Autor
|
Bewertung
Statistik
Kapitel: | 38 | |
Sätze: | 70.882 | |
Wörter: | 913.670 | |
Zeichen: | 5.420.544 |
Clay
Es lief nicht besonders gut. Ich stand schon viel zu lange dort, und langsam ging es mir auf den Geist. Das Junkiemädchen neben mir war auch schon ungeduldig. Vielleicht hatte sie zu lange keinen Schuss mehr, oder es war ihr erster Deal, und sie hatte Angst vor der Polizei. Je länger man warten muss, umso mehr Zeit haben die Bullen, einen zu entdecken.
Ich sah sie eine Weile von der Seite an und versuchte abzuschätzen, was in ihr vorging. Sie sah noch nicht so besonders abgerissen aus, deshalb vermutete ich eher, dass es ihre Angst war, die sie nervös hin und her laufen ließ. „Was ist jetzt?" fragte sie mich schon wieder, „Wann kommt der endlich?" „Ich habe keine Ahnung", erklärte ich ihr nochmal und zündete mir eine Zigarette an.
Sie betrachtete mich skeptisch. Vielleicht glaubte sie mir nicht. Vielleicht dachte sie plötzlich, ich wollte sie abziehen. Aber ich hatte wirklich keine Ahnung. Sergej war sonst immer zuverlässig. Es kam nur äußerst selten vor, dass er mich warten ließ.
Junkiemädchen wusste das aber nicht. Sie nahm all ihren Mut zusammen und starrte mich wütend an. „Hör mal, du Arsch, wenn du mich verarschen willst...!" fauchte sie mich an. Ich hob langsam, beschwichtigend die Hände und musste mich anstrengen, um nicht zu lachen. Jetzt war ich sicher, dass es ihr erster Deal war. Und dass ihre Nervosität zusammen mit ihrer Angst zunehmen würde, je länger wir noch warten mussten.
„Hör zu, ich ruf ihn mal an", schlug ich ihr vor und kramte nach meinem Handy in der Innentasche meiner Jacke. Sie sah mich an, dankbar, dass endlich etwas passierte. Ich lächelte sie charmant an und drehte mich von ihr weg. Ich musste die Nummer von Sergej eintippen und ich wollte nicht, dass sie mich dabei beobachtete. Aber sie ließ sich nicht so einfach abschütteln, kam um mich herum und schaute mir neugierig beim Tippen zu. Ich fand sie plötzlich äußerst überflüssig.
Aber dann dachte ich an das Geld, das ich mit ihr verdienen würde, die shore, und deshalb beschloss ich, ihre Aufdringlichkeit hinzunehmen. Ich versuchte sogar zu lächeln. Sie lächelte zurück, was mich sehr überraschte, wo sie mich doch vor einer Minute noch einen Arsch genannt hatte.
Ich tippte die Nummer schnell und hob mein Handy an mein Ohr. Sergej war fast augenblicklich in der Leitung. „Ich bin's, Clay, was ist los, ich warte!" erklärte ich ihm. Ein Blick auf die Uhr des Handys verriet mir, dass ich tatsächlich schon eine halbe Stunde auf ihn wartete, was wirklich verdammt lang war. „Ich muss auch noch warten, zehn Minuten", meinte Sergej in seinem ukrainischen Akzent. „Okay", bestätigte ich und drückte den Knopf fürs Auflegen.
Junkiemädchen sah mich neugierig an. „Höchstens noch zehn Minuten", versicherte ich ihr und zog an meiner Marlboro. Ihr Blick wurde wieder skeptisch. „Er kommt bestimmt, keine Angst", versuchte ich, sie zu beruhigen. Sie schnaufte verächtlich und zündete sich eine Zigarette an.
Ich betrachtete sie noch eine Weile. Sie drehte sich von mir weg und lief ein Stück Richtung Friedhof. Sie sah eigentlich recht gut aus, fiel mir plötzlich auf. Vielleicht würde ich sie später mit zu mir nach Hause nehmen.
Sean
Die Probe war eine Katastrophe gewesen und ich war stinksauer, weil Clay sie wieder einmal geschwänzt hatte. Mir war klar, dass es nur deshalb so ätzend gelaufen war. Clays Rolle war viel zu wichtig, als hätte man sie außer Acht lassen können. Ohne ihn hatten wir uns nur knapp eine halbe Stunde ziemlich ratlos auf der Bühne herumgedrückt und unentwegt gestritten. Dann waren alle wütend abgehauen.
Und ich wusste nicht wohin. Ich hatte keine Lust, nach Hause zu gehen, aber ich musste irgendwohin. Ich trieb mich einige Minuten in der Eule herum. Aber es waren nur Leute dort, die ich nicht sehen wollte, deshalb war ich schnell wieder draußen. Es war auch schon nach sieben und der Abend hatte schon angefangen. Und ich wollte ihn nicht allein verbringen.
Einige Zeit trieb ich mich in der Stadt herum, dann lief ich weiter. Ich rauchte viel und lief noch ein langes Stück. Aber erst, als ich vor dem Haus stand, in dem er wohnte, wurde mir klar, dass ich den Abend mit Clay verbringen wollte. Oder ich wollte ihm eine reinhauen, weil er nicht bei der Probe gewesen war.
Ich lief die Treppen hoch und klopfte gegen seine Tür. Niemand öffnete. Ich trat ein paarmal gegen das Schloss, aber es hielt, seit er es das letzte Mal ausgewechselt und verstärkt hatte. Nach noch ein paar Tritten gegen Tür und Wand ging ich wieder hinunter.
Ich zündete mir eine Zigarette an und guckte mich ein wenig um. Ich hatte keine Lust, wie ein Idiot auf ihn zu warten. Ich wollte ihn nicht mal sehen. Ich hasste ihn. Dann liebte ich ihn und hatte ein bisschen Sehnsucht.
Dann machte ich mich auf den Weg zu Eliza, wo ich ihn vielleicht finden würde. Ich versuchte, mich nicht zu sehr darauf zu verlassen, um nicht enttäuscht zu werden. Ich verfluchte Clay. Ich wünschte mal wieder, ich hätte ihn nie kennengelernt. Dann wollte ich ihn unbedingt sehen und lief schneller. Ich versuchte mir vorzustellen, wie er mich ansehen würde, wenn ich ihn verprügelte.
Eliza
Ich war mit der Arbeit viel früher fertig geworden, hatte jetzt sogar ein paar Tage frei, und das beschloss ich ausgiebig zu feiern. Ich hatte lange gebadet, mich hübsch gemacht, viele Klamotten anprobiert und wieder verworfen, bis ich zum roten Sommerkleid gefunden hatte, obwohl noch Winter war. Ich versuchte, den Abend zu planen, und wog meine Möglichkeiten ab. Ich war noch unschlüssig, ob ich überhaupt Lust hatte auszugehen. Vielleicht würde ich mir einfach nur eine DVD reinziehen und auf der Couch rumhängen. Oder vielleicht würde ich doch noch irgendwas erleben, wenn ich mich aufraffte, das Haus zu verlassen.
Vorsichtshalber ging ich wieder ins Badezimmer und fing damit an, mich zu schminken. Ich machte es mit besonders viel Sorgfalt. Ich träumte ein bisschen herum. Als die Türklingel schellte, war ich gerade mit dem Schminken fertig. Ich lief wie erlöst zur Tür, keine Ahnung warum. Das Klingeln freute mich total. Aus irgendeinem Grund vermutete ich dahinter ein Abenteuer.
Aber es war keins. Es war nur Sean. Vielleicht wird das doch noch interessant, versuchte ich mich aufzubauen. Ich öffnete ihm, und er kam die Treppen hoch gerannt. Völlig außer Atem stand er dann vor mir auf dem Treppenabsatz, ich im Türrahmen, und er fragte: „Ist Clay bei dir?" Ich betrachtete ihn eine Weile lächelnd. Natürlich hatte er mich nach Clay gefragt. Es war Sean Valmont, der außergewöhnlich hübsche Mann aus dem Theater. Er atmete laut vom Rennen und sah verzweifelt aus.
Ich beobachtete ihn eine Weile. Er wurde verlegen und zündete sich eine Zigarette an. Ich beschloss, seine Frage einfach zu ignorieren. „Komm doch rein", lud ich ihn ein, trat zurück und öffnete die Tür weit und einladend. Er zögerte. Er schaute mich überrascht an. Dann siegte seine Sehnsucht, und er kam herein und guckte sich suchend um. „Ist Clay bei dir?" fragte er nochmal. Ich schloss die Tür hinter ihm. Halt doch einfach den Mund, dachte ich.
Sean war sehr attraktiv, es war eine Freude ihn anzusehen. Leider war er so durch und durch schwul und so hoffnungslos verliebt in Clay Banton, dass es mir schwer fiel, mir noch irgendetwas vorzustellen.
Ich seufzte und ging ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher anschaltete. Es war noch früh am Abend, dachte ich, ich konnte immer noch einfach die Tür aufmachen und hinausgehen. Ich setzte mich auf das Sofa und klopfte neben mich. Dabei sah ich Sean auffordernd an, der nun im Türrahmen stand und maßlos enttäuscht war. Man sah ihm förmlich an, wie seine Hoffnung verpuffte, als ihm klar wurde, dass Clay sich nicht in meiner Wohnung aufhielt.
Ich grinste ein bisschen und zappte dann durch die Kanäle. Sean ließ sich zögernd neben mir nieder. „Hast du eine Ahnung, wo er ist?" fragte er mich mit seiner attraktiven, sanften Stimme. Er sah müde aus. Resigniert. Ein Mann, der schon lange auf der Suche war. „Nein, ich habe keine Ahnung!" sagte ich mit Nachdruck. Eigentlich sollte Sean langsam wissen, dass ich mich nicht mehr für Clay Banton interessiere, dachte ich. „Du solltest wissen, dass Clay mich nicht mehr interessiert!" warf ich Sean dann vor. Er lächelte müde und zog an seiner Kippe. „Natürlich interessiert er dich noch!" meinte er amüsiert.
Ich musste ihm recht geben. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, noch länger in der Wohnung zu sitzen. Der Gedanke an Clay drückte meine Stimmung. Ich wollte nicht an ihn denken. Ich wollte überhaupt nicht denken. „Willst du mit mir schlafen?" fragte ich Sean spontan und wünschte mir, ich wäre betrunken. Sean starrte mich irritiert an und stand abwehrend auf. „Nein", versicherte er mir dann, schwankend zwischen Spott und Entrüstung, „Nein, das will ich wirklich nicht!"
Selbstverständlich wusste ich das. Ich hatte nur so gefragt. Ich hatte gefragt, weil ich etwas erleben wollte nach den anstrengenden Wochen im Krankenhaus. Aber eigentlich war ich langsam zu alt, um noch an Wunder zu glauben.
Clay
Sergej tauchte endlich auf und alles lief dann doch noch glatt. Ich sah ihn schon von Weitem und forderte das Junkiemädchen auf, mir ihr Geld zu geben. Sie tat es zögernd, immer noch ängstlich. Immer noch auf der Hut vor mir, vor meinem Betrug. Dabei habe ich noch nie jemanden wirklich abgezogen. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern.
Ich gab Sergej einen Teil ihres Geldes, den Rest stecke ich mir ein, ohne dass sie es mitbekam. Obwohl sie uns aus einiger Entfernung die ganze Zeit misstrauisch beäugte. Es ging dann aber zu schnell, viel zu routiniert für ihre Anfängeraugen. Sie bekam ihren Teil der shore, der Rest war für mich. Ich betrog sie, ohne dass sie es merkte, und darin besteht auch die größte Kunst bei dieser ganzen Geschichte. Dass am Ende alle zufrieden sind und ich meinen Gewinn eingesackt habe. So war es letztendlich auch diesmal.
Und ich fragte mich langsam, was ich mit dem angebrochenen Abend noch anfangen sollte. Das Junkiemädchen wollte sich in die Büsche verdrücken zum Konsumieren und ich ergriff die Gelegenheit und fragte sie spontan: „Hör mal, willst du nicht mit zu mir kommen? Ist doch gemütlicher, als hier im Gebüsch!" Ich lächelte charmant und fast ohne Hintergedanken. Sie war nicht mehr ängstlich jetzt, sie war tatsächlich zufrieden mit ihrem pack, ohne hineingesehen zu haben. Ich lächelte noch ein bisschen.
Sie nickte schließlich. „Darf ich mir bei dir einen Knaller machen?" wollte sie wissen. „Klar darfst du das!" versicherte ich ihr, und dann ging ich schon vor zu meinem Auto. Sie folgte mir völlig arglos. Sie dachte nur noch an die shore. Es war ihr egal, was weiter passierte, wenn sie nur ihren Knaller machen konnte.
Ich stieg in meinen MG. Sie ließ sich neben mir auf dem Beifahrersitz nieder und sagte kein Wort. Ich ließ den Motor an und lächelte weiter. Sie betrachtete mich, zum ersten mal ernsthaft interessiert. „Wie lange bist du schon drauf?" wollte sie nach einiger Zeit von mir wissen. Ich schaltete das Internet-Radio ein, denn ich hatte eigentlich keine Lust auf dumme Konversation. Aber ich war doch bereit, dieses Opfer zu bringen, wie jedes mal. „Ich kann mich nicht erinnern", beantwortete ich ihre Frage leise und drehte die Musik lauter.
Sie kicherte amüsiert. Ich warf ihr einen Blick zu und gab Gas. Sie war wirklich noch sehr jung, sehr unschuldig für ein Junkiemädchen. Und noch ziemlich hübsch, fand ich. Sie ist bestimmt noch nicht lange drauf, vermutete ich. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie wohl im Bett wäre. Diese Vorstellung gefiel mir. Ich fragte mich, ob sie noch Lust auf Sex hätte, nach ihrem Knaller, oder ob das Heroin ihre Lust töten würde. Ich überlegte, ob ich ihn wohl noch hoch kriegen würde, mit so viel shore im Gehirn. Aber eigentlich war mir sogar das egal.
Sean
Ich hielt mich einige Minuten bei Eliza auf und ergriff hastig die Flucht, als sie unerwartet damit anfing, mich anzubaggern. Dieser Umstand irritierte mich maßlos, weil sie mich ansonsten eigentlich immer nur beschimpfte. Ich wollte selbstverständlich keinen Sex mit ihr. Ich wollte noch nicht einmal mehr Sex mit Clay. Ich war sauer auf ihn, weil er nicht aufzutreiben war, weil er nicht bei der Probe gewesen war. Ich überlegte verwirrt, wohin ich nun gehen sollte.
Ich kaufte mir in irgendeinem Laden Hochprozentiges und goss es in mich hinein. Es schmeckte widerlich, wirkte aber nach einer Weile. Ich fühlte mich ziemlich einsam und litt ein bisschen. Dann riss ich mich zusammen und ging ins Stardust. Die Musik war recht gut, und ich tanzte ein wenig und trank ziemlich viel. Später traf ich irgendwann jemanden auf dem Klo und hatte rasend schnellen, fast gefühllosen Sex. Ich erinnere mich kaum. Es war wirklich nicht aufregend. Eigentlich dachte ich die ganze Zeit nur an Clay. Ich war ein verdammter Idiot. Und ich versuchte verzweifelt mich zu erinnern, ob das je anders gewesen war.
Eliza
Sean Valmont sah wie immer so verdammt gut aus, dass mir fast schwindelig davon wurde. Ich versuchte aus irgendeinem Grund verzweifelt ihn anzumachen, ihn irgendwie bei mir zu behalten, aber er ging natürlich nicht darauf ein, sondern bekam es sofort mit der Angst zu tun. Ich versuchte nicht ihn aufzuhalten, als er meine Wohnung fast fluchtartig verließ. Eigentlich ist es besser so, dachte ich. Ich sollte mich wirklich besser im Griff haben. Was zur Hölle wollte ich von Sean Valmont?!
Der Gedanke an Sex mit Sean erschien mir plötzlich wieder genauso abwegig, wie er zweifellos war. Ich überlegte stattdessen, ob ich noch ausgehen sollte. Aber dann war ich doch zu müde von der vergangenen Woche voller Arbeit. So legte ich eine DVD ein und knallte mich mit dem Film Himmel über der Wüste zu, sehr traurig und sehr John Malkovich. Ideal zum Träumen. Ich rauchte zu viel und machte mir zu viele Gedanken. Irgendwann schlief ich auf meiner Couch ein.
Clay
Junkiemädchen war sehr beeindruckt von meiner Wohnung, meinem Atelier und den Bildern an meiner Wand. Und sehr gierig auf ihren Schuss. Sie setzte sich ziemlich bald auf das Sofa an dem niedrigen Tisch und holte aus ihren Jackentaschen all ihre Junkie-Utensilien hervor. Ich setzte mich auf den Sessel und spielte ihr ein paar Songs auf der Gitarre vor, während sie sich ihren Schuss zubereitete. Meine Musik schien ihr zu gefallen, denn sie lächelte mich immer öfter an. Ich lächelte zurück und überlegte, ob ich sie flachlegen wollte.
Ich fühlte mich ein wenig müde. Es war eigentlich eine anstrengende Woche gewesen. Ich hatte einige Auftritte gehabt, zu viele Proben, Malerei, Konzerte, Termine bei der Agentur und beim Label. Ich versuchte dann, nicht mehr an meine Arbeit zu denken, sondern an die Musik, die ich fabrizierte. Ich sang ihr ein paar Songs vor und war erleichtert, dass sie an der Menge der shore nichts auszusetzen hatte. Sie hatte viel zu viel für diese Menge bezahlt, aber das war ihr offensichtlich nicht bewusst.
Sie war noch kein abgefucktes Junkiemädchen, das wusste ich jetzt genau, sie war tatsächlich eine Anfängerin. Ich fragte mich, warum sie mit diesem scheiß Zeug anfangen wollte. Im nächsten Moment war es mir egal. Ich beobachtete sie nur. Ich spielte nur und sang ein paar traurige Texte dazu. Ich lächelte sie an. Ich signalisierte mein Interesse an ihr. Aber nicht zu viel, damit sie nicht jetzt schon einen Grund hatte, mich abzuweisen.
Doch zunächst interessierte sie sich sowieso viel mehr für die shore in ihrer Spritze. Sie band sich ihren dünnen Arm mit ihrem Gürtel ab. Ich hörte auf zu spielen und stellte die Gitarre an ihren Platz. Es war jetzt ganz still. Ich hatte die Deckenfluter extra nur gedimmt. Es war gerade hell genug, damit sie eine Ader finden konnte.
„Willst du denn nicht?" fragte sie mich aufgeregt und deutete einladend auf das aufgeklappte pack auf dem Tisch. „Klar, darf ich?" fragte ich zurück und lächelte charmant und dankbar. Sie nickte. „Natürlich darfst du! Du warst korrekt zu mir, dann bin ich auch nicht geizig, weißt du!?" erklärte sie ernsthaft und stach in ihrem Arm herum, ohne eine Ader zu finden. Ich war nicht halb so korrekt zu ihr gewesen, wie sie dachte. „Dank dir", flüsterte ich und beugte mich nach hinten, um die Rolle Silberpapier hervorzuholen, die aus irgendeinem Grund auf dem Boden hinter dem Sofa lag.
Ich nahm die Rolle, setzte mich an den Tisch, riss ein Stück ab und brannte es mit dem Feuerzeug ab. „Du ballerst nicht?" wollte das Mädchen von mir wissen. Sie brauchte viel Zeit, um in ihrem dünnen Arm eine passende Ader zu finden, was sie aber scheinbar nicht nervös machte. Ihr Arm sah gar nicht zerstochen aus, wie ich mit einem Seitenblick bemerkte. Sie stach also wohl nicht allzu oft in ihre Haut, zumindest nicht in ihren linken Arm. Ich fragte mich, warum sich sich unbedingt auf diese Art verletzen wollte. Irritiert wandte ich mich ab, um nicht mehr hinzusehen, und konzentrierte mich darauf, mit dem kleinen Messer shore auf mein Stück Silberpapier zu schaufeln. Dann nahm ich eins der Zugrohre vom Tisch, die ich alle aus Zeichenpapier, Tesafilm und Alufolie selbst gebastelt hatte.
„Warum ballerst du nicht, wo das doch so viel mehr reinhaut?!" verlangte Junkiemädchen von mir zu wissen. Ich rauchte den ersten Chinesen sehr bewusst, bevor ich ihr antwortete. Ich hielt den Qualm sehr lange in meinen Lungen. Danach guckte ich sie wieder an. Sie hatte inzwischen eine Vene gefunden und drückte sich das Gift langsam in den Körper. Dann lächelte sie mich wieder an, erfreut, so gut getroffen zu haben. Erfreut, weil die shore wirklich gut war. Und das merkte ich auch, schon nach dem ersten Chinesen.
„Ich kann es mir nicht leisten zu ballern", erklärte ich ihr und schaufelte mir den nächsten Chinesen aufs Papier. „Was soll das denn heißen?" kicherte sie verständnislos, offensichtlich jetzt ziemlich angetörnt vom Rauschgift, von der Situation. Vielleicht auch von mir, dachte ich einen Moment lang und musste grinsen. Es ging mir wirklich gut, die shore war klasse. „Ich kann keine Einstiche haben. Ich bin Schauspieler!" setzte ich ihr auseinander, während ich noch einen rauchte. Ich zündete mir eine Marlboro dazu an. Dann rauchte ich noch einen.
Sie reagierte auf meine Tätigkeit genauso, wie fast alle reagieren, wenn sie mich noch nicht kennen. „Du bist ein Schauspieler? Echt?" rief sie überrascht. Ihr Interesse war definitiv geweckt. Sie betrachtete mich nun ganz offen. Ich lächelte und legte mir noch einen auf. Ihr pack war schon fast leer. Aber Sergejs shore war echt gut zur Zeit. Die Menge reichte aus, um uns beide zufriedenzustellen.
Und das Mädchen hatte jetzt auf einmal viel mehr Interesse an mir, als am Gift. Sie zog sich die gun aus dem Arm und wusch sie in ihrer Wasserflasche aus. Dann packte sie alles wieder ein und schaute mich an. „Was spielst du denn so für Rollen?" fragte sie ehrlich interessiert. „Nur im Theater", wiegelte ich ab und legte das Zugrohr und das Messer zurück auf den Tisch. „Wieso nur!?" meinte sie und sah sich neugierig in meinem Wohnzimmer um. „Von wem sind diese Bilder?" wollte sie wissen und deutete auf die Zeichnungen und Gemälde an den Wänden. „Die sind richtig toll!" setzte sie beeindruckt hinzu. „Die sind von mir", gab ich zu, und dann stand ich auf. Sie lachte auf. „Du bist also auch ein Maler!" stellte sie fest, ganz offensichtlich bewundernd.
Ich ging langsam ins Badezimmer, schloss die Tür und pinkelte mühsam. Dann wusch ich mir die Hände und betrachtete mich einige Zeit im Spiegel. Es war ein so alltägliches Spiel. Es begann mich zu langweilen. Ich fragte mich, warum ich sie wohl mit hierher genommen hatte. Wollte ich wirklich noch Sex mit ihr? Die gute shore machte mich extrem träge, auch in sexueller Hinsicht. Die Aussicht, mit dem Junkiemädchen zu schlafen, erregte mich kaum noch. Die Gewissheit, dass sie mich offenbar bewunderte, langweilte mich plötzlich. Sie war keine Herausforderung mehr. Sie würde wahrscheinlich alles mit sich machen lassen.
Sean
Ich torkelte ein wenig, als ich endlich das Stardust verließ. Mein Kopf dröhnte ziemlich. Es war schon dunkel draußen, aber nicht kalt, eigentlich ziemlich warm für März. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Im Stardust spielten sie nur noch Schwuchtelmusik, es waren nur noch Tunten dort, deshalb ging ich weg. Ich wusste immer noch nicht wohin. Ich wollte jetzt nicht allein zu Hause sein, auch nicht meine Wohngefährten treffen. Ich wollte immer noch bei Clay sein. Aber ich hatte keine Lust, den ganzen langen Weg zurück zu seinem Haus zu laufen, denn das Laufen fiel mir schwer und alles drehte sich.
Ich landete schließlich stattdessen irgendwie im Stadtpark, setzte mich auf eine Bank, unter eine Laterne. Ich saß eine Weile dort und versuchte nachzudenken. Dann kam ein Pärchen vorbei und ich rannte weg. Ein Stückchen weiter drin im Park setzte ich mich auf eine andere Bank, die völlig im Dunkeln lag. Ich versuchte, nicht mehr an Clay zu denken. Ich wartete eine Weile, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Dann nahm ich mein Handy und tippte seine Nummer ein. Ich legte wieder auf. Dann wählte ich nochmal seine Nummer. Endlich hob ich mein Handy an mein Ohr und wartete mit klopfendem Herzen. Es dauerte viel zu lange, bis er dranging. „Ja?" rief er. Ungeduldig. Ich habe ihn bei irgendwas gestört, dachte ich, mit wem er wohl jetzt gerade zusammen ist? Ich fragte mich, wer bei ihm war, und wurde ziemlich eifersüchtig. „Ich bin's", überwand ich mich dann zu sagen. Mein Hals war wie zugeschnürt. Ich hustete und betete, dass Clay mich erkennen würde. Dass er jetzt nicht nachfragen würde, wer dran sei.
Es war lange Zeit still und da wusste ich, dass er mich tatsächlich sofort erkannt hatte. Wahrscheinlich hatte er aber einfach nur vor dem Abnehmen auf sein Handy-Display geguckt und dort meinen Namen längst gelesen.
„Was gibt's?" durchbrach er das Schweigen. Er hörte sich müde an, beinahe gelangweilt. Aber er hatte mich sofort erkannt. Vielleicht denkt er an mich, baute ich mich innerlich auf. „Nun... ähm... was machst du?" fragte ich ihn betont fröhlich. Mein Herz klopfte laut. Ich versuchte, nicht zu betrunken zu klingen. Ich konnte Clay lachen hören. Solange er sich noch amüsiert, ist alles in Ordnung, beruhigte ich mich. Clay holte tief Luft. „Ich ficke ein Junkiemädchen", kicherte er verwegen in den Hörer. „Was?" entfuhr es mir entsetzt. Clay lachte laut. Ich fragte mich, ob er das nur gesagt hatte, um mir wehzutun, oder ob er tatsächlich mit einem Mädchen zusammen war. „Es geht dich verdammt nochmal nichts an, was ich mache, Valmont!" fauchte Clay nun und hörte auf zu lachen. Ich wusste nichts mehr zu sagen.
Eine lange Weile war es wieder still. Ich konzentrierte mich darauf, ihn atmen zu hören. Ich versuchte mir vorzustellen, wie er wohl gerade aussah, welche Klamotten er trug. Dann musste ich irgendwas sagen, deshalb fragte ich ihn: „Warum warst du nicht bei der Probe heute?" Er reagierte mit einem genervten Schnaufen, dann meinte er cool: „Du bist betrunken, Sean." und legte einfach auf.
Ich starrte noch eine Weile in die Dunkelheit, das Handy immer noch in der Hand. Ich sagte ein paarmal seinen Namen hinein. Ich fragte ihn, ob er mich liebte. Die Leitung war längst tot und natürlich bekam ich keine Antwort mehr. Ich weinte ein bisschen und steckte mein Handy wieder ein. Dann bemitleidete ich mich noch einen Moment lang selbst. Später kriegte ich mich wieder ein, zündete mir eine Zigarette an und legte mich auf die Bank.
Clay
Nach einem merkwürdigen Telefongespräch mit Sean Valmont in meinem Badezimmer verspürte ich plötzlich doch wieder die Lust, mit dem Junkiemädchen zu schlafen. Ich sagte mir, warum eigentlich nicht, wenn sie schon mal da ist.
Als ich aus dem Badezimmer kam, war sie gerade dabei, sich einen zweiten Knaller zu verabreichen. Ich warf einen Blick auf den Tisch und bemerkte, dass ihr pack nun leer war. Ich lächelte und nahm die Fernbedienung, um ein bisschen Musik anzumachen. Ich wählte ein ruhiges Album von Genesis und stellte es auf Endloswiedergabe. The Carpet Crawlers, wie geschaffen für Zärtlichkeiten und bei den Frauen normalerweise sehr beliebt.
Dann bewegte ich mich vorsichtig auf sie zu und setzte mich dicht neben sie auf das Sofa. Aber meine Vorsicht war unnötig, denn der zweite Schuss knallte bei ihr so stark rein, dass sie tatsächlich nach hinten fiel, die Augen schloss und „Wow" murmelte, oder so etwas. Einen Moment lang kämpfte ich mit aufkommender Panik. Ich befürchtete, dass sie womöglich eine Überdosis erwischt hatte, und ich hatte dann den Ärger mit halbtoten oder toten Menschen in meiner Wohnung, worauf ich echt nicht besonders abfuhr. Aber sie murmelte: „Das haut voll rein." und da wurde mir klar, dass sie tatsächlich nur extrem zugeknallt war.
Erleichtert legte ich meine Hand auf ihr Knie. Sie schien es nicht zu bemerken. Sie lag auf dem Rücken, auf dem Sofa in meinem Wohnzimmer und hatte ihre Augen geschlossen. Sie fühlte sich sichtlich wohl. Sie genoss ihren Trip in vollen Zügen. Die Nadel hing immer noch in ihrem Arm, was mich ein bisschen beunruhigte, als ich es bemerkte.
Ich zündete mir noch eine Marlboro an und beobachtete sie eine Weile. Ich beschloss, noch ein wenig zu warten. Ich fragte mich, ob sich dieser Aufwand auch wirklich lohnen würde. Ich fühlte mich ziemlich vollgedröhnt von der shore. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn überhaupt noch hochkriegen würde in dieser Situation. Aber eigentlich war das auch gar nicht so wichtig, dachte ich dann.
Das Junkiemädchen brauchte ein paar Minuten, um sich wieder einzukriegen. Dann richtete sie sich auf, lächelte mich glücklich an und zog sich endlich die gun aus dem Arm. Sie leckte sich das Blut ab, säuberte ihre Spritze in ihrer Wasserflasche, fädelte ihren Gürtel zurück in ihre Jeans und zog ihre Jacke aus. Dann verstaute sie ihre Sachen wieder in ihrer Jackentasche.
Endlich wandte sie sich mir zu. „Du bist also ein richtiger Künstler, was?" fragte sie mit leicht schleppender Stimme. Ihre Augen waren grün mit winzigen Pupillen. Sie war mindestens zehn Jahre jünger als ich. Sie sah aber immer noch recht gut aus. Ich beschloss also, es zu wagen. „Nicht wirklich", gab ich mich bescheiden, drückte meine Kippe im Aschenbecher auf dem Tisch aus und rückte noch näher an sie heran. Sie lächelte verwundert, aber nicht abgeneigt. Ich streichelte ihr vorsichtig über den Kopf. Ihre Haare waren dunkelrot und reichten ihr weit bis über die Schultern. Ihr Haar fühlte sich gut an, richtig weich.
Ich streichelte sie weiter und wartete auf ihre Reaktion. Sie war zu verwundert und viel zu stoned, um sofort auf meine Annäherungsversuche zu reagieren, deshalb ließ sie mich eine Weile gewähren. Ich streichelte ihre Wange. Ich versuchte, ihren Hals zu küssen. Sie roch nach einem billigen Deodorant und nach Schweiß, aber nicht allzu schlecht. Genau genommen sogar ziemlich antörnend.
Aber irgendwann zuckte sie plötzlich von mir weg. Ich zog mich zurück und lächelte entschuldigend. „Hey, Moment mal, warte mal", sagte das Junkiemädchen träge, und sah mich verwirrt an, „Was soll das denn eigentlich? Was machst du da?" Sie hörte sich nicht wirklich entrüstet an, nur schüchtern, deshalb machte ich mir keine Sorgen. „Was hast du denn vor?" setzte sie noch hinzu. „Ich weiß nicht, sag du es mir!" forderte ich sie heraus. Sie betrachtete mich eingehend.
Ich lächelte weiter, und ich fand sie automatisch immer begehrenswerter, je mehr sie sich zurückzog. „Hör mal! Ich habe einen Freund!" betonte sie jetzt. „Das stört mich nicht", erwiderte ich grinsend. Sie lachte nervös auf. Ich lachte auch und rückte wieder näher zu ihr, was sie geschehen ließ. „Machst du das immer so?" wollte sie wissen, während ich erneut damit anfing, ihr weiches Haar zu streicheln. „Was denn?" flüsterte ich. „Dass du Leute mit in deine Wohnung nimmst, damit sie deine Drogen konsumieren können, und dann legst du sie flach?" fragte sie mich lauernd und schob mich halbherzig von sich weg. „Nein", behauptete ich und schaute sie an. „Ich will dich nicht flachlegen", versicherte ich ihr. „Warum dann das alles?" begehrte sie verständnislos auf.
Sie wollte aufstehen, um sich mir zu entziehen. Ich hielt sie am Arm zurück. „Ich will doch nur ein bisschen Nähe", erklärte ich ihr sanft. Sie blieb sitzen und starrte mich verwirrt an. Dann lächelte sie endlich. „Was? Nähe?" kicherte sie amüsiert. „Ja, ich mag dich. Du gefällst mir. Was ist daran verkehrt?" sagte ich, und dann küsste ich sie spontan. Sie wehrte sich erst ein bisschen, dann wurde ihre Gegenwehr geringer. Sie fiel tatsächlich zurück, und ich kam halbwegs auf ihr zu liegen, und wir küssten uns noch weiter. Ihre Lippen waren sehr weich. Sie fühlte sich wahrhaftig gut an. Sie war warm und zärtlich. Sie wehrte sich nicht mehr. Sie hatte sich nie wirklich gewehrt.
Eliza
Als ich aufwachte, war es schon weit nach elf und dunkel im Zimmer. Der Film war längst zu Ende. Der Bildschirm war leer. Ich ärgerte mich, dass ich eingeschlafen war und diesen Abend schon wieder so sinnlos vergeudet hatte.
Aber dann wurde mir klar, dass ich höchstwahrscheinlich auch draußen nichts wirklich Aufregendes erlebt hätte. Es gab einfach scheinbar nichts mehr, was mir nicht schon hinreichend bekannt war. Ich fühlte mich viel zu alt, als könnte mich noch irgendetwas überraschen. Der Gedanke frustrierte mich eine Weile.
Dann stand ich auf und schaltete das Licht ein. Ich ging aufs Klo und sah mir mein Gesicht im Spiegel an. Die Schminke war verschmiert und ich wusch sie ab. Dann ging ich in mein Zimmer, um einige Sätze in mein altmodisches Tagebuch zu schreiben. Ich schrieb einige Zeit, dann hörte ich Rowina nach Hause kommen. Ich schob mein Tagebuch zurück in den Schrank und ging ihr im Flur entgegen.
Sie sah fröhlich aus. Perfekt gestylt. Eine Frau, die einen perfekten Abend erlebt hat. Aber nein, sie war allein nach Hause gekommen. Also hatte doch nicht alles geklappt, freute ich mich gehässig. Außerdem war es viel zu früh für Rowina, um nach Hause zu kommen. „Na, wie war's?" fragte ich. Sie verzog das Gesicht und ging ins Badezimmer. „Wie schon!" meinte sie verächtlich. Ich konnte sie pinkeln hören. „Wo warst du? Habe ich was verpasst?" fragte ich weiter. Rowina zog das Klo ab, wusch sich die Hände, dann kam sie zu mir und nahm mich in den Arm, was mir sehr gut tat.
„Ich war im Stardust", erzählte sie mir dann, während wir in die Küche gingen. „Was? In dieser Tuntendisco?" entfuhr es mir. Sie lachte und fing damit an, sich einen Toast zuzubereiten. „Ja, und du hast nichts verpasst", meinte sie. Ich setzte mich an den Küchentisch. Ich überlegte, ob ich Hunger hatte. „Weißt du, wen ich dort gesehen habe?" fragte Rowina augenzwinkernd und holte ihren Toast aus dem Toaster, um ihn mit Margarine zu bestreichen. „Wen?" wollte ich wissen, nicht wirklich interessiert, oder vielleicht doch. „Sean Valmont!" eröffnete Rowina mir.
Sie ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Ich war mit Rowina völlig einer Meinung, dass Sean ein extrem begehrenswerter, verdammt hübscher Mann war. Aber es überraschte mich absolut nicht, dass sie ihn in einer Männerdisco gesehen hatte. „Ach wirklich!" rief ich deshalb aus. „Weißt du, was er gemacht hat?" spielte Rowina ihr Spiel weiter. Ich schenkte mir eine Antwort, weil sie sowieso fast platzte, bis sie es mir endlich erzählen konnte. „Er ist tatsächlich mit Eric Dentor aufs Klo gegangen, stell dir das vor!" eröffnete sie mir aufgeregt.
Aber ich war nicht halb so entrüstet wie sie. „Du hast ihn also die ganze Zeit beobachtet, was?" stellte ich fest. Sie nickte nur. „Dieser Typ ist ein schöner Anblick", meinte sie achselzuckend, „Aber dass er mit Dentor mitging, hat mich ziemlich angewidert." Ich grinste, denn ich fühlte mich von dieser Information kein bisschen angewidert. Im Gegenteil. Ich fand die Vorstellung irgendwie aufregend.
„Bist du dir sicher, dass die beiden zusammen aufs Klo gegangen sind?" hakte ich interessiert nach. Sie bestätigte das mit Nachdruck, legte eine Scheibe Käse auf ihren Toast und setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. Ich sah sie eine Weile an. „Er war hier", informierte ich sie dann. „Wer? Sean?" fragte sie sofort. Ich nickte. „Und?" lechzte Rowina nach einer Sensation. Aber ich konnte ihr keine liefern. „Nichts und. Er hat natürlich nur nach Clay gefragt, nichts weiter! Also vergiss es!" machte ich ihr klar.
Rowina seufzte enttäuscht und biss in ihren Toast. Dann sagte sie mit vollem Mund: „Ich verstehe einfach nicht, was jemand an diesem blöden Macho finden kann. Clay Banton ist doch der hinterletzte Arsch!" Sie lächelte mich grimmig an. „Zum Glück seid ihr nicht mehr zusammen!" setzte sie dann mit Nachdruck hinzu. „Ja", erwiderte ich nur, stand auf und ging zurück in mein Zimmer.
Plötzlich musste ich an Clay denken. Meine Zeit mit ihm. Einige sehr erotische Situationen. Lustige Situationen. Ich hatte keine Ahnung, warum ich auf einmal so traurig war.
Clay
Ich war mit dem Junkiemädchen nur wenig vorangekommen. Sie lag halbwegs unter mir. Ich küsste ihren Hals, und ich tastete mit meiner Hand nach ihren kleinen Brüsten und zwischen ihre Beine. Ich versuchte, die Knöpfe ihrer lila Jeanshose zu öffnen. Sie streichelte sacht meinen Rücken unter meinem Hemd. Ich bekam keinen Ständer und versuchte verzweifelt, mich mehr zu konzentrieren. Sie fühlte sich gut an, und eigentlich hätte sie mich mehr antörnen müssen, dachte ich nervös.
Meine Hand war dann irgendwann an ihrer Unterhose und versuchte ihre Jeans runter zu schieben. Das klappte nicht wirklich gut. Ich konnte mit meinen Fingern kaum den Ansatz ihrer Schamhaare fühlen, da hielt sie auch schon energisch meine Hand fest. Ich sah fragend in ihr Gesicht. Sie öffnete ihre dichten Heroin Augen und schüttelte hastig den Kopf. „Nein, hör auf damit! Ich möchte das nicht!" behauptete sie viel zu laut.
Ich nahm ihr das aber nicht ab. Ich fragte mich, was zum Teufel ihr plötzlich diese Skrupel verursachte, wo wir doch inzwischen schon recht lange auf dem Sofa rummachten. „Ach, komm schon", versuchte ich es und tastete mit meiner Hand wieder zwischen ihre Beine, die sie jetzt abwehrend zusammenkniff. „Ich habe Nein gesagt!" rief sie daraufhin und schubste mich gewaltsam von sich weg.
Ich seufzte enttäuscht und setzte mich langsam auf. „Das fühlt sich doch gut an. Du fühlst dich gut an", setzte ich ihr auseinander, aber sie zog sich ihre Kleidung zurecht und stand auf. „Ich muss jetzt gehen", meinte sie nur, nahm ihre Jacke und ging in die falsche Richtung davon. Ich hatte Mühe damit, so schnell aufzustehen, denn ich war ziemlich zugeknallt.
Ich lief ihr hinterher in die Küche und versuchte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mir wurde erst jetzt bewusst, wie verdammt stoned ich von diesen paar Chinesen war. Ich dankte Sergej in Gedanken dafür, dass seine shore zur Zeit so gut war. Ich freute mich schon auf das abgezockte pack in meiner Jackentasche. Aber zuerst wollte ich noch unbedingt dieses kleine Mädchen haben.
Sie verlief sich in die Küche und schaute sich verwirrt in dem dunklen Raum um. Ich stand im Türrahmen und lächelte sie an. Sie sah plötzlich genervt aus. „Komm schon, zeig mir den Ausgang!" verlangte sie von mir. „Warum willst du denn schon gehen?" fragte ich ganz sanft. Sie konnte mir diese Frage nicht beantworten. „Lass mich gehen!" meinte sie nur drohend, drückte sich an mir vorbei und schubste mich weg, als ich nach ihr greifen wollte.
Dann lief sie in die andere Richtung, die Treppe hinauf ins Atelier. Ich folgte ihr. Auch hier war es dunkel, aber durch die Oberlichter schien der Mond herein. „Verdammt!" fluchte das Junkiemädchen, als sie registrierte, dass sie den Ausgang nicht finden konnte. „Das bedeutet, dass du noch hierbleiben sollst", erklärte ich ihr leise.
Sie stieß verächtlich die Luft aus und kam ganz dicht an mich heran. Sie war viel kleiner als ich, aber schaute drohend zu mir auf. „Hör gut zu, du Dealer. Ich bin mit dir mitgegangen, weil ich mir einen Knaller machen wollte. Ich bin dir dankbar, dass du mich nicht betrogen hast. Aber das war's dann auch. Und jetzt möchte ich gehen!" erklärte sie mir mühsam beherrscht. Ich strich ihr ganz sanft über den Kopf. Ich küsste sie flüchtig auf die Wange. „Ich finde das echt schade", versuchte ich ihr klar zu machen, „Ich würde gerne noch länger mit dir zusammen sein." Sie holte tief Luft. „Du meinst wohl, du würdest gerne mit mir schlafen!" fauchte sie aggressiv und stieß mich wieder weg. Ich verlor das Gleichgewicht und taumelte rückwärts. Es fiel mir schwer, nicht die Treppe hinunterzufallen. Das Junkiemädchen war schon wieder unten im Wohnzimmer und versuchte angestrengt, sich zu orientieren.
Langsam fing sie an, mich zu nerven. Ich wollte sie aus irgendeinem Grund jetzt unbedingt, deshalb ging ich ihr nach und griff sie einfach an. Ich handelte völlig spontan, ohne darüber nachzudenken. Ich umschlang sie fest und riss sie mit mir hinunter auf den Boden. Ich wünschte, die shore hätte sie noch dichter gemacht, dachte ich nur, dann wäre ihre Gegenwehr nicht so stark. Ich wünschte mir, das Junkiemädchen würde damit aufhören, so laut zu schreien.
Ich hielt ihr eine Weile den Mund zu und kam schließlich auf ihrem Bauch zu sitzen. Natürlich hatte sie keine Chance gegen mich. Als sie anfing zu weinen, nahm ich meine Hand von ihrem Mund und küsste ihr Gesicht und ihre Augen. „Bitte bleib doch. Bitte bleib doch noch ein bisschen", flüsterte ich ihr ins Ohr und streichelte sie über den Kopf. Sie lag nun ganz still unter mir. Ich legte mich vorsichtig auf sie drauf und schaute sie ziemlich lange an. Sie erwiderte meinen Blick und hörte auf zu weinen. Dann streichelte sie plötzlich über meine Augenbrauen. „Ist schon gut", flüsterte sie und liebkoste tatsächlich mein Gesicht. Ich bekam von dieser zarten Berührung plötzlich eine Gänsehaut und fast augenblicklich eine Erektion, was mich wahrhaftig überraschte.
Sie merkte das sofort, weil ich so dicht auf ihr lag. Sie lächelte merkbar amüsiert, und ich küsste sie ziemlich heftig, was mich unwillkürlich sehr erregte. Das Mädchen wehrte sich jetzt nicht mehr. Sie wurde sogar richtig fordernd und leidenschaftlich. Sie drängte mich wohl von sich herunter. Ich lag plötzlich neben ihr, ohne dass mir dieser Stellungswechsel richtig bewusst wurde. Sie griff mir ungeniert zwischen die Beine. Ich seufzte ein bisschen, als sie die Knöpfe meiner schwarzen 501 öffnete. Ich drängte ihr entgegen und stöhnte leise an ihrem Hals. Ich sog jetzt ihren Geruch gierig in mich auf.
Ich wurde echt angemacht von diesem Junkiemädchen. Ihre zarte Berührung an meinem harten Schwanz überwältigte mich nahezu. Sie streichelte ihn sehr vorsichtig. Ich wollte unter ihrem T-Shirt und dem Hemd nach ihrem Busen greifen, aber ihr BH war noch dazwischen, und ich bekam ihn nicht auf. Sie bewegte ihre Hand jetzt fest und schnell, was mich sofort immens aufgeilte. Meine Augen fielen zu, ich stöhnte wohl ein bisschen. Sie tat mir so verdammt gut. Ich war erregt, zugeknallt und zufrieden. Ich genoss ihre Nähe und ihre gezielten Zärtlichkeiten.
Ich hatte keine Gedanken mehr, nur noch angenehme Gefühle. Ich sah sie nicht an, denn meine Augen waren geschlossen. Deshalb konnte ich auf ihren Angriff nicht gefasst sein. Und ihr Angriff war äußerst brutal. Sie richtete sich urplötzlich auf, sprang auf die Beine und trat mit voller Kraft in meine Eier. Dies war ein verdammt heftiger, völlig unerwarteter Schmerz. Ich schrie gequält auf und versuchte voller Panik, diese empfindliche Stelle mit meinen Händen zu schützen.
Im gleichen Moment rannte sie schon zur Tür. „Du bist so ein dummes Arschloch, Dealer!" schrie sie mir zu und lachte gehässig. Schon drehte sie sich zum Ausgang, riss die Tür auf und rannte in wilder Hast die Treppen hinunter. Die Wohnungstür ließ sie weit offen stehen.
Ich lag geschockt und wie betäubt auf der Seite. Ich rollte mich zusammen und versuchte den Schmerz zu verarbeiten, der kaum schwächer wurde. Ich zwang mich, nicht zu kotzen. Die Musik lief immer noch. Ich lag eine Weile reglos da, und dann fing ich an zu weinen.
Eliza
Ich schrak plötzlich auf, weil es sehr laut donnerte und der Regen an das Fenster meines Zimmers prasselte. Ein Blick auf die Leuchtziffern meines Weckers verriet mir, dass es kurz nach drei Uhr nachts war. Ich lag im Bett, nur mit Unterwäsche bekleidet. Ich starrte zur Decke und versuchte wieder einzuschlafen. Aber es war zu laut, ich hatte zu viele Gedanken im Kopf.
Es dauerte einige Minuten, bis ich dieses Geräusch registrierte, was nicht vom Gewitter stammte. Es war ein Klopfen gegen mein Fenster, in unregelmäßigen Abständen. Ich dachte nur einen Moment darüber nach. Wenn jemand Steine gegen mein Fenster warf, dann konnte es nur Clay Banton sein.
Eigentlich war ich nicht sehr überrascht. Ich überlegte, ob ich ihn sehen wollte. Ich fragte mich, ob ich ihn nicht lieber ignorieren sollte. Das wäre schlauer, mahnte ich mich. Aber das Klopfen hörte nicht auf, er war wie immer wahnsinnig hartnäckig. Und ich fühlte mich ein bisschen einsam und hatte ein wenig Sehnsucht nach ihm. Trotzdem dauerte es noch eine lange Zeit, viele kleine Steine, die an mein Fenster hämmerten, bis ich mich endlich dazu entschloss, aufzustehen und zum Fenster zu gehen.
Ich schaute hinunter. Und genau wie erwartet, stand Clay unten auf der Straße, direkt unter meinem Fenster. Als er mich sah, ließ er den Stein in seiner Hand, den er wohl gerade werfen wollte, wieder fallen. Er stand nur dort im Regen, in den sich Hagel mischte, und er starrte zu mir hoch. Ich betrachtete ihn von oben, und er tat mir augenblicklich leid. Ich wollte nicht, dass er mir schon wieder leidtat, aber ich war machtlos dagegen. Dieser Mann stand dort unten ganz allein. Der Regen prasselte hart auf ihn herunter und die Blitze zucken um ihn herum.
Es donnerte nochmal laut, aber er blieb völlig reglos. Das Licht der Straßenlaterne leuchtete ihn gerade genug an, damit ich seinen Blick erkennen konnte, der bewegungslos auf mich gerichtet blieb. Ich fragte mich, warum zum Teufel er schon wieder so verzweifelt aussah. Und warum mir das schon wieder so naheging.
Ich zögerte noch einmal ziemlich lange. Dann winkte ich ihn endlich zur Haustür. Er machte sich augenblicklich auf den Weg. Ich konnte nicht erkennen, ob er anfing zu lächeln. Ich wollte sein schönes Lächeln gerne wiedersehen. Ich wollte mich in mein Bett verkriechen und die Decke über mich schlagen. Ich wollte ihn einfach draußen stehenlassen. Aber stattdessen zog ich mir meinen Bademantel an, ging hinaus in den Flur, knipste das Licht an und betätigte den Türöffner. Ich schloss die Wohnungstür auf und wartete auf ihn.
Er kam langsam die Treppe hoch und stand schließlich vor mir im dunklen Hausflur. Nur das Licht aus meiner Wohnung fiel auf ihn. Er war mehr als klatschnass. Er war sogar so nass, dass sich zu seinen Füßen eine Pfütze bildete. Immer noch sagte er kein Wort. Er stand nur reglos da und sah mich an. Ich bemerkte, dass er geweint hatte. Seine Augen waren rot und verquollen. Ich fragte mich warum. Und gleichzeitig wollte ich es gar nicht wissen. Ich wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen und sofort zurück in mein Bett gehen.
Aber wie jedes Mal siegte irgendwann mein Mitleid. „Komm schon rein", sagte ich leise, darauf bedacht, nicht zu viel Lärm zu machen, der vielleicht Rowina geweckt hätte. Clay trat in meinen Wohnungsflur, und ich schloss die Tür hinter ihm wieder ab. Er tropfte immer noch, das Wasser sammelte sich jetzt auf meinem Fußboden im Flur, deshalb packte ich ihn kurzerhand am Ärmel seiner Jeansjacke und zog ihn hinter mir her ins Badezimmer. Er folgte mir ohne Gegenwehr. Ich löschte das Licht im Flur, schloss die Tür hinter uns und schaltete das Licht im Badezimmer an.
Dann betrachtete ich ihn lange. Er stand hilflos dort, wich meinem Blick aus und verursachte eine Pfütze auf den Fliesen. „Was ist los?" fragte ich ihn endlich leise. Er schaute mich an, verzweifelt und nass im Gesicht. Ich fragte mich, ob er immer noch weinte, oder ob diese Tränen nur der Regen waren. „Tut mir leid, Liz", sagte er ganz leise mit brüchiger Stimme, „Ich wollte dich nicht wecken." „Ach, hör schon auf!" fuhr ich ihn ungeduldig an, „Du bist hier! Und jetzt will ich wissen warum!"
Er zuckte unter meiner strengen Stimme zusammen. Er wand sich ein bisschen herum und suchte nach den richtigen Worten. Dann schaute er mich flehentlich an. „Bitte hilf mir", flüsterte er und fing tatsächlich an zu schluchzen. Verlegen drehte er sich von mir weg und schniefte in seine Hände. Er fuhr sich fahrig mit den Fingern über die nassen Augen.
Ich starrte eine Weile verdutzt auf seinen Rücken. Was ist das wieder für eine Masche, fragte ich mich. Was hat dieser Mann für ein Problem, verdammt nochmal?! Warum lässt er mich nicht einfach in Ruhe?! Clay zitterte vom Heulen oder von der Kälte in seinen nassen Klamotten. Er konnte mich nicht ansehen, versuchte aber mit dem Schluchzen aufzuhören. Von draußen schlug der Regen immer noch gegen das Fenster. Es donnerte noch, aber seltener und leiser. Ich beobachtete ihn noch eine Weile. Dann betrachtete ich den Fußboden. Unter seinen Füßen hatte sich eine Pfütze gebildet. Er zitterte jetzt stark, wahrscheinlich vor Kälte. Er wusste höchstwahrscheinlich selbst nicht mehr, warum er plötzlich in meinem Badezimmer stand.
„Zieh dich aus!" befahl ich ihm und verspürte gleichzeitig eine eigenartige Erregung in mir aufsteigen. Ich hatte ihn wieder einmal in der Hand. Er war in dieser merkwürdigen Verfassung, in der er sich mir vollkommen auslieferte. Weiß der Teufel warum. Weiß der Teufel, was ihm passiert war, was ihn so fertiggemacht hatte. Er war jetzt bei mir, und ich konnte mit ihm machen, was immer ich wollte.
Jetzt starrte er mich hilflos an, schluckte immer noch an seiner Traurigkeit. Er zögerte. Er wollte etwas anderes von mir. Aber ich war unerbittlich. „Los, zieh dich schon aus! Du bist klatschnass, du wirst dich erkälten!" setzte ich ihm auseinander und zog den Bademantel enger um mich. Er lächelte vage unter seinen Tränen, was sehr schön aussah.
Langsam fing er damit an sich auszuziehen. Erst die Jacke, die er über die Badewanne hing. Dann knöpfte er sein nasses Hemd auf. Lächelnd blickte er mich an und merkte, dass ich ihn sehr eingehend beobachtete. „Willst du mich nackt sehen, Liz?" flüsterte er aufgeregt und zog sein Hemd aus. Ich stieß spöttisch die Luft aus. „Ich will nur nicht, dass du krank wirst. Bilde dir bloß nichts ein!" machte ich ihm klar. Er hörte nicht auf zu lächeln. Wahrscheinlich glaubte er mir nicht, und er hatte wohl recht damit.
Er legte sein schwarzes Hemd über die Badewanne und knöpfte dann seine schwarze Jeans auf. Er trug kein Unterhemd, und ich betrachtete eine Weile seine muskulöse, gänzlich unbehaarte Brust. Sie glänzte vor Nässe, was sehr sexy aussah. Ich verlor mich für kurze Zeit in seinem Anblick. Er knöpfte sich die Jeans auf und zögerte nicht, sie herunterzuziehen. Dann streifte er sich die Lederslipper und die schwarzen Herrensocken von den Füßen, die er zusammen mit seiner Hose ebenfalls über den Rand der Badewanne legte. Es roch jetzt intensiv nach nasser Kleidung.
Endlich stand er dort in seinen engen, grauen Boxershorts und schaute mich fragend an. Er weinte nicht mehr, aber er zitterte immer noch vor Kälte. Er war bis auf die Knochen nass geworden da draußen. Warum um alles in der Welt hat er sich mitten in der Nacht, während dieses heftigen Gewitters, auf den Weg zu mir gemacht, fragte ich mich. Und gleichzeitig fühlte ich mich deswegen irgendwie geschmeichelt.
Ich schaute in sein Gesicht. Dieses vertraute Gesicht. Clay Banton war wohl nicht konventionell schön, eher auf eine geheimnisvolle, verwegene Art. Er war ein Mann, der sichtbar schon viel erlebt hatte. Ein ambitionierter Schauspieler, ein erfolgreicher Grafiker, ein guter Musiker, alles auf einmal. Er war ein wirklich empfindsamer, sehr sensibler Mann, und gleichzeitig war er ein dummer, unberechenbarer Junge. Ich hatte mehr als eine schlaflose Nacht wegen ihm gehabt. Er hatte mir schon viel zu oft wehgetan. Mir wurde bewusst, dass ich ihn trotz allem, auf eine bestimmte Art, immer noch liebte. Und gleichzeitig hatte ich das starke Bedürfnis, mich für all seine Gemeinheiten zu rächen.
Er stand nun ganz ruhig da und fixierte mich unentwegt, ohne sich zu bewegen. Mir wurde plötzlich bewusst, dass dieser Mann tatsächlich zu mir gekommen war, um sich mir vollkommen auszuliefern. Diese Situation erregte mich zunehmend. Es war dieses vertraute, äußerst angenehme, riesengroße Machtgefühl, das mich überkam. „Ich habe gesagt, du sollst dich ausziehen", forderte ich ihn auf. Er lächelte amüsiert, bewegte sich nicht, schüttelte aber ganz leicht den Kopf. Ich ging sehr nah an ihn heran. Clay wich nicht vor mir zurück, als ich mich dicht vor ihn hinstellte und tief in seine Augen blickte.
Eine Weile starrten wir uns an. Ich versuchte, in seinen Augen den Grund seiner Traurigkeit zu erkennen. Ich erkannte aber nur, dass er total zugedröhnt war. Seine vom Weinen geröteten, aber immer noch schönen, grün-braunen Augen hatten verhängnisvoll winzige Pupillen. Und ich wusste nur zu gut, was das bedeutete, welche Droge dies bewirkte. Es ärgerte mich maßlos, weil er mir schon viel zu oft versprochen hatte, dieses scheiß Zeug nicht mehr anzurühren. Andererseits waren wir eigentlich gar nicht mehr zusammen, und er durfte jetzt wieder machen, was er wollte. Du bist in meinem Badezimmer, dachte ich, plötzlich voller Gier auf Macht über ihn, und deshalb musst du jetzt genau das tun, was ich von dir will.
„Zieh dich aus!" beharrte ich leise drohend. Clay hörte auf zu lächeln. Seine Augen fingen an, nervös zu zucken, vielleicht wegen dem harten Klang meiner Stimme. „Los, mach schon!" drängte ich ihn, weil er sich nicht bewegte. Nun schüttelte er abermals den Kopf und sagte leise: „Nein."
Ich betrachtete ihn sehr eingehend von oben bis unten. Sein schöner, durchtrainierter Körper war durch und durch nass, und je länger ich ihn ansah, umso mehr törnte er mich an. Mein Blick wanderte auf seine Boxershorts, und sofort hob er abwehrend die Hände. „Ich möchte das jetzt nicht, Liz", versuchte er mir hilflos zu erklären. Ich lachte auf und musterte erneut seine traurigen, dichten Augen. „Was ist los, Clay? Schämst du dich vielleicht vor mir?" spottete ich geringschätzig. „Nein, natürlich nicht", versicherte er und wich meinem Blick aus. Vielleicht war ihm endlich eingefallen, dass ich seine winzigen Pupillen bemerken könnte. Zu spät, mein Lieber, dachte ich triumphierend. „Was ist es dann?" wollte ich von ihm wissen und starrte fast trotzig auf seine teure Designerunterhose, die durch die Nässe sehr eng wirkte.
Clay brauchte eine Weile, bis er mir antwortete. Er schloss die Augen, öffnete sie dann wieder und atmete tief ein. „Wegen Rowina... ich... habe Angst, dass sie hereinkommt", erklärte er mir leise. Überrascht sah ich ihn an. Er guckte verlegen zurück. Was er sagte, war nicht von der Hand zu weisen. Rowina verachtete ihn und würde jede seiner kleinsten Schwächen gnadenlos ausnutzen. Deshalb vermied er jede Begegnung mit ihr und hatte, anstatt zu klingeln, Steine gegen mein Fenster geworfen. Es wäre für ihn mit Sicherheit keine Freude, nackt vor Rowina zu stehen.
Der Gedanke amüsierte mich plötzlich, denn ich erinnerte mich an ähnliche Situationen. Clay sicher auch, deshalb auch seine Weigerung, sich vollständig auszuziehen. Aber ich beschloss, seine Furcht nicht gelten zu lassen. „Woher willst du wissen, dass Rowina hier ist?" fragte ich ihn lauernd. „Ihr Auto steht vor dem Haus", antwortete er achselzuckend. Ich sah ihm wieder direkt in die Augen. „Und dann bist du trotzdem hierhergekommen? Obwohl du wusstest, dass Rowina zu Hause ist?" hakte ich nach. Clay wich erneut meinem Blick aus. Er ließ die Hände sinken und schloss hilflos die Augen.
„Ich will doch nur zu dir, Eliza", flüsterte er und schaute mich wieder an, ängstlich meine Reaktion abwartend. Ich fühlte mich geschmeichelt und war gleichzeitig verärgert deswegen. Ich wollte mich nicht geschmeichelt fühlen. Ich wollte diesem Mann nicht so eine Macht über mich geben. Ich wollte mich an ihm rächen, für viel zu viele vergangene Gemeinheiten. Ich wollte nicht zulassen, dass er mich weiter verwirrte.
Deshalb reagierte ich äußerst spöttisch auf seine Hilflosigkeit. „Warum willst du zu mir, Clay? Was zum Teufel willst du denn von mir?" fuhr ich ihn ungeduldig an. Er zuckte zusammen und fing erneut an zu zittern. „Und hör um Himmels Willen endlich auf zu heulen!" setzte ich hart hinzu. Gleich darauf tat mir das auch schon leid, weil ich merkte, wie verletzlich er im Moment war, und wie sehr mein kalter Ton ihn verletzte. Er stand dicht vor mir und starrte nun auf den Boden. Er zwang sich, nicht länger zu weinen. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen. Eine Weile sah ich ihn nur an. Ich fragte mich, ob ich ihn nicht besser sofort zurück vor die Tür setzen sollte.
Dann fasste ich einen Entschluss. Vorsichtig hob ich meine rechte Hand. Clay blickte mich sogleich an. Er ahnte sofort, was ich tun wollte, und er erstarrte. Völlig reglos beobachtete er meine Hand. Er hielt den Atem an. Ich schob den Bund seiner Boxershorts ein wenig herunter und legte ihm meine flache Hand ganz sanft auf den nackten Bauch. Knapp unter seinem Bauchnabel ließ ich sie liegen und beobachtete ihn mit aufkommender Rührung. Ich hatte mir immer gewünscht, dass ich der einzige Mensch wäre, der dieses private Geheimnis von Clay Banton kannte: Leg ihm einfach deine Hand auf den nackten Bauch und er wird auf der Stelle wunschlos glücklich. Leg ihm deine Hand auf den Bauch und du hast ihn in der Hand. Es war eine so harmlose Berührung, aber diesen Mann konnte man damit absolut entzücken.
Jetzt schaute er mich mit großen Augen reglos an und atmete schwer. „Liz", brachte er dankbar hervor. Ich lächelte gutmütig. „Siehst du, Clay, ich weiß noch, wie sehr du das magst!" flüsterte ich und küsste ihn flüchtig auf die Wange. Er fühlte sich kühl und nass an. Er rührte sich nicht. Er bekam eine Gänsehaut, seine Brustwarzen wurden hart. Vielleicht von der Kälte oder von aufkommender sexueller Erregung, wahrscheinlich von beidem. Ich lächelte ihn aufmunternd an. Es war ein gutes Gefühl, ihn so unter Kontrolle zu haben.
„Zieh deine Unterhose aus, Clay! Rowina schläft tief und fest, sie wird bestimmt nicht reinkommen", flüsterte ich ihm ins Ohr, „Du musst sie sogar ausziehen, weil sie total durchnässt ist. Das ist auf Dauer viel zu kalt! Du holst dir eine Blasenentzündung oder Schlimmeres!" Auffordernd sah ich ihn an. Er lächelte endlich wieder. „Du machst dir wirklich Sorgen um mich, was, Eliza?" stellte er ganz leise fest. Es war keine Kunst zu erkennen, wie sehr ihn meine Anteilnahme freute.
Und plötzlich wurde mir klar, dass er genau deswegen zu mir gekommen war. „Ja, Clay, ich mache mir tatsächlich immer noch Sorgen um dich", bestätigte ich ihm seufzend. Ich meinte das ehrlich. Ich sagte es, weil ich wusste, dass er es hören wollte. In seinen Augen blitzten Glück und Dankbarkeit auf, sie leuchteten nahezu vor Zufriedenheit. Es ist so verdammt einfach, ihn glücklich zu machen, dachte ich, gerührt von seiner kindlichen Freude über meine Worte. Er schloss die Augen, atmete tief und regelmäßig. Meine Hand lag ruhig auf seinem Bauch. Seine Welt war in diesem Moment in Ordnung. Ich glaube nicht, dass ihm bewusst war, dass er wegen diesem Moment zu mir gekommen war. Er hatte wahrscheinlich keine Ahnung. Vermutlich kannte ich ihn viel besser, als er sich selbst.
Sean
Als es anfing zu regnen, stand ich von der Bank auf. Es war in zwischen ganz dunkel im Park und ich wog meine Möglichkeiten ab, die nicht gerade zahlreich waren. Dann wurde der Regen stärker. Es fing an zu donnern, zu hageln und zu blitzen, und ich ging auf eine Wiese, um mir den Himmel anzusehen. Der Regen fiel sehr intensiv auf mich. In kürzester Zeit war ich völlig durchnässt. Es donnerte laut und ich schrie ein paarmal seinen Namen in den Donner. Ich wünschte mir, einer der Blitze würde mich erschlagen.
Dann törnte der Regen mich plötzlich an und ich beschloss ganz spontan mich auszuziehen, um ihn auf meiner nackten Haut zu spüren. Das tat ich dann in wilder Hast. Meine Klamotten ließ ich achtlos auf dem Boden liegen. Nackt tanzte ich ein bisschen zu imaginärer Musik auf dieser Wiese im Park, durch den kalten, harten Regen, was sich wirklich geil anfühlte. Dann tanzte ich ein paar Szenen aus unserer Performance mit Clay, bis ich merkte, dass er gar nicht da war. Ich fing wieder an zu weinen, setze mich auf die nasse, kalte Wiese und versuchte, mir einen runterzuholen. Aber es klappte nicht, es törnte mich nicht an, deshalb ließ ich es wieder sein.
Später wurde der Regen schwächer. Das Gewitter war weitergezogen. Mir war plötzlich bitterkalt. Ich bemerkte auf einmal ein paar Lichter von Taschenlampen auf dem Hauptweg des Parks und geriet in Panik, weil ich nicht mehr wusste, wo ich meine Klamotten hingeworfen hatte. Hektisch lief ich auf der Wiese herum und versuchte, sie zu finden.
„Ist da jemand?" rief eine Stimme vom Weg, und zwei Gestalten kamen auf mich zu. Ich wollte weglaufen, musste aber zunächst meine Sachen finden. „Wer ist da?" fragte ein Mann und leuchtete mich mit seiner Taschenlampe an. „Was machen Sie hier? Warum haben Sie nichts an?" wollte er dann wissen.
Ich fand endlich meine Klamotten und versuchte voller Panik sie anzuziehen, bevor diese Männer bei mir sein würden. Es gelang mir nicht, denn die Sachen waren klatschnass und eisig kalt. Sie fühlten sich wirklich nicht gut an. Dennoch zog ich sie an, denn ich hatte keine andere Wahl. „Was machen Sie hier?" verlangte der eine nochmal zu wissen. Seine Stimme war sehr laut und streng. „Nichts", stotterte ich verlegen, „Ich habe nur ein bisschen getanzt."
Die beiden Männer beobachteten mich eine Weile abschätzend und lachten dann laut, als sie die Lage begriffen. „Gehen Sie sofort nach Hause!" forderten sie mich auf. Ich nickte und schämte mich zu Tode. Ich konnte sie nicht richtig erkennen, denn sie leuchteten mir die ganze Zeit blendend ins Gesicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es zwei Polizisten waren, Männer vom Ordnungsamt, oder von einem privaten Wachdienst. Als ich endlich die verdammten Sachen angezogen hatte, rannte ich weg. Ich torkelte ziemlich, das Laufen fiel mir unverändert schwer. Ich fühlte mich sehr betrunken. Sie lachten noch ein bisschen hinter mir her, und ich war froh, dass sie mich nicht verfolgten oder festnahmen.
Ich lief durch den Stadtpark und versuchte, den Ausgang zu finden. Die Männer waren jetzt weit hinter mir, und ich fiel irgendwie in ein Gebüsch und kotzte mir völlig unvorbereitet beinahe die Seele aus dem Leib. Danach stand ich wieder auf. Meine Zigaretten waren durchnässt und unbrauchbar, deshalb schmiss ich sie weg. Letztendlich machte ich mich auf den Weg nach Hause.
Eliza
Als ich meine Hand von seinem Bauch nahm und damit anfing, ihm langsam die kalten, engen Boxershorts herunterzuziehen, öffnete Clay die Augen und seufzte unwillig. „Eliza!" protestierte er leise. Aber er wehrte sich nicht. Ich hatte Mühe mit seinen Shorts, weil sie nass an seinem Körper klebten. Ich hockte mich vor ihn hin und zog ihm die Unterhose aus, und er stand einfach nur dort und beobachtete mich dabei. Er rührte sich nicht und wehrte mich nicht ab. Freiwillig hob er dann sogar die Füße, damit ich seine Hose nehmen und über den Rand der Badewanne zu seinen anderen tropfnassen Klamotten legen konnte.
Dann hockte ich dicht vor ihm und betrachtete sein Geschlechtsteil, was nun direkt vor meinen Augen hing. Sein schöner Penis sah klein und schrumpelig aus, seine Hoden waren durch die Kälte in seinen Körper gewandert und fast nicht zu sehen. Ich hob den Blick und guckte ihm ins Gesicht. Er war immer noch reglos und schaute auf mich herunter. Er atmete jetzt schwer. Ich fragte mich neugierig, ob er sich wohl vor mir schämte, wenn ich seinen Schwanz so eingehend begutachtete. Er wirkte nicht beschämt, nur irgendwie hilflos. Es war ganz still in meinem Badezimmer und eine Weile sahen wir uns nur an. Dann schaute ich wieder auf seinen Penis.
Plötzlich fand ich diese Situation sehr erotisch und eine heiße Erregung stieg in mir auf. Clays Schwanz zog mich beinahe magisch an. Seine so unterwürfige, hilflose Art hatte eine beträchtliche Wirkung auf mich. Ich hob die Hand und streichelte ganz sanft über seine Geschlechtsorgane, ganz vorsichtig. Seine Körperteile fühlten sich kalt und feucht an. Ich war plötzlich ganz wild darauf, ihn erigieren zu sehen. Aufgeregt schaute ich nach oben in Clays Gesicht. Ich wollte sehen, wie seine Augen sich veränderten, wenn er geil wurde.
Aber zu meiner Enttäuschung wurde er nicht geil, kein bisschen. Im Gegenteil, meine zärtliche Berührung war ihm offensichtlich sogar unangenehm. Er sah mich an und schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Ich war beleidigt, weil er auf meine Zärtlichkeiten so abweisend reagierte. Ich intensivierte trotzig mein Streicheln. Clay atmete lauter und wurde unruhig, blieb aber vor mir stehen und guckte mich immer noch hilflos an. Ich lächelte ihm aufgeregt zu. „Ich will dich geil sehen", gestand ich ihm leise. Seine Augen weiteten sich beinahe ängstlich, er schüttelte immer noch den Kopf, was ich nicht so einfach akzeptieren wollte. Na warte, dachte ich dickköpfig, ich weiß ganz genau, was dich erregt, Herr Banton! Du bist gar nicht in der Lage, dich mir lange zu widersetzen!
Kurzentschlossen beugte ich mich vor und küsste seinen schrumpeligen, kalten Penis. Clay stöhnte entsetzt auf und wich zum ersten Mal vor mir zurück. Voller Panik stolperte er ein paar Schritte rückwärts von mir weg und stieß ein verzweifeltes „Nein!" dabei hervor. Ich starrte ihn überrascht an, war gekränkt und plötzlich peinlich berührt wegen meiner eigenen Erregung. Wie konnte dieser Kerl es wagen, sich mir zu widersetzen? Er war schließlich freiwillig mitten in der Nacht in mein Haus gekommen! Er musste jetzt genau das tun, was ich wollte! Das war ja wohl das Mindeste! Seine Ablehnung beleidigte mich extrem.
Ich zog den Bademantel wieder fester um mich und stand wütend auf. Durchdringend taxierte ich ihn. Er stand dort und wich unbehaglich meinem strengen Blick aus. Er wirkte jetzt noch viel hilfloser als vorher, beinahe Mitleid erregend verwirrt in seiner Nacktheit. „Was ist los?" verlangte ich streng von ihm zu wissen. „Ich kann jetzt nicht", seufzte er leise und guckte mich flehentlich an. „Was kannst du nicht?" rief ich wütend, „Kriegst du keinen hoch, oder was?" Meine Stimme war sehr laut. Ich wollte ihn verletzen, mich für diese Peinlichkeit rächen, und das gelang mir auch. Gekränkt schaute er zu Boden und schwieg.
Eine Weile musterte ich ihn nur und versuchte herauszufinden, was mit ihm passiert war. Mir war schon längst klar gewesen, dass er nicht wegen Sex zu mir gekommen war, denn dann hätte er sich von Anfang an ganz anders verhalten, er hätte unentwegt mit mir geflirtet. Aber normalerweise sagte er nicht nein, wenn ich ihn haben wollte, ganz egal wann oder wo. Es musste irgendetwas geschehen sein, was ihn maßlos abgetörnt hatte. Ich dachte einige Zeit darüber nach, kam aber zu keinem Ergebnis, und das ärgerte mich. Ich hatte keine Lust, für diesen bekloppten Mann den Seelenklempner zu spielen, schon gar nicht mitten in der Nacht. Seine blöden Probleme interessierten mich schon lange nicht mehr. Und außerdem war er mit Sicherheit sowieso selber Schuld an seinem Elend. Ich beschloss, kein Mitleid mehr zu zeigen.
Ich ging langsam auf ihn zu und guckte ihn durchdringend an. Er bewegte sich nicht, doch seine Augen zuckten ängstlich, als würde er tatsächlich Schläge von mir erwarten. „Du kriegst also keinen hoch, was?" spottete ich laut. Clay hob beschwichtigend die Hände. „Bitte, Liz, gib mir ein Handtuch", versuchte er leise abzulenken. „Ich weiß auch, warum du keinen hochkriegst!" ignorierte ich ihn boshaft. „Du bist völlig impotent, weil du bis oben hin voll mit Heroin bist!" warf ich ihm laut vor. Clay zuckte zusammen und sah ertappt aus. Ich hatte augenblicklich die Gewissheit, dass ich völlig richtig lag. „Nein, das stimmt nicht", behauptete er allerdings, was mich sofort rasend machte. „Lüg mich nicht an!" schrie ich erbost, „Ich kann es doch an deinen Augen ablesen, wie verdammt stoned du bist!" Clay duckte sich förmlich vor meinem Zorn und meiner lauten Stimme. Ängstlich wanderte sein Blick zur Tür. „Bitte sei nicht so laut, Eliza, du weckst sonst noch Rowina", bat er mich verzweifelt.
Ich konnte nicht glauben, wie einfach er meinen Vorwurf überging, und dass er ausgerechnet jetzt an Rowina dachte. „Hast du mich nicht gehört? Ich habe gesagt, dass du voller Heroin bist, verdammt nochmal!" schrie ich ihn hysterisch an. „Eliza, bitte..", seufzte Clay hilflos, aber da ging auch schon die Tür auf und Rowina torkelte schlaftrunken herein. Ich registrierte sie und grinste Clay boshaft an, wusste ich doch, wie peinlich ihm diese Begegnung sein musste. Ich war so wütend auf ihn, dass ich seine Verlegenheit in vollen Zügen genoss. „Was ist denn hier los?" wollte Rowina wissen. Clay stöhnte genervt, wich zurück und blickte sich panisch nach irgendetwas um, womit er seine Blöße bedecken könnte.
Aber er fand nichts in seiner Reichweite, als Rowina ihn auch schon entdeckt hatte und sich neben mich stellte. Beide starrten wir ihn einträchtig eine Minute intensiv an. „Weck mich, Liz, ich glaube, ich habe einen Albtraum!" meinte Rowina trocken. Ich kicherte belustigt. Clay schloss überfordert die Augen. „Da steht ein nackter Mann in unserem Badezimmer", stellte Rowina fest, und dann betrachtete sie ihn neugierig. Clay stand nur reglos dort, öffnete die Augen wieder und sah sie müde an. Er machte keine Anstalten mehr, seine offensichtliche Nacktheit irgendwie zu verbergen.
Rowina starrte auffällig an ihm herunter. „Kann es vielleicht sein, dass dir kalt ist, Toni?" kicherte sie dann, ganz klar anspielend auf die Größe seines Penis. Rowina und ich fingen sehr belustigt, richtig albern an zu kichern, und Clay verzog angewidert das Gesicht. „Nein, mir ist nicht kalt", behauptete er gleichgültig. „Und ich heiße nicht Toni!" betonte er verärgert. Er hasste es sehr, wenn Rowina ihn Toni nannte, deshalb tat sie genau das mit Vorliebe. Sie lachte laut über seine Antwort. „Ach, ich wusste ja noch gar nicht, dass du bei dir eine Penisverkleinerung hast durchführen lassen, Toni!" spottete sie und konnte sich gar nicht mehr einkriegen vor Lachen. Clay taxierte mich, und seine Augen blitzten vor aufkommender Wut. Offenbar hatte er keine Lust mehr, zu unserer Unterhaltung beizutragen. Ich erwiderte seinen Blick und wurde gleich darauf wieder ernst. „Natürlich ist ihm nicht kalt. Er ist ja vollgepumpt mit seinem scheiß Heroin", informierte ich Rowina verächtlich, die immer noch kicherte.
Überrascht sah sie mich an und musterte dann Clay sehr abschätzend. Er wich ihrem Blick nicht aus. „Du hast recht!" stimmte Rowina mir endlich zu, „Unser Toni ist ziemlich zugedröhnt! Und deshalb ist er auch so wahnsinnig cool! Sogar sein Schwanz ist absolut cool!" Daraufhin musste sie schon wieder lachen. Clay verdrehte genervt die Augen. „Ach, du bist ja so witzig, Rowina!" sagte er sarkastisch zu ihr. Er war natürlich nicht im Mindesten amüsiert. Rowina hörte sofort auf zu lachen und taxierte ihn eine Weile feindselig. Dann ging sie langsam auf ihn zu. Ich bemerkte, wie sehr Clay sich anstrengen musste, um nicht ängstlich vor ihr zurückzuweichen. Wovor hat er nur solche Angst, fragte ich mich erstaunt, was ist bloß mit ihm los?
Rowina stand nun dicht vor ihm und starrte ihm intensiv in die Augen. Sie holte tief Luft. „Nein, ich bin nicht witzig, Toni. Und weißt du, warum nicht?" fauchte sie ihn böse an. Er schwieg, betrachtete sie aber wachsam. "Ich bin nicht witzig, weil es mitten in der Nacht ist, weil ich todmüde bin, und weil ich absolut nicht darauf stehe, in meinem Badezimmer plötzlich irgendwelche nackten Vollidioten zu treffen!" informierte Rowina ihn sehr unfreundlich und viel zu laut.
Im nächsten Moment wurde sie ruhiger. „Weißt du, Clay, ich hasse es nämlich total, wenn ich mitten in der Nacht geweckt werde!" Ihm entging nicht, dass sie ihn auf einmal Clay nannte. Er fing damit an, nervös zu lächeln. „Ich habe dich nicht geweckt, Rowina!" stellte er klar und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. „Nein, dieses scheiß Gewitter hat mich geweckt!" erwiderte Rowina. Ich grinste Clay triumphierend an, weil es also auch nicht meine Schuld gewesen war, dass meine Mitbewohnerin aufgetaucht war. Clay seufzte und guckte Rowina an, die immer noch dicht vor ihm stand. Sie musterte ihn erneut eingehend von oben bis unten. „Und du bist wohl durch den Regen gelaufen, was?" fragte sie ihn lüstern grinsend. Clay erwiderte nichts.
Nach einiger Zeit wurde es ihm sichtbar unangenehm, so intensiv von ihr gemustert zu werden. Er warf mir einen hilfesuchenden Blick zu und bat leise: „Bitte gib mir ein Handtuch, Liz." Der nackte Mann schämt sich, dachte ich spöttisch und voller Schadenfreude. Er fühlt sich ungeschützt. Er möchte mit dem Handtuch seinen süßen Penis bedecken. Ich genoss Clays Peinlichkeit immens. Ich war immer noch sauer auf ihn, deshalb rührte ich mich nicht. Er registrierte das und seufzte hilflos.
Rowina amüsierte sich natürlich über seine Hilflosigkeit. Sie merkte, dass sie ihn langsam nervös machte, weil sie so dicht vor ihm stand und ihn eingehend begutachtete. „Du brauchst kein Handtuch, Toni, ich kriege dich schon trocken!" kicherte sie plötzlich und griff völlig unerwartet, spontan nach seinem Schwanz. Er stöhnte erschrocken auf und wich hastig zurück, aber Rowina hatte ihn schon gepackt und ließ ihn nicht mehr los. Lachend sah sie sich zu mir um. „Was meinst du, Liz, kriegen wir ihn trocken, indem wir ihn aufgeilen? Ob die Hitze seiner sexuellen Erregung ihn wohl trocknen lässt?" fragte sie mich ziemlich albern. Ich kicherte amüsiert, irgendwie auch peinlich berührt, bis ich Clays Gesicht sah. Seine Augen waren jetzt weit aufgerissen. Voller Panik fixierte er Rowina und wagte es nicht, sich zu bewegen.
Er versuchte verzweifelt, ihren Arm von sich wegzuschieben, aber sie fasste nur fester zu und grinste ihn herausfordernd, richtig machthungrig an. Er keuchte schmerzerfüllt: „Nein, lass mich los!" Aber Rowina hatte seinen Penis fest gepackt, und sie dachte nicht daran ihn los zu lassen. „Soll ich dir vielleicht einen runterholen, Toni?" fauchte sie richtig feindselig und schadenfroh. „Nein... tu mir nicht weh...", jammerte Clay leise und drehte sein Gesicht ratlos von ihr weg. Er schloss abwehrend die Augen. Ich stand nur dort, betrachtete diesen hilflosen Mann, und ich fand das alles plötzlich überhaupt nicht mehr lustig.
„Lass ihn los, Ina", forderte ich sie auf. Sie schaute mich verständnislos an, ich nickte ernst, dann blickte sie auf Clay. Sie ließ ihn los und betrachtete ihn wirklich erstaunt. Eine lange Zeit war es ganz still. Wir beobachteten beide interessiert diesen irgendwie attraktiven, nackten Mann in unserem Badezimmer, der da nun wie ein Häufchen Elend an der Wand lehnte. Er hatte seine Augen geschlossen, als wäre er am liebsten gar nicht da. Er schluchzte tatsächlich leise.
„Sag mal, heulst du etwa?" fragte Rowina ihn nach einiger Zeit und guckte mich fassungslos an. Ich hob ratlos die Schultern. Ich hatte keine Ahnung, was mit Clay Banton los war, aber plötzlich tat er mir wieder leid. Ich beschloss, dass es jetzt genug der Rache war. Warum auch immer er hier bei mir aufgetaucht war, noch mehr Gemeinheiten konnte er scheinbar im Moment nicht ertragen. Ich griff mir ein Handtuch von der Stange neben der Dusche und ging zu ihm hin. „Hey, komm schon, Clay. Beruhige dich", redete ich sanft auf ihn ein. Er öffnete zögernd die Augen und blickte mich traurig an. Er hatte in der Tat angefangen zu weinen. Ich hielt ihm das Handtuch hin. Er nahm es sofort dankbar und fing damit an sich abzutrocknen. Verlegen wischte er sich die Tränen aus den Augen.
Rowina und ich beobachteten ihn einige Zeit ratlos. „Was zur Hölle ist mit dir los?" fragte Rowina ihn schließlich neugierig. Clay warf ihr verlegen einen Blick zu. „Mir geht's echt nicht so gut", erklärte er uns beinahe entschuldigend. „Na, das merkt man!" grinste Rowina verständnislos. Im nächsten Moment ging sie zum Klo und verkündete: „Ich muss mal eben pinkeln, Leute, sorry." Völlig ohne Scheu zog sie sich ihr Nachthemd hoch, unter dem sie, wie meistens, nackt war. Sie klappte den Deckel hoch und setzte sich auf die Klobrille. Ich überprüfte neugierig, mit einem schnellen Blick Clays Reaktion auf Rowinas unerwartete, und doch so typisch herausfordernde Aktion und musste mich sogleich anstrengen, um nicht laut loszulachen. Der Mann war sichtbar so irritiert, dass er unvermittelt seine Traurigkeit und alles andere vergaß. Vollkommen verwirrt starrte er Rowina an, die nun auf dem Klo saß und ihn provozierend angrinste.
Ihr blieb natürlich nicht verborgen, welch unmittelbare Wirkung ihre dreiste Aktion auf Clay hatte. Fast automatisch, unwillkürlich wurde sein Atem schwerer, er krallte nervös das Handtuch um sich und rieb sich unbewusst damit. Es war nicht zu übersehen, dass Rowina ihn plötzlich sexuell erregte, weiß der Teufel warum. Vielleicht, weil sie unter ihrem Nachthemd nackt war, oder weil sie auf dem Klo saß und pinkelte. Clay schien schlagartig zu vergessen, dass ich auch noch da war. Er vergaß scheinbar alles um sich herum. Er war vollkommen gefangen von Rowinas Anblick und konnte sich gar nicht mehr von ihr losreißen.
„Was ist los, Toni, hast du noch nie ein Mädchen pinkeln gesehen?" kicherte Rowina schließlich amüsiert. Ihre Worte rissen ihn unsanft aus seiner Erstarrung. Beschämt drehte er sich von ihr weg und sah mich konfus an. „Nein", behauptete er und wich schuldbewusst meinem Blick aus. Ich wusste nämlich, dass er log. Er hatte mich schon oft pinkeln gesehen, genauso wie ich ihn. Ich grinste ihn an, sagte aber nichts.
Dann wanderten meine Augen neugierig auf seinen Penis, der unwillkürlich gewachsen war, viel besser durchblutet aussah, aber noch nicht wirklich steif. Clay bemerkte meinen Blick, er wurde tatsächlich rot und drückte sich verlegen das Handtuch vor die Hüften. Dann kam er hastig zu mir. „Lass uns in dein Zimmer gehen, Liz", schlug er leise bittend vor. Rowina beobachtete ihn und kicherte amüsiert. Sie pinkelte hörbar. „Hast du jetzt eine Erektion gekriegt, Toni?" spottete sie laut. Clay fuhr wütend zu ihr herum und starrte sie offen feindselig an. „Sag mal, Ina, hast du vielleicht irgendwann auch mal ein anderes Thema drauf, als meinen Schwanz?!" fauchte er verärgert, offenbar mit seiner Geduld am Ende.
Er war jetzt wütend genug, um den Kampf mit meiner Mitbewohnerin aufzunehmen. Aber wie immer, ließ sie sich nicht im Geringsten von ihm einschüchtern. Sie stand betont langsam auf, zog das Klo ab und klappte den Deckel herunter. Dann kam sie zu ihm und stellte sich abermals dicht vor ihn hin. Er betrachtete sie argwöhnisch, sichtbar gefasst auf einen erneuten Angriff, aber sie grinste nur überlegen.
Sie öffnete den Mund, um zu antworten, aber Clay war schneller. „Und nenn mich nicht Toni, verdammt!" drohte er ihr laut. Rowina lachte geringschätzig. „Nein, ich habe kein anderes Thema! Und zwar deshalb nicht, weil es an dir absolut nichts Interessanteres gibt, als deinen Schwanz, Herr Banton!" erklärte sie ihm hart.
Eine Weile starrten die beiden sich feindselig an, dann drehte Clay sich plötzlich von ihr weg und verließ das Badezimmer. Rowina hatte ihn mit ihren überheblichen Worten verletzt, und irgendwie tat er mir schon wieder sehr leid, was mich ärgerte. Sie sah seine Flucht als erneuten Sieg an und grinste zufrieden.
Clay
Diese Episode deprimiert mich, weil ich genug Heroin geraucht hatte und trotzdem nicht gut drauf war. Genaugenommen ging es mir sogar beschissen. Ich erinnere mich viel zu gut an diese hässliche Szene in Elizas Badezimmer, die entwürdigend und äußerst peinlich für mich war. Es gab Spott und Gemeinheiten, die mich verletzten.
