„Ich kann Steffen nicht böse sein, nun da ich weiß, was los ist.“ Ihr Blick fixierte mich, glitt über meinen Körper und dann nickte sie. Mir zuzwinkernd erhob sie sich und verschwand in der Küche.
Fragend sah ich zu Nuy, zog die Augenbrauen zusammen und hoffte auf eine Erklärung, doch er zuckte mit den Schultern und sagte: „Frag nicht mich. Ich bin auch gerade erst gekommen. Die beiden müssen den ganzen Abend hier verbracht haben.“
„Und?“, fragte ich, griff nach einem leeren Glas, goß mir etwas von dem Wasser ein, welches auf dem Tisch stand, nahm einen Schluck und klaubte eine Zigarette aus der Packung.
„Steffen ist gegangen, als ich gekommen bin. Sie haben sich umarmt und sie hat ihm viel Glück gewünscht, für was auch immer.“ Ich sah, wie Nuy jemanden zu sich winkte und schon war Lek bei uns, die meine Schicht übernommen hatte. „Bringst du mir bitte eine Eisschokolade!“
Die zierliche Thai nickte, sah mich fragend an und wartete darauf, daß auch ich etwas wollte. „Laß mal Lek, ich habe im Park gegessen“, log ich, denn ich verspürte weder Hunger noch Appetit. Eigentlich sollte Tim mit einem betrübten Gesicht hier sitzen und lustlos sein, doch den Part hatte wohl ich übernommen. Für mich stand eindeutig fest, daß hier etwas nicht stimmte.
Steffen benahm sich schon lange eigenartig und nun fing Tim auch noch an. Steffen schwieg, wie noch nie zuvor in seinem Leben und widersprach sich in einer Tour, je tiefer ich nachhakte. Was ich gar nicht verstand, war, daß er Tabtim eingeweiht hatte und nicht mich.
Gut, ich würde es erst mal dabei belassen. Es brachte nichts, weiter in der Wunde zu stochern, Steffen würde sich nur noch mehr vor mir verschließen und so wie ich meinen besten Freund kannte, hatte er sicherlich Tim das Versprechen abgenommen, mir nichts zu sagen.
„Will Tim morgen trotzdem fliegen?“, fragte ich.
Nuy runzelte die Stirn, schüttelte verständnislos den Kopf. „Sie wollte fliegen?“
„Ja.“ Ich sah zur Küchentür und überlegt ob ich Tim folgen, sie zur Rede stellen sollte. Ich ließ es bleiben. Sie würde nur denken, daß ich ihr nachspionierte.
„Sai, jetzt bist du dran mir etwas zu erklären. Das Stef und Tim Probleme haben weiß ich, doch was ist jetzt noch passiert?“ Nuy schaute mich an, sah dann aber auf, als Lek ihm das Eis vor die Nase stellte. Vorsichtig löffelte er die Sahne, behielt mich dabei im Blick.
„Ich versteh die beiden nicht mehr“, murmelte ich und erhob mich. Ich verspürte keine Lust mehr, über Steffen und Tabtim zu reden. Ich wollte jetzt nur noch nach Hause, die Tür hinter mir schließen und allein sein.
„Sag Tim, daß ich nach Hause gefahren bin!“, bat ich meinen Bruder. Nuy nickte, trank den Kakao mit einem Strohalm, und ich machte, daß ich wegkam.
Zu Hause angekommen warf ich mich aufs Sofa, schaltete den Fernseher ein und hoffte, daß mich das Fernsehprogramm ablenkte, doch ich täuschte mich. Meine Gedanken kreisten um Tabtim und Steffen. Irgend etwas an der Geschichte war faul, mehr als faul.
Wieso war meine Cousine plötzlich wieder glücklich, fast als wäre sie wieder mit Steffen zusammen, obwohl er Schluß gemacht hatte?
Mein Grübeln brachte einfach nichts. Steffen mußte endlich mit der Wahrheit rausrücken. Hoffentlich war der Kerl jetzt zu Hause. Ich drehte den Fernseher leise, griff nach dem Telefon, hielt es an mein linkes Ohr und rief bei ihm an. Wieder hatte ich seine Mutter an der Strippe.
„Kann ich bitte mit Steffen sprechen!“, bat ich und angelte mit der rechten Hand eine Zigarette aus der Schachtel.
„Ja, ich bringe dich hoch“, antwortete sie. Ich hörte, wie sie die Treppen hinauf stieg und mich fragte. „Wie geht es dir?“
„Gut.“ Ich klemmte die Kippe zwischen die Lippen.
„Du warst lange nicht mehr hier. Komm doch wieder mal zum Essen!“
„Gern.“ Nervös suchte ich in den Hosentaschen nach meinem Feuerzeug. Am anderen Ende der Leitung wurde an eine Tür geklopft und schon vernahm ich: „Steffen! Sai will mit dir reden.“ Ich verstand nicht, was Steffen antwortete und hatte endlich mein Zippo gefunden. Ich schnippte es auf und gab mir Feuer.
Es wurde ruhig. Steffens Mutter schien die Sprechmuschel zuzuhalten. Nach einer Weile sagte sie zu mir: „Er will nicht mit dir reden.“
Ich schluckte, zog hektisch an der Zigarette und bat: „Bitte Frau Niedzilski, es ist dringend!“
Wieder wurde es ruhig.
„Tut mir leid. Er reagiert nicht mehr.“
„Gut, sagen sie ihm, daß Tabtim morgen wieder fliegt“, sagte ich wütend und hörte wie seine Mutter schluckte. „Tim ist hier?“
„Ja.“ Ich lauschte.
„Steffen, ich soll dir sagen, das Tim morgen fliegt.“
Plötzlich vernahm ich Steffens Stimme. Er schrie: „Ich weiß. Ich habe mich schon von ihr verabschiedet.“
„Sai, es ist besser ich rede mal in Ruhe mit ihm“, sagte Frau Niedzilski zu mir.
„Danke.“ Ich legte auf, drückte die Zigarette aus und raufte mir die Haare. Dieser sture Bock! Dieser Typ machte mich wahnsinnig. Sein Verhalten war einfach nicht mehr normal. Das beste war wohl, wenn ich ihn erst mal in Ruhe ließ.

***

Der Kaffee vor meiner Nase war kalt geworden, die Zigarette im Aschenbecher verglüht, als ich aus meinen Gedanken aufschreckte.
Drei Wochen waren vergangen, seit Tabtim geflogen war. Seit drei Wochen ging mir Steffen aus dem Weg, meldete sich nicht bei mir und auf meine Anrufe reagierte er nicht. Von seiner Mutter wußte ich, daß er sich verleugnen ließ. Jede Nacht war ich im Club gewesen, in der Hoffnung, er würde dort aufkreuzen und ich endlich Antworten auf meine Fragen bekommen. Noch nie in unsere jahrelangen Freundschaft, hatte er sich so verhalten. Er war wie ein Fremder für mich, jemand, den ich gerade erst kennengelernt hatte und den ich nun versuchte, zu verstehen.
Sauer schob ich die Tasse von mir weg. Sie wackelte und braune Flüssigkeit schwappte über, benetzte den Tisch.
„Es reicht!“, fauchte ich. Jetzt mußte er mir Rede und Antwort stehen. Ich fuhr in meine Stiefel, schnappte mir Jacke und Helm und verließ fluchtartig die Wohnung.
Vor dem Grundstück seiner Eltern parkte ich, zog den Helm vom Kopf und atmete tief durch. Ich drückte das Gartentor auf und wurde stürmisch von Whiskey begrüßt.
„Na, alter Junge! Du hast mich wohl vermißt?“ Ich griff in das weiche Fell, kraulte den Hund und sah Frau Niedzilski winken, die an einem Beet hockte und Unkraut aus der Erde zog.
„Sai!“, rief sie und kam auf mich zu. „Traust du dich wirklich in die Höhle des Löwen?“
„Ja, ich muß endlich wissen, was geschehen ist.“ Ich lächelte Steffens Mutter an und fühlte ihre Hände, die nach meinen griffen. Sanft drückte sie mich und wünschte: „Viel Glück!“
„Danke, das kann ich gebrauchen.“ Sie ließ mich los und ich ging mit klopfendem Herzen ins Haus, stieg die Stufen hinauf und stand schnell vor Steffens Tür.
Ich hielt es für überflüssig, anzuklopfen - er würde mich nur nicht einlassen und so drückte ich die Klinke nach unten.
Langsam schwang die Tür auf. Steffen lag auf seinem Bett, trug nur Jeans und hielt die Augen geschlossen. Kopfhörer steckten in seinen Ohren. Die Musik drang bis zu mir. Tränen glitzerten auf seinen Wangen.
Leise und vorsichtig begab ich mich zu seiner Anlage, fand jedoch nicht den Mut sie einfach auszuschalten. Die Digitalanzeige sagte mir, daß das letzte Lied der CD spielte und die Zeitanzeige verriet mir, daß es noch mindestens zwei Minuten laufen würde.
Schnell verließ ich sein Zimmer wieder, schloß die Tür und lauschte. Ich wollte nicht, daß er wußte, daß ich ihn hatte weinen sehen. Was war nur mit ihm?
Es dauerte nicht lange und ich hörte, wie er sich erhob und klopfte nun doch an.
„Ja?“, vernahm ich seine Stimme und öffnete die Tür. Schweigend trat ich ein und gab der Tür einen Tritt, so das sie wieder ins Schloß fiel und sah Steffen einfach nur an.
Erschrocken schwankte er zurück, zog die Kopfhörer weg und lief rot an.
„Stef, warum weichst du mir aus?“, fragte ich, nahm keine Rücksicht auf seine, wie es aussah, leichte Panikattacke und blieb in der Tür stehen, näherte mich ihm nicht. „Wenn es wegen Tim ist, dann verstehe ich es nicht. Ich bin nicht böse auf dich, auch wenn du meiner Cousine das Herz gebrochen haben solltest.“
Steffen sah mich an, drehte mir dann den Rücken zu, ging zu seinem Fenster und setzte sich auf die breite Fensterbank. Er griff nach etwas und erst nach einer Weile registrierte ich, daß es Zigaretten waren. Steffen rauchte und sah auf den Garten hinab.
„Seit wann rauchst du wieder?“, fragte ich fassungslos.
„Schon eine Weile“, gab er mir zur Antwort.
„Ist es wegen Tim?“ Völlig überrascht lehnte ich mich gegen die Tür. Wieder wurde mir bewußt, wie sehr er sich verändert hatte.
Steffen sprang von seinem Sitzplatz und funkelte mich an. „Es hat nichts mit Tabtim zu tun!“ Seine Reaktion war heftig.
„Warum, zum Teufel, gehst du mir dann aus dem Weg?“ Ich näherte mich ihm um zwei Schritte und als ich sein Lächeln bemerkte, blieb ich stehen, wartete ab, was er tat.
Langsam kam er auf mich zu, blieb kurz vor mir stehen. Noch immer lächelte er. Unverwandt blickte er mich an, sah mir fest in die Augen. Ich konnte seinen Atem auf meiner Wange spüren. „Willst du es wirklich wissen?“
„Ja, verdammt...“ Wut stieg in mir auf. Ich verstand ihn nicht mehr. Sein Verhalten machte mich wahnsinnig.
„Gut.“ Seine Stimme klang rau und tief. In seinen Augen blitzte es kurz auf. Plötzlich fühlte ich seine Hände an meiner Brust, wurde zurückgetrieben, bis ich die Tür im Rücken spürte. Was hatte er vor?
Ich rührte mich nicht, blieb ruhig, zwang mich gleichmäßig zu atmen. Was auch immer jetzt auf mich zukam, ich würde versuchen mit ihm klar zu kommen. Ich sah ihn an und versuchte in seinem Gesicht zu lesen, was gerade in seinem Gehirn vor sich ging, doch sein Lächeln überschattete alle anderen Gefühle in ihm.
Seine Hände lösten sich von meiner Brust und stemmten sich beidseitig neben meinen Kopf. Sein Blick ließ mich nicht los. Ich wollte fragen, was das sollte, doch er überrumpelte mich, bevor ich zu meinem Satz ansetzten konnte. Plötzlich fühlte ich seine Lippen auf meinen. Panisch öffnete ich den Mund, wollte nach Luft schnappen, was er rigoros ausnutzte. Seine Zunge drang tief in meinen Mund ein und berührte meine.