Ich flüchtete bald in ihren dunklen Flur, dann wusste ich nicht mehr weiter. Ich dachte daran, einfach ihre Wohnung zu verlassen und abzuhauen. Aber sie hatte meine Kleidung in ihrem Badezimmer, und deshalb war ich bei ihr gefangen. Ich wollte keine Anzeige wegen ungebührlichen Verhaltens riskieren. Außerdem wusste ich nicht wohin, und ich wollte nicht allein sein. Ich schämte mich, nackt herumzulaufen, und es war viel zu kalt.
Ich sehnte mich nach ihrer Nähe. Ich wollte ihre Hand auf meinem Bauch fühlen. Ich schlang das Handtuch um mich, taumelte ein wenig durch den Flur und fühlte mich ziemlich erbärmlich. Rowinas offene Feindseligkeit machte mir zu schaffen. Es verletzte mich, dass Eliza ihre beste Freundin erneut nicht davon abgehalten hatte, mich fertigzumachen. Elizas Gehässigkeiten kränkten mich zutiefst. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Ich hatte keine Ahnung, was überhaupt passiert war, warum ich hierhergekommen war.
Im nächsten Moment fiel mir der Grund meiner Flucht zu Eliza auf einmal wieder ein. Ein junges Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf. Aber ich wollte nicht an dieses fremde Junkiemädchen denken, denn diese Erinnerung schlug schmerzhaft in mein Gehirn und quälte mich. Warum hatte das Mädchen mich so brutal behandelt? Warum hatte ich mir von Eliza Laser Trost versprochen, wo sie doch nur Spott für mich hatte? Warum zur Hölle war da überhaupt nur Verachtung in ihr gewesen?
Ich stand allein in dem dunklen Flur und hörte Liz und Rowina im Badezimmer über mich reden. Aber ich wollte gar nicht hören, was sie sagten, denn es würde nichts Nettes sein. Ich dachte daran, in Elizas Zimmer zu flüchten. Aber ich erinnerte mich, dass sie mir das verboten hatte. Sie würde wütend werden, wenn sie mich allein in ihrem Zimmer fand. Deshalb setzte ich mich schließlich vor ihre Zimmertür auf den harten Fußboden. Die beiden Frauen redeten immer noch über mich, und ihre Stimmen wurden zu laut, als hätte ich sie länger ignorieren können. Rowina beschwerte sich mit gemeinen Worten über mich. Sie fragte verärgert, warum zum Teufel ich in ihrer Wohnung war, und Liz versicherte ihr beschwichtigend, dass sie keine Ahnung hätte.
Ich hatte selbst keine Ahnung. Ich wusste gar nichts mehr. Ich war nackt und hilflos und saß auf dem kalten Boden. Ich zwang mich krampfhaft nicht schon wieder zu heulen. Ich wünschte mir, dass ich viel dichter wäre, dass ich viel mehr shore genommen hätte oder irgendetwas anderes, womit ich diese verdammte, entwürdigende Situation besser hätte ertragen können. Ich fühlte mich einsam und von allen verlassen.
Verwirrt fragte ich mich nochmal, was überhaupt passiert war. Ich erinnerte mich nur vage, aber auf einmal wurde mir sehr kalt. Ich wollte diese starken scheiß Gefühle nicht mehr, diese Mischung aus Verzweiflung und der vertrauten Angst, Eliza so verdammt ausgeliefert zu sein. Gleichzeitig wünschte ich mir, sie würde endlich zu mir kommen, mich in ihr Zimmer einladen und mir ihre Hand auf den Bauch legen. Wenn sie es wollte, dann würde ich vielleicht auch mit ihr schlafen, überlegte ich.
Im nächsten Moment war ich mir sicher, dass sie es wollte, und das machte mich zunehmend nervös. Die Frau war so scharf auf mich gewesen in ihrem Badezimmer. Und ich zweifelte daran, dass ich ihn in dieser Nacht noch mal hochkriegen würde. Womöglich war ich gar nicht mehr in der Lage, sie so umfassend zu befriedigen, wie sie es mit Sicherheit von mir erwartete. Ich fühlte mich so entsetzlich müde, so verletzt. Ich hatte überhaupt kein Bedürfnis mehr nach Sex in irgendeiner Form. Aber mir war klar, dass Eliza es nicht gut sein lassen würde. Diese Frau wollte ihre Rache und Entschädigung. Ich war erbärmlich. Es gab keinen Ausweg.
Eliza
Ich wünschte Rowina eine gute Nacht, und sie bat mich dafür zu sorgen, dass Clay beim Sex nicht zu laut wurde. Das fand ich ziemlich gemein, weil sie es natürlich besonders laut forderte, damit er es auch ja nicht überhören konnte!
Ich fand ihn im Flur, auf dem Boden sitzend, und natürlich hatte er jedes Wort von ihr gehört. Er sah jedoch resigniert aus, als könne ihn kein weiteres Wort von Rowina oder mir verletzen. Er war genug verletzt worden. Alles Weitere würde einfach an ihm abprallen, war mein Eindruck. Er hatte einfach keine Kraft mehr, sich aufzuregen oder irgendetwas an sich heranzulassen. Er saß einfach nur dort und erwartete mich. Er würde jetzt alles hinnehmen. Dieser Mann tat mir schon wieder sehr leid, was mich erneut ziemlich ärgerte. Ich spielte einen Moment mit dem Gedanken, ihn vor die Tür zu setzen und seine Klamotten hinterher zu werfen. Aber dann öffnete ich doch nur die Tür zu meinem Zimmer. Immerhin war er höflich genug gewesen, es nicht einfach ohne mich zu betreten.
„Na los, komm schon", sagte ich leise, und er stand auf und folgte mir in mein Zimmer. Ich schloss die Tür hinter uns ab. Vielleicht tat ich das, um ihn vor weiteren Angriffen von Rowina zu schützen. Vielleicht einfach deswegen, weil ich ihn jetzt ganz für mich allein haben wollte. Allerdings wusste ich noch nicht wirklich, was genau ich mit ihm anfangen wollte. Hatte ich denn überhaupt noch Lust auf ihn, wo er meine vorherigen Annäherungsversuche doch so eindeutig zurückgewiesen hatte?
Ich schaltete das Licht an und beobachtete ihn eine Weile. Er stand dort, trocknete sich langsam ab und sah sich im Zimmer um, als wollte er herausfinden, ob sich darin seit seinem letzten Besuch etwas verändert hatte.
„Warum bist du hergekommen?" durchbrach ich endlich das Schweigen. Er schaute mich an und hob die Schultern. „Ich kann mich echt nicht erinnern", behauptete er ruhig. Verärgert blies ich die Luft aus. Aber er wirkte so verwirrt, dass ich ihm glaubte. Er hatte offensichtlich keine Ahnung, was ihn zu mir getrieben hatte. Ich dachte eine Weile darüber nach und fragte mich, ob dieser Umstand wohl ein Kompliment für mich war, oder eher eine Beleidigung. Aber dann hatte ich keine Lust mehr, darüber nachzudenken. Ich war plötzlich sehr müde. Es war mitten in der Nacht, und ich wollte mich nicht länger mit Problemen beschäftigen, die ich ohnehin nicht ändern konnte. Ich wollte eigentlich jetzt nur noch meine Ruhe haben.
Deshalb zog ich meinen Bademantel aus und hing ihn an die Tür an seinen Haken. Mir entging nicht, dass Clay mich dabei sehr genau beobachtete. Ich beachtete ihn jedoch nicht, sondern legte mich einfach ins Bett und deckte mich zu. „Mach das Licht aus, ich will schlafen!" forderte ich ihn auf. Er guckte mich einen Moment fragend an, aber dann gehorchte er mir.
Es war nun ganz dunkel und still. Ich schloss meine Augen. Ich versuchte demonstrativ einzuschlafen und diesen Mann in meinem Zimmer einfach zu vergessen. Aber natürlich war das unmöglich. Clay Banton stand nackt in meinem Zimmer und diese Tatsache ließ sich nicht beiseite schieben. Allerdings war er ganz leise. Wenn ich nicht genau gewusst hätte, dass er hier anwesend war, hätte ich es nicht gemerkt. Er bewegte sich überhaupt nicht. Anscheinend stand er einfach so dort in der Dunkelheit. Aber selbstverständlich wusste ich um seine Anwesenheit. Ich horchte eine Weile intensiv in die Finsternis und versuchte ihn atmen zu hören. Aber ich hörte gar nichts. Am Ende bekam ich das Gefühl, diese Situation nicht mehr länger aushalten zu können.
„Clay?" flüsterte ich deshalb nach einer halben Ewigkeit fragend. Er antwortete nicht. Ich fragte mich irritiert, ob er vielleicht inzwischen eingeschlafen war. Hatte er sich etwa einfach auf den Boden gelegt? Kurzentschlossen knipste ich meine Nachttischlampe an, um nachzusehen, was los war. Clay Banton stand tatsächlich noch ganz genau so reglos am selben Platz, als hätte er sich die ganze Zeit nicht bewegt. Er sah mich immer noch an, blinzelte nur in die plötzliche Helligkeit der Lampe. „Clay!" sagte ich irgendwie vorwurfsvoll. „Liz?" fragte er zurück, und dann lächelte er plötzlich amüsiert. Ich betrachtete ihn und musste ebenfalls lächeln.
Dort stand dieser nackte Mann in meinem Zimmer herum. Dieser verdammte Idiot, den ich immer noch liebte, wie mir erneut klar wurde. „Was willst du jetzt tun, Clay?" wollte ich lauernd von ihm wissen und setzte mich im Bett auf. Er hob ratlos die Schultern. „Ich weiß nicht. Was soll ich denn tun, Liz?" antwortete er hilflos. Dabei hörte er nicht auf zu lächeln. Ich liebe dieses bezaubernde Lächeln, fuhr es mir unwillkürlich durch den Sinn, ich möchte dieses Lächeln immer sehen. Dieser Mann kann so voller Zuneigung und Wärme lächeln. „Was willst du tun?" ließ ich nicht locker. Clay kam langsam auf mein Bett zu und blieb dann an der Kante stehen. „Ich möchte gerne zu dir ins Bett kommen", eröffnete er mir leise und wartete auf meine Reaktion. Sein Wunsch verwirrte mich. Ich wusste nicht recht, wie ich reagieren sollte. Ich hatte keine Ahnung, ob ich ihn in meinem Bett haben wollte. Ob ich ihn überhaupt in meinem Zimmer haben wollte, in meinem Leben.
Aber jetzt war er nun einmal da, und ich konnte ihn doch nicht die ganze Nacht dort stehenlassen, überlegte ich. Ich wollte nicht von ihm verlangen, dass er auf dem Teppich schlief. Ich konnte ihn auch nicht vor die Tür setzen, weil er nackt war und seine Klamotten klatschnass waren. Frühestens morgen würde ich seine Kleidung in den Trockner stecken. Die einzige Wahl, die ich hatte, war die, ihn ins Wohnzimmer auf die Couch zu schicken. Aber wollte ich das wirklich? Hatte ich nicht eigentlich schon die ganze Zeit tierisch Bock auf diesen Mann? Ich musste eine Entscheidung treffen. Aber dann wurde mir plötzlich klar, dass ich meine Entscheidung eigentlich längst getroffen hatte, schon ganz am Anfang, als ich ihm die Haustür öffnete. Dennoch wollte ich es ihm nicht zu leicht machen. Also ließ ich ihn noch ein bisschen zappeln.
„Warum hast du Heroin genommen?" fragte ich ihn ernsthaft und merkte ihm sofort an, wie sehr ihn dieses Thema nervte. Er seufzte tief und schaute mich bittend an. „Können wir nicht morgen darüber reden, Eliza?" versuchte er mich abzuwehren. „Nein, ich will das jetzt sofort wissen, Clay!" Ich musterte ihn durchdringend. Er wich meinem Blick unbehaglich aus. „Es war gar nicht allzu viel. Das hat sich einfach so ergeben", erklärte er mir schließlich widerwillig. Ich lachte spöttisch auf. „Dafür hast du immer irgendeine Erklärung, nicht wahr?" warf ich ihm ungeduldig vor. Er grinste hilflos und flüsterte lächelnd: „Mir ist echt kalt, Liz." Damit wollte er natürlich nur von dem für ihn so unangenehmen Thema ablenken. „Ich verstehe dich einfach nicht, Clay", seufzte ich resignierend. Und das war die traurige Wahrheit. Ich konnte weder begreifen, warum er wiederholt diese harten Drogen nahm, noch, warum er immer wieder bei mir auftauchte.
Aber inzwischen war ich viel zu müde, um mich noch länger damit auseinanderzusetzen. Clay wusste das natürlich ganz genau, er kannte mich viel zu gut, deshalb lächelte er siegesgewiss mit leuchtenden Augen. Der Mann sah jetzt äußerst hübsch und begehrenswert aus, dort neben meinem Bett. Ich hasste mich spontan dafür, dass ich seine Nähe plötzlich so extrem herbeisehnte. Ich wünschte wirklich, es wäre anders gewesen, aber ich konnte mich gegen meine ungewollten, starken Gefühle nicht mehr wehren. Clay Banton war letztendlich immer zu clever, um gegen mich zu verlieren, oder um überhaupt zu verlieren. Eigentlich bekam er doch immer genau das, was er wollte!
Clay
Ich wusste augenblicklich, dass nun alles gut werden würde, als sie in der Dunkelheit meinen Namen flüsterte. Ich stand dort ganz ruhig in ihrem Zimmer und versuchte, sie anzusehen. Aber es war zu dunkel, sie lag im Bett, und ich konnte höchstens ihren Umriss erahnen. Eine Weile fürchtete ich, sie würde mich tatsächlich die ganze Nacht ignorieren, mich einfach dort stehenlassen. Aber dann flüsterte sie plötzlich meinen Namen, und ich wusste mit einem Mal wieder, warum ich hergekommen war. Ich musste mich zurückhalten, um nicht einfach sofort zu ihr zu gehen und unter ihre Bettdecke zu schlüpfen. Endlich knipste sie das Licht an und sagte meinen Namen nochmal, und da wusste ich, dass sie mich nicht mehr wegschicken würde.
Eliza sah sehr schön aus, dort in ihrem Bett. Ihr hübsches, rundes Gesicht, die kleine, runde Nase, die schön geschwungenen Augenbrauen. Ihre schmalen Augen, die wunderbaren Lippen. Ihr dunkles, langes Haar umrahmte ihre Schönheit. Ihre dunklen Augen blitzten erwartungsvoll. Ich bekam unvermittelt eine Wahnsinns-Sehnsucht nach ihr. Ich sehnte mich extrem stark nach ihrer Nähe, nach ihrer Hand auf meinem nackten Bauch.
Aber natürlich ließ sie mich noch eine Weile warten, und ich lächelte nur und versuchte nicht zu gierig auszusehen. Ich versuchte geduldig, ihre dummen Fragen zu beantworten. Letztendlich ließ sie es gut sein, was mich wirklich erleichterte. Die Frau schlug ihre Bettdecke zurück und guckte mich einladend an. Ich zögerte keine Sekunde. Ich bewegte mich auf sie zu und legte mich neben sie in ihr großes Bett. Dort war es sehr warm und weich, sehr angenehm an meiner nackten Haut und es roch sehr sauber. Wahrscheinlich hatte sie es erst vor Kurzem frisch bezogen. Ich fragte mich unwillkürlich, ob sie wohl mit mir schlafen wollte. Dieser Gedanke törnte mich plötzlich enorm an. Meine vorherige Unlust war mit einem Schlag vergangen und ich zwang mich hastig an etwas anderes zu denken. Eliza Laser knipste ihre Nachttischlampe wieder aus, und eine Weile lagen wir so nebeneinander in dem dunklen Zimmer. Ich konnte spüren und hören, wie sie atmete, obwohl sie es auffällig vermied, mir zu nah zu kommen.
„Möchtest du mit mir schlafen, Clay?" wollte sie nach einiger Zeit plötzlich von mir wissen. Verwirrt dachte ich darüber nach. „Willst du es denn?" fragte ich sie, um Zeit zu gewinnen. Sie lachte spöttisch, was mich nervös machte. Schlagartig fiel mir dieses blöde Junkiemädchen wieder ein und der extrem brutale Schmerz, den sie mir so unerwartet zugefügt hatte. Ich glaubte tatsächlich, diesen Schmerz in meinem Unterleib immer noch zu spüren. Ich geriet auf einmal in Panik, dass ich womöglich total versagen würde, wenn Eliza nun Sex mit mir wollte. Laut stöhnte ich auf und drehte mich spontan von ihr weg auf die Seite. Ich fragte mich konfus, was um Himmels Willen ich jetzt tun sollte und schloss hilflos die Augen.
Eine Weile war es wieder ganz still und ich spürte Müdigkeit in mir aufsteigen. Vielleicht sollte ich jetzt einfach einschlafen, dachte ich. Vielleicht wird doch noch alles gut und Liz erwartet gar nichts weiter von mir. Es war wirklich schön, einfach so neben ihr in ihrem Bett zu liegen!
Aber natürlich ließ sie es nicht gut sein, und das hatte ich ja auch gar nicht erwartet. Dazu kannte ich sie viel zu gut. „Was ist los, Clay?" fragte sie nach einiger Zeit seufzend, „Was zur Hölle ist mit dir passiert?" Ihre Hände tasteten unter der Bettdecke nach mir, packten mich und drehten mich energisch zu sich herum. Ich wehrte mich nicht dagegen. Ihre Hände waren sehr warm. Ich bekam das unangenehme Gefühl, jeden Moment den Verstand zu verlieren. Ich fand mich in diesem Moment selbst zum Kotzen, so voller verfluchtem Selbstmitleid. „Jetzt sag es mir schon, um Himmels Willen!" drängte sie ungeduldig.
Ihre Hand streichelte jetzt vorsichtig über meine nackte Brust, was sich recht gut anfühlte. Nur wusste ich leider überhaupt nicht, was ich ihr sagen sollte. Ich wollte mich nämlich nicht an meine Niederlage erinnern. „Bitte lass es gut sein", wehrte ich ihre Neugier hilflos ab. Sie holte hörbar Luft. „So einfach ist das aber nicht, Clay! Du bist zu mir gekommen, nicht wahr? Du hast gesagt, ich soll dir helfen! Aber das kann ich nur, wenn du mir endlich verrätst, was mit dir los ist!" Ihre Stimme war jetzt laut und fordernd. „Liz...", seufzte ich abwehrend und tastete hastig nach ihr, um sie abzulenken. Ich streichelte ein bisschen über ihr Unterhemd und spürte ihren großen Busen darunter. Sie hatte offensichtlich nichts dagegen, deshalb wandte ich mich ihr ganz zu. „Es ist nichts. Ich wollte nur nicht allein sein", flüsterte ich und küsste ihren Hals. Sie ließ sich das gern gefallen. „Du bist ein Lügner, Clay", stellte sie fest.
Wir streichelten uns eine Weile sanft und vorsichtig. Sie seufzte leise und zufrieden. Offenbar gefiel ihr meine Zärtlichkeit. Sie sagte nichts mehr, was mich jetzt grenzenlos erleichterte, weil ich ihr natürlich auf keinen Fall den Vorfall mit dem Junkiemädchen beichten konnte. Sie hätte mir vor Eifersucht wahrscheinlich den Kopf abgerissen! Außerdem fühlte sich ihr Körper gut an.
In dieser Nacht hätte ich es trotzdem gerne bei einer zarten Berührung belassen. Aber Eliza Laser war, wie ausnahmslos alle Hetero-Frauen, beim Sex fixiert auf dieses intime Körperteil, deshalb tastete sie sich natürlich irgendwann zwischen meine Beine und legte mir ihre Hand auf den Penis, liebkoste ihn intensiv, was ich mit der Zeit nur schwer ignorieren konnte.
„Willst du mit mir schlafen, Clay?" fragte sie erneut, diesmal unüberhörbar fordernd. Ich fand ihre Frage plötzlich unfair, denn ich wollte nicht mit ihr schlafen, nicht in diesem Moment. Und ich war mir sicher, dass sie das auch genau wusste. Sie allein war es, die den Sex mit mir einforderte! Eliza ist tierisch geil auf mich, registrierte ich verwirrt. Denn obwohl mir diese Tatsache auf eine Art ziemlich schmeichelte, fühlte ich mich gleichzeitig von ihr bedroht.
Wollte ich doch am liebsten einfach nur hier liegenbleiben. Ich wollte sie neben mir spüren, ihre Hand auf meinem Bauch vielleicht. Mein Bedürfnis nach wildem, hartem Sex war an diesem Abend schmerzhaft mit dem verfluchten Junkiemädchen verloren gegangen und bisher auch noch nicht wieder aufgetaucht. Ich fühlte mich hilflos und der Frau ausgeliefert. Und Eliza forderte selbstverständlich eine Antwort von mir.
„Sag schon!" drängte sie aufgeregt. Sie fing wieder damit an, meinen Schwanz zu streicheln, was sich eigentlich verdammt gut anfühlte. Ich musste eine Entscheidung treffen und wog eilig meine Möglichkeiten ab. Ich konnte natürlich immer noch aufstehen, mich anziehen und nach Hause laufen. Damit würde ich diese Frau ohne Zweifel kränken und verärgern. Sie wäre dann mit Sicherheit sehr wütend auf mich. Sie würde unvermeidlich damit anfangen, mich zu beschimpfen, mich vielleicht sogar schlagen. Das wollte ich nicht riskieren, denn ihre Sanftheit war viel leichter zu ertragen, als ihr gnadenloser Zorn!
Und wenn dies der Preis dafür sein sollte, dass ich hier in ihrem Bett liegen durfte, dann musste ich es wohl akzeptieren, wurde mir klar. Wenn Eliza Laser Sex mit mir wollte, dann hatte ich eigentlich niemals eine Chance zur Gegenwehr. Sie verlangte jetzt danach, und das schmeichelte mir eigentlich sehr. Ich wollte in dieser Nacht nicht allein sein. Intime, sexuelle Zweisamkeit war mir immer noch lieber, als gar keine!
Deshalb ließ ich ihre Hand gewähren, die sich schnell ziemlich intensiv mit meinem Penis beschäftigte. Ich sagte nichts, seufzte nur leise und konzentrierte mich ganz auf ihre fachmännische Berührung, die jetzt definitiv sehr geil war. Ich war wirklich erleichtert, als er schließlich richtig hart wurde. Und der Frau war dieser intime Umstand allein Zustimmung genug, glaube ich. „Hast du ein Kondom?" flüsterte sie irgendwann atemlos in der Dunkelheit. Ich seufzte zustimmend. Sex mit Eliza fühlte sich wahrhaftig gut an. Es war alles in Ordnung. Eigentlich ging es mir doch viel zu gut, um mich zu beschweren.
Sean
Die Katze sprang zu mir, lief fast über mein Gesicht, und davon wachte ich auf. Die Sonne ging gerade auf. Ich lag auf dem Bett in meinem Dachboden, nur Unterwäsche an, und versuchte keine Kopfschmerzen zu bekommen. Aber kaum hatte ich die Augen geöffnet, waren die Schmerzen auch schon da. Ich versuchte mich zu erinnern, was in der letzten Nacht passiert war. Aber mir wollte nichts einfallen. Ich hatte tatsächlich keine Ahnung, wie ich in mein Bett gekommen war, was mich ziemlich nervös machte.
Im nächsten Moment bekam ich einen Schreck, weil mir auffiel, dass mein Wecker nicht geklingelt hatte, und ich fürchtete, deswegen irgendwas verpasst zu haben, vielleicht ein Seminar, einen Vortrag oder sonst einen wichtigen Termin. Hastig warf ich einen Blick zur Wand und der Kalender dort verriet mir, dass heute Samstag war. Ich war erleichtert, weil ich Samstags normalerweise keine Seminare gebe.
Die Uhr neben dem Kalender scheuchte mich auf, weil es nur noch drei Stunden bis zur letzten Probe vor der Vorstellung waren. Ich musste aufstehen und wach werden. Ich musste einen klaren Kopf bekommen. Ich wollte nicht wie ein Haufen Elend auf der Bühne stehen.
Deshalb stand ich eilig auf, scheuchte die Katze weg, die mich prompt anfauchte, und lief die Treppe herunter zum Badezimmer. Dort stellte ich mich widerwillig unter die kalte Dusche. Als ich das Wasser aufdrehte, traf es meine Haut so eisig, dass ich die Zähne zusammenbiss. Die Kälte half aber ein bisschen und ich wurde langsam klarer im Kopf. Erinnerungen an die letzte Nacht tauchten schemenhaft auf, aber ich wollte daran gar nicht denken.
Also stieg ich aus der Dusche, trocknete mich ab, rasierte mich gründlich, benutzte viele Pflegeprodukte für mein Gesicht und meinen Körper, manikürte meine Fingernägel und ging wieder zurück in meinen Dachboden, nur mit einem Handtuch bekleidet. Zum Glück traf ich auf dem Weg niemanden.
In meinem Zimmer trainierte ich nackt vielleicht eine halbe Stunde, ohne dabei ins Schwitzen zu kommen. Danach stellte ich mich vor den Schrank und probierte einige Klamotten an, bis ich genau die fand, die zu meiner Stimmung passten. Angezogen betrachtete ich mich noch eine Weile im Spiegel. Ich fand mich okay so. Ich sah nicht mehr allzu verkatert aus, worüber ich sehr froh war. Eine Minute lang horchte ich nach unten, ob Vincent oder Marc in der Wohnung waren, aber es war ganz ruhig und ich hoffte, dass sie die Nacht woanders verbracht hatten, oder schon wieder weg waren. Ich hatte keine Lust auf die beiden, tatsächlich wollte ich im Moment niemanden sehen.
Die Kopfschmerzen kamen zurück und ich lief eine Weile in meinem Dachboden herum. Dann fand ich ein bisschen Kokain in dem Versteck hinter dem Dachbalken und nahm eine kleine Nase, wonach es mir schon viel besser ging. Ich wurde ziemlich wach und aufgekratzt, bereit für alles andere. Aber zuerst ging ich nur hinunter in die Küche und bereitete mir ein ganz besonderes Frühstück, was ich letztendlich nur halb aufaß, weil ich plötzlich keinen Hunger mehr hatte. Ich trank eine Menge schwarzen Kaffee, rauchte zu viel, und ich war die ganze Zeit froh, dass in der Wohnung außer mir tatsächlich niemand war.
Und nur ganz langsam, beinahe vorsichtig fing ich damit an, mich auf den Tag zu freuen. Und auf Clay.
Clay
Als ich wach wurde, ging vor dem Fenster gerade die Sonne auf, aber im Zimmer war es noch dämmrig. Ich schlug die Augen auf und augenblicklich taten mir meine Knochen weh, und ich hatte unheimlich Bock auf einen Chinesen. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Eliza noch schlief, stand ich vorsichtig auf, schloss leise ihre Tür auf und verließ auf Zehenspitzen ihr Zimmer.
Ängstlich horchte ich in die Wohnung, ob die Gefahr bestand, dass Rowina mir über den Weg lief. Aber es war ganz still. Ich schlich über den Flur zum Badezimmer und pinkelte so leise ich konnte. Dann fand ich meine Klamotten, die unverändert über der Badewanne hingen. Meine Kleidung war immer noch sehr feucht, unangenehm kalt, aber ich zog sie trotzdem an. Ich untersuchte den Inhalt meiner Taschen und stellte mit aufkommender Panik fest, dass sie leer waren. Ich sah mich konfus um, und ich dachte einen Moment, dass Rowina mich vielleicht beklaut hatte.
Aber dann entdeckte ich meine Sachen auf dem Trockner liegen und vermutete erleichtert, dass Eliza meine Taschen geleert hatte, als sie gestern Nacht ein Kondom aus meiner Jeans geholt hatte. Ich fragte mich, warum sie das wohl getan hatte. Und dann ärgerte es mich maßlos, weil ich das Gefühl hatte, dass die Frau mich ausspionierte.
Ich griff nach meinem Handy und überprüfte, ob es trotz der Nässe noch funktionierte. Es funktionierte noch, aber ich hatte keine neuen Nachrichten. Ich nahm mein Portemonnaie und überflog den Inhalt. Es fehlte nichts. Ich fand auch meinen Schlüssel. Danach sammelte ich die restlichen Kondome ein, die Liz aus irgendeinem Grund ebenfalls auf den Trockner gelegt hatte. Plötzlich erinnerte ich mich an den Sex mit ihr und hatte das Gefühl, dass dieses Opfer mir eine angenehme Nacht beschert hatte.
Ich bereute nichts, nahm meine Marlboro und zündete mir mit meinem Feuerzeug eine an. Obwohl sie feucht war brannte sie, und ich zog den Rauch tief in meine Lungen. Dann betrachtete ich mich eine Weile im Badezimmerspiegel. Ich sah nicht gut aus, fand ich. Ich fühlte mich nicht gut, genau genommen wurde es immer schlechter. Es wurde Zeit für ein bisschen shore. Ich ärgerte mich, dass ich mir gestern nichts für heute verwahrt hatte.
Aber im nächsten Augenblick war ich froh darüber, nichts bei mir zu haben, denn auch die Drogen hätte Eliza Laser wohl bei ihrer Spionageaktion gefunden. Und die Frau hätte sich mit Sicherheit tierisch darüber aufgeregt, das wusste ich genau, außerdem hätte sie mir das Heroin garantiert weggenommen. Ich drehte den Wasserhahn auf und hielt meinen Schädel spontan unter den kalten Wasserstrahl, bis mir plötzlich einfiel, dass das vielleicht zu laut war und die Frauen wecken könnte. Schnell drehte ich den Hahn wieder zu und griff mir ein Handtuch, um mein Gesicht abzutrocknen.
Als ich gleich darauf hoch sah, stand unerwartet Rowina in der Badezimmertür. Sie trug immer noch nur ihr fast gänzlich durchsichtiges Nachthemd. Sie sah verquollen und verschlafen aus, aber immer noch recht hübsch. Wir guckten uns eine Weile nur an und sagten gar nichts. Ich hängte das Handtuch wieder auf die Stange neben dem Waschbecken. Ich bewegte mich nicht und stand einfach so dort. Rowina Ludger betrachtete mich intensiv.
„Du willst gehen?" wollte sie schließlich wissen, schob mich zur Seite, um am Waschbecken mit Mundwasser zu gurgeln. „Sieht so aus", antwortete ich betont gleichgültig und zwang mich, nicht nervös zu werden. „Und Liz schläft wohl noch, was?" stellte Rowina grinsend fest. Es war nichts Neues, dass ich mich aus dem Haus schlich, bevor der Mensch, mit dem ich die Nacht verbracht hatte, aufwachte. Besonders wenn es mir so mies ging wie jetzt, wollte ich diesem Menschen nicht unbedingt morgens begegnen. Schon gar nicht Eliza.
Rowina kannte mich gut genug, aber zum Glück war sie wohl noch zu müde für blöde Bemerkungen oder neue Gemeinheiten. Sie schaute mich nur aufmerksam an, bis ich den Blick abwandte. „Also, mach's gut", sagte ich leise, hob grüßend die Hand und bewegte mich zur Tür, bevor ihr einfallen würde, wie sehr sie mich hasste. Es sollte nicht wie eine Flucht vor ihr aussehen, obwohl es das zweifellos war, deshalb ging ich langsam. Ich hoffte inständig, dass sie einfach die Klappe halten und mich gehen lassen würde. Aber sie war Rowina Ludger und deshalb war mein Wunsch ein Ding der Unmöglichkeit.
„Hey, Clay!" rief sie, noch bevor ich aus dem Badezimmer raus war. Ich überlegte ernsthaft, ob ich sie nicht einfach ignorieren sollte, drehte mich dann aber doch zu ihr um. Die Frau saß auf dem Klo und pinkelte. Ich guckte sie einige Zeit betont gleichgültig an. Ich versuchte, mir meine viel zu große Irritation nicht anmerken zu lassen. Sie beobachtete mich neugierig, erwartete wohl irgendeine Reaktion von mir. Ich gab ihr keine, lächelte nur wenig amüsiert.
„Was soll das, Ina, was willst du damit erreichen?" fragte ich sie schließlich. „Gestern hat es dich doch noch total angemacht mich pinkeln zu sehen!" erinnerte sie mich und stand vom Klo auf. Sie betätigte die Spülung und kam zu mir. Ich wollte zurückweichen, tat es aber nicht. Ich wollte endlich aus dieser Wohnung verschwinden. Meine Knochen sollten endlich aufhören zu schmerzen. „Das ist totaler Schwachsinn!" erwiderte ich gereizt. „Hast du einen Steifen gekriegt?" begehrte sie neugierig zu wissen und grinste belustigt. Ich verdrehte genervt die Augen. „Warum stellst du mir andauernd solche Fragen, Rowina, was zur Hölle bringt dir dieser Scheiß?" fuhr ich sie ungeduldig an. „Welche Fragen meinst du denn?" Sie spielte die Ahnungslose, aber ihre Augen blitzten jetzt amüsiert und kampfbereit. Wie immer machte ihr dieses Scheiß Spiel einen Höllenspaß. Mir war klar, dass ich gegen Rowina nicht gewinnen konnte, dass ich auch gegen diese Frau niemals irgendeine Chance hatte.
Ich atmete ein paarmal tief, um mich zu beruhigen. „Fragen über meinen Schwanz zum Beispiel", erklärte ich ihr dann so ruhig wie möglich, drehte mich spontan herum und flüchtete nun doch vor ihr in den Flur zur Wohnungstür. Diese Tür war abgeschlossen, und ich spürte Panik in mir aufsteigen, weil kein Schlüssel im Schloss steckte. Ich wollte auf keinen Fall, dass Eliza wach wurde und mich hier antraf. Ich wollte unbedingt weg, und dass Rowina mich endlich in Ruhe ließ.
Aber natürlich kam sie mir nach, denn sie hatte viel zu viel Spaß an meiner Verlegenheit. „Ich habe dir doch schon erklärt, dass dein Schwanz das einzig Interessante an dir ist, Clay", grinste sie mich gehässig an. „Lass mich einfach in Ruhe!" entfuhr es mir, was mir gleich darauf leid tat, weil ich damit zugab, kapituliert zu haben. Ich starrte sie verwirrt an, und sie begutachtete mich eine Weile interessiert und intensiv.
Ich stand nur dort und versuchte, nicht die Nerven zu verlieren. „Ich weiß ganz genau, warum du dich aus dem Haus schleichst, Clay, und warum du Liz jetzt nicht treffen willst", sagte sie endlich herausfordernd. „Schließ die Tür auf!" forderte ich sie drohend auf. Sie grinste überlegen. Ich konnte sie nicht einschüchtern. Nichts was ich tat hätte sie jemals auch nur annähernd verunsichert. Wenn sie jetzt nicht die Klappe hält, dann werde ich sie womöglich schlagen, dachte ich beunruhigt.
Aber ich stand nur dort und guckte sie hilflos an. Sie betrachtete mich noch eine Weile, dann drehte sie sich zu meiner Überraschung um und ging in ihr Zimmer. Ich überlegte ernsthaft, ob ich vielleicht aus dem Fenster klettern oder die Tür eintreten könnte, entschied dann aber, dass es einfach zu hoch oder zu laut sein würde, als Frau Ludger auch schon wieder auftauchte. Sie hatte tatsächlich ihren Schlüssel aus ihrem Zimmer geholt, was ich kaum glauben konnte. Sie schob mich zur Seite und schloss die Wohnungstür auf. Ich nickte ihr dankbar zu, weil ich zu mehr in diesem Moment nicht fähig war. Die Überraschung und Erleichterung waren einfach zu groß.
Hastig trat ich hinaus in den Hausflur, da hielt Rowina mich plötzlich am Arm zurück. „War es schön für dich, gestern im Bett mit Eliza?" fragte sie mich erstaunlich ruhig. Ich suchte in ihrem Gesicht ein Anzeichen ihres üblichen Spotts, aber diesmal war da nichts. Sie meinte diese Frage scheinbar wirklich ernst, wirkte zu meinem maßlosen Erstaunen sogar irgendwie traurig. „Es war okay", antwortete ich ihr verwirrt, obwohl sie das überhaupt nichts anging.
Dann drehte ich mich hastig herum und lief eilig die Treppen hinunter, bevor sie mich noch länger aufhalten konnte. „Das hat sich heute Nacht aber um einiges besser angehört, als nur okay!" rief Rowina mir hinterher. Ich war in diesem Moment viel zu glücklich über meine gelungene Flucht aus diesem Irrenhaus. Ich musste mir viel zu dringend neues Heroin besorgen. Mir wäre nicht im Traum eingefallen, auch nur irgendwie über diese Worte nachzudenken.
Eliza
Als ich wach wurde, tastete ich sofort zur Seite nach Clay, noch bevor ich die Augen öffnete. Der Platz neben mir war leer, und da wusste ich, dass er gegangen war. Eine Weile lag ich noch dort und stellte mir vor, wie schön es gewesen wäre, jetzt neben ihm aufzuwachen. Ich versuchte mir einzureden, dass er vielleicht noch in der Wohnung war.
Aber dann öffnete ich doch die Augen und stellte mich der Realität. Ich wusste längst, dass er weg war, denn dieses Verhalten war typisch für Clay Banton, und ich kannte ihn viel zu gut. Seufzend stand ich auf, zog mir den Bademantel über, ging aus dem Zimmer über den Flur und ins Badezimmer. Ich ging aufs Klo, wusch mir die Hände, putzte meine Zähne und wusch mein Gesicht.
Dann ging ich in die Küche und traf auf Rowina, die am Küchentisch saß und frühstückte. „Guten Morgen, Lizzie", begrüßte sie mich, „Das Frühstück wartet schon auf dich." Ich sah sie dankbar an, denn sie hatte tatsächlich einen einladenden Frühstückstisch gedeckt. Seufzend ließ ich mich am Tisch nieder und schenkte mir erst mal Kaffee ein. Dann nahm ich mir ein Brötchen, schnitt es auf und belegte es mit Wurst und Käse.
„Er ist weg", bemerkte Rowina betont beiläufig. „Ich weiß", antwortete ich und schaute auf, „Das ist doch nichts Neues." Rowina blies spöttisch die Luft aus. „Ja, aber weißt du auch, warum er es schon wieder so eilig hatte zu verschwinden?" horchte meine Freundin mich aus und fixierte mich dabei viel zu ernst. Dieser todernste Ausdruck ihrer Augen beunruhigte mich, aber ich ließ mir nichts anmerken. Ich biss in mein Brötchen. „Er ist gegangen, weil er immer geht", sagte ich wegwerfend mit vollem Mund, „Wahrscheinlich kann er meinen Anblick morgens nicht ertragen!"
Es sollte sich eigentlich spöttisch anhören, aber der Gedanke tat mir weh, und Rowina merkte das auch. Sie schüttelte den Kopf und trank von ihrem Multivitaminsaft. Dann zündete sie sich eine Zigarette an. „Nein, Eliza! Clay Banton ist gegangen, weil er auf Entzug ist. Er muss sich neue Drogen besorgen, das ist der Grund!" erklärte sie mir unvermittelt hart.
Mir blieb vor Schreck der Bissen im Hals stecken, ich hustete und trank hastig Kaffee hinterher. Ungläubig schüttelte ich den Kopf und schaute sie tadelnd an. „So ein Quatsch, der ist doch längst runter von dem Zeug!" machte ich ihr klar. „Clay und runter von dem Zeug?! Das ich nicht lache!" rief Rowina spöttisch, „Der Kerl war gestern Nacht total zugedröhnt, das hast du doch selber gemerkt!" Ich legte den Rest meines Brötchens zurück auf den Teller. Plötzlich hatte ich keinen Hunger mehr.
Irritiert betrachtete ich Rowina. Ich fragte mich, warum sie schon am Morgen so boshaft über Clay lästern musste. Eigentlich ließ sie nie ein gutes Haar an ihm, denn sie verachtete ihn schließlich, aber irgendwas an ihrem Blick alarmierte mich plötzlich. „Na und? Das heißt noch gar nichts! Er hat mir gesagt, dass es gestern nur wenig war und nur ein Zufall", versuchte ich Clay zu verteidigen. „Ein Zufall also!" Rowina lachte schon wieder spöttisch, was mich langsam richtig ärgerte.
„Was soll das, Rowina? Woher willst du überhaupt wissen, dass Clay heute morgen auf Entzug war, wie du behauptest?" forschte ich wütend nach. „Das sagst du doch nur, weil du ihn sowieso nicht leiden kannst!" setzte ich hinzu. Sie hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe ihn vorhin noch getroffen", informierte sie mich dann, „Und er sah wirklich nicht gut aus, das kannst du mir glauben. Du hättest ihn sehen sollen! Dieser irre Ausdruck in seinen Augen hat mir total Angst gemacht! Und du weißt, dass dieser Idiot mich normalerweise nicht einschüchtern kann!" Das waren exakt ihre Worte und sie standen schwer im Raum, und eine lange Weile war es ganz still.
Ich versuchte diese Information zu verarbeiten. Eigentlich fühlte ich mich noch viel zu müde für solche Neuigkeiten. Plötzlich wurde mir schwindelig und schlecht, als mir die Tragweite dieser möglichen Realität bewusst wurde. Sofort kamen alte Erinnerungen in mir hoch. Diese schrecklichen Zeiten, in denen Clay nur noch seiner Scheiß Droge hinterher gerannt war, während ich hilflos daneben stand. Seine vielen Versuche zu entziehen, mit Tabletten, dem Codein, letztendlich seine Methadonzeiten und unentwegt meine Hilflosigkeit.
„Nein, Rowina, das glaube ich einfach nicht!" stieß ich endlich hervor und guckte sie fast flehentlich an. „Clay hat immerhin Jahre gebraucht, um davon loszukommen! Er würde das, was er inzwischen alles erreicht hat, nicht mit so einem Scheiß wieder aufs Spiel setzen!" erklärte ich ihr ernsthaft und zwang mich mit aller Kraft, selbst daran zu glauben. Rowina lächelte beinahe mitleidig, was mich ziemlich ärgerte. Sie zog an ihrer Zigarette und ich zündete mir nervös auch eine an. „Ach, Liz!" seufzte sie, „Clay Banton ist nun mal ein Junkie und er wird für immer und ewig ein Junkie bleiben!" behauptete sie sanft. Ich schüttelte trotzig den Kopf. „Nein, du irrst dich total, Ina! Clay Banton ist ein erfolgreicher Schauspieler, Musiker, Maler und Grafiker, und er ist allerhöchstens ein Ex-Junkie, ist das klar!?" Ich biss heftig von meinem Brötchen ab. Dann rauchte ich und starrte sie wütend, kampfbereit an.
Wenn sie es unbedingt darauf anlegte, dann würde ich mich eben auch am frühen Morgen schon mit ihr streiten. Wie kommt sie überhaupt dazu, so einen Unsinn zu behaupten, dachte ich wütend. Clay Banton war süchtig gewesen, das war kein Geheimnis, aber er hatte diese dunkle Phase seines Lebens doch schon längst hinter sich gebracht! Inzwischen war er sehr erfolgreich und verdiente überraschend viel Geld mit seiner Kunst! Rowina konnte ihn nur nicht leiden, das war alles!
„Clay ist doch kein Idiot! Er würde nicht wieder mit dieser Scheiße anfangen, die ihn schon einmal fast umgebracht hat!" schrie ich Rowina wütend an. Im nächsten Moment wurde mir bewusst, dass ich sie angeschrien hatte, und ich guckte sie eine Weile hilflos an. Sie betrachtete mich ganz ruhig. Plötzlich war mir zum Kotzen zumute. Angewidert schob ich den Teller mit dem Rest von meinem Brötchen von mir weg und rauchte tief. „Tut mir leid, Rowina", sagte ich leise resigniert. „Ist schon gut", lenkte sie ein, „Ich verstehe nur nicht, warum dir diese Sache so viel ausmacht. Ich dachte eigentlich, dieses Arschloch wäre nur noch dein Ex und würde dich nicht mehr interessieren."
Einige Zeit war es ganz still, während ich über ihre Worte nachdachte. Sie hatte natürlich Recht. Es ärgerte mich, dass schon allein die vage Möglichkeit, Clay könnte wieder auf Heroin sein, mich beinahe wahnsinnig zu machen schien. Wir hatten doch längst Schluss gemacht mit unserer unseligen Beziehung. Und ich hatte wahrlich genug mit diesem Mann durchgestanden. Ich hatte doch mit aller Kraft versucht, mich auch innerlich von ihm zu verabschieden. Warum zum Teufel war es mir nicht einfach scheißegal, wenn er zurück in sein Unglück wollte? Ich konnte ihm doch sowieso nicht helfen, das hatte ich noch nie gekonnt.
„Warum zur Hölle hast du diesen Wichser gestern Nacht in unsere Wohnung gelassen?" holte Rowina mich aus meinen Gedanken. Ich guckte sie verwirrt an und versuchte eine Antwort zu finden. „Ich weiß es nicht", musste ich dann zugeben. „Du wolltest wahrscheinlich nur mit ihm schlafen, oder?" vermutete sie und grinste zweideutig. „Nein, das war's nicht", wehrte ich sofort ab. „Du hast es aber getan, und zwar ziemlich intensiv. Ich konnte euch gar nicht überhören, weißt du", grinste Rowina fast vorwurfsvoll.
Ich betrachtete sie müde. Ihre indiskrete Bemerkung war mir nicht im Geringsten peinlich. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Es fiel mir plötzlich schwer, klar zu denken. Ich drückte meine Zigarette aus und goss mir noch Kaffee ein. Ina beobachtete mich eine Weile. „Ich verstehe dich nicht, Liz. Warum muss es ausgerechnet dieser Mann sein? Fürs Bett laufen da draußen wirklich genug Typen herum, glaub mir!" erklärte sie mir feixend. Ich guckte sie nur an und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht wie du, Ina. Ich habe kein Bedürfnis nach fremden Bettpartnern", versuchte ich ihr zu erklären, aber sie lachte nur amüsiert.
Sie hatte keine Ahnung. Rowina hatte meine Beziehung zu Clay noch nie verstanden. Zwischen uns war es niemals nur um Sex gegangen. Je länger ich darüber nachdachte, umso klarer wurde mir, dass ich selbst nicht wusste, worum es in unserer merkwürdigen Liebschaft überhaupt gegangen war. Ich spürte nur, dass dieses eigenartig starke Band zwischen Clay und mir noch lange nicht kaputt war, vielleicht nie zerreißen würde. Da konnte ich mich wohl so lange und so stark anstrengen, wie ich wollte.
Clay
Als ich auf der Straße stand ärgerte ich mich, weil ich gestern mein Auto vor meinem Haus hatte stehen lassen und durch die Nacht hierher gelaufen war. Ich hatte wohl das dringende Bedürfnis gehabt, diesen langen Weg zu Fuß zu gehen. Leider bedeutete das aber, dass ich nun kein Fahrzeug hatte und zurücklaufen musste, womit ich sofort stöhnend anfing.
Meine Gedanken waren bei meinem Affen, der sich immer stärker bemerkbar machte. Ich überlegte fieberhaft, was ich tun könnte, aber alles Nachdenken nutzte mir überhaupt nichts. Es war definitiv noch viel zu früh für Drogengeschäfte jedweder Art. Dieser Mist ist meine eigene Schuld, schimpfte ich mit mir. Ich hätte gestern nicht alles weg rauchen dürfen, dachte ich wütend. Aber dies war ein Fehler, der mir tatsächlich viel zu oft unterlief, weil ich selten an den nächsten Tag dachte, nicht mal an die nächste Minute. Nur jetzt, wenn der Affe schlimmer wurde, dann wurde Zeit auf einmal ziemlich wichtig. Und ich hatte nicht mehr allzu viel Zeit, bis es richtig losgehen würde mit dem Entzug.
Also lief ich schneller. Es war verflucht kalt und ich fing an zu rennen. Meine Gedanken überschlugen sich beinahe auf der Suche nach einer Lösung für dieses nur allzu vertraute Problem. Irgendwann wurde mir schwindelig, vielleicht vom Rennen, ich taumelte gegen eine Hauswand und blieb stehen. Mir war wirklich zum Kotzen zumute. Ich fühlte mich absolut beschissen. Mein Körper tat mir weh. Meine Seele ebenso. Am Liebsten wäre ich auf der Stelle tot umgefallen. Aber dann zwang ich mich doch wieder, mich zusammenzureißen. Ich holte wider besseres Wissen mein Handy heraus und wählte Sergejs Nummer.
Selbstverständlich ging er nicht ran. Danach versuchte ich noch zwei andere Nummern, aber auch dort war der Teilnehmer zur Zeit natürlich nicht erreichbar. Die Panik nieder kämpfend schaute ich mich um. Ich versuchte mich zu orientieren. Ich sah eine Bushaltestelle, an der gerade ein Bus hielt. Aus einem inneren Impuls heraus gab ich Gas, joggte zum Bus und stieg ein. Ich bezahlte das Fahrgeld beim Fahrer und lief durch den Bus nach hinten. Auf der letzten Bank ließ ich mich nieder.
Der Bus war ziemlich leer, nur einige Leute auf dem Weg in die Stadt, um ihre Samstagseinkäufe zu erledigen. Ich saß aus einem anderen Grund in diesem Bus. Aus tiefstem Herzen hoffte ich, in der Stadt irgendjemanden zu finden, der mir Heroin oder wenigstens Methadon verkaufen würde. Aber ich wusste nur zu gut, dass die Chance darauf schwindend gering war. Um diese Uhrzeit lagen normalerweise alle potentiellen Dealer noch im Bett. Vielleicht habe ich Glück, versuchte ich mich innerlich aufzubauen, vielleicht ist doch schon irgendwer unterwegs.
Plötzlich wurde mir schlagartig klar, was ich im Begriff war zu tun. Ich war tatsächlich auf der Suche nach shore, obwohl ich genau wusste, dass es dafür noch viel zu früh am Tag war. Ich wollte die shore, weil ich süchtig nach ihr war, und nicht nur deshalb, weil ich gerade Bock darauf hatte. Mir wurde mit einem Schlag bewusst, dass ich die Kontrolle über dieses verdammte Scheiß Zeug verloren hatte. Wie konnte es nur so weit kommen, fragte ich mich echt verzweifelt, an welchem verdammten Punkt habe ich die Kontrolle diesmal verloren? Welches Mal war das eine Mal zu viel gewesen? Ich wusste es nicht. Und es ging mir zu schlecht, um länger darüber nachzudenken. Ich muss so schnell wie möglich aus diesen verflucht nassen Sachen raus, dachte ich nervös, ich friere mich total kaputt, verdammte Scheiße!
Als der Bus endlich in der Stadtmitte anhielt, beeilte ich mich auszusteigen. Ich bekam Paranoia und dachte, alle Leute würden mich vorwurfsvoll anstarren. Meine Kleidung fühlte sich feucht und kalt an, und ich dachte, alle Menschen würden das sehen. In der Stadt lief ich dann ziemlich planlos herum und suchte einen Dealer. Ich klapperte die altbekannten Stellen ab, aber selbstverständlich war alles leer und niemand war schon dort, an den ich mich hätte wenden können.
Menschen bauten Marktstände für den Samstagsmarkt auf, andere kauften Obst oder Gemüse bei ihnen, noch bevor der Stand fertig war. Natürlich würde es keinen Verkaufsstand für Heroin geben, dachte ich konfus. Ich wurde ziemlich wütend, weil ich Geld in meiner Tasche hatte, aber niemand wollte es haben, und kein Mensch hatte irgendwas für mich, was meinen Schmerz gelindert hätte. Der Affe wurde schlimmer und das Laufen fiel mir zunehmend schwerer. Mir war kalt und ich bekam Schüttelfrost. Mein Magen drehte sich herum. Mir wurde die Sinnlosigkeit meiner Suche bewusst. Ich konnte kein Taxi finden.
Wütend über mich selbst lief ich zurück zur Bushaltestelle und wartete auf einen Bus, der mich in die Nähe meines Hauses bringen würde. An dieser Haltestelle wartete ich eine Ewigkeit, so schien es mir. Irgendjemand sprach mich an, an den ich mich nicht mehr erinnern kann. Später kam der richtige Bus, ich stieg ein und bezahlte nochmal, und dann fuhr ich noch ein langes Stück bis zur Endhaltestelle. Von dort aus musste ich immer noch verdammt weit laufen.
Die Sonne war inzwischen aufgegangen, aber sie wärmte mich kein bisschen. In dieser Gegend waren keine Menschen mehr auf der Straße. Total verwirrt fing ich damit an, irgendein Lied zu singen und taumelte dabei langsam nach Hause. Ich hatte das starke Bedürfnis, mich an jemanden anzulehnen. Ich wollte unbedingt einen Chinesen rauchen jetzt. Aber gleichzeitig wollte ich dieser verfluchten Droge nicht länger so eine Macht über mich gestatten.
Es fiel mir wirklich nicht leicht, aber ich beschloss grimmig, dass es so nicht weitergehen durfte. Ich musste unbedingt wieder runterkommen von diesem Gift. Ich musste unbedingt die Kontrolle über mich und das Heroin wieder zurückgewinnen. Erst dann würde es für mich den nächsten Chinesen geben, hämmerte ich mir wütend ein. Ich muss es nur noch bis nach Hause schaffen, dachte ich dann verbissen. Nach Hause, dort ziehe ich diese verflucht feuchten, kalten Klamotten aus, lege mich sofort ins warme Bett und alles wird wieder gut. Alles wird wieder gut. Ich klammerte mich mühsam an diesen Gedanken. Er war der einzige, den ich ertragen konnte und den ich noch haben wollte.
Sean
Ich verließ das Grenzland-Theater, schwang mich auf mein Fahrrad und radelte los. Dann trat ich in die Pedalen so schnell ich konnte. Ich war so wütend, dass ich kaum auf den Verkehr achtete, kaum etwas um mich herum wahrnahm. Ich radelte wie der Teufel durch die Straßen und missachtete sämtliche Verkehrsregeln.
Ich dachte darüber nach, warum Clay wohl schon wieder nicht im Theater aufgetaucht war. Ich versuchte automatisch, irgendeine Erklärung dafür zu finden, suchte nach plausiblen Entschuldigungen für sein Fehlen. Aber es gab dafür keine Entschuldigung und meine Wut wurde dadurch nicht geringer.
Überraschend schnell war ich vor Clays Haus und bremste scharf ab. Ich stieg vom Rad und schob es in seinen Hausflur. Ich wollte gar keine Entschuldigungen für ihn finden, diesmal nicht. Ich würde nichts davon gelten lassen, was immer ihm dazu einfiel. Diesmal war Clay dran, schwor ich mir, dieser Arsch konnte sich nicht alles mit mir erlauben. Ich würde nicht zulassen, dass er mit seiner Schlamperei meine Performance kaputtmachte.
Aber im nächsten Moment mahnte ich mich zur Ruhe. Ich wollte nicht übereilt handeln, deshalb lief ich nochmal vor das Haus, um mich ein wenig zu beruhigen und zu Atem zu kommen. Ich betrachtete seinen MG, der vor seinem Haus stand. Eine Weile stand ich dort und sah mir seinen britischen Sportwagen in metallic-anthrazit an. Ich erinnerte mich, wie euphorisch er gewesen war, als wir zusammen los fuhren, um das neue Auto abzuholen. Wie stolz er sich das erste Mal hinter dieses Steuer gesetzt hatte. Selten hatte ich Clay so glücklich gesehen, wie in diesem Moment. Dieser MG TF 160 mit seinen 160 PS und der teuren Sonderausstattung bedeutete ihm wirklich viel.
Ich dachte darüber nach, ob es mir eine Genugtuung verschaffen würde, wenn ich ihm den Lack zerkratzen würde, die Reifen zerstechen, das Dach aufschlitzen oder irgend so einen Mist. Aber dann entschied ich, dass das gar nichts bringen würde. Es würde meine Wut in keiner Weise mindern. Ich musste ihm gegenüberstehen und ihm persönlich sagen, was ich von ihm hielt. Ich hatte das dringende Bedürfnis ihn zu prügeln. Ich wollte ihn unbedingt schlagen, ihm so fest ich konnte eine reinhauen, damit er endlich und für alle Zeit begriff, wie verflucht wütend mich sein Verhalten machte. Nochmals atmete ich tief durch, drehte mich herum und lief die Treppen hinauf.
Dann stand ich vor seiner Tür und lauschte, konnte aber nichts hören. Mein Herz hämmerte hart vor Aufregung und Wut. Ich muss gut aufpassen, dass Clay mich nicht wieder um den kleinen Finger wickelt, mahnte ich mich beunruhigt, dass er nicht mit einem Lächeln meine Wut verschwinden lässt. Mir war absolut klar, dass Clay Banton dazu fähig war. Aber diesmal nicht, schwor ich mir, diesmal hat er wirklich eine Abreibung verdient. Diesmal werde ich es nicht gut sein lassen mit einem verdammten Lächeln.
Der Gedanke an sein Lächeln machte mich plötzlich nervös und unsicher. Mir wurde klar, dass ich mich beeilen musste, sonst wäre meine Wut auf ihn schon hier vor der Tür meiner Zuneigung zu diesem Mann gewichen. Ohne noch länger zu zögern begann ich damit, gegen seine Tür zu hämmern. Dieser Idiot hat so eine blöde Luxus-Wohnung, aber nicht mal eine ordinäre Türklingel, dachte ich geringschätzig. Also musste ich noch eine Weile hämmern. Ich bemühte mich, an meine Performance zu denken, die vermasselten Proben, den Grund meines Hierseins, und meine Wut auf keinen Fall zu vergessen.
Als meine Hände anfingen weh zu tun, trat ich mehrmals gegen das Schloss seiner Wohnungstür. Endlich drehte sich von innen ein Schlüssel im Schloss und die Tür wurde geöffnet. Clay Banton stand vor mir, nur mit seiner Unterwäsche bekleidet. Der Mann sah ziemlich fertig aus und ich brauchte einen Moment, um mit seinem fast nackten Anblick fertig zu werden.
„Sean", stellte er gleichgültig fest. Wen hat er erwartet, fragte ich mich sofort misstrauisch und wurde unwillkürlich eifersüchtig. Außerdem kränkte es mich auf der Stelle, dass ihn mein Auftauchen offensichtlich so wenig interessierte, vielleicht sogar enttäuschte. „Willst du vielleicht meine Tür eintreten?" erkundigte er sich jetzt genervt. Sofort flammte meine Wut wieder auf. Ich holte tief Luft und ging auf ihn zu, drängte ihn zurück in seine Wohnung. „Wen hast du erwartet?" fragte ich ihn drohend und taxierte ihn feindselig. Er betrachtete mich irritiert und wich rückwärts vor mir zurück. „Niemanden!" antwortete er defensiv. Seine Augen weiteten sich voller Angst. Er kannte mich gut genug, um meine Wut auf ihn sofort zu bemerken. Er ahnte meine Absicht, ihn zu schlagen.
Aber noch bevor er auch nur die Hand heben konnte, um sich zu schützen oder mich abzuwehren, schlug ich ihn schon seitwärts gegen den Kopf. Er schrie schmerzerfüllt auf und taumelte rückwärts gegen die Wand. Ich schlug ihn weiter, er hob hastig die Arme, um sich zu schützen. „Nein, schlag mich nicht ins Gesicht!" bat er verwirrt, ganz der Schauspieler, der um sein Aussehen besorgt ist.
Ich grinste schadenfroh und boxte ihn einige Male in die Bauch- und Brustgegend. Er rief: „Sean..." und krümmte sich hilflos zusammen. Ich trat ihn mehrmals gegen die Schienbeine und schlug dann noch weiter auf ihn ein. Es tat mir erstaunlich gut, ihn zu verprügeln. Ich hasste und liebte ihn schon viel zu lange. Dies war meine Rache für unzählige durchlittene Stunden und unzählige vergossene Tränen. Es ging längst nicht mehr nur um die von ihm versäumten Proben. Ich schlug ihn, weil ich es wollte, weil er es wahrlich verdient hatte, und weil diese Art von Rache schon längst überfällig war.
Clay lehnte inzwischen an der Wand, merkwürdig zusammengekrümmt, und versuchte ziemlich hilflos meine Schläge abzuwehren. „Hör doch auf, Valmont", jammerte er leise, „Hör doch bitte damit auf mich zu schlagen." Aber ich zeigte kein Mitleid. Diesmal nicht, du Arsch, dachte ich voller Genugtuung, und dann trat ich ihn ziemlich heftig zwischen seine Beine. Clay stöhnte laut auf und sank an der Wand hinunter auf den Boden. „Sean!" ächzte er schmerzerfüllt und schaute mich zum ersten Mal wieder an. Erst jetzt registrierte ich, dass er weinte. Mir wurde bewusst, dass dieser Mann so gut wie nichts getan hatte, um sich zu verteidigen. Er hatte nicht mal annähernd versucht, auch nur auf irgendeine Art zurückzuschlagen.
Ich starrte eine Weile wütend in seine verzweifelten, nassen Augen. Ich atmete tief durch, und dann war meine Wut plötzlich verraucht. Der Mann tat mir nur noch leid. „Sean, nicht, bitte", jammerte Clay und vergrub seinen Kopf in seinen Armen auf seinen Knien. Ich stand jetzt dicht über ihm und beobachtete ihn lauernd. Er schluchzte tatsächlich, was mich ziemlich irritierte, weil ich nicht wollte, dass er mir leid tat. Ich bereute es nicht, ihn verprügelt zu haben. Dazu hatte es mir viel zu gut getan. Ich fühlte mich herrlich abreagiert, auf eine dumme Art entschädigt. Ich fühlte mich definitiv wohl in der Nähe von Clay Banton.
Ich ließ mich dicht vor ihm nieder und streichelte ihm über den Kopf. Er hob seinen Blick und schaute mich defensiv an. „Schlag mich nicht, Sean, mir geht's schon beschissen genug", flüsterte er hilflos.
Ich betrachtete ihn einige Zeit sehr aufmerksam und dann wusste ich mit einem Mal, was mit ihm los war. Seine Augen verrieten mir seinen Zustand, seine riesigen, pechschwarzen Pupillen und der panische, beinahe irre Blick. Clay Banton war ziemlich heftig auf Heroin Entzug.
Als mir das schlagartig klar wurde, spürte ich erneut Wut in mir aufsteigen, und meine Gedanken überschlugen sich: Warum war er auf Entzug, verdammt nochmal?! War dieser Idiot etwa erneut auf shore? Hatte er wieder damit angefangen Heroin zu spritzen, ohne dass ich es gemerkt hatte? Warum zum Teufel hatte ich von seinem exzessiven Drogenkonsum nichts gemerkt? Und exzessiv musste der in letzter Zeit schon gewesen sein, sonst wäre er jetzt nicht so umfassend auf Entzug! Verdammter Mist, dachte ich spontan, jetzt geht diese ganze Scheiße womöglich wieder von vorne los! Dieser verdammte, blöde, süchtige Penner! Ich werde nicht zulassen, dass er sich und alles andere ein weiteres Mal kaputtmacht, dachte ich wütend.
Als Clay registrierte, dass ich seinen Zustand richtig erfasst hatte und darüber natürlich alles andere als erfreut war, seufzte er gequält und hilflos. Er wich meinem vernichtenden Blick aus und vergrub seinen Kopf wieder in seinen Armbeugen. „Tut mir leid, Sean", jammerte er leise und schniefte. Ich betrachtete ihn eine Weile reglos, denn ich brauchte einen Moment, um damit klar zu kommen. In meinem Kopf lief alles durcheinander, denn mit dieser Art von brutaler Realität hatte ich nicht gerechnet. Warum war ich so blind gewesen, dachte ich, warum zum Teufel habe ich es nicht früher gemerkt?
Dann wurde ich richtig wütend, weil ich dabei war, mir selbst Vorwürfe zu machen, obwohl dies hier zweifellos ganz allein Clays Schuld war. Kurzentschlossen packte ich ihn hart am Hinterkopf an den Haaren und riss ihn zu mir hin. „Ballerst du etwa wieder?" fuhr ich ihn an. Seine Augen weiteten sich erschrocken. „Nein!" behauptete er abwehrend, „Nein, das tu ich nicht!" „Lüg mich nicht an!" schrie ich aufgebracht.
Für mich stand in diesem Moment aus irgendeinem Grund fest, dass Clay Banton zurück zur Nadel gefunden hatte. Ich glaubte, mir seinen Zustand nicht anders erklären zu können, obwohl ich es eigentlich besser hätte wissen müssen. „Lüg mich nicht an, du Arsch!" wiederholte ich drohend. „Nein, Valmont, ich habe nicht geballert!" seufzte Clay ratlos und verzog schmerzerfüllt das Gesicht, weil ich an seinen Haaren riss.
„Zeig mir deine Arme!" forderte ich ihn lauthals auf, ließ seinen Kopf los und packte seine Arme. Brutal drehte ich seine Arme herum und untersuchte seine Haut, seine Armbeugen, Hände und Finger nach Einstichen. Er fühlte sich kühl und feucht an, der typisch affige kalte Schweiß klebte auf seinem Körper. Clay roch verschwitzt und irgendwie ungewaschen, was mich aber nicht besonders abtörnte. Tief drinnen fand ich es sogar sehr erregend, mich so eingehend mit seinem, für mich sogar in diesem Zustand begehrenswerten Körper zu beschäftigen.
Allerdings war meine Wut auf ihn und das, was er getan hatte, im Moment viel größer als irgendwelche erotischen Anwandlungen. „Sean!" seufzte er widerwillig, ließ aber alles mit sich geschehen und wehrte mich nicht ab. Es machte mich paradoxer Weise noch wütender, dass ich keine Einstiche finden konnte. Ich untersuchte die Zwischenräume seiner Finger genau, aber da war nichts. Außer ein paar alten, schon längst vernarbten und kaum sichtbaren Stellen war seine Haut völlig unversehrt.
„Wo hast du rein gespritzt, Banton?" fragte ich ihn schließlich laut und starrte ihn feindselig an. Er schwieg, schüttelte nur hilflos den Kopf. „Sag es mir lieber gleich!" drohte ich. „Nein, ich habe nicht geballert", beteuerte er nochmal. „Ich mach das nicht mehr! Das ist doch total blöd! Denkst du denn, ich will mit zerstochenen Armen auf der Bühne stehen? Da könnte ich mir ja gleich ein Schild umhängen: Seht mich an, ich bin ein Fixer!" erklärte er mir fast spöttisch. Sein Hohn ärgerte mich, aber ich glaubte ihm das sofort.
Allerdings gab es viele Wege in seine Venen und er kannte sie alle. „Du verfluchter, blöder, süchtiger Penner!" schrie ich ihn ungeduldig an und schlug ihn ein paarmal ins Gesicht. Er schrie auf und versuchte mir auszuweichen, indem er nach hinten fiel. Ich griff brutal nach seinen Beinen und fuhr unbeirrt damit fort, nach frischen Einstichen zu suchen. Ich untersuchte jeden Millimeter seiner Haut, fing bei den Zwischenräumen der Zehen an und arbeitete mich langsam an ihm herauf. Gnadenlos verdrehte ich ihm die muskulösen Beine, um seine Kniekehlen zu untersuchen. Er stöhnte voller Schmerz: „Hör doch bitte auf, Valmont, ich habe nicht gedrückt, du wirst nichts finden, verdammt!" „Halt's Maul!" schrie ich ihn an, „Halt dein blödes, süchtiges Maul, du Arsch!" Erbost starrte ich ihn an.
Er war dort so nah vor mir, nur mit seiner Unterwäsche bekleidet, halbwegs auf dem Rücken liegend, und er betrachtete mich verwirrt. Er schwitzte und atmete schwer vor Schmerzen. Ob die, die ich ihm zufügte, oder die vom Entzug, war nicht genau auszumachen. Es war mir auch völlig egal. Ich war jetzt wirklich wütend.
Erinnerungen an alte Zeiten kamen automatisch in mir hoch, dunkle Zeiten, in denen Clay Banton nur noch für seine Droge gelebt hatte. Es gab diese Zeiten, in denen man ihm kein Wort glauben konnte, weil alles gelogen war, weil er sich sogar ständig selbst belog. Das darf auf keinen Fall schon wieder passieren, schwor ich mir, das werde ich nicht zulassen! Aber dazu muss ich unbedingt erreichen, dass er endlich ehrlich zu mir ist, hämmerte es in mir. Seine ständigen Lügen gingen mir total auf den Sack. Ich atmete tief durch und zwang mich, ein wenig ruhiger zu werden.
„Wo zum Teufel hast du das scheiß Heroin rein gespritzt, Clay?" fragte ich ihn langsam und betont deutlich. Es kam mir gar nicht in den Sinn, dass er vielleicht die Wahrheit sagte. Ich war davon überzeugt, dass er mich anlog und der verfluchten Nadel längst wieder verfallen war. Dieser Gedanke machte mich beinahe wahnsinnig. Voller Entsetzen und Wut taxierte ich ihn.
Clay wich nun vor mir zurück und schüttelte den Kopf. Seine Augen zuckten nervös. Er fixierte mich lauernd. „Ich habe schon ewig nicht mehr gedrückt und ich habe auch nicht vor, nochmal in meine Haut zu stechen", behauptete er sehr leise.
Eine ganze Weile war es still. „Du bist ja total verrückt, Valmont", flüsterte er auf einmal, als er registrierte, dass ich ihm nicht glauben wollte. Ich brauchte nur einen Moment, um darauf zu reagieren. „Was? Ich soll verrückt sein? Wer hat denn diese Scheiße hier verbockt?" fuhr ich ihn an und boxte ihn auf die Oberschenkel. Er stöhnte gequält auf. Sofort rückte ich näher zu ihm hin und packte sein Unterhemd, noch bevor er vor mir flüchten konnte. „Sean, nicht!" seufzte er wieder. „Wer sitzt denn hier auf dem Boden und entzieht gerade kalt vom Heroin, hä? Das bist du, Herr Banton, und nicht ich!!" schrie ich aufgebracht und schlug ihn mehrmals gegen den Kopf. Er ächzte überfordert, drehte sich von mir weg und hob die Hände, um meine Schläge abzuwehren. „Du bist verrückt, Valmont!" wiederholte er laut.
Er sah mich an und versuchte zum ersten Mal ernsthaft, sich gegen meine Schläge zu wehren, indem er anfing, mich von sich wegzuschieben. „Du bist ja völlig durchgeknallt! Lass mich in Ruhe!" forderte er und versuchte mich wegzuschubsen. Ich krallte mich an seinem Hemd fest. Seine Worte machten mich nur noch zorniger. Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein, dachte ich verärgert, was denkt er denn nur, mit wem er es hier zu tun hat?
„Nein, ich lass dich bestimmt nicht in Ruhe, Banton! Ich will sofort wissen, an welcher Stelle deines Körpers du dir dieses verfluchte Gift eingefahren hast!" beharrte ich ungeduldig. Ich starrte ihn überlegen an und zog ihn am Hemd dicht zu mir hin. Er wich meinem Blick nicht aus. Seine schönen Augen waren immer noch affig, aber auch traurig, feucht von Tränen, doch er weinte jetzt nicht mehr. Ich bemerkte so etwas wie aufkeimenden Widerwillen gegen meine unfreundliche Behandlung. Er fing offensichtlich langsam an, sich über meine Schläge und mein brutales Vorgehen zu ärgern. „Lass mich in Ruhe, Valmont!" forderte er mich nochmal auf und versuchte sich mir zu entziehen.
Seine Gegenwehr wurde stärker, aber ich hatte ihn fest gepackt und ließ ihn nicht los. „Bleib liegen!" befahl ich ihm finster, aber er war jetzt sauer und nicht mehr gewillt, alles mit sich machen zu lassen. Er hob sogar die Hand, um mich zu schlagen. „Lass mich sofort los!" drohte er plötzlich.
Eine Weile starrten wir uns gegenseitig feindselig an, dann verfielen wir wieder einmal in eine Art Ringkampf. Clay wollte mich jetzt unbedingt auf Abstand bringen und ich zog ihn nur noch näher zu mir heran. Wir wälzten uns auf dem Boden herum. Mir wurde seine unmittelbare Nähe sehr bewusst und ich fing auf einmal ungewollt damit an, seinen Körper auf eine andere Art zu spüren. Dieser schöne Mann war mir so verdammt nah. Wir kämpften einige Zeit ziemlich heftig, aber er war nicht in der Verfassung, mich auch nur annähernd zu besiegen. Er hatte überhaupt keine Chance gegen mich, weil er affig war, total fertig und angeschlagen.
„Lass mich sofort los, Valmont, lass mich in Ruhe!" fauchte er hilflos, als er schließlich unter mir lag und sich nicht mehr rühren konnte. Wir atmeten beide schwer von der Anstrengung des Kampfes. Ich schaute ihn an und wurde plötzlich erregt von ihm, und das irritierte und ärgerte mich. „Erst, wenn du mir die Wahrheit sagst, Clay!" machte ich ihm klar. Ich versuchte nervös mich abzulenken, indem ich daran dachte, dass er zu oft und zu viel Heroin genommen hatte, und wie sehr mich das ärgerte.
Aber er war mir zu nah. Es war schwierig, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf seinen wunderschönen, beinahe nackten Körper unter mir. Clay bemerkte natürlich sofort, dass ich ihn jetzt mit anderen Augen ansah. Er kannte mich einfach viel zu gut. Er war über seine Niederlage verärgert. Meine Arroganz und Brutalität machten ihn wütend. Es wurmte ihn, dass er mir im Moment körperlich nicht gewachsen war. Deshalb griff er mich verbal an. Es war die einzige Waffe, die für ihn Aussicht auf Erfolg versprach.
Er grinste spöttisch, holte Luft und fragte herausfordernd: „Was ist los mit dir, Sean? Hast du es dir anders überlegt? Willst du mich jetzt doch lieber ficken, du blöde Schwuchtel?" Dann wartete er geringschätzig grinsend auf meine Reaktion. Es dauerte eine Weile, bis ich seine gemeinen Worte verdaut hatte. Ich fühlte mich so sehr verletzt, dass ich ihm nur noch wehtun wollte.
Deshalb griff ich ganz spontan nach seinem empfindlichsten Körperteil. Clay ahnte nur einen Moment zu spät, was ich vorhatte. Er schrie entsetzt auf und versuchte mich abzuwehren. Aber im gleichen Augenblick hatte ich ihm schon hart in die Unterhose gegriffen und seinen heißen, feuchten, schlaffen Penis in der Hand. „Wo hast du das Gift rein geballert, Banton, in deinen Schwanz vielleicht, hä?!" schrie ich ihn aggressiv und trotzig an. Es gefiel mir ungemein, dass ich sein fieses, überhebliches Grinsen schlagartig getötet hatte.
Er fing ebenfalls an zu schreien, weil ich ihm jetzt wirklich sehr weh tat und es sichtbar genoss. „In deinen Schwanz vielleicht, hä? Hast du das scheiß Heroin in deinen blöden Pimmel gedrückt, du verdammter Vollidiot?" fauchte ich ihn immer wieder höhnisch an. Er schüttelte verzweifelt den Kopf und versuchte sinnlos meine Hand von sich wegzureißen. Er fing an zu zappeln und ich schlug ihn mit der freien Hand in den Bauch. „Bleib sofort liegen, verdammt!" befahl ich ihm laut und unfreundlich. „Du tust mir weh!" jammerte er und Tränen schossen erneut in seine Augen, die jetzt voller Angst und Schmerz weit aufgerissen waren und mich flehentlich anstarrten.
Aber ich war von ihm beleidigt worden. Ich hatte kein Mitleid mit ihm, im Gegenteil. Ich genoss seine Qual und meine Macht über ihn in vollen Zügen. „Bleib ruhig liegen, dann tu ich dir auch nicht weh!" machte ich ihm ernst klar. Er wurde tatsächlich ruhiger und lag schließlich ganz still. Ich hatte immer noch seinen Penis in der Hand. Eine Weile sahen wir uns intensiv an. Clay lag unter mir auf dem Rücken, atmete schwer und schluchzte unterdrückt. Tränen rollten aus seinen Augen über seine Ohren und tropften auf den Boden.
Einige Zeit beobachtete ich ihn reglos. Plötzlich durchbrach er das Schweigen. „Ich habe gar nichts gespritzt, Sean. Ich verletze mich nicht mehr auf diese gefährliche Art. Und ich habe noch nie in meinem Leben irgendwas in meinen Schwanz geballert!" erklärte Clay angewidert. Seine Stimme war leise, aber unverkennbar trotzig. Danach wich er meinem Blick aus und legte sich die Hände schützend über die Augen. Er versuchte krampfhaft sich zu beruhigen. Erneut tat er mir leid, ohne dass ich es hätte verhindern können. Plötzlich war es mir peinlich, dass ich immer noch seinen Penis in der Hand hielt. Ich wollte ihn jetzt gerne streicheln, aber es schien mir nicht der richtige Augenblick zu sein, deshalb ließ ich ihn los.
Er drehte sich sofort von mir weg und zog sich hastig die Unterhose hoch. Dann kroch er eilig von mir weg, und ich schaute ihn nur an und hielt ihn nicht auf. Ich fühlte mich plötzlich müde und ausgepumpt. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt machen sollte. Meine Gefühle überschlugen sich schon wieder, schwankten zwischen meiner aufkeimenden Lust auf Clay und immer noch vorhandener Wut auf ihn. Ich beobachtete ihn nur, fühlte mich auf einmal ziemlich hilflos, saß einfach auf seinem Fußboden und rührte mich nicht. Er ist wieder abhängig vom Heroin, pochte es dumpf in meinem Schädel.
Clay kroch ein Stück von mir weg in Richtung Flur, als wollte er sich vor mir in Sicherheit bringen. Dann drehte er sich wütend zu mir herum. „Ich habe noch niemals irgendwas in meinen Schwanz geballert, Sean! So einen Scheiß würde ich nie tun, das ist total der Schwachsinn und mega gefährlich! Ich könnte verbluten! Außerdem brauche ich ihn noch, ich würde ihn nie dermaßen verletzen!" erklärte er laut und starrte mich beleidigt an. Er schwitzte seinen kalten Affenschweiß und sah kaputt und krank aus.
Trotzdem wurde mir in diesem Moment plötzlich wieder einmal bewusst, wie sehr ich ihn liebte. „Was meinst du denn, wie viele Männer das tun!? Es ist nur eine von unzähligen Stellen mit Venen, um sich Heroin einzufahren", versicherte ich ihm ruhig. Er schüttelte aufmüpfig den Kopf. „Ich habe noch nie-mals...", betonte er, da unterbrach ich ihn auch schon ziemlich ruppig: „Und du hättest es früher auch getan, Clay, und zwar ohne zu zögern! Wenn du keine andere Stelle zum Ballern gefunden hättest, dann hättest du dir das verfluchte Heroin überall reingedrückt!" machte ich ihm ernst klar. Er öffnete protestierend den Mund, aber ich unterbrach ihn erneut: „Streite das jetzt nicht ab, Clay, du weißt ganz genau, wie recht ich damit habe!" Er schaute mich einen Moment traurig an, dachte darüber nach und war dann still. Er stritt es nicht ab. Er seufzte nur und hielt sich den angeschlagenen, affigen, hübschen Schädel.
Im nächsten Moment hielt er sich plötzlich den Bauch fest und stöhnte auf. Er drehte sich herum und kroch von mir weg den Flur entlang. „Wo willst du hin?" rief ich ihm alarmiert hinterher. Er hatte es plötzlich eilig, stand mühsam auf und taumelte Richtung Badezimmer. „Mir ist schlecht, Sean, ich fürchte, ich muss kotzen", informierte er mich atemlos und verschwand gleich darauf im Bad.
Einige Augenblicke später konnte ich ihn würgen und kotzen hören. Clay Banton ist tatsächlich heftig auf Entzug, wurde mir mit einem Schlag schmerzhaft bewusst, und ich kann nicht das Geringste für ihn tun. Dieser blöde Wichser tanzte hier vor meinen Augen den Affentanz, weil er es wieder einmal übertreiben musste mit dem Heroinkonsum. Warum zum Teufel musste Clay Banton immer und ewig alles so dermaßen übertreiben? Warum bekam dieser Mann es einfach nicht auf die Reihe, diese Dinge und sich selbst unter Kontrolle zu behalten? Er ist so verflucht süchtig und so verflucht blöd, dachte ich. Ich liebe ihn so, dachte ich dann, ich möchte ihn gerne berühren. Ich möchte ihm auf der Stelle den hübschen Kopf abreißen für seine Dummheit! Was zur Hölle sollte ich jetzt nur mit ihm anfangen?
Clay
Ich flüchtete vor diesem völlig durchgeknallten Mann in mein Badezimmer. Ich fühlte mich von ihm massiv bedroht und überlegte fieberhaft, wie ich ihm entkommen könnte. Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Mir ging es jetzt wirklich schlecht, ich fühlte mich äußerst übel.
Ich fragte mich, warum Sean überhaupt zu mir gekommen war. Wollte er mich vielleicht fertigmachen? War er etwa nur hierher gekommen, um mich zu verprügeln? Warum nur? Irritiert spürte ich, wie groß meine Angst vor Valmont war. Ich fühlte mich seinen merkwürdigen Launen so verdammt ausgeliefert. Ich war momentan einfach nicht in der Verfassung, es auch nur annähernd mit ihm aufnehmen zu können.
Allerdings tat mir sowieso jede verdammte Faser meines Körpers weh, die Schläge von Sean konnte ich unter diesen Schmerzen kaum ausmachen. Nur mein Gesicht brannte unverkennbar von Seans Prügeln. Ich betrachtete mein Gesicht kurz im großen Spiegel über dem Waschbecken und machte mir Sorgen, ob es vielleicht anschwellen und mich entstellen würde. Aber im nächsten Moment wurde mir auch schon klar, dass ich in absehbarer Zeit ohnehin keine Bühne betreten würde, also war sogar das egal.
Mächtige Übelkeit stieg in mir hoch. Ich taumelte eilig die paar Schritte zum Wasserklosett, riss den Deckel hoch, fiel auf die Knie und kotzte mir beinahe die Lunge aus dem Leib. Mein Körper schüttelte sich in Krämpfen, und ich dachte wirklich, ich würde sterben.
Aber so schnell, wie sie gekommen war, ließ die Übelkeit nach, und mein Magen beruhigte sich, als er leer war. Ich griff nach dem Klopapier, wischte mir über den Mund und putzte mir die Nase. Dann warf ich das Papier ins Klo und zog ab. Ich versuchte zu Atem zu kommen und mich zu beruhigen.
Aber mein Körper war affig und unzufrieden. Er schrie jetzt aus vollem Hals nach Heroin und gönnte mir keine Pause. Meine Gedärme rumorten heftigst und ließen mir keine Wahl. Ich musste mich herumdrehen, meine Unterhose bis zu den Knien runter ziehen und mich aufs Klo setzen, weil sich alles entleeren wollte, was noch in mir war. Ich hatte überhaupt keine Chance es aufzuhalten. Die Krämpfe taten weh, ich stöhnte gequält und entnervt von dieser Prozedur. Ich war viel zu beschäftigt, um irgendetwas anderes um mich herum wahrzunehmen.
Deshalb merkte ich nicht, dass Valmont die Tür öffnete und hereinkam. Als ich irgendwann zufällig hoch sah, stand dieser Mann ganz plötzlich in der Badezimmertür. Er beobachtete mich lächelnd, was mir sofort extrem peinlich war. Ich saß schließlich gerade auf dem verdammten Wasserklosett, und ich fühlte mich dort dermaßen schutzlos, dass ich ihn sofort anbrüllte: „Lass es sein, Valmont! Ich will das absolut nicht! Hau sofort ab, verdammt nochmal!" Er lachte nur belustigt, was mich beinahe wahnsinnig machte, und meinte dann gelassen: „Ich weiß, dass es dich nicht antörnt, Clay. Aber ich schaue dir trotzdem gerne dabei zu." „Hau ab! Geh raus!" schrie ich hysterisch los, „Lass mich in Ruhe! Starr mich nicht so an, Valmont! Befriedige deine Perversitäten woanders, du verdammter, blöder, abartiger, schwuler Arsch!" Ich wollte ihn mit diesen Wörtern verletzen, aber das klappte wohl diesmal nicht.
Ich fühlte mich sehr gedemütigt von seiner Anwesenheit. Es beschämte mich extrem, von Sean so eingehend auf dem Klo beobachtet zu werden. Ich hatte das Gefühl, seinen viel zu neugierigen Blick keine Sekunde länger ertragen zu können. Ich wollte gerne aufspringen und ihm das amüsierte, überlegene, zweideutige Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Aber natürlich konnte ich mich nicht rühren und das wusste er auch genau.
Sean Valmont zeigte kein Mitleid mit mir, keinen Hauch von Anstand oder Respekt vor meiner Privatsphäre. Er ging natürlich nicht raus aus meinem Badezimmer, ließ mich in dieser äußerst peinlichen Situation einfach nicht allein. Im Gegenteil, er kam sogar näher zu mir, und er hörte nicht damit auf, mich pausenlos anzustarren. Er genoss meine unangenehme Hilflosigkeit sichtbar in vollen Zügen. Womöglich geilt es ihn wirklich auf, mich auf dem Klo zu sehen, vermutete ich beunruhigt. Ich wollte aber nicht weiter darüber nachdenken. Dazu ging es mir einfach viel zu schlecht. Meine Gedärme schienen sich nach außen stülpen zu wollen. Ich hielt mir gequält den Unterleib, er rumorte und krampfte sich weiter stechend zusammen.
Letztendlich konnte ich nur die Augen schließen und mich bemühen Sean zu ignorieren. Verlegen vergrub ich meinen Kopf in meinen Armen auf meinen Knien, stöhnte und atmete laut ein und aus. „Schon gut, Clay, sei ganz locker", hörte ich plötzlich Sean über mir und sah erschrocken auf. Er stand jetzt dicht vor mir und streichelte tatsächlich mit seiner Hand über meinen Kopf. „Du brauchst dich vor mir nicht zu schämen", flüsterte Sean eindringlich.
Ich fand es unerträglich, dass dieser Mann in dieser Situation so dicht vor mir stand und mir so gnadenlos überlegen war. Außerdem fand ich sein gutmütiges Grinsen zum Kotzen. Der spinnt doch wohl total, dachte ich verärgert, ich möchte ihn schlagen, diesen blöden, gemeinen, perversen Wichser! „Sean, um Himmels Willen..", seufzte ich hilflos, weil mir nichts Besseres einfiel. „Schon gut, Clay, ist doch okay", versuchte er mich leise zu trösten. Er hörte nicht auf zu lächeln und meinen Kopf zu streicheln. Ich guckte ihn nur an und konnte mich ihm nicht entziehen, ich war dazu verdammt seine Aufdringlichkeit hinzunehmen.
Zu meiner Erleichterung spürte ich aber recht bald, dass die Krämpfe endlich nachließen. Ich fühlte mich jetzt vollkommen entleert, echt kaputt und müde. Ich versuchte mich zusammenzureißen. Sean Valmont beobachtete mich weiter beunruhigend liebevoll und streichelte pausenlos über meinen affigen Schädel. Ich langte hastig hinter mich und zog das Klo ab. Das kalte Wasser spritzte gegen meinen nackten Hintern, weil ich immer noch auf der Schüssel saß.
Jetzt wollte ich unbedingt aufstehen, aber nicht, solange der Mann vor mir stand. Also fixierte ich ihn flehentlich. „Sean, lass mich allein, um Himmels Willen, bitte geh raus!" bettelte ich ihn an und fühlte mich dabei total erbärmlich. Es fiel mir schwer, nicht gleich wieder loszuheulen. Sean musterte mich irgendwie traurig und zog seine Hand von meinem Kopf zurück. „Warum schämst du dich vor mir, Clay?" wollte er allen ernstes wissen, und er schien tatsächlich irgendwie gekränkt deswegen. Mir fiel so schnell keine Antwort ein, da redete er schon weiter: „Denkst du etwa, ich habe noch nie auf dem Klo gehockt?" „Wirst du dabei auch gerne eingehend beobachtet?!" fuhr ich ihn wütend an, was mir gleich darauf leid tat. Ich befürchtete, dass Sean sauer wurde und wieder anfangen würde mich zu schlagen.
Aber zu meiner Erleichterung war er wohl nicht mehr wütend, höchstens enttäuscht von mir. Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging langsam zur Tür. Ich stand hastig auf, bevor er es sich anders überlegen konnte, und griff nach dem Klopapier. Ich säuberte mich gründlich, warf das Papier ins Klo, klappte den Deckel zu und betätigte die Spülung. Dann drehte ich mich um. Valmont stand erneut in der Tür, sein Blick schien mich fast in sich aufzusaugen. Er hat mich natürlich auch dabei beobachtet, dachte ich, ich war nur zu beschäftigt, um es zu merken. Ich schämte mich, ärgerte mich über seinen speziellen Voyeurismus und zog mir hastig die Unterhose hoch.
Dann öffnete ich das große Fenster, um frische Luft hineinzulassen. Es kam aber auch ein eisiger Wind herein, der sich unangenehm kalt auf meiner nassgeschwitzten Haut anfühlte. Ich stöhnte wieder gequält und ging zur Tür, notgedrungen auf Sean zu. Ich wollte jetzt nur noch zurück in mein warmes Bett. Oder tot umfallen. Sofort.
„Geht's dir besser?" fragte Sean lächelnd, als ich vor ihm stehen blieb. Er stand im Türrahmen und ich hatte den Eindruck, dass er mich aus irgendeinem Grund nicht vorbeilassen würde. „Nein, mir geht's nicht besser, Valmont, absolut nicht!" antwortete ich ihm gereizt und wollte an ihm vorbei, zurück in mein warmes Schlafzimmer gehen. Aber Sean packte mein Unterhemd und hielt mich daran fest, was mich nicht überraschte, weil ich es ja schon geahnt hatte. „Wo willst du hin?" wollte er lauernd wissen.
Es ärgerte mich maßlos, dass dieser Mann sich so aufspielte. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, sein anmaßendes Verhalten einfach so defensiv hinzunehmen. „Was denkst du denn, wo ich hin will, Sean?" erwiderte ich laut und guckte ihn feindselig an. Was denkt er denn, fuhr es mir durch den Kopf, denkt er vielleicht, ich wäre in der Lage jetzt lange Spaziergänge zu machen, oder was?!
„Ich denke, dass du zu Sergej fahren willst", warf Sean mir vor und taxierte mich streng. Ich brauchte einen Moment, um diesen Gedanken zu verdauen. Natürlich hatte Sean recht. Selbstverständlich wollte ich zu Sergej! Der Entzug sorgte schon dafür, dass ich nichts anderes mehr wollte. Allerdings hatte ich mich dazu entschlossen, diesem Bedürfnis nicht nachzukommen, ganz egal wie dringend es auch vorhanden war. Genaugenommen konnte ich den bloßen Gedanken an Sergej und seine gute shore kaum ertragen. Ich fand es unerträglich ätzend von Sean, dass er mich an meinen Dealer erinnert hatte. Auch wenn ich vielleicht in meinem Hinterkopf an nichts anderes dachte, wollte ich doch diesen Namen nicht ausgesprochen hören, nicht gerade jetzt.
„Wenn ich zu Sergej wollte, dann wäre ich schon längst dort!" schrie ich Valmont an, „Glaubst du denn wirklich, ich würde mich hier herumquälen, wenn ich es nicht so wollte, du blöder Arsch!" Ich hob intuitiv den Arm, um ihn ins Gesicht zu schlagen.
Aber Sean war schneller, denn er war in einer sehr viel besseren körperlichen und seelischen Verfassung, als ich im Moment. Viel zu schnell hatte er mein Handgelenk gepackt und verdrehte mir schmerzhaft den Arm auf dem Rücken. „Sean!" protestierte ich hilflos, entsetzt und schmerzerfüllt. Er drehte meinen Arm noch weiter herum. „Ich glaube nicht, dass du den Entzug gewollt hast, Clay! Ich denke viel mehr, dass du einfach mal wieder zu blöd warst, diese verdammte Sache unter Kontrolle zu behalten!" machte er mir überlegen klar. Ich stöhnte vor Schmerz und ging in die Knie, um mich ihm irgendwie zu entziehen.
Endlich ließ er meinen Arm los. Ich saß jetzt auf dem Boden und sah beschissen unterwürfig zu ihm hoch. Er stand über mir und starrte mich mit einer Mischung aus Wut und Mitleid an. „Du hast diese Scheiße hier nicht gewollt, Clay! Mach dir doch nichts vor!" betonte er eindringlich. Ich wich seinem Blick aus und musste mich nochmal anstrengen, um nicht schon wieder loszuheulen. Ich fühlte mich beschissen. Alles tat mir weh, meine Seele schmerzte sogar. Ich fühlte mich klein und hilflos.
Und Sean hatte natürlich wieder recht, und ich konnte mich gegen ihn nicht verteidigen. Eine Weile saß ich einfach dort und versuchte mich zu beruhigen. Irgendwann fühlte ich plötzlich Seans Hand auf meinem Kopf, die mich sanft streichelte. „Niemand will einen Affen schieben, Clay", flüsterte er beunruhigend liebevoll. Ich schaute alarmiert zu ihm hoch. Er lächelte mir aufmunternd zu. Ich überlegte fieberhaft, wie ich ihn loswerden könnte, ohne ihn zu verletzen oder zu verärgern. Gleichzeitig wollte ich vielleicht gar nicht, dass er ging. Womöglich wollte ich in meinem Elend auf keinen Fall allein sein.
Verwirrt starrte ich auf den Boden und versuchte sein Streicheln zu ignorieren, obwohl es sich recht gut anfühlte. Er streichelte jetzt meine Schultern und hockte sich dicht vor mir auf den Boden. „Warum hast du es denn bloß schon wieder übertrieben, Clay?" flüsterte er verständnislos. Ich konnte ihn nicht ansehen. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Er streichelte über meine Brust und ich schwieg verwirrt. „Erkläre es mir bitte, Clay! Ich möchte es wirklich gerne verstehen!" drängte Sean unverkennbar atemlos.
Ich schaute ihn endlich an, und ich bemerkte sofort seine beginnende Erregung, was mich ziemlich beunruhigte. Alarmiert und irritiert schob ich seine Hand von mir weg und kroch Richtung Whirlpool, um ihm irgendwie zu entkommen. Valmont ist geil auf mich, registrierte ich konfus. Ich war nicht sicher, ob ich dem gewachsen sein würde. Ich war mir nicht sicher, ob ich es zulassen wollte, deshalb flüchtete ich vor ihm zu den Stufen meines Whirlpools. Diese Situation überforderte mich maßlos, denn sie fühlte sich an wie ein entsetzliches Déjà-vu.
„Ich weiß nicht, warum ich zu viel shore genommen habe. Es ist einfach passiert, ohne dass es mir bewusst war", versuchte ich so etwas wie eine Erklärung für ihn zu finden. Ich saß ratlos auf den Stufen meines Whirlpools und guckte ängstlich zu ihm hin. Sean hockte immer noch in der Tür und beobachtete mich amüsiert. Er lächelte jetzt liebevoll. „Dieser Scheiß passiert dir ständig einfach so, Clay!" grinste er belustigt. „Und deshalb wirst du es auch immer wieder ausbaden müssen, du Idiot!" setzte er hinzu, und dann kam er langsam auf mich zu.
Ich starrte ihn nervös an und der Schweiß brach mir aus. Kalter, ätzender Affenschweiß vom Entzug und vor Panik. Ich spürte aufkommende neue Krämpfe in mir und stöhnte gequält und verwirrt. Das ist mir alles zu viel, spürte ich hilflos. Sean Valmonts fordernde Nähe war mir zu viel im Moment. Aber vielleicht hast du auch Lust auf ihn, überlegte ich im nächsten Augenblick gierig, womöglich willst du sogar mit ihm ficken. Vielleicht wäre das jetzt gar nicht so eine schlechte Idee. Eventuell würde es mich von meinem Elend ablenken, wenn auch nur für eine kurze Weile. Von diesen echt intensiven Gedanken überfordert schnappte ich nach Luft.
„Du solltest lieber froh sein, dass ich mich heute dazu entschlossen habe zu entziehen, anstatt mir diese blöden Vorwürfe zu machen", sagte ich hastig, um mich von meinem Gedankenchaos abzulenken. Sean lächelte und setzte sich neben mich auf die Stufen des Pools. Er hörte nicht auf, mich auf diese spezielle Weise anzusehen, deshalb wich ich beunruhigt, hilflos vor ihm zurück.
„Soll ich dich jetzt auch noch beglückwünschen, weil du wieder viel zu abhängig bist?" stieß er spöttisch aus. Ich schüttelte ungeduldig den Kopf. „Nein, ich meine, es ist doch immerhin etwas, dass ich heute hier geblieben bin und mich dem Entzug stelle! Es wäre, weiß Gott, viel einfacher für mich, mir sofort neue shore zu kaufen!" machte ich ihm aufsässig klar. Er saß jetzt neben mir, kam mir aber nicht zu nah und berührte mich nicht. Er betrachtete mich nur sehr eingehend, mit diesem typisch besitzergreifenden Ausdruck in seinen Augen. „Ja, du hast recht, Clay, das ist mutig von dir. Diesen Entschluss zu entziehen rechne ich dir hoch an", lenkte er leise ein und streckte seine Hand nach mir aus, um mich anzufassen.
Aber ich rückte unwillig von ihm weg und er ließ seinen Arm sofort wieder sinken. Plötzlich verlegen starrte er auf den Boden. Eine ganze Weile saßen wir schweigend in einigem Abstand auf den Stufen. Ich beobachtete Sean verstohlen und versuchte mir darüber klar zu werden, was ich eigentlich wollte. Ob ich tatsächlich Lust auf ihn hatte. Oder ob es mir nicht viel zu dreckig ging, um Sex zu haben, mit wem auch immer.
Oder ob ich nicht lieber sofort meinen affigen Schädel auf die Marmorfliesen meines Badezimmers knallen sollte, bis er zersprang. Gepeinigt von neuerlichen Krämpfen und kaltem Schüttelfrost stöhnte ich auf und krümmte mich zusammen. Es ging mir definitiv viel zu schlecht für sexuelle Freuden, aber das wollte ich nicht einfach so hinnehmen. Valmont soll mich anfassen, mir einen runter holen, gierte es plötzlich mächtig in mir. Verdammte Scheiße, dachte ich derangiert, so ein verdammter Mist! „Fuck!" entfuhr es mir gequält.
Daraufhin sah ich aus den Augenwinkeln, wie Sean näher rückte. Ich konnte diesmal nicht darauf reagieren, wahrscheinlich hatte ich auch gar nichts dagegen. Schon war er dicht neben mir, nahm mich spontan in den Arm und streichelte mir sanft über den Kopf. „Es ist schon gut, Clay, es wird alles wieder gut. Es geht vorbei, das weißt du doch", redete er sanft und tröstend auf mich ein.
Ich lehnte mich an ihn und genoss seine Nähe und sein Streicheln ganz instinktiv, ohne weitere Gedanken. „Mir ist so verdammt kalt, Sean. Ich friere so, ich möchte zurück in mein warmes Bett", jammerte ich leise. Gleich darauf bereute ich es, mein Bett erwähnt zu haben. Du blöder Idiot, schalt ich mich, Sean wird dir ins Bett folgen, warum zur Hölle hast du ausgerechnet von deinem Bett gesprochen, verdammt!
Sofort verkrampfte ich mich panisch bei dem Gedanken an mein zu erwartendes klägliches Versagen im Bett. Sean spürte das und ließ mich los. Ich seufzte, saß verlegen und absolut überfordert neben ihm und versuchte erneut mich zusammenzureißen. „Ich habe eine bessere Idee!" eröffnete Sean mir plötzlich. Überrascht, verwirrt guckte ich ihn an. Er lächelte aufmunternd und schob sich zum Whirlpool-Computer. Er tippte einige Befehle ein und das Wasser begann dampfend, laut und schnell den Pool zu füllen.
Ich starrte nur den Strudel an und fragte mich, ob man sich wohl in einem Whirlpool ersaufen konnte. „Du nimmst jetzt ein schönes, warmes Bad, Clay!" lächelte Sean, als wäre seine Idee die beste der Welt. Sofort schüttelte ich abwehrend den Kopf. „Nein, ich..." „Komm schon, Clay! Warmes Wasser ist das Beste, was du gegen die Krämpfe und Schmerzen tun kannst, das weißt du doch genau!" versuchte er mich zu überreden, und er lächelte unverkennbar erwartungsvoll dabei.
Ich schaute ihn an und hatte ungewollt eine Vision von mir und Sean in diesem Whirlpool, in der Vergangenheit, nackt, unsere Körper rieben sich aneinander. Ich erinnerte mich, wie gut er sich anfühlte. Aber gleich darauf spürte ich wieder meinen Affen mit voller Gewalt und mir wurde klar, dass ich ihn sowieso nicht hochkriegen würde, selbst wenn ich es wollte. Und ich wollte es eigentlich auch nicht. Nicht gerade jetzt.
„Das sagst du ja nur, weil du mich ficken willst, Valmont!" rief ich unüberlegt, erfasst von panischer Angst, dass dieser Mann sich nicht würde beherrschen können. Sean schaute mich gekränkt an. Schon tat es mir leid, so heftig geworden zu sein. Ich fragte mich, wovor ich eigentlich solche Angst hatte, war völlig verwirrt und wich fassungslos seinem traurigen Blick aus. „Tut mir leid", flüsterte ich und hielt mir den schmerzenden Bauch. „Das stimmt nicht", meinte Sean durch das Rauschen des Wassers hindurch, „Ich will dich jetzt nicht ficken, Clay." „Natürlich willst du das!" beharrte ich ungeduldig, plötzlich ziemlich genervt von dieser ganzen prekären Situation. Angespannt fixierte ich ihn. Er betrachtete mich irgendwie nachdenklich.
„Warum hast du Angst vor mir?" wollte er dann tatsächlich verwundert wissen. Ich konnte das nicht fassen und atmete tief ein. „Weil du mich verprügelt hast, du Arschloch!" brüllte ich ihn spontan an und schnappte nach Luft. Sean beobachtete mich merkwürdig interessiert, er reagierte kaum auf meinen Vorwurf. Ich stöhnte überfordert und starrte zu Boden. Ich wollte wirklich tot umfallen. Ich hatte das unangenehme, dringende Gefühl, diese Sache hier nicht mehr viel länger ertragen zu können.
Unvermittelt hörte das Rauschen des Wassers auf. Der Whirlpool war jetzt voll mit schäumendem, automatisch temperiertem Wasser. Ich fragte mich unwillkürlich nervös, welche Temperatur Sean wohl eingestellt hatte, ob er den Pool nicht vielleicht viel zu kalt programmiert hatte, nur um mich weiter zu quälen. Ich beugte mich vor und streckte prüfend einige Finger ins Wasser. Die Temperatur schien okay zu sein, sogar angenehm warm. Im nächsten Moment fragte ich mich, warum ich über so einen Scheiß überhaupt nachdachte, und zog meine Hand verärgert zurück.
„Warum hast du mich geschlagen, Sean?" interessierte mich plötzlich. Lauernd guckte ich ihn an. Er beobachtete mich immer noch mit diesem erwartungsvollen, gutmütigen Lächeln. „Wieso? Warum zur Hölle hast du mich verprügelt?" drängte ich ihn ungeduldig. „Weil du nicht bei der Probe warst", erklärte er mir grinsend. Seine Antwort war wie ein Schlag vor den Kopf. „Weil ich nicht bei der Probe war?" wiederholte ich fassungslos. Er nickte, hörte nicht auf zu grinsen, und ich hätte ihn deswegen gerne geschlagen.
„Ich war schon ziemlich oft nicht bei einer deiner scheiß Proben!" fuhr ich ihn an. Ich konnte das wirklich nicht begreifen. Zwar hatte ich noch nicht darüber nachgedacht, aber von allen Erklärungen, warum Sean Valmont wohl einen Grund hatte, dermaßen wütend auf mich zu sein, um mich so hart zu schlagen, erschien mir diese Antwort als die Abwegigste. „Ich war schon oft nicht bei deinen blöden Proben, Sean!" wiederholte ich eindringlich. Er lachte jetzt amüsiert. „Ich weiß, Clay." „Warum zum Teufel hast du mich deswegen verprügelt, du Arsch!?" schrie ich ihn entgeistert an.
Plötzlich bekam ich das dringende Bedürfnis eine zu rauchen. Fahrig fuhr ich mit den Händen meinen Körper ab, aber ich trug nur Unterwäsche und hatte deshalb natürlich keine Zigaretten in Reichweite. „Es war eben das eine Mal zu oft, Clay", erklärte Sean mir jetzt ruhig. Er beobachtete mich immer noch höchst interessiert, meine sinnlose Suche nach den Zigaretten, meine fahrigen Bewegungen. Er studierte neugierig die körperlichen Begleiterscheinungen meines Entzugs. Es nervte mich tierisch, von ihm auf diese gierige Art angestarrt zu werden. Ich konnte ihn plötzlich nicht mehr ertragen.
Spontan wollte ich aufstehen und abhauen, egal wohin, nur weg von diesem verrückten Mann, aber schon griff er nach mir und hielt mich unerbittlich am Arm zurück. „Wo willst du hin?" fragte er streng und zog mich brutal dicht zu sich hin. Ich fiel ungewollt gegen ihn und versuchte auf der Stelle ziemlich hektisch ihn irgendwie abzuwehren. „Lass mich los!" fauchte ich unfreundlich. Er ließ mich überraschender Weise los, hörte aber nicht damit auf mich interessiert zu beobachten. Ich wich seinem Blick stöhnend aus, saß jetzt dicht neben ihm und wusste nicht weiter. Diese ganze Situation ging mir langsam tierisch auf den Sack. Ich fühlte mich äußerst unwohl, hauptsächlich wegen dem verdammten Affen, und ich hatte unheimlich Bock auf ein paar Chinesen.
Ich fing unwillkürlich an, ernsthaft darüber nachzudenken einen Anruf zu tätigen. Sergej anzurufen. Mir einfach sofort shore zu besorgen und damit der entwürdigenden Quälerei hier abrupt ein Ende zu setzen. Warum zur Hölle tat ich mir das alles eigentlich an? Und warum wagte dieser Mann es überhaupt mich zu verprügeln, und nur deshalb, weil ich seine scheiß Probe versäumt hatte? Nur wegen einer bekloppten Theaterprobe, die überflüssiger gar nicht sein konnte, denn diese scheiß Performance spielten wir schließlich schon ewig und drei Tage lang!
Ich konnte diese Absurdität nicht fassen. Das alles hier war doch nichts als der absolute Irrsinn! Ich befand mich in einer extrem verletzlichen, hilflosen, unangenehmen körperlichen Verfassung. Und Sean Valmonts überlegende Anwesenheit machte meine Demütigung perfekt. Warum ließ ich mir überhaupt so viel von ihm gefallen? Dieser Mann war doch in keiner Weise besser als ich. Meine Gedanken überschlugen sich förmlich.
Ich warf Sean einen deutlich feindseligen Blick zu. Er fing ihn sichtlich überrascht auf, hörte aber nicht auf damit, gutmütig zu lächeln. „Was ist los, Clay?" fragte er sanft, „Was geht in deinem hübschen Kopf vor, hm?" Er hob den Arm, um mir liebevoll über den Kopf zu streicheln, aber ich fauchte genervt los und wich ihm eilig aus. „Es geht dich einen Scheißdreck an, Valmont, was in meinem Kopf los ist!" schrie ich ihn wütend an und wollte abermals aufstehen, um seinem Blick und seiner Überlegenheit zu entkommen.
Aber erneut war er schneller als ich, packte wieder meinen Arm und hielt mich fest. Ich konnte das in diesem Moment nicht mehr ertragen, konnte mich aber auch nicht gegen ihn wehren, und deshalb fing ich an zu schreien. „Lass mich los, du blöder Wichser, lass mich sofort los! Was fällt dir eigentlich ein?! Du hast überhaupt kein Recht dazu, mich zu verprügeln!" brüllte ich wie am Spieß und fing hastig damit an ihn zu schlagen, nach ihm zu treten und ihn ziemlich übel zu beschimpfen. Ich versuchte voller Entsetzen mich ihm zu entziehen.
Aber er war leider in diesem Moment viel stärker als ich, viel besser drauf zur Zeit, deshalb hatte ich keine Chance gegen ihn. Er packte mich einfach und riss mich herum. „Beruhige dich!" redete er beschwörend auf mich ein. Aber ich konnte mich nicht mehr beruhigen. Jede einzelne Faser meines Körpers tat mir weh. Mein Herz schlug mir vor Aufregung bis zum Hals. „Du darfst mich nicht schlagen! Kein Mensch hat das Recht dazu, mich zu schlagen!" schrie ich völlig außer mir.
Ich lag auf den Fliesen und Sean hatte mich immer noch gepackt. „Du forderst es aber so oft heraus!" behauptete er beinahe entschuldigend. Das konnte ich nicht gelten lassen. „Nichts, was ich jemals tue, kann es rechtfertigen, dass ich geschlagen werde, du blöder Arsch!" brüllte ich echt wütend herum. Meine ohnmächtige Hilflosigkeit trieb meine trainierten Stimmbänder zu Höchstleistungen an.
Sean nickte zu meiner Überraschung irgendwann zustimmend und murmelte: „Ja, Clay, du hast ja recht." glaube ich. Ich konnte ihn aber kaum noch hören. Ich schnappte von der Anstrengung keuchend nach Luft. Mein Körper schrie äußerst schmerzhaft nach Heroin. Meine Muskeln krampften sich immer häufiger vegetativ zusammen. Wir rangen auf den harten Marmorfliesen meines Badezimmers, halb auf den Stufen des Whirlpools. „Beruhige dich doch!" rief Sean immer wieder, „Beruhige dich, Clay, dreh doch nicht durch, verdammt!" Ich wollte und konnte mich aber nicht mehr beruhigen. Ich hatte echt die Schnauze voll.
Sean
Die Situation im Badezimmer spitzte sich dramatisch zu, als Clay zunehmend die Kontrolle über sich verlor. Eigentlich war es eine sehr intime Situation gewesen, sehr angenehm – zumindest für mich. Der Mann, den ich über alle Maßen liebte, war mit mir in diesem Raum. Er war mir sehr nah und deshalb ging es mir gut.
Natürlich war offensichtlich, dass es ihm überhaupt nicht gut ging. Er war auf Entzug, das war nicht zu übersehen. Aber ich dachte, das geht vorbei. Das hatten wir ja nun wirklich schon oft genug. Er wird sich schon wieder einkriegen. Ich musste nur bei ihm bleiben, ihn beruhigen, ihm seine Schmerzen einfach weg streicheln. Das tat ich natürlich gerne, obwohl er sich mir hartnäckig entzog.
Wie heftig sein körperliches Verlangen nach dem Heroin aber tatsächlich war, das wurde mir erst richtig bewusst, als seine Muskeln sich einfach selbstständig machten. Er verlor jegliche Gewalt über sich und fiel direkt ins Bodenlose.
Clay beschwerte sich lautstark darüber, dass ich ihn verprügelt hatte. Er behauptete, niemand hätte das Recht dazu, ihn zu schlagen, womit er zweifellos recht hatte. Dennoch konnte ich nicht behaupten besonders reumütig zu sein. Dazu genoss ich dieses Gefühl der Macht über ihn viel zu sehr.
Er zappelte heftig herum, versuchte mich zu schlagen und nach mir zu treten. Aber ich hielt ihn nur ganz fest. Sein Unterhemd rutschte hoch und ich betrachtete hingerissen das Spiel seiner Bauchmuskeln. Er schwitzte stark und rang nach Luft. Ich streichelte ihn ein wenig. Seine Haut fühlte sich heiß und nass an. Ich wollte ihn gerne küssen, aber er wich mir andauernd aus. Seine Augen waren vor Panik und Unbehagen weit aufgerissen.
„Lass mich los!" heulte er beinahe. Ich betrachtete ihn selig und hielt ihn fest in meinen Armen. Meine Liebe zu ihm hatte in diesem Moment ganz die Oberhand gewonnen. „Ist schon gut, beruhige dich doch", flüsterte ich. „Nichts ist gut, Sean!" jammerte er und versuchte abermals mit allem ihm verbliebenen Temperament, sich meinem Griff zu entwinden. „Ich weiß", lächelte ich verständnisvoll.
Clay war zwar böse auf Entzug, aber durch sein beständiges Training immer noch voller Kraft. Seine Gegenwehr wurde richtig stark, und ich bekam echte Mühe damit, ihn irgendwie zu bändigen. Schließlich konnte ich ihn nur dadurch überwältigen, indem ich mich mit meinem ganzen Gewicht auf ihn drückte.
Er lag letztendlich auf dem Rücken, auf seinem Marmorboden, und starrte mich ziemlich wirr an. Er knurrte verärgert und schnappte nach Luft. Sein attraktiver Körper schien bis zum Zerreißen angespannt zu sein. „Beruhige dich doch!" beschwor ich ihn wiederholt. Er schüttelte nervös den Kopf. „Mann, halt doch endlich dein Maul!" murmelte er mühsam. Nur einen Augenblick später erstarrte er irgendwie, seine Augen weiteten sich panisch. Er brachte nur noch „Fuck!" hervor, dann verabschiedete sich seine Körperbeherrschung vollkommen von ihm.
Ziemlich erschrocken musste ich zusehen, wie Clay Banton in eine Art epileptischen Anfall abdriftete. Seine schönen, grün-braunen Augen verdrehten sich dermaßen, dass fast nur noch das Weiße darin zusehen war. Seine sämtlichen Gliedmaßen zitterten verkrampft und völlig unkontrollierbar. Seine Zähne schlugen aufeinander, und ich fing unwillkürlich damit an, mir richtig Sorgen zu machen. Was, wenn er seine Zähne abbrach oder sich die Zunge abbiss? Was, wenn er seine Zunge verschluckte, keine Luft mehr bekam und elendig ersticken würde?
Wie konnte es nur dazu kommen, warf ich mir geschockt vor, wieso habe ich nicht gemerkt, dass er so viel Heroin genommen hat? Der Mann war nicht mehr ansprechbar. Spucke lief ihm in Blasen aus dem Mund, und ich versuchte total überfordert, ihn irgendwie festzuhalten. Seine Krämpfe waren aber zu stark, als dass ich ihn hätte beruhigen können. Seine Arme und Beine zitterten so stark, dass sie hart gegen die Stufen des Pools schlugen. Sein Kopf knallte mehrmals laut gegen den Marmor. Das geht so nicht, merkte ich entsetzt und außer mir, der hat gleich eine Gehirnerschütterung! Ich muss ihn irgendwie vor seinem eigenen Körper schützen, ich muss dafür sorgen, dass er sich endlich entspannen kann.
Mir fiel schließlich nichts besseres ein, als Clay Banton hochzuheben, was gar nicht so leicht war, weil er so zappelte. Ich packte ihn dennoch irgendwie, hob ihn hoch und warf ihn in seinen sündhaft teuren Whirlpool. Der Gedanke dahinter war, dass sich sein Körper in dem warmen Wasser vielleicht schneller wieder beruhigte. Ich hoffte inständig, die Dauer seines Anfalls auf diese Weise abkürzen zu können, denn es tat mir sehr weh, ihn so hilflos zu erleben. Ich machte mir Sorgen um ihn.
Der Mann fiel mit solchem Schwung, dass das Wasser durch das halbe Badezimmer schwappte. Er fiel ins Wasser und tauchte sogleich unter. Nervös beobachtete ich ihn. Ich betete tatsächlich, dass sein Krampfanfall sich in der Wärme des Pools auflösen würde. Aber das passierte leider erst einmal nicht. Clay lag nun unter dem Wasser, fast auf dem Boden seines Whirlpools, und sein ganzer Körper zuckte immer noch haltlos. Komm schon, Clay, dachte ich beschwörend, komm schon, beruhige dich endlich! Hör doch um Himmels Willen endlich auf mit diesem Scheiß!
Es waren wahrscheinlich einige Minuten, in denen ich nervös auf dem Rand des Pools saß und gebannt hinein starrte. Ich beschwor ihn gedanklich, aber Clay beruhigte sich nicht. Er strampelte und zuckte weiterhin völlig unkontrolliert herum.
Irgendwann fiel mir plötzlich auf, dass er nicht zum Atmen an die Oberfläche kam. Als mir das endlich bewusst wurde, erschrak ich fürchterlich. Ohne noch weiter zu zögern oder nachzudenken sprang ich gehetzt in den Pool. Ich packte ihn irgendwie und hob seinen Kopf hastig über die Wasseroberfläche.
Zu meiner grenzenlosen Erleichterung schnappte er sofort panisch nach Luft. Er hustete, spuckte jede Menge Wasser aus, aber er atmete tief. Ich saß also nun in diesem Whirlpool, Clay dicht vor mir, ich umarmte ihn von hinten. Sein Hinterkopf lag an meiner Schulter. Er japste und atmete hektisch ein und aus. Sein Körper krampfte sich noch einige Male heftig zusammen. Seine Gliedmaßen erzitterten gewaltig. Dennoch konnte ich genau spüren, wie er sich sehr langsam beruhigte. Die Anfälle wurden ganz behutsam weniger. Er entspannte sich zunehmend.
Ich hatte das Gefühl, noch nie in meinem Leben erleichterter gewesen zu sein. Meine Hände lagen auf seinen Bauch- und Brustmuskeln, und ich fühlte genau, wie die Erstarrung aus ihm wich, wie er endlich wieder weicher, biegsamer wurde. Ich war dermaßen glücklich, dass es mich fast überwältigte. Ich umarmte ihn ganz feste, drückte ihn selig gegen mich, während er auf meinen Oberschenkeln saß. Clay schnaufte laut, spuckte Wasser, erschauderte, rang nach Luft. Er entspannte sich nur langsam, wurde ruhiger. Sein Hinterkopf sank erschöpft auf mein Schlüsselbein.
Eine ganze Zeit lang war es sehr still. Wir saßen einfach dort. Das Wasser war angenehm warm. Ich hätte ewig so mit ihm sitzen können. Ich wollte ihn ewig so umarmen, ihn gegen meinen Bauch drücken.
Aber irgendwann drehte er den Kopf, als wollte er überprüfen, wer ihn da eigentlich im Arm hielt. „Sean", murmelte er verwirrt, „Willst du mich vielleicht hier drin ertränken?" Plötzlich war ich verlegen. Ich lockerte meinen Griff und er drehte sich noch weiter zu mir herum. „Was ist passiert?" fragte er einigermaßen irritiert. Er guckte sich prüfend um, anscheinend konnte er sich tatsächlich nicht erinnern, wie er in den Pool gelangt war.
Als er bemerkte, dass ich in voller Montur im Wasser saß, verzog sich sein Gesicht amüsiert. Ich betrachtete ihn und ich dachte, noch nie etwas Schöneres gesehen zu haben, als dieses Lächeln. Es bedeutete nämlich, dass Clay Banton wieder Herr seiner Sinne war.
„Sag mal, badest du immer in deinen Klamotten?" fragte Clay mich lächelnd. „Ich habe dir gerade dein Leben gerettet!" erzählte ich ihm, „Du hattest einen verdammten epileptischen Anfall oder so was!" Er wurde auf der Stelle ernst. „Echt?!" entfuhr es ihm beunruhigt.
Und dann schien er sich plötzlich auch wieder seines Entzuges zu erinnern. Er stöhnte unbehaglich und guckte mich eine Weile hilfesuchend an. Ich erwiderte seinen Blick ratlos, denn ich hatte immer noch keine Idee, wie ich ihm wirksam durch den Entzug helfen konnte. Gleich darauf bewegte er sich in Richtung des Computers. Er drückte einige Tasten und das Wasser fing direkt an, beruhigend um uns herum zu sprudeln. Clay knurrte jetzt behaglich, lehnte sich an den Rand und schloss die Augen. „Ich wusste, dass es dir gut tut", sagte ich nicht ohne Genugtuung. „Ja, Valmont, du hast wie immer recht", meinte Clay seufzend.
Eine Weile beobachtete ich ihn. Er schien das warme Wasser zu genießen. Ich begann mich zu fragen, ob er es jetzt zulassen würde, wenn ich mich ihm auf diese Weise näherte. Plötzlich hatte ich große Sehnsucht nach seiner Nähe. Ich wollte ihn fühlen. Ich wollte, dass er sich mir hingab. Diese Gedanken erregten mich.
Nervös saß ich dort und musterte ihn, seinen hübschen Kopf, die dunklen, nassen, kurzen Haare. Seine geschlossenen Augen, die gerade Nase, der sinnliche Mund mit den vollen Lippen. Sein männlicher Hals, die Schultern, seine Knochen unter der Haut, seine Muskeln an den Oberarmen. Unter dem Wasser konnte ich seinen restlichen Körper nur erahnen. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn so ansah. Mein Atem wurde schwerer. Ich dachte ernsthaft darüber nach, mir einen runterzuholen. Es fiel mir extrem schwer mich zurückzuhalten und nicht einfach über ihn herzufallen.
Irgendwann öffnete Clay seine Augen, als hätte er meine Sehnsucht gespürt. Dieser Mann erfasste meinen Zustand mit einem Blick, weil er mich viel zu gut kannte. Er drehte sich zu mir herum und betrachtete mich schmunzelnd. Solange er grinst, ist alles in Ordnung, versuchte ich mich zu beruhigen. Ich fühlte mich plötzlich verletzlich aufgrund meiner aufgeloderten Geilheit. Ich hatte Angst, von ihm abgewiesen oder verachtet zu werden.
Aber er lächelte jetzt mit funkelnden Augen. Ich wich seinem Blick beschämt aus. „Wir sollten uns vielleicht ausziehen, wenn wir baden wollen", sagte Clay mit einem Mal herausfordernd, aber nicht unfreundlich. Ich zwang mich ihn anzusehen. Er kannte mich viel zu gut, als hätte ich meine Gefühle vor ihm verbergen können. „Was denkst du denn?" brachte ich hervor und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Clay lachte belustigt. „Ich denke, dass du einen mächtigen Ständer in deiner Hose hast", kicherte er albern.
Ich drehte mich von ihm weg und versuchte mich zu beruhigen. Ich versuchte, nicht gekränkt zu sein. Aber sein Spott verletzte mich trotzdem. Eine Weile war es ganz still. Ich konnte Clays Blick spüren.
Im nächsten Moment sah ich aus den Augenwinkeln, wie er sich sein graues Hemd und die graue Unterhose auszog. Meine Augen wanderten automatisch zu ihm hin. Er legte seine klatschnasse Unterwäsche auf den Rand des Whirlpools und drehte sich zu mir. Er lächelte immer noch. Sein Lächeln war wunderschön, provozierend und spitzbübisch. Seine Augen leuchteten erwartungsvoll. Er hätte mich nicht stärker aufgeilen können in diesem Moment. Und ich glaube, das wusste er ganz genau. „Clay...", seufzte ich unwillkürlich. „Vielleicht solltest du dich auch ausziehen, Sean Valmont", flüsterte er einladend.
Abwartend saß er dort, nackt, und lächelte mich an. Ich konnte mich nicht rühren. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Ich versuchte mir darüber klar zu werden, ob Banton mich nur verarschen wollte, oder ob dies wirklich eine Einladung zum Sex sein sollte. Ich fand keine Antwort. Mir wurde nur bewusst, dass ich meine vorherige Macht über ihn in diesem Moment an ihn abgegeben hatte.
Es fiel mir schwer, zu ihm hinzusehen. Ich tat es zögernd und fühlte mich ihm plötzlich sehr ausgeliefert. Es wäre für ihn jetzt ein Leichtes, mich total fertig zu machen, merkte ich voller Panik. Er könnte sich jetzt so einfach bei mir für meinen brutalen Überfall rächen, für all die Schläge, die ich ihm verpasst habe. Er könnte es mir mit seinem Spott richtig heimzahlen.
Aber er war Clay Banton, und er lächelte mich nur an, interessiert und freundlich. Als mir das richtig bewusst wurde, fiel mir eine zentnerschwere Last vom Herzen. Augenblicklich fühlte ich mich wieder wohl und meine Liebe zu ihm flammte automatisch mit aller Macht auf. Denn Clay Banton war kein Mensch, der auf Rache aus war. Clay ließ es einfach gut sein und wandte sich neuen Dingen zu. Es war okay. Es war nicht so wichtig, ob er letztendlich mit mir schlafen würde. Er hatte nicht vor, mich fertig zu machen. Niemals war er nachtragend. Sein Lächeln war beinahe liebevoll. Und das war alles, was zählte. Alles weitere würde jetzt einfach passieren.
Clay
Diese Phasen von vermindertem Bewusstsein während eines heftigen Entzuges sind eigentlich recht angenehm. Man verliert zwar die Kontrolle über sich, aber auch das Gefühl für diese hässlichen Schmerzen in allen Körperteilen. In diesem Zustand wird der Affe für kurze Zeit erträglich. Aber leider sind diese Erholungsphasen nie sehr lang. Sie wechseln sich ab mit Zeiten extremer Körperwahrnehmung und damit extremer Qualen.
Ich weiß nicht genau, was in meinem Badezimmer passierte. Anscheinend schmiss der Mann mich gewaltsam in den Whirlpool. Ich habe einen Filmriss, aber als ich langsam wieder klar wurde, da spürte ich sofort, wie angenehm das warme Wasser meinen affigen Körper zu beruhigen vermochte. Ich aktivierte sämtliche Luftdüsen des Pools und ließ mich am Rand nieder.
Es tat gut, das warme Wasser um mich herum sprudeln zu spüren. Die Krämpfe und Schmerzen schienen nachzulassen. Es war angenehm, den kalten Schweiß auf meiner Haut loszuwerden. Ich schloss die Augen und versuchte, alles andere auszublenden. Ich wollte den Affen einfach ignorieren. Ich versuchte Sean Valmont zu ignorieren. Aber beides gelang mir nicht. Die äußerst wütenden Fasern meines Körpers schrien immer heftiger nach Heroin. Seans Anwesenheit war etwas, das ich nicht so einfach vergessen konnte.
Also öffnete ich nach einiger Zeit meine Augen und sah zu ihm hin. Er saß tatsächlich vollkommen bekleidet in meinem Whirlpool, was ich mir nicht erklären konnte und ziemlich merkwürdig fand. Das warme Wasser sprudelte um ihn herum. Er war ganz still und musterte mich intensiv. Unsere Blicke trafen sich und im selben Moment hatte ich seine sexuelle Erregung erfasst. Er hat mich beobachtet und sich allein daran aufgegeilt, merkte ich amüsiert. Diese Tatsache schmeichelte mir auf irgendeine komische Art.
Ich betrachtete ihn und fand ihn plötzlich unwiderstehlich. Er war jetzt verlegen, wich meinem Blick aus. Er wirkte verletzlich, gefangen in seiner Erregung, die er nur noch schwer beherrschen konnte. Ein Zittern durchlief meinen gesamten Körper völlig unwillkürlich. Meine Knochen und Muskeln schmerzten heftig, und ich bekam das dringende Bedürfnis nach einem anderen Gefühl. Ich war sehr erschöpft von dieser Quälerei und sehnte mich nach Erleichterung. Deshalb schlug ich ihm vor sich auszuziehen. Er soll mich anfassen, mich hart ficken, gierte es ziemlich unkontrollierbar in mir.
Aber Sean war irgendwie beschämt. Er bewegte sich nicht, wahrscheinlich hatte er wieder seine blöden Hemmungen. Deshalb zog ich kurzentschlossen meine Unterwäsche aus und legte sie auf den Rand des Pools. Das sprudelnde Wasser zwischen meinen Beinen erregte mich auf der Stelle. Nun komm schon, Valmont, zieh dich endlich aus, dachte ich ungeduldig und starrte ihn auffordernd an. Aber dieser verklemmte Mann brauchte noch eine ganze Weile, bis er sich endlich dazu entschließen konnte, sich seiner Kleidung zu entledigen.
Dann ging es allerdings überraschend schnell. Er zog seine Schuhe und Strümpfe aus, seine Jacke, sein Hemd, T-Shirt, Unterhemd, Jeans und Unterhose, bis er, wie ich, vollkommen nackt war. Die triefend nassen Klamotten legte er auf den Rand des Pools. Er lächelte atemlos und kroch langsam durch das Wasser an mich heran.
Ohne noch länger zu zögern fing er damit an meinen Kopf zu streicheln, meine Augenbrauen, meine Ohren, meine Nase, meine Lippen, er massierte meine Schultern und meinen Hals. Seine sehr zarte Berührung war irgendwie elektrisierend. Ich versuchte ganz still zu sitzen, aber mich erschauderte heftigst. Er war ganz sanft und vorsichtig und es erregte ihn zunehmend. Sean geriet völlig aus der Fassung, indem er mir die Schultern massierte! Das war eine Tatsache, die mich einen Augenblick ziemlich amüsierte.
Aber dann tauchte seine Hand unter das Wasser, strich sanft über meine Brust, meine Rippen, meinen Bauch, und wanderte dann ganz langsam tiefer. Ich erschauderte erneut heftigst. Mein gesamter affiger Körper fing unwillkürlich an zu zucken. Mein Schwanz streckte sich seiner Hand förmlich ganz von allein gierig entgegen. Meine Geilheit steigerte sich so schnell und so gewaltig, dass ich irgendwie die Kontrolle verlor.
Ich spürte nur, dass meine sexuelle Erregung höchst angenehm war. Und mich verlangte echt enorm nach angenehmen Empfindungen in all meinem Elend. Sean vermied es auffällig meinen Penis anzufassen. Er wollte diese Sache hier genussvoll hinauszögern, sie so lange wie möglich genießen, nehme ich an. Aber ich war nicht mehr in der Verfassung, mich dieser Sache auf diese Art zu widmen. Mein Körper verselbstständigte sich mal wieder mit all seiner affigen Aufsässigkeit. Ich konnte nicht mehr anders, als mich an Sean zu reiben. Ich küsste ihn ziemlich brutal, denke ich. Ich stöhnte vielleicht ein bisschen zu laut, keine Ahnung.
Dies hier war in diesem Moment eine Möglichkeit meinen Schmerzen zu entkommen, und deshalb ergriff ich sie mit all meiner verbliebenen Energie. Ich stürzte mich gedankenlos auf Seans Körper, presste ihn voller Begehrlichkeit an mich, rieb meinen Schwanz irgendwo gegen seine Hüfte vielleicht. Es war ein äußerst triebhafter Genuss und er war natürlich viel zu schnell vorüber. Ich hatte keine Kontrolle über mich, und deshalb konnte ich es auch nicht mehr bremsen. In höchstens einer Minute hatte ich meinen Höhepunkt erreicht. Ich kam und spritzte gegen Sean ins Wasser, und dann rang ich erschöpft nach Luft.
Leider hatte ich wieder einmal nicht bedacht, dass während eines Entzugs jeder Orgasmus nur eine weitere Steigerung der körperlichen Qualen bedeutet. Das heißt, nach der viel zu kurzen Erleichterung der sexuellen Entladung folgt unweigerlich die geballte Brutalität der körperlichen Schmerzen.
Mein Körper zitterte gewaltig, mir brach aus allen Poren der kalte Schweiß aus. Mein leerer Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Ich wandte mich von Sean ab und kotzte Luft und Speichel. „Oh, Fuck!" fluchte ich, überwältigt von der Intensität meiner körperlichen Beschwerden. Mein Orgasmus war innerhalb kürzester Zeit nur noch eine schöne Erinnerung. Ich trieb auf dem Wasserstrudel, auf der Seite irgendwie, ich kotzte, krümmte mich zusammen und schnappte nach Luft.
Es dauerte einige Momente, bis ich realisierte, dass Sean mir wieder näher gekommen war. Dieser Mann umarmte mich sanft von hinten und strich mir beruhigend über den Kopf. „Ach, Scheiße, Sean, das tut mir leid!" stöhnte ich wirklich schuldbewusst. Ich hatte es nämlich gründlich vermasselt. In der nächsten Zeit würde ich keine Erektion mehr zustande kriegen, das wusste ich nur zu gut. „Schon okay", flüsterte Sean äußerst verständnisvoll. „Das wollte ich nicht! Das tut mir leid!" seufzte ich traurig. „Mach dir keine Gedanken", erwiderte Sean und streichelte mich liebevoll. Seine Finger wanderten irgendwie kunstvoll über meinen Körper, als würde er ein Bild malen, und das fühlte sich richtig gut an.
Eliza
Zuerst sah ich sein Auto vor seinem Haus am Straßenrand stehen und hoffte noch, dass er zu Hause wäre. Ich wollte ihn zur Rede stellen, mich von Rowinas Behauptung, er wäre wieder abhängig vom Heroin, selbst überzeugen. Ich wollte ihm die Chance geben, mir das Gegenteil zu beweisen. Ich hoffte inständig, dass er mir das Gegenteil beweisen würde.
Dann aber sah ich Seans Fahrrad im Hausflur stehen, und da war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich Clay wirklich besuchen sollte. Ob ich ihn noch sehen wollte, jetzt, wo offensichtlich Sean Valmont bei ihm war.
Ich stand eine Weile im Hausflur, sah mir das Fahrrad an und dachte nach. Unwillkürlich kamen mir viele Erinnerungen in den Sinn, Situationen, in denen ich Sean und Clay zusammen überrascht oder sie heimlich beobachtet hatte. Erotische Situationen waren das gewesen. Es schien kaum ein privates Zusammentreffen dieser beiden Männer zu geben, was nicht mit wilden Sexualakten gewürzt wurde. Ich erinnerte mich zu gut, und ich wurde wieder einmal eifersüchtig auf Sean Valmont. Es wollte mir nicht einleuchten, was er an sich hatte, was Clay regelmäßig schwach werden ließ.
Es dauerte eine Weile, bis ich entschieden hatte, was ich tun wollte. Ich war nahe daran umzukehren. Aber dann fielen mir Rowinas Worte wieder ein, und mir wurde bewusst, wie verflucht wichtig diese verdammte Sache war. Wahrscheinlich lebenswichtig für Clay. Vielleicht lebensbedrohlich, falls er tatsächlich wieder abhängig war. Ich musste mir unbedingt jetzt Klarheit verschaffen. Ich konnte nicht länger mit dieser Behauptung von Rowina leben, ohne Gewissheit zu haben. Wenigstens Gewissheit. Dann würde ich weiter sehen.
Ich atmete nochmal tief durch und lief dann die Treppen hinauf. Clay würde mir jetzt die Wahrheit sagen, dafür würde ich sorgen! Oh ja! Und wie ich dafür sorgen würde! Es würde jetzt keine weiteren Lügen oder Ausflüchte mehr für ihn geben! Nur noch die Wahrheit, so schlimm sie auch vielleicht war! Energisch sprach ich mir Mut zu.
Im nächsten Moment kam ich an seine Wohnungstür und merkte erstaunt, dass sie offen stand. Das war sehr ungewöhnlich. Ich stand vor der Tür und lauschte. Ich konnte es plätschern hören, eindeutige Seufzer dazwischen, und da wusste ich, dass er mit Sean im Whirlpool war. Oh nein, verdammt, nicht ausgerechnet der Pool, dachte ich sofort genervt. Es versetzte mir einen Stich, dass Clay sich tatsächlich mit Sean vergnügte, während ich mir schon wieder Sorgen um ihn machte. Er ist es einfach nicht wert, dieser Arsch, dachte ich wütend.
Kurzentschlossen betrat ich seine Wohnung und steuerte sofort auf sein Badezimmer zu. Die Geräusche wurden lauter. Die Maschine des Whirlpools brummte leise, regelmäßig, und es war nicht zu überhören, dass diese beiden Männer intensiven Sex miteinander hatten. Das steigerte meine Wut beträchtlich. Ich war ziemlich eifersüchtig auf Sean und das ärgerte mich enorm. Ausgerechnet der Whirlpool! Ein sehr intimer Ort, den ich gerne für Clay und mich reserviert hätte! Aber nein, dieser geile Bock trieb es wahrscheinlich ohnehin mit jedem dort! Und nicht nur dort!
Ich ging ins Badezimmer und blieb an der Tür stehen. Eine Weile beobachtete ich sie, ohne dass sie mich bemerkt hätten. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Mit ihrer offensichtlichen Lust aufeinander. Ich stand also dort, beobachtete die beiden Männer reglos, und in meinem Kopf lief einiges durcheinander. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Klar, es war, weiß Gott, nicht das erste mal, dass ich Clay mit jemand anderem in sexueller Aktivität sah, insbesondere mit Valmont. Aber trotzdem fühlte ich mich spontan betrogen und verletzt. Es ärgerte mich maßlos, dass mir dieser Scheiß immer noch so viel ausmachte. Ich sollte gehen, dachte ich, ich sollte mich einfach umdrehen und hier verschwinden.
Aber ich blieb wie angewurzelt stehen, zündete mir eine Zigarette an und beobachtete sie weiter. Denn obwohl ich mir das niemals eingestanden hätte, so erregte mich ihr Anblick doch unwillkürlich. Dort waren zwei attraktive Männer beim Sex. Sie hatten beide die Augen geschlossen. Sie taten beide nichts, um ihre Leidenschaft unter Kontrolle zu behalten. Offensichtlich fühlten sie sich sicher und ungestört.
Je länger es dauerte, bis sie mich bemerkten, umso mehr freute es mich, sie stören zu können. Ich hatte diese Macht, wurde mir bewusst, und es bereitete mir jetzt grimmiges Vergnügen, ihre Intimitäten unterbrechen zu können. Die nackten Männer in mächtige Verlegenheit zu bringen. Besonders Sean Valmont würde ich allein durch meine Anwesenheit beschämen, denn Sean war äußerst schnell peinlich berührt. Es würde ihm viel mehr ausmachen als Clay, dass ich ihn beobachtete.
Dieser Gedanke machte mir jetzt Spaß, und ich ging langsam auf den Whirlpool zu, ohne die beiden aus den Augen zulassen. Im nächsten Moment öffnete Clay die Augen, als hätte er meine Präsenz oder Bewegung irgendwie gespürt. Er blinzelte in meine Richtung und brauchte sichtbar einige Sekunden, um meine Anwesenheit richtig zu realisieren. Ich studierte ihn genau, und der Ausdruck seiner Augen beunruhigte mich sofort. Ich kannte diesen Ausdruck zur Genüge. Es war der panische, irre Blick des Entzugs. Dies war ein Ausdruck, den irgendwann auch seine größte Erregung nicht mehr überdecken konnte. Und eigentlich war er auch gar nicht so sehr sexuell erregt, das merkte ich direkt, denn ich kannte ihn gut.
Clay war jetzt überrascht, irgendwie verlegen, hilflos vielleicht. Er schob Sean vorsichtig von sich weg, der dicht an seinem Rücken lag und noch viel länger brauchte, um die Situation richtig zu erfassen. Denn Herr Valmont war äußerst erregt, auch das war nicht zu übersehen. Sean Valmont war der einzige in diesem Badezimmer, den seine sexuelle Lust völlig im Griff hatte. Deshalb wollte und konnte er es nicht akzeptieren, als Clay sich plötzlich von ihm zurückzog. „Was denn...", stöhnte Sean verständnislos, drängend, und versuchte verzweifelt, sein Spielzeug wieder zurück zu sich zu ziehen. Clay fixierte mich und sagte leise: "Eliza."
Daraufhin zuckte Sean schlagartig zusammen und fuhr panisch zu mir herum. Seine vor Geilheit trüben Augen weiteten sich vor Schreck und unangenehmer Überraschung. Es bereitete mir grimmiges Vergnügen, seine riesige Verlegenheit mitzuerleben. Seine umfassende Hilflosigkeit. Seine totale Unfähigkeit, seinen peinlichen Zustand auch nur ansatzweise vor mir zu verbergen.
„Oh, Fuck!" stöhnte Sean völlig überfordert. Er wandte sich sofort von Clay und mir ab und bewegte sich durch das sprudelnde Wasser ans andere Ende des Whirlpools. „Fuck, Fuck! Verdammt!" fluchte er dabei atemlos. „Schick sie weg!" forderte er Clay auf. „Wie zum Teufel kommst du in meine Wohnung, Liz?" wollte Clay von mir wissen. Seine Stimme hatte etwas Drohendes. Er war unverkennbar verärgert über mein plötzliches Auftauchen. „Deine Tür stand offen!" erklärte ich ihm trotzig.
Dann schaute ich zu Sean und lachte gehässig. „Habe ich euch vielleicht bei irgendwas gestört, Jungs?" „Zieh hier nicht so eine beschissene Show ab, Eliza!" fauchte Clay mich an und blickte konfus, überfordert von mir zu Sean, der am anderen Ende des Pools hockte und vergebens versuchte, sich irgendwie zu beruhigen. Sean starrte ihn beinahe flehentlich an. Er atmete schwer, hatte die Knie schützend hochgezogen und wirkte zum Zerreißen angespannt, als würde er jeden Moment explodieren.
Dieser wunderschöne Mann war beinahe Mitleid erregend seiner eigenen Sexualität ausgeliefert und so gut wie nicht in der Lage, sich halbwegs zu kontrollieren. „Verdammt, Clay! Schick sie weg!" seufzte er leise voller Panik, "Verdammt, ich..." „Hast du ein Problem, Valmont?" spottete ich lauthals. Ich hatte jetzt riesigen Spaß an dieser Situation. Ich hatte nämlich ihre schwule Intimität empfindlich gestört. Beide Männer waren mir so herrlich ausgeliefert, ich fühlte diese unbändige Macht über sie. Und ganz abgesehen davon waren die beiden nackt ein ziemlich erbaulicher Anblick.
Ich zog an meiner Zigarette und blies den Rauch grinsend Richtung Pool. Dann drückte ich die Zigarette in den Aschenbecher, der kunstvoll in die Stufen eingearbeitet worden war. „Was willst du hier?" wollte Clay plötzlich unfreundlich wissen und wand sich unbehaglich herum. „Hau ab, Eliza! Geh sofort raus! Du bist hier echt nicht erwünscht!" knurrte er wütend.
Ich beachtete ihn nicht, sondern trat kurzentschlossen zum Computerterminal. Clay ahnte meine Absicht sofort und schrie: „Nicht!" Aber da hatte ich schon den Knopf gedrückt, der das Wasser gurgelnd ablaufen ließ. Bald würden die beiden Männer auf dem Trockenen sitzen. Und das geschah ihnen ganz recht!
Sean stöhnte genervt auf und guckte sich panisch nach etwas um, das seine Blöße verdecken konnte. „Gib ihm ein Handtuch!" forderte Clay mich drängend auf, aber ich schüttelte nur grinsend den Kopf. Es machte mir Spaß, Sean Valmont in seiner Verlegenheit zu beobachten. Denn dieser extrem gut aussehende Mann war genau so absolut peinlich getroffen, wie ich es erwartet hatte, obwohl es wirklich nicht das erste Mal war, dass ich ihn in dieser Situation überraschte.
Clay warf mir einen vernichtenden Blick zu. Dann stand er auf, beugte sich mühsam weit aus dem Pool und griff sich ein Handtuch von der Ablage. Er warf es Sean zu, der es dankbar auffing, während Clay stöhnend zurück in den Pool sank. Das Wasser war schon fast abgelaufen.
Valmont wickelte sich hastig das Handtuch um die Hüften. Er kroch aus dem Whirlpool und verließ fluchtartig das Badezimmer, wobei er fast auf dem nassen, glatten Marmor ausrutschte. Ich lachte ihm gehässig hinterher. „Wo will dein heißer Liebhaber denn hin? Was hat er denn für ein Problem?" fragte ich Clay und musterte ihn spöttisch, „Soll ich dir mal etwas über Herrn Valmont erzählen, Clay? Er geht mit Eric Dentor zusammen auf die Toilette im Stardust!" Ich beabsichtigte, ihn damit irgendwie zu schocken, aber Clay reagierte zu meinem Bedauern überhaupt nicht auf diese aussagekräftige Information.
Er saß nun allein in seinem leeren Whirlpool. Der Blick seiner Augen tötete mein Grinsen sofort. Da war er wieder, dieser irre Ausdruck. Ich hatte mich nicht getäuscht. Clay Banton war ziemlich heftig auf Heroin Entzug. Und jetzt war er auch noch total wütend auf mich. Der Ausdruck seiner Augen und die abweisende Härte seines Gesichts machten mir für einen Augenblick beinahe Angst.
Aber dann hatte ich mich schnell wieder im Griff. „Was ist passiert, Clay? Hast du keinen hochgekriegt?" fragte ich ihn angriffslustig mit meinem Blick zwischen seinen Beinen. Er zog abwehrend die Knie hoch. „Nein, hab ich nicht", gab er gleichgültig zu und murmelte: „Als ob es darauf ankäme!" „Was willst du hier, Liz?" wollte er im nächsten Moment erneut wissen. „Warum hast du keinen hochgekriegt, Clay? Törnt Valmont dich vielleicht nicht mehr an?" ignorierte ich seine Frage mit beißendem Hohn.
Clay wandte sich genervt von mir ab. Er hatte offensichtlich keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit mir. Er zitterte jetzt vor Kälte. Er war nackt und sein Körper war völlig nass. Durch das offene Fenster wehte ein kalter Wind auf seine Haut. Ich streckte die Hand aus und wollte ihn berühren. Aber er wich mir fauchend aus und betrachtete mich voller Abscheu. „Das hättest du dir sparen können, Eliza! Ich habe keinen Bock auf solche beschissenen Eifersuchtsszenen!" meinte er und stand mühsam auf.
Er krabbelte aus dem Pool und ging schwankend zu seinem Schrank. Dort holte er seinen weißen Frottee-Bademantel heraus und zog ihn hastig an. Ich brauchte eine Weile, um seine Worte zu verdauen, und beobachtete ihn deshalb nur fassungslos. Er stand vor dem Spiegel und betrachtete sich, suchte eine Weile in seinem Gesicht nach möglichen Blessuren. Ich ging auf ihn zu. Erneut war ich wütend auf ihn. Ich fand seine Arroganz zum Kotzen. „Ich bin nicht eifersüchtig! Was bildest du dir eigentlich ein!" schrie ich ihn an, fasste ihn am Arm und zog ihn zu mir herum. Er torkelte unsicher. Stöhnend hielt er sich den Kopf. Offensichtlich ging es ihm nicht gut.
„Was ist denn los mit dir?" fragte ich ihn, obwohl ich es genau wusste. Ich wollte es von ihm hören. Oder vielleicht wollte ich auch viel lieber eine harmlose Begründung für den gehetzten Ausdruck seiner Augen hören. „Bevor du kamst, war alles in Ordnung!" behauptete er stur und versuchte sich aus meinem Griff zu lösen. „Das glaub ich dir nicht, Clay!" schrie ich los, „Ich sehe doch, was mit dir ist! Du schiebst einen beschissenen Affen, du blöder Arsch!" Erfasst von Wut schlug ich plötzlich auf ihn ein, und er sank einfach in sich zusammen.
Überrascht musste ich feststellen, dass Clay kraftlos auf die Fliesen seines Badezimmers sank und dort sitzen blieb, ohne meine Schläge abzuwehren. Es ging ihm noch schlechter, als ich befürchtet hatte. Eine Weile sah ich auf ihn herunter und wusste wieder einmal nicht weiter. Ich wollte ihn gerne schlagen. Ihn für seine Blödheit bestrafen. Aber andererseits wollte ich ihn in den Arm nehmen und trösten. Ich war wie erstarrt und plötzlich maßlos überfordert. Es gibt keine harmlosen Begründungen mehr, wurde mir schmerzhaft bewusst. Es ist alles mal wieder viel zu spät. Dieser Typ ist absolut fertig mit der Welt.
Er hatte tatsächlich wieder angefangen mit den scheiß harten Drogen. Und ich hatte es tatsächlich nicht gemerkt. Ich wurde noch wütender und fing wieder an ihn zu treten und auf ihn einzuschlagen. „Lass mich in Ruhe! Hör auf!" stöhnte er, hob nur träge schützend die Arme, wehrte mich aber kaum ab. Ich versuchte meine hilflose Wut irgendwie brutal an ihm abzureagieren. Aber das klappte nicht besonders gut.
Sean
Plötzlich stand Eliza Laser im Zimmer und ich dachte, ich müsste sterben. Ich war so extrem geil auf Clay, so verflucht ausgeliefert meinen sexuellen Trieben. Es war schwer sie unter Kontrolle zu kriegen. Und ich schaffte es auch nicht wirklich. Ich wollte Clay nur noch die Seele aus dem Leib ficken, aber stattdessen flüchtete ich schließlich in sein Schlafzimmer.
Dort legte ich mich wie elektrisiert auf sein Bett, vergrub mein Gesicht in seinen Kissen, atmete seinen Duft tief in mich ein und holte mir hastig einen runter. Mit einem Ohr hörte ich die ganze Zeit hinaus auf den Flur. Ich fürchtete, dass Eliza mir folgen würde, um meine Demütigung zu maximieren. Aber zum Glück tat sie das nicht, und es dauerte höchstens zwanzig Sekunden, bis ich explodierte. Ich versuchte, dabei ganz leise zu sein. Ich wollte auf keinen Fall, dass Eliza hörte, was ich tat. Ich drückte mein Gesicht in Clays Kissen und spritzte in seine Laken. Ein zwar geiler, aber viel zu verkrampfter Orgasmus.
Danach eine kurze Weile lang Entspannung, ganz tief atmen. Und im nächsten Moment weinte ich leise vor mich hin. Es war entwürdigend. Ich fühlte mich in diesem Augenblick verletzt und sehr einsam. Meine Demütigung war kaum zu ertragen. Ich war wütend auf Eliza, auf Clay, auf mich selbst, weil ich anscheinend die Wohnungstür offen gelassen hatte.
Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich mich wieder beruhigte. Mir wurde bewusst, dass ich nackt war und meine Kleidung nass im Badezimmer zurückgelassen hatte. Also stand ich auf, trocknete mich mit seinem Handtuch ab und öffnete danach Clays Kleiderschrank, der wie immer tadellos aufgeräumt war. Ich suchte mir eine seiner sündhaft teuren Markenunterhosen heraus. Sie roch angenehm frisch gewaschen und ich zog sie an. Dann fand ich eine Jeans und ein Sweatshirt und schlüpfte hinein.
Eine Weile genoss ich den Gedanken und das gute Gefühl, Clays Kleidung auf meiner Haut zu tragen. Mein Blick wanderte neugierig durch sein Schlafzimmer, bis ich auf einmal sein Handy auf dem Nachttisch liegen sah. Ich nahm es spontan, ohne darüber nachzudenken. Ich hatte das dringende Bedürfnis mich zuzuknallen. Ich wollte unbedingt, dass Clay mir dankbar war. Ich wollte ihn glücklich sehen. Ich konnte es nicht mehr länger ertragen, ihn in diesem scheiß affigen Zustand zu erleben. Es war mir scheißegal.
Vielleicht wollte ich auch nur Eliza bestrafen, die mich in so peinliche Verlegenheit und um einen wundervollen Fick mit Clay gebracht hatte.
Sergej war sofort in der Leitung und es wunderte mich nicht einmal, dass ich seine Nummer noch auswendig wusste. „Hier ist Sean. Wie sieht es aus?" fragte ich ihn. „Sean?!" erwiderte Sergej überrascht. „Ja. Was ist nun?" drängte ich ungeduldig. „Es sieht gut aus", meinte Sergej amüsiert. „Kann ich kommen? Zehn Minuten?" wollte ich wissen. Der Dealer aus der Ukraine bestätigte dies und ich legte zufrieden auf.
Ich würde mir Clay nicht von so einer blöden Schlampe wegnehmen lassen. Denn ich konnte etwas, wovon sie keine Ahnung hatte. Ich konnte ihm Heroin besorgen. Und ich wusste ja nur zu genau, wie sehr er danach verlangte. Und ganz nebenbei würde auch noch meine Performance heute Abend gerettet sein, denn wenn Clay nicht schnell gesund wurde, dann müssten wir die Vorstellung definitiv absagen.
Mit einem unbändigen Wohlgefühl im Bauch verließ ich das Schlafzimmer und ging hinüber ins Badezimmer, wo Clay sich zu meiner Überraschung mit Eliza auf dem Boden wälzte. Anscheinend verprügelte sie ihn, allerdings nicht sehr wirkungsvoll, denn Clay war höchstens genervt, nicht aber verletzt von ihren Schlägen. „Sag mir jetzt die Wahrheit, Clay!" forderte Eliza ihn ungeduldig auf. Clay sagte jedoch nichts, stöhnte nur gequält.
Ich ignorierte die beiden und ging zum Rand des leeren Whirlpools, wo meine Schuhe und Strümpfe lagen. Sie waren total durchnässt, aber ich zog sie trotzdem an. Auch meine anderen Sachen trieften vor Nässe. Leicht beunruhigt überprüfte ich den Inhalt meiner Jacke.
Alles war nass, deshalb legte ich meine Geldbörse und mein Handy auf den durch die Fußbodenheizung erwärmten Boden. Ich dachte, dass mein Handy wohl lieber erst trocknen sollte, bevor ich es das nächste Mal anstellte, sonst würde es wahrscheinlich kaputtgehen. Ich steckte einige Geldscheine aus der Börse und meine Schlüssel ein. Dann sah ich hinüber zum Pool. Einen Moment hatte ich eine Vision von Clays nacktem Körper dicht vor meinem.
„Sean!" rief Clay plötzlich. Ich drehte mich zu ihm. Er lag auf dem Boden, Eliza halbwegs auf seinem Rücken. Sie schlug tatsächlich auf ihn ein, und er wand sich herum und starrte mich an. Hilfesuchend streckte er die Arme nach mir aus. „Hilf mir, Sean! Bitte!" stöhnte er restlos überfordert. Er war dem Wahnsinn nahe. Es dauert nicht mehr lange, bis er zurückschlägt, kam mir in den Sinn, die Frau hat keine Ahnung, auf welch dünnem Eis sie sich da bewegt.
Ich ging zu Clay und ließ mich vor ihm auf den Boden sinken. Er griff sofort nach meiner Hand, die ich ihm hinhielt. „Hilf mir! Sag ihr, sie soll aufhören!" ächzte Clay hilflos. „Halt's Maul, du blöder, süchtiger Penner!" fauchte Eliza boshaft und schlug ihn ins Genick. Er hob abwehrend die Hände, konnte sie aber nicht an weiteren Schlägen hindern.
„Du kannst jetzt gehen, Valmont!" bemerkte Eliza schroff und hielt im Schlag inne. Beide schauten mich nun an. „Hör auf ihn zu schlagen, Liz. Clay hat für heute schon genug Schläge kassiert!" sagte ich zu ihr. Sie fauchte nur spöttisch. „Hast du dir einen runter geholt?" wollte sie von mir wissen, natürlich in der fiesen Absicht, mich aufs Neue in Verlegenheit zu bringen. Aber ich konnte sie ignorieren, denn ich hatte ein Geheimnis.
Ich guckte Clay an. Seine Augen waren immer noch dunkel und affig, ein irrer Ausdruck des Entzugs. Er war jetzt völlig überfordert mit dieser ganzen Geschichte. Es ging ihm so richtig voll mies. Ich strich ihm sanft über den Kopf. Er betrachtete mich fragend. „Lass deine schwulen Wichsgriffel von ihm!" zischte Eliza gehässig. Aber ich beachtete sie gar nicht.
„Ich helfe dir, Clay!" eröffnete ich ihm lächelnd. Er guckte mir nur kurz überrascht in die Augen, dann hatte er mich auch schon verstanden. Wir hatten jetzt beide ein Geheimnis vor Eliza, und das verschaffte mir eine unglaubliche Genugtuung. „Echt?" fragte Clay ungläubig. Er konnte es nicht fassen. Ich nickte, strich ihm nochmal über den Kopf und stand dann auf. „Eine viertel Stunde", sagte ich zu ihm.
Fast augenblicklich ging es ihm sichtbar viel besser. Er blühte förmlich auf, ein Ausdruck seiner psychischen Abhängigkeit vom Heroin. Unendlich dankbar guckte er mich an und lachte im nächsten Augenblick ein bisschen wirr. „Okay, Valmont!" kicherte er erleichtert. Ich warf einen Blick auf Eliza, die selbstverständlich nicht verstand, was da vor sich ging. „Was soll das heißen, Sean? Was ist in einer viertel Stunde los? Was passiert dann?" begehrte sie sofort zu wissen. Sie betrachtete mich fragend und zweifelnd. „Mach's gut, Eliza!" sagte ich nur zu ihr.
Ich ignorierte genüsslich ihre Fragen, drehte mich voller Glück herum und ließ das Badezimmer hinter mir. „Was ist hier los? Was hat er gemeint?" stürmte sie sofort auf Clay los. Ich verließ zielstrebig Clays Wohnung und ging die Treppen hinunter zu meinem Fahrrad. Alles würde wieder gut werden, dachte ich, während ich mich auf den Weg machte. Ich würde schon sehr bald zurückkommen, und dann würde Clay endgültig mir gehören. Endgültig. Scheiß auf Eliza Laser!
Clay
Es ging mir wahrhaftig nicht gut jetzt. Meine Knochen rissen heftigst, alles krampfte sich in mir zusammen und ich hatte üblen Schüttelfrost. Im warmen Whirlpool, mit Sean war es irgendwie erträglich gewesen, aber nun wurde es immer schlimmer. Ich spürte, das ich es nicht mehr viel länger aushalten konnte. Ich wollte aufspringen, Sergej anrufen, mir shore besorgen, irgendwas.
Aber ich trug nur einen Bademantel, und Eliza schlug mich ständig und rief unsinnige, blöde Dinge. Ich konnte sie kaum hören. Mein Kopf dröhnte gewaltig. Ich wollte sterben oder sie schlagen. Ich wollte in Ruhe gelassen werden. Mich in mein Bett verkriechen.
Aber Eliza war zu real, zu allgegenwärtig. Sie tat mir mit ihren Schlägen weh, sie war viel zu laut, unangenehm und nervig. Sie verstärkte den Irrsinn in meinem Gehirn ganz wesentlich. „Sag mir die Wahrheit!" forderte sie mich pausenlos auf, „Sag mir, ob du wieder auf Heroin bist!" Ich antwortete ihr nicht. Sie war so dumm. Was hätte ich darum gegeben, jetzt auf Heroin zu sein. Aber ich war ja genau das Gegenteil davon. Ich war viel zu nüchtern. Viel zu brutal klar im Kopf. „Sag mir die Wahrheit, Clay! Ich will jetzt keine Ausflüchte mehr hören!" redete Eliza weiter auf mich ein. Ihre Stimme war viel zu laut, beinahe hysterisch. Ich überlegte ernsthaft, wie ich sie endlich zum Schweigen bringen könnte und musste mich wirklich zwingen, nicht auf sie einzuprügeln.
Irgendwann tauchte plötzlich Sean Valmont wieder auf. Er erschien mir in diesem Moment wie ein Rettungsanker, weil er zumindest nachfühlen konnte, was ich gerade durchmachte. Sean lächelte mich an, sein verschwörerisches, süßes Lächeln, was mir sehr an ihm gefiel. Er versprach wahrhaftig mir zu helfen. Seine Augen blitzten verwegen. Und auf der Stelle wusste ich, welche Art von Hilfe ihm vorschwebte. Es war die einzige Hilfe, die ich mir jetzt noch wünschte. Ich konnte es nicht fassen, aber er meinte es tatsächlich ernst. Der Mann war wütend auf Liz, weil sie ihn so beschämt hatte. Er wollte sich an ihr rächen, indem er mir Heroin besorgte. Irgendwie so musste das wohl sein.
Aber es war mir echt total egal, aus welchem Grund Sean so handelte. Es war mir nur wichtig, dass er es tat. Und es ging mir augenblicklich besser, als mir langsam bewusst wurde, dass meine unwürdige Quälerei schon bald ein Ende haben würde. Sean Valmont, diese göttliche Theaterschwuchtel, würde mich retten!
Ich war nahezu überwältigt vor Erleichterung. Er erwähnte eine viertel Stunde, und da wurde mir klar, dass er Sergej schon längst angerufen und sich mit ihm verabredet hatte. Ich kicherte freudig, maßlos erstaunt, und plötzlich amüsiert von dieser merkwürdigen Dreiecks-Geschichte hier. Wenn Eliza bewirkt hatte, dass Sean los ging, um mir shore zu besorgen, dann konnte ich ihr sogar ihre Schläge und ihre Dummheit verzeihen.
Valmont machte sich dann tatsächlich auf den Weg. Ich konnte dieses Glück kaum realisieren. Ich versuchte mich zu Liz umzudrehen, die schwer auf meinem Rücken hockte und mich immer noch schlug. „Was meint Valmont mit dieser viertel Stunde, verdammt!?" fauchte sie. Sie war wütend, weil sie nicht in unser Geheimnis vordringen konnte. Dieser Umstand amüsierte mich echt, denn ich fand nicht, dass Seans Absicht besonders schwer zu erraten war.
Aber zu meinem Glück und Erstaunen blieb Eliza tatsächlich ahnungslos. „Ich soll zur Probe kommen...", versuchte ich eine lahme Lüge. Ich drehte mich herum, was eine große Kraftanstrengung war. Nun lag ich auf dem Rücken unter ihr und guckte sie an. Sie saß jetzt auf meinem Bauch und ich versuchte ein Lächeln. Ich hielt ihrem zweifelnden Blick stand, unendlich froh darüber, dass sie endlich damit aufhörte, mich zu schlagen.
„Verarsch mich nicht, Clay!" drohte sie und knuffte mich in die Rippen. „Nein, ehrlich..", beteuerte ich und überlegte fieberhaft, wie ich Eliza in einer viertel Stunde loswerden konnte, ohne dass sie Verdacht schöpfte. Sie war schon wütend genug. Sie war verletzt, weil sie mich schon wieder beim Sex mit Sean erwischt hatte. Ich war viel zu krank für weitere Auseinandersetzungen mit ihr. Mir tat alles weh, und ich sehnte mich nur noch nach Ruhe. Meine Kräfte waren endgültig verbraucht.
Deshalb lächelte ich sie versöhnlich an und streichelte sanft über ihren Arm. „Wir haben heute Abend eine weitere Vorstellung, und Sean besteht nun mal auf diese unzähligen Proben, das weißt du doch!" erklärte ich ihr. Es fiel mir wahnsinnig schwer, mich zusammenzureißen. Ich wollte eigentlich losschreien vor Unbehagen. Der Affe machte mich total verrückt. Aber Eliza sollte davon nichts merken. Sie hatte sowieso schon viel zu viel gemerkt.
Nur der Gedanke an Sean und die nahende Rettung machten es mir möglich, so normal zu wirken. Und Eliza war nur zu gerne bereit, meine Lügen hinzunehmen. Vielleicht hatte sie auch keine Lust mehr auf traurige Wahrheiten. Sie glaubte mir nicht wirklich, aber sie ließ es endlich gut sein, rutschte von mir herunter und setzte sich dicht neben meiner Hüfte auf den Boden.
Sie fing damit an, meinen Körper neugierig zu betrachten, was mich ziemlich nervös machte. Ich lag auf dem Rücken, den Bademantel halb offen von unserem Kampf. Ich war immer noch nackt darunter. Ich fühlte mich nass und mir war verdammt kalt. Irritiert zog ich den Bademantel über mir zusammen.
„Warum hast du wieder mit diesem Scheiß Zeug angefangen?" flüsterte Eliza betrübt, schob den Bademantel dreist auseinander und streichelte über meine Rippen. Ich seufzte müde, aber sie missdeutete das als wohlige Zustimmung. Ihr Streicheln wurde sofort intensiver. Ihre Hand wanderte an meinem Körper hinab zu meinem Bauch. „Warum, Clay?" begehrte sie zu wissen und musterte mich traurig. Ich lächelte hilflos. „Ich weiß nicht", antwortete ich ihr ausweichend.
Ich schloss die Augen und dachte angestrengt darüber nach, wie zum Teufel ich sie endlich loswerden konnte. Sean würde nämlich sehr bald zurückkommen. In einer viertel Stunde. Und er würde shore dabei haben. Ich musste nur dafür sorgen, dass Eliza dann nicht mehr hier wäre. Die Frau musste verschwinden. So schnell wie möglich. Leider hatte ich keine Idee, wie ich das anfangen sollte. Das Nachdenken fiel mir schwer. Diese ganze Geschichte war definitiv viel zu anstrengend auf Affe. Ich fühlte mich krank, kaputt, leer und ausgeliefert.
Eliza streichelte sich jetzt zwischen meine Beine. Ich öffnete hilflos die Augen. Ich wollte eigentlich nicht von ihr angefasst werden. Nicht gerade jetzt. Aber ich konnte sie nicht noch mehr verletzen, indem ich sie zurückwies. Ich hatte zu viel Angst, dass sie wieder wütend werden könnte und mir weh tun würde. Die Frau dachte wahrscheinlich, sie würde mir einen Gefallen tun, wenn sie mir einen runter holte, oder so was.
Verwirrt und überfordert stöhnte ich laut los. Liz lächelte, jetzt unverkennbar aufgeregt. „Erkläre mir, warum du mit Valmont in deinem Whirlpool keinen hochgekriegt hast", forderte sie mich auf, lächelte verwegen und umkreiste mit ihren Fingern sanft meinen Penis, ohne ihn direkt zu berühren. Ich griff hinunter, um ihre Hand festzuhalten, aber sie wich mir aus. „Törnt Sean dich nicht mehr an?" drängte Liz.
Sie hatte jetzt Spaß an dieser Art von Vorspiel. Sie hatte immer Spaß daran, mich in ihrer Hand zu haben, an mir herum zu spielen und mir dumme, irgendwie erotische Fragen zu stellen. Es törnte sie an, wenn ich verlegen war und ihr ausgeliefert. Normalerweise spielte ich ihr sexuelles Lieblingsspiel gerne mit. Es machte mir nichts aus. Es erregte mich sogar meistens auf eine merkwürdige, vage Art.
Aber nicht in diesem Moment. Nicht mit dem verfluchten Entzug im Nacken, in den Muskeln und den Knochen. Nicht mit dem tanzenden Affen im Kopf. Nicht mit der Gewissheit, dass Sean Valmont in einer viertel Stunde mit shore zu mir zurückkommen würde.
„Liz, hör mal, ich muss mich jetzt ehrlich anziehen...", machte ich einen ziemlich lahmen Versuch sie aufzuhalten und loszuwerden. „Erst, wenn du meine Fragen beantwortet hast!" erwiderte sie sofort und legte ihre flache Hand auf meinen Penis. „Ich will es wissen, Clay! Ich will alles wissen!" machte sie mir klar. Sie lächelte nicht mehr, sondern betrachtete ernst und traurig mein Gesicht. Ihre Hand lag bewegungslos auf meinem Schwanz.
Ich griff überaus nervös nach ihrem Handgelenk. „Ich muss gehen, Eliza. Ich habe keine Zeit...", fing ich hilflos an, richtete mich halbwegs auf und wollte ihre Hand von mir wegschieben. „Bleib liegen und rühre dich nicht!" fauchte sie los und schlug meine Hand weg. Ich stöhnte überfordert und sank zurück auf die Erde. Ergeben schloss ich die Augen und lag einfach so da. Ich hatte keine Ahnung, was ich nun tun sollte. Es würde schwierig werden, dieses Mädchen zu vertreiben, dämmerte mir. Sie war immer noch wütend auf mich, immer noch verletzt. Sie gierte schon wieder einmal nach Rache und nach Sex mit mir.
Verwirrt legte ich mir die Finger über die Augen. Mein Kopf fing an zu schmerzen. Ich fühlte mich verflucht machtlos. Ich war ein blöder, affiger Versager, der nicht mal mit einer Frau fertig werden konnte, wurde mir mal wieder klar. Ich seufzte überfordert. „Warum bist du hier, Liz? Was willst du denn von mir?" fragte ich sie leise, öffnete die Augen und schaute sie an. „Ich wollte wissen, ob Rowina recht hat", antwortete sie und fing aufs Neue damit an, neugierig meinen Körper zu betrachten.
Ich war zu müde und viel zu kaputt für weitere Gegenwehr. Ich überlegte konfus, ob ich mir nicht schnell einen von ihr runter holen lassen sollte. Vielleicht wäre sie dann zufrieden und würde endlich die Klappe halten, hoffte ich inständig. „Rowina?!" entfuhr es mir ungewollt. Eliza nickte. „Rowina hat behauptet, du wärst wieder auf Heroin", erklärte sie mir todernst, „Und wie ich sehr gut sehen kann, hatte sie leider völlig recht damit." „Rowina hat doch immer recht, verdammt!" rief ich geringschätzig.
Ein kalter Schüttelfrost durchfuhr mich äußerst unangenehm. Der Gedanke daran, dass Elizas Wohngenossin und beste Freundin erneut blöde Gerüchte über mich verbreitete, machte mich wütend. Andererseits war ich viel zu kaputt, viel zu krank, um mich ernsthaft über Rowina oder sonst wen zu ärgern.
„Ich kann dich einfach nicht verstehen, Clay!" jammerte Eliza jetzt anklagend, „Warum zum Teufel hast du nur wieder mit diesem Scheiß Zeug angefangen?" „Lass es gut sein, Liz, lass uns ein anderes mal darüber reden. Du musst jetzt gehen", wich ich ihr hastig aus und versuchte mich aufzusetzen. Für diese Art von Gespräch fehlten mir jetzt jegliche Nerven. Ich musste sie endlich loswerden. Die Zeit lief mir davon. Aber Eliza schlug mich brutal gegen die Brust und drückte mich gewaltsam zurück auf den Marmor. „Es gibt keine Ausflüchte mehr, Clay Banton! Ich lasse jetzt keine Ausflüchte mehr gelten, verdammt!" machte sie mir lauthals klar. „Du bleibst so lange liegen, bis du mir die Wahrheit gesagt hast!" bestimmte sie äußerst arrogant. „Was willst du denn hören?" fuhr ich sie an. „Die Wahrheit!" fauchte sie zurück.
Danach war es eine Weile still. Wir belauerten uns nur. Sie starrte mir mit einer Mischung aus Zorn und Mitleid in die Augen. Ich schlang schützend den Bademantel um mich und lag ansonsten einfach so dort. Ich wusste nicht weiter. Ich hatte echt keine Ideen mehr.
Eliza
Clay lag neben mir auf dem Boden, auf seinem Rücken, nur mit seinem teuren, weißen Bademantel bekleidet. Die Gewissheit, dass er darunter völlig nackt war, noch immer feucht, angenehm frisch gewaschen und nach Badeschaum duftend, erregte mich. Ich wollte ihn so gerne berühren. Es ging ihm offensichtlich ziemlich mies, und ich hatte das starke Bedürfnis, ihm etwas Gutes zu tun. Ihn mit meinem Streicheln zu beschwichtigen. Den blöden Entzug streichelnd aus seinem schönen Körper zu vertreiben. Aber natürlich wusste ich, dass das nicht so einfach funktionierte.
Seine Augen waren völlig wirr, mit großen, schwarzen Pupillen, die nervös hin und her zuckten. Wir sahen uns an, und er wirkte jetzt vollkommen planlos. Er tat mir leid in seinem Elend. Andererseits dachte ich, dass er es ja schließlich selber schuld war. Es ging ihm ja nur so schlecht, weil er Heroin genommen hatte. Dieser heftige Entzug war eine unweigerliche Folge seines Drogenkonsums. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum er sich diesen Mist schon wieder freiwillig zugemutet hatte. Was zur Hölle ihn bloß dazu bewog, immer wieder in diese unangenehme Situation zu geraten.
„Sag es mir, Clay, bitte!" flüsterte ich sanft, „Bitte erkläre mir, warum du dir das angetan hast." Er stöhnte widerwillig und drehte den Kopf zur Seite. Sein Körper krampfte sich eigenartig zusammen, er zitterte an Armen und Beinen. Ich schob seinen Bademantel auseinander und streichelte hilflos seine Brust in dem Versuch ihn zu beruhigen. Er wurde auch ruhiger und schaute mich untergeben an. Ich hatte den Eindruck, er würde jeden Moment anfangen zu weinen.
„Ich weiß es doch selber nicht, Liz! Ich kann dir das nicht erklären!" jammerte er und wich meinem Blick abermals aus. Ich beobachtete ihn eine Weile, schwankend zwischen Mitleid, Wut und aufkommender Erregung. Ich streichelte seine Brust, dann den Bauch. Ich legte ihm die Hand flach auf den muskulösen Bauch und wartete auf seine Reaktion. Ich hoffte, ihn mit dieser Berührung beglücken zu können, wie sonst auch. Aber er schaute mich nur müde an und lächelte kläglich.
„Willst du mir einen runterholen?" fragte er plötzlich. Wie vor den Kopf geschlagen zog ich meine Hand hastig zurück. Clay seufzte unbehaglich und drehte sein Gesicht verlegen von mir weg. Ich brauchte eine Weile, um auf seine unerwartete Frage reagieren zu können. „Meinst du das ernst?" hakte ich schließlich irritiert nach. Er zuckte nervös mit den Schultern, ächzte in einem aufkommenden Schüttelfrost. Wieder strich ich beruhigend über seine Brust. „Klar... wenn du das tun möchtest...", erklärte er träge, ohne mich anzusehen.
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Der Gedanke, ihn sexuell zu befriedigen, gefiel mir. Seine Erregung in meiner Hand würde auch mir Befriedigung verschaffen, das wusste ich aus Erfahrung. Andererseits war seine Frage unverkennbar aus einer mir nicht ganz verständlichen Not heraus entstanden, und das machte mich misstrauisch. Clay wollte in diesem Moment nicht wirklich von mir angefasst werden. Ich kannte ihn viel zu gut, um das nicht zu merken. Er wollte eigentlich etwas ganz anderes.
„Was ist wirklich los, Clay?" versuchte ich eine Erklärung zu finden. Er stöhnte voller Ungeduld, griff dann plötzlich hinunter zu seinem Schwanz und fing an zu masturbieren. „Gar nichts ist los, Liz, ich schiebe einfach nur einen verfluchten Affen, verstehst du?!" zischte er mich unfreundlich an. „Clay...", protestierte ich verwirrt. Es machte mich verlegen, ihm beim Masturbieren zuzusehen.
Der Mann wichste nun hastig, beinahe verzweifelt intensiv. Ich hatte nicht den Eindruck, als würde ihm seine Tätigkeit wirklich Spaß machen. Er wirkte eher erschreckend mechanisch und widerwillig. Er starrte mich mit grimmiger Entschlossenheit an, wichste hektisch an sich herum und schnappte nach Luft. „Hör auf!" rief ich geschockt und beschämt, „Was soll das denn jetzt, Clay?" Er lachte atemlos und irre. „Wieso denn, Lizzie, törnt es dich denn nicht an, wenn du mich wichsen siehst?" wollte er herausfordernd wissen. Dann schloss er angestrengt die Augen und konzentrierte sich ganz auf seine hektische Tätigkeit. Mit verzweifelter Wut und Entschlossenheit wollte er seinen Orgasmus erreichen. Er steuerte geradewegs darauf zu.
Mir war zuerst nicht klar, warum der Mann auf einmal so ausflippte und was er eigentlich damit bezweckte. Es erregte mich überhaupt nicht, was er da tat. Im Gegenteil, es war merkwürdig erschreckend und anstößig. Es hatte nichts Erotisches an sich, war einfach nur traurig und verzweifelt. Mir kam der Verdacht, dieser Mann befriedigte sich nur selbst, um mich zu schockieren. Ja, so musste es sein! Er wichste intensiv vor meinen Augen, damit ich empört aufsprang und seine Wohnung verließ! Herr Banton wollte mich anscheinend unbedingt loswerden!
Als mir das schmerzhaft bewusst wurde, griff ich sogleich hastig nach seiner Hand an seinem Penis und hielt sie gewaltsam fest. „Hör sofort auf damit, Clay! Hör um Himmels Willen auf mit diesem kranken Mist!" schrie ich ihn verärgert an. Er öffnete die Augen, schnappte nach Luft und versuchte mich wegzuschieben. Als ihm das nicht gelang, stöhnte er verzweifelt auf. Ich hinderte ihn nur mit Mühe und sehr gewaltsam an weiterer Masturbation.
Er hatte jetzt halbwegs eine Erektion, sein Blick war noch viel wirrer geworden. „Lass mich los!" schrie er völlig außer sich, „Lass mich in Ruhe! Geh weg!" Ich schlug ihn daraufhin spontan auf die Hoden. Nicht besonders feste, aber Clay schrie entsetzt und schmerzerfüllt auf. Er drehte sich hastig von mir weg auf die Seite und zog die Beine schützend an seinen Körper.