Ein kurzes Ziehen in meinem Magen, dann war der Schockmoment vorbei. Ich wollte ihn wegschieben, doch seine Hände griffen nach meiner Taille, ließen mich nicht los. Mit aller Kraft zog er mich an sich, drängte sich an mich. Hart fühlte ich das Holz der Tür im Rücken, und seinen Körper an meinen. Mit einem unerwarteten Ruck zog er meine Hüfte an seinen Unterleib, wobei seine Zunge immer wieder meine umkreiste.
Ich fühlte mich beschissen. Es war einfach nur abscheulich und das Gefühl des Ekels nahm zu. Ich wußte nur eine Art, wie ich mich ihm entledigen konnte. Mit aller Wucht biß ich zu.
Gequält stöhnte Steffen auf, ließ von mir ab, trat einen Schritt zurück und sah mich an. Ich zitterte, meine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Heftig holte ich Luft, funkelte ihn an und wollte ihn anschreien, doch ich verstummte, als ich sein selbstgefälliges Lächeln sah. Mit dem rechten Handrücken fuhr er sich über den Mund. Blut zierte seine Hand, doch das Grinsen verschwand nicht von seinem Gesicht.
„Spinnst du?“, fragte ich außer mir, wobei ich mich auf eine neuerliche Attacke einstellte und die Hände zu Fäusten ballte.
„Nein“, leise sprach er. „Du wolltest doch wissen, warum ich dir aus dem Weg gehe. Jetzt weißt du es!“
Mir war, als hätte jemand meinen Körper in eiserne Ketten gelegt. Ich konnte mich nicht mehr rühren, zu tief saß der Schock durch seinen Übergriff. Gänsehaut überzog mich, ich fröstelte. Tief atmete ich durch, um das taube Gefühl aus meinem Leib zu verscheuchen.
Steffens Lächeln zerbrach. Er senkte den Kopf. Plötzlich wirkte er hilflos auf mich. Er schien selbst überrascht zu sein. Nervös fuhr er sich durchs Haar und drehte sich um, mir den Rücken zu. Mit schleppenden Schritten ging er zurück zum Fenster.
Mich interessierte nicht, wie er sich fühlte, unwichtig war, daß er rauchte. Alles war plötzlich egal, was ihn betraf. Ich wollte nur noch weg, raus aus diesem Zimmer, weg von meinem besten Freund. Kurz lachte ich auf. War er das überhaupt noch, mein bester Freund?
Als ich mich endlich wieder gefaßt hatte, wirbelte ich herum, riß die Türe auf und verließ fluchtartig das Zimmer. Hart schlug ich die Tür hinter mir zu und sprang die Stufen hinab, als wäre eine wilde Meute Hunde hinter mir her. Ich verzichtet auf den Weg durch den Garten, stürmte gleich aus der Haustür und stürzte zu meinem Bike.
Völlig außer Atem lehnte ich mich gegen die ‘CBR’, versuchte meine Gedanken zu ordnen und erschrak, als ich bemerkte, daß ich noch immer seine Lippen auf meinen fühlte, daß ich seinen Kuß noch immer schmeckte. Angewidert fuhr ich mir über die Lippen und spuckte auf das kleine Stück Rasen, das als Abtrennung zur nächsten Parklücke diente. Mich schüttelte es. Ich kämpfte nicht gegen die aufsteigend Wut in mir an. Was hatte der Mistkerl sich nur dabei gedacht?
Mit wütenden Bewegungen zog ich den Helm über und kickte den Seitenständer hoch, nachdem ich auf die Honda gestiegen war und gab Gas. Weg hier, nur weg!
Noch immer durch den Wind hielt ich vor dem Mietshaus in dem ich wohnte, stieg ab und rannte die Stufen hinauf. Wieder schlug ich eine Tür hinter mir zu. Mein Puls raste noch immer. Der, der... Ich fand keine Worte, um Steffen zu beschreiben. Ich fand keine Erklärung, warum er das getan hatte, wollte ihn auch nicht verstehen. Mir reichte, was er getan hatte, und wie er es getan hatte, um die Freundschaft zu kappen.
Nie im Leben hatte ich damit gerechnet, daß mein bester Freund auf mich scharf sein könnte.
Ich mußte endlich gegen das scheußliche Gefühl in mir angehen und lief in die Küche, um mir ein Bier aus dem Kühlschrank zu nehmen. Ich stürzte das helle Gebräu runter, hustete und rülpste. Mit zittrigen Fingern suchte ich nach meiner Zigarettenschachtel. Sie entglitt meinen Fingern. Ich fluchte, schaffte es dann aber, mir einen Glimmstängel zwischen die Lippen zu klemmen und anzuzünden. Mit einer schottischen Whisky-Flasche verzog ich mich ins Wohnzimmer. Das mußte ich erst mal verarbeiten.
Der Gedanke, die Erinnerung ließ mich nicht los, egal, wie viel ich von dem Whisky trank. Ich mußte mit jemandem darüber reden, doch mit wem?
Mir fielen Benny und Yo ein. Wenn mir jemand etwas dazu sagen konnte, dann die beiden. Ich hatte mich zum Glück mit Yo ein wenig angefreundet, so daß ich kein Problem darin sah, zu ihm zu fahren.
Ich griff zum Telefon, rief im ‘River-Mekhong’ an und ließ mir Benny geben. Verzweifelt fragte ich, ob Yo da sei, doch Benny verneinte, meinte, daß sein Freund zu Hause ist. Ich bedankte mich, rief mir ein Taxi, ließ mich vor Yos Haus absetzen und klingelte. Ein: „Hallo“, drang aus der Sprechanlage.
„Hier ist Sai“, sagte ich.
„Komm rauf!“ Der Summer ertönte. Ich drückte die Hausür nach innen und stieg die Stufen hinauf. Im letzten Stockwerk war die Tür nur angelehnt. Ich klopfte an und auf das leise: „Komm rein!“, schob ich die Tür auf. Es war dunkel in dem Atelier, in dem Yo und Benny wohnten. Nur das flackernde Licht einer Kerze und des Fernsehers ließen mich die Wände und Möbel erahnen.
Ich erkannte die Statur von Yo, der auf dem Sofa saß und mich anblickte. Es wurde heller, als er eine kleine Lampe neben sich anschaltete. Er sagte kein Wort, nickte mir nur zu und wartete ab, was ich wollte.
„Kann ich mit dir reden?“, fragte ich, wobei ich nun die Auswirkungen des Whiskys zu spüren bekam. Meine Knie waren schwer, mein Blickfeld beeinträchtigt.
„Setz dich!“ Yo nickte neben sich. Ich war erstaunt über seine Ausstrahlung. So ganz ohne Benny oder Tam an seiner Seite wirkte er in sich gekehrt und ich konnte die Mauer, die er als Schutz um sich gezogen hatte, fast sehen. Da war plötzlich nichts mehr von dem starken Mann zu spüren, den er sonst verkörperte. Eher wirkte er ängstlich, lauernd und zum Sprung bereit.
Er nahm sich sein Zigarettenpäckchen, bot mir eine Kippe an und fragte: „Was willst du besprechen?“
Dankbar griff ich nach einem Glimmstängel, ließ mich auf einem Sessel nieder und warf einen Blick auf die Flimmerkiste, in der irgend ein Actionfilm lief. „Es geht um...“ Ich schaffte es nicht, meinen Satz zu Ende zu formulieren. In letzter Zeit war das Thema Homosexualität für meinen Geschmack zu oft besprochen worden.
„Steffen hat es dir gesagt?“ Ich riß die Augen auf. Yo wußte davon? Wer zum Teufel wußte noch alles davon? Wen hatte Steffen noch eingeweiht, und das, bevor er es mir gegenüber gezeigt hatte? Ich beschloß, die Tatsache erst mal hinzunehmen. Ich mußte Yo ja nicht merken lassen, daß ich mehr als erstaunt darüber war, daß er Bescheid wußte und senkte den Blick. „Nein, nicht direkt. Er hat es mir wohl eher gezeigt und zu spüren gegeben.“ Warum sprach ich eigentlich mit Yo darüber? War das nicht eine Sache zwischen Steffen und mir?
„Sai, wenn du nichts, wirklich nichts von ihm willst, dann mach es ihm begreiflich.“ Yo unterbrach mich in meinem Zweifel.
„Er weiß es“, murmelte ich.
Yo erhob sich, warf kurz noch einen Blick auf mich, bevor er im hinteren Teil seiner Wohnung verschwand und mit zwei gefüllten Whiskygläsern wieder auftauchte.
„Wie war das bei Benny und dir?“, fragte ich, neugierig darauf, wie es bei ihnen begonnen hatte.
Er antwortete mir nicht sofort, erst reichte er mir ein Glas, schaltete den Fernseher aus, setzte sich wieder hin und räusperte sich, bevor er sagte: „Benny und ich...“ Seine Augen leuchteten und ich erkannte in ihnen, wieviel er für Benny fühlte.
Yo trank noch einen Schluck, dann lauschte ich seinen Worten: „Ich lernte Benny kennen, als ich mit dem Bike stürzte. Er hat sich nach dem Unfall um mich gekümmert. Wir freundeten uns an, verbrachten viel Zeit zusammen.“ Yo nahm sich noch eine Kippe und lenkte von Benny und sich ab. „Wie lange seit ihr befreundet?“
„Ich kenne Steffen seit fast zwanzig Jahren“, sagte ich ehrlich.
Leise pfiff Bennys Freund durch die Zähne. „Kannst du dir vorstellen, daß Steffen mehr in dir sieht, als nur einen Freund?“
„Worauf willst du hinaus?“, fragte ich, da ich keine Ahnung hatte, was Yo jetzt von mir wollte.
Er zuckte nur mit den Schultern. „Ich merkte sehr zeitig, daß ich in Benny mehr sah. Ich wußte, daß ich ihn liebte, doch gestand ich es mir nicht ein. Ihm ging es genauso, doch er sprang über seinen Schatten und küßte mich. Danach habe ich ähnlich reagiert wie du.“
„Was hast du getan?“
Yo lehnte sich zurück. „Ich habe den Kontakt zu ihm abgebrochen, bis ich merkte, wie sehr er mir fehlte, daß ich ständig an ihn denken mußte, daß ich ihn brauchte.“
„Bereust du es?“ Ich ließ Yo nicht aus dem Blick. Seine Augen strahlten und sein Mund war zu einem Lächeln verzogen.
„Nein. Er ist das Wichtigste, das ich habe. Ohne ihn wäre mein Leben ohne Freude, ohne Sinn und einfach nur schrecklich einsam. Ich liebe ihn und ich stehe dazu.“
Ich nickte, obwohl ich nicht verstand, was er damit meinte. Ich war immer nur froh, wenn ich allein sein konnte und keine nervenden Frauen um mich hatte, die ständig beachtet werden, Sex haben und wie eine Königin behandelt werden wollten. „Ich kenne das Gefühl der Liebe nicht“, murmelte ich. Ich wußte, daß ich von keiner Frau mehr als Sex wollte. Geliebt hatte ich bisher keine.
„Ich kannte die Liebe auch nicht, bis ich Benny traf.“
Ich schwieg, fragte mich, warum ich so offen war, und was ich eigentlich hier wollte, doch der Alkohol in meinem Blut machte es mir fast unmöglich, logisch darüber nachzudenken.
„Was bedeutet dir Steffen?“
Yo hatte meinem empfindlichsten Punkt getroffen. „Ich weiß es nicht mehr. Heute Morgen war er für mich noch der beste Freund und jetzt...“ Ich unterbrach mich kurz, sammelte mich. „Oh, man, ich habe keine Ahnung.“
Ich erhob mich, schritt zu der offenen Küche, drehte mich wieder um und ging zurück. Das Spiel wiederholte ich, während ich sprach: „Neun Jahre war er mit meiner Cousine zusammen und ich war mir sicher, daß die beiden mal heiraten.“ Ich war völlig durcheinander.
Yo lachte leise. „Benny war auch vier Jahre mit einer Frau zusammen. Ich glaube, das hat nicht viel zu bedeuten. Wenn man sich verliebt, kann man nicht mehr viel tun, außer zu versuchen, daß Objekt seiner Begierde zu bekommen, egal welche Mittel es verlangt.“
Ich schluckte, stoppte meinen Lauf und sah fragend zu Yo. „Was willst du mir damit sagen?“
„Wenn Steffen dich, also dein Ich, wirklich liebt, dann wird er um dich kämpfen.“
Mit den Händen fuhr ich mir übers Gesicht, warf einen Blick an die Decke und fauchte: „Scheiße!“ Schnell war ich wieder bei dem Sofa, griff nach meinem Whisky und kippte ihn hinunter.
„Ist der Gedanke, daß er dich liebt, so schlimm?“
Ich lachte auf. „Was denkst du denn? Soll ich Purzelbäume vor Freude schlagen, weil mein bester Freund mich fi...“ Mich schüttelte es.
„Mit dir schlafen will?“, vollendete Yo.
„Ja, verdammt!“ Ich war auf einhundertundachtzig, entdeckte zum Glück einen Sandsack in der Wohnung und kickte kräftig dagegen.
„Glaubst du wirklich, daß Steffen schon daran denkt?“ Yo stand auf, näherte sich mir und griff nach dem Trainingsgerät, hielt es fest.
„Der... Auf alle Fälle. Ich hätte es schon merken sollen, als er das erste Mal auf das Thema zu sprechen kam.“ Ich drosch auf den Sandsack ein und bemerkte, daß ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht Steffen, Stef oder Kleiner gesagt hatte, sondern ihn wie einen ungewollten Gegenstand titulierte.
„Er hat mit dir darüber gesprochen?“ Yo griff den Sandsack fester.
„Ja, nachdem wir euch kennenlernten, hat er mich in ein Gespräch über Homosexualität verwickelt.“ Meine Tritte wurden derber, getrieben von meiner Wut.
„Was hat er genau gesagt?“
„Er hat gefragt, wie wohl euer Sex ist? Wie eure Liebe ist?“ Mit einem lauten Schrei vollführte ich einen Halbkreistritt, trat gegen den Sack und sah, daß Yo Probleme hatte, den Sandsack zu halten.
„Das wollte er wissen?“
„Ja.“ Ich ließ von dem Trainingsgerät ab und atmete gleichmäßig tief durch, um meinen Körper zu beruhigen. Schweiß lief mir übers Gesicht, brannte in den Augen. Ich zwinkerte, wischte die salzige Flüssigkeit von der Stirn und lachte.
„Was ist so lustig?“ Yo griff nach einem Handtuch, das über dem Fitnessgerät hing und reichte es mir.
„Für mich war das Gespräch rein hypothetisch, doch für ihn war es purer Ernst und ich habe es nicht bemerkt.“ Dankbar nahm ich Yo das Tuch ab und trocknete mein Gesicht damit.
„Eins solltest du wissen, Sai.“ Yo ließ sich auf den Boden nieder, schlug die Beine unter und fuhr fort: „Für Benny und mich steht Sex nicht an erster Stelle.“
Ich sah auf Yo hinab. „Willst du auch eine rauchen?“
„Ja.“
Ich ging zu dem kleinen Glastisch, griff nach Zigaretten, Aschenbecher und Feuerzeug. Mit den Raucherutensilien kehrte ich zu Yo zurück und nahm neben ihm Platz. Schweigend rauchten wir, bis er die Stille brach. „Benny und ich sind füreinander da. Es ist ein schönes Gefühl jemandem so nah zu sein. Für uns ist Vertrauen sehr wichtig. Es ist einfach schön, wenn man sich bei jemandem anlehnen kann, wenn sich jemand um dich sorgt, dich eben einfach liebt. Benny ist ein zärtlicher Mann. Es tut gut, in seinen Armen zu liegen und zu entspannen.“ Yo rauchte und erst als er die Zigarette ausdrückte sprach er weiter: „Mich an ihn zu kuscheln, seine Wärme fühlen...“
Yos Worte riefen Erinnerungen hervor - Szenen in denen ich Steffen nah gewesen war. Ich fühlte seine Hand, die sich mit meiner verschränkte und sah Steffens Gesicht ganz nah vor mir - blaue Augen, die schalkhaft glitzerten, dann zu tiefen dunklen Seen wurden und melancholisch blickten.
Am stärksten war die Erinnerung an die Nacht, in der ich ihn an mich gezogen hatte, um ihm Trost zu spenden. Jetzt wußte ich auch, warum er weinte, als Tabtim in seinen Armen lag. Er liebte mich, nicht sie und ich war in dem Moment nicht weiter als zwanzig Zentimeter von ihm entfernt gewesen.
„... einfach mit ihm reden, über Probleme, die Welt, die Liebe und Freunde.“ Ich tauchte aus meinem Nebel wieder auf, hörte noch Yos letzten Satz.
„Wie beste Freunde?“, fragte ich.
„Ja, nur eben etwas mehr.“ Yo richtete sich auf und holte den Whisky. Er verzichtete auf ein Glas, trank direkt aus der Flasche und reichte sie an mich weiter. Er lachte: „Du solltest nicht denken, daß Benny und ich es jeden Abend treiben.“
Was tat ich hier nur? Ich saß hier mit einem eigentlich fremden Mann und plauderte mit ihm über Sex und Liebe, so als würden wir die besten Freunde sein. Und, obwohl wir uns kaum kannten, vertraute ich ihm. Dankbar, daß ich die Flasche in den Händen hielt, trank ich.
„Yo, ich...“ Verdammt, ich war völlig aus der Bahn geworfen. Meine Gedanken überschlugen sich. Yo hatte offen zugegeben, daß er mit Benny schlief und ich wußte nicht, wie ich darauf reagieren sollte.
„Sag nichts! Ich kann mir denken, was dir durch den Kopf geht. Aber glaub mir, ich tue es gern und es ist nichts ekliges daran.“ Eine Hand legte sich auf meine Schulter und drückte sie leicht. „Schlaf erst mal und denk morgen darüber nach, wenn du wieder nüchtern bist!“
Ich nickte, sah zu ihm auf und nahm noch einen Schluck.
„Du kannst hier schlafen, wenn du willst.“
Ich sah mich um und entdeckte nur das große, bequeme Bett. „Nein, ich ruf mir ein Taxi“, wiegelte ich ab.
Yo schien meinen skeptischen Blick gesehen zu haben, denn er lachte auf. „Keine Sorge, wir haben eine Gästematratze. Du mußt nicht mit mir auf dem Bett schlafen. Außerdem würde Benny mir den Kopf abreißen, wenn er uns zusammen unter einer Decke erwischen würde.“ Yo entfernte sich von mir, ging zu der Matratze und bat: „Hilf mir mal!“
Nur mühsam kam ich auf die Beine. Mir drehte es. Aber ich schaffte es und half ihm. Yo kramte Bettzeug für mich aus dem Schrank und warf es mir zu.
Müde kroch ich unter die Decke, wünschte gute Nacht und schlief ein, noch während Yo sich im Bad befand.

Es war ruhig und hell. Benommen öffnete ich die Augen. Wo war ich? Das war nicht mein Schlafzimmer. Nur langsam kam die Erinnerung an den Abend, die Nacht. Ich war zu Yo gefahren, um mit ihm zu reden.
Steffen... - seine Lippen. Wieder fühlte ich sie, warm und weich. Der Schock war verklungen, nun fühlte ich mich durch seinen Kuß sogar geschmeichelt.
Müde, mit einem schweren Kopf, sah ich mich um, auf Yo und Benny, die nicht weit von mir, auf ihrem Bett lagen, eng aneinander geschmiegt. Yos Kopf ruhte auf Bennys Bauch. Wo seine Hände waren sah ich nicht, sie verschwanden unter der Decke. Beide waren sie bis zur Hüfte zugedeckt. Ich konnte nur ahnen, wo Yo Benny berührte. Benny hatte den linken Arm unter seinem Kopf, die rechte Hand lag auf Yos Schulter.
Ich lächelte. Steffen und auch Yo hatten Recht. Es schien nichts verwerfliches an der Liebe zwischen Männern zu sein. Die beiden wirkten glücklich auf mich und ich konnte mich kaum von dem friedlichen Anblick lösen, beobachtete weiter und sah, wie mein Landsmann sich rührte, seine Stellung änderte. Mit einem leisen Seufzen rutschte er nach oben, bettete seinen Kopf nun auf Bennys Brust, legte eine Hand auf seinen Bauch und streichelte ihn leicht.
Ich hielt die Luft an. Gerade wurde ich Zeuge von Zärtlichkeiten zwischen Männern.
Benny blieb ruhig, nur seine Hand fuhr in das lange Haar von Yo, der noch immer kleine Kreise auf Bennys Haut zeichnete, bis die Hand unter der Decke verschwand. Leise stöhnte Benny auf. Ich sah noch, wie er sein Becken anhob, dann schloß ich rasch die Augen und stellte mich schlafend.
„Yo, Sai ist hier!“, hörte ich Benny.
„Na und, er schläft“, antwortete Yo.
„Yo, bitte!“ Bennys Stimme zitterte. Es fiel ihm schwer, die zwei Worte auszusprechen.
Ohje, was sollte ich jetzt tun? Fest hielt ich meine Augen zu, betete, daß Yo nicht gerade jetzt über Benny herfiel und atmete innerlich auf, als ich hörte, wie sich jemand erhob.
„Benny, komm wieder her!“
„Ich geh duschen.“ Eine Tür wurde leise geschlossen. Ich hatte echt mehr Glück als Verstand, doch ich rührte mich noch immer nicht.
„Sai!“ Eine Hand legte sich auf meine Schulter. „Sai?“
„Hmm?“, brummelte ich und drehte mich auf die andere Seite.
„Willst du auch einen Kaffee?“
Nun öffnete ich doch die Augen, sah Yo an und nickte. „Wie spät ist es?“, erkundigte ich mich.
„Kurz nach sechzehn Uhr.“ Yo griff nach seiner Jeans, zog sie über und ging zu der offenen Küche um die Kaffeemaschine anzuwerfen.
„Wie geht’s dir denn?“, fragte er, während er Wasser in die Maschine füllte.
„Ganz gut.“ Ich richtete mich auf, schob die Decke zur Seite und dachte an Steffen. Was er gerade tat?
„Willst du mit essen? Benny kocht verdammt gut.“
„Ja, warum nicht?“ Ich ging zu ihm, suchte drei Tassen im Schrank und stellte sie auf die Anrichte.
„Bist du immer noch wütend auf Steffen?“ Mit festem Blick sah er mich an.
„Nein, ich habe sogar gerade an ihn denken müssen“, gab ich ehrlich zu.
„Dann hat unser Gespräch doch was gebracht“, lächelte Yo.
„Ja“, murmelte ich, als er zu seinem Schrank ging, die Tür öffnete und mir ein weißes T-Shirt zuwarf. „Hier, das müßte dir auch passen.“
„Danke.“ Ich zog es über.
Benny kam aus dem Bad, blieb vor mir stehen und grinste: „Na, wieder unter den Lebenden?“, bevor er zu seinem Freund ging und ihm einen Kuß auf die Lippen hauchte.
Respektvoll wollte ich mich ins Bad verziehen, doch Benny warf mir eine verpackte Zahnbürste zu und Yo rief: „Du kannst meine Haarwäsche benutzen. Die Bürste liegt in dem Schränkchen neben der Waschmaschine.“
Ich sah wieder zu Yo, der Benny an sich gezogen und die Arme um dessen Taille schlang.
„Danke.“ Ich spürte, wie ich rot anlief und schloß schnell die Tür zum Bad hinter mir.
Als ich endlich unter dem warmen Wasserstrahl der Brause stand, dachte ich wieder an Steffen, erinnerte mich an die Nacht, als ich ihn an mich gezogen hatte. Es war für mich selbstverständlich gewesen, daß ich ihm Trost spendete, und als ich jetzt darüber nachdachte, wurde mir klar, daß nichts schlimmes an der Sache gewesen war. Ich hatte ihn einfach nur festgehalten, ihm durchs Haar gestreichelt. Was anderes taten Benny und Yo auch nicht. Sie gaben sich einfach nur Halt und Wärme.
Ich mochte Steffen mehr als jeden anderen auf dieser Welt. Er war mir über die Jahre ans Herz gewachsen, und bis gestern konnte ich mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen - doch, wie sollte es nun weitergehen? Ich konnte über seine Gefühle für mich nicht hinwegsehen - ich fand, sie waren einfach nur falsch, sie würden unserer Freundschaft im Weg stehen.
Wie sollte ich mich nun ihm gegenüber verhalten? Ich konnte den Kuß nicht vergessen. Steffen hatte mit ihm etwas in mir zerstört, mein Vertrauen mißbraucht. Steffen war für mich plötzlich nichts anderes als all die Frauen, die ich hatte. Sobald sie mehr wollten als nur die eine Nacht, fühlte ich mich eingeengt, in ein Leben gepreßt, das ich nicht wollte, und so stieß ich sie von mir. Natürlich sehnte auch ich mich nach Geborgenheit und Liebe, doch niemand war für mich bisher so wichtig gewesen, daß ich mir eine gemeinsame Zukunft hätte vorstellen können. Jetzt sah es so aus, als würde Steffen das selbe Schicksal ereilen.
Ich lächelte, als ich an Benny und Yo dachte, bei denen ich unter der Dusche stand. Sie schienen beide den Partner fürs Leben gefunden zu haben. Die große Frage für mich war, wo versteckte sich die Frau für mein Leben?
Ich verdrängte die Gedanken, griff nach dem Schampo und wusch mir die Haare. Meine Lebensgeister erwachten wieder und das warme Wasser vertrieb die Lethargie aus meinem Körper. Mit neu gesammelten Kräften konnte ich kurze Zeit später das Bad verlassen.
Benny und Yo saßen auf ihrem Sofa, tranken Kaffe und Yo rauchte in Ruhe. Ich ließ mich neben ihnen nieder, warf einen Blick auf Benny, dessen Hand auf Yos Oberschenkel lag diesen leicht streichelte. Die beiden waren glücklich - sie strahlten ein Gefühl der Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Man sah ihnen an, wieviel sie sich gegenseitig bedeuteten und ich konnte nichts gegen den Gedanken tun, daß sie gut zusammen paßten und es traurig wäre, wenn sie sich trennen würden.
Während ich nachdachte, nahm ich mir Kaffee und eine Zigarette. Erst als Benny leise aufstöhnte: „Oh, weh, zwei Raucher!“, fand ich zurück in die Realität.
„Sai und ich sind uns nicht nur äußerlich ähnlich“, lächelte Yo Benny an und nahm wie zur Beruhigung dessen Hand, hielt sie fest.