Im nächsten Moment lag er dort und schnappte hilflos und erregt nach Luft. „Lass mich in Ruhe! Geh weg! Hau ab!" jammerte er vor sich hin und fing tatsächlich an zu schluchzen. Ich beobachtete ihn erschüttert, und ich brauchte einige Zeit, um mich von dieser beängstigenden Szene zu erholen. Dieser Irre muss ziemlich verzweifelt sein, wenn er sämtliche Grenzen überschreitet, dachte ich entgeistert. Hat dieser verrückte Mann denn überhaupt kein Schamgefühl mehr? Was ist nur mit ihm los, fragte ich mich verwirrt. War der Entzug vom Heroin denn wirklich dermaßen schlimm? Oder hatte all dieser Wahnsinn einen ganz anderen Grund? Warum wollte er mich so verzweifelt loswerden?
Eine Weile betrachtete ich ihn ratlos. Dann schob ich mich langsam zu ihm hin. Vorsichtig strich ich über seinen Rücken, seinen Nacken und seinen Kopf. Er bewegte sich nicht, lag nun ganz still und versuchte verkrampft, sein Schluchzen zu unterdrücken. „Was ist denn, Clay? Rede doch mit mir!" bat ich ihn leise. Er atmete tief und drehte sich zu mir. Seine diffusen Augen mit den schwarzen Pupillen waren feucht von Tränen, aber er heulte nicht mehr.
„Hol mir einen runter!" forderte er mich mit irrer Gier auf. „Nein!" wehrte ich sofort ab. „Bitte, Liz, ich kann nicht...", seufzte er und drehte sich erneut von mir weg. Er holte tief Luft. „Ich kann das nicht mehr aushalten!" klagte er laut und durchdringend. Einen Augenblick später fing er abermals damit an, hektisch an sich herum zu reiben. Er lag nun auf der Seite und drehte mir den Rücken zu. Aber es war unverkennbar, dass er weiter hastig masturbierte. Er atmete jetzt schwer, rang förmlich nach Luft.
Einige Zeit beobachtete ich ihn ratlos. Allmählich bekam ich richtig große Lust, jetzt sofort einfach aufzustehen und diesen komplett durchgeknallten Mann in seinem offensichtlichen Irrsinn allein zulassen. Clay Banton drehte vollkommen durch! Und ich hatte echt keine Ahnung, in welcher Weise ich ihm helfen konnte. Ich wusste überhaupt nicht, was ich davon halten oder was ich machen sollte. Auf eine sehr merkwürdige Art war ich plötzlich, in all meinem Abscheu, auch irgendwie fasziniert von Clays zweifellos krankhaftem Verhalten. Ich saß nur dort neben ihm, beobachtete ihn verwirrt und fühlte mich hilflos.
Sean
Ich fuhr mit meinem Fahrrad direkt zu Sergej, und der Deal ging erfreulich schnell und glatt über die Bühne. Ich hatte schon ganz vergessen, wie angenehm unkompliziert es war, sich bei Sergej Heroin zu besorgen. Der Treffpunkt am Friedhof war noch genau der selbe wie früher. Sogar der Preis hatte sich nicht verändert.
Es dauerte vielleicht insgesamt zwanzig Minuten, bis ich zurück vor Clays Wohnungstür stand. Ich fand die Tür offen, wie ich sie zurückgelassen hatte. Nur einen sehr kurzen Augenblick lang hatte ich plötzlich Zweifel, ob es tatsächlich richtig war, was ich hier tat. Vielleicht sollte ich Clay doch lieber seinen Entzug durchstehen lassen? Ihn auf diese harte Weise clean kriegen?
Aber im nächsten Moment dachte ich auch schon an den dankbaren Ausdruck seiner Augen, der mir sicher war. Ich erinnerte mich an meine Performance, die immer bedeutsame Aufführung derselben, schon sehr bald. Ich beschloss, dass es ohnehin das Allerwichtigste war, dass die Show weiterging. Den Auftritt heute Abend abzusagen war niemals eine Option, schon gar nicht an einem Samstag. In ein paar Stunden musste mein Hauptdarsteller unbedingt wieder fit sein, und das ging eben im Moment nur auf diese drastische Art.
Ohne noch länger zu zögern betrat ich seine Wohnung. Fast augenblicklich konnte ich Eliza im Badezimmer hören. „Was soll das, Clay? Was zur Hölle tust du denn da nur?!" rief sie unverkennbar entsetzt. Die Frau war also immer noch da. Clay hatte es nicht geschafft, sie rechtzeitig aus seiner Wohnung zu vertreiben. Das wird bestimmt interessant, dachte ich erwartungsfroh und lächelte vor mich hin.
Ich ging zum Badezimmer, blieb in der Tür stehen und sah mir diese merkwürdige Szene eine Weile an. Clay lag auf der Seite, mir abgewandt auf seinem harten, warmen Marmorboden. Eliza hockte neben ihm und musterte ihn mit einer Mischung aus neugieriger Faszination und verstörter Abscheu. Denn Herr Banton war offensichtlich gerade damit beschäftigt, sich einen runter zu holen.
Allerdings hatte er damit nur mäßigen Erfolg. Seine Bewegungen waren alles andere als so harmonisch, wie sie hätten sein sollen. Er wichste nur eilig an sich herum, mechanisch und verbissen. Ich hatte nicht den Eindruck, als wäre er besonders angetörnt davon. Er will sie loswerden, dachte ich mir amüsiert. Clay Banton griff zum letzten, verzweifelten Mittel, um Eliza Laser zu vertreiben.
Diese Szene gefiel mir sehr, denn zwischen Clay und Eliza war eine unüberwindbare Mauer. Sie waren so weit voneinander entfernt, wie es überhaupt möglich war, obwohl sie direkt neben ihm saß. Sie begriff nämlich überhaupt nicht, was sie da sah. Und Clay wollte einfach nur, dass sie verschwand. „Hau doch endlich ab, Eliza! Geh weg! Ich will allein sein beim Wichsen!" keuchte er nicht sehr überzeugend. „Du bist ja total durchgedreht!" fuhr sie ihn beleidigt an. Ich hätte laut loslachen können vor Genugtuung.
Lächelnd trat ich einen Schritt ins Badezimmer. Eliza blickte auf und guckte mich völlig überfordert an. „Banton dreht hier total durch!" beklagte sie sich irritiert bei mir. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Eliza, er holt sich nur einen runter", erklärte ich ihr lächelnd. „Das ist doch nicht mehr normal, verdammt!" meinte sie und sah wieder zu ihm hin. Du hast ja keine Ahnung, dachte ich geringschätzig.
Clay hatte meine Stimme gehört. Er ließ das hektische Wichsen auf der Stelle sein und drehte sich hastig zu mir hin. „Sean!" zischte er atemlos. Es hörte sich an, wie ein Hilfeschrei. Er starrte mich fragend an. Ich nickte, lächelte vielsagend, und da wusste er, dass ich tatsächlich die harte Droge besorgt hatte, nach der er so verzweifelt verlangte.
Augenblicklich kam Leben in ihn. Er mobilisierte seine allerletzten Kräfte. „Du musst jetzt gehen, Eliza!" sagte Clay bestimmt und richtete sich mühsam auf. Seine Pupillen waren riesig, nur mäßig erregt, aber schwarz und affig. „Du musst sofort weg!" erklärte er ihr beinahe drohend. Er bewegte sich auf sie zu und versuchte, sie von sich weg zur Tür zu schieben. „Spinnst du?! Ich muss überhaupt nichts, Banton!" wehrte sie ihn beleidigt ab.
Sie stand auf und warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. „Was ist nur mit ihm los, Sean? Soll ich einen Arzt holen, oder was?" fragte sie mich allen ernstes. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Sie hatte selbstverständlich keine Ahnung, dass ich in diesem Moment der einzige Arzt war, den Clay wollte. Dieser bezaubernde Mann wollte nur noch das, was ich ihm geben konnte, und diese absolute Tatsache gefiel mir ungemein.
„Nein, ist schon gut. Ich kümmere mich um ihn", erklärte ich Eliza. Sofort guckte sie mich misstrauisch und feindselig an. „War das etwa diese geheimnisvolle viertel Stunde, Sean? Ging es nur darum, dass du wieder hierher zurück kommst? Wollt ihr eure Orgie im Whirlpool fortsetzen, oder was?" fragte sie hart und kam drohend auf mich zu. „Hast du denn immer noch nicht genug von ihm, du blöde Schwuchtel?!" rief sie böse in der ständigen Absicht, mich damit zu verletzen.
Aber mir ging es in diesem Moment entschieden zu gut, als hätten ihre Worte mir etwas anhaben können. Ich lächelte sie charmant an und schwieg. In dieser Situation war ich ihr haushoch überlegen und genoss es. Ich verachtete sie für ihre Dummheit, den wahren Grund meiner kurzen Abwesenheit nicht zu erraten, obwohl er doch so offensichtlich war.
Clay stöhnte ungeduldig. Wir drehten uns zu ihm hin. Er saß immer noch auf dem Boden und taxierte uns beide ziemlich wirr. Sein weißer Frottee-Bademantel war offen, und ich guckte mir eine Weile seinen Schwanz an, der gerötet aussah, immer noch hübsch und nur halbwegs steif. Clay bemerkte meinen Blick und schlug beschämt den Mantel über seinem Körper zusammen.
Er atmete schwer und fixierte mich flehentlich. Tu bitte was, sagte sein Blick, hilf mir, mach, dass sie endlich verschwindet! „Vielleicht solltest du jetzt gehen, Eliza", machte ich daraufhin einen lahmen Versuch und schaute sie an. Sie schüttelte energisch den Kopf. „Damit du Clay wieder vernaschen kannst? Niemals!" erwiderte sie entschlossen. „Ich will ihn nicht vernaschen", behauptete ich selig lächelnd. „Quatsch, Valmont, du willst Clay doch immer haben! Immer und überall!" fauchte Eliza aufgebracht. Sie hatte damit irgendwie recht, und ich wusste darauf nichts zu erwidern.
Ich warf Clay einen ratlosen Blick zu. Er stöhnte nochmal voller Ungeduld und Unbehagen, stand mühsam auf und torkelte auf mich zu. „Komm mit!" keuchte er und griff meinen Arm. Er verließ das Badezimmer und zog mich am Arm den Flur entlang zum Wohnzimmer. „Scheiß doch mal was auf Eliza!" flüsterte er mit irrem Gesichtsausdruck. Ich schüttelte den Kopf. „Das kannst du nicht machen, Clay!" warnte ich ihn.
Anscheinend wollte der affige Mann das Heroin jetzt unbedingt nehmen, auch wenn Eliza Laser ihm beim Konsumieren zusah. Ich blieb abrupt stehen und sah ihn ernst an. „Das kannst du echt nicht machen, Clay!" wiederholte ich eindringlich.
Wir konnten das Heroin unmöglich rauchen, solange Eliza noch in der Wohnung war. Diese extrem wütende Frau würde womöglich sogar die Polizei benachrichtigen, und dieses Risiko war ich auf keinen Fall bereit einzugehen. Clay schwankte und beugte sich zu mir. „Ich kann nicht mehr, Sean! Ich halte das nicht mehr aus!" klagte er verzweifelt, kippte um und klammerte sich an mir fest. Ich strich ihm beruhigend über den Kopf. Es tat meiner Seele gut, dass Clay Banton in mir die Lösung seiner Probleme sah. Dass er mich so sehr brauchte. Ich fühlte mich ziemlich wohl in diesem Moment.
Aber gleich darauf war Eliza auch schon bei uns im Flur und zerstörte diese vertrauliche Situation mit ihrer rasenden Eifersucht. „Was geht hier vor, Sean!? Klär mich auf!" forderte sie mit ernstem Blick. Bald wird sie es erraten haben, befürchtete ich nervös, Laser ist nicht total dämlich. Sie wird bestimmt bald ahnen, dass ich ihm tatsächlich Heroin besorgt habe.
„Hau ab!" brüllte Clay urplötzlich los und ging drohend auf sie zu, „Dort ist die Tür! Dort ist die Tür!" Er hob die Hand und deutete zur Wohnungstür. Als sie darauf nicht reagierte, schubste er sie unvermittelt brutal gegen die Wand. „Hau endlich ab, Laser! Dies ist meine Wohnung und ich will, dass du jetzt gehst! Ich will, dass du sofort gehst!!" Er stand dicht vor ihr und fixierte sie feindselig. Ich war von seinem wütenden Ausbruch nur mäßig überrascht, aber die Frau war vollkommen überrumpelt und geschockt von Clays gewalttätigem Angriff.
Ihre Augen weiteten sich vor Angst und Unglauben. „Hau ab!" brüllte Clay wie von Sinnen, „Geh weg! Ich will, dass du gehst! Lass mich endlich in Ruhe!" Er war sehr kurz davor die Frau zu schlagen, sie gewaltsam aus seiner Wohnung zu werfen. Ich konnte ihn nur mit Mühe von Eliza wegziehen. „Hey, komm schon, beruhige dich", redete ich auf ihn ein und umschlang ihn sanft aber fest von hinten. Ich genoss seine Nähe sehr. „Sie soll gehen!" schrie er aufgebracht, „Sie soll endlich gehen!" „Schon gut, Clay! Sie geht ja!" redete ich ihm zu und warf Eliza einen eindringlichen Blick zu.
Sie stand an der Wand, gegen die Clay sie so brutal geschubst hatte, rieb sich die geprellte Schulter und starrte uns ungläubig an. Sie war sichtbar so sehr vor den Kopf geschlagen, innerlich so immens verletzt worden, dass sie mir beinahe leid tat. Ich nickte auffordernd zur Tür hin. Sie brauchte eine Minute, um sich von Clays ungestümer Gewalttätigkeit zu erholen.
Dann trat sie plötzlich mit festem Blick auf ihn zu und gab ihm ohne zu Zögern eine schallende, richtig harte Ohrfeige. „Du blödes Arschloch!" beschimpfte sie ihn laut, „So behandelst du mich nicht, du kranker Wichser!" „Lass mich in Ruhe!" fauchte Clay sie an. Daraufhin schlug sie ihn schnell und mit Wucht mit der Faust zwischen die Beine.
Clay stöhnte sofort auf und sank augenblicklich aus meinen Armen hinab auf die Erde, seine Beine knickten einfach unter ihm weg. Mit schmerzverzerrtem Gesicht saß er dort und hielt sich ächzend die getroffene Stelle. Eliza schaute sehr geringschätzig auf ihn herunter. „Sei froh, dass du im Moment unzurechnungsfähig bist. Deshalb werde ich dir das hier vielleicht irgendwann verzeihen. Du bist total krank, Clay Banton. Du bist ein kranker, perverser, brutaler Mistkerl!" schimpfte sie wütend und trat ihn mehrmals, bis ich mich schützend vor Clay stellte.
„Der hat genug, Liz", bat ich sie leise aufzuhören. Sie beugte sich zu Clay hinunter und packte ihn hart am Bademantel. „Und wenn es dir das nächste mal schlecht geht, Banton, dann komm bloß nicht zu mir! Ich werde dir nämlich nicht mehr helfen, wenn du wieder mal vor meiner Tür auftauchst, nur damit dir das klar ist!" Sie ließ ihn los und er sank stöhnend zurück auf den Boden.
Sie sah mich an. „Warum tut er so was?" fragte sie mich verzweifelt, „Was um Himmels Willen habe ich ihm denn getan, Sean?" Sie war auf einmal so traurig, dass sie mir leid tat. Ich lächelte aufmunternd. „Nimm das doch nicht so ernst. Clay schiebt einen Affen, da weiß er nie, was er tut. Er wird total unberechenbar. Das ist nur der Entzug, das kennst du doch." „Ja, aber so gewalttätig war er noch nie zu mir", meinte sie resigniert.
Dann drehte sie sich herum und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung. Die Frau hatte diesen irren Kampf verloren. Sie räumte tatsächlich das Feld und ließ mich mit Clay allein. Sie würde bestimmt nicht so bald wiederkommen.
Clay
Ich bediente mich notgedrungen der Gewalt, obwohl ich Frauen normalerweise niemals schlage, und am Ende verschwand Eliza aus meiner Wohnung. Sie war wohl echt wütend auf mich, aber das war mir total egal.
Ich saß schon wieder auf dem Boden und kämpfte mit dem Schmerz zwischen meinen Beinen, den sie mir ziemlich hinterhältig zugefügt hatte. Ich kämpfte auch immer noch mit den mächtigen Auswirkungen vom tanzenden Affen in mir. Es dauerte noch eine Weile, bis ich mich aufraffen konnte. Ich verbrauchte meine allerletzte Kraft, um zum Wohnzimmer zu kriechen. Dann stand ich auf und zog Sean mit mir mit. Ich konnte es nicht mehr erwarten. Ich war voller Gier und Ungeduld.
Hastig ließ ich mich am Tisch auf dem Sofa nieder und starrte Sean erwartungsvoll an. Er lächelte voller Genugtuung und setzte sich neben mich. Es gefiel ihm ungemein, dass ich in diesem Moment so abhängig von ihm und seinem Heroin war. Sein Triumph störte mich überhaupt nicht, ich wollte nur endlich einen Chinesen rauchen.
Sean nahm ein Stück Zeichenpapier vom Tisch. Er faltete es fachmännisch, schnitt den Beutel shore auf und schüttete seinen Inhalt vorsichtig auf das Papier. Anscheinend hatte er zweieinhalb Gramm gekauft, was eine durchaus übliche und akzeptable Menge war. Ich riss ein Stück Alufolie von der Rolle auf dem Tisch ab, führte kurz die Flamme des Feuerzeugs darunter her, um es abzubrennen, und hielt es ihm danach gierig hin. Er schaufelte mir mit dem kleinen Messer shore drauf, und ich nahm das Papierrohr, das immer noch gerollt dort lag, und das Feuerzeug.
Ich rauchte den ersten Chinesen viel zu hastig, hustete unkontrolliert, Spucke lief mir aus dem Maul. Sean beobachtete mich lächelnd. „Sei nicht so gierig, Mann", meinte er und legte sich selbst einen auf, was mich nur wenig überraschte. Dieser Mann hatte das Chinesen rauchen wahrlich noch nicht verlernt.
Eine ganze Weile konsumierten wir schweigend in merkwürdiger Verbundenheit. Das Heroin wirkte augenblicklich auf mich. Der verdammte Affe verpuffte mit jedem neuen Chinesen mehr. Alle hässlichen Schmerzen lösten sich buchstäblich in Luft auf. Es ging mir jetzt sehr gut. Dieses Zeug fühlte sich so verdammt gut an, es war warm, sanft und angenehm.
Ich schaute Sean eine Zeit lang verstohlen von der Seite an und war ihm unendlich dankbar. Meine Dankbarkeit steigerte sich automatisch, je länger ich ihn studierte. Plötzlich fiel mir wieder einmal auf, wie überwältigend gut Sean Valmont aussah. Was für ein verflucht hübsches Gesicht er doch hatte. Diese fantastischen, blauen Augen mit den lang gebogenen, schwarzen Wimpern, die geschwungenen Augenbrauen, die schmale, gerade Nase und der große Mund mit den roten Lippen. Welche schlanken, wohlgeformten Hände er doch hatte, mit perfekt manikürten Fingernägeln. Er rauchte äußerst geschickt sein Heroin und irgendwann merkte er, dass ich ihn beobachtete.
Er guckte mich an, sein Lächeln machte ihn noch schöner. „Na, geht's dir jetzt besser?" fragte er mich, nur ein wenig spöttisch. „Warum hast du das getan?" erwiderte ich, denn seine Frage verstand sich ja wohl von selbst. „Was denn?" fragte er, ohne mit dem strahlenden Lächeln aufzuhören. „Mir shore besorgt." Ich holte tief Luft und wandte mich ihm zu. „Warum bist du für mich zu Sergej gefahren, Sean? Und erzähl mir jetzt nicht, dass du selbst shore haben wolltest. Du warst... wie lange nicht mehr bei ihm? Sechs Monate?" „Wie gut du doch über mich Bescheid weißt", lächelte Sean und zündete sich eine Zigarette an.
„Hast du was zu Trinken da?" lenkte er dann ab. Ich erhob mich augenblicklich. „Klar! Was willst du?" Ich ging Richtung Küche. „Egal, nur keinen Alkohol", meinte Sean, legte seine Kippe in den Aschenbecher und schaufelte sich mit dem kleinen Messer noch einen Chinesen auf.
Ich verließ das Wohnzimmer und ging durch den Flur in meine Küche, die irgendwie unbenutzt aussah. Tatsächlich benutzte ich sie fast nie. Ich ging zum Kühlschrank und öffnete ihn. Er war fast leer, was bei seiner beträchtlichen Größe ziemlich armselig aussah. Ich muss mal wieder einkaufen gehen, dachte ich. Valmont ist ein echter Freund, dachte ich dann irgendwie verwirrt. Ich holte eine Flasche Orangensaft aus dem Eisfach und ging zurück ins Wohnzimmer. Ich fühlte mich herrlich voll gedröhnt, viel zu angenehm betäubt für weitere Gedankengänge.
Behaglich ließ ich mich zurück neben Sean auf dem Sofa nieder und gab ihm die Flasche. Er öffnete sie sofort und trank Saft mit großen Schlucken. Dann reichte er sie mir. Ich trank auch von diesem kalten, süßen Zeug, drehte die Flasche wieder zu und stellte sie neben mich auf den Boden. Sean hielt mir das Silberpapier hin und lächelte mich an. Ich rauchte noch einen Chinesen und er gab mir gekonnt Feuer dabei.
„Du hast es getan, weil Eliza plötzlich aufgetaucht ist!" nahm ich danach das Thema wieder auf. Sean schaute mich an und legte das Silberpapier auf den Tisch. Dann zog er an seiner Zigarette. „Wie meinst du das?" fragte er und musterte mich fröhlich. „Du wolltest dich an Eliza rächen, indem du mir shore gekauft hast", behauptete ich und betrachtete seine schönen, hellblauen Augen. Sie blitzten jetzt interessiert und amüsiert. „Meinst du?" lächelte er. „Gib es zu, Sean! Du warst stinksauer auf Liz, weil sie uns im Whirlpool gestört hat. Sie hat dich beschämt und um deinen Abgang gebracht, das konntest du nicht gut sein lassen", redete ich los. Neugierig wartete ich auf Seans Antwort. Er hörte nicht auf zu lächeln. Ich guckte ihn an und fand ihn plötzlich extrem begehrenswert. Erstaunt wandte ich meinen Blick von ihm ab.
„Sie hat mich nicht um meinen Abgang gebracht", flüsterte Sean nach einer Weile. Ich guckte ihn überrascht an. „Aber sonst hast du gar nicht so unrecht", gab er leise zu. Ich nahm mir eine Marlboro aus seiner Schachtel. Aufgeregt spürte ich ein merkwürdiges Kribbeln in der Magengegend, was ganz eindeutig durch Sean Valmonts unmittelbare Nähe ausgelöst wurde. Und offenbar spürte auch er eine gewisse Erotik aufsteigen, denn sein Lächeln veränderte die Intensität. Es war jetzt nicht mehr nur amüsiert. Es war eher ein erwartungsfrohes, einladendes Lächeln geworden. Der Mann kann auf so viele Arten lächeln, dachte ich einen Moment verblüfft.
Nervös versuchte ich, mich auf seine Worte zu konzentrieren. „Was hast du getan, nachdem du fluchtartig das Bad verlassen hattest?" wollte ich von ihm wissen, denn ich hatte tatsächlich keine Ahnung. Er lachte verlegen auf. „Willst du das wirklich wissen, Clay?" „Ja, sag's mir!" drängte ich, weil ich auf einmal eine geile Vorstellung davon hatte und es unbedingt von ihm hören wollte. Er zögerte und rauchte tief.
„Ich habe mich in dein Bett gelegt und mir einen runtergeholt", flüsterte er fast, ohne mich dabei anzusehen. „In meinem Bett?!" entfuhr es mir. Er nickte und warf mir einen verlegenen Blick zu. „Ja, Clay, so konnte ich dich wenigstens noch riechen", erklärte Sean mir schüchtern.
Ich dachte eine Weile darüber nach. Irgendwie schmeichelte mir der Gedanke. Das Bild in meinem Kopf erregte mich. Dann fiel mir etwas anderes ein. „Hast du denn wenigstens ein Taschentuch benutzt?" wollte ich alarmiert wissen. Sean lachte nervös und schüttelte den Kopf. „Ich hab so schnell keins gefunden, sorry", kicherte er und wurde rot. „Ich habe in deine Laken abgespritzt", eröffnete er mir und sah mir herausfordernd in die Augen. Eine Weile guckten wir uns schweigend an. Mein Herz fing unwillkürlich an, härter zu schlagen.
Verwirrt musste ich den Blickkontakt abbrechen. Ich rauchte tief, um mich abzulenken. „Du hast meine Klamotten angezogen", stellte ich mit Blick auf seine Beine fest. Meine Jeans passte ihm beinahe, mein Sweatshirt sah richtig gut an ihm aus. „Genau so war's", stimmte er zu und drückte die Kippe in den Aschenbecher. Ich beugte mich vor und drückte meine Zigarette ebenfalls aus. Dann nahm ich einen Schluck Orangensaft und reichte Sean die Flasche, ohne ihn ansehen zu können. Er trank und stellte die Flasche auf den Boden zurück.
„Ich war wirklich mega angetörnt von dir, Clay, dort in deinem Whirlpool", flüsterte Sean eindringlich, „Ich konnte es nicht ertragen, als Eliza alles kaputtgemacht hat." Sein Geständnis geisterte in meinem Hirn herum und ich brauchte eine Weile, um damit zurechtzukommen. Mir war nicht ganz klar, wie ich damit umgehen sollte. Ich war mir nicht sicher, ob ich Valmont überhaupt so nah bei mir haben wollte, mit solchen Wahrheiten konfrontiert werden wollte. Auf eine merkwürdige Art überforderten mich Seans überaus starke Gefühle.
Aber andererseits war ich tierisch angetörnt von diesem Gedanken, dass er so sehr auf mich abfahren konnte. Nervös rauchte ich noch einen Chinesen. Sean tat es mir gleich. Eine ganze Weile konsumierten wir wieder schweigend und tranken Orangensaft. Sean war jetzt ziemlich beschämt. Vielleicht fürchtete er, dass er zu viel von sich preisgegeben hatte. Vielleicht hatte er plötzlich Angst, ich könnte seine Schwäche für mich ausnutzen.
Aber das wollte ich gar nicht. Ich war ihm zutiefst dankbar. Er sah sehr hübsch aus, so dicht neben mir. Ich fühlte eine verwirrend merkwürdige Zuneigung zu ihm, die sich steigerte, je länger wir auf dem Sofa saßen und Heroin rauchten. Ich fühlte mich mit Sean Valmont in diesem Moment sehr nah verbunden.
Sean
Clay Banton saß neben mir auf dem Sofa. Wir rauchten das Heroin, dass ich ihm besorgt hatte. Selbstverständlich hätte ich das Heroin nicht rauchen dürfen, und das wollte ich auch eigentlich gar nicht tun. Aber die Situation erforderte es. Ich entschied es spontan, und dann gefiel es mir immer besser. Die schrillen Alarmglocken in meinem Schädel brachte ich mit jedem Chinesen mehr zum Schweigen. Diese harte Droge fühlte sich wahrhaftig richtig gut an, was ich fast vergessen hatte. Zusammen mit Clays Nähe bescherte sie mir eine glückliche, fast übermütige Stimmung.
Deshalb sagte ich ihm instinktiv, wie sehr er mich im Whirlpool angetörnt hatte, was ich im nächsten Moment selbst nicht fassen konnte. Mich überkam eine übermächtige Verbundenheit zu ihm. Aber trotzdem hätte ich das lieber nicht sagen sollen, dachte ich sofort beunruhigt, denn Clay Banton war nicht in der Lage, sich mit solchen Gefühlen zu beschäftigen. Er erwiderte sie auch nicht. Offenheit war ein riskantes Spiel. Und offensichtlich verwirrten ihn meine Worte.
Aber er würde sie mir nicht übel nehmen, weil ich ihm shore besorgt hatte, beruhigte ich mich gleich darauf. Seine Augen waren genauso dankbar, wie ich es mir erhofft hatte. Sie leuchteten nahezu vor Zufriedenheit, was ihn sehr schön machte.
Wir rauchten einige Zeit schweigend in einer wohltuenden Eintracht. Ich dachte nervös darüber nach, was ich ihm jetzt vielleicht noch sagen konnte. Ich war verunsichert, ob ich ihm überhaupt noch irgendwas von meinen Gefühlen preisgeben sollte. Höchstwahrscheinlich würde er mich sowieso nicht verstehen.
Andererseits hatte ich aus irgendeinem Grund das Bedürfnis, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Und dieser Moment war eigentlich perfekt dazu geeignet. Wir waren allein, richtig gut drauf, und er gehörte ganz mir. Aber ich wollte ihn nicht noch mehr verwirren. Er war von dieser Situation, genau wie ich, ziemlich angetörnt. Das hier muss mir genügen, mahnte ich mich innerlich seufzend, ich darf ihn jetzt nicht mit meinen überaus starken Gefühlen schockieren. Womöglich würde ich damit alles kaputtmachen, er würde sich vielleicht sogar von mir abwenden, und das wollte ich auf keinen Fall riskieren. Dazu fühlte ich mich viel zu wohl in seiner unmittelbaren Nähe.
Also rauchten wir schweigend, und recht bald wirkte das Heroin stark genug auf mich, und meine Gedanken wurden völlig unwichtig. Eine weiche Watte legte sich über mein nervöses Gehirn. Ich hatte so verflucht lange keine shore mehr geraucht, dass diese harte Droge irgendwann voll in meinen Verstand knallte.
Ich lehnte mich in seinem bequemen Sofa zurück und betrachtete ihn eine Weile voller Behaglichkeit. Er war wunderschön und ich fühlte mich ihm sehr nah. Es war eine Zeit von unglaublicher Vertrautheit zwischen uns. Die shore hatte daran Schuld, das war mir schon klar. Aber für diesen Mann hätte ich sowieso alles getan.
Clay
Das Heroin war mal wieder richtig gut und wir wurden selbstverständlich immer dichter davon. Sean lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss behaglich die Augen. Ich rauchte noch ein bisschen, dann legte ich die Alufolie auf den Tisch.
„Gefällt es dir?" fragte ich ihn, nachdem ich ihn eine Weile angesehen hatte. Er öffnete die Augen und lächelte. Er hatte jetzt winzige Pupillen in seinen außergewöhnlichen, hellblauen Augen. Sein kurzes, blondes Haar war nach unserem Bad wieder ganz trocken. „Wem nicht?" meinte er und setzte sich plötzlich entschlossen auf.
„Ich will, dass du das auf die Reihe kriegst!" verlangte er plötzlich ernst. „Was meinst du denn jetzt?" fragte ich verwirrt nach. „Ich meine das Heroin, Clay! Ich will, dass du das endlich wieder unter Kontrolle kriegst!" Seine Stimme war sehr eindringlich. „Ich habe keinen Bock darauf, dass deswegen nochmal alles den Bach runter geht, verstehst du?!" Ich stöhnte genervt auf. Dieses Thema behagte mir nun überhaupt nicht. Ich konnte es nicht fassen, dass er ausgerechnet jetzt mit diesem Scheiß anfing und damit die ganze friedliche Situation kaputtmachte.
Liebend gerne hätte ich ihn einfach ignoriert. Aber Sean ließ nicht locker. „Hörst du, Clay?!" drängte er und griff nach meinem Arm. „Versprich mir, dass du das geregelt kriegst!" Ich sah ihn an und versuchte, mich nicht von ihm einschüchtern zu lassen. „Weißt du, Sean, das ist jetzt echt witzig!" erwiderte ich. „Nein, das ist überhaupt nicht witzig", widersprach er sofort. Ich überging seinen Einwand und holte tief Luft.
„Ich habe gerade erst, vor nicht mal einer halben Stunde noch versucht, den Affen durchzuziehen, ganz allein, weil ich es so wollte, verstehst du? Weil ich der Droge nicht länger diese Macht über mich geben wollte. Ich wollte ernsthaft aufhören damit. Und dann kommst du hierher und besorgst mir neues Heroin. Und jetzt verlangst du von mir, das ich diesen Mist wieder auf die Reihe kriege!" „Ich habe dir nur shore besorgt, damit du heute Abend auf der Bühne stehen kannst", erklärte Sean mir abwehrend. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, du hast mir shore besorgt, weil du dich an Eliza rächen wolltest!" „Ich will, dass du heute Abend auf der Bühne stehst, Clay!" wiederholte Sean laut und energisch. Er duldete keinen Widerspruch. Ich sah ihn an und wusste nichts mehr zu sagen.
„Kriegst du das hin?" bedrängte er mich weiter. Mir war nicht klar, warum er diese angenehme Situation mit solchen blöden Tatsachen kaputtmachte. Wir waren total angenehm zugedröhnt, warum zum Teufel verlangte er gerade jetzt von mir, dass ich über die Zukunft nachdachte?
Aber ich hatte wirklich keine Lust, mich mit ihm anzulegen. „Schon gut, Sean, natürlich stehe ich heute Abend auf der Bühne!" versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Und kriegst du auch deine Sucht in den Griff?" fragte er und fasste nochmal nach meinem Arm. Sein Blick war viel zu streng geworden. Ich wich ihm stöhnend aus.
„Ich... habe niemals gewollt, dass es so weit kommt...", versuchte ich ihm verwirrt zu erklären. „Klar, das willst du ja nie!" bemerkte Sean spöttisch und ließ meinen Arm wieder los. „Es passiert immer einfach so, dass du die Kontrolle verlierst, nicht wahr, Clay?" Sein Spott und seine Überheblichkeit machten mich wütend. Gerade er sollte eigentlich wissen, wie verflucht schwierig es war, das Heroin unter Kontrolle zu behalten. Und er konnte wahrlich nicht von sich behaupten, gegen diese hinterhältige Droge immun zu sein.
„Guck dich mal um, Clay!" verlangte Sean plötzlich, packte mich am Bademantel und drehte mich gewaltsam herum. „Sieh dir deine Wohnung an, all diese verflucht teuren Sachen. Denk an deinen geliebten Sportwagen. Denk an deine Arbeit. Willst du das alles etwa wieder verlieren? Und nur, damit du gut drauf sein kannst? Nur, um keinen Affen zu haben?" Er drehte mich irgendwie brutal herum, damit ich mir mein teuer eingerichtetes Wohnzimmer ansah, und diese Behandlung gefiel mir überhaupt nicht. „Lass mich los!" protestierte ich.
Aber Sean ignorierte meinen Protest. „Wie viel Geld hast du in letzter Zeit für shore ausgegeben, Clay? Wie lange dauert es noch, bis du damit anfängst, deine Wohnungseinrichtung zu verkaufen, hm?!" „Hör auf!" rief ich böse.
Endlich ließ er mich los und starrte mich lauernd an. „Du führst dich auf wie Eliza!" warf ich ihm an den Kopf, weil ich wusste, dass ihm das nicht gefallen würde. Aber Valmont war von meinem Vorwurf offensichtlich nicht so schwer getroffen, wie ich erwartet hatte. „Sie macht sich eben auch Sorgen um dich", erklärte er mir nur anklagend. „Du hast sie echt total Scheiße behandelt, Clay", setzte er dann noch eins drauf.
Ich hatte überhaupt keine Lust, an Eliza auch nur zu denken, deshalb ignorierte ich seinen Vorwurf und zündete mir nervös eine Marlboro von ihm an. „Ich habe fast überhaupt kein Geld für shore ausgegeben, Sean, nur, damit du es weißt!" informierte ich ihn trotzig. „Wie soll ich das denn verstehen?" hakte er misstrauisch nach. Ich schaute ihn offen an, bemüht darum, meine diffuse Angst vor ihm nicht zu zeigen. „Ich habe meistens gedealt und sogar noch Geld dabei rausgekriegt. Ich habe nur... vielleicht zweimal die Woche selbst bei Sergej gekauft..." „Und jetzt soll ich dich dafür auch noch beglückwünschen?!" fauchte Sean auf der Stelle und packte mich plötzlich hart im Nacken.
„Ich will, dass du damit sofort aufhörst, verdammt!" „Ist ja gut!" kapitulierte ich seufzend. „Von mir aus geh nochmal ins Methadonprogramm, das ist mir scheißegal! Aber hör auf mit diesem Mist! Und hör um Himmels Willen auf zu dealen!" knurrte Sean mich entsetzt an. Sein Griff war brutal, und ich fand ihn ziemlich unfair in diesem Moment. Auch wenn er leider recht hatte, wie ich insgeheim zugeben musste.
„Ich wollte schon längst aufhören!" rief ich aufsässig. „Ich wollte heute aufhören, Sean! Ich wollte mich ins Bett legen, den blöden Affen durchziehen und meine Ruhe haben! Aber dann kamst du und hast mich einfach verprügelt, du Arsch! Und dann kam auch noch Eliza und alles ist irgendwie kaputtgegangen! Ich wollte heute doch nur meine Ruhe haben beim Aufhören!!" versuchte ich ihm zu erklären. Meine Worte machten ihn sichtbar nachdenklich.
Endlich ließ er mich los. Ich rieb meinen schmerzenden Nacken und zog an meiner Zigarette. Ich konnte ihn nicht ansehen. Er musterte mich eine Weile zweifelnd. „Okay, Clay. Schon gut", seufzte Sean schließlich und zündete sich eine Zigarette an.
Einige Zeit saßen wir nebeneinander auf dem Sofa, rauchten und schwiegen uns an. „Tut mir leid, dass ich dich verprügelt habe", unterbrach Sean irgendwann unvermittelt das Schweigen. Überrascht starrte ich ihn an. „Jetzt tut es dir leid?" entfuhr es mir verblüfft. Er nickte und lächelte endlich wieder. Ich war über sein Lächeln mehr als erleichtert. „Ich will ja nur nicht, dass unsere Performance kaputtgeht, weil du es nicht mehr auf die Reihe kriegst!" erklärte er mir ruhig. „Bisher habe ich es noch immer auf die Reihe gekriegt, Sean!" betonte ich entrüstet. Er nickte. „Ja, ich weiß..." „Ich habe noch nie einen Auftritt kaputtgemacht!" bekräftigte ich nicht ohne Stolz. Sean lächelte jetzt ganz offen. „Ja, Clay Banton, du bist der große Star!" spottete er amüsiert.
Ich schlug ihn spontan gegen die Stirn, so schnell, dass er nicht ausweichen oder mich abwehren konnte. „Das Stück funktioniert nur mit uns beiden, Sean, das ist mir absolut klar, das kannst du mir ruhig glauben!" sagte ich ein bisschen beleidigt.
Dann dachte ich unwillkürlich an Psychotic Kühlschrank, Seans experimentelle Performance. Er arbeitete so verbissen daran, schrieb das Skript pausenlos um, wollte unentwegt etwas Neues, vermeintlich Besseres ausprobieren. Ich hatte alle Plakate und Kulissen für ihn gemalt. Und wir hatten diese Performance inzwischen schon unzählige Male aufgeführt, in allen möglichen Varianten.
Leider war sie bisher nicht halb so erfolgreich, wie Sean wohl gehofft hatte. Im Gegenteil, das öffentliche Interesse war nach der Premiere schon ziemlich bald merkbar abgeebbt. Immerhin waren wir damit zweifellos inzwischen ein kleines, lokales Phänomen geworden. Und solange das Grenzland-Theater uns nicht raus schmiss, würde Sean mit Sicherheit weiter mit seiner Performance experimentieren. Seine ganze Lebensenergie steckte da drin. Er glaubte tatsächlich immer noch an den großen Durchbruch.
„Mach mir das nicht kaputt, Clay", bat Sean mich plötzlich irgendwie traurig. „Nein... das will ich doch gar nicht...", erwiderte ich irritiert. „Dann komm gefälligst auch zu den Proben, verdammt!" verlangte Sean verärgert, „Krieg den Mist mit der shore auf die Reihe und versäume keine Proben mehr!" Ich schaute ihn an und grinste amüsiert. „Schon gut, Sean", neckte ich ihn lächelnd, „Aber ich kann dieses Stück inzwischen auch im Schlaf spielen. Ich benötige echt keine weiteren Proben von Psychotic Kühlschrank."
Belustigt wartete ich auf seine Reaktion, und er reagierte genauso entgeistert, wie ich es vorhergesehen hatte. „Was? Was redest du denn da? Es geht doch jedes Mal um die Experimente! Keine Aufführung soll wie die andere sein! Die Entwicklung der Performance hört doch niemals auf!" entfuhr es ihm natürlich entsetzt. Mit großen Augen fixierte er mich.
Ich fing an zu lachen. „Mann, du bist so verbissen, Sean Valmont! Ich kann dir jede Sekunde von Psycho im Schlaf vorsingen. Aber du hast diese Performance wohl zu deinem Lebenswerk auserkoren, oder wie?!" verspottete ich ihn grinsend. Sean knuffte mich gegen die Rippen. „Red doch keinen Scheiß!" rief er beleidigt, grinste aber dabei. Ich lachte amüsiert und versuchte ihm auszuweichen.
Eine Weile balgten wir ziemlich albern auf dem Sofa herum, versuchten uns gegenseitig zu knuffen und leicht zu schlagen. Mit der Zeit wurde daraus, wie meistens, eine merkwürdige Art von sexuellem Vorspiel. Eine geile Mischung aus liebevoller Balgerei und zärtlicher Annäherung.
Als Sean das klar wurde, ließ er plötzlich verlegen von mir ab und setzte sich wieder auf. Ich suchte nach meiner Zigarette, die ich bei unserer Rauferei verloren hatte. Sie lag auf dem Boden und hatte tatsächlich ein Loch in den Teppich gebrannt, was mich eine Weile ziemlich ärgerte. Ich hob sie hastig auf und drückte sie in den Aschenbecher.
Dann saßen wir nebeneinander auf dem Sofa und waren irgendwie gehemmt. Sean rauchte noch einen Chinesen. Ich auch. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis wir übereinander herfallen würden, das wusste ich. Der Gedanke gefiel mir. Diese geilen Spielereien mit Sean Valmont konnten mich total antörnen.
Sean
Ich sagte ihm alles, was mir in diesem Moment wichtig erschien. Ich mahnte ihn ernsthaft, sofort mit dem Heroin aufzuhören, was irgendwie merkwürdig war, denn wir waren ja immerhin gerade einträchtig dabei, Heroin zu rauchen.
Von meinen starken Gefühlen konnte ich ihm nichts mehr erzählen. Und das wäre auch sinnlos gewesen. Clay Banton war ziemlich einfach gestrickt, fast oberflächlich. Große Gefühle überforderten ihn in der Realität fast immer, auf einer Bühne allerdings nie, wo er sie problemlos darstellen konnte, was bei ihm kein Paradoxon war.
Er dachte nicht halb so viel nach wie ich, bevor er irgendetwas tat. Er dachte überhaupt nicht mehr darüber nach, wenn irgendetwas vorbei war. Oft habe ich ihn um seine Spontaneität und Unbekümmertheit beneidet. Wie gern hätte ich ihm meine eigenen, oft quälenden Gedanken abgegeben. Für ihn schien alles einfach zu sein. Es passierte oder eben nicht. Für ihn gab es keinen Grund, lange über irgendetwas nachzudenken.
Jetzt saß er neben mir auf dem Sofa, und ich dachte angestrengt darüber nach, ob ich ihn anbaggern sollte. Ob ich es wollte. Selbstverständlich wollte ich es. Aber andererseits wollte ich nicht einfach über ihn herfallen. Er sollte nicht den Eindruck gewinnen, ich wäre nur wegen dem Sex hierher gekommen.
Außerdem betäubte die shore alles in mir, auch meinen Sexualtrieb. Ich fühlte mich äußerst angenehm zugedröhnt. Ich hätte den ganzen Tag einfach so neben ihm sitzen können und es hätte mir überhaupt nichts ausgemacht. Ich fühlte mich nämlich immer ausgesprochen wohl in seiner Nähe.
„Stimmt es, was Eliza gesagt hat?" fragte Clay mich unvermittelt nach einer langen Zeit des Schweigens. Seine Augen blitzten amüsiert und verwegen. „Was hat sie denn gesagt?" fragte ich ohne großes Interesse nach. „Dass du mich immer haben willst. Immer und überall", antwortete er und betrachtete mich eingehend. Es amüsierte ihn ungemein, wie verlegen ich wurde.
Wir sahen uns in die Augen, und ganz offensichtlich signalisierten seine Worte und sein Blick Interesse. Ich beschloss verblüfft, sein Spiel mitzuspielen. „Was glaubst du denn?" fragte ich, obwohl ich eigentlich Angst vor der Antwort hatte. „Ich glaube, dass sie recht hat", eröffnete Clay mir geradeheraus. Er lächelte und lehnte sich aufreizend im Sofa zurück. Ich wurde rot und musste meinen Blick von ihm abwenden.
„Ich würde dich nie auf einer Bühne ficken wollen", flüsterte ich nach einer Weile und schüttelte den Kopf. Plötzlich fürchtete ich wieder, Clay könnte mich verarschen wollen. Vielleicht wollte er mich mit diesem Gesprächsthema fertig machen, sich über mich lustig machen.
Nervös guckte ich ihn an. Seine Augen blitzten vergnügt, aber nicht hinterhältig. Er lachte über meine Antwort. „Wieso, Sean? Auf einer Bühne wäre es bestimmt auch geil! Denk mal an die vielen Zuschauer! Du hast doch auch eine exhibitionistische Ader in dir, genau wie jeder gute Schauspieler!" Er lachte amüsiert und räkelte sich weiter auf dem Sofa. Verwegen schob er seine Beine auseinander und schlug seinen Bademantel zur Seite. Er war immer noch nackt darunter, und ich sah mir eine Weile seinen Penis an, der nun ganz offen dort lag.
Dann guckte ich in Clays Gesicht. Er lächelte und atmete tief. Dieses Spiel erregte ihn, wurde mir klar. Es erregte ihn tatsächlich, mir seinen Schwanz zu zeigen. Offensichtlich war er der wahre Exhibitionist von uns beiden.
„Was tust du da?" erkundigte ich mich bei ihm. Mein Herz schlug unwillkürlich härter. Es war eine verwirrende, leider seltene Erfahrung für mich, dass Clay Banton sich mir so eindeutig anbot. Ich fragte mich, ob es vielleicht am Heroin lag. Oder ob er nur mit mir herumspielte. Vielleicht wollte er auch einfach nur sehen, wie weit er gehen konnte, bis ich mich nicht mehr beherrschen konnte und über ihn herfallen würde. Er testete mal wieder seine Grenzen aus, wie er es so oft tat.
Aber das würde nicht passieren, schwor ich mir alarmiert. Diesmal nicht. Ich fühlte mich zu wohl, um mich von ihm manipulieren zu lassen.
„Willst du mit mir ficken, Sean?" wollte Clay plötzlich von mir wissen. Überrascht starrte ich ihn an. Er lächelte atemlos. Ich versuchte sofort misstrauisch, seine wahren Absichten hinter dem Lächeln zu erkennen. Aber da war nichts. Wie immer handelte Clay spontan und ehrlich. Ich vermutete eine Hinterhältigkeit, wo wirklich keine war.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass er es tatsächlich ernst meinte. Er war angetörnt von dieser Situation. Von mir. Der Gedanke gefiel mir ungemein. „Willst du das wirklich?" fragte ich behutsam. Er schob seine Beine noch weiter auseinander und lehnte sich zurück. Er streichelte seine Leiste. „Sonst würde ich dich nicht fragen, Valmont", erklärte er mir ungeduldig. Dann schaute er ratlos auf seinen Schwanz. „Ich fühle mich echt.... angemacht... irgendwie", versuchte er verwirrt zu erklären.
Mein Herz stolperte los. Ich konnte nicht widerstehen. Selbstverständlich konnte ich ihm nicht widerstehen, und das wusste er auch ganz genau. Ich beugte mich zu ihm, küsste ihn sanft und streichelte mich sehr langsam an seinem nackten Bein hinauf. Seine Haut fühlte sich ganz trocken an, er war warm und weich.
Vorsichtig legte ich ihm meine Hand auf den Bauch. Clay stöhnte leise und behaglich. Er schloss die Augen und lieferte sich mir aus. Ich küsste mich zu seinem Ohr hin. „Warum hast du vor Eliza gewichst?" flüsterte ich amüsiert hinein. Die Sache interessierte mich tatsächlich, außerdem beschämte sie Clay. Es war eine kleine Retourkutsche von mir, für seine vorherigen peinlichen Fragen an mich.
Er öffnete seine Augen und musste eine Weile überlegen. „Ich wollte doch nur, dass sie abhaut", erinnerte er sich nur widerwillig. „Du warst ziemlich gemein zu ihr, weißt du", warf ich ihm vor, „Ich glaube nicht, dass sie dir das so einfach verzeihen wird!" Aber Clay knurrte genervt: „Vergiss sie, Sean! Ich möchte jetzt wirklich nicht an Eliza denken!" Er griff nach meiner Hand. „Ich möchte, dass du dich ausziehst! Zieh sofort meine Klamotten aus!" verlangte er, plötzlich ungeduldig und gierig. Beinahe ängstlich, und doch voller Erwartung und Hingabe, guckte er mich an. Seine Pupillen waren winzig. Seine schönen Augen leuchteten grün.
Die Situation erregte mich zunehmend und ich konnte gar nicht länger zögern. Es törnte mich extrem an, dass Clay mich atemlos lächelnd, beinahe hingerissen, intensiv beobachtete, während ich einen recht lustigen Striptease für ihn hinlegte. Wir lachten viel dabei, was die Sache entkrampfte und noch viel angenehmer machte.
Ich zog mich für ihn aus und tanzte dabei für ihn. Ich zog sein Sweatshirt aus und spannte alle meine Muskeln für ihn an, die an meinen Oberarmen zuerst, dann die Brust- und Bauchmuskeln. Ich bewegte mich anmutig, während ich langsam seine Jeans und Unterhose auszog, drehte mich herum und tanzte eine ausgedachte Choreographie.
Schließlich zeigte ich ihm meine Erektion, und er stöhnte überwältigt und starrte mich mit einer Mischung aus Unterwürfigkeit und Gier an. Ich hielt den Blickkontakt aufrecht, während er recht schnell steif wurde. Clays Augen verwandelten sich in Saugnäpfe voller sexueller Erregung. Er atmete laut und tief, lehnte sich zurück und schloss überwältigt die Augen.
Schnell war ich bei ihm auf dem Sofa, um ihn umfassend zu liebkosen. Mir fiel auf, dass er sich seit mindestens 48 Stunden nicht mehr rasiert hatte. Seinen Bademantel hatte er ausgezogen, und ich nutzte die Gelegenheit, um seinen Körper genau zu betrachten. Sein breiter Brustkorb hob und senkte sich mit jedem tiefen Atemzug. Seine Rippen stachen beim Atmen hervor. Seine Brustwarzen verhärteten sich.
Ich schaute an ihm herunter, während ich ihn überall küsste und streichelte. Er ist immer noch so sportlich, bemerkte ich fasziniert, sogar als süchtiger Junkie vernachlässigt er anscheinend sein Training nicht. Nicht nur seine wunderschönen Bauchmuskeln waren gut herausgebildet, er war allgemein sehr muskulös, sein Körper war stark und straff. Wenn doch nur seine Seele genauso gesund und stark wäre, fuhr es mir betrübt durch den Kopf.
Doch im nächsten Moment verflüchtigten sich meine Gedanken wie von allein, und sie machten einer umfassenden sexuellen Erregung platz. Ich wandte mich atemlos seinen erogenen Zonen zu. Clays Schamhaar war immer noch rasiert und ganz kurz geschnitten. Sein bildhübscher Penis lag tatsächlich in meinem Mund, gewachsen und hart. „Sean...", seufzte er ergeben, „Sean..."
Ich konnte eigentlich gar nicht begreifen, was hier passiert war, dass er sich mir auf diese direkte Art angeboten hatte. Sonst musste ich ihn nämlich fast immer erst behutsam auf diesen Weg führen. Das hier war ein realer feuchter Traum für mich. Clay Banton lieferte sich mir vollends aus. Sein dankbar lächelnder Blick traf mich aus halb geschlossenen Augen. Er küsste mich sehr zärtlich, berührte mich gekonnt und voller Hingabe. Später fickte er mich hart und entfesselt. Wir verschafften uns gegenseitig unglaublich intensive Genüsse, es war ein enorm lebhaftes Wechselspiel von hart und zart. Alles so langsam wie möglich, um es lange auszukosten. Das fiel uns nicht schwer, denn das Heroin packte alle unsere Emotionen in weiche Watte.
Clay
Lustige, etwas bizarre Sexspiele mit Sean Valmont. Immer wieder ein äußerst angenehmer Zeitvertreib.
Ich befahl ihm, meine Klamotten auszuziehen, und er entblätterte sich tatsächlich für mich, enorm sexy und sehr unterhaltsam. Ich beobachtete ihn sehr intensiv dabei, und ich fand ihn in dieser Situation beinahe schmerzhaft attraktiv. Sean sah so verdammt gut aus, groß und stark, muskulös, extrem gut gebaut, mit seinen langen Beinen, dem breiten Oberkörper, seinem unglaublich hübschen Gesicht und den strahlend hellblauen Augen.
Ich lag ganz ruhig dort und er kicherte ein bisschen beschämt. Die Späße halfen ihm wie immer durch seine anfängliche Schüchternheit, also alberten wir herum. Er bewegte sich extrem anmutig, während er sich langsam für mich auszog. Er zeigte mir all seine wunderbaren Muskeln an seinem perfekten Körper. Jede einzelne seiner Bewegungen war sehr gezielt, fast provozierend. Sein erotischer Striptease-Tanz schien nahezu einstudiert. Er war so harmonisch, so fesselnd und überwältigend, wie er es in seinem jahrelangen Studium gelernt hatte. Ja, der atemberaubende Sean Valmont war merkbar der erfolgreichste und begabteste Student in seinem Tanz-Seminar gewesen!
Als er mir endlich seine Erektion zeigte, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich war wohl innerhalb von Sekunden total hart. Es übermannte mich. Sean kam nackt zurück zu mir auf das Sofa und legte einfach los.
Es war nun wirklich keine Premiere, dass dieser Mann mit meinem Körper herumspielte. Er konnte das so enorm gut und es überwältigte mich jedes Mal nach einiger Zeit vollkommen. Er hatte diese einmalige Technik drauf, diese geile Mischung aus erregender Brutalität und einer Sanftheit, die mich immer halb wahnsinnig machte.
Sean Valmont kannte meine Vorlieben ausgesprochen gut und er beherrschte dieses erregende Handwerk. Er fand erogene Zonen an mir, von denen ich selbst keine Ahnung hatte. Er zog mich vollends in sich hinein, bis nichts mehr von mir übrig blieb, nur noch pure Geilheit. Trotzdem steigerte es sich sehr langsam und ich dachte tatsächlich, es sollte nie aufhören.
Sean legte sich über mich, leckte mich ab, küsste mich und saugte an mir herum. Ich krallte mich an ihm fest. Er entlockte mir Geräusche, die ich sonst niemals von mir gebe. Mit vor Aufregung leuchtenden Augen sah er mich an. Er atmete laut. Ich fand ihn nicht nur in diesem Moment wunderschön.
Es bedurfte keiner Worte mehr zwischen uns. Jedes Wort wäre völlig überflüssig gewesen. Wir wussten beide, was zu tun war, und wir waren Meister in diesem geilen Sport, ein durch lange Erfahrung wirklich eingespieltes Team. Die shore hatte uns soweit betäubt, dass es ziemlich lange dauerte, bis wir die Kontrolle verloren. Alles an uns war gedämpft, umfassend in wohlige Watte gepackt, auch unsere sexuellen Empfindungen.
Ich nahm seinen Schwanz in meinen Mund und versuchte ganz vorsichtig zu sein. Er war unglaublich hart. Sean stöhnte überwältigt, als ich ihn langsam leckte und saugte. Dann lehnte ich mich an ihn und wir waren uns sehr nah. Ich konnte an seiner Brust sein Herz hämmern hören. Wir küssten uns tief und innig. Wir zitterten beide in enorm wohligen Schauern. Wir erbebten, verschmolzen in unserer Erregung.
Zwischenzeitlich lagen wir ganz ruhig dort und guckten uns lange nur an, schwer atmend und mit halb geschlossenen Augen. Ich streichelte zart sein schönes Gesicht. Dieser Moment dürfte niemals vorbei gehen, fuhr es mir durch den Kopf. Dieses Gefühl ist so unglaublich geil. Ich liebe ihn so sehr, dachte ich plötzlich erstaunt. Ich möchte ihm für immer so nah sein. Er ist so wahnsinnig schön in seiner Geilheit.
Aber die Natur der Sache forderte von uns wie selbstverständlich eine Steigerung. Uns drängte es ganz automatisch nach Erleichterung. Wir waren einfach nicht dazu fähig, die gewaltige Wucht unserer Gefühle noch viel länger zu ertragen.
Also trieben wir es voran, wurden wild und gierig. Ich fickte ihn ziemlich brutal. Er fickte mich nicht minder heftig. Irgendwann zog er sich plötzlich zurück, zupfte sich das Kondom vom Schwanz und spritzte über meinen Bauch und meine Brust. Seine Muskeln kontrahierten hitzig. Er zuckte am ganzen Körper und stöhnte laut. Diesem schönen Mann bei seinem sexuellen Höhepunkt zuzusehen war fast mehr, als ich ertragen konnte.
Sean lächelte atemlos, beugte sich zu mir herunter, holte Luft und blies gegen die Spitze meines fast schmerzhaft harten Penis. Der kühle Luftzug seines Atems genügte, um mich auf der Stelle explodieren zu lassen. Ich kam augenblicklich, zuckte rhythmisch zusammen und spritzte dabei über mich selbst. Ich wurde dabei fast ohnmächtig. Unser Ejakulat vermischte sich auf meinem nackten, schweißnassen Körper.
Danach, viel später, nahm er mich in die Arme und streichelte meinen Kopf. Er sagte gar nichts. Er war fantastisch. Ich schämte mich nicht mal mehr, so durchgeknallt und so verwundbar zu sein.
Eliza
Ich war eigentlich viel zu wütend auf Clay, um so intensiv über ihn nachdenken zu wollen. Aber meine Gedanken kreisten automatisch um kein anderes Thema. Es war mir scheißegal, was weiter mit ihm passierte, redete ich mir ein, ich würde ihn endgültig abschreiben und vergessen. Wer mich so mies behandelte, wer so gewalttätig zu mir war, der verdiente nicht einen einzigen Gedanken mehr!
Aber es wurmte mich ungemein, dass Sean Valmont diesen Draht zu Clay hatte, den ich offensichtlich nicht aufbauen konnte. Was war ihr Geheimnis? Etwa nur, dass sie beide Männer waren? Das wollte ich nicht gelten lassen. Ich hatte eine ganze Menge zu bieten, mit dem Sean nicht konkurrieren konnte, nicht mal annähernd, baute ich mich innerlich auf.
Seufzend musste ich mir endlich eingestehen, dass ich nicht bereit war, so einfach das Feld zu räumen. Sicher, ich hatte längst Schluss mit Clay Banton gemacht. Aber ich liebte ihn noch immer. Ich konnte mir da nichts vormachen. Dieser ganze Mist war doch nur wieder wegen den Scheiß Drogen passiert! Eigentlich war Clay nicht so gemein. Er war sehr krank, und ich hatte vielleicht doch die Macht, ihm zu helfen. Er hatte es schon einmal geschafft vom Heroin loszukommen. Ganz sicher würde er es nochmal schaffen. Ich durfte ihm aus diesem Rückfall keinen Strick drehen.
In meinem Kopf herrschte das totale Chaos. Viel zu lange Zeit irrte ich in der Stadt herum und konnte an nichts anderes denken als an Clay Banton, obwohl ich mir dafür gerne selbst in den Arsch getreten hätte. War ich denn wirklich bereit, diesen ganzen Irrsinn mit dem Entzug noch einmal mitzumachen?
Ich wollte nicht nach Hause gehen, um nicht mit Rowina über diese Sache reden zu müssen. Was Rowina dazu sagen würde, konnte ich mir bildlich vorstellen. Sie würde mich energisch dazu auffordern, diesen kaputten Arsch endlich in den Wind zu schießen. Ich hätte etwas besseres verdient, als ausgerechnet so einen süchtigen, verrückten Penner, würde sie sagen. Und sie hätte recht damit.
Nur konnte ich meine Gefühle nicht so einfach abschalten. Ich hatte es wirklich oft genug versucht. Aber mit diesem Mann war alles ganz eigenartig. Je schlechter es ihm ging, umso mehr fühlte ich mich anscheinend für ihn verantwortlich. Umso mehr hatte ich das Bedürfnis, in seiner Nähe zu sein.
Ich lief ziellos durch die Stadt und fühlte den kalten Wind auf meinem Gesicht. Ich sehnte mich nach Clays Zärtlichkeiten. Ich versuchte zu verstehen, warum er mich so gemein und brutal aus seiner Wohnung geworfen hatte. Ich ging diese Situation immer wieder in Gedanken durch und versuchte, mich an jedes Detail genau zu erinnern. Was war bloß in Clay vorgegangen? Wollte er wirklich nur mit Sean Valmont allein sein?
Aber nein, der Grund war etwas ganz anderes gewesen. Etwas, was Sean ihm geholt hatte, als er diese viertel Stunde lang verschwunden gewesen war. Und was konnte das schon anderes gewesen sein als seine absolute Lieblingsdroge!?
Verblüfft blieb ich stehen, als mir plötzlich dieser Gedanke kam. Hatte Sean Valmont tatsächlich Heroin für Clay besorgt? Natürlich hatte er das! Einen anderen plausiblen Grund gab es nicht für Clays irrationales Verhalten.
Plötzlich war alles ganz klar und das machte mich wirklich fassungslos. Wie konnte Sean nur so verantwortungslos sein! Diese blöde, dauergeile Schwuchtel! Beileibe konnte ich verstehen, dass man sich in Clay Banton verlieben konnte. Und normalerweise nahm ich Sean das nicht einmal besonders übel, wenn die beiden nicht gerade Sex miteinander hatten. Aber heute war er definitiv zu weit gegangen. Er hatte kein Recht dazu, Clay in seiner Krankheit auch noch zu unterstützen. Ich würde mal ein sehr ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen.
Entschlossen ging ich weiter. Ich wusste jetzt ganz genau, was zu tun war. Heute Abend gab es eine Vorstellung von Psychotic Kühlschrank, und ich würde den Jungs im Grenzland-Theater einen Besuch abstatten, den sie nicht so schnell vergessen würden.
Sean
Ich stand mit ihm gemeinsam auf der Bühne, denn wir spielten zum x-ten mal Psychotic Kühlschrank zusammen. Clay agierte nahezu perfekt, was mich insgeheim überraschte, worüber ich aber auch sehr froh und wofür ich ihm sehr dankbar war. Er konnte seinen Text an diesem Abend tatsächlich wortgetreu und verwirrte mich nicht, wie sonst leider viel zu oft, mit seinen überraschenden Improvisationen. Wir waren inzwischen ein routiniertes, eingespieltes Team. Ich war das brutale Leben in verschiedenen Rollen, und er war der hilflose Kühlschrank.
Für einen Samstagabend hatten wir zu meiner Betrübnis längst nicht genug Karten verkauft. Der Zuschauerraum war vielleicht höchstens zur Hälfte besetzt. Trotzdem spielten wir uns auch diesmal nahezu die Seele aus dem Leib. Wir hätten das auch für einen einzigen Zuschauer getan, denn unser Ehrgeiz wurde automatisch geweckt, sobald wir auf die Bühne traten. Unsere Ambitionen zwangen uns, immer alles zu geben, um die Zuschauer möglichst zu faszinieren.
Sogar Clay Banton, sonst nicht gerade mit übermäßigem Ehrgeiz gesegnet, entwickelte zu meiner ständigen Freude und Überraschung fast jedes Mal diese Leidenschaft, den Willen sich richtig anzustrengen, und sonst könnte ich auch auf Dauer gar nicht mit ihm arbeiten. Auf der Bühne verwandelten wir uns unwillkürlich in unsere Rollen. Clay war ein Meister darin, ganz in seiner Figur aufzugehen. Er war ein wahrlich talentierter Schauspieler und spielte seine Figur fast immer genau so, wie ich sie mir beim Schreiben vorgestellt hatte.
Jetzt schrie ich ihn an, wie es der Text verlangte, und er parierte äußerst überzeugend, genau nach Skript. Alles klappte beinahe perfekt. Ich zwang mich erfolgreich, die Menschen im dunklen Zuschauerraum auszublenden, um meiner ständigen Nervosität keine Nahrung zu geben. Absolut konzentriert spielten wir dann auch die Kampfszenen, folgten Schritt für Schritt der Choreografie, an der ich so lange gefeilt hatte. Das waren immer einige sehr schwierige Momente, aber es gab keine größeren Probleme. Clay bewegte sich kraftvoll und harmonisch. Seine Sucht-Krankheit merkte man ihm nicht an. Niemand wäre auch nur auf die Idee gekommen, dass dieser Mann noch vor wenigen Stunden kotzend vom Heroin-Entzug über seinem Klo gehangen hatte.
Die Aufführung lief zu meiner Erleichterung fast genau wie geplant, und anscheinend verließ diesmal auch kein Zuschauer vorzeitig, weil gelangweilt, den Raum, was ich aus den Augenwinkeln zwischenzeitlich nervös überprüfte.
Ungefähr nach einer Stunde, etwa in der Mitte des Stücks, wurde die Musik, die Clay für exakt diesen Moment eingespielt hatte, genau so laut wie vorgeschrieben. Das Licht ging schlagartig aus. Ich eilte im Dunkeln ganz nach hinten, genau wie die Performance es von mir verlangte. Clay folgte mir schnell, denn er hatte nur eine Minute Zeit. Er zog sich hastig im Dunkeln seine Bühnensachen aus, während ich ihm mit einem schwarzen Seidenschal die Augen verband. Wir brauchten dafür nur die vorgesehene Minute.
Gleich darauf trat er auch schon, in der Finsternis von den Zuschauern unbemerkt, ganz allein nach vorne, bis an den Rand der Bühne. Er konnte diese Strecke blind bewältigen, denn er hatte sich die Anzahl der Schritte genau gemerkt. Die laute Musik verstummte abrupt und sekundengenau. Vincent und Marc machten ihre Arbeit an Scheinwerfer und Computer hervorragend. Zwei Minuten lang war es dunkel und ganz still, nur im Zuschauerraum hustete oder tuschelte immer irgendjemand.
Urplötzlich flammte das helle Licht wieder auf. Clay Banton stand ganz allein auf der Bühne, sehr nah vor den Zuschauern, ihnen zugewandt, völlig nackt im grellen Scheinwerferlicht. Nur seine Augen waren mit dem schwarzen Seidenschal verbunden. Sein provozierendes Outfit unterstrich die seelische Verfassung des Kühlschranks, denn er öffnete in diesem Moment blind seine Seele, ließ buchstäblich alle Hüllen fallen, und was übrig blieb waren nur die nackten Tatsachen.
Auch nach dem x-ten mal gab es an dieser Stelle meiner Performance immer noch Ausrufe der Überraschung, Gekicher und Geflüster im Publikum. Aber Clay stand ganz ruhig dort, als wäre er vollkommen allein. Er war genau so einsam wie die Figur, die er verkörperte. Er breitete sehr langsam seine Arme aus und wartete die abgesprochenen zwei Minuten ab, um die Spannung noch weiter zu erhöhen. Erst dann spielte er seinen Monolog mit all seiner Energie.
Es war ergreifend, immer wieder. Es verlor nichts von seiner Intensität, egal wie oft ich diese Szene von hinter der Bühne verfolgte. Ich hatte immer wieder den Eindruck, der Text, den ich für Clay geschrieben hatte, spräche ihm wirklich aus der Seele.
Eliza
Ich hatte mir einen Platz ziemlich weit hinten im nur halb gefüllten Zuschauerraum gesucht und verfolgte die Performance im Dunkeln sitzend, bequem in den Sessel gesunken. Clay hatte mir eine Dauerkarte für Psychotic Kühlschrank geschenkt, und ich hatte das Stück inzwischen schon unzählige Male gesehen. Es gefiel mir. Obwohl mir seine wahre Bedeutung nie richtig klarwurde. Es war ziemlich verwirrend, düster und pessimistisch in seiner merkwürdigen Aussage. Aber vielleicht gab es auch gar keine Botschaft. Es war vielleicht nur eine Geschichte, die aus Seans verwirrtem, traurigen Geist entsprungen war.
In der Anfangszeit hatte es in den Zeitschriften einige mittelgroße Artikel über Psychotic Kühlschrank und seine Akteure gegeben, sogar überwiegend gute Kritiken. Es war im lokalen Fernsehen über sie berichtet worden, und sie waren im Internet immer noch mit ihrer Arbeit präsent. Aber inzwischen interessierte sich wohl kein Mensch mehr brennend für diese Performance, dazu lief sie einfach schon zu lange. Obwohl Sean seine Arbeit ständig ein wenig abwandelte, sanken die Zuschauerzahlen kontinuierlich. Doch die Jungs gaben nicht auf. Sie spielten sich mit unbändiger Energie zwei- bis dreimal in der Woche auf der Bühne die Seele aus dem Leib. Ich fand ihre Hartnäckigkeit auf eine Art bewundernswert. Aber andererseits war Sean einfach viel zu verliebt in sein Werk, um es aufzugeben, trotz der eindeutigen Anzeichen, das es längst Zeit für etwas Neues war.
Clay Banton und Sean Valmont waren in meinen Augen nicht übermäßig gute Schauspieler. Aber sie gingen sichtbar in ihrer Arbeit auf. Sie beherrschten ihre Rollen perfekt. Sie brachten es mit ihrem Enthusiasmus fast immer irgendwie fertig, die Mehrheit des Publikums zu bannen. Die fesselnde Lightshow, die Kampfeinlagen, die Akrobatik, die Musik vom PC und die gute Live-Musik taten ihr Übriges dazu, dass es zumindest nie langweilig wurde.
Aber gegen ihre Arbeitskollegin Charlotte, der einzigen Frau und einzigen anderen Person ihres Ensembles, kamen sie meiner Meinung nach nicht an. Charlotte war bei weitem die beste Schauspielerin in dieser Geschichte, fand ich. Sie spielen zu sehen, war immer eine Freude. Sie war eine starke Frau und spielte eine überraschend starke Rolle. Allein ihre Figur versöhnte mich jedes mal mit dem ganzen traurigen Rest der Performance.
Nach ungefähr einer Stunde, circa in der Mitte der Aufführung, ging schlagartig das Licht aus, genau wie von mir erwartet. Jetzt kam endlich Clays großer Monolog. Vorher hatte er höchst eindrucksvoll mit Sean gekämpft, der nun im Dunkeln hinter der Bühne verschwunden war. Clay trat in der Finsternis allein nach vorne, bis an den Rand der Bühne. Als das Licht plötzlich wieder anging, war er vollkommen nackt, allein im grellen Scheinwerferlicht. Seine Augen waren mit einem schwarzen Schal verbunden, sodass er nichts mehr sehen konnte. Ich bewunderte ihn immer für seinen Mut, sich so unerwartet völlig nackt vor dem Publikum zu präsentieren.
Die Reaktionen darauf waren ihm nicht immer besonders wohlgesonnen. Sehr oft wurde über ihn gekichert und getuschelt, manchmal erreichten ihn auch spöttische Zurufe. Aber er stand ganz ruhig dort, und niemand konnte bestreiten, dass er ein recht erfreulicher Anblick war. Er war ohne Zweifel, trotz seines ungesunden Lebenswandels, ein gut trainierter Mann. Sein Körper strahlte Gesundheit und Kraft aus. Gleichzeitig wirkte er unendlich traurig und einsam. Ich konnte den Text, den er nun aufzusagen hatte, beinahe schon Wort für Wort mitsprechen: „Ich bin ein psychotischer Kühlschrank", sagte Clay blind, aber mit lauter und klarer Stimme in den Zuschauerraum, „Ich möchte mir den Stecker rausziehen, damit ich etwas Wärme empfinden kann." Was immer das heißen soll, dachte ich spöttisch.
Im nächsten Moment fiel mir auf einmal etwas ganz anderes auf. Ein junger Typ, der mit seiner Freundin ein paar Reihen vor mir gesessen hatte, stand plötzlich auf und schlich sich durch die Reihen näher an die Bühne. Noch bevor ich begriffen hatte, was da eigentlich vor sich ging, holte der Typ aus und warf mit großer Wucht einen Gegenstand auf Clay.
Erschrocken sprang ich auf. Clay wurde wohl irgendwo an seiner Hüfte getroffen. Er ächzte entsetzt auf und torkelte nach hinten. Er hielt sich überrascht, verwirrt, die getroffene Stelle. Noch bevor er sich die Augenbinde abnehmen konnte, um etwas zu sehen, wurde er erneut getroffen. Der Typ schleuderte einen weiteren Gegenstand auf Clay, der ihn diesmal mitten im Gesicht traf. Clay stöhnte schmerzerfüllt, griff sich an die Stirn, taumelte und fiel dann einfach rücklings um. Dort blieb er bewegungslos liegen, nackt, blind, immer noch vom Scheinwerfer angestrahlt. Das Publikum war etwa zwei Minuten lang wie paralysiert. Anscheinend war sich wohl keiner ganz sicher, ob diese Aktion nicht vielleicht zur Performance gehörte, die ja schließlich experimentell war.
Ich dagegen wusste nur zu gut, dass dieser feige Angriff nicht das geringste mit Psychotic Kühlschrank zu tun hatte. Deshalb rannte ich so schnell wie möglich nach vorne. Ohne zu zögern griff ich mir diesen Typen, der immer noch unten vor der Bühne stand und jetzt auch noch lauthals lachte. Auch seine Freundin, die neben ihm stand, amüsierte sich prächtig. „Was hast du gemacht, du Arsch? Was soll denn dieser Scheiß bedeuten?!" schrie ich ihn wütend an. Ich packte ihn hart am Arm, aber er lachte nur. Inzwischen waren Sean, Charlotte und Marc von hinter der Bühne aufgetaucht und beugten sich erschrocken über Clay, der sich nicht rührte. „Warum hast du das gemacht, du feiges Arschloch?" fragte ich diesen Typen immer wieder. Er antwortete mir nicht.
Das übrige Publikum hatte inzwischen auch langsam gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Fast alle standen auf, kamen neugierig näher und fingen an zu reden. Handys wurden gezückt, sofort wurde eifrig gefilmt. Unzählige Fotos wurden geknipst. Ein ziemlicher Tumult entstand.
Sean kam nun an den Rand der Bühne. Er hatte zwei mittelgroße, weiße Steine in der Hand. Offenbar waren das die Gegenstände, mit denen Clay so unfair K.O. geschlagen worden war. „Wer war das? Wer hat das geworfen?" schrie Sean unüberhörbar wütend und starrte suchend in die Menge. „Hier, Sean, dieser Typ war's!" rief ich ihm triumphierend zu. Ich war stolz auf mich, weil ich so schnell reagiert hatte. Dem Typen wurde es jetzt wohl zu ungemütlich, weil Valmont drohend auf ihn zukam und die anderen Zuschauer ihn überwiegend verachtend musterten. „Dieser Arsch wollte meine Freundin vergewaltigen!" schrie er lauthals und deutete energisch auf Clay, der immer noch bewegungslos auf der Bühne im hellen Licht lag und nichts mitbekam. Offensichtlich war er bewusstlos. „Ja, dieser blöde Psychopath wollte mich vergewaltigen!" rief die Freundin des Attentäters und nickte zustimmend. „Der ist gefährlich und total krank!" meinten beide und deuteten weiter auf Clay.
Die Menge starrte verblüfft, verwirrt und verunsichert auf Clay, der wie angeklagt im Scheinwerferlicht lag. Das Gerede wurde lauter, alle diskutierten sofort über diese unglaubliche Information. Plötzlich riss der Typ sich von mir los und rannte mit seiner Freundin an der Hand zum Ausgang. Beide verließen fluchtartig das Theater, und niemand hielt sie auf.
Kleine Blitzlichter flackerten auf. Unzählige Handys wurden filmend auf Clay gehalten. Sean und ich starrten uns einen Moment lang alarmiert an. Was hatte dieser Typ da gesagt? Was war das für ein unglaublicher Vorwurf? Ich konnte das nicht so leicht verdauen, aber Sean Valmont war zu sehr Profi, um sich nicht schnell wieder im Griff zu haben. Er rief Vincent, dem Beleuchter an den Scheinwerfern zu, er solle das Licht anschalten.
Gleich darauf wurde es sehr hell im Theater. „Okay, Leute...", wandte Sean sich lauthals an die schwatzende Menge, „Wir können leider heute Abend die Performance nicht weiterspielen..." Die Zuschauer, die kaum Verständnis zeigten, murmelten wütend. Immerhin hatten sie Eintritt bezahlt und waren deshalb nicht erfreut über die Situation. Sean beruhigte sie sofort mit großen Gesten und lauter Stimme. „Wir spielen das Stück nächsten Samstag nochmal, und jeder von Ihnen bekommt eine Freikarte für diese Vorstellung nächste Woche! Bitte wenden Sie sich an Marc, er wird Ihnen einen Gutschein überreichen!" ordnete Sean selbstbewusst an und deutete auf Marc. Der guckte ihn irritiert an. Er war der Kulissenbauer des Ensembles, eine Art Requisiteur. Er bediente auch die Musikanlage und arbeitete ausschließlich hinter der Bühne. Es behagte ihm sichtbar überhaupt nicht, plötzlich so im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. „Wie soll ich das denn machen?" flüsterte er ängstlich. „Lass dir was einfallen. Gib ihnen im Foyer Gutscheine. Zur Not schreibst du selbst welche auf irgendwelche Zettel", zischte Sean ihm zu. Dann wandte er sich wieder an die Zuschauer: „Bitte folgen Sie Marc ins Foyer, dort gibt's die Freikarten!" Das Publikum war zum Glück überraschend schnell versöhnt und verließ zügig das Theater, laut schwatzend und diskutierend. Zu meinem Ärger erkundigte sich nicht ein einziger von ihnen nach Clays Befinden.
Erneut flackerte ein grelles Blitzlicht auf. Und erst jetzt fiel mir der Mann mit der Profikamera auf, der unablässig Fotos von dieser unseligen Situation schoss. Marc verschwand mit einem vorwurfsvollen Blick auf Sean ins Foyer. Das Publikum folgte ihm ohne Ausnahme, alle waren wohl scharf auf ihre Freikarten. Endlich wurde es langsam ruhiger im Theatersaal.
Der Mann mit der Kamera wandte sich an Sean. Ich kletterte eilig auf die Bühne und ließ mich dicht neben Clay nieder. Er lag immer noch auf dem Rücken, kam aber anscheinend langsam zu sich. „Ist schon okay. Ist nichts weiter passiert, glaube ich", sagte Charlotte, die neben ihm hockte, und lächelte mich grüßend an. Ich lächelte zurück. Dann schaute ich besorgt auf Clay Banton. Charlotte hatte ihm den schwarzen Schal abgenommen. Er hatte eine kleine, blutende Wunde zwischen den Augen. Stöhnend hielt er sich den Kopf. „Was ist passiert?" fragte er leise, „Ich kann nicht..." Er versuchte ächzend, sich aufzusetzen. Sofort schoss ihm rotes Blut aus der Nase. „Wow! Nein! Bleib liegen!" entfuhr es mir erschrocken.
Charlotte und ich drückten ihn zurück auf den Boden. „Bleib ruhig liegen, Clay!" bat Charlotte ihn eindringlich. „Nein, ich will...", widersprach er verärgert und setzte sich auf. Wieder hielt er sich stöhnend den Kopf. Dann schmeckte er wohl das Blut, das ihm aus der Nase in den Mund lief. Verwundert wischte er sich mit den Fingern über das Gesicht und betrachtete dann völlig verwirrt seine blutverschmierten Hände. „Oh Fuck!" fluchte Clay, „Was..." „Leg dich wieder hin!" forderte ich ihn auf. Clay ignorierte mich. Er starrte eine Weile auf das Blut, dann verdrehten sich seine Augen und er sank rücklings zurück auf den Boden, als würde er ohnmächtig. „Fuck!" wiederholte er entsetzt, „Meine Nase! Was ist mit meiner Nase? Ist sie gebrochen?!" Seine Stimme war jetzt voller Panik. Nervös wälzte er sich auf dem Boden herum und stöhnte vor Schmerz und Angst.
Charlotte und ich hatten Mühe, ihn ruhig zu halten. Hilfesuchend schauten wir zu Sean, der immer noch unten vor der Bühne mit dem Mann mit der Kamera sprach. „Wow!" entfuhr es Charlotte, als sie den Mann erkannte. „Wer ist das?" fragte ich sie, „Ein Reporter?" „Nicht irgendeiner!" informierte sie mich, „Der kommt von ArtHouse! Ich hatte keine Ahnung, dass der heute im Publikum saß."
Gemeinsam betrachteten wir den Reporter der führenden Kunstzeitschrift, während wir den zappelnden Clay auf den Boden drückten. Bisher hatte ArtHouse sich noch nie für das Grenzland-Theater, geschweige denn für Sean Valmont oder seine Performance Psychotic Kühlschrank interessiert. Diese Off-Theater-Stücke waren eigentlich nicht ihr Ding, sie berichteten normalerweise nur über wirklich große Produktionen an renommierten Theatern.
„Das ist doch super!" sagte ich und schaute Charlotte an. Ihr Blick sagte etwas anderes. „Oder?" fragte ich vorsichtig. Sie lächelte gequält. „Ich weiß nicht, ob es so super ist, wenn der erste Bericht über uns im ArtHouse davon handelt, dass einer unserer Schauspieler ein potentieller Vergewaltiger ist!" erklärte sie mir seufzend. Ich verstand.
Mit aufkommender Wut taxierten wir Clay, der immer noch nackt auf dem Rücken zwischen uns lag, sich unruhig auf dem Boden herumwälzte und jammerte. „Was ist passiert?" stöhnte er panisch und atemlos, „Wie sehe ich aus? Ist meine Nase gebrochen?!" Charlotte holte tief Luft. „Sei doch um Himmels Willen nicht so verdammt eitel, Clay!" schrie sie ihn verärgert an und schlug ihn gegen die Rippen. Clays Augen weiteten sich ängstlich. Konfus sah er von Charlotte zu mir und hob schützend die Arme. „Was ist los? Was ist denn passiert?" wollte er wissen und betastete prüfend seine Nase. Er hatte wirklich keine Ahnung.
Seine mit schwarzem Kajalstift umrahmten Augen flackerten nervös. Sein weiß geschminktes Gesicht war jetzt voller Blut, das immer noch aus seiner Nase strömte, seinen Hals hinab auf den Boden tropfte und seine nackte Brust befleckte. Plötzlich tat dieser Mann mir leid. „Wir sollten was gegen das Nasenbluten tun", erklärte ich und kramte in meiner Jacke nach einem Taschentuch. Damit wischte ich Clay über das Gesicht, aber das Bluten hörte kaum auf. Er wich mir stöhnend aus. „Bleib liegen und rühr dich nicht!" fuhr ich ihn ungeduldig an. Schließlich gab er seine Gegenwehr auf und fixierte mich nur noch alarmiert. Das Taschentuch bewirkte allerdings nur, dass sich das warme Blut mit der schwarzen und weißen Schminke in seinem Gesicht vermischte. Clay sah jetzt aus, als wäre er wirklich schwer verletzt.
„Bist du ein Vergewaltiger, Clay Banton?!" fragte Charlotte ihn plötzlich geradeheraus mit wütend lauter Stimme. Er fuhr entsetzt zu ihr herum und starrte sie perplex an. „Was?!" entfuhr es ihm völlig fassungslos. „Du hast mich schon verstanden", meinte sie ziemlich geringschätzig. „Nein!" wehrte er entgeistert ab, „Nein, nein, ich bin kein Vergewaltiger! Natürlich nicht! Wie kommst du denn darauf?!"
Untergeben und vollends verwirrt irrte sein Blick von Charlotte zu mir und wieder zurück. Er war immer noch nackt und lag auf seinem Rücken, was eine sehr unterwürfige Position war, die ihm nicht viel Autorität verlieh. Als ihm das klar wurde, wollte er unbedingt aufstehen. „Ihr seid ja verrückt!" warf er uns vor, „Was ist denn mit euch los?" „Bleib liegen, verdammt!" fuhren wir ihn an und drückten ihn gewaltsam auf die Erde zurück. „Du bleibst jetzt liegen!" befahl Charlotte ihm lauthals. „Was willst du denn von mir, Charlie?!" fragte er sie atemlos voller Panik. „Bleib liegen, Clay!" wiederholte sie nur streng. Er sank auf den Boden zurück, stöhnte konfus und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf. „Ich weiß überhaupt nicht...", jammerte er leise und war dann still. Besiegt schloss er die Augen.
Ich betrachtete ihn nachdenklich mit einer Mischung aus Wut und Mitleid. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Typ die Steine nicht ohne Grund geworfen hatte. Aber hatte Clay wirklich versucht, dieses Mädchen zu vergewaltigen? Würde ich Clay das zutrauen? Oh ja! Ich würde ihm tatsächlich unter bestimmten Voraussetzungen fast alles zutrauen, wurde mir seufzend bewusst. Es gab keinen Zweifel daran, dass Clay Banton zu solchen kriminellen Taten durchaus fähig war. Immerhin war er heute erst dazu fähig gewesen, mich gewaltsam aus seiner Wohnung zu werfen.
Clay
Ich spielte an diesem Abend Psychotic Kühlschrank auf der Bühne im Grenzland-Theater, genau wie unzählige Male zuvor. Alles lief perfekt. Ich hatte diese Performance schon so oft gespielt, dass meine Rolle mir längst vollständig vertraut war. Ich kannte jedes Wort meines langen Textes auswendig. Es lief fast wie von selbst ab, ich war voll konzentriert und bekam von den Zuschauern nicht besonders viel mit. Außerdem war es dunkel im Publikum, ich konnte von der Bühne aus gerade mal die ersten Reihen erkennen. Ich konzentrierte mich auf diese schwierige Kampfchoreographie in der anstrengendsten Szene mit Sean. Alles funktionierte genau so, wie das Textbuch es verlangte. Wir kämpften sehr brutal zu der lauten Musik, aber ohne uns zu verletzen.
Danach verschwand Sean hinter der Bühne ins Dunkel. Ich folgte ihm in die Finsternis und zog mich hastig aus. Er verband derweil fachmännisch meine Augen. Ich versuchte wie immer, nach dem Kampf möglichst schnell wieder zu Atem zu kommen, denn den folgenden, langen Monolog musste ich sprechen, ohne dabei nach Luft zu schnappen. Mir blieben dafür nur wenige Minuten.
Es waren genau sieben Schritte bis an den Rand der Bühne, die ich im Kopf abzählte. Dann stand ich wieder einmal nackt vor den Leuten, blind, hörte Gekicher und Getuschel, spürte die Wärme des hellsten Scheinwerfers angenehm auf meiner Haut. Ich fühlte mich sehr wohl in diesem Moment, irgendwie aufgeputscht vom Adrenalin. Die Gewissheit, dass alle Augen auf mich gerichtet waren, dass diese Menschen meinen nackten Körper neugierig studierten, gab mir jedes Mal erneut einen ganz besonderen, irgendwie geilen Kick.
Ich breitete wie vorgeschrieben meine Arme seitwärts aus, streckte meinen Rücken und blieb zwei Minuten lang ganz ruhig stehen. Sean meinte, das würde die Spannung erhöhen, also gehorchte ich ihm. Langsam wurde es ganz still im Theater. Schließlich holte ich tief Luft und spielte mir förmlich meine Seele aus dem Leib. Ich war der psychotische Kühlschrank in diesem Moment. Es gab absolut nichts anderes mehr in meinem Kopf. Die Worte strömten wie von allein über meine Lippen, aus den tiefsten Winkeln meiner Seele. Ich war einsam und verzweifelt, präsentierte der Dunkelheit mein unverhülltes Innerstes und lieferte mich damit ihrer Bewertung aus. Ein Moment der unverhüllten Wahrheit. Ich hatte das Gefühl, dass mein Auftritt perfekt lief.
Aber im nächsten Moment ging plötzlich alles mit einem Schlag gegen meinen ungeschützten Körper kaputt. Ich spürte einen schmerzhaft harten Aufprall, ungefähr an meinem linken Hüftknochen, und taumelte erschrocken rückwärts. Ich hatte es zwar schon früher erlebt, dass Zuschauer Gegenstände nach mir warfen. Aber diesmal war es wirklich äußerst schmerzhaft, ich konnte es nicht einfach ignorieren. Irritiert wollte ich mir den Seidenschal von den Augen schieben, um nachzusehen, was passiert war. Gleich darauf wurde ich zum zweiten Mal getroffen. Etwas sehr Hartes prallte plötzlich brutal gegen mein Gesicht. Entsetzt, fast panisch versuchte ich mit meinen Händen, mich irgendwie zu schützen. Aber im nächsten Augenblick wurde mir auch schon rasend schwindelig und alles wurde schwarz. Ich verlor das Bewusstsein. Ich hatte keine Ahnung, was passiert war oder was mich getroffen hatte.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Rücken. Der Schal über meinen Augen war verschwunden. Charlotte und Eliza hockten neben mir und fauchten mich unfreundlich an. Die beiden Frauen hinderten mich gewaltsam am Aufstehen, und mein Schädel dröhnte so sehr, dass ich mich nicht gegen sie wehren konnte.
Ich brauchte eine Weile, um mich zu orientieren. Ich lag immer noch auf der Bühne, immer noch nackt, das helle Deckenlicht war angeschaltet. Mein Kopf schmerzte höllisch. Ich hatte das schreckliche Gefühl, mein Gesicht wäre völlig zerstört. Ich konnte kaum atmen. Warmes, metallenes Blut floss aus meiner Nase in meinen Mund, und ich geriet in Panik. Charlotte und Eliza wurden immer unfreundlicher, immer wütender auf mich, und ich konnte mir nicht erklären, warum. Hilfesuchend sah ich mich nach Sean um, konnte ihn aber nicht sehen. Ich bekam das Gefühl, jeden Moment den Verstand oder erneut das Bewusstsein zu verlieren.
Sean
Zu allem Unglück sprach mich der Reporter von ArtHouse an und wollte ein Interview mit mir machen. Unter anderen Umständen hätte mich nichts mehr erfreut, aber an diesem Abend war das einfach nur totaler Mist. „Ist an dem Vorwurf etwas dran, dass Clay Banton ein Vergewaltiger ist?" fragte der Reporter mich, „Wie erklären Sie sich diese Attacke mit den Steinen? Wie gehen Sie damit um, wenn sie derart angegriffen werden?" „Was ist das für eine merkwürdige Performance, dieses Psychotic Kühlschrank? Was soll das alles eigentlich bedeuten?" wollte er hartnäckig wissen, „Kommt es oft vor, dass Mitglieder Ihres Ensembles auf der Bühne angegriffen werden?"
Ich war wirklich nicht in der Verfassung, um charmant zu sein, ihm intelligent zu antworten, oder mich irgendwie geschickt aus dieser Affäre zu ziehen. Der brutale Angriff auf Clay hatte mich viel zu sehr geschockt. Diese hinterhältige Tat war mehr als unfair gewesen. Auf einer Bühne, nackt, angestrahlt von Scheinwerfern, war man so verflucht hilflos, so extrem ausgeliefert dem Publikum und vollkommen wehrlos. Dieser feige Typ, der tatsächlich zwei mittelgroße Steine auf Clay geworfen hatte, hätte nicht bösartiger handeln können. Auch wenn seine Wut vielleicht sogar berechtigt war.
Ich fragte mich unwillkürlich, ob tatsächlich etwas an diesem Vorwurf dran war. Und gleich darauf, je länger ich darüber nachdachte, hatte ich auch schon keinen Zweifel mehr daran. Offensichtlich hatte Banton wieder einmal richtig große Scheiße gebaut. So etwas passierte ihm. Und jetzt drohte meine Performance wegen diesem Mist in die negativen Schlagzeilen zu geraten. Es war so gut wie sicher, dass die Bilder und Videos dieses Vorfalls längst im Internet kursierten. Und ausgerechnet heute Abend musste auch noch ein Reporter von ArtHouse im Publikum sitzen!
Ich dachte verzweifelt, wahrscheinlich hat sich die ganze Welt gegen mich verschworen, und ich versuchte dabei charmant lächelnd, den Reporter zu beruhigen. Er war trotz seiner unangenehmen Fragen auf eine merkwürdige Art freundlich. Er war merkbar gierig auf eine gute Story, und diese pikante Sache kam ihm offensichtlich gerade recht. Psychotic Kühlschrank ist für ihn im Grunde uninteressant, dachte ich, und das machte mich ziemlich wütend. Aber ich zwang mich, mir nichts anmerken zu lassen, und lächelte ihn unentwegt an. Ich antwortete auf seine Fragen, so gut ich es eben konnte. Aber in dieser Situation konnte ich es überhaupt nicht gut. Ich wusste nichts von irgendeiner versuchten Vergewaltigung.
Als der Reporter neugierig mit Clay sprechen wollte, hielt ich ihn freundlich aber bestimmt zurück. Ich erklärte ihm, mein Bühnenpartner wäre im Moment nicht in der Lage, auf seine Fragen zu antworten. Charlotte auch nicht. Als Ersatz bot ich ihm einen Termin für ein Interview mit dem ganzen Ensemble am nächsten Montag an. Er war sofort einverstanden, ließ es zum Glück überraschend schnell gut sein und verließ endlich grüßend das Theater.
Eine Weile stand ich allein vor der Bühne und schaute ihm nachdenklich hinterher. Ich atmete tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Dann konnte ich plötzlich Clay hören, der auf der Bühne nach mir rief. Meine hilflose Wut konzentrierte sich in diesem Moment ganz auf Clay Banton. Zweifellos war es allein seine Schuld, dass dieser so vielversprechend begonnene Abend sich in einen bösen Albtraum verwandelt hatte. Dies war eine Katastrophe, deren Auswirkungen ich mir nicht einmal vorstellen wollte. Ich wusste in diesem Moment nicht einmal, ob wir je wieder Psychotic Kühlschrank spielen konnten. Ich bekam das dringende Bedürfnis, meine steigende Wut abzureagieren.
Mit ein paar Sätzen war ich auf die Bühne geklettert, wo Clay zwischen Charlotte und Eliza auf dem Rücken lag. Als er mich entdeckte, streckte er mir hilfesuchend die Arme entgegen. „Sean!" rief er verzweifelt. Seine Augen waren angstvoll weit aufgerissen und flackerten vor Schmerz und Panik. Ich betrachtete ihn geringschätzig. Sein Gesicht war voller Blut und schwarz-weißer Theaterschminke.
Ich hob die beiden Steine auf, die ich zurück auf die Bühne geworfen hatte. Es waren die runden, weißen Steine aus den schweren Blumenkübeln, die an der Bar im Foyer des Theaters standen. Der Werfer muss sie wohl von dort mit zur Bühne genommen haben, überlegte ich. Dann ging ich auf Clay zu, der mich vollkommen verwirrt anstarrte. „Sean!" wiederholte er kläglich, „Wie sehe ich aus? Ist meine Nase gebrochen?" Er war trotz dieser verdammten Katastrophe tatsächlich immer noch der eitle Schauspieler. Charlotte und Eliza verdrehten genervt die Augen. „Sein Aussehen ist alles, was ihn interessiert!" informierte Charlotte mich und schlug Clay gegen die Rippen. Er hob abwehrend die Hände und drehte sich von ihr weg zu mir.
Ich stand jetzt dicht über ihm und hielt ihm die Steine auf der flachen Hand hin. „Weißt du, was passiert ist, Clay?" fragte ich ihn laut. Er hielt sich stöhnend den Kopf. „Ich bin getroffen worden...", meinte er lahm. Dann fixierte er irritiert und alarmiert die Steine in meiner Hand. Anscheinend wurde ihm in diesem Moment klar, dass auch ich, neben den beiden Frauen, ihm zur Zeit nicht besonders wohlgesonnen war. Ich hob drohend meine Waffen hoch. „Ja, du bist getroffen worden, Clay, und zwar von diesen scheiß Dekosteinen!" brüllte ich ihn an und pfefferte einen der Steine dicht neben seinem Kopf mit Wucht auf den Bretterboden der Bühne.
Die Frauen schrien erschrocken auf und sprangen auf die Beine. Clay krächzte entsetzt: „Sean!" und versuchte hastig von mir wegzukriechen. Ich schleuderte den zweiten Stein und traf Clay hart an seinem nackten Hinterteil. „Das gibt aber hässliche blaue Flecken, Sean", bemerkte Charlotte trocken. Ich ignorierte sie und fing stattdessen damit an, Clay zu treten, der auf dem Boden vor mir wegrutschte, unentwegt jammerte und mich verwirrt und ängstlich anstarrte. Er hatte offenbar wirklich keinen Schimmer, was überhaupt los war. Clay Banton konnte sich meine Wut nicht erklären. Wenn ich nicht so wütend gewesen wäre, dann hätte er mir vielleicht leid getan in seiner Hilflosigkeit.
Aber so trat und schlug ich nur eine Weile auf ihn ein. Er war so angeschlagen, dass er mich kaum abwehren oder mir ausweichen konnte. Er keuchte nur, stöhnte vor Schmerz und Angst. Seine schwarz geschminkten Augen waren weit aufgerissen und flatterten nahezu vor Nervosität. Seine Nase blutete immer noch. Ich trieb ihn energisch vor mir her, bis zur Rückwand der Bühne, wo es für ihn nicht mehr weiterging. Einige Kulissen stürzten unterwegs um. Clay wimmerte jetzt nur noch, hatte sich irgendwie eingerollt und seinen Kopf schützend in den Armen vergraben.
Ich trat ihn noch ein paarmal, dann hielt Charlotte mich endlich zurück. „Hey, lass es gut sein, Sean! Der hat genug!" bat sie mich eindringlich. Ich guckte auf Clay, der tatsächlich angefangen hatte zu schluchzen. Plötzlich tat dieser dumme Mann mir leid. „Schon gut", lenkte ich ein und wandte mich Charlotte zu. „Ich fürchte nur, dieser Reporter von ArtHouse könnte uns echt Ärger machen", erklärte ich ihr seufzend. Sie nickte. „Wir müssen versuchen, das irgendwie abzuwiegeln. Wir müssen seine Aufmerksamkeit auf das Stück lenken, und weg von Clays Eskapaden", schlug sie vor. Sie behielt wie immer einen kühlen Kopf.
„Am Montag kommt er zum Interview mit uns hierher. Kommst du auch?" fragte ich. „Klar", meinte sie lächelnd und strich über meinen Arm. „Wir kriegen das schon hin, Sean. Mach dir keine Sorgen", versuchte sie mich aufzumuntern. Dann drehte sie sich herum und verließ die Bühne in Richtung der Garderobe. Ich stand dort, sah ihr nach und wünschte mir, ich könnte auch so optimistisch sein wie sie.
Eliza
Valmont war wirklich extrem wütend auf Clay. Er trat und schlug ihn äußerst gewalttätig, was ich Sean gar nicht zugetraut hatte und worüber ich dementsprechend erschrocken war. Clay konnte dem nichts entgegensetzen, und er tat mir beinahe leid in seinem Schmerz. Schließlich ließ Sean von ihm ab und redete mit Charlotte, die ihn zum Glück endlich zurückgehalten hatte. Ich ließ mich wieder neben Clay auf dem Boden nieder, der nun, immer noch nackt und zusammengekrümmt, an der Rückwand der Bühne lag, den Kopf schützend in den Armen vergraben.
„Hey, Clay, ist schon gut...", sprach ich ihm zu und strich ihm leicht über den Kopf. Er ließ die Arme sinken und guckte mich an. Er war sehr blass unter dem Blut und der ganzen Farbe in seinem Gesicht. Er schwitzte stark. Seine hübsche Nase blutete immer noch. „Liz...", stöhnte er hilflos, „Ich glaube, ich werde ohnmächtig..." Im nächsten Moment seufzte er merkwürdig und sackte in sich zusammen. Spucke lief aus seinem Mund, seine Augen verdrehten sich. Der verletzte Mann verlor wahrhaftig nochmal sein Bewusstsein.
In diesem Augenblick war all meine Wut auf Clay Banton völlig verraucht, denn er war so hilflos, wie man nur sein konnte. Und ich fühlte mich ihm schon wieder so überlegen. Dieses riesige Machtgefühl stellte sich aufs Neue ein, was ich so oft ausschließlich mit diesem Mann genoss. Voller neuer Zuneigung streichelte ich über seinen Kopf. Dann fühlte ich an seinem Handgelenk seinen Puls, der alarmierend schnell pochte. Ich beugte mich über seine nackte Brust und legte mein Ohr auf sein Herz, was kräftig schlug. Seine Haut fühlte sich heiß und nass an, er war blutbeschmiert.
„Was ist mit ihm los?" fragte Sean, der plötzlich neben uns stand. Charlotte war verschwunden. Ich sah zu ihm hoch. Er betrachtete Clay mit einer Mischung aus Wut und Mitleid. „Clay ist plötzlich ohnmächtig geworden", informierte ich ihn mit leisem Vorwurf. Sean lachte spöttisch. „Tatsächlich?" „Sein Herz schlägt so schnell", sagte ich leicht beunruhigt. Sean stieß abwertend die Luft aus. „Und wenn schon! Was machen wir jetzt mit dem Arsch?!" „Lass ihn uns in die Garderobe tragen. Wir legen ihn aufs Sofa", schlug ich vor. Sean betrachtete Clay eine Weile nachdenklich, dann war er einverstanden. Er fasste Clay energisch unter den Achseln, ich packte ihn mühsam an seinen Kniekehlen. Wir hoben den nackten, erschlafften Körper gemeinsam hoch. Er war ganz schön schwer.
In diesem Moment kam Vincent auf die Bühne, der Beleuchter. „Kann ich gehen, Sean?" fragte er mit einem spöttischen Blick auf Clays nackten Leib. Sean blies genervt die Luft aus. „Was denkst du denn? Dass wir heute noch das Stück weiterspielen, oder was?!" „Schon gut." Vincent hob abwehrend die Hände und wandte sich zum Ausgang. „Ich wünsche euch noch außergewöhnlich viel Spaß mit Mister Banton, ihr Zwei!" rief Vincent voller Hohn und verließ das Theater.
Sean und ich warfen uns einen irgendwie beschämten Blick zu. „Was meint er denn damit?" fragte ich. Sean zuckte die Achseln. „Was weiß denn ich!?" Wir trugen Clay langsam und in mühevoller Arbeit von der Bühne, dann die Treppe hinunter bis zur Garderobe, ohne uns anzusehen. Wir waren peinlich berührt. Wir wussten beide nämlich ganz genau, was Vincent gemeint hatte. Es war schließlich kein großes Geheimnis, dass wir beide sexuelle Kontakte mit Clay Banton hatten.
Verlegen trugen wir unsere Beute in die Garderobe und legten sie auf das alte Sofa, was dort stand. Die Garderobe war leer, anscheinend war Charlotte schon gegangen. Ich ließ mich dicht neben Clay nieder und wischte ihm mit meinem Taschentuch nochmal über das verschwitzte, blutige Gesicht. Ich überprüfte seine Nase, die glücklicherweise langsam aufhörte zu bluten. Sie war nicht gebrochen, soweit ich das beurteilen konnte.
Sean ging zu seiner Jacke, die über einem Stuhl hing, holte eine Schachtel Marlboro heraus, zündete sich eine Zigarette an und lief unruhig hin und her. „So eine Scheiße!" fauchte er nach einiger Zeit, „So eine verfluchte Scheiße aber auch!" „Was wollte denn dieser Reporter von dir?" erkundigte ich mich bei ihm. Sean fuhr wütend zu mir herum. „Was glaubst du wohl? Für den ist diese Vergewaltigungsgeschichte doch ein gefundenes Fressen! Der kann mir total schaden, wenn er will! Ich bin erledigt als Theaterregisseur!" „Warte doch erst mal ab!" versuchte ich ihn zu beruhigen. Er rauchte wütend und blies die Luft aus. „Er wird diese Szene in seiner Story erwähnen, Eliza! Für ihn ist das einzig Interessante an Psychotic Kühlschrank, dass einer der Darsteller der Vergewaltigung beschuldigt wird!" meinte er grimmig. Ich war erstaunt darüber, dass Sean seine eigene Arbeit so gering einschätzte.
Wir starrten beide eine Weile anklagend auf Clay. Er lag nackt auf dem Rücken auf dem Sofa. Seine Augen waren halb geschlossen. Er war ohnmächtig und rührte sich nicht. „Denkst du, an diesem Vorwurf ist etwas dran?" fragte ich Sean vorsichtig. Er antwortete nicht, aber sein Blick sprach Bände. Sean kannte Clay mindestens so gut wie ich, wahrscheinlich sogar besser, um ihm diese Sache auf jeden Fall zuzutrauen. Diese Dinge passierten Banton, weil er impulsiv und unvernünftig war, weil er immer nur an sein eigenes Vergnügen dachte. Wieder betrachteten wir Clays nackten Körper und schwiegen. Ich zündete mir eine Zigarette an. Dann ging ich zum Waschbecken, machte mein Taschentuch nass, lief zurück zum Sofa und versuchte, Clay das verschmierte Gesicht sauber zu reiben. Das klappte aber nicht besonders gut.
Sean lief immer noch nervös in dem kleinen Raum hin und her, der nur durch einige Lampen rings um einen großen Spiegel beleuchtet wurde. „So ein Mist! Warum muss dieser Mensch ständig so eine Scheiße bauen!?" fluchte er vor sich hin. „Dieser verdammte Vollidiot!" schimpfte er über Clay. Ich drehte mich interessiert zu ihm hin und beobachtete ihn.
Sean Valmont lief hin und her, rauchte nervös und ignorierte mich jetzt völlig. Er war vollends damit beschäftigt, seiner Wut über Clay und die missglückte Theateraufführung irgendwie Ausdruck zu verleihen. „Der macht mich total fertig, der Mann! Ich kann nicht mehr! Der zerstört mich noch mal völlig! Der macht mir alles kaputt, dieser Wichser! Aber ich komm einfach nicht von dem los!" klagte Sean nun verzweifelt. Er drehte mir dabei den Rücken zu und ich gewann den Eindruck, Valmont hätte auf einmal vollkommen vergessen, dass ich auch noch in der Garderobe war und dass ich alles hörte, was er sagte. Ich war überrascht, wie offen und ehrlich er sich äußerte. Und ich war noch mehr überrascht darüber, dass ihn anscheinend in Bezug auf Clay Banton ganz genau die gleichen Gefühle plagten, wie mich selbst. Irgendwie gerührt stand ich auf.
Eine Weile war es ganz still. „Ach, Fuck!" fauchte Sean hilflos und warf seine Kippe auf den Boden. „Warum hast du ihm Heroin besorgt?" fragte ich in die Stille hinein. Sean drehte sich zu mir um und guckte mich erstaunt an, beinahe erschrocken. Anscheinend hatte er meine Anwesenheit tatsächlich irgendwie ausgeblendet. Jetzt war er verlegen und verwirrt, weil ihm klar wurde, dass ich all seine intimen Geständnisse gehört hatte. „Was?" entfuhr es ihm zerstreut. „Warum hast du Clay Heroin besorgt?" wiederholte ich meine ernste Frage. Sean schloss die Augen und drehte sich von mir weg. „Es wäre besser für ihn, wenn er entziehen würde!" setzte ich hinzu. Ich musterte Sean, der eine Weile nur dort stand, die Augen geschlossen, tief atmend. Er wirkte sehr hilflos und plötzlich irgendwie begehrenswert auf mich. Ich hatte auf einmal das Bedürfnis ihn anzufassen, einfach zu ihm hinzugehen und Sean Valmont in meine Arme zu schließen.
Aber natürlich rührte ich mich nicht von der Stelle. Sean öffnete nach einiger Zeit seine hellblauen Augen wieder und fixierte mich lauernd. „Selbstredend ist es besser für ihn, wenn er entzieht", stimmte er mir leise zu. „Warum zum Teufel besorgst du ihm dann dieses scheiß Zeug!" fuhr ich ihn verständnislos an und machte einen Schritt auf ihn zu. Sean hob automatisch abwehrend die Hände. „Ich wollte doch nur, dass er heute Abend Theater spielen kann", erklärte er irgendwie beschämt und sah mich mit seinen schwarz geschminkten blauen Augen an. Sein Blick berührte mich auf irgendeine Weise. Sean sieht so unglaublich gut aus, dachte ich irritiert, er ist so verdammt sensibel. Wie konnte ich nur in Clays Wohnung so dermaßen gemein zu ihm sein? „Das war aber ziemlich egoistisch von dir!" warf ich ihm vor, um mich abzulenken.
Insgeheim rechnete ich es Sean hoch an, dass er nicht mal den Versuch machte, mich anzulügen und seine Schuld abzustreiten. Er respektiert mich zu sehr, um mich anzulügen, dachte ich beeindruckt. „Du musst das verstehen, Liz, diese Performance ist alles für mich! Da steckt mein ganzes Leben drin!" vertraute Sean mir an und ging an mir vorbei zum Sofa. Er stand dort und starrte auf Clay runter, der immer noch reglos auf dem Rücken lag. Dann seufzte Sean und wandte sich wieder zu mir. „Wenn ich allerdings vorher gewusst hätte, dass dieser Arsch mir heute Abend sowieso alles kaputtmacht, dann hätte ich ihm ganz sicher nicht seine blöde Lieblingsdroge gekauft." Er schaute mich traurig an. Ich betrachtete sein bildhübsches Gesicht und war ganz durcheinander von seiner Ehrlichkeit. Ich konnte mich nicht erinnern, dass dieser Mann je so offen zu mir gewesen wäre, sich mir so verletzlich gezeigt hätte.
Einige Zeit standen wir einfach so dort, sahen uns an und schwiegen. Nur ganz langsam näherte ich mich ihm. Sean bemerkte das, blieb reglos stehen und fing damit an, erwartungsvoll zu lächeln. Seine unmittelbare Nähe verursachte mir plötzlich Herzklopfen. Mir wurde ganz schwindelig, und das wollte ich auf keinen Fall akzeptieren. Ich versuchte mir einzuhämmern, dass Sean Valmont, so hübsch und begehrenswert er auch sein mochte, immer noch mein stärkster Rivale war.
„Wie war es denn mit Clay im Whirlpool?!" fragte ich ihn geradeheraus. Sein Lächeln starb augenblicklich. Er seufzte und schüttelte abwehrend den Kopf. „Was hast du denn gemacht, nachdem du aus dem Badezimmer gerannt bist, Sean? Hast du dir einen runter geholt?" fragte ich ihn herausfordernd in der Absicht, meine aufkommenden Gefühle für ihn zurück in vernünftige Bahnen zu lenken. Außerdem wollte ich ihn vielleicht dafür bestrafen, dass er, als offen schwuler Mann, solche Gefühle überhaupt in mir wecken konnte. „Nein, Liz, stell mir nicht solche Fragen", seufzte Sean und schüttelte weiter mit dem Kopf. „Warum denn nicht? Ist deine sexuelle Erregung dir peinlich?" wollte ich provozierend wissen. Er schüttelte weiter seinen hübschen Kopf und wich meinem Blick aus.
Danach war es abermals eine Weile still. Ich fragte mich plötzlich, warum ich schon wieder so gemein zu ihm war. Er war doch so offen zu mir gewesen, so ehrlich. Er wirkte so angreifbar und traurig. Warum zur Hölle hatte ich das dringende Bedürfnis, ihm wehzutun? Ich dachte verwirrt darüber nach, kam aber zu keinem Ergebnis.
Sean schaute nun erneut auf Clay runter. Ich folgte seinem Blick. Clay kam anscheinend endlich wieder zu sich. Er stöhnte leise und wälzte sich ziemlich langsam auf dem Sofa herum, die Augen halb geschlossen. Valmont atmete hörbar ein. „Ich sag dir jetzt, wie es ist", eröffnete er mir mit klarer Stimme, ohne den Blick von Clay abzuwenden. Interessiert guckte ich ihn von der Seite an. Der Mann wirkte jetzt sehr entschlossen, dennoch fiel es ihm merkbar nicht leicht, mir das Folgende zu sagen. „Jedes mal, wenn ich Clay Banton sehe, dann möchte ich ihm die Seele aus dem Leib ficken, so sehr liebe und begehre ich ihn!" erklärte Sean mir und sah mich herausfordernd an. Ich war noch zu perplex von seiner Offenheit und seiner Aussage. Mir fiel spontan keine Erwiderung ein. Sean grinste wütend und holte nochmal tief Luft. „Und jedes mal, wenn ich ihn sehe, dann möchte ich ihm gleichzeitig die Eingeweide rausprügeln, weil er so ein ignorantes Arschloch ist!" vollendete er sein Geständnis. Ich war ganz überwältigt von Seans Worten. „Mir geht es ganz genauso, Sean", flüsterte ich verwirrt.
Er lachte ziemlich grimmig, drehte sich kurzentschlossen herum und lief schnurstracks zum Waschbecken. Er nahm den Metalleimer unter dem Becken hervor und füllte ihn am Hahn mit kaltem Wasser. Nach einer Minute kam er zurück. „Höchste Zeit, ihn aufzuwecken", meinte er wütend und schüttete das Wasser mit einem Schwall über Clays Gesicht. Offensichtlich war Sean Vamont auf einmal darum bemüht, diese merkwürdige Vertrautheit zwischen uns, diese greifbare Verlegenheit zu einem Ende zu bringen. Ich stand dort und fühlte mich wie gelähmt. Noch nie hatte jemand meine Gefühle für Clay in Worte gefasst. Noch niemals waren sie mir selbst so klar gewesen. Ich hatte keine Ahnung gehabt.
Clay
Alles tat mir weh. Ich fühlte es, noch bevor ich erwachte. Es war ein Schmerz tief in mir und in jeder Faser meines Körpers. Ich konnte mich nicht erinnern, was passiert war. Ich wollte nie wieder aufwachen, aber der Schmerz wurde stärker. Ich stöhnte und versuchte, ihm irgendwie zu entkommen, was natürlich sinnlos war. Mir war kalt. Ich sehnte mich nach einem Versteck, einer dunklen, ruhigen Zuflucht.
Aber dann traf mich plötzlich literweise eisiges Wasser im Gesicht und ich fürchtete, ich würde ertrinken, und ich war mit einem Schlag wach. Ich riss erschrocken die Augen auf, musste sie aber sofort wieder schließen, weil mein Schädel zu zerplatzen drohte. Ich hob schützend die Hände vor mein Gesicht. Das Wasser war eisig kalt, mein Kopf, mein Hals und mein Oberkörper waren nass, was mich erschaudern ließ. „Was ist denn los?" fragte ich verwirrt. Meine Zunge klebte am Gaumen, mein Mund fühlte sich völlig trocken an. Ich habe keine shore mehr, dachte ich beunruhigt.
„Du bist in Ohnmacht gefallen, du blöde Tunte!" spottete jemand viel zu laut. Ich erkannte Seans Stimme und öffnete vorsichtig meine Augen. Er stand neben mir und guckte überheblich auf mich herunter. Stöhnend hielt ich mir den Kopf. Dann sah ich verwirrt, erschrocken meine Hände an, die voller Blut waren. „Was ist denn passiert?" wollte ich wissen, schluckte trocken und schaute ihn hilfesuchend an. Er grinste ziemlich gemein. Mir wurde bewusst, dass Valmont aus irgendeinem Grund sauer auf mich war. Der Gedanke machte mir Angst. Ich stöhnte nochmal und drehte mich herum, um mich zu orientieren. Anscheinend lag ich auf einem Sofa, immer noch nackt, auf dem Rücken. Ich erkannte die Garderobe des Grenzland-Theaters und Eliza. Sie stand neben Sean und fixierte ihn ganz merkwürdig. Warum schaut sie ihn so an, dachte ich irritiert, warum hilft sie mir nicht?
„Du hast meine Performance kaputtgemacht, Clay, erinnerst du dich?!" warf Sean mir hart vor und ließ sich dicht neben dem Sofa auf den Boden sinken. Wütend und anklagend starrte er mich an. Ich fühlte mich vollkommen ausgeliefert und hilflos. Ich war nackt, mir war kalt, und alles tat mir weh. Mein Kopf ruhte auf der Sofalehne, und ich schaute mir verwirrt meinen Körper an. Meine Brust war nass und blutig. Ich hatte eine Platzwunde am linken Hüftknochen, die ziemlich schmerzte. Mein Schwanz sah winzig aus, irgendwie eingezogen, und ich schämte mich für ihn. „Kannst du dich an irgendwas erinnern?" drängte Sean mich deutlich ungeduldig. Ich versuchte, mich zu erinnern. Mein Kopf fing an zu dröhnen.
Langsam erinnerte ich mich an Psychotic Kühlschrank, meinen perfekten Auftritt heute Abend. Ich erinnerte mich aber auch an harte Gegenstände, die mich an der Hüfte und am Kopf getroffen hatten. Stöhnend richtete ich mich auf dem Sofa auf. „Ich habe überhaupt nichts kaputtgemacht! Ich bin angegriffen und verletzt worden!" verteidigte ich mich, und die Erinnerung schlug beinahe körperlich auf mich ein. Panisch griff ich nach meinem Gesicht, um zu überprüfen, ob es ernsthaft entstellt war. „Wo kommt das ganze Blut her? Ist meine Nase gebrochen?" fragte ich atemlos. Sean zischte wütend und packte mich hart am Oberarm. „Nein, deine scheiß Nase ist nicht gebrochen, Banton! Ist das alles, was dich interessiert?!" schrie er mich an und knuffte mich äußerst unfreundlich, „Stell dich nicht so an! Du bist von scheiß Steinen getroffen worden und nicht von einer Atombombe!" „Steine?" „Ja, zwei scheiß Deko-Steine aus dem Foyer!" „Warum haben die im Foyer so große Steine liegen? Das ist ja gefährlich!" beschwerte ich mich und warf einen hilfesuchenden Blick auf Eliza. Aber sie stand nur dort und starrte immer noch Sean an. Sie war völlig in Gedanken versunken und schien mich gar nicht wahrzunehmen. Was zur Hölle ist hier los, fragte ich mich.
Meine Angst wuchs, als ich Seans vor Wut funkelnden Augen sah. Ich fühlte mich ihm hilflos ausgeliefert und das kotzte mich ganz schön an. Außerdem tat mir alles weh. Ich hatte das dringende Bedürfnis, sofort mehr als einen Chinesen zu rauchen.
„Sean", sagte ich hilflos und wich seinem wütenden Blick aus, „Es tut mir leid." „Natürlich!" spottete er, „Es tut dir ja immer leid, Clay, jedes mal!" Wieder knuffte er mich schmerzhaft. Ich guckte ihn beschissen unterwürfig an. „Es tut mir leid, Sean! Was soll ich denn sagen? Ich habe das doch nicht extra gemacht! Ich habe mir heute wirklich Mühe gegeben und ich war richtig gut auf der Bühne! Ich weiß nicht, warum jemand Steine auf mich wirft, verdammt!" machte ich den mühsamen Versuch, Sean zu beschwichtigen. Aber er lachte nur grimmig.
„Weißt du das wirklich nicht?" meldete sich plötzlich Eliza zu Wort. Sofort wandte ich mich ihr zu. Ich schaute sie intensiv an, in der Hoffnung, dass sie mir beistehen würde. Es war Seans Performance und er war verflucht empfindlich mit seiner Arbeit. Aber Eliza würde mich vielleicht besser verstehen. Sie würde vielleicht Mitleid mit mir haben, hoffte ich. Aber nur ein einziger Blick ihrer braunen Augen genügte mir, um mich eines Besseren zu belehren. Scheiße, dachte ich, Scheiße, die haben sich beide gegen mich verschworen! Diese Gewissheit machte mir augenblicklich eine Heidenangst. Mein Herz klopfte hart. Ich stöhnte verwirrt und guckte hilflos von einem zum anderen.
„Weißt du das wirklich nicht, Clay?" wiederholte Sean drohend und ließ mich endlich los. Nun standen beide neben dem Sofa und starrten feindselig auf mich runter. Ich setzte mich auf und bemühte mich, größeren Abstand zu ihnen zu gewinnen, indem ich auf dem nassen Sofa nach hinten rutschte. „Was ist denn nur los?" fragte ich unsicher mit trockener Kehle, „Was wollt ihr denn eigentlich von mir?" Misstrauisch blickte ich von Sean zu Eliza. Beide taxierten mich schweigend, was mich fast verrückt machte.
Das Schweigen wurde immer bedrohlicher, und ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen, als rücklings zum Ende des Sofas zu rutschen. „Ich... muss jetzt gehen...", sagte ich schließlich leise, ohne sie anzusehen, und wollte aufstehen. Ich wollte so schnell wie möglich aus diesem Irrsinn entkommen, einfach rausgehen, die scheiß Garderobe verlassen und mir auf der Stelle shore besorgen. Ich hatte das dringende Verlangen nach Heroin, nach irgendetwas, was meinen Schmerz zuverlässig betäuben würde. Ich konnte es nicht länger aushalten, von Sean und Eliza so subversiv bedroht zu werden. Ich hatte echt keinen Schimmer von ihren Gründen und ich wollte sie auch gar nicht wissen. Ich wollte nur noch weg. So schnell wie möglich. Sofort.
Aber kaum stand ich endlich auf meinen viel zu wackeligen Beinen, da sprang Valmont mich auch schon förmlich an und riss mich zurück auf das Sofa. Er schlug mich erneut und kam dann irgendwie auf meinem Bauch zu sitzen. Wütend starrte er auf mich runter und hielt brutal meine Arme fest. „Du bleibst jetzt hier, Freundchen!" zischte er mich drohend an. „Nein! Lass mich los, Sean!" stöhnte ich, „Lass mich gehen!" „Du bleibst hier und redest mit mir!" beharrte Sean viel zu laut. „Was willst du denn hören?!" schrie ich aufgebracht.
Alles drehte sich. Mir war schwindelig und mir wurde schlecht von seiner rauen Behandlung. Ich hatte jetzt wirklich Angst vor diesem zornigen Mann. Meine Augen fingen an zu flattern. „Ich will endlich die Wahrheit hören!" verlangte Sean überdeutlich. Ich starrte ihn konfus an. Mein Schädel drohte wieder zu zerplatzen. Ich stöhnte und atmete schwer. „Ich weiß überhaupt nicht, was du von mir willst", seufzte ich hilflos und musste die Augen schließen. Ich merkte, dass ich es nicht mehr aushalten konnte, dass Sean so brutal zu mir war. Ich hatte keine Ahnung, was zur Hölle ich ihm angetan oder womit ich seine Behandlung verdient hatte. Ich lag einfach so dort und wollte am liebsten auf der Stelle kotzen oder sterben.
Sean
Irgendwann saß ich auf seinem nackten Bauch, er unter mir auf dem Sofa. Ich war über ihn gebeugt und hielt seine Arme fest. Ich versuchte zu erraten, ob er nur so tat, oder ob er wirklich keine Ahnung hatte, was um ihn herum geschah. Immer wieder beteuerte er, dass er nicht wüsste, was ich von ihm wollte. „Sag mir jetzt einfach die Wahrheit, Clay", wiederholte ich ruhiger. Er guckte mich mit nervös flatternden Augen defensiv an. Ich konnte seine Angst vor mir förmlich spüren, und das gefiel mir ungemein. Ich fühlte mich ihm haushoch überlegen. Und das war ich in diesem Moment auch, denn Clay war äußerst angeschlagen von diesem Steine-Angriff.
Außerdem konnte ich mir ausrechnen, dass die shore langsam ihre Wirkung verlor. Ich konnte es ja selbst spüren, wie die beruhigende, angenehme Wärme des Heroins sich langsam vollständig aus meinem Körper verflüchtigte. Ich war in der Lage, mich damit abzufinden, aber Clay war nahe daran, dringend einen neuen Nachschub zu benötigen. Der Stress, dem er ausgesetzt war, schien seinen Entzug zu beschleunigen. Aber nun hatte ich ihn in der Hand, er war mir hilflos ausgeliefert, und das genoss ich eine Weile sehr. Einen langen Moment stellte ich mir unwillkürlich vor, ihn hier und jetzt flachzulegen.
Aber dann brachte sich plötzlich Eliza in Erinnerung, indem sie sagte: „Vielleicht kann er sich tatsächlich nicht erinnern, Sean." Clay schaute sofort hoffnungsvoll zu ihr hin. „Ja genau, ich kann mich nicht erinnern, ich kann mich überhaupt nicht erinnern!" beteuerte er. „Halt's Maul!" fuhr ich ihn genervt an, auf einmal wütend, weil Eliza auch in diesem Raum war und damit einen heißen, brutalen Fick mit Clay unmöglich machte.
Jetzt ließ sie sich auch noch dicht neben Clay auf das Sofa sinken und strich ihm beruhigend über das Gesicht, was immer noch voller Blut und Schminke war. „Hast du wirklich keine Ahnung, warum der Typ die Steine auf dich geworfen hat, Clay? Kannst du es dir denn nicht wenigstens denken?" wollte sie viel zu sanft von ihm wissen. Clay schüttelte den Kopf. „Ich weiß gar nichts! Welcher Typ denn? Ich habe doch gar nichts gesehen!" betonte er mit rauer Stimme. Dann schaute er wieder zu mir. „Ehrlich, Sean, ich weiß gar nicht..." „Du hast seine Freundin vergewaltigt, du blödes Arschloch!" unterbrach ich ihn lauthals.
Im nächsten Augenblick herrschte Totenstille. Ich konnte ihn unter mir nach Luft schnappen fühlen. Er starrte mich mit aufgerissenen, schwarz geschminkten Augen an, vollkommen geschockt, verwirrt und nicht in der Lage, sich irgendwie clever aus dieser Anschuldigung herauszuwinden. Clay Banton war in diesem Moment so verwundet, wie man nur sein konnte. Er war unfähig zu einem klaren Gedanken. Er war unfähig, sich mir zu entziehen, mir auch nur irgendwas entgegenzusetzen. Er konnte mich nicht mal mehr anlügen. Plötzlich fand ich ihn wieder ziemlich sexy und musste meinen Blick abwenden. Ich schaute Eliza an, die irgendwie fasziniert Clays heftige Reaktion beobachtete.
Er brauchte ziemlich lange, um meine Information zu verarbeiten. Dann atmete er tief. „Ich habe noch niemals...", fing er ruhig an und hustete trocken. Interessiert betrachteten wir ihn. Er setzte erneut an, seine Stimme war nun sehr leise, sie zitterte. „Ich habe noch niemals... noch nie in meinem ganzen Leben... auch nur irgendjemanden vergewaltigt", behauptete er vollkommen überfordert. Zu meiner Überraschung rollte eine Träne aus seinem Auge über sein Ohr auf das Sofa. Dann schloss er die Augen und schluchzte unterdrückt.
Ich ließ seine Arme los und richtete mich auf. Plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr so wohl in meiner Machtposition. Unsicher warf ich einen Blick auf Eliza, die immer noch Clay ansah, dann aber ihre Augen auf mich richtete. „Was hältst du davon?" wollte ich von ihr wissen. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht." Anscheinend war sie plötzlich genauso unsicher wie ich.
Langsam stand ich vom Sofa auf. Clay drehte sich sofort von uns weg auf die Seite und vergrub seinen Kopf ins Polster, so gut das ging. Er schluchzte leise. Eine ganze Weile standen wir einfach so dort und sahen ihn an. „Vielleicht sollten wir später noch mal mit ihm darüber reden?" schlug Liz vor, und ich nickte zustimmend. Ich war plötzlich sehr müde. Ich hatte keine Lust mehr auf diese hässliche Auseinandersetzung. Vielleicht hatte Clay Banton wirklich keine Ahnung. Womöglich hatte er seine kriminelle Tat einfach vergessen. Oder vielleicht hatte dieser Typ die Steine auch nur auf ihn geworfen, weil er meine Performance so schlecht fand. Ich konnte ohnehin nichts mehr daran ändern, was an diesem Abend passiert war. Langsam, resigniert ging ich zum Spiegel und fing damit an mich abzuschminken.
Eliza
Ich hockte mich neben Clay, der immer noch nackt auf der Couch lag, und strich ihm beruhigend über den zuckenden Rücken. Er ignorierte meine Berührung, deshalb streichelte ich seinen nassen Kopf und seinen muskulösen Nacken. Er lag auf der Seite, mir abgewandt. Ich sah mir seinen Rücken und seinen hübschen Hintern an. Dort, wo Sean ihn mit dem Stein getroffen hatte, bildete sich ein dunkler Bluterguss.
Clay Banton reagierte nicht wirklich auf mich, aber mit der Zeit wurde sein Schluchzen weniger, bis er endlich damit aufhörte und bewegungslos da lag. „Ist schon gut, Clay, beruhige dich doch", flüsterte ich leise. Er drehte sich sehr langsam zu mir herum und blickte mich traurig an. Sein Gesicht war nass, voller Farbe und getrocknetem Blut. Seine Augen waren vom Weinen gerötet. „Gar nichts ist gut, Eliza", sagte er heiser. Dann streckte er die Hand aus. „Bitte gib mir was zu trinken!" bat er mich eindringlich. „Ich habe nichts", antwortete ich bedauernd. Er zeigte zu den Schränken. „In meinem Spind", informierte er mich müde. Ich stand auf und ging zu seinem Schrank. Auf dem Weg warf ich einen Blick auf Sean. Der stand mit dem Rücken zu mir am Waschbecken und wusch sich wohl das Gesicht.
Das Vorhängeschloss an Clays Schrank war offen, deshalb konnte ich die schmale Tür aufklappen. Die kleine Flasche Mineralwasser fiel mir sofort ins Auge. Ich nahm sie, klappte den Schrank wieder zu und ging zurück zum Sofa, wo Clay mich schon sehnsüchtig erwartete. Er richtete sich auf, riss mir die Flasche förmlich aus der Hand, drehte sie auf und trank gierig mit großen Schlucken Mineralwasser. Natürlich verschluckte er sich und hustete haltlos. Er spuckte und rang nach Luft. Ich klopfte ihm lächelnd auf den nackten Rücken. „He, nicht so gierig", tadelte ich ihn sanft.
„Gib mir was zu rauchen!" forderte er mich auf, als er wieder Luft bekam. Ich überhörte seinen befehlenden Tonfall und gab ihm eine Zigarette und Feuer. Er rauchte tief mit zitternden Fingern. Überhaupt zitterte er jetzt am ganzen Leib. Er war nackt, und erst jetzt fiel mir auf, wie kalt es in dieser Garderobe war. Der Mann fror so stark, dass sein teils nasser Körper sich mit einer Gänsehaut überzog. Voller Mitleid beobachtete ich ihn eine Weile. Dann ärgerte ich mich, weil ich schon wieder nicht mehr halb so wütend auf ihn war, wie ich es hätte sein sollen. Ich darf ihn nicht so leicht davonkommen lassen, hämmerte ich mir ein. Ich will jetzt wissen, ob er mich anlügt.
„Warum hast du mich so gewaltsam aus deiner Wohnung geworfen?" fragte ich ihn und taxierte ihn eindringlich. Er seufzte tief, zog an seiner Zigarette und wich meinem Blick aus. „Sag es mir, Clay", forderte ich ihn drohend auf, „Sag mir die Wahrheit!" Er stöhnte genervt und warf mir einen Blick zu. „Mir ist echt kalt, Liz! Wo sind meine Sachen? Kannst du mir nicht meine Sachen holen?" versuchte er abzulenken. Ich schlug ihn verärgert gegen die Brust. „Nein, ich hole dir deine scheiß Sachen jetzt nicht! Ich möchte jetzt nur noch die Wahrheit von dir hören, kapiert?!" Erneut wollte ich ihn gegen die Brust schlagen. Er wehrte mich ab und versuchte aufzustehen. „Ich muss mir was anziehen...", informierte er mich abweisend. Energisch packte ich ihn am Arm und zog ihn ruckartig zurück auf das Sofa, bis er dicht neben mir zum Sitzen kam. „Eliza...", protestierte er hilflos. „Warum hast du mich so dermaßen brutal aus deiner scheiß Wohnung geworfen, Banton?" wiederholte ich meine Frage laut und überdeutlich.
Clay begriff, dass er mir nicht ausweichen konnte. Er stöhnte gequält und hielt sich den Kopf. Er brauchte viel zu lange, um eine plausible Antwort zu finden. Ich bekam den Eindruck, dass er sich kaum noch an diesen bösen Vorfall in seiner Wohnung erinnern konnte, als er mich brutal gegen die Wand geschubst hatte. Das machte mich ziemlich wütend.
„Ich wollte dir nicht wehtun...", antwortete er endlich irgendwann zögernd und guckte mich unterwürfig an. Er rauchte tief und hustete dann. Ich zog wütend die Luft ein. „Du wolltest mir nicht wehtun?! Soll das ein Witz sein?!" fauchte ich ihn an. Seine immer noch schwarz geschminkten Augen zuckten nervös. „Wenn ich dich verletzt habe, dann tut es mir leid", erklärte er leise, ohne mich anzusehen. Offenbar wollte er schon wieder aufstehen und sich so meiner Anklage entziehen. Ich packte ihn hart am Arm und riss ihn zurück. Er seufzte und hielt sich den Kopf. Ich starrte ihn böse an. „Du hast mich total gewalttätig aus deiner scheiß Wohnung geworfen, Clay! Du hast mich brutal gegen deine Wand geschubst! Und jetzt fragst du mich ernsthaft, ob mich das verletzt hat?!" „Eliza..", stöhnte er überfordert, zog an seiner Zigarette und warf sie danach auf den Boden, „Bitte, lass es doch gut sein."
Als Antwort darauf lachte Sean plötzlich laut auf. Ich drehte mich zu ihm hin. Er stand am Waschbecken, offenbar fertig abgeschminkt. Er war gerade dabei, sich das schwarze Sweatshirt über den Kopf zu ziehen, was zu seinem Bühnenoutfit gehörte. „Was gibt es da zu lachen?" fuhr ich ihn an. Er hob die Schultern und grinste. „Wahrscheinlich gar nichts", meinte er und zog sich das Sweatshirt aus. Eine Weile schaute ich ganz automatisch auf seine hübsche, gänzlich unbehaarte Brust, den muskulösen Bauch. Dann riss ich mich von diesem erbaulichen Anblick los und sah wieder Clay an. Der lächelte amüsiert, weil er meinen Blick auf Seans nackten Oberkörper bemerkt hatte. Das machte mich verlegen, und ich packte ihn wieder am Arm.
„Warum hast du mich rausgeworfen, Clay? Ich möchte das jetzt endlich wissen, hörst du?!" wiederholte ich laut. Clay zögerte einen Moment, dann fixierte er mich plötzlich entschlossen. „Ich wollte ungestört mit Sean ficken", erklärte er mir merkbar aufmüpfig. Er sagte das natürlich, um mich zu provozieren, das wusste ich sofort, und selbstverständlich hatte er großen Erfolg damit. Augenblicklich war meine Wut auf ihn wieder da. Ich zog scharf Luft ein.
Sean quittierte Clays Aussage mit einem lauten Lachen und rief: „Hört, hört!" Ich warf ihm einen wütenden Blick zu, und er verstummte. Clay grinste mich jetzt herausfordernd an. Nur seine nervös flatternden Augen passten nicht so recht zu seiner plötzlich gespielten Stärke. Ich kannte den Blick seiner Augen zur Genüge. Es war dieser irre Ausdruck, die beginnende Panik, wenn sein Entzug nicht mehr sehr weit weg war. Clay Banton ist wieder heroinabhängig, wurde mir brutal bewusst, und er lügt mich an. Ich ließ resigniert seinen Arm los. Er stand sofort auf, rang um Gleichgewicht und blickte dann zu mir herunter, immer noch trotzig und herausfordernd. „Ja, ich wollte unbedingt mit Sean Valmont ficken, Liz. Ich ficke nämlich verdammt gerne mit Sean, und deshalb habe ich dich aus meiner Wohnung geworfen! Bist du jetzt zufrieden?!" Aufsässig starrte er mich an und wartete auf meine Antwort. „Nein, bin ich nicht!" entgegnete ich nach einiger Zeit cool und stand ebenfalls auf. Clays Augen zuckten ängstlich, und er wich tatsächlich einige Schritte vor mir zurück. Offenbar hatte er Angst, dass ich ihn jetzt wieder schlagen würde. Aber ich lächelte ihn nur müde an.
„Das stimmt nicht, Clay. Du lügst mich dreist an. Und das wissen wir alle hier ganz genau!" setzte ich ihm vollkommen ruhig auseinander. Damit nahm ich ihm allen Wind aus den vorgespielten Segeln. Clay wurde durch meine Worte verwirrt und verunsichert. Er sah hilfesuchend zu Sean hin. Dieser Blick machte mich noch wütender. Warum zur Hölle muss er sich jetzt ausgerechnet von Sean Hilfe versprechen, fragte ich mich. Warum gibt er nicht einfach zu, dass ich recht habe? Warum entschuldigt er sich nicht einfach bei mir? Aber Clay sah Sean an, und Sean schüttelte liebevoll lächelnd seinen Kopf. Da war es wieder, dieses unzerstörbare, unsichtbare, starke Band zwischen den beiden Männern! Ich hätte auf der Stelle ausrasten können! In diesem Moment hatte ich mit einem Schlag keine Lust mehr, mich überhaupt noch mit Clay Banton zu beschäftigen. Sollte er von mir aus doch zur Hölle fahren!
Clay schaute wieder zu mir, und mein Gesichtsausdruck veranlasste ihn augenblicklich dazu, noch weiter vor mir zurückzuweichen. Er ging rückwärts und trat dabei auf eine wohl noch glimmende Kippe, die auf dem Boden lag. Augenblicklich schrie er schmerzerfüllt auf und hielt sich den rechten Fuß fest. Die heiße Kippe hatte eine Brandwunde auf seiner nackten Fußsohle hinterlassen. Auf einem Bein hüpfend und laut fluchend bewegte er sich durch die Garderobe. Das geschieht dir recht, du verdammter Lügner, dachte ich gehässig.
In diesem Moment verlor Clay sein mühsames Gleichgewicht und stürzte laut polternd zu Boden. Er krachte irgendwo zwischen Couch und Wand runter und blieb dort stöhnend liegen. Sean und ich sahen uns eine Weile spöttisch grinsend an. Dann ging ich neugierig die paar Schritte zu Clay hin und schaute auf ihn hinunter. Er lag nackt auf dem Boden und stierte ziemlich konfus zu mir herauf. „Ich muss mich anziehen...", sagte er ganz leise. „Natürlich musst du das!" fuhr ich ihn an. Ich fand es zum Kotzen, dass Clay jetzt einfach zur Tagesordnung überging, nur weil er mit dieser Situation und meiner Wut überfordert war. Ich beugte mich energisch zu ihm herunter. Sofort hob er schützend seine Arme hoch, als würde er neue Schläge von mir erwarten. Er hat tatsächlich Angst vor mir, merkte ich nicht ohne Genugtuung.
„Was willst du denn von mir hören, verdammt!" jammerte Clay lauthals los, „Was willst du denn von mir?!" Ich betrachtete ihn geringschätzig. „Gar nichts, Banton, ich will überhaupt nichts mehr von dir, das kannst du mir glauben!" Clay hielt sich jetzt wieder den Kopf und stöhnte. „Ich verstehe dich nicht, Liz", bemerkte er verwirrt. „Ich wollte nichts weiter, als die Wahrheit von dir hören. Aber das ist jetzt egal", erklärte ich ihm ruhig.
Er lag dort nackt in dieser schmutzigen Ecke auf dem Boden und schaute mich defensiv an. Dieser Mann sah jetzt sehr kaputt und angeschlagen aus. Und er war sichtbar vollkommen konfus. „Liz, ich...", setzte er nach einer Weile an, aber ich unterbrach ihn sofort rau: „Spare dir weitere Lügen, Clay! Ich möchte von dir jetzt nichts mehr hören!" „Aber ich...", protestierte er leise. „Hör mir gut zu!" fuhr ich ihn an. Er verstummte und betrachtete mich völlig verständnislos. Ich guckte ihm geradewegs in die dunklen Augen. „Sollte dir noch ein einziges mal einfallen, nachts um drei mit Steinen nach meinem Fenster zu werfen, dann hol ich die Polizei und lass dich verhaften, ist das klar?!" informierte ich ihn gefährlich leise. Clay zuckte zusammen und starrte mich ungläubig an. Er sah jetzt wirklich aus, als hätte ich ihm gerade sein Herz aus dem Leib gerissen, und ich musste einen Moment mit aufkommendem Mitleid kämpfen.
Aber gleich darauf hatte ich mich auch schon wieder gefasst und drehte mich entschlossen zur Tür. „Und jetzt kannst du von mir aus mit Sean ficken, bis du tot umfällst!" betonte ich gehässig und warf Sean einen Blick zu, der immer noch am Waschbecken stand und uns interessiert beobachtete. Sean lächelte mich mit einer Mischung aus Anerkennung und Überraschung an. Jetzt hast du es ihm aber gegeben, sagte sein Blick deutlich. Ich atmete tief durch und verließ schnurstracks die Garderobe, ohne mich noch ein einziges Mal nach Clay umzusehen. Mir war plötzlich ein wenig schwindelig. Ich fühlte mich auf einmal ganz merkwürdig befreit. Ich zündete mir eine Zigarette an. Erst draußen merkte ich, dass meine Hände zitterten.
Clay
Frau Laser drehte komplett durch. Der Vorwurf kam von Sean, dieser Typ hätte mich mit Steinen beworfen, weil ich seine Freundin vergewaltigt hätte. Diese Information lastete schwer auf mir. Ich war nicht in der Lage damit umzugehen. Ich konnte mich an so einen Vorfall nicht erinnern und das beunruhigte mich enorm.
Frau Laser tröstete mich zuerst, holte mir sogar Wasser und gab mir eine Zigarette. Sie streichelte mich ein wenig. Aber gleich darauf änderte sie plötzlich ihre Meinung und erinnerte mich an Ereignisse, an die ich nicht denken wollte. Sie wurde sehr böse, knurrte und fauchte mich an, hielt mich fest und versuchte mich zu schlagen. Sie wollte unbedingt wissen, warum ich sie aus meiner Wohnung geworfen hatte, was mich echt nicht interessierte. Hör doch um Himmels Willen auf mit diesem unwichtigen Scheiß, dachte ich total genervt, ich habe jetzt wahrhaftig ganz andere Sorgen! Irgendjemand lief anscheinend herum und behauptete, ich wäre ein widerlicher Vergewaltiger! Das war kein Spaß mehr. Damit konnte ich mich nicht so einfach abfinden.
Aber Eliza ließ es mal wieder nicht gut sein. Sie nervte mich extrem mit diesem Mist, und ich wollte sie mir irgendwie vom Hals schaffen. Also antwortete ich ihr letztlich mit dem Satz, von dem ich wusste, dass er sie am meisten ärgerte: Ich wollte ungestört mit Sean ficken. Selbstverständlich wurde sie deswegen noch wütender. Sie behauptete, ich würde lügen, dabei tat ich das nun wirklich nicht. Doch Laser drehte durch, funkelte mich zornig an und rächte sich auf der Stelle, indem sie böse Dinge zu mir sagte. Damit ging sie mir viel tiefer unter die Haut, als mir lieb war, und ich lief planlos in diesem Zimmer herum.
Auf der Flucht vor ihr trat ich auch noch in eine glimmende Kippe, verbrannte mir die nackte Fußsohle und kippte schmerzhaft in eine Ecke der Garderobe. Mir war immer noch saukalt, ich war nackt und verletzt. Es ging mir wirklich nicht gut. Der Affe klopfte immer lauter an meine Tür, was mich total irritierte, denn eigentlich hätte das Heroin viel länger wirken müssen. Es war wohl der immense Stress, der die beruhigende Wirkung der Droge zum Teufel schickte. Ich hatte die ganze Zeit keinen blassen Schimmer, was diese Frau eigentlich von mir hören wollte.
Letztendlich wollte sie gar nichts mehr hören. Sie war tödlich beleidigt. Mit ihrer Androhung, sie würde die Polizei holen und mich verhaften lassen, wenn ich das nächste Mal bei ihr zu Hause auftauchen würde, traf sie mich unerwartet hart, ganz tief in meiner Seele. Darauf war ich nicht vorbereitet. Mir wurde schwarz vor Augen und ich sank unwillkürlich in mich zusammen.
Ich lag eine endlose Zeit auf dem harten, dreckigen Boden dieser Garderobe, dann fing ich an zu kotzen, ganz überraschend. Ich drehte mich zur Seite und kotzte mir fast die Eingeweide aus dem Körper. Aber weil ich schon sehr lange nichts mehr gegessen hatte, kam eigentlich nur Spucke und Galle hoch, was sich ziemlich widerlich anfühlte. Ich würgte eine Weile herum, dann knurrte Sean irgendwann: „Mann, jetzt krieg dich mal wieder ein!" Und ich beruhigte mich tatsächlich und drehte mich, auf dem Boden hockend, mühsam zu ihm um. Er stand neben dem Waschbecken und betrachtete mich geringschätzig. Einen Moment sahen wir uns nur an. „Steh schon auf, Banton! Wasch dich, du siehst zum Kotzen aus!" meinte Sean unfreundlich. „Mir ist auch zum Kotzen!" erklärte ich ihm beleidigt und versuchte mühsam, auf die Beine zu kommen.
Eliza war inzwischen verschwunden, wie ich mit einem Rundumblick registrierte, und dafür war ich echt dankbar. Dann torkelte ich zum Spiegel und guckte mir zum ersten Mal seit dem Bühnen-Angriff ins Gesicht. Ich sah irgendwie kaputt aus, nass, voller Blut und schwarz-weißer Schminke. Meine Augen wirkten wie zwei dunkle Höhlen. Eine Weile war ich fast fasziniert von diesem unerwarteten Anblick. Es beruhigte mich, dass mein Gesicht offenbar keine bleibenden Schäden erlitten hatte. Aber mir ging es zu schlecht, um mich noch länger damit aufzuhalten. Ich muss mir shore besorgen, dachte ich einmal mehr, ich brauche jetzt unbedingt einen Chinesen! Mir war immer noch verflucht kalt. Kalter Schweiß sammelte sich unter meinen Achseln.
Ich zwang mich, den beginnenden Affen zu ignorieren, ging zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Dann hielt ich meinen Schädel unter den kalten Wasserstrahl und wusch mir das Gesicht und den blutverschmierten Hals. So gut es ging versuchte ich, auch meine blutige Brust zu säubern. Sean hielt mir wortlos eine Dose Abschminke hin. Ich nahm sie, ohne ihn anzusehen, wischte mir die weiße und schwarze Farbe aus dem Gesicht und stellte die Dose auf den Waschbeckenrand. Danach tauchte ich nochmal in den kalten Wasserstrahl, spülte mir das Maul aus und trank einige Schlucke Wasser. Mein Schädel dröhnte entsetzlich. Aber ich hatte nicht nur starke Kopfschmerzen, alles tat mir weh, und es wurde fast minütig schlimmer. Die Zeit lief mir, wie so oft, davon.
Schließlich richtete ich mich auf und drehte den Wasserhahn zu. Ich hatte Angst Sean anzusehen, weil ich genau wusste, dass er sauer auf mich war. Es war etwas Schlimmes passiert. Die wichtige Aufführung heute Abend war abgebrochen worden. Und obwohl ich mir wirklich keinerlei Schuld bewusst war, hielt Herr Valmont trotzdem aus irgendeinem Grund mich für den allein Schuldigen. Bei seiner Arbeit verstand der Mann keinen Spaß. Psychotic Kühlschrank, obwohl in Wahrheit nur ein kleiner, privater Teil seiner umfassenden Tätigkeiten, war für ihn sein ganzes Leben.
Ich habe keine Kraft mehr, merkte ich verzweifelt, ich kann mich jetzt nicht noch länger mit Sean streiten. Ich stehe nicht noch so eine brutale Auseinandersetzung durch. Zögernd sah ich ihn endlich an. Er stand dort und beobachtete mich. Er betrachtete nachdenklich meinen nassen, nackten Körper. Dann schaute er mir plötzlich in die Augen. „Zieh dir endlich was an, Clay. Ich will dich heute Abend nicht noch länger nackt sehen", warf er mir an den Kopf. „Was?!" entfuhr es mir perplex. Sean grinste nicht, er meinte es offenbar ernst. „Ich bin deiner nackten Haut langsam überdrüssig", zischte er und starrte vorwurfsvoll auf meinen Schwanz. Ich guckte automatisch an mir herunter. Mein Penis wirkte immer noch winzig. Ich schämte mich und drehte mich von Sean weg.
Dann war es wieder lange still. Ich fühlte mich plötzlich extrem ungeschützt. Außerdem war mir immer noch verflucht kalt. Ich guckte mich vergeblich nach einem Handtuch zum Abtrocknen um. Es gab in dieser Garderobe scheinbar keins, also ging ich zum Spind und holte ein trockenes Sweatshirt raus, was ich mir hastig anzog. Dann zog ich mir meine Unterhose, Jeans, Strümpfe und Schuhe an. Angezogen fühlte ich mich sofort ein wenig wohler. Danach drehte ich mich vorsichtig zu Sean um, der immer noch an der gleichen Stelle stand und mich reglos beobachtete. Ich konnte den Ausdruck seiner Augen nicht deuten und das machte mich nervös. Ich wäre gerne zu ihm hingegangen und hätte ihn umarmt, oder so was. Ich sehnte mich plötzlich nach Nähe.
„Hast du noch was shore übrig?" fragte ich ihn stattdessen. Er fing an zu grinsen, aber nicht nett, eher auf eine gehässige Art, die mir sofort Angst machte. „Warum wirfst du nicht heute Nacht um drei Steine an mein Fenster und findest es heraus?!" antwortete er mir kalt. Ich schaute ihn einen Moment verwirrt an. Nicht das jetzt, dachte ich erschlagen, sei jetzt bitte nicht eifersüchtig, Valmont, das kann ich jetzt nicht ertragen!
„Eliza spinnt doch total! Die kriegt wahrscheinlich ihre Tage, oder so was!" rief ich verzweifelt aus und ging auf Sean zu. Er blies geringschätzig die Luft aus. „Ist ihre Menstruation immer deine Erklärung, wenn du eine Frau nicht verstehst?!" Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber es ist eine Tatsache, dass sie launisch werden, wenn sie kurz vor ihren Tagen stehen. Das hat was mit ihren Hormonen zu tun", versuchte ich lächelnd, ihn mit meinem Wissen über Frauen zu beeindrucken. Aber Sean war überhaupt nicht beeindruckt. Er wischte meine Information einfach mit einer Handbewegung zur Seite. „So ein Schwachsinn!" zischte er. „Nein, das stimmt echt!" wusste ich es besser. Aber Sean schüttelte unwirsch den Kopf.
Einen Moment war es ganz still in diesem Raum. „Bist du etwa auf ihrer Seite, Sean? Findest du, dass sie recht hat?" fragte ich ihn schließlich irritiert, dabei wollte ich das eigentlich gar nicht wissen. Es interessierte mich gar nicht. Ich wollte jetzt nur noch hier raus und mir shore besorgen. Denn offensichtlich hatte Valmont nichts mehr, oder er wollte mir nichts mehr abgeben. Ich musste mich also dringend selber um Nachschub kümmern.
„Du hättest ihr nur die Wahrheit sagen müssen, du Idiot! Sie wusste nämlich schon längst, dass ich dir shore besorgt hatte, und du sie nur deshalb so brutal loswerden wolltest", erklärte Sean mir überheblich. Ich stoppte meine Bewegung auf ihn zu und blickte ihn hilflos an. Ich spürte erneut schmerzhaft meine Knochen. Ich spürte die Auswirkungen der Schläge auf meinem Körper. Alles tat mir weh. Seans Worte taten mir weh. Ich dachte, dass ich es nicht ertragen könnte, wenn Sean sich jetzt auch von mir abwandte.
„Okay... ich habe einen Fehler gemacht...", lenkte ich ein und schaute ihn versöhnlich an. „Du hast nicht nur einen Fehler gemacht, Clay!" behauptete er laut. Ich nickte und hielt mir den pochenden Kopf. „Ja, du hast ja recht... ich bin ein Idiot", stimmte ich ihm leise zu. Ich möchte jetzt einen Chinesen rauchen, dachte ich traurig. Ich möchte, dass die Schmerzen aufhören. Ich möchte diesen ganzen Scheiß hier vergessen. Anscheinend ist die ganze Welt verrückt geworden, fuhr es mir beunruhigt durch den Sinn.
„Hast du noch shore, Sean?" fragte ich ihn hoffnungsvoll noch einmal und ging wieder auf ihn zu. Er stöhnte genervt auf und drehte sich von mir weg. „Du verstehst wie immer gar nichts, Banton!" fauchte er wütend, „Das alles hier ist dir völlig egal!" „Nein, es ist mir nicht egal!" erwiderte ich schnell. Dann stammelte ich irgendwie blöd: „Ich bin nur... verletzt... ich brauche..." „Verdammt, ich weiß ganz genau, was du brauchst, Banton! Das musst du mir nun wirklich nicht erklären!" unterbrach Sean mich zischend und starrte mich beinahe angewidert an.
Im nächsten Moment blickte er mir lauernd in die Augen. „Hast du diese Frau vergewaltigt?" wollte er plötzlich ernsthaft wissen. Ich konnte seinem unvermittelten Gedankensprung nicht so schnell folgen und guckte ihn eine Weile verwirrt an. „Nein, ich habe niemanden vergewaltigt, verdammt!" schrie ich dann ungeduldig los. Sean taxierte mich zweifelnd, danach drehte er sich herum und ging zu seinem Spind. Er holte sein Handy heraus und schaltete es ein. Er drückte ein bisschen auf dem Display herum. Ich beobachtete ihn ratlos, denn ich hatte keine Ahnung, was das jetzt sollte.
„Du kannst froh sein, dass mein Handy noch funktioniert", bemerkte Sean, ohne mich anzusehen. „Ich habe dich nicht aufgefordert, angezogen in meinen Whirlpool zu springen", entgegnete ich. Bei dem Gedanken daran musste ich lächeln, weil ich mich unwillkürlich an eine sehr geile Zeit mit Sean Valmont in meinem Pool erinnerte. Ich hoffte spontan, er würde sich vielleicht auch daran erinnern und endlich wieder freundlicher zu mir sein. Aber das war leider nur Wunschdenken.
Mit zwei Schritten war der Mann plötzlich bei mir. Er packte mich hart im Nacken und drehte meinen Kopf nach unten. Er zwang mich brutal, auf sein Handy zu schauen. „Hier, Herr Banton, guck dir das genau an!" befahl er mir böse. Also versuchte ich gezwungenermaßen, auf dem viel zu kleinen Handy-Display etwas zu erkennen. Es war eine verwackelte, ziemlich schlechte Aufnahme aus dem Theater. Der Urheber dieses Films hatte wohl ungefähr in der vierten Reihe im Zuschauerraum gesessen und von dort aus unsere Performance mitgefilmt. Obwohl es streng verboten war, kam es eigentlich ständig vor, dass Leute mit ihren Handys unseren Auftritt aufnahmen und ihre Filmchen anschließend sofort ins Internet stellten.
Jetzt konnte ich mich halbwegs sehen, wie ich nackt auf der Bühne stand, und ich fand spontan, dass ich recht gut aussah. Allerdings wusste ich ja schon, was jetzt kam, deshalb fing mein Herz nervös an zu hämmern. Ich musste mich zwingen, meine Augen offen zu halten. Die Steine trafen mich urplötzlich aus der Dunkelheit. Erst an der Hüfte, gleich darauf am Kopf, woraufhin ich einfach umfiel und regungslos auf der Bühne liegen blieb.
Mich selbst bei meiner Niederlage zu beobachten war höchst unangenehm. Ich zuckte zusammen und wollte mich abwenden, aber Sean drehte meinen Nacken schmerzhaft zurück. Er zwang mich energisch, noch weiter zuzusehen. Es war nur kurz totenstill im Theater, dann brach auch schon ein lautes Stimmengewirr los. Alle sprangen mit einem Mal auf und liefen herum. Die Aufnahme wurde noch schlechter, weil der Kameramann versuchte, alles auf einmal aufzunehmen. Er schwang sein Handy wild hin und her.
Sean war zu sehen, wie er auf der Bühne stand und den Attentäter suchte. Mein nackter Körper, ruhig auf der Bühne liegend. Viele Hinterköpfe verdeckten andauernd das Bild. Irgendwann schrie jemand über den Lärm hinweg: „Dieses Arschloch hat versucht, meine Freundin zu vergewaltigen!" Der fiese Typ, der diesen gemeinen Blödsinn über mich behauptete, war kurz im Bild. Ich schaute neugierig genau hin und war erstaunt, wie jung der Kerl anscheinend noch war. Außerdem war ich mir sofort ziemlich sicher, diesen Menschen noch nie in meinem Leben gesehen zu haben.
„Ja, dieser Psychopath wollte mich vergewaltigen. Der ist gefährlich und total krank", behauptete eine Frauenstimme, die mir irgendwie vage bekannt vorkam. Die Frau war aber nur von hinten zu sehen, und der allgemeine Lärm im Theater war viel zu laut, die Aufnahme zu schlecht und die Lautsprecher von Seans Handy nicht gut genug. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob ich die Frau kannte. „Sean...", stöhnte ich verzweifelt, weil ich mir diesen Mist wirklich nicht länger ansehen wollte. Zu meiner Überraschung zeigte er Erbarmen, ließ mich endlich los, schaltete sein Handy aus und steckte es ein. Ich rieb mir meinen schmerzenden Nacken.
Einige Zeit war es ganz still in der Garderobe. Sean taxierte mich lauernd. Ich starrte verwirrt auf den Boden. Diesen feigen Angriff auf mich noch einmal aus dieser Perspektive zu sehen, hatte mich ziemlich aufgewühlt. Ich zitterte und fühlte mich äußerst unwohl. Ich möchte jetzt sofort Heroin rauchen, gierte es immer heftiger in mir.
„Was sagst du dazu?" unterbrach Sean irgendwann die unangenehme Stille. Ich seufzte überfordert: „Ich weiß nicht... Ich habe nicht..." „Hast du diese Frau vergewaltigt?" verlangte Sean schon wieder viel zu ernst zu wissen. Mit dieser Frage ging er mir langsam echt total auf den Sack. Verärgert guckte ich ihn an. „Versucht, Valmont! Dieser Typ hat gesagt, ich hätte es versucht!" betonte ich geringschätzig. Daraufhin packte Sean mich hart am Sweatshirt, riss mich herum und knallte mich mit dem Rücken gegen die nächste Wand. „Und hast du es versucht, Banton? Wolltest du diese Frau grausam vergewaltigen? Bist du gefährlich und total krank, du Psychopath?" schrie er mich wutentbrannt an und schlug mich dabei brutal mit dem Rücken gegen die Wand.
Langsam ging er wirklich zu weit, fand ich. Ich hatte keine Lust und keine Zeit mehr. In Wahrheit war nämlich ich das Opfer an diesem Abend gewesen. Ich war hinterhältig angegriffen und verletzt worden. Und Sean Valmont ging anscheinend wie selbstverständlich davon aus, dass ich diese Frau auf seinem Handy erkannt hatte. Dabei konnte man auf seinem scheiß Handy doch kaum was erkennen.
„Ich bin kein Psychopath!" brüllte ich Sean wütend an und schlug ihn hart gegen die Schulter. Dann schubste ich ihn mit aller Kraft von mir weg. Er war von meiner Gegenwehr so überrascht, dass er tatsächlich rückwärts taumelte. „Ich habe niemanden vergewaltigt! Ich habe noch nie in meinem Leben auch nur versucht, jemanden zu vergewaltigen!" schrie ich Sean anklagend an, „Und jetzt hör endlich damit auf, mich zu schlagen!" Wütend starrte ich ihn an. Er rang einen Moment um Gleichgewicht und musterte mich erstaunt. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich gegen ihn wehren würde.
Einige Zeit war es ganz still, während wir uns nur gegenseitig belauerten. „Hör doch bitte damit auf, Sean!" versuchte ich es schließlich verzweifelt. „Lass uns doch bitte jetzt damit aufhören!" bat ich ihn gleich noch einmal. Er schüttelte den Kopf. „So einfach ist das aber nicht, Clay. Wenn du wirklich unschuldig bist, dann musst du das unserem heutigen Publikum und den unzähligen Leuten beweisen, die diesen und ähnliche Filme schon längst im Internet gesehen haben", informierte er mich irgendwie resigniert. Er hielt das wohl für schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Aber mir war es in diesem Moment völlig gleichgültig, wie viele Menschen mich im Internet gesehen hatten. Es war mir auch egal, was irgendwer von mir dachte. Mir tat unverändert alles weh, und es wurde permanent schlimmer. Definitiv wurde es jetzt Zeit für ein bisschen Heroin.
„Wollen wir einen Chinesen rauchen, Sean?" fragte ich ihn hoffnungsvoll in der Annahme, dass er noch Reste von seinen zweieinhalb Gramm übrig haben musste. „Wo warst du letzte Nacht?" fauchte Sean völlig zusammenhanglos zurück. Ich brauchte einen Moment, um seinen abrupten Themawechsel überhaupt zu erfassen.
Plötzlich dämmerte mir, worauf seine Frage abzielte. Schnell drehte ich mich herum, ging zum Spind, holte meine Jacke heraus und zog sie hastig an. Dann wandte ich mich zur Tür. „Ich muss jetzt gehen, Sean. Frag mich nochmal, wenn du dich beruhigt hast", sagte ich leise, ohne ihn dabei anzusehen. Ich beeilte mich zur Tür zu kommen, aber mit einem Satz war Sean hinter mir und stieß mich erneut gewaltsam gegen die Wand. „Du redest jetzt mit mir, verdammt!" forderte er lauthals, „Du sagst mir jetzt die Wahrheit, Clay!" „Sean...", stöhnte ich schmerzerfüllt.
Er war jetzt dicht vor mir, drückte mich mit dem Rücken an die Wand und fixierte mich feindselig. Ich fragte mich, warum er so aggressiv drauf war. Ich vermutete, dass auch bei ihm die Wirkung der shore nachließ, und das er das nicht so einfach wegsteckte, wie er mich glauben machen wollte. „Lass mich los, Sean", forderte ich ihn ruhig auf. „Wo warst du letzte Nacht?" wiederholte er überdeutlich. Und als ich schwieg, setzte er hinzu: „Warst du bei ihr? Hast du nachts um drei Steine gegen ihr Fenster geworfen?!" Er ist tatsächlich eifersüchtig, dachte ich und war plötzlich amüsiert. Sean Valmont ist eifersüchtig auf Eliza Laser, weil ich noch niemals Steine an sein Fenster geworfen habe.
Sean merkte sofort, dass seine merkbare Eifersucht mich amüsierte. Ich grinste ihn belustigt an, und er ließ mich augenblicklich los. Mit einer bezaubernden Mischung aus Verletzbarkeit und Wut starrte er mich an. Ich lächelte jetzt liebevoll und strich ihm ganz sanft mit den Fingern über die Wange. „Lass uns einen Chinesen rauchen, Sean, dann wird es besser", flüsterte ich einladend.
Eine Weile fixierte er mich erstaunt, fast ungläubig. Dann drehte er sich stöhnend von mir weg. „Ja, klar, du machst es dir wie immer so verdammt einfach", warf er mir enttäuscht vor. Er ging zum Spind und holte seine Jacke heraus, um sie anzuziehen. „Hast du die letzte Nacht bei Eliza verbracht?" fragte er mich erneut. Ich zündete mir eine Zigarette an und rauchte tief. „Ja, ich war bei Liz", gab ich leise zu und beobachtete ihn gleichgültig. Er zündete sich ebenfalls eine Zigarette an und lief merkwürdig nervös hin und her.
Ich sah zu, wie Sean nach den richtigen Worten suchte. „Hast du mit ihr geschlafen?" fragte er endlich, ohne mich dabei anzusehen. „Ja", antwortete ich ihm sofort. Mir war wirklich schleierhaft, warum Valmont jetzt so eine große Sache daraus machte. Er wusste doch ganz genau, dass Eliza wiederholt meine Sexpartnerin war. Für mich war dieses Thema mehr als lächerlich. „Und du gehst zusammen mit Eric Dentor auf das Klo im Stardust. Also sind wir quitt!" warf ich ihm triumphierend an den Kopf. Ich versuchte lustig zu sein, einen Witz zu machen, um die Situation aufzulockern. Es war genug böses Blut vergossen worden, fand ich. Es wurde Zeit für uns, endlich wieder ein bisschen freundlicher zu werden.
Aber Sean starrte mich total entsetzt an. Er zuckte förmlich erschrocken zusammen, als ich Dentor erwähnte. „...ich ...habe nicht..", stotterte er beschämt. Er sah tatsächlich ertappt aus. Dabei machte mir die Vorstellung von Sean und Eric, gemeinsam beim Sex auf dem Klo, überhaupt nichts aus. Es war mir vollkommen egal. Ich hatte wirklich ganz andere Probleme. Die Zeit drängte jetzt. Ich musste hier verschwinden und mir shore kaufen. Ich musste jetzt unbedingt hier raus. „Lass es gut sein, Sean. Komm mit, wir besorgen uns shore", schlug ich ihm erwartungsfroh vor. Ich erinnerte mich plötzlich gut an die angenehme Nähe, die noch vor kurzem zwischen uns beim Konsumieren geherrscht hatte. Ich sehnte mich auf einmal sehr nach seiner Nähe. Ich wollte seine Hand auf meinem Bauch spüren, während ich einen Chinesen rauchte. Diese Vorstellung machte mich nervös und ungeduldig.
„Komm mit, Sean", forderte ich ihn drängend auf. Er stand aber nur total bewegungslos da, immer noch beschämt, weil ich das von Eric Dentor wusste. Er schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. „Bitte, Sean, lass mich jetzt nicht allein..", flüsterte ich hilflos. Mit einem Mal war mir wieder zum Kotzen. Ich fühlte mich einsam und jede Faser in meinem Körper tat mir weh. Mein Kopf fing abermals an zu dröhnen. Ich rauchte die Zigarette auf und stand noch eine Weile sinnlos in dieser Garderobe herum. Sean Valmont stierte auf den Boden, rauchte apathisch, rührte sich nicht und ignorierte mich vollkommen.
Ich hätte ihn in diesem Augenblick wirklich sehr gerne umarmt, ihn irgendwie zärtlich angefasst. Aber ich hatte keine Zeit mehr. Einen Moment lang bereute ich es, Eric Dentor erwähnt zu haben, weil Sean dadurch sichtbar völlig aus der Bahn geworfen worden war. Er reagierte gar nicht mehr auf mich, wirkte vollends geschockt, was ich mir überhaupt nicht erklären konnte. Letztendlich drehte ich mich kurzentschlossen um und verließ den Keller des Theaters. Nur endlich raus aus diesem Irrenhaus.
Jill
Meine erste Begegnung mit Clay Banton fand an einem Samstagabend um ungefähr 22 Uhr vor dem Grenzland-Theater statt. Es war ein ziemlich kalter März-Abend, und es war stockdunkel. Ich hatte schon eine Weile vor der Eingangstür gestanden und darauf gewartet, dass einer der Schauspieler von dieser merkwürdigen Performance herauskommen würde. Vorher hatte ich im Zuschauerraum gesessen, die halbe Vorstellung gesehen und diesen fiesen Angriff auf Clay miterlebt. Ich wollte mit einem der Akteure sprechen, am liebsten mit Sean Valmont, weil er der Autor und Regisseur dieser Psychotic Kühlschrank Geschichte war, wie man dem Plakat und auch dem Internet entnehmen konnte.
Aber letztendlich war es Clay Banton, der als erster vor dem Theater auftauchte. Froh darüber, dass endlich jemand kam, ging ich sofort zu ihm hin und sprach ihn an: „Hallo Clay, gibst du mir ein Autogramm?" Ich hielt ihm meinen Schreibblock und den Kuli hin und lächelte bewundernd. Er schaute mich nur einen Augenblick verwirrt an. Gleich darauf erwiderte er mein Lächeln auch schon äußerst charmant. Mein Anliegen war ihm merkbar vertraut. Anscheinend kam es öfter vor, dass er um ein Autogramm gebeten wurde. Das wundere mich irgendwie, denn dieser Amateurschauspieler war ja nun wirklich kein großer Star.
Ich musterte ihn offen im Schein der Eingangsbeleuchtung. Ohne die weiße Farbe im Gesicht und die schwarz umrandeten Augen sah er ganz anders aus, als auf der Bühne. Er wirkte überhaupt nicht mehr so gefährlich, war nur wenig größer als ich. Seine dunklen, kurzen Haare waren nass, vielleicht hatte er sie gerade gewaschen. Seine Augen hatten eine Farbe irgendwo zwischen braun und grün.
„Klar, gerne", stimmte er nun zu, nahm Stift und Block und malte sehr schwungvoll und routiniert sein Zeichen darauf, wohl die verschlungenen Anfangsbuchstaben seines Namens. Dann gab er mir die Sachen zurück und wollte sich abwenden. „Ich habe dich auf der Bühne gesehen, Clay, du bist fantastisch!" sagte ich schnell. „Ich bin ein großer Fan von dir!" setzte ich schwärmerisch hinzu. Nun grinste er amüsiert. Offensichtlich schmeichelten ihm meine Worte und genau das hatte ich ja auch beabsichtigt. „Nein, ich bin nicht fantastisch", wehrte er mit seiner dunklen, aber dennoch weichen Stimme bescheiden ab und betrachtete mich zum ersten Mal mit so etwas wie Interesse. Eine Zeit lang guckten wir uns gegenseitig abschätzend an.
Dann merkte ich, wie sein Interesse auch schon wieder schwand. Scheinbar hatte er es eilig, er drehte sich nervös herum und sah hinüber zum Parkplatz. „Darf ich dich zu einem Kaffee einladen?" fragte ich ihn schnell. Ich wollte ihn auf jeden Fall bei mir behalten, denn ich hatte viele Fragen an ihn. Er lachte amüsiert auf und meinte: „Was? Du trinkst Kaffee? Um diese Uhrzeit? Kannst du denn dann überhaupt noch schlafen?" Spitzbübisch grinste er und zwinkerte mir neckisch zu.
In diesem Moment sah er richtig gut aus, fiel mir erstaunt auf. „Wir können auch etwas anderes trinken gehen, Clay. Bier vielleicht, oder Wein, was immer du willst! Was sagst du dazu?" beeilte ich mich zu betonen. Angespannt wartete ich auf seine Reaktion. Er schaute mich überrascht an und überlegte ziemlich lange. Er zögerte. Ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Gehirn arbeitete.
Schließlich lächelte er auf einmal irgendwie verwegen. „Du darfst mitkommen, wenn du willst", schlug er mir leise vor. Herausfordernd taxierte er mich. Sein Blick versprach irgendetwas, was mir noch nicht klar war. Der will mich tatsächlich abschleppen, dieser blöde Macho, dachte ich leicht genervt. Aber im nächsten Moment siegte meine Neugier und ich willigte nickend ein: „Klar, ich komme gerne mit." Er drehte sich sofort um und lief voraus Richtung Parkplatz. „Wo soll es denn hingehen?" fragte ich ihn, aber er antwortete nicht. Er suchte in seinen Jackentaschen nach seinem Autoschlüssel und drückte auf die Türöffnung. Noch ehe wir an seinem Wagen waren, leuchteten dessen Scheinwerfer auf und die Türen öffneten sich.
Ich staunte nicht schlecht, dass dieser höchstens drittklassige Theaterschauspieler so einen teuren Sportwagen fuhr. Es war ein anthrazitfarbener MG, und ich fragte mich, womit Clay wohl so viel Geld verdiente, um sich diesen PS-starken Wagen leisten zu können. Unsicher tastete ich in meiner Jackentasche nach dem Pfefferspray und dem Elektroschocker. Einen Moment lang dachte ich, dass es womöglich ein Fehler war, in das Auto dieses fremden Mannes einzusteigen. Die ständigen Warnungen meiner Eltern kamen mir in den Sinn. „Steig ein!" forderte er mich auf und hielt mir wahrhaftig die Beifahrertür auf. Seine Galanterie überraschte mich. Ich zögerte noch ein bisschen, bevor ich kurzentschlossen einstieg. Er achtete darauf, dass ich auf dem tiefen Sitz bequem saß, dann schlug er die Tür zu. Er lief eilig vorne um den Wagen herum und stieg an der Fahrerseite ein.
Gleich darauf saßen wir dicht nebeneinander im engen Auto, die Innenbeleuchtung war eingeschaltet. Es roch nach Zigarettenqualm in seinem Wagen, wie ich missbilligend feststellte. Clay beachtete mich nicht. Er steckte nur den Schlüssel ins Zündschloss, kramte hektisch nach seinem teuren Handy und tippte eine Nummer ein. Ich beobachtete ihn unauffällig und mir fiel auf, wie nervös er war. Seine Hände zitterten, als er das Handy bediente. „Du hast ein schönes Auto", bemerkte ich. Er bedeutete mir ungeduldig, still zu sein. Verstohlen betrachtete ich ihn. Er sieht krank aus, nahm ich plötzlich alarmiert wahr. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.
Dann meldete sich anscheinend sein Gesprächspartner. „Ich bin's, Clay", sagte er ins Handy. Der Mensch am anderen Ende der Leitung war über diesen Anruf wohl alles andere als erfreut. Er schien etwas ins Handy zu schreien. Ich konnte nicht verstehen, was genau er sagte, aber er war sehr laut. „Ja, ich weiß, es ist spät...", versuchte Clay ihn zu beschwichtigen, „Bitte, ich..." Ein wütendes Brüllen war die Antwort. Ich war mir ziemlich sicher, dass es ein Mann war, der am anderen Ende der Leitung herum schrie. Ich wunderte mich sehr über dieses merkwürdige Telefongespräch. Ich frage mich beunruhigt, was hier eigentlich gespielt wurde. „Bitte, ich kann das nicht länger..", jammerte Clay. Dann hörte er eine Weile zu und legte unvermittelt auf. Er atmete tief durch und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Die Innenbeleuchtung ging aus, und ich konnte ihn nur noch schemenhaft im Schein einer Laterne sehen. Interessiert beobachtete ich ihn.
„Was ist denn los?" fragte ich ihn neugierig. „Gar nichts, es ist alles okay", antwortete er ohne mich anzusehen und startete den Motor. Abrupt fuhr er viel zu schnell los. Die Anlage im Wagen spielte Musik von Neil Young. Ich schnallte mich ängstlich an. Um Himmels Willen, dachte ich beunruhigt, warum hat er es so eilig? Dieser Typ ist womöglich nicht ganz normal. Ich muss vorsichtig sein, mahnte ich mich.
Wir fuhren zu einer Bank und Clay parkte direkt vor dem Geldautomaten im Halteverbot. Er sprang heraus und holte Geld ab, und in diesem Moment dämmerte mir, welches Spiel er spielte. Clay Banton war offensichtlich drogenabhängig. Er benötigte wahrscheinlich sogar dringend Heroin, und das überraschte mich ungemein. Wie kann er mit seiner merkbar starken Suchterkrankung arbeiten? fragte ich mich maßlos erstaunt. Wie schafft er es, so konzentriert auf einer Bühne zu stehen und diese anspruchsvolle Performance zu spielen? Während der Aufführung hatte man ihm überhaupt nichts angemerkt, im Gegenteil. Er schien stark und gesund zu sein.
Das kann heute Nacht noch richtig interessant werden, dachte ich im nächsten Moment erfreut mit wachsender Neugier. Seine Abhängigkeit steigerte mein Interesse an Clays Persönlichkeit ungemein.
Gleich darauf war der Mann auch schon wieder da. Offenbar hatte er genug Geld von der Bank erhalten. Er wirkte jetzt erleichtert und erwartungsvoll. Er lächelte mich an und mir fiel auf, wie süß er lächeln konnte. Dieser Mann kann dir gar nichts Böses antun, dachte ich spontan, er strahlt nur Freundlichkeit aus. Allein seine nervösen Augen trübten diesen Eindruck etwas.