***

Jeden Abend, wenn ich von Arbeit kam, hatte ich einen Anruf von Steffen auf meinem Anrufbeantworter. Ich ahnte warum er immer erst nach zwanzig Uhr anrief. Er wußte genau, daß ich mich um diese Zeit im Restaurant befand. Für mich war klar, daß er mich nicht wirklich sprechen wollte.
Auch heute zeigte mein Anrufbeantworter einen Anruf in Abwesenheit an. Was wollte er mir diesmal mitteilen?
Müde von meiner Doppelschicht, die ich freiwillig schob, drückte ich auf den Wiedergabeknopf. „Piep... Sai, ich hoffe, es geht dir gut. Leider habe ich seit zwei Wochen kein Lebenszeichen von dir bekommen. Steffen.“
Es tat mir weh. Steffen schien unter meiner Nichtbeachtung schrecklich zu leiden, doch eine Stimme in mir sagte, daß ich richtig handelte. Verflixt noch mal, es mußte doch einen Ausweg aus dieser Situation geben.
Ich schaffte es nicht mehr, darüber nachzudenken, mein Körper war ausgelaugt, fix und fertig und ich war viel zu müde, um mir über Steffens Gefühle für mich den Kopf zu zerbrechen.
Ich verzog mich in die Wohnstube, ließ mich auf die Couch fallen und vom Fernseher berieseln.
Wann ich eingenickt war vermochte ich nicht zu sagen, als ich völlig verschwitzt aus meinem Traum erwachte. Die Flimmerkiste lief noch immer, helles Licht fiel in das Zimmer und auf mich. Tief holte ich Luft und versuchte die Traumbilder zu verscheuchen. Steffen, ich hatte von ihm geträumt, davon, wie nah er mir stand. In diesem Traum allerdings war ich ihm noch näher gewesen, intimer, fast so, als wäre es wirklich geschehen.
Seine Lippen, seine Hände überall auf meinem Körper. Jeden Zentimeter meiner Haut hatte er berührt und ich war nicht in der Lage gewesen mich zu wehren. Ich hatte mich ihm einfach hingegeben, seine Zärtlichkeiten genossen.
„Warum träum ich so was?“, fragte ich fassungslos und richtete mich auf. Noch immer trug ich die Sachen vom Vortag und als ich mich regte, spürte ich, daß nicht nur mein T-Shirt naß war.
„Oh, Scheiße.“ Mit einem Schlag wurde mir bewußt, daß ich während ich schlief gekommen war. „Das gibt’s ja wohl nicht!“
Die Jeans klebte im Schritt. Verstört und fassungslos griff ich nach den Zigaretten, die auf dem kleinen Couchtisch lagen. Mein Körper hatte mich verraten.
Nach nur zwei Zügen drückte ich die Kippe aus und verschwand im Bad. Ich mußte die Schweinerei von meinem Körper waschen. Ich fühlte mich unwohl, einfach nur dreckig, obwohl es meine Körperflüssigkeiten waren. Aber allein der Gedanke daran, wodurch ich gekommen war, schüttelte mich.
Die Dusche tat gut und wusch den Schweiß von meiner Haut, aber nicht die Erinnerungen an den Traum, der so unwahrscheinlich intensiv gewesen war. Wie ein Film lief er nochmals vor meinen Augen ab und ich konnte tun was ich wollte, ich wurde die Bilder nicht los.
Steffen hatte mich geküßt, nicht so stürmisch und hart wie vor zwei Wochen, eher spielerisch, verführerisch, lockte mich damit aus der Reserve und ich war in das Spiel seiner Zunge eingestiegen. Seine Hände hatten mich langsam aus den Sachen geschält, meine Haut berührt, mich gestreichelt, mich befriedigt.
Die Bilder der Nacht, hatten den realen Geschmack an Steffens Kuß wieder in mir hochgespült. Deutlich spürte ich seine Lippen auf den meinen, seine Zunge in meinem Mund und seine Hände an meiner Taille, die mich noch enger an ihn gezogen hatten.
„Scheiße, ich muß mit ihm reden!“ Mit diesen Worten stürmte ich aus der Dusche, trocknete mich nur grob ab und schlüpfte in frische Bekleidung. Schnell saß ich auf meinem Bike und war auf dem Weg zu Steffen. Das meine Haare noch feucht waren, störte mich nicht im Geringsten.
Nach etwa zehn Minuten Fahrt bog ich in die Straße ein, in der er wohnte, und drosselte das Tempo. Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher und bremste. Ich wägte das Für und Wider ab. Ich wußte, daß ich Steffen sehen und erfahren wollte, wie es ihm ging. Er war mein bester Freund und ich ihm eine Reaktion schuldig. Tief in mir kämpfte etwas gegen meine Courage an. Wie sollte ich mich ihm gegenüber verhalten? Ich konnte ja nicht einfach so tun, als hätte er mich nie geküßt.
Hart schlug ich mit den Fäusten auf den Tank meiner Honda. Ich mußte mit ihm reden. So konnte es auf alle Fälle nicht weitergehen. Es wurde Zeit, daß ich darüber sprach, mit ihm, denn er war das Übel für meine Unsicherheit, meine Angst und meine schlaflosen Nächte und die unangenehmen Gefühle. Also, Augen zu und durch.
Mit neu geschöpftem Mut fuhr ich an, kam jedoch kurz darauf wieder zum Stehen, als ich meinen sah. Er stützte sich mit den Händen gegen einen Gartenzaun. Ich sah, wie er schwer atmete. Sein Gesicht verzog sich, als er sich wegstemmte und einen Fuß vorsetzte. Er schien Kopfschmerzen zu haben. Ich sah noch, wie er sich gegen die Schläfen griff, und dann sackte er zusammen. Wie in einem Replay gaben die Beine unter ihm nach. Hart schlug er auf den Beton auf. Ich sprang von meiner ‘Honda’ und rannte auf ihn zu.
„Steffen?“, rief ich. Angst stieg in mir auf. Schnell war ich bei ihm, kniete mich neben ihn und bettete seinen Kopf auf meinen Schoß.
„Stef!“ Sanft fuhr ich ihm über die Stirn. Sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig.
„Stef!“, wieder flüsterte ich seinen Namen.
„Sag was, Kleiner!“ Mein Magen verkrampfte sich, hart schlug das Herz in meiner Brust. Ich schloß die Augen, sendete ein stummes Gebet aus und überlegte fieberhaft, was ich tun konnte.
„Sai?“ Es war nur ein leises Raunen.
„Ich bin hier.“ Ich sah auf Steffen und erkannte, daß er mich anblickte. Seine blauen Augen trafen mich. „Komm, ich helfe dir hoch.“ Ich erhob mich und versuchte ihn mitzuziehen, was nicht einfach war. Er war zwar drei Zentimeter kleiner als ich, wog aber mindestens zehn Kilo mehr. Doch ich schaffte es, ihn auf die Beine zu bekommen. Ich zog seinen linken Arm um meine Schulter und schlang den rechten Arm um seine Taille, um ihm Halt zu geben, ihn zu stützen. „Ich bringe dich nach Hause.“
„Danke.“ Es fiel ihm schwer, zu reden. „Mein Kopf.“
„Wieder unverhofft?“, fragte ich. Steffen nickte gegen meine Schulter.
„Wir sind gleich da.“ Es war nicht leicht, ihn vorwärts zu bewegen, aber wir erreichten das Haus seiner Eltern ohne große Schwierigkeiten. Ich griff ihn fester unter, als ich spürte, wie er mir zu entgleiten drohte.
„Wo ist dein Schlüssel?“
„Hosentasche.“ Gequält stöhnte Steffen auf.
Ich lehnte ihn gegen die Mauer, fuhr mit der linken Hand in seine Hosentasche, zog den Schlüssel hervor und schloß auf, wobei ich meinen Freund mit der anderen Hand abstützte.
„Komm, aufs Sofa!“ Ich zog ihn mit, ließ ihn auf die Ledercouch niedersinken und verschwand im Bad.
Ich hörte ihn stöhnen, als ich in dem kleinen Spiegelschrank über dem Waschbecken nach seinen Migränetabletten suchte. Endlich wurde ich fündig - Sumatriptan.
Ich drückte zwei Tabletten aus der Packung und ging zu Steffen zurück, nachdem ich ein Glas mit stillem Wasser gefüllt hatte.
„Hier, nimm!“ Ich reichte ihm die Pillen.
Nur mühsam kam Steffen aus seiner Lage hoch. Ich half ihm sich aufzusetzen. Angewidert nahm er die Medizin, schluckte sie und spülte mit Wasser nach.
„Bleibst du bei mir?“, fragte er leise, während er sich zurück lehnte.
„Ja, versuch jetzt zu schlafen!“ Ich griff nach seiner Hand, drückte sie leicht, bevor ich mich an seinen Kopf setzte und diesen auf meine Oberschenkel bettete. Sacht fuhr ich ihm durch das wirre, blonde Haar.
„Sai, es tut mir leid.“
„Pscht, sprich nicht!“ Er nickte, schloß die Augen und kuschelte sich an mich.
Es war schon eigenartig. Mir war plötzlich vollkommen egal, was er getan hatte. Wichtig war jetzt nur, daß er wieder auf die Beine kam. Es tat gut, ihn so nah zu fühlen, seinen Kopf auf meinem Schoß, die Wärme seines Körpers. Wieso war ich ihm zwei Wochen aus dem Weg gegangen?
Erst nach einer ganzen Weile merkte ich, daß ich ihm noch immer vorsichtig übers Haar strich, daß ich ihn noch immer ansah und erinnerte mich an meinen Traum. Weiche Lippen, die meine berührten, kräftige Finger, die meine Haut streichelten.
Ich sah auf Steffens Mund, ließ meinen Blick zu seinen Händen gleiten und fragte mich, wie sie sich wohl auf meinem Körper anfühlen würden. Mir wurde heiß bei dem Gedanken daran, wie Steffen mich streicheln und liebkosen würde. Schon wieder waren sie da, die Gedanken an Zärtlichkeiten mit ihm, aus denen ich gerissen wurde, als er hochfuhr und in Richtung Bad stolperte.
„Steff?“ Ich eilte ihm nach, blieb kurz in der Badtür stehen, um die Situation zu erfassen und hockte mich dann hinter ihn, als er sich über die geöffnete Toilettenschüssel beugte.
Ich umarmte ihn von hinten, als er schwankte und beinah vorn übergekippt wäre. Er hatte Mühe, sich gerade zu halten, während er sich übergab. Ich drehte den Kopf zur Seite, sah ihm nicht dabei zu.
Seine Brechreize verhallten. Ich half ihm hoch und stützte ihn weiter, auch als er sich den Mund ausspülte. Wie ein alter Mann schwankte er zum Sofa. Er ließ sich fallen, stöhnte tief auf und griff sich an die Schläfen. Die Tabletten würden nun nicht mehr wirken können.
Konnte ich ihm jetzt helfen? Ich sah auf die Couch, auf Steffen und drehte das Fußteil so, daß auch ich noch Platz hatte, um mich hinlegen zu können. Ich setzte mich neben ihn, zog die Beine hoch und machte mich lang.
„Komm her, Kleiner!“, flüsterte ich, erstaunt über meinen Mut.
Erst sah er mich ungläubig an, doch dann schmiegte er sich an mich und sagte: „Ich fühle mich Scheiße.“
Ich zog ihn näher an mich, legte einen Arm um seine Hüfte und murmelte: „Das wird wieder. Schlaf jetzt!“
„Hmm.“ Steffen drehte sich in meinem Arm und legte den Kopf an meine Schulter. Er verkroch sich regelrecht in meine Achsel.
Während Steffen neben mir wegdämmerte, verfiel ich in tiefes Grübeln. Mein ganzer Plan war über den Haufen geworfen worden. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt mit meinem Freund zu reden, über alles, was mich seit diesem Kuß belastete, doch nun sah es so aus, als würde kein einziges Wort mehr dazu fallen. Mir war mit einem Mal egal, was Steffen für mich fühlte, ob er mich liebte oder ob er nur scharf auf mich war. Ich wünschte mir nur, daß ich etwas für ihn tun, daß ich etwas gegen seine Kopfschmerzen machen könnte, damit ich das geliebte Lachen wieder hören konnte.
So still war er mir fremd. Selbst jetzt als er schlief sah ich ihm an, wie sehr er sich quälte. Seine Atmung war flach, wurde ständig unterbrochen von leisen Seufzern. Seine Finger krallten sich in den Stoff meiner Jeanshose. Ängstlich sah ich auf ihn, hoffte, daß er weiter schlief, denn nichts schien schlimmer zu sein als Schmerzen, die einen sogar in der Sehkraft beschränkten.
Ich kannte keine Kopfschmerzen. Ich hatte höchstens mal einen schweren Kopf, wenn ich zu viel getrunken hatte. Ich wußte, daß Steffen sporadisch unter Migräneattacken litt, daß er dann einen Tunnelblick bekam, wie er selbst immer sagte.
Sanft zog ich Steffen näher an mich, wollte ihn meine Nähe spüren lassen, ihm zeigen, daß ich für ihn da sein, auf seiner Seite stehen würde und ich mich durch diesen dämlichen Kuß nicht abschrecken ließ. Egal was er getan hatte oder noch tun würde, er würde immer mein bester Freund bleiben.
Steffen murmelte etwas, drehte sich in meinen Armen, bettete den Kopf auf meinen Bauch und legte den linken Arm um meine Hüfte. Unweigerlich mußte ich an Benny und Yo denken, die ich in einer ähnlichen Position gesehen hatte, nur mit dem kleinen Unterschied, die beiden hatten nicht gerade viel an. Ich schob Steffen nicht von meinem Körper. Ich beließ es dabei und strich ihm zärtlich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. Mein Herz pochte wild, als sich meine Gedanken selbstständig machten.
Er müsste seine Hand nur ein Stück bewegen, um mich an meiner empfindlichsten Stelle zu berühren und ehrlich, der Gedanke machte mich an. Wie es sich wohl anfühlen würde, seine Hand auf meinem Glied?
Ich verspannte mich, versuchte auf diese Weise meine Phantasie zu stoppen, doch ich war viel zu tief in einem Strudel aus Lust und Verlangen gefangen, als das ich wieder den Weg an die Oberfläche der Realität finden würde. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlte, doch schalt ich mich selbst einen Narren, zwang mich nun doch dazu, meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken und war froh, als sich die Tür öffnete und Whiskey in die Wohnstube getrottet kam.
Der Schäferhund sah zu seinem Herrchen und mir, gab keinen Laut von sich. Er schien zu spüren, daß es Steffen nicht gut ging, denn er kam auf mich zu, leckte mir über die Hand und sah dann mit seinen braunen Augen und schiefgelegtem Kopf auf Steffen.
„Whiskey, laß ihn schlafen!“, murmelte ich und sah auf Frau Niedzilski, die soeben die Wohnstube betrat, Whiskeys Leine in der Hand.
„Sai!“ Wie vor eine Wand gelaufen blieb sie stehen, sah mich an und erst danach auf ihren Sohn, der noch immer fest an mich geklammert schlief.
„Frau Niedzilski“, antwortete ich leise und legte einen Zeigefinger auf meine Lippen. Vorsichtig schob ich Steffens Kopf von meinem Bauch, legte ihn auf das weinrote Leder der Couch und kletterte über seine Füße, ohne ihn aufzuwecken.
Steffens Mutter wartete, bis ich bei ihr war, dann zog sie mich zu der offenen Küche, wo sie ihre Handtasche abstellte.
„Schon wieder?“, fragte sie mich.
„Ja, er kann von Glück reden, daß ich gerade in der Nähe war.“ Ich lehnte mich gegen den Kühlschrank und sah, wie sie sich nervös durch das halblange, blonde Haar fuhr. Steffen sah seiner Mutter wirklich ähnlich, die blauen Augen, das strohblonde Haar hatte er von ihr geerbt, auch den Mund und die Nase. Nur die Körpergröße hatte er nicht von ihr, da kam er nach seinem Vater, denn Frau Niedzilski war höchstens 1,65 m groß.
„Sai, kannst du bitte die Einkaufskiste aus meinem Wagen holen?“, bat sie mich. Ich nickte, nahm den Wagenschlüssel an mich und verschwand durch die Verandatür im Garten. Whiskey folgte mir, blieb jedoch wartend am Zaun stehen, als ich das Grundstück verließ und die Straße betrat. Der Schäferhund wußte ganz genau, daß er ohne Leine nicht raus durfte.
Ich öffnete die Kofferhaube, hob die Kiste raus, stellte sie neben mir auf den Asphalt und verschloß den kleinen ‘Ford’ wieder.
„Na, Whiskey, du weißt wohl, daß da was für dich drin ist“, sagte ich, als ich den Garten wieder betrat und der Hund mir schwanzwedelnd nachlief, wobei er immer wieder versuchte, einen Blick auf die Kiste zu werfen, die ich trug.
Frau Niedzilski sah ich nicht, als ich die Küche wieder betrat. Sie war bestimmt im Bad oder im Schlafzimmer.
Vorsichtig stellte ich die Klappbox auf der Anrichte ab, bemüht Steffen nicht zu wecken und begann sie auszuräumen. Milch, Joghurt, Eier, Tomaten, Gurke, Wurst, Käse und noch so einige andere Sachen fanden ihren Weg dahin, wo sie hingehörten - in den Kühlschrank. Nur die anderen Produkte, wie Spaghetti, Backmischungen und Müsli stellte ich daneben und dann fand ich eine Tüte Hundekuchen. Whiskey blickte zu mir hoch, ließ sich auf die Hinterpfoten nieder und sah mich mit großen Augen an.
„Vielfraß“, murmelte ich, fuhr dem Hund über den Kopf, legte die Tüte beiseite und wollte an ihm vorbei, um nach Steffen zu sehen, doch Whiskey stellte sich mir in den Weg, ließ mich nicht vorbei. Egal, wohin ich auch trat, wachsam blieb er vor mir. Ich holte Luft und raunte: „Na gut.“
Ich sah zu Whiskeys Freßnapf, der leer dastand und in die kleine Box, in der die Leckerlis aufbewahrt wurden. Tatsächlich fand ich noch einen Rest an Hundeschokolade, brach ein Stück ab und warf es Whiskey zu, der seine Schnauze öffnete, die Schokolade geschickt auffing und runter schlang.
„Also, ein Genießer bist du eindeutig nicht.“ Der Hund war beruhigt und ich befreit.
Steffen schlief noch immer tief und fest, als ich mich auf einen Sessel setzte und zu ihm sah.
„Willst du auch einen Kaffee?“ Erschrocken sah ich mich um. Frau Niedzilski stand hinter mir. Ich hatte sie nicht kommen hören, mußte wohl schon wieder tief in Gedanken versunken gewesen sein.
„Ja, danke. Soll ich ihnen helfen?“ Steffens Mutter runzelte die Stirn, sah mich an und sagte etwas beleidigt: „Wie oft soll ich dir noch sagen, daß du Renate und du sagen sollst!“
Ich lächelte: „Frau Niedzilski, ich...“
Sie unterbrach mich rigoros: „Renate!“
„Also gut, Renate.“ Ich fühlte mich unwohl dabei. In all den Jahren hatte ich nie ein du über die Lippen gebracht, obwohl ich sonst fast alle duzte, mit nur einem Unterschied, die anderen waren Thai wie ich.
„Na also, es geht doch.“ Steffens Mutter strahlte mich an. „Und jetzt machen wir Kaffee für uns.“
Während ich Wasser in die Kaffeemaschine füllte, sah mich Renate nachdenklich an. Ich spürte ihren Blick förmlich auf meiner Haut brennen, und ich merkte, daß sie mich etwas wichtiges fragen wollte, sich aber offensichtlich nicht getraute und so erkundigte sie sich nach meinen Eltern und meinem Bruder. Ich erzählte ihr, daß Nuy verlobt war und demnächst wohl heiraten würde.
Renates Gesicht verschloß sich und dann fiel mir ein, daß sie wohl genauso wie ich damit gerechnet hatte, daß Steffen Tabtim heiraten würde.
„Was ist eigentlich mit euch beiden?“, fragte sie nun.
Ich senkte den Blick, wußte nicht, was ich antworten sollte, doch es war auch gar nicht nötig, denn sie sprach weiter: „Steffen hat mit Tim Schluß gemacht, ohne daß er mir einen Grund dafür nennen konnte. Dann hat er sich vor dir zurückgezogen und hat dich einfach ignoriert.“
Ich nickte und lauschte weiter: „Du hast um eure Freundschaft gekämpft, warst sogar hier. Ich habe dich an dem Tag weglaufen sehen und seitdem bist du es, der sich nicht mehr meldet.“
Renate holte Tassen aus dem Schrank, stellte sie auf dem kleinen Couchtisch ab. Danach suchte sie nach Gebäck, das sie auf einem Teller drapierte. Ich schwieg, wartete noch immer auf eine Frage, denn bisher hatte Renate nur Feststellungen getroffen.
„Es geht mich nichts an, was zwischen euch geschehen ist, aber ich wünsche mir nichts sehnlicher, als daß ihr euch aussprecht und ihr wieder Freunde werdet.“ Steffens Mutter blieb vor mir stehen, sah zu mir auf und mir fest in die Augen. „Steffen geht es nicht gut. Seit zwei Wochen ist er depressiv. Seine Launen sind schrecklich. Er redet ohne Unterlaß von dir.“
Ich schluckte. War es wirklich so schlimm? „Du fehlst ihm schrecklich, Sai. Er braucht dich, um über Tabtim hinwegzukommen.“
„Ich kann nichts versprechen, Renate. Unsere Freundschaft steht auf der Kippe. Wir haben Probleme und müssen beide versuchen, mit ihnen fertig zu werden“, gab ich ehrlich zu und schaffte den Teller in die andere Hälfte des großen Raumes.
Mein Blick fiel wieder auf Steffen, der friedlich vor sich hin schlummerte. Von dem Gespräch zwischen seiner Mutter und mir hatte er nichts mitbekommen. Ich lächelte und als ich ihn so still daliegen sah, wurde mir ganz warm ums Herz. Nein, ich würde ihn nicht von mir stoßen. Mit diesem Gedanken verschwand ich im Bad, um mir die Hände zu waschen.
Ich schaute in den Spiegel, sah mein Gesicht, meine Augen. Ich zwinkerte mir selber zu und hielt den Atem an, als ich Steffen fragen hörte: „Mom, wo ist Sai?“
„Auf Toilette“, antwortete Renate.
Siedend heiß fiel mir ein, dass ich eigentlich ins Restaurant musste. Ich fischte mein Handy aus der Hosentasche und klingelte bei meinem Vater an, erklärte ihm, daß es mir nicht gut ginge und daß ich erst morgen wieder kommen würde. Er verstand mich zum Glück und meinte, er habe schon darauf gewartet, wann mir die Doppelschichten zu viel sein würden. Erleichtert ließ ich das Handy wieder verschwinden und öffnete die Badtür.
Steffen sah mich an und ich erkannte, wie glücklich er war, mich zu sehen. Dieser Blick allein war es schon wert, die Freundschaft nicht zu zerstören.
Renate lachte mich fröhlich an und ich ging zu Steffen, setzte mich neben ihn, legte eine Hand auf seinen Oberschenkel, spürte, wie er unter meiner Berührung zusammenzuckte und fragte: „Wie geht’s dir?“
„Besser.“ Mit zittrigen Fingern griff er nach seinem Kaffee, trank ihn in kleinen Schlucken, wich meinem Blick dabei aus und erkundigte sich bei seiner Mutter: „Wo ist Dad?“
„Ich weiß nicht. Eigentlich müßte er schon da sein. Er wird sicherlich gleich kommen.“ Renate angelte nach den Keksen, nahm sich eins, biß ab und fing an zu kichern, als Whiskey sich zwischen Steffen und mich drängte. Erst hatte der Hund nur seine Vorderpfoten zwischen uns auf die Couch gestellt, doch nun zog er sich hoch, schob mich zur Seite und legte seinen Kopf auf Steffens Schoß.
„Whiskey, laß mich! Geh zu Sai!“ Steffen mühte sich redlich, das schwere Tier von sich zu schieben. Ich sah, wie er die Augen verdrehte, als sich Whiskey nicht rührte. Steffens Gebete waren anscheinend erhöhrt worden, denn Herr Niedzilski betrat die Wohnstube. Whiskey sprang vom Sofa und rannte auf den großen Mann zu, um ihn zu begrüßen.
„Hallo!“, rief Steffens Vater uns zu, kümmerte sich dabei um Whiskey und kraulte ihn. Schnell war Herr Niedzilski bei uns, küßte seine Frau auf die Wange und hauchte: „Hmm, Kaffee.“
„Sai, Steffen!“ Er nickte uns zu, setzte sich und nahm sich Kaffee. Ich trank meinen Kaffe, knabberte an einem Keks und sah immer wieder zu Steffen, der sich alle Mühe gab, nicht zu zeigen, wie schlecht es ihm noch immer ging.
„Laß uns hochgehen!“, murmelte ich.
Steffen nickte und Renate meinte: „Nehmt euch noch ein paar Kekse mit!“
Dankbar nickte ich, ging in die Küche und füllte eine kleine Schüssel mit Gebäck. Als ich mich umdrehte, sah ich, daß Steffen schon die halbe Treppe hinter sich gelassen hatte. Schnell eilte ich ihm nach, an ihm vorbei und öffnete die Tür zu seinem kleinen Reich.
Steffen drückte sich an mir vorbei, ließ sich auf sein Bett nieder, sah mir dabei zu, wie ich die Schüssel auf seinen Schreibtisch stellte und nach meinen Zigaretten suchte. „Ich gehe auf den Balkon“, erklärte ich. Der Qualm würde ihn in seiner Verfassung sicherlich stören.
Steffen nickte. „Danke.“
„Wofür?“ Ich hielt in meiner Bewegung inne, blickte auf ihn und wartete.
„Das du mich nach Hause gebracht hast.“ Steffens Blick fraß sich in meinen.
„Dafür bin ich doch dein Freund, oder?“ Ich zwinkerte ihm zu, öffnete die Balkontür, trat hinaus und schloß die Tür hinter mir. In Ruhe rauchte ich, sah hinab in den Garten und mußte plötzlich an mein Bike denken, das noch immer zwei Häuser entfernt stand. Ich drückte die Kippe aus, betrat Steffens Zimmer und sagte: „Ich geh fix meine Maschine holen.“
Ich lief die Straße entlang, schob dann die Honda hinter Renates Ford und stürmte wieder zu Steffen hoch.
Leise öffnete ich die Tür, sah Steffen auf seinem Bett liegen, seitlich, die Beine angezogen und die Hände unterm Kopf als Kissenersatz. Gleichmäßig hob und senkte sich sein Brustkorb. Steffen schlief schon wieder. Vorsichtig nahm ich neben ihm Platz, strich ihm durchs Haar und entschied, mich neben ihm lang zu machen und auch noch ein wenig zu ruhen. Ich brauchte eine Pause. Die letzten zwei Wochen hatte ich fast meine gesamten Kraftreserven verbraucht.

Schlagartig öffnete ich die Augen. Es war dunkel, bis auf das Flimmern des Fernsehers. Ruhig blieb ich liegen, registrierte wo ich mich befand und erst kurze Zeit später, wo ich lag, oder besser, wie ich dalag. Ich hatte mich auf die Seite gewälzt, die linke Hand unter meinen Kopf geschoben und Steffen als Kopfkissen benutzt. Doch wo ich genau lag, wurde mir erst jetzt wirklich bewußt. Ich lag direkt auf seinem Schoß, meine Hand auf seinem Schritt. Leise holte ich Luft, erschrak zu tiefst, doch durfte ich es mir nicht anmerken lassen und hielt still.
Leise lachte Steffen. Neugierig geworden warf ich einen Blick auf die Flimmerkiste, in der irgendeine Sitcom lief.
Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken, als ich seine Hand fühlte, die gleichmäßig durch mein Haar fuhr. Meine Kopfhaut prickelte, warme Wellen liefen durch meinen Körper und sammelten sich in meinem Magen, um sich dort zu konzentrieren.
Ich gab mich dem Gefühl der Nähe hin und genoß seine Zärtlichkeiten, ohne mich bemerkbar zu machen. Genießerisch schloß ich die Augen, atmete seinen Geruch ein und sog ihn tief in mich. Seine Finger unterbrach ihren Weg durch mein Haar, blieben still in meinem Nacken liegen und ich dachte nur, mach weiter.
Nun bekam ich Gelegenheit, mich darauf zu konzentrieren, worauf meine Hand lag. Durch den Jeansstoff fühlte ich ganz deutlich sein Glied. Ich hielt die Luft an, ich spürte doch tatsächlich gerade sein intimstes Stück unter meinen Fingern. Es war nicht mal fremd, fast so, als wäre es wie für mich geschaffen. Innerlich fühlte ich mich zerrissen. Neugierde und Abscheu kämpften in mir um die Oberhand. Was sollte ich tun? Ob es sich wie meines anfühlte? War es auch so weich und dann, im richtigen Moment hart? Wie groß war es? Wie sah es aus?
Verdammt, Sai, was denkst du da, rief ich mich zurecht. Doch dann übernahm meine Lust, die Kontrolle über meine Finger. War es überhaupt Lust, oder doch eher Neugier?
Ganz langsam schloß ich meine Hand, bis der Daumen und die anderen Finger den Schaft durch den Stoff berührten. Zischend holte Steffen Luft, blieb aber sonst ruhig. Ich fühlte und fühlte, konnte nicht genug von ihm bekommen. Wieder bewegte ich meine Finger sanft und hielt inne, als ich spürte, wie sein Glied anschwoll.
Er reagierte auf mich. Wenn er schon so stark auf eine fast nicht spürbare Berührung reagierte, wie würde es erst sein, wenn sich keine Jeanshose zwischen meiner Hand und seinem besten Stück befand? Wieder drängten sich Ideen, was ich alles tun könnte, in mir auf.
Leicht bewegte ich mich, verlagerte meinen Kopf, drückte somit meine Hand noch fester auf seinen Schoß.
Wahnsinn - ich fühlte seine Härte unter mir und lächelte. Das ich so eine Wirkung auf Steffen haben würde, hätte ich nie gedacht. Eigentlich könnte ich weitermachen, doch fand ich, daß ich Steffen genug gereizt hatte und blieb still liegen, genoß einfach nur noch seine Erektion unter meinen Fingern, bis sie abgeklungen war.
Mit einem leisen Seufzen drehte ich mich, den Rücken zu ihm, wobei ich die Augen geschlossen hielt. Kurze Zeit später streckte ich mich, tat so, als würde ich gerade erwachen.
„Du hast deinen Schlaf aber auch nötig gehabt“, hörte ich Steffen sagen.
Ich drehte mich zu ihm, stützte mich auf, sah ihn an und sagte: „Scheint so. Und dir geht es besser?“
„Ja, viel besser.“ Steffen vermied es, mir in die Augen zu schauen. Sein Blick war starr auf den Bildschirm gerichtet, doch ich erkannte die leichte Röte, die sein Gesicht überzog.
„Gut“, lächelte ich und legte mich wieder hin.
„Schläfst du hier, oder willst du nach Hause fahren?“ Steffens Augen glänzten.
Sollte ich hier bleiben? Eigentlich sprach ja nichts dagegen. Ich hatte oft hier geschlafen, doch da waren wir jedes mal nur gute Freunde gewesen und er noch mit Tabtim zusammen. Jetzt sah die Lage etwas anders aus. Aber was konnte es besseres geben, um unsere Freundschaft zu kitten?
„Okay, ich schlaf hier.“ Ich setzte mich auf und sah auf die Uhr - fast Mitternacht.
„Hast du Lust, noch einen Film zu sehen?“, fragte Steffen und begab sich zu seinem Videoregal. „Ich kann uns auch noch was zu knabbern holen und für dich ein Bier.“
„Gut, du suchst ein Video raus und ich sorge für unser leibliches Wohl.“ Ich lachte Steffen an und verließ sein Zimmer, ehe er etwas erwidern konnte.
Schnell hatte ich die Treppe hinter mir gelassen und den Wohnraum betreten. Auch hier lief der Fernseher noch. Steffens Eltern lagen auf der Couch und sahen die Spätnachrichten.
„Sai?“ Herr Niedzilski sah mich fragend an.
„Es geht ihm gut. Ich mach uns nur noch was zu essen.“ Ich schaltete die kleine Lampe an der Bar an und nahm ein großes, rundes Brett.
„Renate wollte euch vorhin zum Abendbrot holen, doch ihr habt beide tief und fest geschlafen.“ Herr Niedzilski näherte sich mir.
Hart schluckte ich. Was hatte Renate gesehen? Ob Steffen und ich Arm in Arm auf dem Bett gelegen hatten? Hatte ich schon seinen Schoß als Kopfkissen benutzt?
„Soll ich dir helfen?“ Steffens Vater holte mich aus meinen geschockten Zustand zurück. Er sagte nichts zu dem Thema. Entweder hatte Renate nichts gesagt, oder Steffen und ich hatten wirklich jeder auf einer Seite des Bettes gelegen.
„Ja, wo ist euer Toast? Ich will überbackenen Toast machen.“ Ich öffnete den Kühlschrank und kramte Käse, Wurst, Tomaten und Kräuterbutter hervor.
„Steffens Lieblingsessen.“ Herr Niedzilski grinste, reichte mir das Toast und schaltetet den Ofen an, dann reichte er mir noch ein Bier. „Laßt es euch schmecken.“
„Danke.“ Steffens Vater ging zur Couch zurück und Whiskey gesellte sich zu mir.
„Du bekommst auch nie genug“, lachte ich und warf dem Hund ein Stück Wurst zu. Schnell hatte ich die Toastscheiben belegt und in den vorgeheizten Herd geschoben.
„Gute Nacht, Sai!“ Lächelnd stand Renate hinter mir, als ich die Ofenklappe schloß. „Ich habe dir Bettwäsche auf den Sessel gelegt.“
„Danke!“ Renate verschwand, nur Whiskey blieb bei mir.
Endlich war der Käse zerlaufen, etwas bräunlich in der Färbung und die Toast fertig. Mit einem Pizzaheber schaufelte ich die überbackenen Toast auf das Brett und bewaffnete mich mit Bier und Cola, bevor ich die Treppe hinaufstieg. Leise pfiff ich nach Whiskey, machte ihm somit klar, daß er mir folgen sollte.
Noch immer wühlte Steffen in seiner Videoübersicht, blätterte die Seiten um und murmelte leise vor sich hin. Kurz sah er auf, vertiefte sich dann aber wieder in der Liste. Ich stellte das Essen auf seinem Nachtschränkchen ab und lief noch einmal ins Wohnzimmer, um das Kissen und die Decke zu holen.
Whiskey erwartete mich in der Tür, als ich zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit Steffens Zimmer betrat. Leise jaulte er.
„Leg dich hin!“, sagte ich zu dem Schäferhund und lächelte, als Steffen sich die Haare raufte und brummte: „Ich habe zu viele Videos.“
Ich hockte mich neben ihn. „Zeig mal!“, forderte ich und nahm ihm die Liste einfach weg. Die ersten Seiten interessierten mich nicht. Die Filme die dort aufgeführt waren, hatten eh schon alle historischen Wert
„Action, Horror oder nur was Seichtes?“, fragte ich.
„Entscheide du!“, murmelte Steffen und verzog sich auf sein Doppelbett.
Rasch überflog ich die letzte Seite und blieb bei dem Titel ‘Little Angels’ hängen. Ich stutzte. „Stef, ist das die Originalaufnahme?“
„Was?“ Steffen sah mich an.
„’Little Angels’“, klärte ich ihn auf.
„Ja, Tim hat ihn mir mitgebracht.“ Steffen griff nach dem Brettchen, leckte sich über die Lippen und biß herzhaft in seinen ersten Toast. „Danke!“, sagte er kauend.
Vor ‘Little Angels’ stand keine Zahl, sondern OR, also war es sogar ein Originalvideo. Ich ließ meinen Blick über die Videoreihen schweifen und wurde schnell fündig. Es war schon einige Jahre her, daß ich das Drama gesehen hatte, in einem Kino in Bangkok.
Ich entnahm der Hülle das Video, schob es in den Recorder und breitete mein Bettzeug auf der linken Seite des Bettes aus.
„Schmeckt es?“, erkundigte ich mich.
„Ja, sehr gut.“ Steffen poppte seine Colabüchse auf.
Wenn ich noch ein Toast abbekommen wollte, dann mußte ich jetzt zugreifen, denn Steffen war gerade dabei, seinen dritten zu vertilgen.
Es klopfte an der Tür.
„Ja!“, nuschelte Steffen.
Sein Vater steckte den Kopf durch die Türöffnung. „Nacht Jungs!“
„Nacht“, antworteten Steffen und ich, wie aus einem Mund. Dann waren wir allein und würden auch nicht mehr gestört werden.
Ich schluckte den letzten Bissen hinunter und verzog mich noch mal auf den Balkon. Ich stützte mich auf dem Geländer ab, während ich rauchte. Leicht fröstelte ich. Der Sommer ging zu Ende, die Nächte wurden wieder kühler.
Ich zuckte zusammen, als ich eine Hand zwischen meinen Schulterblättern spürte. Ich hatte nicht gemerkt, daß Steffen den Balkon betrat.
„Ich bin froh, daß du wieder hier bist“, hörte ich ihn flüstern, als er sein Kinn auf meiner linke Schulter bettete.
„Ich hätte schon viel eher kommen sollen“, murmelte ich.
„Ich habe mich falsch verhalten. Es tut mir leid.“ Ich fühlte, wie Steffen seine Hand ballte.
„Vergiß es, okay!“ Ich wollte nicht gerade jetzt über den Kuß reden. Wir verstanden uns gerade wieder. „Laß uns endlich den Film sehen!“ Ich nahm einen letzten Zug, drückte die Zigarette aus und zog Steffen mit.
Wie früher, wenn ich hier schlief und vor der Sache mit dem Kuß, entledigte ich mich meiner Jeans und drückte den Play-Knopf auf der Fernbedienung. Ein Drogenfilm, und das um 1:00 Uhr in der Nacht. Neben mir wühlte Steffen unter der Decke und suchte sich eine bequeme Lage. Ich löschte die kleine Lampe, verkroch mich tief unter die weiche Daunendecke, starrte auf den Bildschirm und sah einen Film aus meiner Heimat.
Die Bilder gingen mir wie vor einigen Jahren unter die Haut. Mit faszinierenden Aufnahmen zeigte der Film die Abgründe meines Heimatlandes - Drogen, Prostitution, Gewalt und Vergewaltigung in der Familie. Trotz dem Loch in der Gesellschaft liebte ich mein Land und meine Landsleute.
„Sai?“ Steffen drehte sich in meine Richtung.
„Ja?“ Ich sah ihn nicht an.
„Ich...“ Er verstummte.
„Was?“
„Ach nichts, vergiß es!“
Ich wußte nicht, was er mir mitteilen wollte, fragte aber auch nicht nach, ließ ihn einfach in Ruhe. Wenn es wichtig war, würde er es mir noch sagen.
Mit einem Gefühl von Sehsucht, oder war es Heimweh, sah ich ‘Little Angels’. Obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin, war Thailand meine Heimat. Ich bin mit den Werten, den Traditionen und den Verhaltensregeln Thailands erzogen wurden. Meine gesamte Familie lebte in Bangkok und Umgebung, sogar Nuy war dahin zurückgekehrt.
„Fliegen wir trotzdem zum ‘Loy Krathong’ runter?“ Das also war es gewesen, was Steffen auf der Seele lag.
„Klar, wir können ja bei Nuy wohnen, wenn du nicht zu Tabtim willst“, antwortete ich, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen.
Ruckartig richtete Steffen sich neben mir auf. „Gott sei Dank. Ich hatte schon befürchtet, du streichst unseren gemeinsamen Urlaub.“
„Warum sollte ich?“ Nun sah ich Steffen doch an.
„Ich weiß nicht, wegen Tim oder weil ich dich...“ Steffen knetete seine Finger und senkte den Blick.
Mit einer wütenden Handbewegung unterbrach ihn barsch. Ich wollte nichts davon hören, obwohl ich genau deshalb zu ihm gefahren war. Wenn er jetzt den Kuß erwähnen würde, wüßte ich nicht mehr, wie ich darauf reagieren sollte. Ich beschloß, den Tag einfach aus meinem Leben zu streichen. „Ich akzeptiere deine Entschuldigung, okay?“
Steffen nickte, legte sich wieder hin. Er öffnete seinen Mund, wollte etwas sagen, doch schluckte er seine Bemerkung und schwieg, rutschte sogar ein Stück von mir weg. Ohne ersichtlichen Grund stand er dann auf und verließ sein Zimmer ohne ein Wort. Auf mich wirkte es fast wie eine Flucht.
Whiskey nutzte die Situation aus und sprang auf Steffens Decke, machte sich darauf breit. Ich streichelte den Hund und erinnerte mich, wie der Schäferhund zu seinem Namen gekommen war. Vor vierzehn Jahren hatte Herr Niedzilski den Hund Whiskey getauft, damals, noch ein süßer, kleiner, knuddeliger Welpe, hatte er nichts besseres zu tun, als an seinem ersten Tag, übrigens eine Familienfeier, Steffens elfter Geburtstag, seine Zunge in das Whiskeyglas von Steffens Vater zu versenken.
Der Film ging schon fast dem Ende entgegen, als Steffen sein Zimmer wiederbetrat. Sein Haar war feucht, wirkte dadurch dunkler als sonst. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, zog er seine Jeans aus, sein T-Shirt. Nur noch mit Shorts bekleidet kroch er unter die Decke, nachdem er Whiskey ans Fußende gescheucht hatte, drehte mir den Rücken zu und brummte: „Gute Nacht!“
Hatte ich was falsches gesagt? Ich konnte mich nicht erinnern. Was auch immer für eine Laus ihm über die Leber gelaufen war, ich mußte es herausbekommen, denn was ich jetzt nicht gebrauchen konnte, war ein Steffen mit schlechter Laune.
Ich stoppte den Film, drehte die Lautstärke der Anlage mit der Fernbedienung leise und blickte in Steffens Richtung.
„Steffen!“ Er reagierte nicht auf mich. „Stef?“
Er blieb noch immer still. „Yai“, leise flüsterte ich seinen Rufnamen, auch wenn ich ihn sonst nicht benutzte, da er ihn von Tabtim bekommen hatte und faßte ihn sanft an der Schulter. Ich wollte, daß er mich endlich ansah, mir nicht auswich.
Die leichte Berührung schien ein Ventil in ihm geöffnet zu haben, denn er fing an zu schluchzen. Seine Schultern bebten.
„Steffen, habe ich was falsch gemacht?“, fragte ich, erschüttert durch seinen Gefühlsausbruch.
„Nein“, sagte er derb. „Nur ich.“
„Jeder macht mal Fehler.“ Eine doofe Redewendung, und das dümmste, das ich antworten konnte.
Steffen sah mich nun doch an, blickte dabei über seine Schulter und lachte bitter auf: „Nein, du nicht!“
Ich schluckte, glaubte mich verhört zu haben. Ausgerechnet ich, ich, der jeden Tag einen anderen Fehler beging. „Du weißt, daß das nicht stimmt.“
„Ach ja, nenn mir einen!“ Steffen wirbelte herum, blickte mich herausfordernd an.
„Gut, wo soll ich anfangen?“ Ich funkelte zurück.
„Siehst du, du findest keinen.“ Steffen war auf Streit aus. Ich spürte es. Er wollte mich reizen, aber warum?
„Du studierst, wirst irgendwann dein Diplom machen und ich?“, fuhr ich ihn an. „Ich habe noch vor der zwölften Klasse abgebrochen und habe keine Ausbildung. Wer, denkst du, ist erfolgreicher auf dem Arbeitsmarkt?“
Steffen schluckte und fauchte: „Du arbeitest, verdienst Geld, hast eine eigene Wohnung, ein eigenes Leben, während ich noch immer unter dem Dach meiner Eltern lebe und Taschengeld bekomme.“
„Na und, das hat auch bald ein Ende.“ Nun war ich wirklich wütend. Steffen befand sich auf einem Selbstmitleids-Trip.
„Mein Leben ist völlig aus der Bahn. Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Alles kommt mir so verdammt sinnlos vor“, grollte er.
„Steffen, du hast bisher immer alles erreicht, was du schaffen wolltest. Auch jetzt wirst du es packen“, sprach ich auf ihn ein. Ich wußte, daß es leere Worte waren, die ihm nicht helfen würden.
„Nein, diesmal nicht“, murmelte er resigniert.
„Doch, du schaffst es!“ Ich wußte nicht, wo sein Problem lag, aber ich wußte, daß Steffen sich wie immer an die Oberfläche arbeiten würde.
Er nickte, auch wenn er nicht ganz überzeugt wirkte.
„Ich geh Zähne putzen“, erklärte ich und erhob mich, ließ Steffen mit Absicht allein, damit er sich wieder fangen konnte.
Als ich nach zehn Minuten sein Zimmer betrat, hatte er sich unter der Decke verkrochen. Sein Discman lag neben ihm, Kopfhörer steckten in seinen Ohren. Gut, sollte er schmollen.
Mit einem Seufzen zog ich mich bis auf den Slip aus, löschte das Licht und ging ins Bett. Am Morgen würde Steffen klarer sehen und ich hoffentlich nicht einen Miesepeter neben mir liegen haben.
Noch eine Weile lauschte ich der Musik, die von ihm zu mir rüber zog, grübelte über ihn, über mich, über uns. Erinnerte mich daran, was ich vorhin getan hatte und ließ die Erinnerungen zu, wehrte mich nicht dagegen, denn ich musste mir selbst eingestehen, dass ich es als aufregend empfunden hatte.