Clay fuhr weiter, und ich lehnte mich bequem im Sitz zurück, hörte der Musik zu und wartete einfach ab. Ich fühlte mich merkwürdiger Weise jetzt völlig sicher. Aber alles erschien mir irgendwie unwirklich. Bin ich tatsächlich bei einem Drogendeal dabei? fragte ich mich erstaunt. Kann das denn wahr sein?! Nimmt dieser verrückte Typ mich tatsächlich mit zu seinem Dealer?! Oder will er mich vielleicht doch vergewaltigen?! Immerhin war ihm doch genau das noch vor kurzem im Theater lauthals und energisch vorgeworfen worden!
Ich zwang mich, ganz ruhig zu bleiben und versuchte meine Bedenken beiseite zu schieben. Immerhin hatte ich ja zu meiner Verteidigung meine Waffen dabei, mit denen ich gut umzugehen wusste. Wir fuhren schnell aus der Stadt heraus, bis auf einen dunklen Parkplatz an einem Friedhof am Stadtrand.
Clay parkte am Straßenrand, machte den Wagen aus und zog den Schlüssel ab. Die Innenbeleuchtung sprang wieder an und ich musterte ihn neugierig. „Wo sind wir?" fragte ich ihn. „Warte bitte hier. Es dauert nicht lange", antwortete er und stieg aus. Der trifft sich tatsächlich mit seinem Dealer, dieser dreiste Spinner, stellte ich fassungslos fest. Ich versuchte verblüfft, ihm genau hinterher zu sehen. Aber er verschwand ziemlich schnell in der Dunkelheit.
Clay
Ich weiß nicht mehr, warum ich Jill einlud, mit mir zu kommen. Ich hatte sie vorher noch nie gesehen und wusste nichts über sie. Ich kannte noch nicht mal ihren Namen. Ich lud sie vielleicht ein, weil ich mich allein fühlte. Vielleicht, weil Eliza und Sean mich an diesem Abend abgewiesen und verletzt hatten. Jill war einfach völlig unerwartet da und ich nutzte spontan diese Gelegenheit. Obwohl die Frau nicht gerade das war, was ich als gut aussehend empfinde. Ich fand sie nicht halb so hübsch wie Eliza, nicht mal annähernd. Ihre schwarzen Haare waren viel zu kurz. Ihre dunklen Augen standen viel zu weit auseinander, ihre große Nase war zu breit, der Mund viel zu klein und die Lippen viel zu schmal. Sie war gänzlich ungeschminkt, trug alte Jeans und Turnschuhe, ein T-Shirt und eine Jeansjacke. Sie hatte etliche Kilos Fett zu viel auf den Knochen.
Das alles registrierte ich in den ersten Sekunden unserer Begegnung. Sie schmeichelte mir, indem sie behauptete, sie wäre ein Fan von mir. Deshalb nahm ich sie mit. Und weil ich nicht allein sein wollte. Womöglich wollte ich mich auch an Sean und Eliza rächen, ich habe keine Ahnung. Ich dachte auch nicht weiter darüber nach, denn ich musste Sergej anrufen und mir shore kaufen, eine Tätigkeit, die keinen Aufschub mehr duldete.
Jill willigte sofort ein mitzukommen und lief hinter mir her. Ich setzte mich ins Auto und rief Sergej an. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, denn ich brach sein wichtigstes ungeschriebenes Gesetz und das war mir verdammt klar. Sergej verkaufte nach acht Uhr abends nichts mehr. Er wollte so spät nicht angerufen werden und ging meistens sowieso nicht mehr an sein Handy. Niemand durfte seinen Feierabend mit seiner Familie stören. Ich versuchte es natürlich trotzdem.
An diesem Abend nahm er wider erwarten das Gespräch an, sprang mir aber sofort durch den Telefonhörer an den Hals. Er hatte nicht die geringste Lust, wegen mir noch mal sein gemütliches Heim zu verlassen. Ich bettelte ihn an, so wie es alle Junkies auf der ganzen Welt bei ihren Dealern machen, wenn sie einen Affen schieben.
Schließlich willigte Sergej nur unter der Bedingung ein, dass ich mindestens fünf Gramm kaufen würde. Ich hatte keine Wahl und war tierisch erleichtert, überhaupt etwas von ihm zu kriegen. Außerdem erschienen mir fünf Gramm shore eine passende Menge zu sein. Fast jede Menge wäre die passende gewesen.
Ich fuhr zur Bank mit dem unguten Gefühl in der Magengrube, vielleicht nicht mehr genug Geld auf dem Konto zu haben. Jill verhielt sich bewundernd neutral und ruhig während dieser Zeit. Ich bemerkte sie kaum, so dicht neben mir im MG. Mein Kopf war ganz mit dieser Transaktion beschäftigt. Als der Geldautomat ratterte und die Scheine ausspuckte, hätte ich vor Erleichterung laut aufschreien können.
Ich fuhr anschließend auf dem direkten Weg zum Treffpunkt. Ich parkte den MG ein Stück entfernt am Straßenrand und achtete darauf, dass Jill mich nicht würde beobachten können. Die Dunkelheit kam mir dabei sehr zugute. Ich ließ sie im Wagen warten. Sie gehorchte ohne Fragen zu stellen, was ich ihr hoch anrechnete.
Ich stieg aus, zündete mir eine Zigarette an, rauchte tief und lief die paar Schritte. Sergej traf ich in der angestammten, finsteren Ecke des Friedhofs. Zur Begrüßung schlug er mich einmal kurz ins Gesicht. „Clay, du blöder Idiot, am Telefon wird nicht diskutiert! Am Telefon wird überhaupt nicht geredet! Ich verkaufe so spät nichts mehr!" fauchte er mich wütend an, aber er grinste dabei. „Jetzt verpasse ich das Ende von Krimi, verdammt!" setzte er augenzwinkernd in fehlerhaftem Deutsch hinzu.
Auf seinen Schlag war ich nicht gefasst und ich war viel zu angeschlagen, um es mit ihm aufzunehmen. „Krieg dich wieder ein", erwiderte ich beleidigt, „Wofür gibt es den Aufnahmeknopf?" Er grinste spöttisch und hielt seine Hand auf. Ich gab ihm mein Geld und er zählte die Scheine im Licht der Friedhofslaterne nach. Erst danach überreichte er mir zwei zweieinhalb Gramm Beutel.
„Ruf mich nicht nochmal so spät an, Clay, es könnte sonst sein, dass ich dich beim nächsten Mal umbringe!" lächelte Sergej. Ich grinste zurück. „Du würdest mich niemals umbringen, Sergej, ich bin nämlich dein bester Kunde", machte ich ihm klar. Er lächelte, klopfte mir anerkennend auf die Schulter, sagte: „Ja, du bist mein bester Mann!" und boxte mich zum Abschied blitzschnell einmal in die Magengegend. Auch diesmal war ich viel zu langsam, um ihm auszuweichen oder ihn abzuwehren. „Pass gut auf dich auf, Clay! Einen schönen Abend noch", meinte Sergej freundlich und hob grüßend die Hand. Er drehte sich um und verschwand eilig in der Dunkelheit.
Ich schnappte eine Weile nach Luft und hielt mir den schmerzenden Magen fest. Das ist wahrscheinlich nur seine Art mir zu zeigen, wie sehr er mich mag, schoss es mir durch den Kopf, vielleicht ist so ein Verhalten in der Ukraine unter Freunden ganz normal. Vielleicht schlagen die sich ständig gegenseitig. Mir wurde schwindelig und ich schwankte. Einen Augenblick hatte ich das Gefühl, ich müsste mich schon wieder übergeben.
Aber dann wurde es langsam besser. Ich versteckte die shore in meiner Unterhose und beeilte mich, zurück zum Auto zukommen. Ich war jetzt sehr ungeduldig. Der Stress im Theater war zu viel gewesen. Mein Körper forderte laut schreiend das Heroin. Alle Knochen taten mir immer noch sehr weh. Aber ich fühlte mich auch unendlich erleichtert und nahezu glücklich. Es war nämlich ein verflucht gutes Gefühl, fünf Gramm in meinem Besitz zu wissen.
Jill
Als Clay Banton nach kurzer Zeit zurückkam, sich neben mich auf den Fahrersitz ins Auto setzte und mich im Schein der Innenbeleuchtung anlächelte, wusste ich instinktiv, dass sein Deal gelungen war. Ich fragte mich, wo an seinem Körper er wohl das Heroin versteckt hielt. Ich war mir völlig sicher, dass es sich bei diesem Kauf um Heroin handeln musste, denn Clay Banton war sichtbar auf Entzug. Er schwitzte, seine Augen hatten einen leicht panischen, irren Ausdruck, mit großen, schwarzen Pupillen. Aber das fiel mir erst jetzt richtig auf, wo ich wusste, dass er sich gerade Heroin gekauft hatte.
„Geht es dir gut?" fragte ich ihn ein bisschen besorgt. Er lächelte amüsiert sein süßes Lächeln. „Ja, jetzt geht es mir schon viel besser", antwortete er mit seiner wohlklingenden, dunklen Stimme. Eine Weile sahen wir uns nur an. Mir schien, als würde er mich erst jetzt richtig bemerken. Er betrachtete mich mit unverhohlenem Interesse. „Wo soll es denn jetzt hingehen?" fragte ich ihn schließlich. Er brach den Blickkontakt ab, indem er den Schlüssel ins Zündschloss steckte. Die Innenbeleuchtung ging aus.
Er saß einige Zeit dicht neben mir im Dunkeln und atmete tief ein und aus. „Ich möchte jetzt gerne zu mir nach Hause fahren", sagte er endlich zögernd. „Würdest du mit mir mitkommen?" fragte er mich ganz leise. Ich hatte den Eindruck, dass er fürchtete, ich würde diese Einladung ausschlagen. Aus irgendeinem Grund wollte er mich unbedingt bei sich haben und ich fragte mich verwundert, warum das wohl so war. Er war ein Junkie und hatte sein Heroin, wozu um alles in der Welt brauchte er da meine Gesellschaft? Es schmeichelte mir irgendwie, dass dieser fremde Mann meine Gesellschaft so sehr herbeisehnte, dass er eine Absage fürchtete.
Ich glaubte plötzlich genau zu wissen, dass seine Einladung nicht nur aus sexuellem Interesse bestand. Er wirkte überhaupt nicht so, als wollte er mich gezielt in seine Wohnung abschleppen, um mich dort flachzulegen. Aber offenbar fürchtete er, dass ich genau diesen Eindruck von ihm haben könnte.
„Natürlich, ich komme gerne mit zu dir, Clay", erlöste ich ihn aus seiner angespannten Wartestellung. Er atmete erleichtert auf, lächelte mich beinahe dankbar an und startete dann den Motor. Wir fuhren über Landstraßen und wieder fuhr er viel zu schnell. Er hatte es sehr eilig nach Hause zu kommen, und ich wusste jetzt auch den Grund dafür. Er wollte natürlich so schnell wie möglich seine harte Droge konsumieren.
Ich saß nah neben ihm und versuchte, aus ihm schlau zu werden. Ich fragte mich, was er sich von meiner Nähe versprach, warum er mich dabeihaben wollte. Welchen Nutzen hatte ich für ihn, wenn er sich mit Drogen zuknallte? Wollte er mich vielleicht dazu überreden, auch Drogen zu nehmen? Mich anfixen, wie es so schön hieß? Damit hätte er bei mir sowieso keinen Erfolg. Oder hatte dieser Mann noch etwas ganz anderes mit mir vor? Wollte er mir vielleicht doch Gewalt antun?
Aber letztendlich war ich viel zu neugierig, um mich nicht auf dieses Wagnis einzulassen. Ich war gespannt wie ein Flitzbogen auf seine Wohnung und auf das, was er mir von sich erzählen würde. Außerdem ging von Clay Banton zu keiner Zeit irgendeine Gefahr aus, das sagte mir mein Gefühl ganz deutlich. Dieser fremde Mann erschien mir im Gegenteil irgendwie verletzbar, auf eine merkwürdige Art meiner Gunst ausgeliefert. Ich hatte unentwegt das wachsende Gefühl, dass ich ihn mit Leichtigkeit besiegen konnte, auf welche Art auch immer.
Sean
Der Augenblick, in dem Clay meine sexuelle Begegnung mit Eric Dentor im Stardust erwähnte, war für mich, wie ein gewaltiger Schlag in den Magen. Es war der Schlag zu viel für meine Seele.
Alles vorher hatte ich irgendwie weggesteckt. Sein Streit mit Eliza, der so voller gegenseitigem Gefühl war, dass ich hätte kotzen können. Sie wollte von ihm die Wahrheit hören und er log sie an, natürlich log er sie an. Er war trotzig und genervt. Sie beging den Fehler zu überhören, dass Clay sich schon längst bei ihr entschuldigt hatte. Mehr konnte sie von Clay nicht erwarten. Aber sie liebte ihn so sehr, deshalb schrie sie ihn an und rauschte wütend hinaus. Und Clay liebte sie so sehr, dass er wie ein Häufchen Elend zurück blieb, zusammenbrach und anfing zu kotzen.
Ich stand nur dabei, wie ein Zuschauer, und sah mir die viel zu emotionale Szene an. Ich grübelte darüber nach, warum Clay sich nachts in seiner Einsamkeit so oft zu Eliza flüchtete. Warum er niemals in der Nacht, wenn er jemanden brauchte, einfach überraschend zu mir kam. Ich würde ihm bestimmt nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Ich fragte mich gekränkt, warum zur Hölle ihm so verdammt viel ausgerechnet an dieser einen Frau lag.
Diese Tatsache verletzte mich und ich hätte ihn deswegen zusammenschlagen können, aber er hatte die ganze Zeit nur seine Droge im Kopf und fragte mich auch noch, ob ich shore übrig hätte. Natürlich hatte ich noch shore, sie steckte gut verpackt in meiner Jackentasche. Wir hatten zwar vorher bei ihm viel konsumiert, aber längst nicht die ganzen zweieinhalb Gramm. Ich hatte mir den Rest eingesteckt, und Clay, der Idiot, hatte das nicht mal gemerkt.
Jetzt quälte ihn schon wieder der Entzug und er sah aus wie ein gehetztes Tier. Ich brüllte ihn an, dass er sich endlich waschen und anziehen sollte. Er gehorchte mir und ich beobachtete ihn dabei. Ich dachte darüber nach ihn flachzulegen. Die Vorstellung erregte mich irgendwie, aber im nächsten Moment war ich dann doch zu abgetörnt von dem Gedanken an seine Gefühle für Eliza. Ich war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihn zu schlagen, und dem Bedürfnis, ihn zärtlich zu umarmen.
Ich zeigte ihm auf meinem Handy eine der leider unzähligen Aufnahmen unserer Vorstellung im Internet. Angeblich konnte er aber niemanden identifizieren. Ich fragte ihn nach seiner Nacht mit Eliza, obwohl ich das nicht hätte tun sollen, denn seine Antworten schmerzten mich nur noch mehr.
Und dann warf er mir irgendwann plötzlich an den Kopf, dass ich mit Eric Dentor gemeinsam auf das Klo im Stardust gehen würde, um Sex zu haben. Ich war jählings viel zu schockiert, um es abzustreiten. Diese Behauptung war wie ein Faustschlag, wie ein Schwerthieb durch meine Seele.
Augenblicklich fragte ich mich entsetzt, woher zum Teufel er davon wusste. Wer zur Hölle ihm davon erzählt hatte. Ich kämpfte automatisch mit der riesigen Panik darüber, dass auch noch andere Menschen mich mit Eric gesehen hatten, Reporter womöglich, irgendwer, der diese Tatsache für sich ausnutzen würde. Jemand, der mich erpressen würde, der mich mit diesem Scheiß mühelos vernichten konnte. Ich sah diese intime Story über mich schon im Internet, ein Gedanke, der nicht zu ertragen war. Diesen massiven Eingriff in mein Privatleben konnte ich überhaupt nicht verarbeiten. Völlig von der Rolle versuchte ich, mich genau zu erinnern, aber die verschwommenen Bilder dieser Begegnung tauchten nur widerwillig und zäh in meinem Gehirn auf.
Ich war ziemlich betrunken gewesen, am Freitagabend im Stardust. Die Musik war, wie meistens, gut und laut, und ich hatte getanzt dazu. Ich hatte vergessen, wen ich auf dem Klo getroffen hatte. Aber jetzt erinnerte ich mich langsam sehr genau an Eric. Es war nicht unser erstes Zusammentreffen auf dieser Toilette gewesen.
Eric Dentor war eine einsame, verirrte, heimlich schwule Seele, die auf hetero machte, mit einer Frau verheiratet war, und doch eigentlich nach nichts anderem als menschlicher Zuneigung lechzte. Er sah nicht besonders gut aus, war unsportlich und zu dick, hatte unreine Haut und lungerte häufig auf den Toiletten und im Dark Room im Stardust herum. Eric Dentor war vielleicht ein bisschen verliebt in mich. Er wusste wohl, dass ich den Dark Room grundsätzlich mied, gerade um mich nicht in peinliche Situationen zu bringen.
An diesem Abend ging ich aufs Klo, um zu pinkeln. Ich schwankte und hielt mich an der Wand fest. Der Toilettenraum war voller Männer. Viele machten miteinander herum, obwohl das dort nicht gern gesehen wurde und die Plakate an den Wänden es sogar verboten: Kein Sex in der Herrentoilette! Alle Becken waren besetzt, deshalb ging ich in eine der Kabinen. Die Musik wummerte gedämpft. Alles drehte sich. Ich hatte Mühe meine Hose zu öffnen.
Eric musste mich beobachtet haben, womöglich hatte er mich schon die ganze Zeit beobachtet. Plötzlich war er hinter mir, umarmte mich von hinten und griff mir ungeniert in die Hose. Er küsste meinen Hals und schmiegte sich eng an mich. Ich konnte seinen Ständer in seiner Hose fühlen. Ich genoss seine Nähe ganz spontan, seine Hände an meinem Schwanz. Er fühlte sich gut an. Ich fühlte mich einsam und es war mir in diesem Moment scheißegal, wer mir seine Zärtlichkeiten schenkte, wem der Körper gehörte, an den ich mich anlehnen konnte. Ich stellte mir vor, dass es Clay wäre. Ich wünschte mir, dass es Clay wäre.
Wir küssten uns heftig. Ich tastete mich an ihm herunter und packte seinen harten Schwanz aus. Wir befriedigten uns gegenseitig viel zu schnell. Der Mann war viel zu gierig und geil. Es war viel zu schnell vorüber. Eric kam schon nach wenigen Minuten. Und dann holte er mir einen runter. Noch ehe ich es richtig genießen konnte, war es auch schon vorbei. Ein kurzes Aufblitzen von Gefühlen. Ein Akt der traurigen Verzweiflung. Eric verschwand genau so schnell, wie er aufgetaucht war, und ich blieb allein in der Kabine zurück. Ich versuchte zu pinkeln, aber es klappte noch nicht sofort. Ich versuchte, nicht zu weinen.
Diese traurige Erinnerung schlug wie ein Faustschlag auf mich ein, als ich dort im Keller in der Garderobe des Grenzland-Theaters stand und versuchte, mit meiner Eifersucht auf Eliza klar zu kommen. Mein Hals schnürte sich zu. Ich zwang mich krampfhaft, nicht loszuheulen. Ich fühlte mich plötzlich benutzt, meine Gier nach Sex erschien mir krankhaft. Nie wieder durfte ich so ein Risiko eingehen, hämmerte ich mir ein. Ich durfte meine seriöse Fassade nicht mit so einem Scheiß gefährden!
Unvermittelt hatte ich das schreckliche Gefühl, mit Eric Dentor einen riesigen, nicht wieder gut zu machenden Verrat an Clay Banton begangen zu haben. Ich wollte ihm hastig alles erklären, ihn irgendwie um Verzeihung bitten, ihm versichern, dass Dentor mir nicht das Geringste bedeutete. Ich wollte ihn sofort in meine Arme schließen und nie mehr loslassen. Aber als ich hochschaute, war Clay verschwunden.
Jill
Endlich waren wir am Ziel, und ich staunte nicht schlecht, als Clay Banton mitten in einem Gewerbegebiet anhielt, ziemlich außerhalb der Stadt. Er parkte vor einer verlassenen Lagerhalle und ich fragte mich, wo in dieser Gegend seine Wohnung wohl sein konnte. Einen kurzen Moment flackerte meine Angst auf, dass er mir womöglich doch Gewalt antun wollte und mich nur deshalb an diesen einsamen Ort mitgenommen hatte. Immerhin kannte ich diesen fremden Mann ja gar nicht. Ich wusste so gut wie nichts über ihn, nur, dass er heroinabhängig war und Theater spielte. Und erst vor einer halben Stunde hatte doch eine Frau im Theater behauptet, dass Clay Banton ein kranker, gefährlicher Psychopath wäre, der versucht hätte, sie brutal zu vergewaltigen. Misstrauisch beäugte ich ihn und nahm mir fest vor, auf der Hut zu bleiben.
Clay verließ sein Auto und lief zum Eingang eines halb verfallenen Treppenhauses am Eingang der Lagerhalle. Eine Haustür gab es nicht. Ich stieg zögernd aus dem Auto und betrachtete ihn wachsam. Er drückte vom Eingang des Hauses aus auf seinen Autoschlüssel und die Türen seines wertvollen MGs verschlossen sich mit Licht und Ton, wie von Geisterhand. „Komm hier her", rief er amüsiert und ungeduldig. Ich folgte ihm zögernd.
Er verschwand im dunklen Treppenhaus. Gleich darauf spendete eine einsame Glühbirne, die von der Decke baumelte, spärliches Licht. „Wohin führst du mich?" fragte ich ihn alarmiert und musterte das düstere, steinerne Treppenhaus argwöhnisch. Ein sehr teures Fahrrad lehnte an der Wand im Flur und ich wunderte mich, dass es nicht abgeschlossen war. Ich fragte mich, ob es wohl Clay gehörte. Es würde zu seinem Auto passen, dachte ich, aber das Auto hat er verschlossen, das Fahrrad nicht.
Clay lachte und stieg eilig die kahlen Steinstufen hinauf. „Vertrau mir, ich wohne hier", erklärte er mir lächelnd. Ich hatte eine Vision von einem illegal besetzten Raum in einer düsteren Lagerhalle, ohne Strom und Badezimmer, eine schmutzige Matratze zum Schlafen und Penner, Wanzen und Flöhe als Wohngenossen. Am liebsten wäre ich auf der Stelle umgekehrt. Clay Banton ist ein Obdachloser, dachte ich entsetzt, weiß der Himmel woher er den MG hat.
Aber dann hörte ich, wie er in der ersten Etage eine Tür aufschloss, was meiner gruseligen Theorie widersprach, und beeilte mich ihm zu folgen.
Die riesige Überraschung, die der Mann hier für mich bereit hielt, werde ich wohl nie vergessen. Clay Banton hatte eine luxuriös eingerichtete Wohnung über einer verlassenen Lagerhalle in einem einsamen Gewerbegebiet. Von der Wohnungstür aus traten wir direkt in ein sehr großes Wohnzimmer. Er schaltete mit einer weißen Fernbedienung, die wohl auf einem Schrank neben der Tür gelegen hatte, zwei Deckenfluter in den Ecken hinter dem großen Sofa ein, und dann schloss er hinter uns die Tür.
Ich stand nur dort, starrte das Zimmer an und staunte. „Fühl dich wie zu Hause", lud er mich hastig ein, „Setz dich, nimm dir was zu trinken aus der Küche." Er zeigte einen langen Flur entlang, an dessen Ende anscheinend die Küche war. „Ich muss mal kurz unter die Dusche." Damit eilte er seinen Flur entlang und verschwand links in einem der Zimmer. Er machte die Tür zu, schloss aber nicht ab.
Ich schaute ihm hinterher. Ja, klar, von wegen Dusche, du musst dir wohl eher dringend deine Droge einfahren, dachte ich geringschätzig. Im nächsten Moment überlegte ich, ob er vielleicht doch nur kurz duschen, zurückkommen und das Heroin im Wohnzimmer nehmen würde. Ich machte einen Schritt auf das Sofa zu, da kam Clay auch schon wieder zurück. Er ging zu dem niedrigen Tisch, der ungefähr in der Mitte des Zimmers stand. Er beachtete mich gar nicht, schaute sich nur hektisch suchend auf dem Tisch um, auf dem ein ziemliches Durcheinander von Sachen lag. „Hast du was vergessen?" fragte ich ihn. Er überhörte meine Frage und den spöttischen Ton meiner Stimme, sah mich nur irgendwie gehetzt an und lächelte fast entschuldigend.
„Fühl dich wie zu Hause, hörst du?" wiederholte er, „Mach dir Musik an, oder den Fernseher! Hol dir was zu trinken!" Er zeigte eilig auf seine teure Musikanlage, die an der Seite des Zimmers auf einem Schrank stand, dann auf den riesigen Flachbildfernseher auf dem Schrank an der Längsseite gegenüber dem Sofa. Dann deutete er erneut den Flur entlang zur Küche. Ich lächelte ihm beruhigend zu. „Ist schon gut, Clay. Ich komm schon zurecht", erklärte ich ihm. Er nickte irgendwie dankbar, sammelte dann eine Packung Alufolie, ein Blatt Zeichenpapier, ein kleines Messer und ein zusammengerolltes Stück Papier vom Tisch auf und ging zurück Richtung Badezimmer.
Abermals schloss er hinter sich die Tür ohne sie abzuschließen. „Lass dir Zeit!" rief ich ihm hinterher. Es hörte sich spöttischer an, als ich es eigentlich gemeint hatte. Ich wusste nun, dass er das Heroin im Badezimmer nehmen würde. Er nahm Rücksicht auf mich. Er hatte nicht vor, sich vor meinen Augen eine Spritze zu setzen, worüber ich extrem erleichtert war. So etwas Fürchterliches wollte ich mir wirklich nicht ansehen müssen. Anscheinend raucht Clay das Zeug, vermutete ich erleichtert, dafür braucht er bestimmt die Alufolie. Dieser Mann respektiert mich, registrierte ich dankbar, er ist ein wirklicher Gentleman. Dann musste ich lachen, weil diese Situation so eigenartig war. So etwas hatte ich nicht erwartet.
Neugierig guckte ich mich in Clays Wohnzimmer um. Es war ein sehr großer Raum mit hoher Decke, vielleicht auch eine ehemalige Lagerhalle. Die Wände waren tapeziert mit mattgelber Raufasertapete. Darüber hingen jede Menge Gemälde in Holzrahmen. Dazu unzählige angeheftete, selbst gemalte Bilder und Grafiken, auch selbst gestaltete Plattencover und Werbeanzeigen. An der Wohnungstür hing von innen ein großes Plakat von Psychotic Kühlschrank. Auf jedem Bild entdeckte ich irgendwo seine Signatur, die er auch als Autogramm in meinen Schreibblock gemalt hatte. Er hatte diese unterschiedlichen Zeichnungen also alle selbst angefertigt, und man konnte ihm ein gewisses Zeichentalent nicht absprechen.
Eine Schmalseite des Raums war voller Regale, die bis zur Decke reichten. In ihnen lagerten gut sortiert Bücher, CDs und Blu-rays zwischen Kartons und Kisten. Eine lange Leiter diente dem Erreichen der obersten Etagen. Es gab viele Elektrogeräte auf einem Schrank an der Längsseite, ein Internet-Radio, Verstärker, CD- & Blu-ray-Player. Zu meinem Erstaunen entdeckte ich sogar einige Spielkonsolen. Der riesige, leicht gewölbte LCD-Flachbildfernseher dominierte den ganzen Raum. Trotzdem hing zusätzlich ein Beamer hinter dem Sofa an der Decke. Die dazugehörige Leinwand war aufgerollt weit oben, gegenüber dem Beamer zu finden. Er konnte sein Wohnzimmer also in ein Kino verwandeln, wenn er wollte. In diesem Zimmer gab es überall verteilt unzählige Bluetooth-Lautsprecher in allen Größen.
Die Längsseite hinter dem Sofa hatte Fenster, die bis zum Boden und fast bis zur Decke reichten. Es gab keine Gardinen, nur Jalousien, die offen standen. Auf dem Parkett-Boden lagen mehrere, wahrscheinlich sehr teure, weil sehr dicke Teppiche. In einer Ecke standen Gitarrenständer mit Akustik-, Halb-Akustik- & E-Gitarren samt Verstärker. Insgesamt wirkte das Zimmer, bis auf den chaotischen Tisch, relativ aufgeräumt und nicht schmutzig.
Immer noch überwältigt vom geschätzten Wert dieser Einrichtung ließ ich mich auf dem grauen Sofa nieder. Mein Blick fiel auf den flachen Glastisch. Unzählige Sachen lagen und standen darauf. Leere Gläser, überfüllte Aschenbecher, leere und halb volle Zigarettenschachteln, einige Feuerzeuge, Zeitschriften, Zeichenpapier, Fernbedienungen. Dazwischen überall abgerissene Silberpapierstreifen mit weg gerauchtem Heroin darauf.
Ich wusste gleich, dass die schwarz verbrannte Substanz auf dem Silberpapier Heroin gewesen war. Was hätte es sonst sein sollen? Außerdem hatte ich über das Rauchen von Heroin auf Alufolie einen Bericht im Fernsehen gesehen. Allerdings hatte keiner der Junkies im Fernsehen in einer vergleichbaren Wohnung gelebt, ganz im Gegenteil! Ich wunderte mich, dass Clay die stummen Zeugnisse seiner harten Drogensucht so einfach auf dem Wohnzimmertisch liegen ließ. Aber ein Ordnungsfanatiker schien er ohnehin nicht zu sein. Dazu war das ganze Zimmer irgendwie zu chaotisch. Und der teure Teppich wies sogar ein Brandloch von einer Zigarette auf.
Ich überlegte, was dieses Zimmer mir wohl über Clay Banton verriet. Dass er viel Geld hatte? Das war offensichtlich. Aber woher hatte er das Geld? Bestimmt nicht von seiner Arbeit als Amateurschauspieler im freien Theater! Verdiente er dort überhaupt etwas, oder war das Theaterspielen nicht eher nur ein Hobby von ihm?
Ich studierte die vielen Bilder an den Wänden genauer. Sie waren auf eine merkwürdige Art gut, er hatte zweifellos ein Talent fürs Zeichnen. Konnte er damit Geld verdienen? Oder machte er vielleicht noch etwas ganz anderes? Womöglich mit Drogen dealen? Ich brannte darauf, ihn danach zu fragen. Ich war jetzt sehr neugierig auf diesen fremden Mann, ich wollte alles über ihn wissen.
Allein saß ich in seinem Wohnzimmer auf dem bequemen Sofa und lauschte. Es war ganz still in der Wohnung. Obwohl das Badezimmer anscheinend an das Wohnzimmer angrenzte, war von Clay nichts zu hören. Noch länger hockte ich dort und ließ das Zimmer auf mich wirken. Ich dachte weiter darüber nach, was es mir über Clay sagte. Irgendetwas war hier ganz eindeutig.
Nach einiger Zeit kam ich darauf, was es war. Dieses Zimmer strahlte eine fast greifbare Offenheit aus. Die teuren Elektrogeräte wirkten nahezu unwichtig, wie zufällig aufgestellt. Sie hatten im Grunde genommen keine Bedeutung. Das einzig Wichtige in diesem Raum waren die selbst gemalten Bilder an den Wänden. All diese merkwürdigen Motive, die oft erst bei genauem Hinsehen ihre Botschaft vermittelten. Dass er so viele von ihnen so offen ausstellte wirkte auf mich, als wollte er sich selbst darstellen. Als wollte er dem Betrachter einen Einblick in sein Inneres gewähren.
Als mir das klar wurde, stieg meine Aufregung. Meine freudige Erwartung ließ mich breit grinsen. Dieses ungewöhnliche Wohnzimmer versprach mir einen vielschichtigen, irgendwie chaotischen, extrem sensiblen und kreativen Menschen. Diese Nacht mit Clay Banton würde ganz bestimmt noch ziemlich interessant werden.
Clay
Nachdem ich mir noch einige Sachen aus dem Wohnzimmer geholt hatte, schloss ich die Tür hinter mir, schaltete die Neonröhre ein und stürzte nahezu auf den Boden des Badezimmers. Mit zitternden Fingern fummelte ich die beiden zweieinhalb Gramm Beutel aus meiner Unterhose und riss einen davon über einem gefalteten Blatt Zeichenpapier auf. Ich schüttete die shore auf das Papier und mir blieb vor Erwartung beinahe die Luft weg, als ich mit dem kleinen Messer etwas davon auf das Silberpapier häufte.
Dann nahm ich das Feuerzeug aus meiner Jacke, ein gerolltes Zugrohr steckte ich in mein Maul, und dann rauchte ich endlich meinen ersten Chinesen an diesem Abend. Das Heroin verbrannte schnell zu einer sehr klaren, goldbraunen, flüssigen Substanz, was seine gute Qualität dokumentierte. Und ich zog wie irre den bitteren Qualm in meinen affigen, schmerzenden, gierigen Körper, bis die klare, zähe Flüssigkeit nur noch ein Häufchen Asche war.
Danach ließ ich meine Hände sinken, schloss die Augen und horchte ganz tief in mich hinein. Der bittere Qualm brannte in meinen Lungen. Ich musste mich anstrengen, um nicht zu husten. Ich atmete schwer, Tränen schossen mir in die Augen und Spucke lief aus meinem Mund. Dann rauchte ich noch einen Chinesen und dann noch einen. Ich konnte in jeder einzelnen Sekunde fühlen, wie es besser wurde. Mit jedem neuen Atemzug schien der Affe weniger zu werden, die Schmerzen in allen Fasern meines Körpers lösten sich kontinuierlich in Luft auf, bis sie schließlich ganz verschwunden waren. Ich rauchte noch weitere Chinesen und dann noch welche. Und schon bald war nur noch Wärme in mir, nur noch dunkle, sanfte Wohltat. Mein Hals war ganz trocken und es schmeckte sehr bitter, aber auch angenehm vertraut, eben nach gutem Heroin.
Ich stand auf und wankte zum Waschbecken. Eine Weile starrte ich mein Gesicht im Spiegel an. Ich ärgerte mich über die Wunde zwischen meinen Augen, wo mich anscheinend der zweite unselige Stein getroffen hatte. Ansonsten war mein Gesicht aber in Ordnung. Und mein Kopf tat jetzt nicht mehr weh. Ich war verflucht wohlig beduselt, alles war wie weiche Watte in mir.
Kurzentschlossen zog ich mich schnell aus und stellte mich nackt unter und vor die fünfundzwanzig Wasserdüsen meiner Dusche. Ich ließ mich vom warmen Wasser sehr angenehm massieren, dann wusch ich mich gründlich mit extrem teurem Duschgel. Dabei untersuchte ich eine Weile meinen Körper. Meine Hüfte war von dem ersten Stein verletzt worden. Mein Hinterteil hatte einen blauen Fleck, wo mich ebenfalls ein Stein getroffen hatte, den Sean nach mir geworfen hatte. Ich hatte auch einige blaue Flecken an den Armen, Oberschenkeln und an den Rippen. Sean hatte kräftig zugeschlagen, aber es tat jetzt nicht weh. Nichts tat mehr weh, nicht mal der Gedanke an Sean.
Ich verbannte ihn trotzdem schnell wieder aus meinem Gedächtnis, was mir nicht mal besonders schwer fiel, denn da war jemand, der im Wohnzimmer auf mich wartete. Ich brauchte Valmont heute Nacht nicht. Weder ihn, noch Eliza. Dieser Gedanke gefiel mir ungemein. Ich trank gierig einige Schlucke Wasser und spülte mein Maul aus. Dann drehte ich die Dusche ab und stieg heraus. Ich kontrollierte meine Zähne im Spiegel nach Rückständen von shore. Sie waren ganz sauber. Ich trocknete mich mit einem Handtuch ab. Dabei grinste ich mich selbst an, versuchte einige Arten zu lächeln, weil ich mich plötzlich an das Mädchen in meiner Wohnung erinnerte. Ich versuchte mich zu erinnern, wie sie aussah. Ich dachte darüber nach, ob ich es gut fand, dass sie da war, oder ob ich jetzt lieber allein wäre.
Aber ich kam ziemlich schnell darauf, dass ich jetzt auf gar keinen Fall allein sein wollte. Ich war auf einmal glücklich, wie euphorisch über ihre Anwesenheit. Und obwohl ich sie überhaupt nicht kannte und auch noch keinen Plan hatte, wie diese Nacht mit ihr wohl verlaufen würde, nahm ich mir vor, sie nett und zuvorkommend zu behandeln. Ich würde ihr nicht zu nahe kommen. Es war mir völlig egal, ob sie mit mir schlafen würde. Ich war viel zu froh über ihre Gesellschaft, als hätte der Gedanke an Sex mich in irgendeiner Weise beeinflusst. Ich hatte nicht die geringste Absicht, es auch nur irgendwie darauf anzulegen. Ich fühlte mich zu gut, ich war viel zu angetörnt, um die Nacht von Sex abhängig zu machen.
Eine Weile stand ich noch vor dem Spiegel und sah mein Gesicht an, meine Augen mit den winzigen Pupillen. Dann wurde mir ganz warm. Ich zog mich wieder an, drehte mich herum und versteckte den Rest der shore und die Rauchutensilien im Schaltkasten des Whirlpools. Dann stand ich noch eine Weile dort, schloss die Augen und atmete tief durch.
Sean
Der Samstagabendauftritt, zweifellos die wichtigste Vorstellung der ganzen Woche, endete nicht mit meinem so oft erträumten tosenden Beifall. Ich bekam keine standing ovations. Niemand wollte ein Autogramm von mir haben und keiner machte ein Selfie mit mir.
Dieser Auftritt endete damit, dass ich allein in der Garderobe im Keller des Theaters auf dem Boden saß und fast durchdrehte. Ich war dermaßen verzweifelt wegen diesem ganzen Scheiß, der mein Leben war. Das erfolglose Stück und der Reporter von ArtHouse, der meine Performance und mich durch den Dreck ziehen würde, dessen war ich mir sicher. Eric Dentor, der mich auf eine viel zu gefährliche Art öffentlich benutzte, und den ich trotzdem nicht nur aus Mitleid an mich heran ließ, sondern auch aus Geilheit. Eliza Laser, die eine viel zu starke Beziehung zu Clay hatte, die ich einfach nicht zerstören konnte. Und selbstverständlich und immer wieder Clay Banton, der mich verhext hatte, und der nichts von dem verstand, was ich ihm die ganze Zeit über sagen wollte. Er würde mich nie begreifen, und ich fühlte mich verflucht einsam und unverstanden.
Mir schien es, als wäre ich der Einzige, dem überhaupt etwas an Psychotic Kühlschrank lag. Als wäre ich der Einzige, der die Performance so verstand, wie sie gemeint war. Es war meine Geschichte! Es war meine Seele, offen auf einem Tablett serviert. Ich hatte so verdammt lange hart daran gearbeitet. Und jetzt wurde meine Arbeit einfach so in den Dreck geworfen. Alle hielten es für Bullshit, machten sich lustig darüber und verstanden überhaupt nichts.
ArtHouse interessierte sich sowieso höchstens für irgendwelche ominösen Vergewaltigungsgeschichten. Clay machte mit seiner Blödheit, seiner Drogensucht und Unkontrollierbarkeit alles kaputt, was ich uns so mühsam aufgebaut hatte. Charlotte hingegen war viel zu talentiert, um es noch lange mit uns und meiner, nicht im geringsten erfolgreichen Performance auszuhalten, glaubte ich zu wissen. Für sie war Psychotic Kühlschrank ohnehin nur ein Hobby neben ihrem festen Arrangement am Stadttheater. Sie würde sich bestimmt schon sehr bald von uns verabschieden.
Was zur Hölle sollte ich dann allein mit Clay anfangen? Mit wem sollte ich die weibliche Hauptrolle neu besetzen, wo doch niemand mehr Interesse daran hatte? Ich müsste meine Performance von Grund auf umschreiben, was eigentlich in dem Maß gar nicht möglich war. Als Konsequenz würden sich Clay und ich dann wieder, wie ganz am Anfang unserer Schauspielkarriere, als unterschätztes Duo auf der Bühne einen abbrechen, und wahrscheinlich höchstens ein müdes Lächeln damit erzielen. Vielleicht würden die Leute uns auch ausbuhen und mit Gegenständen nach uns werfen, so wie bei unserem ersten Versuch auf einer Bühne vor ein paar Jahren.
Aber das Schlimmste war, dass Clay Banton dann vielleicht gar nicht mehr dazu fähig war, auf einer Bühne zu stehen und eine anspruchsvolle, experimentelle Performance auszufüllen. Wenn dieser verfluchte Vollidiot so weitermachte, dann gab ich ihm höchstens noch ein paar Wochen, bis er wieder völlig versumpfen würde. Das würde zwangsläufig passieren. Es gab für ihn und mich keine Chance, dieser Tatsache zu entkommen, wenn er sich nicht änderte und endlich damit aufhörte, zu viel Heroin zu rauchen.
Selbstverständlich dachte ich an Clay, und dann heulte ich plötzlich laut und krampfhaft. Mächtige Traurigkeit übermannte mich völlig ungewollt. Die salzigen Tränen schossen förmlich aus meinen Augen und liefen nass mein Gesicht herunter. Rotz lief mir aus der Nase, und es war mir völlig egal. Ich war am Boden zerstört. Clay zerstörte sich selbst. Clay zerstörte mich, weil ich ihn zu sehr liebte. Ich sehnte mich so stark nach ihm, dass es verdammt weh tat. Es zerriss mich nahezu. Ich hatte das Gefühl, meine Sehnsucht nicht länger ertragen zu können. Ich konnte es nicht länger ertragen, dass Clay Banton hochgradig süchtig nach Heroin war, und dass er so dermaßen viel für Eliza empfand.
Ich wollte tatsächlich sterben in diesem Moment, denn es kam mir die Idee, dass dann sofort jede Verzweiflung von mir abfallen würde, dass es sogar die einzige Chance wäre, dieser Qual zu entkommen.
Zwischendurch drängte sich wiederholt Eric Dentor in meine Gedanken, und wie gut er sich angefühlt hatte. Aber ich wollte doch gar kein Schwuler sein, der sich von fremden Männern auf einer beschissenen Toilette einen runter holen ließ! Trotzdem geilten mich diese Begegnungen auf, war ich also genau so eine blöde Schwuchtel. In diesem Moment hasste ich mich richtig dafür. Ich war extrem alarmiert wegen meiner ständigen Bereitschaft, in der Öffentlichkeit diese gefährlichen Risiken einzugehen. Irgendwie war ich sogar süchtig nach dieser Art von Gefahr, wurde mir bewusst, und das würde sicher nicht mehr lange gut gehen. Ich konnte es nicht ertragen, dass Clay von Dentor wusste. Ganz sicher sprach sich das alles sowieso schon längst herum, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich zum Gespött werden würde.
Meine wirren Gedanken rasten unaufhaltsam in eine unendliche Dunkelheit. Alles ging kaputt, es entzog sich irgendwie meinem Einfluss. Ich fühlte mich diesem Verfall hilflos ausgeliefert. Ich saß auf dem schmutzigen Boden der Garderobe und starb ganz allein ungefähr tausend Tode. Vom vielen krampfhaften Schluchzen taten mir der Hals und die Lunge weh. Die Scheiß shore wirkte überhaupt nicht mehr.
Jill
Ich dachte gerade darüber nach, ob ich aufstehen und mir den Rest der Wohnung anschauen sollte, als ich hörte, wie die Badezimmertür aufging. Clay kam lächelnd ins Zimmer. Er hatte keine Jacke und keine Schuhe mehr an, nur schwarze Socken, schwarze Jeans und ein dunkelblaues Sweatshirt. Sein dunkles, kurzes Haar war immer noch nass. Er war jetzt überhaupt nicht mehr hektisch. Er strahlte eine umfassende Ruhe und Zufriedenheit aus.
Eine Weile stand er dort und schaute mich lächelnd an. Sein Lächeln war freundlich, sehr interessiert, und ich fand es ziemlich süß. Ich fand ihn auf einmal ausgesprochen attraktiv. Er kam näher und guckte auf den Tisch, um zu überprüfen, ob ich mir etwas zu trinken geholt hatte, was ich nicht getan hatte. „Was möchtest du trinken?" fragte er sogleich, „Möchtest du Wein? Ich habe Rotwein in der Küche..." Ich lächelte, denn er überschlug sich nahezu vor Gastfreundschaft. „Wein wäre toll", stimmte ich ihm zu. „Pinot Noir?" wollte er wissen. „Ja, super", nickte ich, dabei hatte ich gar keine Ahnung von Wein und wusste überhaupt nicht, welche Sorte er damit meinte. Er drehte sich um und ging den Flur entlang zur Küche.
Nach kurzer Zeit war er schon wieder zurück mit zwei sauberen Weingläsern und einer Flasche Rotwein unter dem Arm, von dem ich annahm, dass es bestimmt eine teure Marke war. Er setzte sich neben mich auf das Sofa, ohne mir zu nah zu kommen. Er hörte nicht auf zu lächeln, entkorkte die Flasche äußerst gekonnt und goss uns zwei Gläser ein.
Dann reichte er mir das eine Glas und stellte die Flasche auf den Tisch. Er hielt mir sein Glas zum Anstoßen hin und sah mich aufmerksam an. „Es tut mir leid, dass du so lange warten musstest", betonte er höflich. „Also... wie heißt du?" fragte er dann lächelnd. „Jill. Ich heiße Jill Bennet", antwortete ich ihm amüsiert. „Es ist schön, dass du hier bist, Jill", sagte er nett, „Ich bin Clay Banton." „Ja, ich weiß", kicherte ich und war beeindruckt von seinen guten Manieren.
Wir stießen mit unseren Gläsern an und ich nahm einen Schluck. Der Rotwein war angenehm kühl und schmeckte recht gut, fruchtig und würzig zugleich. Clay leerte in einem Zug sein ganzes Glas und stellte es dann auf den Tisch, nachdem er sich Platz verschafft hatte. Dann kramte er aus seiner Hosentasche eine Schachtel Marlboro samt Zippo-Feuerzeug, zündete sich eine Zigarette an und legte die Schachtel ebenfalls auf den Tisch. Es gefiel mir nicht, dass er rauchte, aber ich beschloss darüber hinwegzusehen. Ich zog meine Jeansjacke aus und legte sie neben mich auf das Sofa. Es war angenehm warm in seiner Wohnung.
Danach saßen wir eine Weile schweigend nebeneinander. Ich beobachtete ihn von der Seite. Er sah sauber und erfrischt aus. Ich war erleichtert, dass er sich mit den Drogen nicht so zugeknallt hatte, dass er nichts mehr mitkriegen würde. Eigentlich merkte man ihm seinen Heroinkonsum kaum an. Er rauchte, schaute mich nicht an und wirkte jetzt irgendwie schüchtern. Offenbar wusste er nicht so recht, was er nun tun sollte.
Nach einiger Zeit wandte er sich mir wieder zu. „Erzähl mir doch etwas von dir", bat er mich in die Stille hinein. Ich schüttelte den Kopf. „Erzähl mir lieber von dir, Clay. Deine Wohnung sieht sehr teuer aus. Wie kommst du an so eine Wohnung?" forderte ich ihn auf und betrachtete ihn neugierig. Er lächelte und erwiderte meinen Blick. „Warum wundert dich das?" wollte er amüsiert wissen. Ich wollte ihn nicht jetzt schon vor den Kopf stoßen mit der Frage, woher er so viel Geld hatte, deshalb sagte ich: „Weil hier in der Gegend anscheinend niemand sonst wohnt. Ich meine, das ist doch hier ein Gewerbegebiet, oder? Niemand sonst hat eine Wohnung in einer Lagerhalle! Ist es deine Wohnung?" Er nickte. „Hast du die Wohnung gekauft?" hakte ich interessiert nach. Clay lächelte und nickte nochmal. „Von wem?" drang ich weiter in ihn. Er betrachtete mich aufmerksam. Meine Wissbegier schien ihn zu belustigen. „Von einem Kunstsammler", antwortete er mir nach einer Weile ruhig. Ich war erstaunt. „Kunstsammler?!" „Er kauft Bilder von mir." „Hast du die Wohnung mit einem Bild bezahlt?" fragte ich ziemlich dumm. Clay lachte sofort lauthals auf und schüttelte den Kopf.
„Das wäre schön, wenn meine Bilder so viel wert wären!" rief er lachend, beinahe nach Luft schnappend. Ich musterte ihn und mir fiel plötzlich auf, wie schön er war, wenn er lachte. Seine grünen Augen blitzten förmlich vor Heiterkeit. Sein ganzer Körper strahlte Erheiterung aus. Seine greifbar offene Fröhlichkeit war sofort merkbar ansteckend. „Was ist denn die höchste Summe, die du je für ein Bild bekommen hast?" wollte ich neugierig wissen. Clay blinzelte mich verschmitzt an. „Was glaubst du denn?" fragte er mich irgendwie neckend. Ich überlegte sehr lange, dabei hatte ich sowieso null Ahnung vom Kunsthandel. „100 Euro?" schätzte ich endlich vorsichtig.
Clay prustete los und lehnte sich im Sofa zurück. Er streckte seinen Arm über die Lehne in meine Richtung. Beinahe liebevoll betrachtete er mich. Du hast zwar keinen Schimmer von Kunst, aber ich finde dich echt lustig, sagte sein Blick. „Das wäre wiederum ein bisschen traurig - für die ganze Arbeit", meinte er. Ich rutschte näher zu ihm hin und schlug ihn leicht gegen die Schulter. „Jetzt sag es mir schon!" forderte ich ihn ungeduldig auf. Er rieb sich übertrieben die getroffene Stelle, als hätte ich ihm mit meinem leichten Klaps wehgetan.
„10.000", behauptete er breit lächelnd. Die Höhe der Summe erstaunte mich zutiefst. 10.000 Euro erschien mir entschieden zu viel Geld zu sein für ein Bild von einem unbekannten Künstler wie Clay Banton. Ich war mir nicht sicher, ob er mich nicht vielleicht anlog und seine Bilder viel wertvoller machte, als sie in Wahrheit waren. Aber natürlich sagte ich ihm das nicht.
„Wie lange malst du denn an einem Bild?" fragte ich ihn stattdessen. Seine Finger streichelten jetzt wie gedankenverloren über den Stoff der Sofalehne, ohne mir zu nah zu kommen. „Das ist ganz unterschiedlich... Es kommt auf das Motiv an... die Technik... das Material... und natürlich auf die Größe des Bildes...", erklärte er mir zögernd. Mein Blick fiel auf die Wohnungstür und das daran angeheftete Plakat von Psychotic Kühlschrank. „Wie lange hast du für dieses Plakat gebraucht?" wollte ich von ihm wissen. Sein Blick folgte meinem. Er studierte eine Weile das Plakat und dachte nach. Er versuchte sich wohl zu erinnern, wie lange er daran gemalt hatte. „Ungefähr vier Tage", informierte er mich endlich ganz leise. Ich beobachtete ihn gebannt und ich bemerkte, wie seine greifbare Fröhlichkeit von ihm abfiel. Irgendetwas an dem Plakat macht ihn traurig, registrierte ich überrascht. Ich beschloss, auf jeden Fall noch auf das Thema Theater zurück zu kommen. Aber erst interessierte mich noch etwas anderes.
„Du hast die Wohnung also mit Geld bezahlt?" Sein Blick wanderte zurück zu mir. Er lächelte, aber es wirkte jetzt ein wenig betrübt. „Ja, der wollte schon Geld von mir haben", sagte er, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. „Und wie kommt es, dass ein Kunstsammler, der Bilder von dir kauft, dir plötzlich eine Wohnung verkauft?" Clay zog seinen Arm von der Lehne zurück, setzte sich wieder gerade hin und zuckte mit den Schultern. „Er hat mir die Wohnung angeboten. Ich habe sie hauptsächlich gekauft, weil ich unten die große Halle nutzen kann." „Das Haus gehört dir also nicht?" „Nein, bisher nur die oberen Etagen." „Willst du das ganze Haus kaufen?" wollte ich überrascht wissen. Er schmunzelte über meine Neugier. „Irgendwann ja. Wenn ich das dazu nötige Kleingeld habe." „Und wofür brauchst du die Halle unten im Erdgeschoss?"
Er lächelte fast mitleidig über meine Dummheit und zeigte ringsum an die Wände seines Wohnzimmers. „Um meine Bilder auszustellen. Das erspart mir die Suche nach einer Galerie", erklärte er mir, als müsste ich das eigentlich wissen. „Du machst Ausstellungen?" entfuhr es mir erstaunt. Aus irgendeinem Grund hatte ich damit nicht gerechnet. Er nickte erneut. „Selbstverständlich. Auf diese Art kann man immer noch am besten Bilder verkaufen."
Diese Informationen beeindruckten mich, besonders weil ich wusste, dass er heroinabhängig war. Es beeindruckte mich, dass dieser Mann trotz seiner Sucht in seine Kunst so viel Energie stecken konnte, dass er seine Bilder aus eigener Kraft für so viel Geld verkaufen konnte. „Du bist also nicht nur ein erfolgreicher Schauspieler, sondern auch ein sehr gefragter Maler!" stellte ich ehrlich bewundernd fest. Clay wich unsicher meinem Blick aus, zog an seiner Zigarette und drückte sie dann in den Aschenbecher. „Ich versuche es", meinte er bescheiden, ohne mich dabei anzusehen. Ich hatte den Eindruck, mein Enthusiasmus für seine Person wurde ihm langsam ein bisschen unheimlich. Andererseits schien er sichtbar sehr geschmeichelt zu sein.
Amüsiert betrachtete ich ihn und wechselte das Thema, indem ich mich seiner zweiten Tätigkeit zuwandte. „Und wie bist du beim Theater gelandet, Clay?" Er seufzte unwillig. „Das hat sich einfach so ergeben...", antwortete er ausweichend. Irgendwas an diesem Thema gefiel ihm nicht. Vielleicht stellte ich ihm aber auch einfach nur zu viele Fragen.
„Ich würde sterben, da oben ganz allein im Scheinwerferlicht, nackt vor den ganzen fremden Menschen, die mich anstarren! Ich würde vor lauter Nervosität mit Sicherheit kein Wort rauskriegen und meinen Text komplett vergessen!" berichtete ich ihm, um ihn aufzumuntern, was sofort klappte. Clay fing amüsiert an zu lachen und schüttelte den Kopf. „Hast du denn niemals Angst dich zu blamieren?" fragte ich ihn erstaunt. Seltsamerweise schien dieser Gedanke ihm völlig neu zu sein. Er dachte lange darüber nach und es sah aus, als hätte er tatsächlich noch niemals vorher darüber nachgedacht. Es fiel ihm sichtbar schwer, auf meine Frage eine Antwort zu finden.
Überrascht und fasziniert beobachtete ich diesen Mann, dem so etwas wie Lampenfieber scheinbar fremd war. „Ich denke nicht darüber nach, was vielleicht passieren könnte", versuchte er endlich zu erklären. „Im Ernst?" entfuhr es mir perplex. Er lächelte wieder sein süßes Lächeln. Seine Augen leuchteten grün, mit winzigen schwarzen Pupillen. „Das bringt doch gar nichts", meinte er, womit er zumindest in Bezug auf das Theater ohne Zweifel recht hatte. Dennoch war ich sehr erstaunt über sein scheinbar grenzenloses Selbstbewusstsein.
Clay lehnte sich auf dem Sofa zurück und betrachtete mich lächelnd. Offensichtlich fühlte er sich in meiner Gesellschaft wohl, was mir irgendwie schmeichelte. „Und was machst du so, Jill? Wo wohnst du?" wollte er interessiert von mir wissen, um das Gespräch von sich abzulenken. Ich winkte ab. „Ach, wenn du zu mir kommen würdest, dann wärst du bestimmt enttäuscht." „Das glaube ich nicht!" entgegnete er sofort, und seine Augen signalisierten ehrliche Anteilnahme.
Verwirrt wich ich seinem Blick aus und nahm noch einen Schluck Wein. „Ich wohne ganz primitiv zur Miete", erzählte ich ihm dann. „Wie groß ist deine Wohnung?" fragte er. „Gerade mal 50 Quadratmeter", informierte ich ihn achselzuckend, denn das war im Vergleich zu seinem riesigen Domizil nahezu winzig.
„Und.... wohnst du dort denn alleine?" wollte er plötzlich sehr leise wissen. Ich warf ihm einen überraschten Blick zu. Er lächelte beinahe entschuldigend, aber auch sichtbar gespannt und irgendwie herausfordernd. Seine Augen glitzerten jetzt vor Neugierde, vielleicht auch Aufregung. Irgendwie nervös strich er sich über den Kopf und den Nacken, um sich mit dieser Geste selbst zu beruhigen. Angespannt wartete er auf meine Antwort. Sein sichtbar großes Interesse an meinem Familienstand amüsierte mich. „Ja, ich wohne dort ganz alleine", teilte ich ihm lächelnd mit. Clay erwiderte mein Lächeln. Ich hatte den Eindruck, dass ihm meine Antwort sehr gefiel. „Ich wohne hier auch ganz alleine, Jill", betonte er aufgekratzt.
Eine Weile schauten wir uns intensiv an, dann lachte er verlegen und wandte sich von mir ab. Er griff nach der Flasche Wein und goss sich noch ein Glas voll. Er nahm das Glas und leerte es erneut in einem Zug. Na gut, dachte ich, wenn wir jetzt also bei diesem Thema sind - warum nicht! „Bist du mit jemandem zusammen, Clay?" fragte ich ihn geradeheraus und beobachtete ihn genau. Er schloss kurz abwehrend die Augen, als könnte er so meiner Frage ausweichen. Oha! dachte ich sofort aufhorchend, sein Liebesleben scheint also ziemlich kompliziert zu sein. Je mehr ich über diesen Mann erfahre, umso interessanter wird er für mich, registrierte ich erfreut.
„Hast du jemanden, Jill?" lenkte er ab, indem er mir augenzwinkernd mit der selben Frage antwortete. Ich lachte und schüttelte den Kopf. „Nein, Clay! Das gilt nicht! Ich habe dich zuerst gefragt!" Protestierend knuffte ich ihn nochmal gegen die Schulter. Er seufzte tief. „Sag es mir doch bitte einfach", bat er mich eindringlich. Irgendwas an seiner Stimme ließ mich einlenken. Also schüttelte ich nochmal den Kopf. „Nein, ich bin zur Zeit solo", gab ich ruhig zu. Er nickte lächelnd. Sein Blick wurde auf der Stelle intensiver, suchte irgendwas. Irgendetwas veränderte sich nach meiner Antwort für ihn.
Clay atmete tief ein und wandte sich dann wieder von mir ab. Plötzlich wirkte er irgendwie verloren, wahrscheinlich weil er wusste, dass ich nun von ihm eine Antwort einforderte. Er schwieg lange und starrte dabei reglos auf den Tisch. Nervös strich er sich wieder über den Kopf und den Nacken. „Und du, Clay?" forderte ich ihn nach einer Weile behutsam auf. Er schloss wieder die Augen, seufzte und schien nachzudenken.
Schließlich warf er mir einen hilflosen Blick zu. „Ich weiß es nicht genau", flüsterte er ratlos, „Ich kann es dir wirklich nicht sagen, Jill." Das war eine Antwort, die ich nicht erwartet hatte, aber ich fand seine Ehrlichkeit in diesem Moment absolut sexy. Doch die Erinnerungen, die meine Frage über seinen Beziehungsstatus anscheinend bei ihm ausgelöst hatten, betrübten ihn merkbar. Sein Lächeln blieb aufgeschlossen, aber seine Augen wurden richtig traurig. Ein dunkler Schatten legte sich über ihn, deshalb beschloss ich, lieber noch einmal das Thema zu wechseln.
„Wie kannst du dir nur diesen ellenlangen Text merken, Clay? Ich habe zwar heute leider nur das halbe Stück zu sehen bekommen, aber du musstest ja total viel sagen!" Er seufzte tief und wechselte unbehaglich seine Sitzposition. „Ich habe das Stück schon zu oft gespielt, um den Text nicht zu wissen", meinte er irgendwie deprimiert. Meine Erwähnung, dass ich nur die halbe Vorstellung gesehen hatte, erinnerte ihn offenbar an den Angriff auf ihn an diesem Abend. Ich ärgerte mich, dass ich ihn an diesen Zwischenfall erinnert hatte, denn seine Fröhlichkeit starb, er fühlte sich merkbar unwohl. Er wandte sich von mir ab und starrte reglos auf die gegenüberliegende Wand. Nervös streichelte er seinen Nacken, legte sich schützend die Finger über die Augen. „Bist du schon oft auf der Bühne angegriffen worden?" fragte ich ihn leise und behutsam. Er schüttelte den Kopf und guckte mich wieder an.
Eine Weile war es still. Dann holte er plötzlich tief Luft. „Nein, ich weiß nicht, warum dieses blöde Arschloch die Steine nach mir geworfen hat!" erklärte er mir heftig. Obwohl ich ihn nicht danach gefragt hatte, meinte er wohl, dass es genau das war, was mich am meisten interessierte. Und offensichtlich ärgerte er sich darüber. Er seufzte nochmal und wandte sich ab, irgendwie hilflos, weil er laut geworden war.
Eine Weile war es abermals still. Ich betrachtete ihn, gerührt über seine hilflose Wut und seinen wenig erfolgreichen Versuch, sich nichts anmerken zu lassen. Dann streckte ich vorsichtig meinen Arm aus und berührte seine Hand. Er zuckte zusammen und schaute mich fragend an. Ich lächelte beruhigend. „Ist ja gut, Clay. Es tut mir leid, dass dir das heute passiert ist. Du hattest das nicht verdient, du warst fantastisch auf der Bühne. Solche elenden Idioten, die anderen keinen Erfolg gönnen, die gibt es doch immer und überall", versuchte ich ihn zu trösten und streichelte dabei mild über seine Hand.
Er lächelte sofort sehr dankbar. „Du findest mich wirklich fantastisch?" wollte er erstaunt wissen. Ich nickte und streichelte sanft über seinen Arm. „Ja, du bist ein richtig guter Schauspieler!" bekräftigte ich mit fester Stimme. Er lächelte verlegen, aber auch geschmeichelt. „Danke, das ist lieb von dir", seufzte er und schaute irritiert auf meine Finger, die sich an seinem Arm hinauf zu seiner breiten Schulter streichelten. Er genoss meine beruhigende Zärtlichkeit, wurde mir klar.
Gebannt beobachtete ich seine Reaktion. Mir schien, als hätte ich für ihn mit dieser harmlosen Berührung irgendeine Grenze überschritten. Als würde er nun überlegen, wohin das wohl noch führen könnte. Ich musste lachen und zog meinen Arm zurück. Er sah mich bedauernd an und ich lachte, weil ich registrierte, dass Clay Banton für mich wie ein offenes Buch war. Ich konnte ihm seine Gedanken und Gefühle tatsächlich anmerken. Ich war fasziniert von seiner irgendwie simplen Offenheit. Er stimmte verwirrt, beschämt in mein Lachen ein und wandte sich ab, um sich neuen Wein einzuschütten. Auch das dritte Glas leerte er gierig in einem Zug.
Clay
Wir plauderten gemütlich auf der Couch im Wohnzimmer, und sie war wirklich lustig. Sie hatte offenbar so überhaupt keine Ahnung von der Malerei, dem Theater oder von Immobilien, was ich sehr amüsant fand. Jede einzelne Antwort von mir schien sie zu erstaunen. Ihr Interesse an mir und meiner Welt war scheinbar grenzenlos, ihr Fragestrom riss nicht ab. Außerdem war sie die ganze Zeit wahnsinnig nett zu mir, was ich eigentlich überhaupt nicht verstehen konnte. Sie machte mir viele Komplimente, die ich unwillkürlich beinahe gierig in mich aufnahm.
An diesem Tag war ich böse beschimpft worden. Ich war wiederholt brutal geschlagen worden. Andere Menschen hatten mir körperlich und seelisch weh getan. Jill dagegen sagte nur angenehme Dinge zu mir, sie war sanft und freundlich. Es ging mir viel zu gut, um ihre Behauptungen und Komplimente zu hinterfragen. Ich nahm sie einfach hin und war tatsächlich ein bisschen stolz auf mich selbst. Keine Ahnung, wie sie das anstellte, aber ihre Worte wirkten echt. Sie lächelte mich freundlich an. Ihr Interesse an mir schien gänzlich ohne Hintergedanken zu sein. Und das alles tat mir so unendlich gut in diesem Moment.
Ich saß neben ihr auf meinem Sofa und fühlte mich zum ersten Mal an diesem Scheiß Tag richtig wohl. Ich genoss ihre Nähe und ihre Freundlichkeit. Sie war der erste Mensch an diesem Tag, von dem ich mich nicht im Geringsten bedroht fühlte. Sie erwartete scheinbar gar nichts weiter von mir. Sie war nicht wütend auf mich. Sie hatte offensichtlich nicht vor, mich zu beschimpfen oder zu schlagen, was ich kaum fassen konnte.
Je länger ich neben ihr saß, umso mehr überwältigte mich meine Dankbarkeit. Mir war schon klar, dass Jill Bennet mich einfach nicht gut genug kannte, um mir irgendetwas vorwerfen zu können. Sie würde mir auch nichts vorwerfen. Im Gegenteil, sie war beeindruckt von mir. Sie fand mich als Schauspieler und Maler richtig gut. Sie war von meiner Wohnung sichtbar hingerissen.
Ich saß neben ihr, betrachtete sie, sprach mit ihr, und mein Bedürfnis sie anzufassen zerrte plötzlich, unwillkürlich immer mehr an mir. Meine Lust sie zu streicheln steigerte sich ganz ungewollt. Jill berührte mich, knuffte mich, streichelte meine Hand, meinen Arm und meine Schulter. Und ich genoss diese sanfte Berührung so extrem, dass es mich selbst am meisten überraschte. Es überwältigte mich nahezu. Ich gierte augenblicklich nach mehr, aber sie zog ihren Arm wieder zurück und fing an zu lachen. Ich fühlte mich beschämt und rettete mich zu einem neuen Glas Rotwein.
Ich fragte mich irritiert, ob sie mich auslachte, ob sie vielleicht doch gerade dabei war, mich ganz gewaltig zu verarschen. Aber andererseits ging es mir viel zu gut, um mich wirklich daran zu stören, überlegte ich. Die shore machte mich rundum zufrieden und relativ unempfindlich für irgendwelche Gemeinheiten.
Ich griff nach der Fernbedienung und schaltete den CD-Player ein. Es ertönten R.E.M., die ich ganz leise stellte. So kann es bleiben, dachte ich, behaglich auf diesem Sofa sitzen, ganz leise Musik hören, mit dieser Frau reden und nicht allein sein.
„Kennst du Sean Valmont gut?" fragte Jill mich unvermittelt. Ich fühlte sofort einen merkwürdigen Stich in meinem Innern bei dem Gedanken an Sean, aber nur schwach, weil das Heroin alles dämpfte. Trotzdem wollte ich in diesem Moment echt nicht an Valmont denken. „Ich glaube schon", sagte ich schnell, heiser und leise und schüttete mir hastig neuen Wein ein. Frag mich nicht nach Sean, dachte ich flehentlich, bitte frag mich jetzt nicht nach Sean, Mädchen! Gierig leerte ich mein Glas Wein und registrierte, dass der Alkohol in meinem Blut sich langsam bemerkbar machte. Ich zündete mir eine neue Zigarette an. Sie beobachtete mich interessiert von der Seite.
Ich spürte ihren Blick überdeutlich. Jill machte mich auf einmal ein wenig nervös. Ihre neugierigen Fragen fingen an, in mein Innerstes vorzudringen, und das gefiel mir nicht. „Wie lange arbeitet ihr schon zusammen?" wollte sie wissen. Ich schloss die Augen, denn ich wollte mich jetzt wirklich nicht an Sean erinnern. Aber ich konnte nicht verhindern, dass ich automatisch an ihn dachte.
Bunte Bilder von früher tauchten unwillkürlich in meinem umnebelten Gehirn auf. Sean und ich auf der Bühne, bei unserem ersten öffentlichen Auftritt überhaupt. Damals hatten wir mit unserer Performance ziemlich viel Aufsehen erregt. Ich hatte keine Ahnung, wie lange das schon her war, aber es schien mir ewig lang her zu sein.
„Ich weiß nicht... ein paar Jahre", antwortete ich Jill wahrheitsgemäß. Sie schaute mich lächelnd an. Vielleicht wunderte sie sich, dass ich ihr kein genaues Datum nennen konnte. „Und Charlotte?" wollte sie wissen. „Charlie ist erst seit Psychotic Kühlschrank bei uns", erklärte ich ihr. Sie lächelte offen. „Weißt du, ihr drei seid ein richtig tolles Gespann auf der Bühne! Ihr ergänzt euch so perfekt! Ich finde euch einfach atemberaubend gut!" schwärmte Jill und streichelte wieder kurz, anerkennend über meinen Arm. Ich betrachtete sie eine Weile und wurde erneut von ihrer Freundlichkeit angezogen. Ihr offenes Interesse schmeichelte mir.
Ich war an diesem Tag so mies behandelt und verprügelt worden. Sean und Eliza hatten sich beide von mir abgewandt und mich wie Dreck behandelt. Es tat meiner Seele gut, dass dort ein Mensch war, der einfach nur nett war. Ich war so sehr an Beschimpfungen und Schläge gewöhnt, dass ich gar nicht begreifen konnte, wie sanft und freundlich Jill mit mir umging, wie sehr sie sich für mich interessierte. In diesem Moment wollte ich sie unbedingt berühren. Es wäre so verdammt wundervoll, wenn sie mir ihre Hand auf den Bauch legen würde, gierte es sehnsüchtig in mir. Aber ich saß nur neben ihr auf dem Sofa und lächelte sie dankbar an.
Und dann sagte ich aus einem ganz unüberlegten, inneren Impuls heraus meine Ansprache aus Psychotic Kühlschrank auf. Keine Ahnung, warum ich das tat. Es war mir aus irgendeinem Grund auf einmal ein starkes Bedürfnis. Sie hat nur die halbe Vorstellung gesehen, nagte es ungesteuert in mir, sie weiß gar nicht, wie mein Text weitergeht. Also rezitierte ich ihr spontan meinen Monolog. Wahrscheinlich wollte ich mich damit nur von meiner Nervosität ablenken. Ich quatschte einfach los, um nicht weiter überlegen zu müssen. Oder, um ihren Ansturm von Fragen zu stoppen, die sich gefährlich nah an meine Seele zu schleichen schienen. Dieser Text war mir vertraut, und er war gänzlich ungefährlich.
Meine Rolle war eine Metapher, ein Mensch, verglichen mit einem Kühlschrank. Ich war ein echt verzweifelter Kühlschrank in einem traurigen Dilemma. Ich wollte meinen Stecker raus ziehen, um die ständige Kälte in mir loszuwerden. Ich wollte meine Tür weit öffnen, damit mein Licht immer leuchtete, hinaus in die Welt leuchtete, damit andere mich endlich bemerkten. Aber wenn ich das tun würde, dann wäre ich absolut sinnlos. Ich hätte den Sinn meiner Existenz vollkommen verwirkt. Ich sagte meinen Text genau wie von Sean vorgeschrieben auf und machte an den richtigen Stellen dramatische Pausen. Jill hörte mir sehr genau zu. Die ganze Zeit hatten wir intensiven Blickkontakt. Ich spielte meine Rolle nur für sie allein.
Als ich meinen Monolog beendet hatte, wirkte sie wirklich beeindruckt. Eine lange Weile war es ganz still. Ich zog an meiner Zigarette und drückte sie in den Aschenbecher. Irgendwie nervös wartete ich auf ihr Urteil. „Das ist absolut brillant", meinte Jill schließlich überwältigt. Ich lächelte ehrlich geschmeichelt. „Danke." „Ist das von dir?" fragte sie. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist Seans Performance und Seans Text", informierte ich sie wahrheitsgetreu. „Ist Sean denn wirklich so deprimiert?" wollte sie überrascht wissen.
Darüber dachte ich eine Weile nach. Aber ziemlich schnell ging diese Frage mir extrem auf den Geist, denn ich wollte wahrhaftig nicht über so etwas nachdenken. Ich schaute sie achselzuckend an. „Das musst du ihn schon selber fragen", schmetterte ich sie ab. Es ärgerte mich, dass wir schon wieder beim Thema Sean Valmont angelangt waren. Ich wollte in dieser Nacht nicht mehr an Sean denken. Aber zum Glück fragte Jill nicht weiter.
„Du spielst diese Rolle wirklich fantastisch, Clay. Man könnte meinen, dieser Text spräche dir tatsächlich aus der Seele. Du verursachst bei mir eine Gänsehaut vor Ergriffenheit", behauptete Jill begeistert mit glänzenden Augen. Ich fühlte mich aufs Neue geschmeichelt und lächelte dankbar.
Später schaute sie sich die Bilder an den Wänden genau an. „Deine Arbeiten sagen echt viel über dich aus, oder?" bemerkte sie nach einiger Zeit irgendwie herausfordernd und fixierte mich lauernd. Ich erwiderte lächelnd ihren Blick. Diese Frau interessiert sich wirklich für mich, dachte ich grenzenlos erstaunt. Dieses Mädchen möchte mich tatsächlich kennenlernen. Der Gedanke daran törnte mich plötzlich an, und ich streckte unvermittelt die Hand aus, um sie zu berühren.
Aber sie bemerkte es nicht. Sie drehte sich in diesem Moment von mir weg und deutete auf eine der Zeichnungen. Beinahe erschrocken zog ich meine Hand wieder zurück. „Sag mir, was dieses Gemälde dort zu bedeuten hat, Clay", forderte sie mich auf. Ich folgte ihrem Blick, um zu sehen, welches Bild sie meinte. Es war ein Entwurf für ein Cover irgendeiner Hardcore-Newcomer-Band. Sie hatten mir 400 Euro dafür bezahlt und dann doch ein anderes Cover für ihre erste CD gewählt. „Das ist der Gott Odin und sein Sohn Thor", informierte ich Jill seufzend. Sie drehte sich wieder zu mir, betrachtete mich beeindruckt und meinte: „Das ist fantastisch! Es wirkt so plastisch, fast wie fotografiert!" Sie nickte anerkennend.
Ich konnte überhaupt nicht verstehen, warum sie meine Malerei dermaßen bewunderte. Es war mir unbegreiflich, was sie an meiner Arbeit so faszinierend fand. Doch dieses Mädchen war sehr freundlich zu mir, und das tat mir unglaublich gut. „Die Götter leiden unendlich im Ragnarök, der Götterdämmerung, dem Weltuntergang. Aber es bedeutet eigentlich gar nichts", wiegelte ich bescheiden ab. „Es ist einfach nur überwältigend!" schwärmte sie, „Man bekommt unwillkürlich eine Gänsehaut, wenn man es länger betrachtet." Sie drehte sich wieder zu dem Gemälde, um es lange eingehend zu studieren.
Ich beobachtete sie und bekam schon wieder das äußerst dringende Bedürfnis, sie wenigstens in den Arm zu nehmen. Ich wollte sie jetzt unbedingt berühren, ihren viel zu dicken Körper fühlen. Sie sollte ihre Hand sofort auf meinen Bauch legen. Ihre Schmeichelei war wie Streicheleinheiten für meine Seele, aber das genügte mir plötzlich nicht mehr. Ich wollte auf der Stelle mit ihr schlafen. Ihre Freundlichkeit überwältigte mich nahezu. Ich war nicht in der Lage sie zu hinterfragen. Ich war zu gut drauf. Ich hatte zu viel Wein getrunken und zu viel Heroin geraucht, um ihre Absichten zu bezweifeln.
Jill
Es war leicht zu bemerken, dass ich Clay Banton mit meinen ständigen Schmeicheleien kinderleicht um den kleinen Finger wickeln konnte. Dieser naive Mann war mehr als empfänglich für meine Komplimente, und er war extrem leicht zu durchschauen. Entweder war er nicht besonders intelligent, oder er war einfach viel zu zugedröhnt mit Wein und Heroin, um meine Worte zu hinterfragen.
Des weiteren wurde mir bald klar, dass Clay auf keinen Fall über Sean Valmont sprechen wollte. Natürlich interessierte mich sofort brennend, warum das wohl so war. Immerhin waren die beiden Arbeitskollegen, sie standen regelmäßig zusammen auf der Bühne. Warum also fürchtete Clay dieses Thema? Steckte mehr hinter ihrer Beziehung? Waren die beiden vielleicht ein schwules Paar? Und wenn schon, da wäre doch nichts dabei, warum wollte Clay das vor mir geheimhalten?
Ich studierte ihn eine Weile und suchte nach irgendwelchen Anzeichen, die ich aber nicht entdecken konnte. Im Gegenteil, er wirkte für einen schwulen Mann definitiv viel zu interessiert an mir, entschied ich. Ich dachte über eine Strategie nach, wie ich Clay mehr Informationen über Sean entlocken konnte, ohne das er es merkte, wütend wurde oder sich von mir abwandte. Ich lächelte ihn freundlich an, trank einen Schluck Wein, und er saß neben mir und lächelte irgendwie glücklich.
Eine ganze Weile war es still. Wir hielten Blickkontakt und mir fiel auf, wie unruhig Clay mit der Zeit geworden war. Je länger er neben mir saß, umso nervöser schien er zu werden. Er war offensichtlich ziemlich überwältigt von meinen Komplimenten, vielleicht bekam er nicht oft welche. Ich hatte den wachsenden Eindruck, dass der Mann neben mir auf dem Sofa sich mit der Zeit kaum noch zurückhalten konnte. Irgendwie wollte er mir näher kommen, mich anfassen wahrscheinlich, aber er war wohl zu schüchtern. Sein merkbares Dilemma, was er so schlecht verbergen konnte, amüsierte mich eine Weile ziemlich.
Aber dann war ich irgendwann genervt von ihm, weil ich fürchtete, er wollte sich über mich hermachen. Ging es ihm etwa um Sex? Ich wusste es noch nicht, war jedoch fest entschlossen, ihn mit allen Mitteln abzuwehren, falls er mir zu nahe kommen würde. Er ist eben auch nur ein triebgesteuerter Mann, fällte ich geringschätzig mein Urteil über ihn, ließ mir jedoch nichts anmerken. Ich muss ihn irgendwie von mir ablenken, sonst dreht der noch durch, dachte ich insgeheim belustigt.
Er rezitierte seinen Monolog aus dem Theater für mich, den er tatsächlich gut beherrschte. Ich fragte ihn nach einem seiner Bilder, und mir fiel auf, wie oft er Motive aus der Mythologie gewählt hatte.
„Was war das eigentlich für ein Lied, das du auf der Bühne gespielt hast?" fragte ich ihn irgendwann lächelnd. Er lehnte sich zurück und räkelte sich auf der Couch. „Welches meinst du?" erwiderte er, „Ich habe heute drei Lieder in Psycho gespielt." Es erklärte sich von selbst, dass er mit 'Psycho' die Performance Psychotic Kühlschrank meinte. „Wie viele Lieder singst du denn sonst in dem ganzen Stück?" interessierte mich. Seine Miene verdunkelte sich sofort. Er erinnerte sich wieder daran, dass der Abend sehr unangenehm für ihn unterbrochen worden war. „Sieben", informierte er mich knapp.
Ich ärgerte mich, ihn daran erinnert zu haben. Du musst besser aufpassen, was du ihn fragst, mahnte ich mich. „Das Lied, was ich meine, handelt von der Liebe. Der Kühlschrank war glücklich, weil er die Liebe gesehen hatte." Clay grinste und setzte sich gerade hin. „Du meinst wohl Lovegame." Er kicherte über den Titel und schaute mich intensiv an, irgendwie herausfordernd.
Seine Hände streichelten nervös über das Sofa. Es war inzwischen offensichtlich, dass er eigentlich mich streicheln wollte. Ich fand es faszinierend, wie leicht seine Körpersprache zu deuten war. Er war beinahe greifbar einfach gestrickt. An seinem Verhalten war nichts, aber auch gar nichts Geheimnisvolles. Ich lachte amüsiert. „Ja, das war es wohl. Ich fand das Lied wunderschön. Ist es von dir?" Clay nickte. „Alle Songs sind von mir", erklärte er nicht ohne Stolz. „Die sind alle klasse!" schwärmte ich. Er lachte spöttisch auf. „Du hast ja gar nicht alle gehört", wandte er grinsend ein. „Ja, aber ich kann mir schon denken, dass alle klasse sind!" machte ich ihm klar. Er lächelte geschmeichelt und saugte auch dieses übertriebene Kompliment gierig in sich auf. „Würdest du Lovegame nochmal für mich spielen, Clay?" bat ich ihn.
Er rutschte auf dem Sofa herum und betrachtete mich schmunzelnd. Dann richtete er sich plötzlich auf und schaltete mit der Fernbedienung den CD-Player aus. „Na klar, Jill. Für dich mache ich doch alles!" behauptete er. Er stand auf und berührte mich dabei. Wie zufällig strich seine Hand sanft über meinen Kopf. „Du bist sehr nett zu mir", flüsterte er dankbar.
Im nächsten Moment wandte er sich ab und ging zu seinen Gitarren, die in ihren Ständern in der Ecke des Zimmers warteten. Ich fragte mich, ob seine unerwartete Annäherung seine Masche gewesen war, um mich anzubaggern. Aber wie alles an Clay Banton war wohl auch dieses Streicheln ganz ehrlich gemeint und ohne jeden Hintergedanken ein spontaner Ausbruch seiner echten Gefühle gewesen. Als mir das klar wurde, war ich sehr gerührt.
„Und womit verdienst du dein Geld, Jill?" fragte Clay mich, während er seine Akustikgitarre vom Ständer losschraubte. Ich betrachtete ihn, immer noch gerührt von seiner Ehrlichkeit. Dann winkte ich ab. „Ach, ich bin nur eine ganz langweilige Verwaltungsangestellte." Er hielt überrascht inne und schaute mich forschend an. „Macht dir das Spaß?" wollte er allen Ernstes wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das kann man so wirklich nicht sagen. Es ist halt ein Job." Clay guckte mich bedauernd an. „Das tut mir leid für dich." „Ach, so schlimm ist das nun auch wieder nicht", beruhigte ich ihn, berührt von seiner Anteilnahme. Er wandte sich wieder der Gitarre zu und meinte: „Ich könnte das nicht. Ich könnte nie nur einen Job machen." Ich lachte spöttisch auf. „Hör mal, ich würde behaupten, dass die allermeisten Menschen nur einen Job machen! Die haben eben keine andere Wahl. Es hat nicht jeder so viel Glück wie du!" rutschte mir heraus.
Clay hatte jetzt seine Gitarre in der Hand. Er horchte erstaunt auf und schaute mich zweifelnd an. „Du findest, dass ich Glück habe?" wollte er lauernd wissen. Seine Augen verengten sich. Ich habe etwas Falsches gesagt, merkte ich verärgert, dieser Gedanke gefällt ihm überhaupt nicht. Dennoch betonte ich: „Selbstverständlich hast du Glück, Clay! Du bist erfolgreich mit deiner Kunst! Du kannst sogar davon leben! Die wenigsten Künstler haben so viel Erfolg!" Clay stand verwirrt dort und dachte über meine Worte nach.
Allerdings nicht sehr lange, schon im nächsten Moment lächelte er, schob das Thema beiseite und setzte sich mit seiner Gitarre auf die Lehne des Sessels, der im Winkel zum Sofa stand. „Dann zeige ich dir jetzt noch ein bisschen von meiner Kunst", beschloss er gutmütig. Er verharrte noch einen Augenblick, die Gitarre auf seinen Oberschenkeln, er streckte seine Finger, und dann begann er zu spielen.
Ich erkannte das Lied sofort. Es war das gleiche, das er an diesem Abend auch im Grenzland-Theater gespielt hatte. Auf einem Hocker sitzend, allein im Scheinwerferlicht. Auf der anderen Seite der Bühne hatten Sean und Charlotte zu seiner Musik einen wundervollen Tanz aufgeführt. Es war ein Tanz der Liebe gewesen, sehr ästhetisch und kraftvoll. Die ganze Szene war sehr emotional gewesen, genau wie dieser Song. Ich beobachtete Clay gebannt. Ich war beeindruckt, wie geschickt und schnell seine langen Finger über die Saiten zupften.
Als er anfing zu singen, schien seine Stimme bis in meine Seele vorzudringen. Clay Banton sang von der Macht der Liebe. Seine Stimme wurde um eine Oktave höher, wenn er sang. Er schaute mich an und sang von der Euphorie, dem Glück, den Gerüchen und Farben der Liebe. Und dass man etwas Gutes tun sollte, ohne dabei an sich selbst zu denken, weil genau das die größte Liebe war. Ich war mal wieder fasziniert von diesem Mann, der so emotionale Texte und Lieder schreiben konnte, und sie dann auch noch selbst performte. Die Welt schien still zu stehen, während er dieses Lied für mich sang.
Als der letzte Ton verklang, war es eine lange Zeit erneut ganz still. Mein Herz klopfte. Wir sahen uns unentwegt an, und Clays Augen suchten wieder irgendetwas bei mir. Das grüne, fragende Funkeln schien eine Einladung zu sein. So ein Mist, ich fürchte, dieser Typ möchte unbedingt mit mir schlafen, schlug es plötzlich in meinen Verstand ein, ich muss mich vor ihm in Acht nehmen.
„Das war wunderschön", unterbrach ich endlich die Stille. „Danke", lächelte Clay. „Der Tanz, den Sean dazu mit Charlotte gezeigt hat, war auch echt ergreifend", sagte ich in der Hoffnung, Clay von meiner Person abzulenken. Ich wusste ja schon, dass er nicht gerne über Sean Valmont sprechen wollte. Wie erwartet verdüsterte sich seine Miene sofort, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Er schwieg, wandte sich von mir ab und zupfte nervös ein bisschen auf der Gitarre herum. „Stimmt es, dass Sean und du später in der Performance um Charlotte gekämpft habt?" fragte ich ihn neugierig. Er schaute auf und grinste. „Da hat aber jemand Psycho gut verstanden!" neckte er mich spöttisch.
Gleich darauf fing er plötzlich ein neues Lied an, welches ich noch nicht kannte. Ich wusste nicht, ob es später vorgekommen wäre, oder ob es überhaupt aus Psychotic Kühlschrank stammte. Automatisch gebannt lauschte ich ihm noch einmal.
Er sang diesmal über die Traurigkeit, Einsamkeit und von hilfloser Wut. Der Refrain ging irgendwie in mein Ohr und blieb dort hängen. „Loneliness is when you look up from the darkness, and no one is there", sang Clay wiederholt zu seinem rockigen, ziemlich aggressiven Sound. Einsamkeit ist dann, wenn du aus der Dunkelheit hochschaust, und niemand ist dort. Diese Aussage spukte eine Weile in meinem Gehirn herum. Seine Stimme schien die ganze Welt auszufüllen.
Als das Lied zu Ende war, machte sich zum ersten Mal eine irgendwie peinliche Stille breit. Ich beobachtete Clay interessiert. Er beschäftigte sich nervös mit seiner Gitarre. Offenbar fiel es ihm auf einmal schwer, mich anzusehen. „Das war echt traurig und total ergreifend!" fällte ich mein Urteil in die Stille hinein. Clay seufzte und schaute endlich hoch. Sein Blick ruhte vorsichtig, fast abtastend auf meinem. „Ich kann nicht besonders gut allein sein", erklärte er mir unvermittelt ganz leise. Diese Aussage überraschte mich ungemein. „Wie ist das mit dir, Jill?" wollte Clay fast drängend wissen, als ich nichts erwiderte. Ich überhörte seine Frage. „Aber Sean... der ist doch sicher dein bester Freund, oder?" wagte ich stattdessen einen neuen Vorstoß, die offenbar in irgendeiner Art komplizierte Beziehung der beiden Männer zueinander zu ergründen. Clay seufzte tief und sah mich eine Weile enttäuscht an.
Dann stand er plötzlich auf, nahm seine Gitarre und brachte sie zurück zu ihrem Platz. Er schraubte sein Instrument in den Ständer und stand dann eine Weile einfach dort. Ich musterte ihn amüsiert. Er möchte wirklich nicht über Sean reden, merkte ich verwundert.
Clay seufzte nochmal, kam zurück zum Sofa und ließ sich darauf nieder, ohne mir zu nahe zu kommen. Irgendwie verlegen lehnte er sich auf dem Sofa zurück. „Sean ist mein bester Freund. Er hat schon mehrmals mein Leben gerettet", erzählte er mir dann ruhig, ohne mich anzusehen. Er starrte jetzt an die Decke. Endlich habe ich ihn aus der Reserve, dachte ich erfreut, jetzt muss ich unbedingt am Ball bleiben! „Echt? Erzähl mal!" forderte ich ihn neugierig auf. Er lächelte traurig und schloss schützend seine Augen. „Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Sean hat mir das Leben gerettet", wiederholte er leise. „Wie hat er dein Leben gerettet?" machte ich den verzweifelten Versuch, seine unerwartete Mitteilsamkeit aufrecht zu erhalten. Er drehte sich zu mir und öffnete die Augen wieder.
Eine Weile sah er mich an, als würde er abschätzen, ob ich vertrauenswürdig genug war, um die ganze Wahrheit zu erfahren. Ich wartete gespannt und lächelte ihn aufmunternd an. Es schmeichelte mir sehr, als er entschied, dass ich sein Vertrauen wert war. Er holte tief Luft und seufzte gequält. „Ich bin ein Junkie", eröffnete er mir zögernd.
Tolle Neuigkeit!, dachte ich spontan spöttisch. Ich weiß doch schon längst, dass du dir Heroin einfährst, Clay Banton! „Ach wirklich?!" entfuhr es mir sogleich geringschätzig. Ich warf einen vorwurfsvollen Blick auf seinen Wohnzimmertisch, auf dem ganz offen jede Menge Silberpapier mit weg gerauchtem Heroin lag. Clay folgte irritiert meinem Blick, und anscheinend wurde ihm erst jetzt bewusst, dass ich von seiner Heroinsucht längst wusste. Das gibt es doch nicht, dachte ich erstaunt, dieser Typ nimmt mich mit zu seinem Dealer und denkt dann tatsächlich noch, ich wüsste nichts von seiner Sucht! Kann man überhaupt so blöd sein? Der Idiot denkt anscheinend, ich bin total bescheuert?!
Clay war jetzt merkbar aus der Bahn geworfen, und ich war echt gerührt von seiner Verlegenheit, als ihm klar wurde, dass sein Tisch voller Alufolie war, und damit voller stummer Zeugen seiner Heroinsucht. Eine Weile wusste er überhaupt nicht mehr weiter. Ängstlich sah er mich an, als fürchtete er, dass ich mich jetzt entrüstet von ihm abwenden würde. Aber ich lächelte nur amüsiert. Ich signalisierte ihm, dass ich in diesem Moment bei Weitem nicht so geschockt war, wie er selbst. „Ich will damit aufhören, Jill", versicherte er mir hastig. Ich nickte gutmütig und strich wieder leicht über seine Schulter, um ihn irgendwie zu beruhigen. Sofort drängte er meiner Hand entgegen. Er lechzt nahezu nach meiner Berührung, merkte ich verwundert.
„Und Sean hilft dir dabei?" nahm ich unser Gespräch wieder auf. Clay nickte und lehnte sich liebebedürftig gegen meine Hand. Er schloss die Augen und genoss meine Berührung an seiner Schulter. Ich konnte seine starken Muskeln unter dem Sweatshirt fühlen. „Inwiefern hat er dir das Leben gerettet?" hakte ich neugierig nach. Aber Clay reagierte gar nicht. Ich musste erst meine Hand zurückziehen, damit er die Augen öffnete. Er seufzte nochmal bedauernd und wand sich unruhig auf dem Sofa herum.
Dieses Thema gefiel ihm offensichtlich nicht besonders, obwohl er doch selbst damit angefangen hatte. Er fühlte sich unwohl dabei, mir von seiner Vergangenheit zu erzählen. „Wie hat Sean dein Leben gerettet?" wiederholte ich hartnäckig. „Schau dich um", flüsterte Clay zaghaft, „Ohne Sean Valmont gäbe es das alles hier nicht." Ich schaute mich um und registrierte noch einmal den Wert seiner Wohnungseinrichtung. „Hat Sean dir diese Sachen gekauft, oder was?" wollte ich einigermaßen verwirrt wissen. Clay fuhr zu mir herum und lachte plötzlich los, als fände er meine Frage äußerst dumm. „Was?! Nein!" entfuhr es ihm kopfschüttelnd. „Wie meinst du das denn dann?" hakte ich verärgert nach.
Clay streckte verhalten seine Hand aus und berührte beschwichtigend meinen Arm. Ich ließ ihn gewähren, war aber augenblicklich auf der Hut, dass er mir nicht zu nahe kam. „Sean hat dafür gesorgt, dass ich wieder arbeiten kann. Er hat dafür gesorgt, dass ich mir diesen Luxus selber kaufen konnte", erläuterte er und schaute mich offen an. Er streichelte ganz leicht meinen Arm und beobachtete scheu meine Reaktion.
Ich entzog mich ihm nach einer Weile, und er zog seine Hand seufzend zurück. Er wollte sich neuen Wein eingießen, aber die Flasche war leer. Offensichtlich nervös lehnte er sich zurück und starrte wieder an die Decke. Dieser Mann ist bewundernswert ehrlich zu mir, obwohl er mich überhaupt nicht kennt, schoss es mir durch den Kopf. Vielleicht auch gerade deshalb, überlegte ich dann irritiert.
„Du solltest so schnell wie möglich mit dem Heroin aufhören, Clay! Hast du denn keine Angst, dass du wieder abstürzt?" redete ich ihm vorsichtig ins Gewissen. Er lächelte und warf mir einen irgendwie spöttischen Blick zu. Du hast doch keine Ahnung, wovon du da sprichst, sagte sein Blick. Seine Überheblichkeit ärgerte mich, aber ich zwang mich dazu, freundlich zu bleiben. Ich wollte sein gewonnenes Vertrauen zu mir auf keinen Fall gefährden.
Clay
Später saßen wir immer noch nebeneinander auf meinem Sofa. Ich hatte zwei Songs für sie gespielt, hatte mich sehr vorsichtig an sie herangetastet, aber irgendwie lief das Gespräch danach aus dem Ufer. Meine anfängliche Zufriedenheit verwandelte sich langsam, fast unbemerkt in Ungeduld. Es störte mich, dass sie so viel von mir wissen wollte, aber so gut wie nichts von sich erzählte. Ihr großes Interesse an meiner Person schmeichelte mir, und ich dachte, daraus könnte vielleicht noch mehr werden.
Aber als sie damit anfing, mich hartnäckig nach Sean und den Drogen zu fragen, da ging es mir nur noch auf den Geist. Das waren Themen, über die ich mit ihr nicht sprechen wollte, dazu kannte ich sie bei Weitem nicht gut genug. Als ihre grenzenlose Neugierde mich immer tiefer in meiner Seele berührte, wollte ich unbedingt, dass sie sofort aufhörte zu reden. Ich wollte neben ihr sitzen und sie ansehen, auch wenn sie nicht sehr attraktiv war. Ich wollte, dass sie mich streichelte, wollte ihre Hand auf meinem Bauch spüren. Aber anstatt einer wachsenden Nähe und Vertrautheit, wurde die Distanz zwischen uns mit der Zeit nur immer größer. Sie schien aus irgendeinem Grund vor mir auf der Hut zu sein. Sie zog sich innerlich vor mir zurück. Vielleicht war ich einfach zu ehrlich zu ihr, meine Wahrheiten schockierten sie wohl.
Auf meinem Wohnzimmertisch lagen unzählige Silberpapierstücke mit längst weg gerauchten Chinesen drauf. Die Frau zeigte sie mir spöttisch grinsend, und als ich die benutzte Alufolie registrierte, ärgerte ich mich maßlos darüber. Ich ärgerte mich, weil ich den Tisch nicht aufgeräumt hatte, und weil Jill nun einen Grund hatte, mich deshalb anzugreifen und zu verurteilen.
Und selbstverständlich verurteilte sie mich sofort deswegen. Sie fing auf der Stelle damit an, mir wegen der Drogen ins Gewissen zu reden. Ich saß derweil neben ihr, starrte hilflos an die Decke, und die Flasche Wein war plötzlich leer. Ich bekam automatisch das dringende Bedürfnis, sie zum Schweigen zu bringen. Ich fragte mich irritiert und genervt, warum ich sie nicht einfach flachlegte. Worauf wartete ich eigentlich noch? Sonst hatte ich normalerweise doch auch keine Probleme damit, eine fremde Frau anzubaggern und herumzukriegen, erst recht nicht, wenn sie schon auf meinem Sofa saß.
Aber der Rotwein und das Heroin hatten mich ziemlich zugeknallt und träge gemacht. Ich war mir deswegen mal wieder nicht mehr sicher, ob ich überhaupt noch dazu in der Lage war, Sex mit ihr zu haben. Ob ich das überhaupt so dringend wollte. Vielleicht wollte ich auch nur mehr über sie erfahren, sie endlich besser kennen lernen, wo sie doch inzwischen entschieden zu viel über mich wusste. Womöglich langweilte mich ihre ständige Bewunderung mit der Zeit, die Komplimente wiederholten sich. Und eigentlich wollte ich nur noch meine Ruhe haben.
Sean
Irgendwann hörte mein heftiges Schluchzen langsam auf und ich fühlte mich nur noch ausgebrannt und hundeelend. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Mein Kopf fühlte sich seltsam leer an, wie ein Vakuum. Ich hatte zu meinem eigenen Erstaunen keine konkreten Gedanken mehr. Ich wollte auch nicht mehr nachdenken. Mein Hals und meine Lunge taten mir weh. Meine Augen brannten in meinem von Tränen nassen Gesicht.
Ich stand mühsam auf und wankte zum Spiegel über dem Waschbecken, wo ich mich ziemlich lange reglos anstarrte. Ich sah echt verheult aus. Ich verachtete mich für meine Verzweiflung. Auf keinen Fall wollte ich eine weinerliche, depressive Schwuchtel sein, die beim kleinsten Problem den Schwanz einzog. Die Welt um mich herum lag zwar in Trümmern, aber ich war noch am Leben, und deshalb hatte ich immer noch eine Chance, versuchte ich mich innerlich aufzubauen.
Entschlossen drehte ich den Wasserhahn auf, wusch mein Gesicht und schnäuzte mich, und hielt danach meinen heißen Kopf unter den kalten Wasserstrahl. Mein Gesicht sah verquollen und hässlich aus, und das frustrierte mich. Die Gedanken, die sich mir bei meinem Anblick abermals ungewollt aufdrängten, taten immer noch weh. Es tat mir sogar verflucht weh, an Clay zu denken. Das drohende Aus für Psychotic Kühlschrank erschien mir näher, als je zuvor, und diese Wahrscheinlichkeit drohte mich nochmal komplett aus der Bahn zu werfen.
Beinahe panisch guckte ich mich in meiner Umgebung nach etwas um, was meinen übermächtigen Schmerz würde lindern können. Aber selbstverständlich war da nichts. Die Garderobe des Grenzland-Theaters war nur ein kalter, dunkler, dreckiger und deprimierender Kellerraum. Mich überkam die Sehnsucht nach Linderung ganz plötzlich. Ich sehnte mich nach dem totalen Blackout, der meine quälenden Gedanken töten und meinen Kopf zur Ruhe bringen würde.
Es dauerte höchstens eine Minute, bis sich mir die Lösung förmlich aufdrängte, die ich schon die ganze Zeit dicht bei mir trug. Das Heroin in meiner Jackentasche schien mir die einzige Möglichkeit zu sein, meinem Elend wenigstens zeitweise entfliehen zu können. Zwar hatte ich längst nicht mehr genug shore, um mein schmerzendes Bewusstsein zu verlieren, das war mir klar. Aber es würde sofort viel besser werden, davon war ich überzeugt. Denn gutes Heroin hat sehr wohl die Eigenschaft, quälende Gedanken zum Schweigen zu bringen, oder sie zumindest belanglos zu machen. Und genau das ist ja wohl auch der wichtigste Grund, warum so viele Menschen abhängig davon werden.
Ich allerdings würde mit Sicherheit nicht nochmal heroinabhängig werden, dachte ich grimmig. Ich kannte mich damit inzwischen gut genug aus, um diesen tanzenden Teufel sicher im Griff zu behalten. Nur jetzt – jetzt in diesem Augenblick - brauchte ich diesen chemischen Allround-Helfer sehr dringend, sonst würde ich bald komplett durchdrehen.
Ich beruhigte mit diesen Gedanken mein warnendes Gewissen, kramte den Rest shore aus meiner Jacke und legte ihn auf die Ablage vor dem Schminkspiegel. Eine Weile schaute ich das Heroin an und dachte nochmal über mein Vorhaben nach.
Bis nach kurzer Zeit meine unbändige Gier siegte. Ich schob hastig alle Bedenken zur Seite und suchte hektisch nach Silberpapier, um das Zeug rauchen zu können. Doch natürlich gab es keine Alufolie in dieser Garderobe. Noch einmal stand ich eine Weile dort und starrte reglos das pack an. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich dachte darüber nach, das Scheiß Zeug wegzuwerfen, und mich stattdessen lieber mal wieder randvoll zu saufen.
Aber diese Perspektive erschien mir nicht sehr verlockend, denn eigentlich widerte die unberechenbare Wirkung von Alkohol mich total an. Schon viel zu oft war ich betrunken vermeidbare Risiken eingegangen, die ich später bereut hatte. Also versuchte ich, mich auf das Heroin zu konzentrieren, mich auf seine beruhigende Wirkung vorzubereiten. Ich verbannte die warnenden Stimmen aus meinem Gehirn, die mir wütend vorwarfen, ich würde vor meinen Problemen davonlaufen, was feige und normalerweise gar nicht meine Art war.
Letztendlich hockte ich mich kurzerhand nieder, öffnete das pack und schüttete die shore auf die Ablage. Es war noch viel mehr Pulver übrig, als ich vermutet hatte, was mich einen Augenblick überraschte. Gleich darauf freute es mich, denn damit war meine umfassende Linderung so gut wie sicher.
Im nächsten Moment hatte ich es plötzlich sehr eilig. Ich nahm meine Kreditkarte und formte mir damit aus dem Heroin einige lange Linien. Dann holte ich einen Geldschein aus meinem Portemonnaie, rollte ihn zusammen und sog, ohne noch länger zu zögern, das Rauschgift wie ein Ertrinkender durch meine Nase ein, wobei ich ein Nasenloch zu hielt. Ich schnaufte laut und atmete tief durch die Nase ein. Keuchend schnappte ich nach Luft und unterdrückte ein reflexartiges Niesen. Dann schniefte ich weiter diese starke Droge in mich hinein, bis kein einziger Krümel mehr übrig war. Das Heroin brannte in meiner Nase und lief extrem bitter meinen Hals hinab. Ich schloss die Augen und wartete auf die erlösende Wirkung. Ich wollte nichts anderes mehr fühlen.
Jill
Ich beobachtete Herrn Banton genau, der neben mir auf dem Sofa saß, zurückgelehnt und an die Decke starrend. Er wurde immer träger irgendwie, beinahe desinteressiert, was ich bedauerte. Unser Gespräch drohte langsam an ihm abzuprallen. Fieberhaft überlegte ich mir eine Möglichkeit, ihn aus der Reserve zu locken. Ich wollte unbedingt noch mehr über ihn erfahren, über die Performance, über Sean Valmont und Charlotte Hynde, seine Partner in diesem Stück.
Kurzentschlossen lehnte ich mich zu ihm und streichelte kurz seinen Oberarm. „Erzähl mir bitte etwas von dir, Clay!" forderte ich ihn auf, „Wo bist du geboren worden?" Clay lächelte ein bisschen gequält. „Das ist jetzt aber schon verdammt lange her", meinte er ablehnend. „Erzähl es mir bitte!" quengelte ich, weil ich sofort bemerkte, dass ihm auch dieses Thema nicht behagte. Meine Neugier auf sein Leben wurde größer, je zögerlicher Clay auf meine Fragen reagierte. Er bedachte mich mit einem langen, träge gutmütig lächelnden Blick. „Also gut", gab er nach, „Ich bin auf Island geboren." Seine Antwort erstaunte mich maßlos. „Island?!" entfuhr es mir ungläubig. Clay schüttelte gelangweilt den Kopf. Anscheinend kannte er diese Reaktion auf seinen Geburtsort.
„Hast du denn mein Profil im Internet nicht gelesen, Jill?" wollte er nun fast tadelnd von mir wissen und setzte sich gerade hin. Tatsächlich hatte ich es versäumt, mich vorher im Internet genauer über diese Theatergruppe vom Grenzland-Theater zu informieren. Nun fragte ich mich verärgert, wie mir so ein grober Fehler unterlaufen konnte. „Nein, Clay, ich kenne deine Seite gar nicht. Was steht denn über dich im Internet?" Er lachte belustigt. „Dann bist du wohl doch nicht so ein großer Fan von mir, wie du behauptet hast, oder, Jill?"
Er kicherte und knuffte mich freundlich gegen den Arm. Ich packte spontan seinen Arm, hielt ihn fest und streichelte leicht über seinen Handrücken. „Was steht denn im Internet über dich?" fragte ich ihn noch einmal. Er starrte irritiert auf seine Hand, die von mir gestreichelt wurde. „Da steht, dass ich auf Island geboren wurde", flüsterte er ungeduldig und guckte mich intensiv an. Seine Augen forderten irgendwie mehr von mir, noch eine Berührung, irgendwas Intimes. Schnell, erschrocken ließ ich seine Hand los, und er zog sie abermals seufzend zurück.
Unruhig wandte er sich von mir weg dem Tisch zu. „Ich werde mal neuen Wein holen", kündigte er an. „Nein, bitte warte noch! Erzähl mir, warum du ausgerechnet auf Island geboren wurdest! Das ist doch total ungewöhnlich!" sagte ich hastig. Clay lachte und zwinkerte mir zu. „Weil meine Mutter sich zu dieser Zeit dort aufgehalten hat", antwortete er mir spöttisch. „Und wo bist du geboren, Jill?" lenkte er sogleich ab.
Einen Moment schauten wir uns an. Mir fiel auf, dass ihm seine Augenlider offenbar immer schwerer wurden. Er ist doch ganz schön zugeknallt mit den Drogen, registrierte ich verärgert. Vielleicht wirkt das Heroin mit der Zeit immer stärker, und wenn ich Pech habe, dann wird dieser blöde Typ bald hier auf der Couch einschlafen, befürchtete ich frustriert. „Ich komme aus dieser Stadt, bin hier geboren und habe mein ganzes Leben hier verbracht!" erzählte ich ihm schnell. Er nickte.
„Hast du Geschwister, Clay?" fragte ich ihn wissbegierig. Erstaunt beobachtete ich, wie sein Gesicht sich schlagartig verdüsterte. Da stimmt was nicht mit seiner Familie, dachte ich sofort alarmiert. Er stand abwehrend auf und griff nach der leeren Flasche auf dem Tisch. "Hast du denn Geschwister, Jill?" versuchte er nervös meiner Frage auszuweichen. „Ja, ich habe einen Bruder. Er wohnt auch hier in der Stadt. Und du?" plauderte ich betont fröhlich.
Aber Clay war nun endgültig nicht mehr froh gestimmt. Er schloss hilflos die Augen. Ich konnte förmlich sehen, wie dieses Thema ihm seelische Schmerzen bereitete. „Ich habe vier Halbschwestern", informierte er mich schnell und leise.
Im nächsten Moment machte er Anstalten sein Wohnzimmer zu verlassen, um eine neue Flasche Wein für uns zu holen, bevor ich weiter nachhaken konnte. Clay war sichtbar so aufgewühlt von diesem Thema, dass ich beschloss, es vorsichtshalber erst einmal ruhen zu lassen. Obwohl es mich natürlich brennend interessierte, warum seine vier (!) Schwestern nur Halbschwestern waren, wie alt sie waren und warum er so extrem ungern an sie dachte.
Seine heftige Reaktion auf meine Fragen bewies mir, dass er mir offenbar die Wahrheit über sich und seine ungewöhnliche Familie sagte. Es wunderte mich, warum er mich nicht einfach anlog, wenn ihm die Wahrheit doch so wenig behagte. Mit schlichten Lügen hätte er meine aufdringliche Neugier viel einfacher befriedigen können. Trotzdem war er scheinbar bewundernswert ehrlich zu mir, was ich ihm hoch anrechnete.
„Darf ich mir mal deine Regale näher ansehen, Clay?" rief ich betont aufgekratzt und deutete auf die großen Regale an der Schmalseite des Raumes. Er war noch ganz durcheinander von den Erinnerungen an seine Schwestern, die wohl auf ihn eingestürmt waren. Verwirrt guckte er mich an und stotterte: „Meine was? - Regale?" „Ja, darf ich sie näher betrachten?" fragte ich höflich. „Na klar, Jill", lächelte er verwundert und machte sich mit der leeren Flasche auf den Weg in die Küche.
Ich stand derweil auf und ging zu den großen Regalen, die die ganze Wand bis zur Decke ausfüllten. Interessiert wandte ich mich seinen Büchern und Filmen zu, überflog die Reihen und las ein paar Titel. Es gab jede Menge Fachbücher über Malerei, Architektur, Tanz, Theater und Musik, aber auch viele Romane. Seine Filmsammlung war gut bestückt und bunt gemischt. Neugierig öffnete ich einen der Kartons, die ganz unten auf dem Boden standen. Zu meiner Überraschung waren diese Blu-rays ausschließlich schwule Pornofilme. Ich wühlte erstaunt und irgendwie aufgeregt in dem Karton, nahm einige Filme heraus und schaute mir die eindeutigen Titelbilder an. „Oh - da hast du ja zielstrebig die richtige Kiste geöffnet, Miss Bennet!" hörte ich plötzlich Clays belustigte Stimme.
Erschrocken schaute ich hoch und fühlte mich aus irgendeinem Grund ertappt. Als hätte ich etwas Verbotenes getan. Clay war schon zurückgekommen. Er hatte eine neue Flasche Rotwein geholt und stellte sie vorsichtig auf dem Tisch ab. Verlegen schaute ich Clay an. Er war zu meinem Erstaunen überhaupt nicht peinlich berührt, sondern nur amüsiert. Zweideutig grinste er mich an.
„Warum guckst du dir schwule Pornofilme an?" fragte ich ihn spontan. Er zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?" „Bist du schwul, Clay Banton?" horchte ich ihn lauernd aus. Sein Lächeln wurde ein bisschen geringschätzig. „Was glaubst du denn?" forderte er mich schräg grinsend heraus. Ich musterte ihn eine Weile abschätzend, was er offenbar sehr lustig fand.
Nach einiger Zeit kicherte er: „Glaubst du ernsthaft, du könntest es mir ansehen, ob ich schwul bin?" Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht", wehrte ich verwirrt ab, „Aber was ist nun? Bist du schwul?" „Bist du lesbisch, Jill Bennet?" entgegnete er provozierend. Ich atmete einmal tief durch. Seine Frage war mir entschieden zu persönlich. Aber ich hatte ihn ja zuerst danach gefragt, und deshalb hatte er auch das Recht, mir die gleiche intime Frage zu stellen. „Nein, ich bin nicht lesbisch, Clay", informierte ich ihn widerwillig. „Und ich bin nicht schwul", lachte er und ließ sich wieder auf dem Sofa nieder.
Er nahm die neue Flasche, öffnete sie ein bisschen weniger geschickt als die erste, weil er offenbar inzwischen vom Alkohol beduselt war, und füllte mein Glas auf. Dann goss er sich selbst ein neues Glas ein und stellte die Flasche zurück auf den Tisch. Zu meiner Erleichterung nahm er diesmal nur einen kleinen Schluck Wein. Dann platzierte er sein Glas zurück auf den Tisch, guckte mich wieder an und lächelte gutmütig.
„Ich mag so ziemlich alle Arten von Sex", stellte er plötzlich ganz ruhig in den Raum. Diese Aussage verblüffte mich. „Was soll das denn heißen, Clay?" hakte ich wissbegierig nach. Abgelenkt nahm ich mir einen Film aus der Kiste und schob sie zurück auf ihren Platz. Mit dem Film in der Hand setzte ich mich auf die Couch, so weit weg von Clay, wie es möglich war. Seine Sexualität interessierte mich natürlich brennend. Andererseits wollte ich diesem Mann auf keinen Fall zu nah kommen oder womöglich sogar mit ihm intim werden. Es beunruhigte mich, dass er anscheinend sehr wohl Interesse an Intimitäten mit mir hatte.
Er starrte auf den Tisch und lächelte gedankenversunken in sich hinein. Dieses Thema machte ihm merkbar Spaß. Sex gefällt ihm außerordentlich gut, merkte ich geringschätzig, er lechzt förmlich danach. Clay ist tatsächlich auch ein triebgesteuerter Mann. Aber das kann ich ihm wohl nicht vorwerfen, dachte ich dann entschuldigend.
„Was heißt das - Alle Arten?" fragte ich ihn nochmal indiskret, „Stehst du auf BDSM, Fetisch, Voyeurismus und so etwas?" Gespannt auf seine Antwort fixierte ich ihn. Seine unmittelbare Reaktion beschämte mich. Clay musste spontan laut lachen, verkniff es sich aber halbwegs und guckte mich völlig perplex an. Er schlug sich gespielt entsetzt die Hand vor den Mund und rief: „Oh Mann, Jill, du überrascht mich aber ganz schön! Was du alles für Ausdrücke kennst! Du bist wohl ein echter Sex-Profi, was?" Hochgradig ausgelassen kugelte er sich auf dem Sofa herum. Auch diesmal war seine Heiterkeit umfassend und daher automatisch sehr ansteckend. Ich war erleichtert, dass er seine gute Laune zurückgewonnen hatte. Beschämt lachend rutschte ich, ohne nachzudenken, zu ihm hin und knuffte ihn gegen den Oberkörper. „Du bist blöd!" kicherte ich verlegen. Er lachte laut, wehrte meine Schläge nicht ab, sondern hielt sich übertrieben die getroffenen Stellen. Es entstand ein sehr einseitiger Kampf, bei dem ich Clay einige leichte Schläge verpasste. Irgendwann schnappten wir beide nach Luft. Er lag nun dicht bei mir auf dem Sofa und sein Blick veränderte sich wieder. Beinahe sehnsüchtig schaute er mich an.
Einige Zeit war es ganz still, während wir intensiv Blickkontakt hielten. „Ich schlafe mit Frauen und mit Männern", gestand er mir plötzlich ganz ruhig. Danach wartete er merkbar unsicher auf meine Reaktion. Ich war schon wieder überrascht. „Heißt das, dass du bisexuell bist?" hakte ich erstaunt nach. Er seufzte tief und wich unwohl meinem Blick aus. „Ich mag diese Kategorisierungen nicht besonders, Jill", erwiderte er ablehnend, „Aber ja, so könnte man es wohl nennen." Er sah mich vorsichtig an, und ich musterte ihn eine lange Zeit wirklich verblüfft.
Mein Blick wurde wohl so prüfend, dass er sich unbehaglich aufsetzte. „Was ist denn?" wollte er nervös von mir wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts. Ich habe nur noch nie jemanden gesehen, der so ist wie du." Daraufhin lachte er abermals spöttisch. „Hast du denn jeden danach gefragt?" kicherte er abwertend. „Nein! Natürlich nicht!" wehrte ich beleidigt ab und schlug ihn nochmal ganz leicht gegen die Rippen.
In diesem Moment griff Clay intuitiv meine Hand und schob sie energisch unter sein Sweatshirt auf seinen nackten Bauch. Vielleicht eine halbe Minute hielt er meine Hand gegen seinen Bauch gepresst fest. Ich konnte seine Bauchmuskeln fühlen und musterte ihn alarmiert. Er atmete tief und starrte mich beschwörend an. Ich war von seinem Verhalten so überrumpelt, dass ich erst gar nicht reagieren konnte. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, was er damit bezweckte.
Dann vermutete ich, dass er mich auf diese Art anbaggern wollte, und ich zog hastig meine Hand mit einem heftigen Ruck aus seinem Griff. Er ließ mich auf der Stelle los. „Jill...", stöhnte er bedauernd. Ich war vollends verwirrt und wich seinem durchdringenden Blick aus. Eine Weile musste ich erst einmal meine Gedanken ordnen. Ich überlegte fieberhaft, was ich jetzt tun sollte. Anscheinend war Herr Banton auf Sex mit mir aus, was ich auf keinen Fall akzeptieren konnte. Andererseits mochte ich diesen ungewöhnlichen Mann inzwischen sehr gern und wollte ihn nicht verletzen.
Die Stille im Raum wurde merkbar ungemütlich. Clay saß ganz ruhig neben mir und schwieg. Ich konnte ihn nicht ansehen. „Warum hast du einen Pornofilm in deiner Hand?" unterbrach er nach langer Zeit plötzlich die Stille. Ich erinnerte mich wieder an den Film, den ich gedankenversunken mitgenommen hatte und tatsächlich immer noch in meiner Hand hielt. Spontan kam mir eine waghalsige Idee, die ich leider nicht genug analysierte, sondern ihr intuitiv nachgab.
„Wollen wir uns den Film gemeinsam anschauen?" fragte ich Clay und wagte einen zögernden Blick auf ihn. Er zuckte förmlich zusammen vor Überraschung. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, als er mich ungläubig anstarrte. „Du möchtest dir mit mir einen schwulen Porno ansehen?" hakte er völlig fassungslos nach. Ich gab mich betont locker. „Ich habe noch nie einen schwulen Porno gesehen", informierte ich ihn lächelnd. „Ich leih ihn dir aus!" erwiderte Clay schnell, ängstlich, abwehrend. Offenbar war er nicht begeistert von meiner Idee, was mich irgendwie wunderte, wo er doch Sex so liebte. Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Nein, Clay, ich möchte ihn gerne mit dir zusammen sehen", betonte ich. Er lächelte gequält und flüsterte: „Bist du dir sicher, Jill?" Ich nickte energisch. „Ja, natürlich bin ich mir sicher, Clay!" Er schaute mich zweifelnd an.
„Ist dir denn überhaupt klar, was dann passiert?" fragte er mich nach einer Weile vorsichtig. Ich musterte ihn grinsend und erwiderte: „Was soll schon passieren? Fällst du dann über mich her, oder was?" Ich lachte spöttisch. Clay dagegen blieb total ernst. Immer noch ungläubig betrachtete er mich. „Wirst du über mich herfallen?" wollte ich alarmiert von ihm wissen. Er lächelte gutmütig. „Nein, das tue ich nicht", versicherte er mir, und ich glaubte ihm aus irgendeinem Grund sofort.
Auffordernd hielt ich ihm den Film hin. „Hier, leg den Porno mal ein!" Clay zögerte immer noch. Er schüttelte den Kopf und zierte sich. „Jill, ich weiß nicht so recht... das ist... merkwürdig...", stammelte er unschlüssig. Energisch hielt ich ihm die Blu-ray unter die Nase. „Clay Banton! Ich bin Gast in deinem Hause! Und der Gast ist immer König!" machte ich ihm selbstbewusst klar.
Endlich nahm er zögerlich die Blu-ray entgegen. Er stand auf, ging zu seinem Blu-ray-Player, schaltete das Gerät ein und legte den Film ein. Dann kam er zurück zum Sofa. Er setzte sich in die entgegengesetzte Ecke der Couch, so weit weg von mir, wie es möglich war. Dann schaltete er mit einer Fernbedienung, die auf dem Tisch gelegen hatte, seinen riesigen LCD-Fernseher ein. Mit einer anderen Fernbedienung schaltete er seinen Verstärker ein und drehte den Ton auf.
Ich beobachtete ihn bei seiner Tätigkeit und mir fiel auf, wie unglücklich er auf einmal aussah. Offensichtlich befürchtete er irgendwas, und ich fragte mich sofort interessiert, was das wohl sein konnte. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was Clay damit gemeint hatte, was wohl jetzt passieren würde. Ich war tatsächlich neugierig auf diesen schwulen Pornofilm, denn ich hatte so etwas noch nie gesehen. Mein dummer Hintergedanke dieser Idee war, den Mann von meiner Person abzulenken. Vielleicht würde der Porno ihn sexuell genug befriedigen, sodass er mich in Ruhe ließ, hoffte ich ziemlich naiv.
Als der Film anfing, schaute ich ihn mir interessiert und amüsiert an. Die jungen Männer in dem Film waren attraktiv und sportlich. Was sie allerdings miteinander trieben, das war mir so dermaßen fremd, dass ich es nur staunend und ziemlich belustigt betrachten konnte. Nichts davon konnte mich auch nur ansatzweise erregen. Eine lange Zeit war es ruhig in diesem Wohnzimmer. Nur die Männer auf dem riesigen Bildschirm gaben aus allen Winkeln des Zimmers sehr eindeutige Geräusche von sich. Ich schaute mir diesen schwulen Porno an und schwankte teilweise zwischen leichter Verlegenheit und großer Belustigung.
Irgendwann warf ich einen Blick auf Clay am anderen Ende der Couch. Ich wollte überprüfen, ob er sich auch so gut amüsierte, wie ich. Aber zu meinem naiven Erstaunen reagierte er ganz anders auf diese Blu-ray, als ich. Ich weiß nicht, warum mich seine eigentlich zu erwartende Reaktion in diesem Moment so überraschte.
Clay hatte sich weit auf dem Sofa zurückgelehnt. Seine rechte Hand lag auf seinem Schoß, und es war nicht zu übersehen, dass er eine Erektion hatte. Mit halb geschlossenen Augen schaute er sich den Porno an, atmete schwer und stimulierte sich dabei ganz sachte. Eine Weile beobachtete ich ihn überrascht. Dann fühlte ich auf einmal eine leichte sexuelle Erregung in mir aufsteigen, die ich absolut nicht akzeptieren wollte.
„Sag mal, Clay, onanierst du etwa?" fragte ich unvermittelt in das Gestöhne der Männer vom Bildschirm hinein. Irgendwie spöttisch beobachtete ich ihn. Er zuckte irritiert zusammen und wandte sich langsam zu mir. Seine Hand lag nun ganz reglos auf seinem Schoß. Einen Moment musterte er mich prüfend. „Ist das nicht der Sinn der Sache?" wollte er dann atemlos von mir wissen. Seine intime Tätigkeit und die Tatsache, dass ich ihn dabei ertappt hatte, waren ihm überhaupt nicht peinlich.
Ich schaute ihn vorwurfsvoll an. Seine Augen hatten sich verändert, spiegelten seine leichte sexuelle Erregung. Ich studierte ihn sehr interessiert und amüsiert, was ihm offenbar nicht besonders gefiel. „Dafür werden Pornos doch gedreht, oder nicht? Man geilt sich daran auf, und wenn man niemanden zum ficken hat, dann wichst man eben dabei!" keuchte er anklagend in meine Richtung. Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Nein, das hatte ich eigentlich nicht im Sinn!" versuchte ich ihm zu erklären, peinlich berührt, weil er diese Dinge so direkt beim Namen nannte. Clay stöhnte genervt auf und setzte sich gerade hin.
„Und was hattest du denn im Sinn, Jill? Möchtest du mir das vielleicht mal verraten?" fragte er merkbar verärgert. Ich hob beschwichtigend die Hände. Mit dämmerte, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte. „Nein, Clay. Bitte versteh mich jetzt nicht falsch. Ich finde es absolut nicht schlimm, was du getan hast. Von mir aus kannst du das ruhig zu Ende bringen!" bot ich ihm freundlich an, in dem Bemühen, ihn wieder zu beruhigen.
Clay musterte mich fassungslos. Er atmete tief und setzte sich unbehaglich in eine andere Position. „Das ist aber nett, dass du mir das erlaubst", zischte er sarkastisch. Mist, dachte ich, jetzt habe ich ihn wirklich verärgert. „Das ist doch nicht schlimm!" versuchte ich ihn hastig zu besänftigen, „Mach ruhig weiter, Clay!" Er stöhnte wütend und knurrte widerwillig, was mich wirklich erschreckte. Seine plötzliche Aggressivität war genauso umfassend, wie es vorher seine Heiterkeit gewesen war.
„Willst du mir vielleicht beim Wichsen zusehen, Jill?" wollte er lauernd wissen. Seine Augen funkelten erregt. Ich dachte viel zu kurz darüber nach. „Ja, das würde mich schon interessieren", erwiderte ich arglos und registrierte verwundert, dass mein Herz unwillkürlich anfing, aufgeregt zu klopfen. Clay blies spöttisch die Luft aus und sprang unvermittelt von der Couch auf. „Tja, dann tut es mir echt leid, Jill. Aber diese Vorstellung gebe ich nicht für dich!" rief er aufgebracht und verließ plötzlich fluchtartig sein Wohnzimmer. Er ging mit schnellen Schritten über den Flur zum Badezimmer. Er schloss auch diesmal die Tür hinter sich, ohne abzuschließen.
Ich ärgerte mich über meinen groben Fehler und hätte mich deswegen am liebsten selbst in den Hintern getreten. Ich konnte mir bildhaft vorstellen, dass Clay sich nun im Badezimmer, nachdem er wahrscheinlich gewichst hatte, noch mehr von seinem blöden Heroin einfuhr. Vielleicht würde er mir jetzt gar keine weiteren Fragen mehr beantworten. Verdammt, dachte ich entsetzt, jetzt habe ich ihn verärgert und zu stark gekränkt, und obendrein habe ich diese interessante Nacht womöglich total verdorben!
Charlotte
Ich hatte im Imbiss etwas gegessen und war nun auf dem Heimweg, der mich nochmal am Grenzland-Theater vorbei führte. Es wunderte mich sehr, dass immer noch die Eingangsbeleuchtung und das Licht im Schaukasten brannte. Nach dieser Pleite heute sollte längst niemand mehr hier sein, dachte ich, das sieht allerdings anders aus.
Die Eingangstür war tatsächlich noch offen, und ich ging neugierig hinein, schloss die Tür von innen ab und sah mich um. Die Kasse war völlig unbewacht, das Foyer beleuchtet, aber leer. Ich wusste, dass Sean niemals nach Hause gehen und das Licht anlassen würde. Sean Valmont, die Gewissenhaftigkeit in Person, würde immer das Licht ausschalten und die Türen sorgfältig abschließen, bevor er das Theater verließ. Er muss noch hier sein, schloss ich verwundert daraus.
Ich ging zum Schaltkasten hinter der Theke und schaltete das Licht am Eingang und im Foyer aus. Dann ging ich langsam durch den leeren, noch immer beleuchteten Theatersaal. Auf der Bühne lag Clays schwarzer Seidenschal, und im hinteren Bereich seine gesamte Bühnengarderobe auf dem Boden. Ich erinnerte mich an den hinterhältigen Angriff auf Clay, und der Mann tat mir von Herzen leid. Ganz egal, was ihm vielleicht vorgeworfen wurde, so eine brutale Attacke hatte er bestimmt nicht verdient, da war ich mir sicher. Im Grunde war Clay Banton, wenn auch oft unberechenbar, nämlich ein herzensguter Mensch, fand ich.
Ein bisschen verunsichert nahm ich die Sachen auf und ging weiter zur Kellertreppe. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Aus der Garderobe unten fiel Licht in den Gang. Ich lief beunruhigt die Treppe hinunter und fand Sean Valmont allein in der Garderobe. Der attraktive Mann war tief über die Ablage des Spiegels gebeugt und schniefte gerade heftig irgendein hellbraunes Pulver durch seine Nase in sich herein. Sofort vermutete ich entsetzt, dass er Kokain nahm.
Im ersten Moment war ich mächtig erschrocken, kannte ich Sean doch nur als starken Menschen, der so etwas Dummes wie Drogen niemals nötig hatte. Im nächsten Moment tat er mir leid, denn ich vermutete, dass er sich über die Ereignisse dieses missglückten Abends viel mehr Sorgen machte, als ich gedacht hatte. Ich hatte direkt das Bedürfnis, ihm helfen zu wollen. Vorsichtig legte ich Clays Sachen beiseite und ging einige Schritte auf ihn zu. Er bemerkte meine Bewegung aus den Augenwinkeln und fuhr erschrocken zu mir herum. Sichtbar entsetzt starrte er mich eine Weile reglos an.
Dann sank er auf einmal langsam, resigniert in sich zusammen, und saß schließlich hilflos auf dem Boden. Ich war mindestens so erschrocken über sein Aussehen, wie er über mein Auftauchen war. Sean Valmont sah absolut verzweifelt aus, er wirkte so umfassend traurig, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Er hatte sichtbar äußerst heftig geweint, sein Gesicht und seine Augen waren rot und verquollen.
Jetzt hockte er auf dem Boden und schloss ergeben die Augen. Er zog laut die Nase hoch und rieb sich fahrig über das Gesicht. „Hallo Sean", grüßte ich ihn behutsam und ging auf ihn zu. Ich ließ mich dicht vor ihm auf den Boden sinken und berührte seinen Arm. Er öffnete die Augen und betrachtete mich kläglich mit einem traurigen Lächeln.
„Ich... wollte wirklich nicht, dass du das siehst, Charlie", erklärte er mir leise, als wollte er sich für seinen Drogenkonsum bei mir entschuldigen. „Ist doch nicht schlimm", versicherte ich ihm, obwohl ich es in Wahrheit sehr wohl schlimm fand, dass er harte Drogen nahm. „Du hast mich jetzt echt kalt erwischt", erwiderte er und wich verlegen meinem Blick aus. Er schämt sich, wurde mir klar, er möchte doch immer alles unter Kontrolle haben, und er hat im Moment jegliche Kontrolle über sich verloren. Sean tat mir leid. Ich wusste nicht, warum er so dermaßen verzweifelt war, dass er sogar Drogen nahm. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, wie ich ihm Mut zusprechen konnte. Bleib einfach bei ihm, beschloss ich intuitiv, bleib bei ihm und warte ab, was passiert.
Ratlos setzte ich mich neben ihn auf den Boden. Wir saßen eine lange Zeit ruhig so nebeneinander. Es war ganz still, und ich musste unwillkürlich an früher denken. Ich dachte daran, wie Sean früher gewesen war, und dass ich ihn tatsächlich noch nie so hilflos erlebt hatte.
Ich kannte Sean Valmont schon seit der Schulzeit, die letzten Jahre auf dem Gymnasium war er in vielen meiner Kurse gewesen. Sean war damals das, was man wohl den Star der Schule nennen konnte. Alle Mädchen und mit Sicherheit einige Jungs schwärmten für ihn, weil er so außergewöhnlich gut aussah. Fast jeder kannte, akzeptierte und bewunderte ihn, weil er sich immer bei Schülern wie Lehrern clever durchzusetzen wusste und immer irgendwie eine Lösung fand. Es war einfach eine Selbstverständlichkeit, dass er Klassen- und Schulsprecher wurde.
Sean Valmont galt zu recht als sehr intelligent, denn er hatte scheinbar mühelos extrem gute Noten in so gut wie allen Fächern. Weil er an der Schule so bekannt war, brodelte natürlich ständig die Gerüchteküche über ihn. Er hatte trotz zahlloser Angebote nie eine feste Freundin, und seine vielen Neider nannten ihn deswegen oft gehässig eine blöde Schwuchtel. Andere spekulierten einfach nur über sein Liebesleben. Wir Mädels fanden das ziemlich aufregend. Wir plauderten und schwärmten mit Vorliebe davon, welche von uns es wohl letztendlich schaffen würde, den begehrten Sean Valmont zu verführen. Unsere hartnäckigen Versuche in dieser Richtung scheiterten jedoch ausnahmslos. Sean war zwar immer sehr freundlich und äußerst charmant zu uns. Aber allen weiteren Annäherungsversuchen entzog er sich stets mit einem aparten Lächeln.
In den letzten Monaten meiner Schulzeit wurde dann plötzlich alles anders. Seans Coming-out vollzog sich für uns nicht irgendwie langsam, sondern mit einem Donnerschlag. Selbstverständlich hatte es viele Gerüchte gegeben. Aber es waren eben nur Gerüchte gewesen.
An diesem Morgen stand Sean jedoch völlig unerwartet vor unserer Klasse und outete sich öffentlich. Ich erinnere mich noch genau an seine Worte: „So, Leute, damit das blöde Gequatsche über mich endlich mal aufhört, sage ich es euch jetzt einfach: Ich bin schwul, okay?! Und das soll auch genau so sein! Und euch sollte mein Privatleben jetzt wirklich nicht länger interessieren!" Er stand alleine vor uns blöde glotzenden Gesichtern und lächelte selbstbewusst sein bezauberndstes Lächeln.
Danach setzte er sich einfach auf seinen Platz und überließ es uns, auf seine Worte zu reagieren. Zuerst dachten wir, er hätte einen merkwürdigen Witz gemacht. Wir waren absolut sprachlos und reagierten nur langsam, aber dann leider genau wie die dummen Teenager, die wir zu dieser Zeit waren. Zu viele von uns kicherten spöttisch und starrten ihn mit einer Mischung aus alter Neugier und neuem Abscheu an. Andere erklärten großspurig, sie hätten das doch sowieso schon immer gewusst. Seine Neider freuten sich diebisch, dass der fehlerlose Halbgott Sean Valmont sich selbst diesen "Makel" aufgedrückt hatte.
Sean hatte mit seinem Coming-out beabsichtigt, dass das Gequatsche über ihn aufhören sollte. Aber leider ging das Gerede jetzt erst richtig los. Noch am selben Tag sprach sich seine sexuelle Orientierung in der ganzen Schule herum. Ich bin mir sicher, dass er von diesem Zeitpunkt an nur noch viel mehr diskriminiert und beschimpft wurde.
„Unser Schulsprecher liebt Männer!" rief irgendein Junge höhnisch dem Lehrer zu, der kurz darauf unsere Klasse betrat. Ich weiß noch genau, wie dumm verlegen der Lehrer wurde, und wie er nur so etwas wie „Das ist seine Privatsache" murmelte, bevor er hastig mit dem Unterricht anfing. Über Homosexualität haben wir im Unterricht niemals gesprochen. Aber hinter vorgehaltener Hand wurde dafür umso mehr darüber gelästert.
Ab diesem Tag war Sean Valmont ein beliebtes Gesprächsthema, über das mit Vorliebe kichernd hergezogen wurde. Seine Beliebtheit an der Schule sank merkbar, sie spaltete sich in Freund und Feind. Es waren meines Wissens nach nur wenige Schüler und Lehrer, die Seans Schwulsein offen akzeptierten, ja ihn sogar verteidigten. Offiziell wurde sein Coming-out ganz einfach völlig totgeschwiegen.
Ich wundere mich heute darüber, wie intolerant und gehässig doch die Allermeisten an diesem Gymnasium waren. Die Zeit war für Seans grenzenlosen Mut offensichtlich noch nicht reif gewesen. Ich hielt mich aus den Lästereien weitgehend heraus. Aber zu meiner Schande reichte auch meine Zivilcourage nicht aus, um ihn offen zu verteidigen. Damals verstand ich überhaupt nicht, warum Sean diesen drastischen Weg für sein Coming-out gewählt hatte, denn er hatte sich dadurch nur selbst sein Leben an der Schule immens erschwert. Aber wie unerträglich es tatsächlich für ihn geworden war, das wurde mir erst klar, als er keine vier Wochen später aus dem Gymnasium verschwand. Man erzählte sich, dass er sein Abitur auf irgendeiner teuren Privatschule machte.
Niemand folgte übrigens seinem Beispiel. Sean Valmont blieb der einzige geoutete Homosexuelle an diesem blöden Gymnasium, solange ich dort war. Heute kann ich ihn für seinen Mut bewundern. Nie wieder habe ich diese Art von Mut erlebt.
Nach der Schule fing ich damit an, als Komparsin zu jobben, und Sean studierte Schauspiel, Tanz und Dramaturgie. Wir trafen uns noch manchmal in einem Lokal, ohne viel miteinander zu reden. Ich hörte noch ab und zu von anderen Leuten etwas über ihn.
Bis er mich vor einem halben Jahr in der Eule fragte, ob ich in seiner Performance mitspielen würde. Er hatte wohl gehört, dass ich inzwischen Schauspielerin am Stadttheater geworden war. Ich war sehr neugierig auf das Stück, das er geschrieben hatte. Ich fühlte mich ihm gegenüber immer noch schuldig, deshalb sagte ich sofort zu und reduzierte für ihn sogar meine Arbeit am Stadttheater.
Seitdem spielten wir Psychotic Kühlschrank zusammen, ohne damit bahnbrechenden Erfolg zu haben. Nach der Premiere war das öffentliche Interesse sehr bald abgeebbt. Es war eigentlich ein Wunder, dass sich diese experimentelle Performance schon so lange auf der Bühne hielt. Irgendjemand verirrte sich komischerweise immer ins Theater, wenn wir auftraten.
So weit ich weiß hatte Sean Valmont niemals eine feste Beziehung, weder zu einer Frau, noch zu einem Mann. Ich habe keine Ahnung, wo und wann er Clay Banton kennengelernt hat. Aber ich vermute, dass er wohl von Anfang an in Clay verliebt gewesen sein muss. Schon immer fand ich Seans grenzenlose Zuneigung zu Clay sehr dumm, weil sie ihn meiner Meinung nach nie weiterbringen würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Clay sich jemals dazu durchringen würde, sich für irgendetwas zu entscheiden, geschweige denn ernsthaft eine feste Bindung einzugehen. Dazu war Clay Banton in meinen Augen gar nicht fähig. Dieser Mann entschied sich ja nicht einmal dafür, offen schwul zu sein.
Deshalb fand ich es sehr dumm von Sean, so viel bedingungsloses Gefühl in diesen gedankenlosen Mann zu investieren. Auch Eliza konnte ich in ihrer aufopferungsvollen Verbundenheit zu Clay nie verstehen. Ich hatte immer den Eindruck, Sean und Eliza würden nur ständig hinter Clay herlaufen, ohne ihn jemals richtig zu erreichen, und ohne dass er die beiden jemals wirklich wahrnahm. Clay Banton war ein ganz passabler Schauspieler, ein recht guter Zeichner und Musiker, und meistens ein netter Kerl. Aber er war absolut ungeeignet für so ernsthafte Dinge wie eine erwachsene Partnerschaft. Sean konnte mit diesem Mann immer nur verlieren, befürchtete ich. Und ich fand Sean auch viel zu talentiert und klug, um sich mit jemandem wie Clay Banton, der zweifellos nicht besonders intelligent war, zu belasten.
Alle diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, während ich eine lange Zeit neben Sean Valmont auf dem Boden der Garderobe im Grenzland-Theater saß. Irgendwann schaute ich vorsichtig zu ihm hin. Sein Kopf war nach vorne auf die Brust gekippt, die Augen hatte er geschlossen. Anscheinend wirkte die harte Droge, die er genommen hatte, extrem einschläfernd. Sean war tatsächlich einfach weg genickt. Spucke lief aus seinem Mund und tropfte auf sein Hemd.
Ich stieß ihn alarmiert an, erst leicht, dann fester, bis er träge die Augen öffnete und mich verwirrt anblinzelte. „Welche Droge hast du genommen?" fragte ich ihn geradeheraus. Er betrachtete mich lange und wischte sich verlegen über den Mund. „Heroin", eröffnete er mir dann leise. Ich war echt schockiert, weil ich Heroin als die schlimmste aller Drogen empfand, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen.
„Warum denn nur, um Himmels Willen?" wollte ich so ruhig wie möglich von Sean wissen. Er hatte Mühe damit, seine blauen Augen offen zu halten, und lächelte mich irgendwie hilflos an. „Ich wollte es einfach", erklärte er lahm und wich meinem Blick verlegen aus. Er rieb sich träge über das Gesicht und die Nase. „Das ist aber keine gute Idee, Sean. Dieses Zeug wird dich umbringen. Es macht dich kaputt, hörst du?" versuchte ich an seine Intelligenz zu appellieren, „Das passt doch auch gar nicht zu dir, Sean. Du hast doch noch nie Drogen gebraucht, um mit etwas fertig zu werden."
Was hat ihn nur so aus der Bahn geworfen, überlegte ich traurig. Sean sah mich jetzt lächelnd an. „Du weißt wirklich nicht besonders viel von mir, Charlotte", stellte er amüsiert fest. Ich lächelte ihn an und kam mir ziemlich dumm vor, weil er natürlich Recht hatte. Unsere gemeinsame Schulzeit war über zehn Jahre her, und ich hatte im Grunde keine Ahnung, was er in der Zwischenzeit gemacht hatte. Im letzten halben Jahr hatten wir uns fast ausschließlich bei der Arbeit im Theater, bei den Proben und Vorstellungen gesehen. Wir hatten uns nicht über private Dinge oder die Vergangenheit unterhalten.
Ich musterte ihn von der Seite und versuchte seinen aktuellen Zustand abzuschätzen. Er war zweifellos im Moment ziemlich zugedröhnt. Ich wollte aber nicht glauben, dass er ein kaputter Drogenabhängiger war, ohne dass ich etwas davon gemerkt oder auch nur geahnt hatte. Sean sieht immer noch viel zu gut aus, um regelmäßig harte Drogen zu nehmen, sprudelten meine Gedanken los: Ich glaube nicht, dass er süchtig ist. Er ist bei der Arbeit im Theater jedes Mal höchst konzentriert. Außerdem ist er immer viel zu gepflegt. Er duftet ständig angenehm nach seinem Rasierwasser. Seine Fingernägel sind manikürt. Sein Haar ist immer frisch gewaschen. Das passt alles überhaupt nicht zu jemandem, der sein Leben mit harten Drogen vergeudet.
Sean seufzte und wich hilflos meinem prüfenden Blick aus. Offenbar war es ihm unangenehm, so intensiv von mir gemustert zu werden. „Du hast recht, ich weiß nicht viel über dich, Sean", gab ich zu, „Aber ich weiß ganz genau, wie du früher warst. Und niemand ändert sich so sehr. Du warst der Star der Schule! Du wurdest immer ganz allein mit allem fertig!" erinnerte ich ihn eindringlich.
Sean lachte amüsiert und guckte mich an. „Das ist doch schon ewig her!" versuchte er bescheiden abzuwiegeln. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das bist immer noch du, Sean!" Ich wollte ihm damit Mut machen, weil er so verzweifelt aussah. Und tatsächlich lächelte er jetzt belustigt. „Ich war immer nur das, was ihr in mir sehen wolltet", erklärte er leise.
Ich musste eine Weile darüber nachdenken, um zu verstehen, was er damit sagen wollte. Ich hatte wieder den achtzehnjährigen Sean Valmont vor Augen, der sich in der Schule erfolgreich mit allen Problemen auseinandersetze. Dieser auffallend hübsche Junge, den nichts aufzuhalten schien, der immer die richtigen Worte fand. Die ganze Welt schien ihm offen zu stehen. Er schien wahrhaftig unsterblich zu sein. Hatten wir ihn tatsächlich falsch beurteilt? Hatten wir ihn größer gemacht, als er gewesen war? Das konnte ich mir nicht vorstellen.
„Du hattest eine unglaubliche Kraft in dir, Sean! Die kannst du doch nicht verloren haben!" redete ich auf ihn ein. Ich beobachtete ihn von der Seite. Seine Miene verdunkelte sich. Er kramte fahrig in seiner Lederjacke und zog seine Zigaretten hervor. Mit unsicheren Fingern zündete er sich eine an und rauchte tief. Er schloss die Augen, atmete aus und seufzte. Lange war es still.
„Sean?" fragte ich schließlich vorsichtig. Er bewegte sich unbehaglich. „Das... ist schon lange her, Charlie", seufzte er, „...ich..." Dann verstummte er wieder. Er atmete tief durch, öffnete die Augen und sah mich traurig an. „Ich war sehr dumm, Charlotte, sehr... naiv. Ich war... ich... dachte, nichts könnte mir etwas anhaben..." Er stöhnte verzweifelt und rauchte mit unsicheren Fingern. Mir wurde klar, woran ich ihn erinnert hatte. Es tat mir leid, dass die Erinnerung an sein Coming-out und die für ihn so schwierige Zeit danach, ihm anscheinend immer noch sehr weh tat.
Meine gut gemeinte Absicht, ihm Mut zu machen, indem ich ihn an seine Schulzeit erinnerte, war gründlich schiefgegangen. „Tut mir leid, Sean", versicherte ich ihm spontan. Er lächelte betrübt. „Das ist doch nicht deine Schuld." Ich schüttelte den Kopf. „Doch, es ist auch meine Schuld! Wir haben dich wie Dreck behandelt! Und ich war auch nicht viel besser damals!" rief ich voller Reue. Sean schaute mich lächelnd an. „Du hast mich nie eine kranke, perverse, schwule Sau genannt, oder mich geschlagen", kicherte er traurig. Tränen liefen plötzlich aus seinen Augen und er wischte sie verlegen hastig weg. Ich fühlte mich auf einmal sehr schuldig. Sie haben ihm wirklich weh getan damals, merkte ich erschrocken. Er hat seinen Mut und seine Kraft in diesem Moment in der Schule verloren, als er uns sagte, dass er schwul ist, und wir ihn deswegen verurteilt haben. Ich betrachtete ihn in seinem sichtbaren Elend, und mir wurde bewusst, dass Sean Valmont diese womöglich negativste Erfahrung seines Lebens tatsächlich immer noch nicht verarbeitet hatte.
„Sean...", sagte ich hilflos und streichelte tröstend über seine Schulter. Er bewegte sich wieder unbehaglich, und ich zog meine Hand beschämt zurück. Er hustete und wischte sich heftig über die Augen. „Ist schon gut, Charlie. Das war schon okay so... eine äußerst lehrreiche Erfahrung...", erklärte er mir nicht sehr glaubwürdig, „Außerdem hatte ich diesen... Arschtritt dringend nötig... ich war... ziemlich arrogant und...größenwahnsinnig..." „Nein, das warst du überhaupt nicht!" widersprach ich ihm sofort, aber Sean wollte dieses für ihn so unangenehme Thema offensichtlich beenden.
Er bewegte sich auf einmal stöhnend und fing an zu würgen. Ich beobachtete ihn besorgt. Er versuchte mühsam aufzustehen, war aber zu zugeknallt und rutschte deshalb nur fahrig auf dem Boden herum. Er würgte jetzt, schnappte nach Luft, hielt sich den Magen und verlor seine Zigarette aus der Hand. Spucke lief aus seinem Mund. „Ist alles okay?" fragte ich alarmiert. „Mir ist schlecht", informierte er mich stöhnend, „Ich fürchte, ich muss kotzen." Seine Augen flackerten nervös. Er versuchte ernsthaft, irgendwie zur Tür zu kommen. Bestimmt wollte er zur Toilette gehen, um sich dort zu übergeben.
Aber der Weg war viel zu weit, und Sean war viel zu betäubt von der Wirkung des Heroins. Mir wurde ziemlich bald klar, dass er es auf keinen Fall rechtzeitig schaffen würde. Ich sprang auf und blickte mich hastig nach einer Lösung um. Schnell entdeckte ich den Eimer unter dem Spülbecken, stürzte spontan hin und holte ihn eilig. Sean hockte unruhig auf dem Boden. Er hustete, spuckte und würgte gequält.
„Hier, Sean, das...", sagte ich und stellte ihm den Eimer hin. Im selben Moment erbrach er sich auch schon lauthals hinein. Angewidert drehte ich mich weg. Ist er doch selber schuld, dachte ich geringschätzig, warum nimmt er auch so viel von diesem gefährlichen Scheiß Zeug. Warum muss er überhaupt harte Drogen nehmen, dieser Spinner, das hat er doch nun wirklich überhaupt nicht nötig.
Ich dachte wieder an den Teenager Sean Valmont, der nach seinem Coming-out von zu vielen Menschen wie ein gefährlicher Fremdkörper, wie ein echt kranker Perverser behandelt worden war. Das war mit Sicherheit alles andere als leicht für ihn gewesen. Trotzdem hatte er aber nie aufgegeben, er hatte niemals die Kontrolle über sich verloren. Er hatte sich nie provozieren lassen, war immer gleichbleibend charmant und freundlich geblieben.
Warum ließ er sich plötzlich von so etwas Blödem wie einer missglückten Theateraufführung dermaßen aus der Bahn werfen? Warum schwamm er plötzlich in so großem Selbstmitleid? Noch niemals hatte ich diesen attraktiven Mann dermaßen verzweifelt erlebt. Mir gefiel diese neue Seite von Sean Valmont ganz und gar nicht. Ich war verärgert über sein Verhalten. Sein zugeknallter Zustand ging mir auf die Nerven. Ich erwog ernsthaft, einfach sofort nach Hause zu gehen und Sean in seinem selbst gewählten Elend allein zu lassen. Ich hatte wirklich etwas Besseres zu tun, als mir einen kotzenden Junkie anzugucken! Er würde sich schon irgendwann von alleine wieder einkriegen! Spätestens, wenn die Wirkung des Heroins nachließ, würde er bestimmt wieder der Alte sein, versuchte ich mir einzureden.
Angewidert warf ich einen Blick zu ihm hin. Er kotzte inzwischen nicht mehr, saß aber immer noch auf dem Boden, den Eimer neben sich. Er schniefte jetzt und hustete, wischte sich fahrig mit den Fingern über das Gesicht und den Mund. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, um ihm zu sagen, dass ich jetzt nach Hause gehen würde.
Er drehte sich langsam zu mir um und schaute mich an. Sein Blick war entsetzt, beschämt und verzweifelt. All sein Leid spiegelte sich in seinen auffallend hellblauen Augen. Unvermittelt fing er an zu weinen. Dicke Tränen tropften aus seinen Augen auf sein Hemd. Ich starrte ihn irritiert an. Das gibt es doch nicht, dachte ich spontan abfällig und ziemlich gehässig, in Sean Valmont steckt tatsächlich eine total tuntige, weinerliche Schwuchtel! Das hätte ich ja nie von diesem Mann erwartet, dass er sich so wehleidig benehmen kann!
Gleich darauf taten mir diese gehässigen Gedanken auch schon leid. Sean war so dermaßen hilflos und traurig, und einfach nicht mehr in der Lage, seinen absolut elenden Zustand vor mir zu verbergen. Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals und konnte nichts mehr sagen. Ich beobachtete ihn nur überfordert.
„Oh, Fuck! Nein!" stöhnte er entsetzt, „Oh, Gott, Charlie!" Er bewegte sich nervös auf dem Boden, als wollte er meiner Anwesenheit, meinem Blick irgendwie ausweichen, sich am liebsten unsichtbar machen, was natürlich nicht möglich war. „Sean, ist doch gut!" versuchte ich unsicher, ihn irgendwie zu beruhigen. Aber er hörte mich gar nicht, er weinte nur laut und haltlos. „Oh, Fuck, Charlie, jetzt kannst du ja gar keine Achtung mehr vor mir haben!" jammerte Sean, und dann brach er förmlich in sich zusammen. Als wäre dieser Gedanke das absolut Schlimmste, was er sich vorstellen konnte.
Er lag nun auf der Erde, den Kopf in seinen Armen vergraben, und schluchzte lauthals. Ich stand nur reglos dort, starrte ihn verwirrt an und versuchte mit diesem emotionalen Ausbruch von umfassender Verzweiflung fertig zu werden. Ich versuchte zu verstehen, warum ihn der Gedanke, ich könnte keinen Respekt mehr vor ihm haben, so dermaßen fertig machte.
Zu viele Menschen hatten nach seinem Coming-out in der Schule keine Achtung mehr vor ihm, fiel mir ein. Es ist wirklich kein Wunder, dass er sich davor fürchtet. Sean musste vielleicht als offen schwuler Mann ständig darum kämpfen, sein Gesicht zu wahren, seine Ehre zu verteidigen. Wahrscheinlich konnte ich mir seinen täglichen Kampf nicht mal ansatzweise vorstellen.
Plötzlich tat Sean Valmont mir total leid. Ich fühlte mich erneut sehr schuldig für das, was damals in der Schule passiert war. Ich hatte nicht mal vermutet, dass er von dem Urteil anderer so abhängig war, dass es ihm so viel ausmachte, was man von ihm dachte. Vielleicht kann ich mir das nicht richtig vorstellen, überlegte ich, ich bin schließlich noch nie offen diskriminiert worden.
Spontan sank ich zu ihm hinunter auf die Erde und versuchte ihn aufzurichten. Ich fasste ihn an den Schultern und zog ihn zu mir hin. „Nein, Sean, hör mir zu! Ich werde immer Achtung vor dir haben!" versicherte ich ihm überdeutlich. Aber er stöhnte nur widerwillig, schluchzte laut und versuchte mir auszuweichen. Er wich meinem Blick hartnäckig aus. „Ich wollte das nicht... ich dachte, niemand wäre mehr hier...", jammerte er kläglich und schnappte nach Luft, „Ich wollte nicht..." „Sean, hör mir zu!" rief ich energisch, „Guck mich an!"
Ich schüttelte ihn und drehte ihn zu mir, bis er mich mit tränennassem Gesicht ansah. Seine Augen flatterten schon wieder nervös, aber ich hatte endlich seine Aufmerksamkeit. „Ich werde dich immer respektieren, Sean! Du bist der mutigste Mensch, den ich kenne, hörst du? Ich habe nie wieder in meinem Leben so einen Mut erlebt!" versuchte ich ihm klar zu machen.
Doch er schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin überhaupt nicht mutig!" „Du hast dich vor uns hingestellt und zugegeben, dass du schwul bist, Sean! Das war das Mutigste, was ich je erlebt habe!" erklärte ich ihm. Er schüttelte nochmal unwillig den Kopf. „Nein, das war einfach nur saublöd!" erwiderte er laut. Ich guckte ihn eindringlich an. „Das war nicht blöd, Sean, das war verdammt mutig! Das war eine echte Heldentat!" beharrte ich ernsthaft.
Er wurde ruhiger und musterte mich irritiert. Er war so verwundert über meine Anteilnahme, dass er sogar das Weinen vergaß. Ich lächelte ihn tröstend an. „Du warst der Einzige, der sich getraut hat, es zuzugeben, Sean. Was meinst du, wie viele Schwule und Lesben es noch auf unserer Schule gab, die sich eher die Zunge abgebissen hätten, als offen dazu zu stehen! Keiner von denen war so mutig wie du!"
Eine Weile fixierten wir uns intensiv. Es erleichterte mich ziemlich, dass Seans Miene sich endlich ein bisschen aufhellte. Der Gedanke an die heimlichen Homosexuellen an unserer alten Schule schien ihm zu gefallen. „Es ist nicht unbedingt einfacher, wenn man es verheimlicht", erklärte Sean mir ruhig. „Aber es ist doch auf jeden Fall total unehrlich und ziemlich feige!" machte ich ihm klar.
Er saß nun dicht vor mir und sah mich an, sichtbar erstaunt über meine Worte, dankbar über meinen Versuch, ihn zu trösten. Zum ersten Mal war sein Blick ohne Scham und Verlegenheit, sondern mit aufkommendem Interesse, was mich wirklich erleichterte. Endlich hört er auf zu heulen, dachte ich zufrieden, endlich kriegt er sich wieder ein!
Sean lächelte jetzt verhalten, wandte sich ab und wischte sich über die nassen Augen. „Es tut mir leid, dass ich gekotzt habe, Charlie", sagte er kleinlaut, ohne mich dabei anzusehen. „Dieses Zeug schmeckt so verdammt bitter", versuchte er eine Erklärung. „Dann musst du es eben nicht nehmen!" erwiderte ich vorwurfsvoll. Sean nickte und guckte mich wieder an. Trotz seinem verheulten Gesicht war er immer noch einnehmend hübsch, fiel mir plötzlich auf.
„Du hast recht, Charlotte", stimmte er mir leise zu, „Ich sollte es einfach nicht nehmen." Er schloss die Augen und schwankte ein wenig, bestimmt von der Wirkung des Heroins. Ich stand auf, und er öffnete die Augen langsam. „Willst du vielleicht jetzt etwas trinken?" fragte ich ihn ein bisschen genervt, weil er plötzlich wieder einzuschlafen drohte. Sean nickte und guckte mich dankbar an. „Ja, das wäre jetzt echt toll." „Was denn?" wollte ich wissen. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, ein wenig Abstand zu ihm zu gewinnen, mir ein bisschen Zeit zu verschaffen. Seine so offene Verzweiflung war mir näher gegangen, als mir lieb war. „Bitte bring mir eine Cola", lächelte Sean und versuchte langsam, mühsam aufzustehen.
Ich drehte mich herum und verließ die Garderobe. Ich ging durch das Theater zum Foyer, um die Getränke für uns aus dem Kühlschrank hinter der Theke zu holen. Nur die schwache Notbeleuchtung wies mir den Weg. Meine Gedanken überschlugen sich förmlich. Ich sollte jetzt nach Hause gehen, überlegte ich. Sean hat eingesehen, dass er keine Drogen mehr nehmen darf.
Aber dann dachte ich an seine Traurigkeit, seine umfassende Verzweiflung. Und ich fühlte mich schon wieder schuldig. Nicht nur für das, was damals in der Schule mit ihm geschehen war. Ich bekam aus einem unbekannten Grund das dringende Bedürfnis, meine tief empfundene Schuld an Sean Valmont auf irgendeine Art wieder gut zu machen.
Sean
Ich hätte es wissen müssen. Mir hätte klar sein sollen, dass ich mich auf einer Abwärtsspirale befand, und dass, einmal der Verzweiflung nachgegeben, es kein Halten mehr für mich gab. Was auch immer ich tun würde, es konnte nur noch schlimmer werden.
Den Rest der shore zu nehmen war eine nahe liegende Entscheidung, eine Fluchtmöglichkeit, die sich mir in dieser Situation nahezu aufdrängte. Clay war nicht mehr da, und deshalb war sowieso alles egal. Also nahm ich eben das verdammte Heroin, und zwar alles. Es mag vielleicht noch etwa ein Gramm gewesen sein. Aber noch während ich über der Ablage des Spiegels hing und das bittere Zeug heftig in mich hinein schniefte, bemerkte ich eine unerwartete Bewegung aus den Augenwinkeln.
Erschrocken fuhr ich herum, und dort stand plötzlich Charlotte Hynde und starrte mich entsetzt an. Die Frau war wie aus dem Nichts aufgetaucht, und ich war mindestens so entsetzt wie sie. Spontan dachte ich: Fuck, das kann doch jetzt echt nicht wahr sein! Wo zum Teufel kommt sie auf einmal her? Sie ist doch schon längst nach Hause gegangen! Was zur Hölle will sie überhaupt noch hier? Fuck, sie kriegt das alles total mit, und ich kann nichts mehr tun, um es vor ihr zu verbergen! Die Frau hat definitiv alles gesehen!
Als mir diese niederschmetternde Tatsache bewusst wurde, fühlte ich eine riesige Resignation in mir aufsteigen. Charlotte hatte genau gesehen, dass ich harte Drogen nahm, sie registrierte, dass ich geheult hatte und im Elend herum schwamm. Zu spät, dachte ich nur noch, jetzt ist sowieso schon alles viel zu spät! Es gibt keine Chance mehr, diese Katastrophe hier noch abzuwenden.
Im nächsten Moment fühlte ich auch schon überdeutlich, wie die Droge, die bitter meinen Hals hinab lief, unaufhaltsam mein Gehirn erreichte. Nichts konnte die Wirkung noch aufhalten. Fast im nächsten Augenblick war ich echt voll zugeknallt von der shore.
Es irritierte mich, dass mir das plötzliche Auftauchen von Charlotte trotzdem noch so viel ausmachte. Das Heroin bewirkte blöderweise diesmal nicht diese total erlösende Gleichgültigkeit, die ich so sehnsüchtig erwartet hatte. Stattdessen wollte ich im Boden versinken vor Scham. Ich war gerade so ein dummes, heulendes Wrack, und die Frau bekam alles mit. Ich schämte mich für meine Schwäche, den feigen Drogenkonsum und den daraus resultierenden, umfassenden Kontrollverlust.
Das Heroin war stärker als ich, und zwar verflucht viel stärker. Charlotte hatte mich in so einer elenden Verfassung noch nie gesehen, und ich wollte auch nicht, dass sie mich so sah, auf gar keinen Fall! Niemand sollte mich verdammt nochmal so sehen! Ich war davon ausgegangen, dass ich in der Garderobe allein war und den Rest der Nacht allein bleiben würde. Ich wollte verdammt nochmal allein sein und mich ausgiebig im Heroin und meinem Elend wälzen.
Deshalb konnte ich es kaum ertragen, als Charlie sich, anstatt einfach sofort und diskret wieder zu verschwinden, auch noch aufdringlich neben mich auf den Boden setzte. Warum tut sie das nur, dachte ich echt genervt, warum haut sich nicht einfach ab und lässt mich allein? Ich will sie jetzt nicht sehen, schon gar nicht so nah neben mir, verdammt! Shit! Fuck!
Ich war entsetzt und verwirrt und wusste nicht, wie ich die penetrante Frau dazu bringen konnte zu verschwinden, denn ich wollte sie nicht kränken oder vor den Kopf schlagen. Und außerdem war ich viel zu stoned für irgendwelche charmanten Aktivitäten. Womöglich war es mir auch irgendwie egal. Also ergab ich mich in mein Schicksal.
Wir saßen wohl eine lange Zeit so dort. Das Heroin knallte mich umfassend zu. Ich nickte halbwegs ein, und Charlotte sagte irgendwas zu mir. Sie quatschte anscheinend von unserer Schulzeit und meinem Coming-out, aber ich erinnere mich nicht mehr richtig daran.
Später kotzte ich in einen Eimer, und die Frau guckte mir auch dabei absolut indiskret zu. Sie war total lästig und wollte einfach nicht verschwinden. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, ich könnte ihren vorwurfsvollen Blick nicht länger ertragen. Obwohl die shore mein Gehirn behaglich vernebelte. Obwohl meine Gedanken eigentlich nur noch verschwommen und sanft waren. Obwohl sogar das heftige Kotzen mega angenehm war und die beruhigende Wirkung der shore noch zu verstärken schien.
Aber Charlotte Hynde war viel zu nah bei mir, dort in der Garderobe. Sie beobachtete mich die ganze Zeit viel zu neugierig. Sie war merkbar zu stark erschüttert von dem, was sie sah. Ich dachte deprimiert, jetzt ist es vorbei, jetzt wird sie dich endgültig in den Arsch treten. Aber ich wollte sie auf keinen Fall verlieren. Ich brauchte diese Frau doch so dringend für meine Performance. Psychotic Kühlschrank funktionierte wahrhaftig nicht ohne sie.
Später war ich wirklich überrascht, als Charlie sich irgendwie umgänglich zeigte. Damit hatte ich ehrlich nicht gerechnet. Sie versuchte sogar, mich zu trösten. Sie behauptete hartnäckig, dass ich mutig genug wäre, um mit allem fertig zu werden. Das glaubte ich ihr nur zu gern. Dieser Gedanke gefiel mir, auch wenn ich mich im Moment ganz anders fühlte.
Ich hatte einen verdammt bitteren Geschmack im Hals, und die shore wollte mich eigentlich nur noch weg nicken lassen. Ich wollte mich die ganze Zeit nur noch hinlegen. Mich hier auf den harten Boden in dieser Garderobe legen und die Augen schließen. Nur noch die mega geile Wirkung genießen und überhaupt nichts mehr denken. Aber Charlotte Hynde studierte mich immerzu. Sie war pausenlos so wach und aufmerksam, viel zu interessiert an meinem Elend. Die Frau erinnerte mich hartnäckig an eine dunkle Vergangenheit, an die ich echt nicht erinnert werden wollte. Schon gar nicht wollte ich mit ihr darüber reden.
Deshalb war ich auch total erleichtert, als sie irgendwann endlich ging, um uns etwas zu trinken zu holen. Mein Hals war ganz trocken und total bitter. Die einsetzende Stille tat mir gut. Als sie die Garderobe verließ, fühlte ich mich sofort wie befreit.
Ich stand schwankend auf und ging zum Waschbecken. Ich starrte mich eine Weile im Spiegel an. Mein Aussehen gefiel mir nicht, und bekam das immens starke Bedürfnis, den blöden Spiegel auf der Stelle mit einem gut platzierten Faustschlag kaputtzuschlagen.
Aber dann kriegte ich mich zum Glück wieder ein, drehte den Wasserhahn auf und wusch mein Gesicht. Gierig trank ich einige Schlucke Wasser, spuckte und spülte mir das Maul aus. Ich drehte mich träge herum und sah den vollgekotzten Eimer auf dem Boden stehen, der nicht besonders gut roch.
Genervt nahm ich ihn und torkelte den Gang entlang zu den Toiletten. Alles drehte sich irgendwie, ich hatte Mühe damit, mein Gleichgewicht zu wahren. Zum Glück hast du wenigstens heute noch nicht allzu viel gegessen, dachte ich einen Moment lang. Dann war es mir plötzlich völlig egal. Ich betrat die Herrentoilette und kippte den Inhalt des Eimers ins Klo. Danach pisste ich mühsam. Dann spülte ich den Eimer am Waschbecken mit Wasser aus. Ich wusch mir die Hände und schaute mich nochmal lange im Spiegel an.
Clay
Sie war zu neugierig, echt mega indiskret, stellte mir entschieden zu viele Fragen über zu viele unangenehme Themen. Sie redete unentwegt, erzählte mir aber fast nichts über sich selbst. Ich wollte unbedingt, dass sie damit aufhörte. Ich hatte keine Lust mehr auf Fragen, sehnte mich nach Ruhe und nach guten Gefühlen. Mein starkes Bedürfnis nach Nähe, nach ihrer Hand auf meinem Bauch, wurde erneut sehr drängend.
Und diese seltsame Frau fasste mich auch noch ständig an, sie streichelte wie zufällig meine Schulter und meine Hand, um sich im nächsten Moment wieder zurückzuziehen. Sie knuffte und schlug mich irgendwie in einem merkwürdigen Ringkampf, bei dem wir uns zwar nah kamen, aber irgendwie auch nicht. Sie fragte mich später nach meiner Familie, was ich wirklich absolut nicht ertragen konnte.
Um das Thema zu wechseln, nahm ich kurzentschlossen, hastig ihre Hand und presste sie verzweifelt gegen meinen Bauch. Ich hielt ihre Hand dort fest und signalisierte ihr mein Anliegen, dass ich genau dort berührt werden wollte. Aber sie verstand mich nicht und zog ihre angenehme, warme Hand energisch, beinahe wütend zurück. Ihr irrationales Verhalten verwirrte mich total. Einerseits wollte sie mich ständig anfassen, aber andererseits wollte sie mir nicht zu nahe kommen. Das konnte ich mir nicht erklären. Ich war konfus, wurde nicht schlau aus ihr, und ging deshalb irritiert in die Küche, um neuen Wein zu holen.
Ich holte eine neue Flasche von dem teuren Spätburgunder aus dem Weinkühler. Als ich zurück kam, stand sie an meinem Regal und hatte meine uralte Pornokiste geöffnet. Sie schaute sich tatsächlich schwule Pornotitel an, was mich ziemlich amüsierte und auch irgendwie noch mehr verwirrte. Diese Kiste hatte ich schon ewig nicht mehr geöffnet, weil es inzwischen unzählige und bessere Pornos aller Sparten im Internet zu sehen gab. Ich konnte ihr albernes Interesse daran nicht begreifen. Außerdem fühlte ich mich zugeknallt von der shore und war ein wenig beduselt von meinem guten Rotwein.
Jill war auf einmal merkbar aufgeregt und wollte unbedingt diesen Film mit mir zusammen anschauen, was ich sofort für eine extrem blöde Idee hielt. Ich konnte nicht abschätzen, wie sie darauf reagieren würde, was sie überhaupt mit diesem merkwürdigen Wunsch bezweckte. Aber mir war sofort klar, dass ich mich nicht würde zurückhalten können, wenn die Jungs auf dem Bildschirm erst mal richtig loslegten.
Ich warnte die Frau sogar davor, aber sie verstand auch diesmal gar nichts und bestand ziemlich arrogant darauf, den Scheiß Film einzulegen. Sie betonte wahrhaftig, Gast und damit König in meinem Haus zu sein. Ich wollte nicht unhöflich zu ihr sein. Also gehorchte ich ihr mit schwerem Herzen.
Vielleicht war es mir auch im Grunde scheißegal. Ich hatte sowieso längst keinen Plan mehr, was die Frau eigentlich von mir erwartete. Womöglich hoffte ich auch insgeheim, dass sich aus dem gemeinsamen Pornogucken doch noch mehr entwickeln könnte, dass der Film sie aufgeilen würde, und sie mich dann endlich richtig an sich heranließ. Erst einmal zwang ich mich aber nervös, ihr nicht zu nahe zu kommen, denn ich wollte sie nicht mit irgendwas erschrecken.
Dann saß ich am Rand der Couch, sie in der anderen Ecke, und wir schauten uns tatsächlich gemeinsam die geilen Fickjungs auf dem großen Bildschirm an. Es dauerte nicht mal eine Minute, bis ich ganz automatisch eine dicke Erektion bekam. Das hätte ich gar nicht verhindern können, und ich wollte es auch nicht verhindern. Es fühlte sich nämlich gut an.
Selbstverständlich versuchte ich mit der Zeit, mich irgendwie sachte zu befriedigen, aber nicht zu viel und nicht zu schnell. Einfach nur ein wenig. Das passierte ganz automatisch, gehörte für mich zum Porno dazu, und ich dachte nicht eine einzige Sekunde darüber nach. Es war mir im Grunde ziemlich egal, wie die Frau nun mit dem Film umging. Sie würde sich schon noch melden, falls sie irgendwas von mir wollte, dachte ich mir träge. Insgeheim hoffte ich wohl, dass sie sich auf eine sexy Art melden würde.
Aber dann reagierte sie völlig anders, als ich es mir je hätte vorstellen können. Mit so viel herabschauender Arroganz hatte ich wahrhaftig nicht gerechnet. Das war wie ein Schlag vor meinen zugeknallten Kopf. Jill fragte mich unvermittelt mit hässlicher Stimme, ob ich onanieren würde, dabei konnte man das, was ich verstohlen tat, wohl kaum so nennen. Die Frau war auf einmal voller Spott und Hohn, amüsierte sich merkbar gehässig auf meine Kosten, und das fand ich total zum Kotzen. Offenbar hatte sie mich mit ihrem blöden Wunsch, diesen verdammten alten Film zu gucken, in eine hinterhältige Falle gelockt!
Mit zusammengebissenen Zähnen erklärte ich ihr so ruhig wie möglich, wofür Pornos eigentlich gedreht wurden, aber Jill lachte mich nur aus mit ihren höhnisch funkelnden, schmalen Augen, mit ihrem spöttischen Grinsen in ihrem entschieden zu speckigen Gesicht. Ich fand es absolut unerträglich, als sie mich schließlich sogar eiskalt dazu aufforderte, vor ihren Augen zu wichsen. Angeblich interessierte sie das.
Normalerweise bin ich gern bereit dazu, denn viele Frauen mögen es sehr, mir dabei zuzusehen, wenn ich es mir selbst mache. Aber ich tue das mit Sicherheit nicht, wenn die Frau dabei kein bisschen erregt ist, wenn ich ihr ganz offensichtlich nur zur Belustigung, als lächerliches Studienobjekt dienen soll.
Jill war natürlich von dem Film überhaupt nicht aufgegeilt worden. Ich aber irgendwie schon, mein Schwanz drückte in meiner Jeans, sie lachte mich mit ihren dunklen, viel zu weit auseinander stehenden Augen aus, und deshalb konnte ich es schließlich in meinem Wohnzimmer nicht mehr aushalten. Ich konnte ihre undurchsichtige Verschlagenheit nicht länger ertragen. Instinktiv flüchtete ich vor der Frau ins Badezimmer und holte auf der Stelle den angefangenen zweieinhalb Gramm Beutel aus dem Schaltkasten des Whirlpools.
Dann saß ich auf dem Boden, guckte mir sehnsüchtig das Heroin an und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, alles auf einmal zu nehmen, jetzt, sofort. Es ärgerte mich, dass ich keine gun mehr hatte, mit der ich mir das Heroin hätte spritzen können. Ich zweifelte zugedröhnt daran, dass ich die gewünschte Wirkung, den totalen Blackout würde erzielen können, wenn ich es nur rauchte.
Aber dann verwarf ich meine Überlegungen wieder, denn ich hatte zum Rauchen ohnehin keine Alternative. Und diese Tatsache hat mir aller Wahrscheinlichkeit nach in dieser Situation das Leben gerettet, denn sonst wäre ich womöglich an einer Überdosis gestorben. Ich war ganz schön geil, dort, allein in meinem Badezimmer, aber ich hatte keine Lust, mir einen runter zu holen. Also fing ich einfach damit an, Chinesen zu rauchen, echt gierig und hastig, mit trockenem Maul und rauer Kehle.
Jill
Clay flüchtete vor mir in sein Badezimmer, weil ich ihn anscheinend zu stark gekränkt hatte. Ich konnte überhaupt nicht verstehen, womit ich ihn so verletzt haben konnte. Immerhin hatte er mich doch selbst gefragt, ob ich ihm bei seiner Selbstbefriedigung zusehen wollte. Bisher hatte er seine Sexualität doch sehr offen gezeigt, ganz ohne jede Peinlichkeit. Aber jetzt war er wohl aus irgendeinem Grund böse auf mich. Ich konnte mir das nicht erklären und dachte eine lange Zeit über meine Fehler nach, während ich mir den Pornofilm weiter ansah. Schließlich wurde es mir zu dumm, und ich schaltete den Blu-ray-Player und den Fernseher aus. Dann suchte ich die richtige Fernbedienung für den Verstärker und schaltete ihn ebenfalls ab. Ich war erleichtert, als das laute Gestöhne der Männer aus dem Film endlich verstummte.
Nachdem ich mir eine Weile Vorwürfe gemacht hatte, fing ich an zu überlegen, wie ich diese Nacht vielleicht doch noch retten konnte. Mir war klar, dass Clay Banton als Informationsquelle ausfallen würde, sobald er zu viel von seiner harten Droge konsumiert hatte. Und das war mit Sicherheit nur noch eine Frage der Zeit. Ich konnte mir denken, dass er in diesem Moment in seinem Badezimmer saß und Heroin nahm. Und selbst wenn er später noch ansprechbar war, würde er mir höchstwahrscheinlich keine Fragen mehr beantworten. Ich hatte ihn irgendwie verletzt und verärgert. Er vertraute mir jetzt bestimmt nicht mehr. Er ist genau wie ein kleines Kind, dachte ich verwundert, dieser Mann ist kinderleicht zu begeistern und zu beleidigen. Man muss bei ihm ständig auf der Hut sein, um keinen Fehler zu machen. Fieberhaft überlegte ich, was ich nun tun konnte.
Irgendwann fing ich einfach mit dem Nächstliegendsten an, indem ich mir Clays Wohnung vornahm. Ich ging herum und sah mir alles genau an. Besonders interessierten mich immer noch seine Regale mit den Büchern, CDs und Blu-rays.
Unter den Büchern fand ich sehr viele Fachbücher über Malerei, Grafik, Theater, Musik, Gitarren, Tanz und Computerkram, aber auch viele Romane und sogar Gedichtbände, was mich wirklich erstaunte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ein Mann wie Clay Banton die Klassiker der Weltliteratur auch gelesen hatte, die hier in seinem Regal standen. So wie ich ihn inzwischen einschätzte, konnte er mit Frauenromanen wie Stolz und Vorurteil oder Sturmhöhe doch überhaupt nichts anfangen!
Neugierig nahm ich einige Bände heraus und blätterte darin. Die Bücher wirkten gänzlich unbenutzt. Nein, er hatte sie mit Sicherheit nicht gelesen! Ich fand eine Widmung auf der ersten Seite von Gefährliche Liebschaften: „Zum 30. Geburtstag von Deiner Liz". Aha, Clay war also über 30 Jahre alt, obwohl dieser Geburtstag noch nicht lange her sein konnte, schätzte ich. Wer war diese Frau? Und warum schenkte sie ihm ausgerechnet dieses Buch? Ich beschloss, Clay bei nächster Gelegenheit danach zu fragen.
Meine Augen wanderten weiter über die unzähligen Regalreihen. Mit den Blu-rays konnte ich nicht allzu viel anfangen. Den Titelbildern nach zu urteilen waren es anscheinend überwiegend Horror- und Action-Filme. Die Musik auf den CDs war mir größtenteils unbekannt. Ein Independent-Fan, dachte ich, er steht schon mal nicht auf Mainstream. Und er hatte außer den buntgemischten Pornofilmen, die ich gut sortiert noch in mehreren Kisten fand, keine wirklichen Vorlieben, denn in seinen Regalen war beinahe alles vertreten. Sogar seine PC- und Konsolenspiele waren bunt gemischt. Neben brutalen Ego-Schootern standen dort bunte Jump And Runs.