***

Irgendwann erwachte ich. Die Tür stand einen Spalt offen. Sicherlich hatten Steffens Eltern Whiskey rausgelassen. Noch immer etwas benommen, registrierte ich eine Hand auf meinem Oberschenkel und warme Haut an meinem Rücken.
Steffen war zu mir unter die Decke gekrochen, hatte sich fest an mich geschmiegt. Innerlich stöhnte ich auf. Was sollte ich nur tun? Es war so offensichtlich, daß er wirklich mehr als Freundschaft für mich empfand.
Ich weckte ihn nicht, ließ ihm den Moment und beschloß, erst mal nichts dagegen zu unternehmen. Es war lange her, daß ich neben jemanden aufgewacht war, doch normalerweise entwand ich mich den Umarmungen der Frauen, da es mich störte, ich mich nicht wohl fühlte und weckte sie mit der Bitte, zu gehen.
Heute war es anders. Ich genoß Steffens Schoß an meinem Hintern, seine Brust an meinem Rücken, seine Hand auf meiner Haut und den leichten Atemzug an meinem Nacken. Ich schloß die Augen, sog die Atmosphäre tief in mich und spürte, wie meine innere Unruhe abklang und von vollster Zufriedenheit abgelöst wurde. Ich fühlte mich wohl. Sein Körper wärmte mich von innen, ließ mich einfach nur genießen. Meine Haut prickelte an der Stelle wo seine Hand lag, strahlte Wellen bis in meinen Unterleib aus, sorgte dort für ein kribbelndes, sehr angenehmes Gefühl. Ich wehrte mich nicht dagegen, wollte es auch gar nicht.
Die Erinnerung an meinen Traum war wieder da, Bilder zogen an mir vorbei. Wie oft hatte ich mich gefragt, wie sich seine Hand wohl anfühlen würde und nun spürte ich, daß es nicht anders war, als wäre es die Hand einer Frau. Ich empfand es als sehr angenehm.
Steffen regte sich hinter mir, schob seinen Unterleib näher an mich, so nah, daß ich sein bestes Stück durch den Stoff fühlen konnte. Seine Hand löste sich, legte sich auf meinen Bauch. Erst wollte ich sie stoppen, überlegte es mir dann aber anders und legte meine Finger auf seine, zog sie sacht zu meiner Brust, höher zu meinem Kopf, hielt sie fest und zog Steffen näher an mich. Was tust du da, dachte ich noch, doch dann gab ich mich dem absoluten Gefühl der Nähe hin.
Jede Frau, die mich am Morgen so in den Arm genommen hätte, wäre von mir zurecht gewiesen worden, aber Steffen... Ich konnte ihn nicht von mir weisen, er war mir einfach zu wichtig.
Sein Körper fühlte sich gut an, anders als der einer Frau, hart und doch nachgiebig, anschmiegsam. Kein süßlicher Geruch zog zu mir, sondern die letzten, fast kaum noch wahrnehmbaren Nuancen eines herben Parfums. Ein Duft, den ich sehr gut kannte, den ich nur noch nie so genau wahrgenommen hatte - eben einfach Steffen.
Sanft ließ ich seine Hand los, führte meine hinter mich auf seine Hüfte, streichelte ihn leicht, wollte seine Haut fühlen. Harte Muskeln, überzogen von so weicher Haut, daß ich an Seide denken mußte - wunderschön.
Mein Herz schlug schneller, heftiger. Mein Atem wurde flacher, tiefer. Das diese kleinen Berührungen solche Auswirkungen auf mich haben würden, hätte ich nie gedacht. Jede Frau hätte schon mehr tun müssen, um mich auf Trab zu bringen.
Mein Magen zog sich zusammen und zeigte mir nach langer Zeit mal wieder das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch.
Ich wußte, daß ich zu weit gegangen bin, doch ich war viel zu sehr in dem neuen, wieder entdeckten Gefühlen verstrickt, als daß ich jetzt auftauchen konnte.
Leicht bewegte Steffen sich gegen mich. Ich mußte die Luft anhalten, die Lippen hart aufeinander pressen, um nicht aufzustöhnen. Die Wahrnehmungen sammelten sich in meinem Unterleib. Heiß durchfuhr es mich, als ich bemerkte, daß ich auf Steffens Bewegungen reagierte.
War er munter? Dachte er, daß ich schlief? Tat er es unbewußt? Unzählige Fragen schossen mir durch den Kopf, baten um Antworten. Ich gab ihnen nach, drehte mich vorsichtig auf den Rücken und sah in Steffens blaue Augen, die verwirrt auf mich sahen.
„Tschuldige“, brach es aus ihm hervor. Mit einem Satz war er aus dem Bett und blickte verschämt auf den Boden. Nervös fuhr er sich durch die Haare und verließ fluchtartig das Zimmer. Ich sah Steffen nach, registrierte die Muskeln unter seiner Haut und atmetet tief durch.
„Scheiße“, murmelte ich, zog die Decke über den Kopf und verfluchte mich. Was geschah hier? Wieso genoß ich seinen Körper, seine Hand auf meiner Haut? Wieso machte er mich so an?
Jetzt mußte ich wirklich mit Steffen reden und wollte ihm ins Bad folgen, ließ es aber bleiben. Mein Körper hätte mich verraten. Deutlich hob sich meine Erektion unter dem Slip ab.
Ich hockte mich auf die Bettkante, stützte das Gesicht in die Hände und fragte mich immer wieder: „Warum?“
Es klirrte. Etwas zerbrach. Ich hörte Steffen laut: „Scheiße“, schreien, dann war es ruhig.
Whiskey war schneller als ich an der Badtür und richtete sich auf, schlug seine Vorderpfoten auf die Klinke, doch die Tür blieb verschlossen. Leise jaulte der Hund und bat um Einlaß.
„Steffen?“, rief ich und schob Whiskey mit dem Fuß ein Stück zur Seite. Es blieb ruhig.
„Stef, alles klar?“ Ich legte eine Hand gegen die Tür.
„Verschwinde!“, dröhnte es von innen.
„Steffen, mach auf!“ Ich ließ mich nicht abschrecken und blieb hartnäckig.
„Laß mich in Ruhe!“ Steffens Stimme zerbrach. Neben mir bellte Whiskey auf.
„Verdammt, Steffen, schließ auf!“ Ich hielt die Luft an, wartete gespannt. Dann drehte sich der Schlüssel im Schloß. Ich öffnete, drückte die Tür nach innen und sah Glasscherben auf den Fliesen, blaue Flüssigkeit auf dem Boden. Whiskey wollte an mir vorbei.
„Whiskey, raus!“, fuhr ich das Tier an und sah auf Steffen, der auf dem Toilettendeckel hockte, das Gesicht hinter den Händen verborgen.
„Komm her!“, bat ich sanft.
Steffen blickte auf, verwirrt und wie es mir schien, mit einer Spur Panik oder Angst in den Augen.
Ich ging zu ihm, paßte auf, damit ich nicht in einen Glassplitter trat, dann zog ich Steffen hoch, raus aus dem Bad. Zitternd stand er vor mir, senkte seinen Blick, wagte es nicht, mich anzusehen.
„Steffen!“
„Es tut mir leid“, murmelte er und zog die Schultern nach vorn.
Sanft legte ich die Hände an seinen Hals, die Finger unter seine Ohren und zwang ihn dazu aufzuschauen.
„Sieh mich an!“, forderte ich.
Es dauerte eine Weile, doch dann hob er seinen Blick. Das helle Blau seiner Augen war getrübt, wirkte dunkler.
„Sai... ich...“
„Entschuldige dich jetzt nicht schon wieder“, unterbrach ich ihn. Mein Blick glitt tiefer, suchte nach Verletzungen, über seine Brust, zum Bauch. Ich mußte mich zwingen nicht leise aufzustöhnen. Die Energie meines Körpers sammelte sich in der Leistengegend, denn er stand splitterfasernackt vor mir. „Zieh dir was über. Ich hol Kehrschaufel und Besen.“
Ich gab seinen Kopf frei und nahm die Hände weg. Steffen nickte und verschwand in seinem Zimmer.
Tief holte ich Luft und kümmerte mich um die Scherben. Ich wollte mich von Steffen ablenken, was mir nicht gelang. Ich hatte Steffen nicht zum ersten Mal nackt gegenüber gestanden, aber heute hatte ich ihn mit anderen Augen angesehen und das, was ich sah, gefiel mir, brachte mein Blut in Wallungen.
Verwirrt schüttelte ich den Kopf und grinste, als ich darüber nachdachte, wie sein Glied wohl im steifen Zustand aussehen würde. Tief in meinen erotischen Gedanken versunken hob ich die Scherben auf und spürte nicht, wie ich mir in den Daumen schnitt.
Schwungvoll leerte ich die Kehrschaufel in den Abfalleimer und wischte das blaue Schaumbad auf. Erst als ich mir die Hände wusch, bemerkte ich das Blut, suchte ein Pflaster, verarztete mich und ging zu Steffen, der in Trainingshosen auf seinem Bett lag und die Arme um Whiskey geschlungen hatte. Seine Augen - so traurig, so unendlich verzweifelt.
Ich setzte mich zu ihm, legte eine Hand auf seinen Oberschenkel und sagte: „Ich muß los.“
Steffen nickte nur. Mir zerriß es fast das Herz. Am liebsten wäre ich bei ihm geblieben, um ihn in den Arm zu nehmen, ihn zu trösten, aber man erwartete mich im Restaurant, außerdem stand ich im Moment ziemlich neben mir. Ich wußte nicht, wie ich mit meinen Gedanken und Gefühlen umgehen sollte. Es war besser, wenn ich mit dem Wirrwarr meiner Empfindungen erst mal alleine blieb.
Ich kraulte Whiskey und zog mich an, dann ging ich ohne ein weiteres Wort.

Kurz nach Mitternacht schloß ich die Hintertür zum Restaurant ab und verabschiedete mich von Lek und ihrem Freund, der sie wie jeden Tag abholte.
Ich rauchte, überlegte, was ich mit der angebrochenen Nacht noch anstellen konnte. Ich dachte an Steffen, daran, wie mies es ihm am Morgen gegangen war und beschloß, zu ihm zu fahren, um zu schauen, ob er sich beruhigt hatte. Ein anderer Gedanke kam in mir auf und der tat mir gut. Ich könnte wieder neben ihm einschlafen. Den ganzen Tag über hatte ich unsere Berührungen nicht vergessen können. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte? Auf der einen Seite schrie in mir alles, dass es falsch war, dass ich dies gar nicht wollte, aber auf der anderen Seite, spürte ich, wie sehr ich mir wünschte, Steffen wieder an meinem Körper zu fühlen. Irgendetwas war mit mir geschehen, wenn ich auch nicht wusste, was genau.
Ohne weitere Umwege begab ich mich zu ihm und blieb vor der Haustür stehen. Kein Licht brannte im Inneren des Hauses. Sie schliefen bestimmt schon alle. Ich konnte nicht einfach klingeln und nun war guter Rat teuer, doch ich hatte Glück. Whiskey war im Garten. Ich hörte ihn bellen, umrundete das Haus, ging die Einfahrt zur Garage hoch und öffnete die Gartentür. Freudig sprang Whiskey an mir hoch.
„Whiskey!“ Steffens Vater rief nach dem Schäferhund. „Komm schon, alter Junge, ich will ins Bett!“
Ich trat auf die Veranda zu. Whiskey folgte mir. „N’Abend, Herr Niedzilski“, grüßte ich.
„Sai?“ Erschrocken fuhr Steffens Vater herum und sah mich an.
„Ist Steffen da?“, erkundigte ich mich.
„Ja, komm rein!“ Er schloß hinter Whiskey und mir die Tür. „Ihr jungen Leute von heute braucht wohl keinen Schlaf mehr?“
Ich lächelte, gab ihm darauf keine Antwort. „Soll ich Whiskey mit hochnehmen?“
„Ja, und gute Nacht.“ Herr Niedzilski verschwand im Bad und ich stieg die Treppe hinauf. Ohne anzuklopfen öffnete ich Steffens Tür, trat ein und blieb stehen. Der Fernseher lief, doch Steffen schlief tief und fest. Whiskey legte sich neben das Bett und rollte sich zusammen. Leise schloß ich die Tür, lehnte mich dagegen und sah auf meinen besten Freund. Sein Gesicht wirkte entspannt. Ich lächelte. Das war ja einfacher gewesen als ich dachte. Ich brauchte nur neben ihn zu kriechen und konnte in seiner Nähe einschlafen.
Mit sachten Bewegungen stellte ich meinen Helm auf dem Schreibtisch ab, hängte meine Jacke über den Stuhl und zog mich bis auf den Slip aus.
Steffen schlief noch immer und Whiskey beobachtete mich aufmerksam, als ich mich auf dem Rand des Bettes niederließ und die Beine hochzog. Etwas trieb mich dazu und ich wehrte mich nicht, warum auch? Es war gefährlich, was ich tat, doch gerade das reizte mich.
Mit spitzen Fingern hob ich die Decke an, rutschte darunter und versteifte, als Steffen sich auf die andere Seite drehte. Zum Glück wurde er nicht wach.
Ich drehte mich zu ihm, blickte auf seinen Rücken und dachte wie so oft in letzter Zeit nach. Meine linke Hand machte sich selbständig. Wie ein Magnet zog der blonde Mann mich an. Sanft fuhr ich mit den Fingern über seine linke Schulter, zwischen seine Schulterblätter hinab bis dahin, wo eigentlich ein Hosenbund sein müßte, doch nichts störte meinen Weg. Steffen murmelte etwas, drehte sich auf den Bauch und schob die Decke zur Seite.
Ich schluckte. Er war nackt. Deutlich hob sich der wohlgeformte Hintern gegen die Helligkeit des laufenden Fernsehers ab.
Sollte ich meine Hand auf seinen Hintern legen? Meine Neugierde trieb mich, mein Gewissen rief nein, doch ich wollte wissen wie er sich anfühlte und folgte meinem Drang. Nicht viel später lagen meine Finger wieder auf seiner Haut. Ich rutschte näher zu ihm, küßte ihn zart auf die Schulter und hauchte: „Steffen!“
Panisch schlug er die Augen auf.. „Sai?“ Er stützte sich ab, fuhr nach hinten, hockte sich auf seine Fersen und sah mich einfach nur an. Ich hörte, wie er zischend Luft aus seinen Lungen entweichen ließ.
Wir fixierten uns, wobei ich die Aussicht genoß. Mein Blick fuhr über seinen durchtrainierten Körper, hinab zu seinem Schoß.
„Wie bist du reingekommen?“, fragte er, nachdem er sich gefangen hatte und der Schock verklungen war.
„Über den Garten. Dein Vater weiß, daß ich hier bin.“
Steffen nickte.
„Leg dich wieder hin!“, bat ich ihn.
„Was willst du?“ Steffen erhob sich, griff nach seinen Trainingshosen, wollte sie überziehen.
„Dich sehen“, antwortete ich.
Er ließ die Hose sinken, vergaß, sie überzuziehen. Meine Aussage schien ihn nochmals geschockt zu haben.
„Komm ins Bett!“, ersuchte ich ihn. Ich wollte ihn in die Arme nehmen, seine Haut fühlen, ihn riechen. Mein Körper schrie nach ihm.
„Aber...“ Steffen verstummte, zuckte mit den Schultern und setzte sich zu mir. „Warum tust du das?“
„Was tu ich?“ Ich richtete mich auf, zog ihn an mich, strich ihm sanft durchs Haar.
„Das, genau das!“ Er schob mich von sich. Gänsehaut überzog seinen Körper und ich legte ihm die Decke um die Schultern. Wütend warf er sie nach hinten.
„Ich friere nicht!“, fauchte er.
Ich hockte hinter ihm, überlegte fieberhaft, was ich tun konnte. Vielleicht half ihm eine ernstgemeinte Umarmung? Ich spreizte die Beine, rutschte vor, schob je ein Bein an einer Seite seines Körpers vorbei, bis meine Brust seinen Rücken berührte. Ich legte die Hände um seine Taille, auf seinen Bauch.
„Lehn dich zurück!“, flüsterte ich in sein Ohr, erstaunt darüber, was ich gerade tat. Ganz ehrlich, es war mir egal, was er dachte, ich wollte nur bei ihm sein. Ich zog ihn enger an mich.
Steffen versteifte. Seine Hände griffen nach meinen Fingern, bogen sie nach oben. Ich biß die Zähne zusammen, gab nicht nach. Ich schaffte es sogar, Fäuste zu bilden, um ihm keine Angriffsfläche mehr bieten zu können.
„Laß mich los!“, bat er gepreßt.
Leicht hauchte ich in seinen Nacken, bis ich die Reaktion bekam, die ich wollte. Wieder überzog eine Gänsehaut seinen Rücken. Sanft legte ich meine Lippen auf die linke Schulter, ließ sie wandern, zu seinem Hals, höher bis zu seinem Ohrläppchen.
„Sai!“ Seine Stimme zitterte und als ich meine geballten Hände öffnete und auf seine Oberschenkel legte, brach sein Widerstand. Er lehnte sich zurück, schmiegte sich an mich, führte seinen rechten Arm nach oben, legte die Hand in meinen Nacken, stöhnte leise auf und ich spürte heiße Wellen durch meinen Körper laufen.
Meine Finger zogen kleine Kreise über die warme, helle Haut. Ich ließ sie wandern, wieder hinauf zu seinem Bauch. Steffen zitterte, sein Atem wurde schneller, tiefer. Spielerisch biß ich ihm in den Nacken, zog eine heiße Spur zur anderen Schulter.
„Sai.“ Er hauchte meinen Namen, was mich nur noch mehr in Fahrt brachte. Ich schloß meine Lippen um sein Ohrläppchen. Seine Hand verkrallte sich in mein Haar.
Wahnsinn... Ich glühte, schaffte es kaum noch, klar zu denken und gab mich meiner Lust hin. Ich wollte Steffen berühren, ihn zärtlich streicheln, seine Reaktionen darauf sehen, ihn ganz und gar kennenlernen und schon fuhren meine Hände zu seiner Brust. Wieder stöhnte Steffen heiser, was mich noch mehr anheizte.
Ich ließ mich nach hinten fallen, zog Steffen mit. Hart drückte sein Rücken auf meinen Schritt, rieb mich unbewußt und nun war ich es, der aufstöhnte.
Ich schob Steffen von mir, wollte den Reiz unterbrechen, rollte ihn auf den Bauch, setzte mich quer über ihn, auf seine Oberschenkel.
Steffen schloß die Augen, verschränkte die Arme unterm Kopf und gab sich mir hin. Still blieb ich sitzen, ließ meinen Blick schweifen. Muskeln unter heller Haut, breite Schultern, von Sommersprossen übersät, die gerade, schmale Taille und ein Hintern, der gerade dazu einlud, hineinzubeißen.
Ich lehnte mich etwas vor, damit ich besser an seine Schultern kam. Er zuckte zusammen, als ich ihn berührte. Ich legte meine Hände auf, massierte ihn und beobachtete ganz genau jede kleine Reaktion. Sein Mund war leicht geöffnet, die Augen geschlossen.
Ich arbeitete mich abwärts, wobei ich die Massage regelmäßig unterbrach, um die Stellen zu streicheln, die durch meinen Druck gerötet waren. Federleichte Küsse rundeten mein Spiel ab.
Steffen wand sich unter mir, während ich seine Seiten hinabfuhr und knapp über seinem Hintern die Hände in der Mitte seines Rücken zusammentreffen ließ. Kurz hielt ich inne, atmete tief durch und machte mir selber Mut. Dann fuhren meine Finger tiefer. Langsam zog ich sie zu mir, je eine Hand auf eine Pobacke. Zischend holte Steffen Luft, bäumte sich auf.
Ich mußte aufhören. Ich war erregt. Das Blut staute sich in meinem Glied, ließ es steif werden. Schluß, hör auf, laß es, du kannst dich nicht mehr lange unter Kontrolle halten, rügte ich mich. Doch es war so schwer, einfach von ihm zu lassen. Die weiche Haut unter meinen Händen, der Duft seines Körpers, sein Zittern, sein Atmen, daß alles hatte sich in mir eingebrannt. Es war so schön und doch so anders, so falsch, so fremd.
Es reichte, man konnte es ein anderes Mal fortsetzten, wenn ich wieder normal denken konnte und er nicht mehr melancholisch war. Doch ich wollte ihn nicht einfach so liegen lassen und streckte mich auf ihm aus, führte die Arme unter seine Schultern, verschränkte meine Finger mit seinen, als ich sie blind fand.
Ich genoß seinen Körper unter mir, fühlte jeden Muskelstrang, seine warme Haut und gab mich hin. Es war gar nicht so einfach, die Finger von ihm zu lassen und ich konnte nicht aus meinem Verlangen auftauchen. Schmerzhaft pulsierte mein Glied, schrie nach Erleichterung.
Hart preßte ich meinen Unterleib auf Steffens Hintern, bewegte mich leicht dagegen, rieb mich gegen ihn und gab mich ganz dem Kribbeln in meiner Leistengegend hin. Es war ewig her, daß ich nur durch verschenkte Zärtlichkeiten einen Steifen hatte.
„Sai!“ Steffen versuchte, mich anzusehen.
„Hmm...“ Zu mehr war ich nicht mehr fähig.
„Du wirst schwer.“ Unter mir bäumte Steffen sich auf.
„Ich bin nun mal keine Frau“, antwortete ich.
„Bitte!“, stöhnte er auf.
Ich seufzte, rollte mich von ihm, legte mich auf den Rücken und wartete ab. Steffen drehte sich auf die Seite, winkelte die Beine an, verdeckte somit seinen Schoß und sah mich an. Sein Gesicht sprach Bände - Verlangen, gepaart mit Mißtrauen, stand in seinen Augen geschrieben.
Zögernd streckte er die Hand aus, traute sich nicht, mich zu berühren. Ich nahm ihm die Entscheidung ab, faßte nach seinen Fingern, legte sie auf meine Brust.
Wir schwiegen uns an, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen.
Was ging ihm jetzt durch den Kopf? Was dachte ich eigentlich? Alles war so schnell gegangen. Ich versuchte mich zu konzentrieren, an das zu erinnern, was geschehen war. Keine abschreckenden Gefühle in mir, kein Ekel, nur die Hoffnung auf ein nächstes Mal.
Hörbar atmete mein Freund durch.
„Was ist?“, fragte ich, noch immer mit belegter Stimme.
„Bin ich für dich das Gleiche wie all die Frauen?“ Gepeinigt schloß er die Augen.
Ich schluckte, tat es ihm gleich, legte meine Hand auf seine und hörte mich antworten: „Ich glaube nicht.“
„Geh, wenn du vorhast, mich morgen fallen zu lassen!“ Steffen entzog sich mir, setzte sich auf, drehte mir den Rücken zu, als ich die Augen wieder öffnete.
„Darf ich darüber schlafen? Hier in deinen Armen?“ Ich wollte nicht gehen. Ich wollte doch nur neben ihm einschlafen, ihn festhalten.
Steffen stand auf, warf einen kurzen Blick auf mich, bevor er zu Whiskey ging, der sich unter den Schreibtisch verkrochen hatte. „Whiskey, was meinst du? Darf er bleiben?“
Ich sah nicht zu ihm. Als er mit dem Rücken zu mir da hockte, mußte ich einfach weggucken. Ich atmete auf, als ich Steffen sagen hörte: „Das soll wohl ja heißen?“
Ich hörte, wie er sich erhob und sah erst auf, als er meinte: „Also gut.“ Er hatte sich Shorts übergezogen, kam zu mir, schlüpfte unter die Decke, hob sie an und lächelte. „Komm her!“
Ich kroch zu ihm, zog ihn an mich, schloß ihn fest in meine Arme und war glücklich. Blind, da ich Steffen nicht aus den Augen ließ, tastete ich nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
„Schlaf gut“, murmelte ich, hauchte Steffen noch einen Kuß auf die Stirn und legte seine Hand auf meinen Bauch.
Endlich, ich hielt Steffen fest, einen Mann, den ich schon seit so vielen Jahren kannte, der für mich so wichtig war.
Er rutschte näher zu mir, schob ein Bein über meine, bettete den Kopf auf meine Schulter und ich vernahm ein leisees: „Bleib bei mir, für immer!“
Ich konnte ihm nicht antworten, da er sich plötzlich aufrichtete, sich über mich beugte und seine Lippen auf meine drückte, nur ganz leicht. Er vertiefte den Kuß nicht, sondern löste sich wieder von mir, nahm seinen Platz neben mir ein.
Mit der Zunge fuhr ich mir über die Lippen. So weich und angenehm war er zu fühlen gewesen. Ich lächelte, verstärkte meinen Griff, legte meine Hand auf seine und schloß die Augen.
Ich hielt still, als seine Finger auf Wanderschaft gingen, sanft über meinen Bauch streichelten und auch als sie tiefer glitten, wehrte ich mich nicht. Doch als er sie auf mein Glied legte, zuckte ich zusammen.
Zischend holte ich Luft, drängte mich gegen die Hitze seiner Handfläche und tat etwas, das für mich noch vor kurzem unvorstellbar war. Ich drückte seine Hand fest auf mich, positionierte sie so, daß er mich ganz umfassen könnte, wenn nicht der Stoff meines Slips im Weg wäre.
Steffen rührte sich nicht mehr. Er ließ seine Hand einfach auf meiner Männlichkeit liegen, doch allein diese Berührung ließ sie wieder steif werden.
„Das fühlt sich gut an“, hauchte Steffen und reagierte blitzschnell. Seine Hand verschwand unter dem schwarzen Stoff meines Slips. Jede Reaktion von mir wäre zu spät gekommen. Ich stöhnte auf, spürte, wie er mich umfaßte und hielt die Luft an.
„Gute Nacht, Großer“, brummte er heiser. „Nur ein Vorgeschmack auf das, was du noch bekommen kannst.“
Total überrumpelt wußte ich nicht, was ich tun oder lassen, ob ich schweigen oder reden sollte. Ich schaffte es nicht einmal, meine Gedanken so zu ordnen, daß ich in einer Sprache dachte. Chaos herrschte in mir.
Seine Hand, warm, groß, unwahrscheinlich kräftig. Sicher lag sie um meinem Glied, so als ob es nie anders gedacht war.
In meiner Brust entwickelte sich ein dumpfer Druck. Ich mußte Luft holen und sog hart Sauerstoff in meine Lungen.
Steffen blieb ruhig. Seine Augen waren geschlossen. Ein seliges Lächeln lag auf seinem Gesicht und in mir fand ein Feuerwerk statt, ein Feuerwerk der Gefühle. Das Steffen einfach still hielt, ließ mich zittern, das war Folter pur. Mein Körper schrie nach Befriedigung. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als das Steffen endlich seine Hand bewegte.
„Stef“, stöhnte ich auf, hob meinen Unterleib an, machte ihm somit klar, daß ich mehr wollte. Derb zog ich ihn an mich.
Er schüttelte den Kopf, grinste mich an und sagte doch tatsächlich: „Jetzt nicht.“
Ich sah ihn an, versuchte verzweifelt, mein Verlangen unter Kontrolle zu bekommen. Scharf atmete ich, zog die Beine an und schob Steffens Kopf von meiner Schulter, damit ich mich auf die Seite drehen konnte.
Steffens Hand blieb wo sie war, fest um mein Glied geschlungen. Ich tat nichts dagegen, sondern angelte nach der Fernbedienung, schaltete den Fernseher an und zappte durch die Kanäle.
„Mach ich dich so an?“, fragte Steffen, schmiegte sich fest an meinen Rücken.
„Halt die Klappe!“, knirschte ich. Machte er sich über mich lustig?
„Och.“ Steffen lachte leise auf. „Ich mag dich und du mich anscheinend auch. Den Beweis halte ich ja gerade in der Hand.“
Blut schoß mir in den Kopf, mir wurde ganz heiß. Ich verstand doch selbst nicht, warum ich so erregt war.
„Laß mich in Ruhe, oder besorg es mir!“, sagte ich leise, mir bewußt, daß ich Steffen gerade verletzte.
„Arsch“, fauchte er, löste seine Finger und drehte mir provokativ den Rücken zu.
„Danke“, knurrte ich. Länger hätte ich seinen Griff nicht ausgehalten, ohne daß ich über ihn hergefallen wäre.
Steffen war sauer. Mit einem Ruck zog er mir die Decke weg.
„Kleiner, ich habe das doch nicht böse gemeint“, versuchte ich mich zu entschuldigen. Ich war schroff gewesen, da ich mit meinem Verlangen nicht klar kam und nun eine Leere in mir fühlte, die seine Reaktion verursacht hatte.
„Ach komm, dir ist es doch vollkommen egal, wer dir einen runterholt. Hauptsache du kommst, egal wen du dabei demütigst.“ Er sah mich nicht an, während er die harten Worte aussprach.
„Das ist nicht fair“, murmelte ich. „Du legst Hand an mich und wunderst dich, daß ich mehr will. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie Scheiße schwer es war, mich unter Kontrolle zu halten?“
Steffen drehte sich in meine Richtung, sah mich überrascht und ungläubig an. „Willst du damit sagen, daß du weiter gegangen wärst?“
„Ja“, knirschte ich. „Und nun laß mich fernsehen!“ Meine Erektion war zum Glück abgeklungen.
Steffen murmelte leise: „Das ist...“
Ich wusste nicht, was er genau hatte von sich geben wollen, denn er brachte den Satz nicht zu Ende, stattdessen breitete er die Decke über uns aus, kuschelte sich ohne ein weiteres Wort an mich und war kurze Zeit später eingeschlafen.
Unendlich befreit und froh darüber, daß Steffen seine Finger nicht wieder auf mich legte, sah ich die Wiederholung eines Actionfilms und genoß dabei den warmen Körper an meinem, den herben Geruch, der zu mir zog und die leichten Bewegungen neben mir, bis ich einschlief.

Immer wieder wurde mein Schlaf unterbrochen. Irgendwann schaltete ich  genervt den Fernseher aus und überzeugte mich davon,  daß ich wirklich neben Steffen lag, daß ich nicht nur träumte.
 Ich mußte völlig durchgeknallt sein, hatte irgendwo meinen Verstand abgegeben. Was ich getan hatte, war doch nicht normal. Hatte ich tatsächlich Steffen berührt, ihn gestreichelt?
 Während ich mir alles noch einmal durch den Kopf gehen ließ und dabei schon wieder einen Steifen bekam, lauschte ich den gleichmäßigen Atemzügen neben mir.
 Ich war geschockt, geschockt von mir selbst und von dem, was ich tat. Ich starrte in die Dunkelheit, sortierte meine Empfindungen. Steffen lag neben mir, berührte mich unbewußt. War es falsch gewesen oder einfach nur eine neue Erfahrung, die ich machen mußte? Jedenfalls sprach nichts in mir dagegen. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so wohlgefühlt. Wenn ich genauer darüber nachdachte, dann war das letzte Mal, als ich noch ein Kind war und noch nichts mit Sex am Hut hatte.
 Steffens Nähe störte mich nicht, im Gegenteil, sie war schön. Um nichts in der Welt wollte ich die Ruhe und die Gefühle in mir zerstören. Trotzdem verstand ich mich nicht mehr. Mein Verlangen sagte ja zu allem was passiert war und noch geschehen könnte, doch ein Teil meines Verstandes rief immer wieder: es ist falsch, tu das nicht!
 Verwirrt blickte ich in Steffens Gesicht. Die blauen Augen geschlossen, doch ich sah sie vor mir, sehnsüchtig, von Verlangen gezeichnet. Schon allein dieser Ausdruck war es wert gewesen. Ich sah Steffen plötzlich aus einem anderem Blickwinkel. War er bisher nur ein Mann, dessen Lust für mich irrelevant war, war er nun ein Mann mit normalen Bedürfnissen und dem Verlangen nach Sex, wie es jeder verspürte. Er benötigte genauso wie ich, die Nähe und Wärme eines Körpers neben sich, Geborgenheit und eine Schulter, an die man sich anlehnen konnte.
 War er die Frau, die ich suchte, nur daß er eben ein Mann war? Seine Nähe raubte mir den Verstand, ließ mich einfach glücklich lächeln. Ich wußte, daß ich mit all meinen Problemen zu ihm kommen, mit ihm über alles reden konnte, egal, um welches Thema es sich handelte.
 Es fühlte sich richtig an, wenn da nur nicht die kleine Stimme in mir immer wieder NEIN rufen würde.
 Während ich über alles nachdachte und die Waage aufbaute, die ich immer aufstellte, wenn ich schwere Entscheidungen fällen mußte, holte mich der Schlaf ein. Ich konnte den letzten Gedanken nicht zu Ende führen, nur eins war sicher, die Waage neigte sich Richtung JA.
***
 Etwas Schweres arbeitete sich über meinen Körper, trat mir hart in die Seite. Ich erwachte mit einem leisen Schmerzensschrei auf den Lippen und Fell im Mund.
 „Whiskey, raus!“, schimpfte ich. Der Schäferhund war über mich geklettert, hatte sich zwischen mich und Steffen gedrängt. Wie ein Pascha lag er da, sah mich an, mit einem Blick, der sagen sollte: was willst du eigentlich von mir?, und bettete den Kopf auf die Pfoten.
 Leise lchte Steffen: „Gewöhn dich daran. Whiskey ist der eifersüchtigste Hund, den ich kenne. Wehe, es liegt jemand neben mir und nimmt mich vielleicht noch in den Arm. Das ist sein Revier und das räumt er nicht so einfach.“
 „Was heißt das im Klartext, daß ich damit rechnen muß, jede Nacht von Whiskey aus dem Bett gedrängelt zu werden?“ Ich mühte mich redlich mit dem Tier ab, doch Whiskey gab keinen Millimeter nach.
 „Ja.“ Steffen richtete sich auf, kraulte Whiskey hinter den Ohren und befahl mit kräftiger Stimme: „Fußende!“
 Erst sah Whiskey zu Steffen, dann zu mir und wieder zurück. Die braunen Augen sahen traurig aus, aber das hatte ein Hundeblick nun mal so an sich. Steffen gewann den Machtkampf. Der Hund trollte sich, robbte zu unseren Füßen und machte sich dort breit.
 „Gut so, alter Junge“, lobte Steffen ihn und lächelte. Ich legte mich wieder hin, zog Steffen zu mir und hauchte: „Gewöhn ihm das ja ab!“
 Steffen stützte das Kinn auf den linken Handballen, seine rechte Hand fuhr über meine Stirn. „Glaub mir, das habe ich versucht. Tabtim hat jede Nacht unter ihm leiden müssen, bis ich ihn zu Mom und Dad geschickt habe.“
 „Was wir schlecht machen können, weil deine Eltern sofort fragen würden. Ich nehme an, sie wußten, warum du Whiskey zu ihnen gebracht hast“, murmelte ich, wobei ich nach seiner Hand griff und sie auf meine Brust legte.
 „Hmm.“ Steffen drehte sich vom Bauch auf die Seite und umarmte mich. „Laß uns weiter schlafen!“
***
 „Morgen, Großer!“ Sanfte, gefühlvolle Finger strichen mir über den Bauch. Verschlafen faßte ich nach der Hand, hielt sie fest, öffnete die Augen und sah in die unendlichen Weiten eines hellen Blaus.
 „Steffen“, murmelte ich und zog ihn neben mich.
 „Hey, ich muß los.“ Vorwurfsvoll sah er mich an. „Du kannst vielleicht ausschlafen, aber auf mich wartet eine Vorlesung.“ Er versuchte, sich von mir zu lösen, was mir nicht gefiel. Ich verstärkte meinen Griff, legte meine Hände an seine Taille und bat: „Nur kurz, bitte!“
 „Nein!“ Mit einem Ruck entkam er meiner Umarmung. „Du kannst ja heute Nacht wiederkommen. Ich laß die Balkontür auf, dann kannst du einsteigen.“
 Ich zog die Decke höher und brummte, für ihn nicht verständlich: „Na toll.“
 Steffen erhob sich. „Ich habe dir meinen Schlüssel auf den Tisch gelegt. Schließ ab, wenn du gehst. Ich hol ihn mir im Restaurant ab.“
 „Hmm.“
 Steffen griff nach seiner Jacke, ging zur Tür und ich schluckte. Er trug knallenge Jeans. Der derbe Stoff umspannte seine Oberschenkel, brachte die Form seines Hinterns voll zur Geltung. „Stef?“
 „Ja?“ Er drehte sich zu mir, zog die Coachjacke über und steckte sein Portemonnaie ein.
 „Seit wann trägst du enge Jeans?“, fragte ich verblüfft. Noch nie hatte ich ihn ohne seine Buggyjeans gesehen. Am liebsten wäre ich aufgestanden, hätte ihn an mich gezogen und die Hände in seinem Hintern verkrallt.
 Steffen sah an sich hinab und lachte auf. „Die hat Tabtim für mich gekauft. Sie mochte mich in den Hosen. Sie meinte, da kann wenigstens jeder sehen, was für einen knackigen Arsch  ihr Kerl hat.“
 „Das hat meine Cousine gesagt?“ Ungläubig zog ich die Augenbrauen zusammen.
 „Ja, aber ich muß wirklich los.“ Steffen verschwand und ich atmete tief durch. Wo Tabtim Recht hatte, hatte sie Recht. Steffens Hintern konnte einen wirklich auf die unanständigsten Gedanken bringen.
 Whiskey kam zu mir, legte sich neben mich und ich schlang die Arme um ihn. „Weißt du, daß du ein verdammt geiles Herrchen hast.“
 Ich fing an zu grinsen. Was auch immer Steffen unter der Jeans trug, es konnte nicht gerade viel sein. Shorts, wie er sie normalerweise trug, waren es nicht, konnten es nicht sein, denn der Stoff hätte sicherlich Falten in der Jeans geschlagen.
 Ich schloß die Augen und rief mir die Bilder vom Abend in den Kopf. Ich wollte Steffen sehen, so wie er gestern aussah. Ich mußte nicht lange im Kopf kramen.
 Leise stöhnte ich auf, als ich seinen Körper vor mir sah - nackt, ohne ein Stück Stoff am Leib. Was auch immer mit mir geschehen war, ich akzeptierte es - irgendwie.
***
 Mein Leben hatte sich verändert. Seit der Nacht bei Steffen hatten wir nur noch telefonisch Kontakt. Er hatte seinen Schlüssel bei mir abgeholt, war aber nicht geblieben. Ich sah ihm an, wie peinlich es ihm die Nähe zwischen uns gewesen war..
 Um sich etwas Geld zu verdienen, arbeitete er nebenbei in einem Büro und ich mußte mich jeden Tag um das Restaurant kümmern, da meine Eltern sich im Urlaub befanden. Es blieb also keine Zeit, unsere Freundschaft zu pflegen.
 Steffen und ich hatten nicht noch mal über den gemeinsamen Urlaub gesprochen. Der würde wohl dieses Jahr ins Wasser fallen. Damit hatte ich kein Problem. Ich blieb auch gerne hier.
 Meine Eltern kamen heute von ihrer Reise zurück und ich hatte wieder mehr Zeit für mich, mehr Zeit für Steffen. Ich freute mich auf den nächsten gemeinsamen Abend, man konnte mal wieder ins Kino gehen, oder ins ‘River-Mekhong’.
 Ich sah Lek dabei zu, wie sie einige Cocktails zubereitete und ging in die Küche, um die nächsten fertigen Gerichte zu holen. Ich lächelte Lek an, als ich an ihr vorbeiging und die Büro-Runde bediente. Ich hatte ein wenig gelauscht, als ich die Bestellung aufgenommen hatte. Die Frauen, vier an der Zahl, regten sich über ihre Vorgesetzten auf, die entweder was am Kaffee oder am nicht gespitzten Bleistift auszusetzen hatten.
 „Sai, bringst du bitte die ‘Pina Coladas’ an den Tisch!“, bat mich meine Kollegin.
 „Warum?“, fragte ich.
 „Ich muß mal verschwinden.“ Mehr brauchte Lek nicht zu sagen. Ich nickte und nahm die großen tönernen Gefäße an mich, servierte sie.
 Es war kurz vor 21:00 Uhr als ich überraschenden Besuch auf Arbeit bekam. Benny näherte sich mir, ignorierte die freien Tische und fragte: „Kannst du nachher zu uns kommen?“
 Ich musterte Yos Freund, fragte mich, was er wollte und antwortete mit „Ja“, da ich sonst nichts vorhatte.
 „Schön, wir sehen uns nachher.“ Benny nickte und verschwand genauso unauffällig, wie er gekommen war.
 Was wollte er? Wieso lud er mich ein? Zu dumm, ich hatte ihn nicht gefragt. Meine Neugierde war geweckt und ich fieberte dem Feierabend entgegen.
 Circa vier Stunden später hielt ich vor Yos Haus, parkte ein und drückte die Tür auf, die nur angelehnt war. Noch immer grübelnd stieg ich die Stufen hinauf und klopfte an. Benny ließ mich ein, legte einen Finger auf die Lippen und fragte leise: „Willst du mitessen?“
 „Nein, nicht wirklich, ich habe im Restaurant gegessen.“ Ich trat an Benny vorbei und sah Yo schlafend auf dem Sofa. Fest an ihn geschmiegt lag Tam, in seinen Armen versteckt. Leise Musik drang aus der Anlage, deutscher Rock, Musik, die ich nicht kannte.
 „Sie sind eingeschlafen“, flüsterte Benny.
 Ich nickte und fragte verwundert: „Tam hat deinen Platz. Stört es dich nicht, daß sie... na ja?“ Ich wußte nicht, wie ich mich ausdrücken sollte.
 Benny lachte leise. „Nein, ich weiß, daß nie etwas zwischen ihnen sein wird. Yo liebt mich, nicht Tam.“
 „Aber...“ Ich konnte meinen Einwand nicht zu Ende bringen.
 „Benny hat Recht. Ich liebe ihn. Tam ist wie eine kleine Schwester für mich“, erklang es von Yo.
 Ich sah zu meinem Landsmann, der Tam sanft von sich schob und sie zudeckte. „Ihr kuschelt, ohne...“
 „Das tust du ja wohl auch“, unterbrach mich Yo und erhob sich.
 „Woher weißt du?“, fragte ich.
 „Komm! Benny kocht noch eine Weile. Laß uns auf den Balkon gehen, eine rauchen und reden.“ Yo schlug mir auf die Schulter, nahm zwei Flaschen Bier und öffnete die Tür zum Balkon.
 Ich folgte ihm, zündete eine Kippe an und rauchte, wobei ich den sternklaren Nachthimmel betrachtete.
 „Steffen ruft oft hier an, eigentlich fast täglich.“ Yo öffnete die Bierflaschen und reichte mir eine. „Er ist durcheinander, weiß nicht, was er von der ganzen Sache halten soll.“ Er prostete mir zu. „Du hast mit ihm auf einem Bett geschlafen, unter einer Decke und hast ihn im Arm gehalten.“
 Ich trank, hielt mich an der Flasche fest und schwieg. Was sollte ich sagen? Ich fand es schön, so wie es gewesen war.
 „Er hat Andeutungen gemacht, daß zwischen euch was war. Habt ihr... Hast du mit ihm geschlafen?“
 Ich verschluckte mich am Bier, hustete los. Was hatte Steffen erzählt? Wieso hatte er überhaupt darüber geredet? „Nein.“ Ich hustete wieder. „Nein, ich habe nicht mit ihm geschlafen.“ Ich spürte wie mir das Blut in den Kopf schoß. Mir wurde ganz heiß. Das Thema war heikel.
 „Was war dann?“ Yo ließ mich nicht aus seinem Blick.
 „Warum willst du das wissen?“, fragte ich, bemüht die Fassung zu wahren und nicht einfach loszuschreien. Es ging ihn nichts an.
 „Weil ich..., ach vergiß es.“ Yo drehte mir den Rücken zu, ließ sich auf einem Gartenstuhl nieder, der auf dem Balkon stand und rauchte.
 Ich dachte zurück, daran, wie ich Steffen massiert, ihn zärtlich liebkost hatte, an seine Hand, die mich umfaßte. Ich seufzte leise auf, was Yo veranlaßte, mich wieder anzusehen.
 „Steffen will nicht daran denken. Es tut ihm weh.“ Er warf mir sein Sturmfeuerzeug zu, als er sah, wie ich mich mit meinem abquälte und ich es mit meinen zitternden Fingern nicht anbekam. „Er sagte, es war erregender als alles, was je davor gewesen ist.“
 Mit dem letzten Satz hatte Yo mich getroffen. Auch mir ging es so, doch daß Steffen genauso fühlte, war mir neu. „Er hat mit dir darüber gesprochen?“, erkundigte ich mich enttäuscht. Immerhin hätte Steffen damit ja zu mir kommen können.
 „Nur über seine Gefühle. Nicht über das, was zwischen euch passiert ist. Er will es wieder tun, doch er traut sich nicht. Er hat Angst, daß du dich wieder von ihm entfernst.“
 An der Brüstung rutschte ich nach unten, zog die Beine an und redete zum ersten Mal von den Geschehnissen. „Ich wollte zu ihm, um ihm zu sagen, daß er sich mich aus dem Kopf schlagen soll, doch es kam alles anders. Ich übernachtete bei ihm.“ Ich trank und nahm einen kräftigen Zug von der Kippe. Meine Glieder zitterten. Die Erinnerungen drangen so stark in mir hoch, daß ich mich mies fühlte, weil ich Steffen danach vernachlässigte. Yo blieb ruhig, sah mich nur offen an und lauschte. „Am nächsten Abend hatte ich Sehnsucht nach ihm und fuhr zu ihm. Er schlief, als ich sein Zimmer betrat. Ich weiß nicht, was in dem Moment in mich fuhr, aber ich kroch an seine Seite, streichelte ihn. Na ja...“ Die Gefühle holten mich ein. Steffens weiche Haut, seine Finger, seine Lippen.
 „Wie weit seid ihr gegangen?“, fragte Yo.
 „Es ist nicht viel passiert. Ich habe ihn eigentlich nur massiert, nicht mehr.“ Mühsam schluckte ich, hielt mich an meiner Zigarette fest. Ein unangenehmes, angenehmes Gefühl im Magen, Schmetterlinge bei dem Gedanken daran, wie er seine Hand um mein Glied gelegt hatte.
 Verhalten lächelte Yo. „Was geschah dann?“
 „Nichts weiter. Wir sind zusammen eingeschlafen.“ Tief inhalierte ich, biß mir auf die Zunge und verschwieg seine Berührung aus Scham.
 „Und jetzt? Fehlt dir Steffen oder ist es dir egal?“ Yos Stimme war kräftig.
 „Ich muß zugeben, daß er mir fehlt. Und ich verstehe dich und Benny. Freunde, nur eben etwas mehr, das waren deine Worte.“
 Er nickte. „Nur, daß Benny und ich darüber gesprochen haben, das wir zueinander stehen und...“ Yo versuchte einen Blick in das Atelier zu werfen. „... wir Sex haben.“
 „Sex...“, murmelte ich leise. Für mich war es noch immer unvorstellbar Sex mit Steffen zu haben. Wobei ich Zärtlichkeiten nicht mehr abgeneigt schien. Es schüttelte mich bei der Vorstellung Steffens Penis in den Mund zu nehmen oder meinen in ihn einzuführen, das war einfach zu viel für mich.
 „Der Gedanke ist dir zuwider?“
 Ich nickte, umklammerte die Bierflasche und sah, wie Yo sich erhob, um sich neben mir niederzulassen.
 „Es ist mit Sicherheit anders, als mit einer Frau zu schlafen, aber die Gefühle dabei, sind die selben. Wenn Benny mich streichelt, dann...“
 „Ich weiß, was du meinst“, unterbrach ich ihn. „Ich habe keine Probleme mit Zärtlichkeiten, nur mit dem letzten Schritt.“
 „Laß dir Zeit, gib euch Zeit.“ Aufmunternd lächelte Yo mir zu. „Baut Vertrauen auf, erkundigt euch gegenseitig, macht nur, was ihr wollt und hört auf, wenn der andere Nein sagt und sich dabei nicht wohlfühlt.“
 „Schläfst du wirklich gern mit Benny?“ Stur blickte ich auf die Flasche in meinen Händen, drehte sie hin und her und pulte nervös das Etikett ab.
 „Ja, ich...“ Kurz verstummte Yo. „Ich bin es, der mit ihm schläft, und ich tu es gern. Sein Körper unter mir. Er vertraut mir, er gibt sich mir hin und das macht mich glücklich. Zu sehen, wie er unter meinen Händen dahinschmilzt. Allein seine verhangener Blick und sein Stöhnen sind es wert, ihn zu befriedigen.“
 Ich schluckte. „Ihn befriedigen?“, fragte ich irritiert.
 „Falscher Ausdruck... Das klingt wie eine Pflicht, die erledigt werden muß. Ich liebe es, ihn zu streicheln.“
 Ich trank von meinem Bier, zündete mir noch eine Zigarette an und stellte fest: „Du liebst Benny wirklich.“
 „Und wie er Benny liebt!“ Erschrocken sah  ich auf. Tam stand vor uns. „Ich würde Yo den Marsch blasen, wenn er sich noch mal von Benny trennen sollte.“
 Noch mal? Fragend sah ich zu Tam, doch sie reagierte nicht auf mich. Grinsend hockte sie sich vor Yo, griff nach seiner Zigarettenpackung und lehnte sich dann gegen ihn. „Hey, Sai! Lange nicht gesehen. Wie geht’s dir?“ Offen sah die Blonde mich an, lächelte.
 „Gut“, sagte ich leise.
 „Ausgeschlafen, Kleines?“, erkundigte sich Yo bei ihr und schlang die Arme um sie.
 „Abgebrochen“, lachte sie auf. „Deine Wärme war weg und ich hatte keinen Körper mehr, am den ich mich kuscheln konnte.“
 „Yos Körper gehört noch immer mir.“ Benny war aufgetaucht, sah zu uns herab und schüttelte den Kopf.
 „Mein Körper ist mein Eigentum, aber du darfst gern damit machen, was du willst.“ Yo drückte Tam von sich, richtete sich auf, zog Benny an sich, strich ihm sanft über den Bauch und erwiderte den Kuss, den Benny einforderte.
 Ich hockte wie ein Statist da, sah auf die beiden, die sich durch nichts stören ließen und ihren Kuß noch mehr vertieften. Yo schob die Hände in die Gesäßtaschen von Bennys Jeans und zog ihn enger an sich.
 Ich tat nichts, ließ das Bild auf mich wirken, bis sich Tam räusperte: „Ähm, ihr seid nicht allein hier.“
 Yo unterbrach den Kuß, drehte sich grinsend um und stellte fest: „Nun tu doch nicht so, als würde es dich stören.“
 Tam hustete und maulte: „Mich vielleicht nicht, aber Sai...“
 Ich hob die Hände, wurde rot und lächelte verhalten.
 „Laßt uns essen!“, sagte Benny und verschwand wieder im Atelier. Yo zog Tam hoch, schob sie in die Wohnung und stellte, an mich gewandt, fest: „Da war mehr als nur eine Massage.“
 Ich schluckte, nickte und folgte Yo, der zu den anderen gegangen war.
***
 Es war fast 4:00 Uhr, als ich meine Wohnung betrat. Das Gespräch mit Yo ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich fragte mich, was ich für Steffen empfand und wieso ich mich gerade in seiner Nähe so wohl fühlte und so frei.
 Ich schaltete  das Licht an, warf einen Blick auf meinen Anrufbeantworter und entdeckte einen Zettel. Fein säuberlich stand in Thai mein Rufname darauf. Plötzlich schlug mir das Herz bis zum Hals. Schmetterlinge jagten sich in meinem Magen, denn nur eine Person besaß den Schlüssel zu meiner Wohnung - Steffen.
 Mit fahrigen, nervösen Bewegungen faltete ich das weiße Blatt auseinander und lächelte. Steffen hatte sich tatsächlich die Mühe gemacht in meiner Schrift und Sprache zu schreiben: oncontextmenu="return false;" onmousedown="return false;" onmousemove="return false;" oncopy="return false;" unselectable="on">Sai! Ich habe auf dich gewartet. Leider bist du nicht an dein Telefon gegangen. Ich komme morgen vorbei. Steffen<
 Mein Telefon? Ich suchte in meiner Jacke nach dem Handy, fand es jedoch nicht. Es mußte auf Arbeit liegen.
 Ich nahm den Zettel, überflog die Zeilen noch mal, übersah dabei jedoch, den einen oder anderen Fehler. Mein Entschluß war schnell gefaßt. Ich verließ meine Wohnung, fuhr zum Restaurant, holte mein Handy und düste zu Steffen.
 Hinter Renates Ford parkte ich, betrat den Garten und sah an der dunklen Hausfassade nach oben. Nirgends brannte Licht. Mit zitternden Fingern holte ich mein Handy hervor, wählte Steffens Nummer und wartete, bis ein brummiges „Hallo!“ erklang.
 „Wirf mir mal den Schlüssel runter!“, bat ich.
 „Sai?“ Nun klang Steffen munter. „Wo bist du?“
 „Im Garten, laß mich rein!“
 Ohne mir zu antworten, legte Steffen auf. Licht ging in seinem Zimmer an und schon sah ich seine Umrisse hinter der Balkontür. Hell leuchtete seine Haut, als er hinaustrat. Ich lächelte und als ich durch das Balkongeländer sah, daß er nackt war, schluckte ich hart, spürte ein heftiges Ziehen im Unterleib.
 „Sei leise, wenn du hochkommst!“, forderte er und warf mir den Schlüssel zu. Ich fing ihn auf, verließ den Garten und näherte mich der Haustür. Alles kribbelte in mir, schrie nach dem blonden Mann. Ich wollte ihn in den Arm nehmen, ihn festhalten.
 Ich schloß die Tür auf und verzichtete darauf Licht zu machen. Im Dunkel hängte ich meine Jacke auf, stellte meinen Helm neben Steffens ab und zog die Schuhe aus. Es blieb ruhig. Ich hatte Steffens Eltern nicht geweckt. Mit einem starken Kribbeln im Bauch tastete ich mich vorwärts, die Treppe hinauf.
 Ein dünner Lichtstrahl, der aus Steffens Zimmer fiel, wies mir den Weg. Ich mußte noch mal tief Luft holen, ehe ich die angelehnte Tür aufdrücken konnte. Steffen lag auf seinem Bett, sah mich an und sagte: „Du hast Nachts auch nichts besseres zu tun, als friedliche Leute aus dem Schlaf zu reißen.“
 „Ich habe deinen Brief gefunden“, antwortete ich ausweichend, drückte die Tür zu und kraulte Whiskey, der neugierig die Augen öffnete.
 „Aha, und daraufhin kommst du gleich zu mir?“
 Ich ließ von Whiskey ab und nickte.
 „Tu mir den Gefallen und leg dich hin, damit ich schlafen kann, oder geh!“
 Gehen? Nein, das kam nicht in Frage. Ich schlüpfte aus den Jeans und den Socken und setzte mich auf den Bettrand. Fragend sah ich zu Steffen, überlegte, ob ich mich weiter ausziehen sollte.
 „Was ist?“, fragte Steffen mit einem Stirnrunzeln.
 „Ach nichts“, seufzte ich und zog das Shirt über den Kopf. Mein Magen rumorte, mein Puls raste. Nur noch unter die Decke kriechen und ich würde Steffens Haut fühlen, seine Wärme.
 Etwas war anders. Das letzte Mal war es für mich noch einfach gewesen, Steffen an mich zu ziehen, doch nun bekam ich Angst. Tief in mir schrie alles nach ihm. War es eine gute Idee gewesen, zu ihm zu fahren?
 „Sai, leg dich endlich hin, damit ich das Licht ausmachen kann!“, brummte Steffen und hob die Decke einladend an. Nun mußte ich wohl. Schnell lag ich neben ihm, steif wie ein Brett. Ich traute mich nicht, ihn zu berühren. Ich könnte seine Haut berühren, an ihr verbrennen.
 „Schön, daß du hier bist“, hauchte Steffen, knipste seine Lampe aus, rutschte zu mir, bettete den Kopf auf meine Schulter, schlang den rechten Arm um meine Taille und schob sein rechtes Bein angewinkelt auf meine Oberschenkel. Ich verspannte. Ich fühlte ihn, nah, zu nah. Seine Haut, heiß und glatt, schmiegte sich an mich.
 Das Brennen in mir nahm zu, steigerte sich zu Lust und Verlangen. Ich gab dem inneren Schrei nach, legte einen Arm um Steffen, zog ihn noch näher, spürte seine Hand auf meiner Brust, Finger, die sanft, fast nicht spürbar, kleine Kreise zeichneten.
 Ich schloß die Augen, gab mich hin, sackte unter den Zärtlichkeiten weg und fiel in einen Traum, den ich nur zu gern live durchleben würde.

Nebel, soviel Dunst in meinem Kopf. Steffen, Steffen rief es in mir. Ich war bei ihm. Er mußte neben mir liegen und als mir das klar wurde, spürte ich ihn schon. Vorsichtig drehte ich mich in seine Richtung. Die Decke war zur Seite geschlagen, bedeckte nur noch mich
 Er schlief, lag auf dem Rücken, die Arme unterm Kopf verschränkt. Leicht hob sich seine Brust bei jedem Atemzug, brachte die trainierten Muskeln unter der Haut zur Geltung. Mein Blick glitt tiefer zu seinem Bauch, bis hin zum Bund der blauen Shorts, die er trug. Der Stoff bedeckte etwa ein Drittel seiner Oberschenkel und die gesamte Region, die nicht nur interessant schien, sondern auch sehr empfindlich und anfällig für zarte Berührungen.
 Ich sah ihn einfach nur an, prägte mir jeden Zentimeter seines Körpers ein, jeden Muskelstrang, jeden kleinen Leberfleck. Meine Hand fand ihren Weg auf seinen Bauch, hob sich deutlich von der hellen Haut ab. Wie verschieden wir doch waren. Er, das völlige Gegenteil von mir.
 Ich verstand meine Cousine plötzlich, warum sie sich in ihn verliebt hatte, warum sie ihn so sehr mochte. Ich beugte mich über ihn, blickte in sein Gesicht. Sanft lächelnd, noch immer im Reich der Träume gefangen, lag er da.
 Ich zog ihn an mich, so nah, daß seine Haut meine berührte. Leise brummend gab er nach, legte den Kopf auf meine Brust, die Hand auf meinen Bauch und ich strich ihm über das wirre blonde Haar.
 Ich schloß die Augen und wollte seine Nähe und Wärme genießen, doch Steffen störte mich in meinem Genuß mit den Worten: „Warum tust du das?“
 „Ich weiß nicht“, antwortete ich ehrlich und strich ihm weiter durchs Haar. Steffen rutschte von mir weg, sah mich an, schweigend, lauernd.
 „Komm her!“, bat ich ihn. Kühle Luft streifte meine Haut dort, wo gerade noch sein Kopf gelegen und mich gewärmt hatte.
 „Warum sollte ich?“, fragte er, musterte mich, skeptisch, ja fast mißtrauisch.
 „Weil du es willst?“ Ich sah ihn an und versuchte, in seinen Augen zu lesen, erkannte jedoch nicht, was ihm durch den Kopf ging. Und als er keine Anstalten machte, sich wieder an mich zu schmiegen, ergriff ich die Initiative, wenn auch etwas widerwillig, aber ich konnte nicht mehr anders. Ich drückte ihn auf den Rücken, beugte mich über ihn, strich ihm ein paar Strähnen aus der Stirn, sah ihn an und versank in den blauen Augen.
 Steffen hielt meinem Blick nicht stand. Er schloß die Augen. Unverständlich murmelte er: „Laß das bitte!“ Kurz sah er mich an, drehte den Kopf zur Seite und sprach deutlicher: „Es ist so schon schwer genug, mich zurückzuhalten.“
 „Dann laß es raus!“, wisperte ich heiser und fuhr sanft mit den Fingern der rechten Hand über seine Lippen. Er sah mich an, öffnete den Mund und ich verlor die Kontrolle über mich.
 „Sai...“ Die Worte konnten nicht mehr ausgesprochen werden, da ich ihm den Mund mit meinen Lippen verschloß. Einfach fühlen, schmecken, tasten.
 Steffen verspannte am ganzen Leib, wurde steif, doch als ich mit der Zunge über seine Unterlippe fuhr, brach sein Widerstand. Er schlang die Arme um mich, zog mich auf sich, auf seinen Körper, verkrallte sich in meinem Haar und gewährte mir den Einlaß in seinen Mund. Vorsichtig tastend arbeitete ich mich vor, berührte seine Zunge, umspielte sie. Jede Faser meines Körpers schrie nach ihm.
 Er ließ mir nur kurz die Oberhand, übernahm die Führung und erkämpfte sich meinen Mund. Er küßte mich leidenschaftlich, aber nicht derb. Seine Zunge berührte meine, umkreiste sie, löste damit einen Vulkan in mir aus, in meinem Magen und ich gab mich dem Geschmack seines Mundes hin.
 Seine Finger lösten sich aus meinem Haar, ohne den Kuß zu unterbrechen, fuhren über meinen Rücken, so zart, daß ich die Berührungen fast erahnen mußte. Er zeichnete jede Muskelpartie nach. Ich zitterte unter seinen Händen, spürte schon wieder, wie sich die Lust in mir sammelte, sich in der Leistengegend konzentrierte.
 Wie schön ein Kuß sein konnte! Ich hatte es fast vergessen.
 Steffens Hände wanderten tiefer, verkrallten sich regelrecht in meinem Hintern, drückten mich fester auf ihn, an seinen Körper, seinen Schoß. Ich fühlte seine Härte, die sich an meinem Glied rieb, und stöhnte auf. Hitze, glühende Hitze stieg in mir auf, als er anfing, meinen Hintern zu massieren.
 Ohne den Kuß zu unterbrechen schob mich Steffen von sich, rollte mich auf den Rücken, blieb dabei über mir, hockte sich auf mich und vertiefte den Kuß noch mehr. Ich glühte, mein Puls raste und mein Herz schlug derb gegen die Brust. Was gab es atemraubenderes als einen süßen Kuß?
 Nach einer ganzen Weile erst löste er sich von mir, zog sich zurück, blieb auf meinen Oberschenkeln sitzen und ich öffnete die Augen, erkannte, wie er mich ansah. Sein Atem rasselte, genau wie meiner. Seine Augen glänzten. Sein Blick glitt über meinen Körper, sog alles auf.
 Ich lag vor ihm, versuchte mich unter Kontrolle zu bringen. Hart drückte ich die Hände aufs Laken, verhinderte somit, daß ich über seine Brust strich.
 Er lächelte verhalten, schien genauso zerrissen zu sein wie ich. Seine Augen sahen weiter, tiefer hinab, weiteten sich unmerklich. Mit der Zungenspitze fuhr er sich über die Lippen. Ein tiefes Rot überzog seine Wangen und ich erkannte, wodurch er so reagierte.
Deutlich hob sich meine Erektion unter dem Stoff ab und Steffens Blick war darauf gerichtet.
 Tief atmete ich durch, schloß die Augen und rief mich zur Ruhe auf. Wieso reagierte mein Körper auf ihn?
 „Sai!“ Seine Stimme klang belegt, heiser.
 „Hmm?“ Ich hielt die Augen zu, führte die Hände über meinen Kopf, verkrallte mich im Kopfkissen und gab mich dem Schrei meiner Lust hin. „Mach weiter!“, bat ich leise. Ich wollte seine Finger fühlen, überall auf meiner Haut.
 Ich spürte, wie Steffen sein Gewicht verlagerte und dann seine Hände auf meiner Brust. Zögernd, ja fast ängstlich legte er sie auf, strich sanft mit den Fingerspitzen über meine Schlüsselbeine, tiefer hinab über meine Brust zum Bauch.
 Leise stöhnte ich, als eine Gänsehaut meine Haut überzog meine. Neugierig sah ich  auf und direkt in die verschleierten, blauen Augen über mir. Feuchte Haarsträhnen hingen Steffen in die Stirn, verdeckten die leichte Rötung auf seinen Wangen.
 Steffens Erkundungstour brachte mich zum Kochen. Die knisternde Spannung stieg von Sekunde zu Sekunde an. Feuer sammelte sich in meinem Unterleib und loderte hell dort auf.
 Unerwartet fühlte ich seine Lippen auf meiner Haut. Zart wanderte sein Mund abwärts in Richtung Bauchnabel, hinterließ feuchte Spuren, die durch die kühle Luft kribbelten, als sie trockneten. Er ließ keinen Zentimeter aus. Ich wand mich unter ihm, brachte meinen Körper immer wieder nach oben, um den Kontakt zu seinen Lippen nicht zu verlieren.
 Schon lange konnte ich nicht mehr normal atmeten, mein Puls war in fast unmeßbare Bereiche gestiegen. Meine Finger drangen stärker in das weiche Kissen ein. Ich biß mir immer wieder auf die Unterlippe, bis er sich über mich beugte, meine Stirn küßte und mit der linken Hand  zu meiner Körpermitte wanderte. Als er die Finger unter den Bund meines Slips schob, zuckte ich heftig zusammen, vergaß zu Atmen und wollte aufstöhnen, doch dazu kam ich nicht, denn Steffen preßte seine Lippen auf meinen Mund, forderte mit der Zunge Einlaß.
 Ich ließ ihn ein und erwiderte den Kuß stürmisch, gierig. Ich wollte ihn schmecken und ohne es richtig zu realisieren löste ich meine Hände aus dem Stoffbezug, führte sie auf Steffens Rücken, drückte dessen Körper auf meinen. Heiß bedeckte seine Haut mich und ich fühlte den heftigen Schlag seines Herzens, spürte die Wärme seines Körpers.
 Steffen blieb nicht lange so eng auf mir liegen, er drückte seinen Unterleib nach oben, schob eine Hand unter meinen Slip, legte sie auf meine Glied und umfaßte mich. Ich stöhnte auf. Mein Körper reagierte mit einem unkontrollierten Zucken. Meine Fingernägel drangen in Steffens Haut und als er seine Hand sanft auf und ab bewegte, verlor ich den letzten Rest an Selbstbeherrschung.
 Ich zitterte. Steffens Finger lagen sicher um mein Geschlecht, mit der richtigen Dosierung an Kraft und Druck.
 Bis jetzt hatte er den Kuß nicht unterbrochen, lieber vertiefte er ihn noch mehr. Hilflos klammerte ich mich an ihn, forderte mehr von den Zärtlichkeiten, die mich hilflos unter ihm liegen ließen.
 Eine Hand schob sich unter meinen Hintern, ich fühlte mich angehoben. Finger griffen nach dem Bund meines Slips und schoben ihn abwärts zu meinen Oberschenkeln. Ich ließ sie gewähren, verkroch mich ganz in der Hitze dieser Aufmerksamkeit. Mir war egal, was Steffen machte, er sollte mich nur nicht loslassen. Ich erkämpfte mir seinen Mund, drang in ihn ein, umspielte seine Zunge und spürte das feurige Lodern in meinen Adern.
 Nur mit Widerwillen gab ich seine Zunge frei, als er seine Lippen langsam von mir löste. Die Leere verschwand sehr schnell wieder, denn sein Mund legte sich auf meine Brust. Federleicht fühlte ich seine Lippen, seine Zunge, spürte, wie sie tiefer wanderten, dabei eine heiße Spur zu meinem Bauchnabel zogen. Ich bekam meine Empfindungen nicht in Einklang. Ein Teil konzentrierte sich auf das Spiel seines Mundes, der andere Teil auf das erregenden Reiben seiner Hand an meiner Männlichkeit.
 Mit den Füßen schob er meinen Slip weiter nach unten, über meine Knie bis zu meinen Schienbeinen und dann war er verschwunden. Nackt lag ich unter meinem Freund, unfähig, noch einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Knie drängten sich zwischen meine Beine und drückten sie auseinander.
 Ich fühlte seinen Mund auf meinem Bauch und seine Finger zwischen meinen Beinen, sanft, fest und zärtlich berührten sie jede noch so verborgene Stelle, trieben mich höher, näher an den Rand des Orgasmus.
 Meine Muskeln zuckten heftig, als ich Steffens Lippen heiß auf meiner Härte fühlte, ohne Vorwarnung schloß er den Mund um meine Eichel. Ich keuchte, krallte mich ins Laken und sah Steffens Gesicht verschwommen vor mir. Mein Glied verschwand bis zur Hälfte in seinem Mund. Er rührte sich nicht mehr, sah mich an, lauernd, abwartend, was ich tat.
 Ich konnte mich nicht mehr gegen ihn wehren, war viel zu sehr in meinem Verlangen verstrickt und schrie nach einer Erlösung. Ich nickte und schon spürte ich seine Zunge, die mit sanftem Druck meine Eichel massierte.
 Ich versank in einem dunklen Loch, konzentrierte mich nur noch auf das Sammeln des Bluts in meinem Glied. Was Steffen genau tat, bekam ich nicht mehr mit. Nur aus halb geöffneten Augen erkannte ich, wie sich sein Mund um meine Männlichkeit bewegte.
 Hitze sammelte sich in mir. Ich fuhr mit den Fingern in das strohblonde Haar. Steffens Zunge umkreiste immer wieder eine hochsensible Stelle und ich wollte ihm somit sagen, daß er genauso weitermachen, den Druck nicht verringern sollte. Er schien mein stumme Bitte verstanden zu haben.
 Ich explodierte. Ich kam mit einer Heftigkeit, die meinen Körper erbeben ließ. Meine Hüften hoben sich, ich warf den Kopf nach hinten, riß den Mund auf, preßte die Augen zusammen, spannte die Gesäßmuskeln an und entlud mich.
 Atemlos blieb ich liegen, kämpfte mich zurück an die Oberfläche der Realität. Das Beben verklang, der Nebel lichtete sich, gab den Blick in blaue Augen frei, auf Lippen, die lächelten und verschwitztes blondes Haar.
 „Sai.“ Ich hörte meinen Namen, hatte aber noch immer mit den Nachwirkungen des Orgasmus zu kämpfen.
 „Sai?“ Steffen! Steffen? Das war seine Stimme. Oh Scheiße! Er war es gewesen. Ich bin in seinem Mund gekommen, im Mund meines besten Freundes.
 Das träge Gefühl war wie weggeblasen. Plötzlich war ich hellwach, sah alles klar. „Geh runter!“, herrschte ich ihn an, schob ihn unsanft von mir und sprang auf.
 Ohne Steffen eines Blickes zu würdigen, griff ich nach meinen Sachen, zog sie über und riß die Tür auf. Ich stürmte die Treppe hinab und schlüpfte in meine Schuhe, als ich den Flur erreicht hatte. Gerade als ich Jacke und Helm an mich nehmen wollte, öffnete sich die Haustür. Renate sah mich an.
 „Morgen, Sai! Ist Steffen auch schon munter?“
 Ich blickte Steffens Mutter nur kurz an, nickte und eilte an ihr vorbei auf die Straße. Völlig von der Rolle wollte es mir nicht gleich gelingen, mein Bike zu starten, doch dann fuhr ich endlich los. Nur noch weg...

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TamSangs Profilbild TamSang

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Kapitel: 12
Sätze: 3.297
Wörter: 41.806
Zeichen: 232.326

Kurzbeschreibung

Seit ihrer Kindheit sind Sai und Steffen die besten Freunde und unzertrennlich. Gemeinsam gehen sie durch dick und dünn, bis zu dem Zeitpunkt, an dem Steffen sich von Sais Cousine trennt. Immer seltsamer wird Steffens Verhalten und Sai versucht dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Er findet jedoch keine Ursache für Steffens Veränderung. Und dann geschieht etwas, das Sai vollkommen aus der Bahn wirft. Es ist jener Tag, an dem Steffen ihn küsst.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Entwicklung auch in den Genres Liebe, Erotik und Freundschaft gelistet.