Ich ging weiter herum und betrachtete seine teuren Elektrogeräte, die so gar nicht zu seinem Heroinkonsum zu passen schienen. Ich fragte mich wieder, womit er wohl wirklich so viel Geld verdiente, um sich diesen Luxus leisten zu können. War das denn möglich, dass er nur mit seiner Malerei dies alles bezahlen konnte, wie er behauptet hatte? Verdiente er im Theater so viel? Ich zweifelte daran.
Der gebogene, extrem riesige LCD-Fernseher war wirklich beeindruckend. Ich sah ihn mir einige Zeit genau an. Hier war überall gewissenhaft geputzt und Staub gewischt worden, fiel mir auf. Ob Clay seine Wohnung wohl selber so sauber hielt? Nein, ganz sicher bezahlte er jemanden dafür! Ich schaute mir noch seine wertvollen Gitarren an, danach verließ ich das Wohnzimmer und ging erwartungsvoll den dunklen Gang entlang zur Küche.
Ich schaltete das Licht ein und staunte eine lange Weile. Die große Küche war ebenfalls blitzsauber und glänzte in chrom, schwarz, grau und weiß. Allein dieser übergroße Kühlschrank mit LCD-Display und Eiswürfelspender kostet weit mehr als mein Monatsgehalt, staunte ich. Warum kauft er sich so eine wertvolle Küche, wenn er sie offenbar so gut wie nie benutzt, fragte ich mich sogleich. Warum dieser riesige Kühlschrank, wenn er fast leer steht?
Es gab nur einige Flaschen Cola, viel Whiskey, viel Wasser und einige Gemüse- und Fruchtsäfte, aber kaum andere Lebensmittel. Ich warf einen Blick in seine aufgeräumten Schränke und fand auch dort nur wenig Essbares. Clay legte keine Vorräte an, das stand fest. In seiner Tiefkühltruhe lagen einige Pizzen und gefrorene Fertiggerichte für die Mikrowelle. Kochen gehörte also nicht zu seinen Stärken.
Dafür nannte er aber einen gut gefüllten Weinkühler, eine teure Mikrowelle und eine extravagante Kaffeemaschine sein Eigen. Auf der Anrichte stand ein digitaler Anrufbeantworter, der grell rot blinkte. Clay hatte seine Nachrichten offenbar noch nicht abgehört. Und es waren dreiundzwanzig, wie ich verwundert an der blinkenden Zahl ablas. Neugierig stellte ich das Gerät auf Wiedergabe. Ungehaltene Stimmen forderten Clay auf, endlich mit seiner Arbeit fertig zu werden, Entwürfe abzuliefern und Termine einzuhalten. Es war zwölf mal dieselbe männliche Stimme, zunehmend verärgert und immer um Rückruf bittend. Einige weibliche Stimmen forderten eine baldige Vorlage von Entwürfen, Vorschlägen oder fertigen Zeichnungen.
Eindeutig ging es um Clays Arbeit, um Dinge, die er erledigen sollte und nicht tat. Anscheinend war er selbstständig und arbeitete für mehrere Arbeitgeber. Er wird seine Jobs verlieren, wenn er so weiter macht, dachte ich besorgt. Dieser Idiot hat seine wichtigen Nachrichten ja noch nicht einmal abgehört!
Ich schaltete das Licht in der Küche wieder aus und öffnete die Tür direkt daneben. Im Schein der Lampe erkannte ich sein Schlafzimmer. Das große Wasserbett war nicht gemacht, die aufgeräumten Schränke standen offen. Gegenüber dem Bett stand ein weiterer LCD-Fernseher. Auf seinem Nachttisch lag zugeklappt ein teures Notebook, ein Tablet und ein iPod in einem Gewirr aus Kabeln. Auf dem Teppichboden lagen Kleidungsstücke, Zeitschriften, leere Pizzaschachteln und Getränkeflaschen herum. In einer seiner Nachttischschubladen fand ich Papiertaschentücher und unzählige Kondompackungen aller Sorten. Offensichtlich benutzt dieser Mann sein Schlafzimmer viel öfter als seine Küche, stellte ich mit einem Grinsen fest, anscheinend hat Clay Banton ein ziemlich reges Sexualleben.
Ungeniert untersuchte ich seine weichen Bettlaken und fand tatsächlich eingetrocknetes Sperma. Eine Weile amüsierte es mich ziemlich, mir Clay beim Masturbieren in seinem Bett vorzustellen, bis dieses erotische Bild plötzlich, wie von alleine, damit anfing mich zu erregen. Schnell, irritiert schob ich diesen intimen Gedanken von mir weg. Ich guckte mich noch ein wenig im Schlafzimmer um, blätterte Musikzeitschriften, Kunstzeitschriften und diverse Erotikmagazine durch. Dann verließ ich das Zimmer und schaltete das Licht aus. Neugierig ging ich eine schmale Treppe hinauf.
Oben fand ich zu meiner Überraschung sein Arbeitszimmer. Durch riesige Fenster an der schrägen Decke konnte ich den dunklen Himmel, den Mond und die Sterne sehen. Einige Zeit ließ ich diese schöne Aussicht auf mich wirken.
Dann schaltete ich das Licht ein. Das Zimmer war tatsächlich ein richtiges Atelier mit großem Schreibtisch samt Computern und Multifunktionsgeräten. Es gab mehrere altmodische Staffeleien, aber auch digitale Zeichenbretter und viele Zeichenwerkzeuge. An der Wand lehnten mehrere Holzrahmen und leere Leinwände in allen Größen. Unzählige Papiere, Fachbücher, Farben, Pinsel und Stifte lagen auf dem Boden herum.
Wie überall in der Wohnung gab es auch hier viele selbst gemalte Bilder. Und auch hier waren die Wände voller Gemälde, die ich oft nicht zu entschlüsseln vermochte, die mich aber auf eine direkte Art ansprachen. Ich kramte eine Weile in seinen Entwürfen und fragte mich erstaunt, warum ein so dummer Charakter wie Clay Banton, der auch noch heroinabhängig war, so kreativ und begabt sein konnte.
Charlotte
Ich saß schon einige Zeit auf dem Sofa in der Garderobe und trank aus einer Flasche Seven Up, als Sean zurückkam. Ich war überrascht über sein Auftauchen, denn ich hatte schon damit gerechnet, dass er vielleicht nach Hause gegangen war. In seinem deprimierten und zugeknallten Zustand hätte es mich nicht gewundert, wenn er einfach gegangen wäre, ohne sich von mir zu verabschieden.
Aber er kam zurück aus Richtung der Toiletten. Er hatte sich das Gesicht gewaschen und sah nicht mehr so extrem verheult aus. Er stellte beschämt den ausgeleerten Eimer unter das Waschbecken und lächelte mich unsicher an. Ganz plötzlich freute ich mich, ihn zu sehen. Ich war irritiert darüber, wie sehr es mich freute, dass er noch nicht gegangen war.
„Hier, setz dich zu mir, Sean!" forderte ich ihn auf. Ich hielt ihm seine Flasche Cola hin, die ich für ihn geholt hatte, und klopfte mit der anderen Hand neben mich auf das Sofa. Sean bewegte sich langsam, beinahe zögernd auf mich zu, nahm die Flasche entgegen und betrachtete das Sofa, das seltsamerweise auf einer Hälfte ziemlich nass war. Schließlich setzte er sich neben mich auf die trockene Seite. „Danke, das ist echt toll", sagte er leise und trank gierig.
Dann saßen wir eine Weile schweigend dicht nebeneinander und ich überlegte fieberhaft, wie ich dieses Gespräch beginnen sollte. „Möchtest du mir sagen, was dich so deprimiert hat?" fragte ich ihn schließlich vorsichtig. Ich drehte mich zu ihm hin und beobachtete seine Reaktion. Er schloss abwehrend die Augen und rieb sich nervös über die Stirn und das Gesicht.
„Ich hatte das Gefühl...", fing er nach einer Weile leise an und brach dann wieder ab. Ich wartete und betrachtete ihn mit wachsender Rührung. Sean hatte offensichtlich Mühe damit, mir sein Herz auszuschütten. Er suchte erfolglos nach den richtigen Worten.
„War es wegen der missglückten Aufführung heute? Wegen diesem Angriff auf Clay?" half ich ihm nach einiger Zeit weiter. Er öffnete die Augen und guckte mich verwirrt an. Die schwarzen Pupillen in seinen hellblauen Augen waren winzig klein. „Ich weiß nicht... kann sein...", wich er unschlüssig aus und starrte hilflos auf den Boden. Er war vom Heroin so zugeknallt, dass er kaum seine Augen offen halten konnte.
Das passt doch gar nicht zu ihm, dachte ich verärgert. Sean Valmont ist überhaupt nicht der Typ für sinnlose Grübeleien. Er weiß doch sonst immer ganz genau, wo es lang geht. Es ärgerte mich plötzlich, dass dieser sonst so starke Mann sich einfach hängen ließ, und anscheinend den Grund dafür selbst nicht kannte.
„Mann, Sean, was ist denn schon passiert?!" fuhr ich ihn ungeduldig an, „Jemand hat Steine auf Clay geworfen, deshalb mussten wir die Vorstellung abbrechen. Ob an den Vorwürfen gegen Clay etwas dran ist, das werden wir schon noch herausfinden." Sean sah mich an, als wollte er widersprechen. Offenbar überraschte meine plötzliche Verärgerung ihn.
Aber bevor er etwas erwidern konnte, redete ich mir meine Wut einfach weiter aus dem Bauch. „Zufällig saß jemand von ArtHouse im Publikum, na gut. Aber der wird bestimmt nichts schreiben, bevor wir nicht am Montag mit ihm gesprochen haben. Worüber machst du dir also solche Sorgen? Du solltest dich stattdessen lieber freuen, dass ArtHouse sich überhaupt für deine Performance interessiert..." „Weil Psychotic Kühlschrank ja eigentlich der totale Schrott ist!" vollendete Sean sarkastisch meinen Satz und zündete sich nervös eine Zigarette an. Herausfordernd betrachtete er mich, schwankend zwischen Kampfbereitschaft und Belustigung. „Seit wann bist du denn so dermaßen selbstmitleidig, Sean?" fragte ich ihn besorgt. Er wich meinem Blick aus und antwortete nicht. Seine Miene verdüsterte sich. Er rauchte tief, trank gierig Cola und stellte die Flasche dann neben sich auf den Boden. „Seit alles den Bach runter geht", flüsterte er schließlich hastig, ohne mich dabei anzusehen.
Ich fühlte einen eigenartigen Stich im Innern, weil in diesem Satz seine ganze Verzweiflung gebündelt schien. Ich musste mit seiner umfassenden Resignation erst einmal fertig werden. „Mensch, Sean...", sagte ich hilflos und streichelte ihm spontan tröstend über den Kopf, fuhr liebevoll durch seine kurzen blonden Haare, die ganz feucht waren. „So schlimm ist das doch nun wirklich nicht!" versuchte ich ihm verständnislos klar zu machen.
Er schloss die Augen nochmal und saß eine Weile ganz still. Irgendwie verlegen zog ich meine Hand an seinem Kopf wieder zurück. Sogleich öffnete er seine Augen. „Ich denke, dass wir nicht mehr lange zusammen spielen werden", eröffnete er mir traurig, „Ich denke, dass Psychotic Kühlschrank am Ende ist." „Warum denkst du das, Sean? Wir spielen es doch schon fast ein halbes Jahr! Das ist viel länger, als andere Stücke es schaffen. Du kriegst am Wochenende immer noch mindestens ein halbes Haus voll!" redete ich auf ihn ein.
Er lächelte über meinen Eifer. „Das stimmt nicht. Und ich kann für den Platz im Theater nicht mehr lange garantieren, Charlotte", erklärte er mir. „Ich kann dich nicht mehr lange beschäftigen", setzte er ganz leise hinzu. Beinahe ängstlich wartete er auf meine Reaktion. Plötzlich wurde mir klar, dass es genau das war, was er am meisten fürchtete. Das ich ihn gelangweilt verlassen und mit seiner Arbeit allein lassen würde. Als mir das bewusst wurde, war ich eine ganze Weile sehr gerührt. Ihm liegt tatsächlich viel an meiner Mitarbeit, dachte ich geschmeichelt.
Nur langsam dämmerte mir, dass Sean höchstwahrscheinlich schlicht niemand anderen finden würde, der für ihn Theater spielte. Er konnte einem professionellen Schauspieler einfach nichts bieten und bei Weitem nicht genug bezahlen. „Denkst du das wirklich Sean? Denkst du wirklich, ich würde einfach abhauen und euch im Stich lassen?" fragte ich ihn gekränkt, „Denkst du echt, dass ich sofort abhaue, wenn es mal schwierig wird?" „Würdest du das tun?" wollte er sogleich wissen und betrachtete mich so aufmerksam, wie sein betäubter Zustand es ihm ermöglichte.
Ich lächelte ihn an. „Nein, da kann ich dich beruhigen, Sean. Ich habe absolut nicht vor euch zu verlassen, hörst du? Dazu macht mir die Arbeit mit euch zu viel Spaß." Er atmete spontan erleichtert aus und erwiderte mein Lächeln äußerst charmant. „Ich möchte mal wissen, wie du eigentlich auf so was kommst?" erkundigte ich mich verständnislos bei ihm.
Eine ganze Weile lang sahen wir uns intensiv an, und plötzlich fiel mir auf, was für durchdringend hellblaue Augen Sean Valmont hatte. Und wie hübsch sie leuchten konnten. Und wie winzig die pechschwarzen Punkte in diesem fantastischen Blau waren. Verwirrt brach ich den Blickkontakt ab.
Sean rauchte tief und suchte mühsam nach den richtigen Worten. Es fiel ihm merkbar schwer, sich zu konzentrieren. „Du gehörst eigentlich nicht hier her, Charlie", erklärte er mir endlich träge, „Sieh dich doch mal um." Ich wusste nicht genau, was er damit meinte, und schaute mich verwundert um. Es war die abgerissene Garderobe eines mehr schlecht als recht geführten, privaten Theaters, die ich sah, schmutzig und dämmrig, verraucht und mit unzähligen alten Kippen auf dem staubigen Boden. „Was meinst du damit?" fragte ich Sean unsicher. Er lächelte. „Ich sehe dich eigentlich an einem großen Theater, weißt du? Das Stadttheater ist noch längst nicht dein Niveau, und das Off-Theater schon gar nicht. Du gehörst in ein richtig großes Haus, in ein richtig großes Stück! Du bist viel zu gut für dies hier, Charlie! Du solltest stattdessen lieber Shakespeare spielen!" „Oh, danke schön!" entfuhr es mir spontan.
Seine Worte schmeichelten mir sehr, und ich fragte mich sofort, ob Sean vielleicht gerade sarkastisch war, und ob er mich damit nur necken wollte. Aber sein bezauberndes Lächeln war ganz offen. Er schien aufrichtig zu sein und meinte sein Kompliment wohl tatsächlich ehrlich.
Als mir das klar wurde, wandte ich mich verlegen von ihm ab. „Ich bin bei Weitem nicht so gut...", versuchte ich abzuwiegeln. „Doch, das bist du!" beharrte er und griff plötzlich nach meinem Arm. Überrascht wandte ich mich ihm wieder zu. „Du musst unbedingt noch was Besseres finden, Charlotte. Wir werden Psychotic Kühlschrank bald nicht mehr spielen können. Du musst dich unbedingt noch woanders bewerben, als nur am Stadttheater zu bleiben. Ich will nicht, dass du wegen mir beim Off-Theater versauerst", bedrängte er mich unerwartet und hielt dabei meinen Arm fest.
Irritiert schaute ich ihn an. Seine Augen leuchteten immer noch hellblau. Ich lächelte unsicher. „Du willst mich wohl unbedingt loswerden", sagte ich nervös. Er ließ meinen Arm los und schüttelte energisch seinen Kopf. „Nein, das will ich ganz und gar nicht!" versicherte er mir heftig. Er rauchte nochmal tief und warf die Zigarette dann weg. Er nahm einen Schluck Cola. Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss seufzend die Augen.
Ich beobachtete ihn. Es wunderte mich, dass Sean sich anscheinend so viele Gedanken um mich machte. Es rührte mich, dass er meine Karriere über seine persönlichen Interessen zu stellen schien. Ich war geschmeichelt, dass er meine Arbeit so gut fand und mich in seinem Stück nicht verlieren wollte.
Ganz plötzlich war Sean Valmont mir irgendwie sehr nah. Diese Wandlung vollzog sich schlagartig, ohne dass wir uns bewegt hätten. Er saß noch immer neben mir, immer noch ein Stückchen entfernt. Er saß ganz ruhig dort, die Augen geschlossen, als wäre er schon eingeschlafen. Diese hässliche Droge wirkt unerbittlich, registrierte ich geringschätzig. Ob er nur deshalb so aufrichtig zu mir ist? fragte ich mich.
Ich studierte ihn genau, und abrupt hatte ich das Gefühl, bis tief in seine verwundete Seele schauen zu können. Einen Moment war ich nahezu überwältigt von dieser Erkenntnis. Sean Valmont war vollgepumpt mit Heroin, das war mir sehr wohl bewusst. Aber noch niemals hatte ich einen Mann so verletzlich erlebt. Noch nie hatte ein Mann sich mir so sensibel gezeigt wie Sean an diesem Abend, so besorgt um seine Umwelt.
Ich sah ihn an und brauchte eine Weile, um mit meiner unerwarteten Zuneigung zu ihm fertig zu werden. Klar, ich war früher in der Schule auch in ihn verliebt gewesen, so wie unzählige andere Mädchen ebenfalls. Aber in Wirklichkeit kannte ich ihn doch kaum, wurde mir bewusst. Ich hatte keine Ahnung, wie sehr wir ihn damals verwundet hatten, wie sensibel er auf alles reagierte. Er wirkte doch immer so stark, als könnte ihm de facto absolut nichts etwas anhaben.
Mein schlechtes Gewissen meldete sich wieder. Ich bekam das sehr dringende Bedürfnis, Sean helfen zu wollen. Ich wollte auf gar keinen Fall, dass er Heroin nahm, um seinen Schmerz zu betäuben. Ich wollte unbedingt herausfinden, woher sein Schmerz wirklich kam. Und ich hatte den dringenden Verdacht, dass seine offensichtlich unerwiderte Liebe zu Clay Banton nicht unschuldig an seinem Elend war.
„Wo hast du Clay kennengelernt?" fragte ich ihn kurzentschlossen in die Stille hinein. Die Heftigkeit, mit der er unvermittelt auf diesen Namen reagierte, schien meinen Verdacht sofort zu bestätigen. Sean war inzwischen halbwegs weggenickt. Er lag mit geschlossenen Augen ausgestreckt auf dem Sofa und atmete ganz ruhig. Das Heroin umnebelte ihn extrem. Bei meiner Frage zuckte er jedoch sichtbar zusammen. „Was?!" entfuhr es ihm, noch bevor er die Augen öffnete.
Im nächsten Moment drehte er sich hastig zu mir und starrte mich alarmiert an. „Was hast du gesagt?" Er schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen, als wollte er die starke Betäubung des Heroins irgendwie aus seinem Verstand kriegen.
Ich beobachtete ihn, erstaunt über seine unvermutet heftige Reaktion. Ich hatte sogleich das Gefühl, als hätte ich mit der Erwähnung des Namens an eine verborgene Geheimkammer geklopft. Sean war unwillkürlich auf der Hut vor mir. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass seine ungestüme Reaktion auf den Namen Clay mehr über ihn verraten hatte, als ihm lieb war. „Wo hast du Clay kennengelernt?" wiederholte ich meine Frage behutsam.
Eine lange Zeit musterten wir uns nur. Ich konnte Sean förmlich ansehen, wie es in seinem hübschen Kopf arbeitete. Er überlegte wohl fieberhaft, ob er sich mit mir auf dieses Thema einlassen wollte. Er brauchte einige Zeit, um zu entscheiden, ob er überhaupt dazu bereit war, mir zu antworten. „Wie kommst du denn jetzt darauf? Warum fragst du mich das?" versuchte er nervös, sich irgendwie Zeit zu verschaffen. „Es interessiert mich einfach", spielte ich die Frage herunter. Sean betrachtete mich lauernd. Ich lächelte ihn aufmunternd an. Komm schon, Sean, antworte mir, dachte ich, dein Zögern macht mich nur neugierig. Diese Frage ist doch nun wirklich total harmlos!
Aber Sean fand die Frage offensichtlich überhaupt nicht harmlos. Er wandte sich von mir ab und starrte unschlüssig auf den Fußboden. Nervös zündete er sich eine neue Zigarette an. Der unangenehme Qualm ging mir langsam auf die Nerven. Trotzdem betrachtete ich ihn geduldig, fasziniert von seinem so offensichtlichen inneren Kampf.
„Es interessiert dich einfach, wo ich...", flüsterte er fast nach einer Ewigkeit. Dann brach er wieder ab. Der Satz blieb unvollendet. „Was ist denn los? Ist es so ein Geheimnis, wo ihr euch kennengelernt habt?" redete ich schließlich betont munter auf ihn ein. Sean lächelte plötzlich. „Okay, ich erzähl es dir", traf er endlich seine Entscheidung, „Aber du wirst enttäuscht von mir sein." „Warum sollte ich enttäuscht von dir sein?" fragte ich ihn erstaunt. Sean zog an seiner Zigarette und betrachtete mich eine Weile abschätzend. Dann holte er tief Luft. „Nachdem, was du vorhin über mich gesagt hast, muss ich fürchten, dein naives Idealbild von mir zu zerstören", versuchte er zu erklären. Ich konnte ihm nicht folgen. „Was meinst du damit?" Er lächelte verlegen. „Du hast mich mutig genannt, Charlie. Du denkst doch, ich würde mit allem einfach so fertig werden, oder?" half er mir zögernd auf die Sprünge. Ich nickte entschieden. „Ja, da hast du recht, Sean, das ist meine Überzeugung." „Das ist aber gar nicht wahr, Charlotte. Ich kämpfe jeden Tag dafür, um nicht durchzudrehen."
Sean fixierte jetzt wieder den Fußboden. Es fiel ihm merkbar nicht leicht, sich mir zu öffnen. Sein Vertrauen zu mir schmeichelte mir ungemein, obwohl seine Worte mich innerlich schockierten. Gleichzeitig wurde ich neugierig auf seine Vergangenheit. Aber er zögerte jetzt abermals, starrte verunsichert auf den Boden und rauchte tief. „Ich werde dich nicht verurteilen, Sean. Ganz egal, was du mir erzählst", versicherte ich ihm behutsam und streichelte spontan, voller Zuneigung über seinen Kopf. Er lächelte mich vage amüsiert an.
Ich zog meinen Arm verlegen zurück. Hoffentlich wird das hier nicht noch schrecklicher, befürchtete ich insgeheim. Hoffentlich erzählt er mir jetzt nicht irgendwelche grausamen Erlebnisse. Sean setzte sich auf und wandte sich mir ganz zu. Er hatte endlich eine Entscheidung getroffen. „Okay, Charlie. Ich erzähle dir, wo ich Clay zum ersten Mal begegnet bin. Es war an der Kunsthochschule. Er spielte Gitarre für einen Studienplatz", sagte er geradeheraus. Er betrachtete mich so aufmerksam, wie das Heroin es ihm noch erlaubte. Er war sichtbar neugierig auf meine Reaktion.
Ich versuchte, mir meine große Erleichterung und gleichzeitige Überraschung nicht anmerken zu lassen. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. „Clay hat Musik studiert?" fragte ich erstaunt. Ich hatte nicht vermutet, dass Clay Banton überhaupt an der Universität gewesen war, sondern hatte ihn immer für einen halbwegs begabten Amateur gehalten, einen Autodidakten, der sich alles selbst beigebracht hatte.
Sean lächelte über meine Unwissenheit. „Er hat es jedenfalls versucht. Er hat auch angefangen Malerei zu studieren. Theater und Tanz kam später dazu, weil ich ihn darum gebeten habe. So trafen wir uns in vielen Kursen." „Ist das wahr?" Ich taxierte Sean ungläubig, denn ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Clay ein Allround-Student gewesen war. Das passte absolut nicht zu diesem Mann, so wie ich ihn kannte. Sean bemerkte meine Zweifel. „Clay hat sein Studium später abgebrochen", erklärte er mir, ohne mich aus den Augen zu lassen, und dieses Detail glaubte ich ihm sofort.
„Aber wir trafen uns weiterhin. Wir haben sehr oft zusammen Drogen genommen", erzählte Sean, der auf einmal gelassen war. Er betrachtete mich eingehend, als würde er den Grad meiner Empörung abschätzen. „Welche Drogen?" wollte ich wissen, sehr darum bemüht, meine eigenen Emotionen zu unterdrücken und ein gleichbleibend ruhiges Interesse zu zeigen. „Alle", sagte Sean knapp. „Heroin?" fragte ich ängstlich. „Mit Vorliebe", war seine kurze Antwort.
Er guckte mich weiterhin aufmerksam an. Vielleicht erwartete er eine abwehrende Reaktion von mir. Womöglich dachte er, ich würde mich entrüstet von ihm abwenden. Aber das wollte ich gar nicht. Ich war zwar erschüttert über seine Geschichte, aber auch über meine eigene Unwissenheit. Ich hatte nicht im Entferntesten geahnt, dass Sean Valmont so viel Erfahrung mit Drogen aller Art hatte. Ich wusste bisher auch nicht, dass Clay ebenfalls Heroin genommen hatte.
„Wie hast du dich dabei gefühlt?" fragte ich Sean neugierig. Als er registrierte, dass mich seine Geschichte nicht so stark schockierte wie erwartet, wandte Sean sich von mir ab. Er seufzte schwer. Dieses Thema und der damit verbundene Rückblick an seine erste Begegnung mit Clay Banton überwältigte ihn merkbar. Er brauchte eine Weile, um sich unter Kontrolle zu bekommen. Er hatte offenbar Schwierigkeiten damit, seine emotionalen Gedanken in Worte zu fassen. Ich beobachtete ihn mit wachsender Rührung darüber, wie stark seine Gefühle für Clay offensichtlich waren. Allein die Erinnerung an diese Zeit mit Clay brachte ihn zunehmend aus der Fassung.
Er saß hilflos neben mir, fixierte den Boden und rauchte nervös. Lange schaute ich ihn nur an. Er verlor sich sichtbar in seinen Gedanken. Die Scheiß Droge betäubte ihn wieder stark. Seine Augen fielen halbwegs zu.
„Hast du dich sofort in Clay verliebt?" fragte ich ihn nach einer Ewigkeit des Schweigens und rieb leicht über seinen Arm. Sean fuhr so heftig zu mir herum, dass ich ihn erschrocken anstarrte. „Wie könnte ich nicht!?" rief er aufgebracht, „Er ist ein verdammtes Genie auf der Gitarre!" Der Mann war plötzlich im Begriff aufzuspringen. Eine Weile taxierte er mich verwirrt.
Dann wurde ihm auf einmal seine unangebrachte Reaktion bewusst. „Tut mir leid, Charlotte", flüsterte er verunsichert und wich meinem erschrockenen Blick aus, „Ich wollte nicht..." „Schon gut", beschwichtigte ich ihn, obwohl die ungeheure Wucht seiner Gefühle mich nervös machte.
Sean warf seine Zigarette mit Wucht auf den Boden. Er stand auf und torkelte unruhig in der Garderobe hin und her. Ich beobachtete ihn erschrocken. Seine drastische Reaktion verunsicherte und überforderte mich. Ich hatte keine Ahnung, was eigentlich passiert war, was in Sean in diesem Moment vorging.
„Hör zu, ich..", fing er nach einiger Zeit plötzlich an, blieb stehen und guckte mich hilflos an, „Ich kann nicht..." Er hustete und schnappte nach Luft. „Ich möchte jetzt nicht mit dir über Clay reden!" eröffnete er mir schließlich ernsthaft. Abwartend stand er dort und blickte mich irgendwie gehetzt an. Er war jetzt auf jede Reaktion gefasst. Er rechnete mit meiner Wut oder meinem Unverständnis. Aber so fühlte ich gar nicht. Ich hatte plötzlich wieder Mitleid mit ihm. Denn jetzt wusste ich ganz genau, woher seine Traurigkeit wirklich kam. Ganz offensichtlich war Clay Banton der Grund seiner Depressionen und all seiner emotionalen Probleme.
Ich überlegte fieberhaft, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Ich wollte Sean auf keinen Fall noch mehr verletzen. Andererseits fand ich zu absoluter Offenheit keine Alternative. Was ich ihm sagen musste, ließ sich nicht in schöne Worte kleiden.
„Okay, Sean", sagte ich nach einer Weile, „Ist schon gut, du musst mir ja nichts sagen, was du nicht willst." „Ich kann das jetzt nicht, Charlie", flüsterte er kleinlaut. Er wirkte sehr verloren, wie er da vor mir in der Garderobe stand und mich ansah. Ich hatte den Eindruck, er kämpfte tatsächlich mit aufkommenden Tränen.
Ich stand spontan auf und ging auf ihn zu. Ich lächelte ihn aufmunternd an. „Sean", sagte ich tröstend. Dann schloss ich ihn ganz intuitiv in meine Arme. Zuerst zuckte er verwirrt und nervös vor mir zurück. Doch dann stand er ganz still und ließ sich von mir umarmen. Schließlich erwiderte er zögernd meine Umarmung. Und dann klammerte er sich plötzlich hilfesuchend an mir fest. Ich streichelte beruhigend über seinen Rücken und seinen Kopf. Wir hatten uns auf der Bühne schon oft umarmt, genau wie Psychotic Kühlschrank es uns vorschrieb. Aber dieser Moment war ganz anders. Er folgte keinem Textbuch und war deshalb voller echter Emotionen. Es gab auch keine Zuschauer, was mir überdeutlich bewusst war.
„Du musst unbedingt damit aufhören, so viel Gefühl in Clay zu investieren!" flüsterte ich beschwörend in Seans Ohr. Er brach sofort in ein verzweifeltes Lachen aus. „Was sagst du da?" kicherte er verwirrt. Seine hellblauen Augen blitzten feucht. Ich guckte ihn ernst an. Sein hübsches Gesicht war ganz dicht vor meinem. Ich war nahezu überwältigt von seiner Offenheit in diesem Moment. Er lieferte sich mir mit seiner Traurigkeit und Hilflosigkeit völlig aus. Er vertraute auf mein Mitgefühl und riskierte damit meinen Spott.
„Es ist nicht gut für dich, so viel von deiner Kraft an Clay zu verschwenden, hörst du? Du kannst deine starken Energien viel sinnvoller nutzen, Sean! Schreib eine neue Performance! Sie wird bestimmt noch viel besser als Psychotic Kühlschrank, glaube mir! Die Kritiker werden dich mit Lob überschütten!" versuchte ich ihn zu ermutigen. Er kicherte verlegen. „Du bist unglaublich, Charlie. Du denkst tatsächlich immer noch, ich wäre ein Held", stellte er erstaunt fest.
Dann wurde er ernst und betrachtete mich eine Weile nachdenklich. Ich nahm ihn nochmal in den Arm und drückte ihn an mich. Er war größer als ich und erwiderte meine Umarmung jetzt ganz vorsichtig. Er seufzte an meinem Ohr. Meine freundliche Berührung tat ihm gut und vermochte ihn tatsächlich zu trösten, wie ich erleichtert und gerührt feststellte.
Im nächsten Moment spürte ich irritiert, wie stark seine unmittelbare Nähe auf mich zu wirken begann. „Du hast Recht, Charlie", flüsterte Sean ganz leise an meinem Ohr, „Ich sollte nicht mehr jede Minute an Clay denken." „Das schaffst du ganz bestimmt, Sean", versicherte ich ihm. Ich zwang mich krampfhaft, mir meine Irritation, mein Entsetzen, meine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Ich hatte wirklich nicht vermutet, dass Sean jede Minute an Clay dachte!
Jill
Viel später hatte ich mich an Herrn Bantons riesiger Wohnung satt gesehen. Ich hatte neugierig alles genau studiert. All seine teils recht merkwürdigen Gemälde und Zeichnungen und seine verschiedenen Gitarren. Sogar seine Steuerunterlagen hatte ich durchgeblättert, die Kontoauszüge mit den unregelmäßigen, aber oft nicht geringen Buchungen. Es wunderte mich, dass Clay offenbar nicht besonders viel Geld gespart hatte. Ich schaute mir seinen teuren Technikkram an, die Computerspiele, CDs und Filme.
Vergeblich hatte ich nach so etwas wie einem Tagebuch gesucht. Seine PCs waren alle passwortgeschützt, aber Clay schien sich sowieso ausschließlich durch seine Malerei auszudrücken. Das Intimste von ihm waren wohl die Kondome, die vielen Pornos, Gemälde mit sexuellem Inhalt oder seine Bankunterlagen, vielleicht auch einige Werkverträge mit Musiklabels und Werbeagenturen, die ich fand.
Ich hatte seine Wohnung einschließlich aller Schränke so gründlich auf den Kopf gestellt, dass ich mir nun sicher war, all seine Sachen gesehen zu haben. Es gab hier absolut nichts mehr, was er vor mir verbarg. Einen Safe konnte ich nicht finden, auch hätte ich die Kombination zum Öffnen ja sowieso nicht gewusst.
Eine Weile stand ich im dunklen Flur und dachte darüber nach, was ich jetzt tun sollte. Ich überlegte schon, wie ich von hier aus nach Hause kommen konnte. Wir waren sehr weit außerhalb der Stadt, ich musste mir wohl ein Taxi rufen. Aber dann fiel mir plötzlich ein, dass ich Clays Badezimmer noch nicht gesehen hatte, in dem der Mann sich noch immer aufhielt. Jetzt reicht es aber langsam, mein Freund, dachte ich ungeduldig. Jetzt bist du schon eine halbe Ewigkeit da drin! Das ist total unhöflich von dir! Und so etwas passt doch gar nicht zu dir, wo du doch der perfekte Gentleman sein kannst! Ich ging davon aus, dass Clay Banton sich inzwischen wieder beruhigt hatte und nicht mehr böse auf mich war.
Neugierig ging ich auf die geschlossene Tür zu und lauschte. Drinnen konnte ich Clay leise husten hören. Er rauchte wohl tatsächlich immer noch sein blödes Heroin! Spontan verärgert darüber riss ich, ohne länger zu zögern oder vorher anzuklopfen, die Tür auf.
Das Zimmer war von einer kunstvoll geschwungenen Neonröhre am Spiegelschrank über dem Waschbecken hell erleuchtet. Ich stand in der Tür und ließ den Raum erst mal auf mich wirken. Einen Moment war ich von der unmittelbaren Schönheit dieses Badezimmers nahezu überwältigt. Es war anscheinend ganz aus Marmor, in hellgrün, grau und weiß. Ein wunderschöner Whirlpool, den man über zwei Stufen erreichen konnte, dominierte die Mitte des Raumes. Er schien blitzsauber zu sein, leuchtete förmlich. Die Armaturen glänzten tatsächlich golden.
Das einzige, was absolut nicht in die Ästhetik dieses Raumes passte, war Clay Banton. Er saß auf dem Boden, gegen die Stufen seines großen Pools gelehnt. Um ihn herum lagen seine sämtlichen Rauchutensilien: Alufolie, Feuerzeug, kleines Messer, Heroin in einem gefalteten Stück Papier. Er hatte ein zu einem Rohr zusammengerolltes Stück Papier im Mund, das er nun beschämt und irgendwie erschrocken herausnahm und neben sich ablegte. „Jill", stellte er nur mäßig überrascht fest. Ich merkte ihm seinen Zustand sofort an. Er war so betäubt, dass er kaum noch die Augen offen halten konnte. Offensichtlich hatte er die letzte halbe Stunde damit verbracht, ununterbrochen Heroin zu rauchen.
„Hallo Clay", sagte ich ziemlich genervt, ging schnurstracks zum Fenster und riss es weit auf, denn das Badezimmer war voller bitterem Qualm, der in meinen Augen brannte. Der Mann beobachtete mich träge. „Ich wollte wirklich nicht, dass du das siehst", informierte er mich leise und fing verlegen an, seine Utensilien zusammenzupacken und sie in einem Beutel zu verstauen.
Ich ließ mich dicht vor ihm auf den blitzblanken Boden sinken. Die Kacheln waren angenehm warm, offenbar verfügte er über eine Fußbodenheizung. „Dass ich was sehe?" fauchte ich ihn unfreundlich an. Er lächelte hilflos und wich meinem strengen Blick aus. „Na, dieses Elend hier", meinte er lahm, beugte sich zum Schaltkasten seines Whirlpools und legte den Beutel mit dem Heroin hinein. Dann griff er nach seinen Zigaretten und zündete sich eine an. Na toll, dachte ich verärgert, als wäre dieses schöne Zimmer nicht schon längst genug voll gequalmt!
Clays Bewegungen waren fahrig und langsam, als würde er jeden Moment einschlafen. „Warum tust du es dann?" wollte ich von ihm wissen. Er betrachtete mich eine Weile lächelnd. „Ich habe keine Ahnung", antwortete er schließlich ratlos. „Was für eine Scheiß Einstellung!" fuhr ich ihn an, „Du zerstörst dich also nur einfach so?!" Er hörte nicht auf zu lächeln, schüttelte den Kopf und schwieg. Seine Pupillen waren winzig, ich konnte sie in seinen dunklen Augen kaum ausmachen. Seufzend setzte ich mich neben ihn und lehnte mich gegen den Whirlpool. Ich achtete darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen. Er beobachtete mich reglos.
„Wer putzt eigentlich hier so gründlich und räumt deine Wohnung so gut auf?" fragte ich ihn geradeheraus. Er kicherte belustigt. „Hast du dir alles angesehen?" wollte er wissen, ohne darüber verärgert zu sein. Überhaupt schien er seine Wut auf mich inzwischen tatsächlich vergessen zu haben, was mich insgeheim erleichterte. „Beantworte bitte einfach meine Frage!" erwiderte ich ungehalten.
Sein betäubter Zustand ging mir auf die Nerven. Der Qualm im Zimmer roch unangenehm und brannte in meinen Augen. Nur langsam kam durch das offene Fenster frische, kühle Nachtluft herein. „Wer putzt hier für dich, Clay?" wiederholte ich lauthals. Er grinste. „Wie kommst du denn darauf, dass ich das nicht selbst mache? Weil ich so ein großer Künstler bin?" rief er amüsiert und lachte. „Du bist höchstens ein kaputter Junkie!" erwiderte ich spontan abfällig, was mir gleich darauf auch schon leid tat, denn Clay war offensichtlich verletzt. Sein Lachen starb auf der Stelle. Er wandte sich von mir ab, zog an seiner Zigarette und schwieg. „Tut mir leid", versicherte ich ihm. Er schüttelte den Kopf. „Nein, das ist schon okay. Du hast ja wohl irgendwie recht." Er rauchte schweigend und hustend.
Dann stand er plötzlich mühsam auf und wankte zum Waschbecken. Er warf seine Zigarette hinein und drehte den Wasserhahn auf. Gierig trank er Wasser in großen Schlucken, wusch sich das Gesicht und den Mund aus. Dann drehte er den Hahn wieder zu und wandte sich zu mir um. Unschlüssig abwartend stand er gegen das Waschbecken gelehnt und betrachtete mich ratlos.
„Tut mir leid, dass du so lange warten musstest", sagte er leise. Ich lächelte gerührt. „Komm her, Clay!" forderte ich ihn auf und deutete einladend neben mich auf den Boden. „Ich wollte nicht, dass es so läuft", bedauerte er hilflos. „Komm einfach her!" wiederholte ich versöhnlich. Er zögerte einen Moment, dann lächelte er wieder und bewegte sich mit unsicheren Schritten in meine Richtung.
Langsam ließ er sich neben mir auf den Boden sinken und guckte mich erwartungsvoll an. „Was hast du denn gedacht, wie es läuft?" fragte ich ihn neugierig. Er überlegte sehr lange, was ihm offensichtlich nicht leicht fiel. Sein Kopf war wohl entschieden zu zugedröhnt für schwerwiegende Gedanken. „Ich wollte einfach eine schöne Zeit", flüsterte er beinahe. „Mit dir", setzte er noch hinzu, ohne mich dabei anzusehen. Ich lachte ziemlich spöttisch auf. „Dann hättest du mich nicht mit zu deinem Dealer nehmen sollen, Clay!" zählte ich ihm laut vor, „Dann hättest du kein Heroin rauchen sollen, weißt du?! Und du solltest deine Pornofilme besser verstecken, glaube mir."
Clay wand sich unbehaglich unter meinen Worten. Schuldbewusst blickte er mich an. „Das war heute ein echter scheiß Tag für mich", informierte er mich schließlich. „Inwiefern?" hakte ich sofort nach, froh darüber, dass er anfing, mir etwas von sich zu erzählen. „Es wurden Steine auf mich geworfen!" erinnerte er mich vorwurfsvoll, „Ich bin geschlagen und beschimpft worden!" „Wer hat dich geschlagen?" fragte ich ihn erschrocken. „Hat Sean dich geschlagen?" wollte ich dann neugierig wissen. Aber Clay schüttelte abwehrend den Kopf und antwortete nicht. Ich war enttäuscht und genervt, dass er sich schon wieder innerlich vor mir zurückzog.
Eine lange Zeit saßen wir schweigend nebeneinander. Ich überlegte fieberhaft, was ich jetzt noch mit ihm anfangen konnte, wie ich dieser angebrochenen Nacht doch noch etwas Sinnvolles entlocken konnte. Schließlich startete ich einen neuen Versuch.
„Wer ist Liz?" fragte ich ihn und beobachtete genau seine Reaktion. Seine Augen weiteten sich erstaunt. „Warum fragst du mich das?" erkundigte er sich irritiert. „Liz hat dein Buch signiert, das sie dir zum 30. Geburtstag geschenkt hat: Gefährliche Liebschaften", erklärte ich ihm, worauf er anfing zu lachen. „Hast du etwa alle meine Bücher aufgeschlagen und gelesen?" kicherte er kopfschüttelnd. „Nicht alle", knurrte ich und wiederholte: „Wer ist sie?" Clay schloss die Augen und murmelte: „Liz hat mir viele Bücher geschenkt. Sie steht auf Bücher." „Und du nicht?" Er schüttelte den Kopf. „Nicht übermäßig." „Also hast du all diese wundervollen Bücher in deinen Regalen gar nicht gelesen?!" fragte ich ihn, aber es war mehr eine Feststellung, und sie hörte sich viel zu vorwurfsvoll an. Clay merkte das, öffnete die Augen und betrachtete mich nachdenklich. Mein Vorwurf gefiel ihm nicht, und eigentlich war er auch gar nicht angebracht, musste ich insgeheim zugeben.
„Wer ist diese Liz?" wiederholte ich eindringlich, bevor eine peinliche Stille entstehen konnte. Aber Clay war verärgert über meine Hartnäckigkeit, meine Überheblichkeit, seine Augen verengten sich. „Sie ist meine Sexpartnerin!" zischte er mir förmlich entgegen, als wollte er mich damit provozieren, und wandte sich trotzig von mir ab. Irritiert stierte er auf den Boden. Ich beschloss, lieber nicht weiter nachzuhaken, obwohl mich seine Antwort interessierte, denn daraus ergaben sich unzählige neue Fragen. Aber nun musste ich erst einmal aufs Neue aufpassen, dass Clay sich nicht endgültig wütend von mir abwandte.
Eine Weile war es still, während ich ihm Zeit ließ, sich zu beruhigen. Er wurde auch ruhiger, die Droge wirkte merkbar auf ihn. „Erzähl mir etwas von dir, Clay!" bat ich ihn schließlich eindringlich. Der Mann war inzwischen nahezu eingeschlafen. Mühsam öffnete er seine Augen und betrachtete mich vage amüsiert. „Was willst du denn wissen, Jill?" Seine Stimme klang resigniert.
Ich seufzte und holte Luft. „Wie und wo bist du aufgewachsen, und was hast du erlebt? In welchen Schulen warst du? Wer sind deine Eltern? Wo hast du so gut Gitarre spielen und Zeichnen gelernt? Irgendwas!" drängte ich ihn ungeduldig. Er fing an zu lachen, bis er an meinem Blick merkte, dass ich es ernst meinte. Daraufhin blickte er mich abschätzend an. „Das sind zu viele Fragen auf einmal", bemerkte er verwirrt. „Wo und wie bist du aufgewachsen? Auf Island?" wollte ich spontan von ihm wissen. „Erzähl mir von Island!" forderte ich ihn neugierig auf. Aber er reagierte zu meiner Verwunderung darauf mit einem ziemlich genervten Stöhnen. „Nein... darüber rede ich jetzt nicht!" meinte er anklagend. „Das ist doch schon ewig her!" rief er verärgert.
Seine ablehnende Reaktion machte mich instinktiv neugierig. Da stimmt doch irgendwas nicht, vermutete ich, er hatte offenbar keine sehr angenehme Kindheit. „Es war nur eine Frage, Clay!" beruhigte ich ihn lächelnd. Er fasste sich wieder und wandte sich stöhnend von mir ab, als ihm klar wurde, wie aufschlussreich seine laute Reaktion für mich gewesen war. „War deine Kindheit auf Island nicht schön?" erkundigte ich mich vorsichtig. Er schüttelte sofort abwehrend den Kopf und antwortete nicht. Überaus nervös zündete er sich noch eine Zigarette an. Er rauchte tief, ohne mich anzusehen.
Eine ganze Weile war es wieder still. Ich beobachtete ihn von der Seite. Mein großes Interesse an ihm war ungebrochen. Es steigerte sich nur mit seinem Versuch, meinen Fragen auszuweichen. Aber Clay Banton war leider extrem betäubt und drohte einzuschlafen. Es war deshalb nicht wirklich ein Vergnügen, ihm Informationen entlocken zu wollen.
„Was ist mit Sean? Ist der schwul?" fragte ich Clay und beobachtete erwartungsvoll seine Reaktion. Clay schloss auf der Stelle hilflos die Augen und seufzte tief. Dann guckte er mich wieder an. „Ich bin nicht schwul, Jill. Das habe ich dir doch schon gesagt", ignorierte er meine Frage über Sean. Ich lächelte ihn an. „Aber ich habe dich nach Sean Valmont gefragt!" korrigierte ich ihn. Er seufzte nochmal und schloss abermals die Augen. „Ja, das hast du", gab er mir leise recht. „Jetzt sag schon! Ist dein Bühnenpartner schwul?" fragte ich überaus wissbegierig, denn mir war mal irgendwas darüber zu Ohren gekommen. Außerdem gab es in Psychotic Kühlschrank zweifellos auch eine schwule Geschichte.
„Das musst du ihn selbst fragen", antwortete Clay mit geschlossenen Augen. Ich stieß ihn leicht gegen die Schulter. „Du weißt das nicht von ihm? Obwohl er dein bester Freund ist und dein Leben gerettet hat?" erkundigte ich mich amüsiert und zweifelnd. Clay stöhnte jetzt laut, meine indiskreten Fragen gingen ihm offenbar auf den Geist. Er bewegte sich fahrig, unbehaglich, öffnete halbwegs die Augen und guckte mich träge an.
„Ich habe nicht gesagt, dass ich es nicht weiß. Ich rede nur nicht mit dir darüber. Das musst du ihn selbst fragen", wiederholte er abweisend. „Aber Sean Valmont ist doch gar nicht hier!" wandte ich belustigt ein. Dieses Spiel gefiel mir zunehmend. Clays überaus hilflose, abwehrende Art fachte meinen Ehrgeiz an, noch viel mehr von ihm zu erfahren. „Warum spielt das überhaupt eine Rolle, ob jemand schwul ist?" fauchte Clay plötzlich genervt und taxierte mich herausfordernd. Er wirkte jedoch so umfassend zugedröhnt, dass Nichts an ihm bedrohlich war. Ich lachte. „Nein, das spielt keine Rolle", beruhigte ich ihn. Ich hielt seinem Blick stand, bis er sich seufzend abwandte. Ich bin viel stärker als er, stellte ich befriedigt fest. Dieser Mann ist mir in keiner Weise gewachsen.
Danach war es nochmal eine lange Zeit still. Ich dachte darüber nach, ob ich mich nicht tatsächlich einmal mit diesem Sean Valmont unterhalten sollte. Bestimmt könnte er mir noch eine Menge über Clay verraten. Ursprünglich hatte ich ja sowieso viel lieber mit Sean sprechen wollen.
„Du bist nicht wirklich ein Fan von mir, was, Jill?!" stellte Clay plötzlich unvermittelt fest. Überrascht schaute ich ihn an. Seine Augen waren halb geschlossen, und doch spiegelte sich in ihnen seine Traurigkeit über diese Erkenntnis. Dass du das auch mal merkst, dachte ich geringschätzig.
„Warum sagst du das?" wollte ich stattdessen wissen. „Ich bekomme langsam den Eindruck, du fragst mich nur aus", sagte er ruhig und starrte auf seine Hände. Er zog die Knie heran und umschloss sie mit seinen Armen. „Ich frage dich nur, weil ich mich für dich interessiere, Clay! Ich bin sogar ein ganz großer Fan von dir!" versuchte ich seine Zweifel zu zerstreuen. Er legte seinen Kopf auf seine Knie und schloss wieder schützend die Augen. „Ich glaube nicht", seufzte er leise.
Verdammt, der zugedröhnte Mann pennt mir hier tatsächlich weg, stellte ich verärgert fest. Clay Banton schien nun wirklich einzuschlafen. Das starke Heroin tat seine Wirkung gewissenhaft. Ich starrte ihn fassungslos von der Seite an, und meine Wut auf ihn wuchs schnell. Am liebsten hätte ich ihm kaltes Wasser über den Kopf geschüttet, damit er wieder zu sich käme. Fieberhaft dachte ich darüber nach, was ich jetzt tun sollte. Wie um alles in der Welt konnte ich diese Nacht noch retten?
Clay
Die Frau verwandelte sich mit der Zeit immer mehr in eine Furie, eine Rachegöttin, die mich unentwegt piesackte. Ich war total zugeknallt und saß auf dem Fußboden meines Badezimmers. Ich hatte keine Gedanken mehr im Kopf, nur noch wohlige Wärme.
Aber Jill hockte dicht neben mir und drang pausenlos in mein Bewusstsein ein. Immer wieder stellte sie mir unnötige, unverschämte, indiskrete Fragen und zwang mich darüber nachzudenken. Ich war verärgert über ihre dreiste Unhöflichkeit, unaufgefordert in mein Bad zu platzen und mich massiv zu stören. Ich wollte viel lieber meine Ruhe haben. Ich wollte einfach weg nicken in diese warme, dunkle Zwischenwelt von Schlaf und Traum, sehnte mich immens nach dem umfassenden Frieden im Shoreland. In dieser Situation wäre ich wahrhaftig viel lieber allein gewesen.
Stattdessen dachte ich nur noch darüber nach, wie ich sie schnellstmöglich loswerden konnte. Ich bereute es, sie mit hierher genommen zu haben und konnte mir meine Beweggründe dafür überhaupt nicht mehr erklären. Ich wünschte mir sehnsüchtig, dass die Frau wenigstens ihre vorlaute Klappe hielt.
Aber die Furie fragte mich ausgerechnet nach Liz, nach Island und nach Sean, und das berührte mich blöderweise viel mehr, als mir lieb war. Diese Themen machten es mir verdammt schwer, einfach abzuschalten. Ich konnte mich nicht vor ihnen schützen, sie schlugen sofort, gnadenlos in Form von schmerzhaften Erinnerungen, grausam in meine Seele ein.
Die verfluchte Rachegöttin war außerdem total uninformiert, und das ließ mich daran zweifeln, dass sie wirklich ein Fan war, wie sie behauptet hatte. Sie fragte mich doch tatsächlich, ob Sean schwul wäre. Dabei war Sean Valmont doch schon seit Ewigkeiten offen schwul. Das war nun wahrhaftig kein Geheimnis mehr. Ich konnte ihre Dummheit und Dreistigkeit nicht fassen und dachte zwanghaft darüber nach, wie ich Jill wohl zum Schweigen bringen konnte. Ich zog es träge in Erwägung, eventuell mit ihr zu schlafen.
Eine Weile betrachtete ich die fremde Frau eingehend von der Seite. Sie ist tatsächlich nicht hübsch, registrierte ich, ihr Gesicht hat einen harten, strengen Zug, sie ist viel zu dick, und sie redet entschieden zu viel blödes Zeug.
Aber ich würde jetzt trotzdem gerne mit ihr schlafen, überlegte ich, schon allein deshalb, damit sie endlich still wäre. Ich konnte ihr Gequatsche und ihr Verhör nicht länger aushalten. Wenn ich mit ihr schlafe, wird sie unter Garantie verstummen und mich nur noch streicheln, stellte ich mir vor. Sie wird höchstens noch meinen Namen stöhnen. Dieser Gedanke gefiel mir. Vielleicht kann ich es doch noch irgendwie schaffen, sie gefügig zu machen, grübelte ich, extrem schwerfällig im Heroinrausch. Vielleicht musste ich einfach nur mehr von meinem Charme ins Spiel bringen. Meinem Charme konnten schließlich nur die wenigsten Frauen widerstehen, das wusste ich aus Erfahrung.
„Wo ist deine Jacke?" fragte Jill mich plötzlich aufgeregt, als wäre ihr soeben ein ausgezeichneter Gedanke gekommen. Noch ehe ich irgendwie darauf reagieren konnte, hatte sie meine Jacke schon auf dem Boden entdeckt, stand sofort auf und lief zu ihr hin. Ungeniert hob sie sie auf und durchwühlte meine Jackentaschen, bis sie mein Handy gefunden hatte.
„Was...?" versuchte ich verwirrt einzuwenden. „Hast du Seans Nummer?" wollte sie aufgeregt wissen. Mein Herz setzte etliche Schläge aus, und ich fühlte mich schlagartig nüchtern. Ich war so überrumpelt und geschockt, dass ich ihr nicht antworten konnte. „Selbstverständlich hast du die!" beantwortete sie ihre Frage im nächsten Moment selbst und fing frech damit an, auf meinem Handy herum zu tippen. Sie sucht im Speicher nach Seans Eintrag, bemerkte ich alarmiert, sie will tatsächlich Valmont anrufen!
Ich versuchte hastig, instinktiv entsetzt aufzustehen, aber alles drehte sich irgendwie, denn ich war ziemlich sediert. „Was hast du vor, Jill? Warum willst du Seans Nummer haben?" wollte ich überfordert von ihr wissen. Sie lächelte mich siegessicher an. „Vielleicht kann Herr Valmont mir noch mehr über dich verraten, Clay!" „Der weiß überhaupt nichts über mich!" behauptete ich verärgert. Sie lachte mich laut aus. „Das bezweifle ich aber stark, wo er doch dein bester Freund ist und dein Leben gerettet hat!"
Unvermindert zielstrebig suchte sie in meinem Handy nach der Nummer. Die Gewissheit, dass sie Sean anrufen würde, verursachte mir plötzlich Schwindel und Übelkeit. Ich fühlte mich auf einmal sehr angeschlagen, ihrer hartnäckigen Entschlossenheit nicht gewachsen. Es war ein großer Fehler, diese Furie mit hierher zu nehmen, merkte ich verzweifelt. Ich hätte sie einfach vor dem Theater stehen lassen sollen, verdammte Scheiße! Schon wieder hatte ich alles falsch gemacht.
Ich versuchte immer noch aufzustehen, starrte sie dabei an, und die Enttäuschung lähmte mich eine Weile. Dann wurde mein Ärger über meine eigene Blödheit stärker und entwickelte sich ungewollt zu einem richtigen Wutanfall. Mein Herz klopfte jetzt stark, ich atmete schwer. Entschlossen nahm ich all meine Kraft zusammen, um endlich aufzustehen.
„Warum tust du das, Jill?" wollte ich von ihr wissen, „Warum musst du auf einmal Sean anrufen?" Überrascht schaute sie von meinem Handy auf. „Warum bist du denn überhaupt dagegen?" fragte sie beiläufig. Sie betrachtete mich mitleidig lächelnd. Vielleicht wurde ihr klar, dass meine Beziehung zu Valmont irgendwie kompliziert war. Aber sie ließ sich nichts anmerken und tat so, als würde sie meine Wut nicht bemerken. Sie erwartete auch gar keine Antwort mehr von mir. „Was meinst du, wo Sean gerade ist, Clay? Können wir ihn überhaupt so spät noch stören?" erkundigte sie sich ungerührt und tippte auf meinem Handy herum.
Offenbar hatte sie seinen Eintrag endlich gefunden. Sie hatte tatsächlich drauf getippt und wartete nun seelenruhig auf die Verbindung. Dabei lächelte sie mich unentwegt erwartungsvoll an. Meine Panik steigerte sich gleichzeitig mit meiner Wut. „Leg sofort auf, Jill!" forderte ich sie drohend auf und ging einen Schritt auf sie zu. Ich taumelte blöderweise ein wenig. „Leg sofort auf, ich will nicht, dass du ihn anrufst!" betonte ich verärgert.
Sie lachte nur ziemlich amüsiert. Offensichtlich nahm sie mich überhaupt nicht ernst, und das ärgerte mich maßlos. „Warum willst du das nicht, Clay? Das ist doch eine tolle Idee! Sean ist doch dein bester Freund, das hast du mir doch erzählt!" Ihre schmalen Augen in ihrem dicken Gesicht blitzten herausfordernd.
Schlagartig hatte ich genug von ihr. Ich musste sie jetzt endlich in ihre Schranken weisen und machte zwei weitere Schritte auf sie zu. Ich hatte mir schon genug von ihr gefallen lassen und wollte ihr unbedingt sofort mein Handy wegnehmen. Auf gar keinen Fall wollte ich, dass sie Sean anrief. „Du wirst ihn nicht anrufen!" schrie ich sie wütend an und griff hastig nach meinem Telefon.
Aber Jill Bennet hatte etwas in ihrer anderen Hand, einen fremden Gegenstand, und sie drückte dieses schwarze Ding unerwartet fest in meinen Bauch. Augenblicklich hörte ich ein sehr lautes Klacken und spürte gleichzeitig einen extrem scharfen Schmerz, als meine sämtlichen Muskeln sich schlagartig hart verkrampften. Ich verlor vollends die Kontrolle über mich. Blitzartig wurde alles schwarz vor meinen Augen. Meine Beine knickten einfach unter mir weg. Ich verlor das Bewusstsein innerhalb von Sekunden.
Sean
Wir standen in dieser dreckigen Garderobe im Keller des Grenzland-Theaters. Sie war dicht bei mir, und ich klammerte mich förmlich an ihr fest. Es tat mir sehr gut, ihren weichen Körper zu spüren. Es war eine Wohltat, als sie zart meinen Kopf, meinen Hals und meinen Rücken streichelte. Auf diese intime Art hatte ich Charlotte noch nie gespürt. Bisher hatten wir uns ausschließlich auf der Bühne angefasst, weil Psychotic Kühlschrank es uns so vorschrieb. Aber dies hier war etwas völlig anderes, und es gefiel mir.
Ich versuchte krampfhaft, mich auf ihre angenehme Berührung zu konzentrieren und alle störenden Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Ich war ziemlich zugeknallt vom Heroin, und eigentlich hätte es mir deshalb nicht schwer fallen sollen. Aber es gelang mir dennoch nicht. Ich hielt mich an ihr fest, war dicht an ihren warmen Körper gelehnt. Sie streichelte mich, und ich dachte an Clay. Sie hatte irgendwas über ihn gesagt, und ich bekam den Gedanken an unsere erste Begegnung nicht mehr aus meinem Kopf.
Ich sah ihn wieder überdeutlich, sitzend auf einem Stuhl, ganz allein auf der Probebühne der Kunsthochschule, beim Vorspielen für einen Studienplatz. Ich war als interessierter, unbeteiligter Zuschauer dort, obwohl das eigentlich gar nicht erlaubt war.
Clay war ganz ruhig und überhaupt nicht nervös. Seine Gitarre lag auf seinen Oberschenkeln. Er spielte so intensiv Wish you were here von Pink Floyd, wie ich es noch nie vorher erlebt oder gehört hatte. Der Song hörte sich so perfekt an, so gehaltvoll, als würden mehrere Gitarren gleichzeitig gespielt. Seine wunderbare Stimme drang augenblicklich bis tief auf den Grund meiner Seele: How I wish, how I wish you were here. We're just two lost souls swiming in a fish bowl, year after year, running over the same old ground, what have we found, the same old fears, wish you were here.
Diese Textzeile schlug schlagartig bei mir ein, wie eine Bombe. Ich hatte keine Chance zur Gegenwehr, konnte ihn nur noch paralysiert anstarren. Er spielte dieses Lied ganz allein für mich! Er war eine verlorene Seele, und endlich hatte ich ihn gefunden!
Clay konnte mich von der Bühne aus sehen, und er bemerkte sofort, wie gebannt ich ihn fixierte. Ich erinnerte mich ganz genau an sein erstes Lächeln für mich. Es war amüsiert, verwundert, neugierig gewesen. Es strahlte bis tief in meine graue Seele und erhellte mich augenblicklich von Grund auf. Nur ein Lied, ein Blick, ein Lächeln. Mein Leben sollte nie wieder so sein, wie zuvor.
Und seit diesem gewichtigen Moment bekam ich Clay Banton nicht mehr aus meinem Kopf. Ich bekam diesen Mann nie aus meinem Kopf, realisierte ich zunehmend verärgert. „Charlie...", sagte ich leise in ihr Ohr. Sie zischte beruhigend und lächelte mich sanft an. Sie streichelte mein Gesicht. „Du brauchst jetzt nichts zu sagen, Sean", schlug sie mir vor.
Ich schloss die Augen und lehnte mich an ihre Schulter. Sie streichelte meinen Nacken, und ich versuchte erneut, mich ausschließlich darauf zu konzentrieren. Ihre Berührung gefiel mir ungemein, sie war wie eine warme Welle des Trosts. Ich sollte es mehr genießen, dachte ich verärgert, ich sollte endlich damit aufhören, pausenlos an diesen blöden Wichser zu denken.
Ich versuchte es ernsthaft, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Ich spürte Charlotte und wünschte mir die ganze Zeit, es wäre Clay, an den ich mich anlehnte. Obwohl die Frau ganz anders roch, kleiner war und sich gänzlich anders anfühlte, als er. Obwohl mir deshalb auch mit geschlossenen Augen vollkommen klar war, dass er es nicht sein konnte.
Mit aller Macht zwang ich mich nochmal, ihn endlich aus meinem Kopf zu verbannen. Jetzt ist Schluss damit, nahm ich mir verbissen vor, ab sofort werde ich keinen sinnlosen Gedanken mehr an ihn verschwenden. Charlie hat vollkommen Recht! Ich muss unbedingt eine neue Performance schreiben! Ich muss dringend aufhören mit diesem dummen, liebeskranken Mist! Clay weiß das doch überhaupt nicht zu würdigen! Er ist doch völlig unfähig für echte Gefühle!
Hilfesuchend klammerte ich mich noch fester an die Frau, als könnte sie mich von meinen eigenen Gedanken befreien. Sie spürte meine Bewegung, nahm mich freundlich auf und streichelte unvermindert sacht über meinen Rücken. „Schon gut, Sean", flüsterte sie sanft, „Es wird alles gut."
Sie ist unglaublich stark, dachte ich bewundernd, sie könnte mir helfen, mit diesem Scheiß aufzuhören. Sie könnte mich von meinen schmerzlichen Gefühlen befreien. Sie könnte mich vielleicht sogar von Clay Banton befreien. Diese Überlegung irritierte mich ungemein. Ich war völlig überrascht, als ich Tränen aus meinen Augen meine Wangen hinunterlaufen fühlte. Mein Hals schnürte sich zu. Ich atmete krampfhaft.
Gleichzeitig steigerte sich meine Wut über mein blödes, irgendwie tuntiges Verhalten. Über meine Unfähigkeit, den Gedanken an Clay Banton aus meinem Schädel zu verbannen, sogar wenn ich so viel Heroin intus hatte, wie jetzt. Das Heroin taugt nichts, dachte ich wütend, es hilft mir kein bisschen. Es ist alles meine eigene Schuld, hämmerte es in mir.
„Wein doch nicht mehr, Sean", flüsterte Charlotte an meinem Ohr, „Hör doch bitte auf zu weinen. Es wird alles gut, du wirst sehen." Sie war wirklich lieb zu mir. Aber es stürzten nur immer neue deprimierende Gedanken und Gefühle auf mich ein. Ich atmete tief ein und konnte sie nicht ansehen. Ich drückte sie verlegen an mich, beugte mich hinunter und legte meinen Kopf fest auf ihre Schulter. Du führst dich auf wie ein Vollidiot, warf ich mir erbost vor. Die Frau muss doch langsam jegliche Achtung vor dir verlieren, du heulende Schwuchtel. Jetzt reiß dich endlich mal zusammen, verdammt nochmal!
Ich zwang mich erbost, mit dem Heulen aufzuhören, was mir leider nur mäßig gelang. Ich versuchte verzweifelt, nicht mehr an Clay zu denken, an die dunkle, enge Toilettenkabine in der Kunsthochschule, wo ich ihn noch am selben Tag zum ersten Mal gekostet hatte.
Aber es war alles zwecklos. Ich spürte Charlotte und bildete mir ein, es wäre Clay. Und ich wurde darüber so wütend auf mich selbst, dass ich aufgebracht nach Luft schnappte. Charlotte wich zurück und sah mir besorgt ins Gesicht. Wahrscheinlich spürte sie meinen inneren Kampf irgendwie. „Was ist denn los, Sean?" fragte sie ehrlich interessiert. Ich guckte sie mit meinen verheulten Augen an, und ich schämte mich in diesem Moment zu Tode. Ich konnte es nicht ertragen, vor ihr wie ein Idiot dazustehen, wie eine blöde, extrem liebeskranke Tunte.
Es passierte ganz plötzlich, fast ungewollt, weil ich mir nicht anders zu helfen wusste. Ich drückte sie spontan wieder an mich und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund. In diesem Moment schien es mir die einzige Möglichkeit zu sein, ihrem besorgten, prüfenden Blick zu entkommen, und nicht völlig das Gesicht zu verlieren.
Ich nahm sie einfach in die Arme und küsste sie. Es war der verzweifelte, beinahe krankhaft manische Versuch, den Gedanken an Clay loszuwerden. Vielleicht übermannte mich auch nur die Erinnerung, erregte mich der Gedanke an meine erste sexuelle Begegnung mit Clay zu stark.
Charlotte reagierte ehrlich erstaunt, aber nicht abgeneigt. Sie erwiderte meinen Kuss beinahe sofort. Sie schmeckte nicht ungewohnt, hatten wir uns doch schon häufig während des Auftritts auf der Bühne geküsst. Trotzdem war diese Situation ganz anders. Ich spürte ihre vorsichtige, tastende Zunge in meinem Mund, schloss die Augen und wandte meine ganze Kraft darauf, mich auf diese intime Berührung zu konzentrieren.
Ich zwang mich dazu, meinen wirren Kopf endlich abzuschalten, und nach einiger Zeit funktionierte das sogar, was mich total erleichterte. Aber Charlotte küsste mich nun voller Leidenschaft, und gleichzeitig irgendwie zart und vorsichtig. Ich berührte ihre Wange, ihren Hals, ihren Rücken. Das fühlt sich wirklich gut an, merkte ich erregt.
Sie streichelte sacht meinen Nacken, was mir eine Gänsehaut verursachte. Ich seufzte und drückte sie gierig an mich. Ihr Körper fühlte sich gut an. Das soll jetzt nicht aufhören, dachte ich überwältigt, das ist wirklich verdammt gut. Diese Frau tat mir zweifellos richtig gut.
Im nächsten Augenblick fing plötzlich mein verdammtes Handy laut an zu klingeln. Es war in meiner Jackentasche, und die abrupte Melodie von Wagner erschreckte uns beide total. Wir fuhren unwillkürlich auseinander wie zwei Schulkinder, die man beim Küssen auf dem Schulhof ertappt hat.
Ich taumelte rückwärts und kramte hektisch nach meinem Handy, um den Ritt der Walküren abzustellen. Beschämt warf ich einen Blick zu Charlotte hin. Sie stand jetzt ein Stück von mir entfernt, sah ziemlich verwirrt aus, atmete tief und guckte mich nicht an. Mein Kuss hat sie echt umgehauen, merkte ich amüsiert, ich habe endlich doch noch Eindruck auf sie gemacht und mir Respekt verschafft. Diese Erkenntnis machte mich stolz und beruhigte mein Ego ein wenig.
Dennoch war ich ziemlich genervt von der lästigen, unerwarteten und lauten Störung durch das Handy. Ich warf einen schnellen Blick auf das Display und alles war schlagartig zunichte, was ich mir in den letzten paar Minuten so mühsam erarbeitet hatte.
Denn im Display stand Clays Name. Es war Clay, der mich mitten in der Nacht anrief. Clay Banton hatte mich mit seinem dreisten Anruf energisch von Charlotte Hynde getrennt, und damit unseren angenehmen Kuss, unsere beginnende Schmuserei abrupt beendet.
Dieser Mann ist wie ein Fluch, dachte ich überfordert, kaum vergesse ich ihn halbwegs, da hämmert er sich auch schon mit Gewalt zurück in mein Leben. Was will er denn jetzt bloß von mir, fragte ich mich im nächsten Moment nervös, warum um alles in der Welt ruft dieser Kerl mich um diese Zeit noch an?
Ich starrte reglos auf das Display und zögerte. Mein Herz klopfte hart. Ich war hin und her gerissen zwischen unbändiger Freude und maßlosem Widerwillen. Ich sollte einfach nicht dran gehen, überlegte ich fieberhaft. Ich möchte jetzt lieber mit der Frau schlafen, dachte ich konfus.
Hilfesuchend sah ich zu Charlotte hin, aber sie beachtete mich nicht. Sie hatte sichtbar immer noch mit den Nachwirkungen von unserem innigen Kuss zu kämpfen, was ich gerührt zur Kenntnis nahm. Sie ist echt süß, dachte ich voller Zuneigung. Und sie hat total Recht! Ich darf mich nicht mehr auf Clay einlassen, verdammt, redete ich mir ein. Dieser Mann blockiert mich total, er soll mich in Ruhe lassen! Clay Banton soll sich zum Teufel scheren!
Unschlüssig guckte ich nochmal zu Charlie hin. Sie schaute mich nun an, verwundert, weil ich nicht an mein Telefon ging. Die ersten Takte vom Ritt der Walküren begannen unablässig von vorn. Ich wünschte mir, dass Charlotte mir diese Entscheidung auf irgendeine Art abnahm. Aber sie stand nur sichtbar verwirrt dort, völlig überfordert, betrachtete mich hilflos und fragend.
Kurzentschlossen nahm ich per Tastendruck das Gespräch an, drehte mich hastig von ihr weg und hob das Handy wütend an mein Ohr. „Was?!" brüllte ich laut hinein. „Sean Valmont?" fragte eine weibliche Stimme.
Ich war augenblicklich wie erstarrt. Das war wie ein heftiger Schlag vor den Kopf. Mir wurde schwindelig, ich kippte mit der Schulter gegen die Wand. Mein Herz klopfte nervös. Ich war maßlos enttäuscht über diese fremde Stimme in meinem Telefon. Ich fühlte mich sofort von Clay verraten und verarscht.
Ich brauchte eine Weile, um mit dieser Enttäuschung fertig zu werden. Sie tat mir dermaßen weh, dass ich schon wieder anfing zu heulen. Meine Gedanken wirbelten automatisch in meinem Kopf herum. Warum hatte diese Scheiß Frau sein Handy? Warum ließ er irgendeine unbekannte Frau mit seinem Handy ausgerechnet mich anrufen? Wo zum Teufel trieb dieser Arsch sich schon wieder herum?
Rasende Eifersucht fachte in meinem Innern auf, ohne dass ich sie hätte verhindern oder auch nur kontrollieren können. „Ist dort Sean Valmont?" hörte ich nochmal die fremde Stimme in der Leitung. Ich atmete tief und schluckte meine Tränen verärgert hinunter. Ich wischte mir hastig über die Augen. „Was ist?!" brachte ich nach Luft ringend hervor, „Wer ist da?" „Hallo Sean!" flötete die Unbekannte erfreut, „Schön mit dir zu reden!" „Was soll das?" fragte ich sie verwirrt. Das ist jetzt langsam zu viel, dachte ich matt, ich kann das bald nicht mehr ertragen, diesen ganzen Scheiß! Verdammt, Clay, wo bist du? hämmerte unwillkürlich diese Frage in meinem Kopf und Herz herum, dachte ich automatisch die ganze Zeit schmerzhaft an Herrn Banton.
Gehetzt, beinahe mit einem schlechten Gewissen deswegen, warf ich Charlotte einen Blick zu. Sie kam nun langsam auf mich zu und schaute mich fragend an. Ich wollte auf keinen Fall wieder zusammenbrechen und nochmal vor Charlotte wie eine heulende, kotzende, schwache Schwuchtel dastehen. Wütend zwang ich mich, mich endlich zusammenzureißen.
„Wer ist da? Wo ist Clay?" verlangte ich lautstark zu wissen. Am anderen Ende der Leitung wurde leise gelacht. Meine Wut steigerte sich. Ich fühlte mich verarscht und zu angeschlagen für solche fiesen Spielchen. Ich wünschte mir inständig, dass das Heroin stärker wirken würde, mich unempfänglicher gemacht hätte für Angriffe dieser Art. Ich konnte nicht begreifen, warum die Menge shore, die ich genommen hatte, dafür offenbar nicht ausreichend gewesen war. Aber ich stand nur hilflos dort, wandte Charlie den Rücken zu, hielt mein Handy verkrampft an mein Ohr und drohte jeden Moment komplett durchzudrehen.
Die Sehnsucht nach Clay Banton hämmerte jetzt lautstark in meiner verletzten Seele. „Du kennst mich nicht, Sean. Mein Name ist Jill. Ich bin in Clays Wohnung", erklärte mir die fremde Frau freundlich. „Schön für dich!" entfuhr es mir gehässig. „Nein, warte, Sean, bitte leg nicht auf!" rief sie sofort eindringlich. Anscheinend hatte sie meine spontane Absicht erraten, was mich ziemlich irritierte. „Verarsch mich nicht!" drohte ich ihr lautstark, „Sag endlich, was du von mir willst!"
„Clay ist bewusstlos!" rief sie hastig durch das Telefon in mein Ohr. Ich war inzwischen schon dermaßen von der Rolle, dass mich diese Information zunächst kaum berührte. „Und?" erwiderte ich nur. Mein Herz hämmerte wieder hart. Ich brauchte eine Weile, bis dieser Satz richtig zu mir durchdrang. „Ich fürchte, er hat eine Überdosis!" erklärte die Frau mir, und jetzt klang sie richtig besorgt.
Ich ließ meinen Arm mit dem Handy sinken und lehnte mich gegen die Wand. Ich schloss die Augen und versuchte, in meinem wirren Kopf Ordnung zu schaffen, was mir aber nicht gelang, nicht mal annähernd.
„Wer ist das?" fragte Charlotte mich leise. Ich fuhr zu ihr herum. Sie stand jetzt dicht hinter mir und deutete auf das Handy. Ich starrte sie eine Weile erschrocken an. Dann drehte ich mich wieder von ihr weg und hob entschlossen meinen Arm. „Was geht mich das an?" schrie ich unfreundlich in den Hörer, „Warum rufst du mich wegen so einem Scheiß an?!"
Die Frau antwortete sofort, offensichtlich konnte ich sie nicht einschüchtern. „Du bist doch Clays bester Freund, Sean! Ich dachte, du würdest herkommen und nach ihm sehen! Clay rührt sich nicht mehr! Ich weiß nicht, was ich machen soll!" „Ruf einen Krankenwagen!" befahl ich ihr lautstark, „Bring ihn einfach ins Krankenhaus!" Fahr zur Hölle, Schlampe, dachte ich. „Das ist mir scheißegal!" behauptete ich. „Bitte komm doch her, Sean! Wir sind in seiner Wohnung! Bitte hilf ihm!" flehte diese verdammte Frau mich an. Ich atmete laut vor Panik, Wut und Verwirrung. „Bitte komm her, ich habe wirklich Angst um Clay!" behauptete die Unbekannte beschwörend.
Vor meinem inneren Auge sah ich plötzlich Clay auf dem Boden liegen, eine verfluchte Nadel im Arm, elendig verreckt an einer Scheiß Überdosis Heroin. Dieses grausame Bild war viel mehr, als ich ertragen konnte, es war definitiv schlimmer als alles, was ich sehen wollte. Meine Brust schnürte sich schmerzhaft zusammen. Ich rang nach Luft. Unwillkürlich liefen weitere Tränen aus meinen Augen, was ich aber kaum noch registrierte.
„Nein!" schrie ich ins Telefon. „Bitte komm doch!" beharrte sie unbeeindruckt, „Clay liegt bewusstlos auf dem Boden! Er hat wahrscheinlich eine Überdosis! Du musst ihm helfen, Sean, du bist doch sein bester Freund!" „Halt's Maul! Du kennst mich doch gar nicht!" erwiderte ich erbost. „Bitte, Sean, komm her, Clay braucht dich ganz dringend!" wiederholte sie immer wieder.
Ich bekam das Gefühl, diese grausame Stimme nicht länger ertragen zu können, und ich schrie ständig: „Nein! Ich komm nicht! Hol einen Arzt! Bring ihn ins Krankenhaus! Lass mich in Ruhe!" Sie bettelte: „Komm bitte her", und ich brüllte mehrmals: „Nein, verdammt!" und dann pfefferte ich intuitiv mein Handy wutentbrannt mit voller Wucht auf den Boden der Garderobe.
Mein Herz raste nahezu. Ich schnappte nervös und aufgebracht nach Luft und schlug mit der Faust heftig ein paar mal gegen die Wand. „Scheiße!" schrie ich hilflos, „Fuck! Fuck! Fuck!" Ich rannte panisch und verwirrt in der Garderobe herum. Meine Gedanken liefen Amok. Ich hatte wirklich nicht geglaubt, dass irgendetwas an diesem Abend noch schlimmer kommen könnte.
Charlotte
Sean Valmont küsste mich. Das geschah völlig überraschend für mich. Ich stand dort, allein mit ihm in der Garderobe. Ich umarmte ihn mitfühlend und dachte dabei, jetzt beruhigt er sich zum Glück langsam. Das wird aber auch Zeit! Endlich kann ich nach Hause gehen!
Aber dann fing Sean abermals an zu schluchzen, und ich versuchte entnervt, ihn irgendwie zu trösten. Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, als er aufs Neue anfing zu heulen. Der attraktive Mann atmete aufgewühlt und unruhig. Er klammerte sich hilfesuchend an mir fest.
Ich versuchte ihn anzusehen. Ich fragte mich, was um alles in der Welt mit ihm passiert war. In so einem desolaten Zustand hatte ich ihn noch nie erlebt. Warum war er so dermaßen von der Rolle? Was ließ ihn so umfassend verzweifeln? Wenn dies die Wirkung von Heroin war, dann war er wahrlich ein totaler Idiot, es zu nehmen. Er führte sich auf, wie ein völlig fremder Mensch. Ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Ich wollte inzwischen nur noch nach Hause, fühlte mich vom unlogischen Verhalten dieses Mannes überfordert. Es nervte mich zunehmend, dass er sich so haltlos gehen ließ. Ich versuchte ratlos, ihm in die Augen zu sehen. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, wollte ihn direkt ansehen und vielleicht dabei aufmunternd lächeln.
Aber im nächsten Augenblick küsste er mich plötzlich. Das passierte absolut unerwartet, so abrupt, dass ich überhaupt keine Chance hatte, ihm auszuweichen. Sein Mund traf den meinen schnell, aber ganz vorsichtig. Ich öffnete mich automatisch für ihn, ohne darüber nachdenken zu können. Seine vollen Lippen waren so unglaublich sanft. Er war so gut rasiert, dass kein Barthaar diesen Kuss störte. Seine Zunge tastete sich behutsam in meinen Mund, ganz ohne Forderungen. Gleich darauf umkreisten sich unsere Zungen auch schon leidenschaftlich. Er berührte meine Wange. Seine sanfte Zärtlichkeit war ein extrem erregendes, elektrisierendes Gefühl. Damit überrumpelte er mich vollends.
Von jedem anderen Mann hätte ich diese intime Form der Annäherung erwartet, aber niemals von Sean Valmont, und das nicht nur, weil er schwul war. Er küsste mich mit geschlossenen Augen, und einen kurzen Moment lang sträubte sich alles in mir. Was passiert hier eigentlich, dachte ich alarmiert, was um alles in der Welt tut er denn da nur?
Aber in der nächsten Sekunde war ich auch schon von seiner einnehmenden Sanftheit geschlagen. Ich erwiderte seinen Kuss automatisch. Meine Gedanken waren wie weggeblasen. Das kann doch nicht sein, dachte ich nur matt. Und es störte mich nicht einmal mehr, dass sein Atem nach Rauch schmeckte. Sean Valmont sah nicht nur absolut fantastisch aus, er fühlte sich auch extrem gut an. Und er konnte überwältigend gut küssen. Er berührte meine Wange. Eine Zeit lang war ich von ihm hypnotisiert und wollte nie mehr damit aufhören, ihn zu streicheln. Ich möchte gar nicht daran denken, wie weit wir in dieser Garderobe nach diesem Kuss noch gegangen wären. Meine Gegenwehr und sämtliche Bedenken waren jedenfalls weggeblasen.
Aber dann klingelte zum Glück plötzlich sein Handy total laut in seiner Lederjacke. Wir fuhren bei diesem unerwarteten Geräusch beide erschrocken auseinander, als hätten wir etwas Verbotenes getan, und ich erwachte augenblicklich aus meiner Hypnose. In mir entfachte sich auf der Stelle ein Sturm des hilflosen Zorns.
Verdammt, dachte ich sofort wütend, dieser verdammte, hinterhältige Schweinehund! Ich versuche ihn zu trösten, und er revanchiert sich mit dieser blöden, hinter letzten Macho-Tour. Wahrscheinlich hatte er mir all diesen traurigen Mist hier nur vorgespielt! Vielleicht war der Mann in Wahrheit noch nicht einmal schwul und wollte mich dreist verführen! War das etwa von Anfang an sein Ziel gewesen, seit ich ihn allein in dieser Garderobe gefunden hatte?
Diese seltsame Vermutung irritierte mich ziemlich. Konnte ich mich denn so sehr in jemandem täuschen? Konnte es sein, dass Sean Valmont in Wirklichkeit gar nicht schwul war? Spielte er etwa nur ein nie endendes Theaterstück für uns alle? Und war dies hier sein Meisterstück, sein vollkommenes Drama, ganz für mich allein?
Offenbar hatte dieser undurchsichtige, gutaussehende Mann sich seit unserer gemeinsamen Schulzeit tatsächlich sehr verändert. Oder hatte er auch schon damals in der Schule nur Theater gespielt? Vielleicht hatte er einfach nur behauptet, schwul zu sein, um sich noch interessanter zu machen, als er ohnehin schon gewesen war! Das wäre ja dann wohl voll nach hinten losgegangen!
Aber warum sollte er das überhaupt tun? Das wäre doch total hirnrissig! Er war der Star der Schule gewesen, er musste sich nicht noch interessanter machen! Und warum sollte er schon so lange offen schwul leben, wenn das gar nicht den Tatsachen entsprach? Was hätte das für einen Sinn? Und was war überhaupt mit seiner unerwiderten Liebe zu Clay Banton? War das etwa auch nur ein inszeniertes Drama von ihm? Hatte ich bloß noch nicht gemerkt, was für ein mieses, hinterhältiges Arschloch der perfekte Sean Valmont geworden war? Oder hatte er ganz einfach nur völlig den Verstand verloren?
Auf alle diese Fragen, die pausenlos auf mich einstürmten und mich immens verwirrten, fand ich keine Antwort. Aber ich fühlte mich instinktiv von Valmont auf gemeinste Art hintergangen und betrogen. Ich war mir auf einmal sicher, dass er diese ganze dramatische Szene hier sorgfältig vorbereitet und inszeniert hatte. Auch wenn ich womöglich nur zufällig sein Opfer geworden war, denn er hatte ja nicht wissen können, dass ich nochmal ins Theater zurückkam. Oder?
Verärgert und verletzt taxierte ich ihn. Er zögerte auffallend lange, an sein Handy zu gehen, und starrte nur reglos auf das Display. Der Mann wirkte wie eingefroren. Die laute Melodie seines Handys ging mir zunehmend auf den Geist. Es waren die ersten Takte vom Ritt der Walküren von Richard Wagner, die unentwegt von vorn begannen. So einen blöden Klingelton hat auch kein normaler Mensch, dachte ich geringschätzig, der muss wohl immer aus der Reihe tanzen!
Ich überlegte fieberhaft, was ich jetzt tun, wie ich ihm seine dreiste Hinterhältigkeit heimzahlen konnte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen von seiner gemeinen Schauspielerei. Ich dachte daran, jetzt sofort einfach abzuhauen und nie mehr zurückzukommen. Ja, das hätte er verdient, dachte ich erbost, ich lasse ihn einfach mit seiner scheiß Performance allein! Soll er doch sehen, wie er ohne mich fertig wird!
Und wegen des Heroins sollte ich ihn sofort bei der Polizei anzeigen! beschloss ich im nächsten Moment grimmig. Mit Genugtuung stellte ich mir vor, wie der fehlerlose Sean Valmont verhaftet und in Handschellen abgeführt werden würde. Bestimmt würden sie ihm eine saftige Strafe aufbrummen!
Aber das kann doch nicht sein, überlegte ich dann plötzlich unbehaglich. Ich kann mich unmöglich so sehr in diesem sensiblen Mann getäuscht haben. Er ist doch noch nie berechnend gewesen!
Verunsichert musterte ich ihn nochmal. Sein blöder Klingelton dröhnte lästig in der Stille. Sean warf mir einen hilflosen Blick zu. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis er endlich an sein Handy ging, für meinen Geschmack viel zu lange.
Schließlich beendete er kurzerhand den lauten Sound mit einem Tastendruck und drehte mir hastig den Rücken zu. Ich wusste nicht, mit wem er sprach, aber das Gespräch nahm einen höchst unerfreulichen Verlauf. Ich lauschte ihm verwundert. Offensichtlich wusste er gar nicht, wer eigentlich dran war. Er fragte nach Clay. Er sagte die Wörter Arzt und Krankenhaus. Er wurde schnell immer aufgebrachter und wütender. Haltlos taumelte er mit der Schulter gegen die Wand der Garderobe und schrie in sein Handy, man solle ihn in Ruhe lassen.
Was ist denn jetzt schon wieder los? fragte ich mich total entnervt. Ich war abermals drauf und dran, eilig die Garderobe zu verlassen und endlich nach Hause zu gehen. Es war inzwischen schon halb zwölf, wie mir ein Blick auf meine Uhr verriet. Ich war unglaublich wütend auf Sean und wollte ihn eigentlich liebend gerne seinem Schicksal überlassen.
Aber meine Neugier und Unruhe ließen mich dann doch zu ihm hingehen. Er drehte mir immer noch den Rücken zu. Ich fragte ihn, wer dran wäre. Er sagte nichts und drehte sich von mir weg. Der kurze Blick, den er mir vorher zuwarf, erschreckte mich zutiefst. Offenbar war etwas ziemlich Schlimmes passiert, mit dem Valmont nicht fertig wurde. Es musste etwas sein, dem Sean absolut nicht gewachsen war, denn urplötzlich brüllte er herum und pfefferte sein Handy mit Wucht auf den Boden der Garderobe. Er schrie: „Scheiße!" und schlug ungebändigt mit seiner Faust auf die Wand ein. Sein teures Handy brach durch den Aufprall auseinander. Der Akku schlitterte über den Boden.
Erschrocken flüchtete ich mich einige Schritte von ihm weg und fixierte ihn alarmiert. Er ist verrückt, hämmerte es ängstlich in meinem Kopf, Sean Valmont hat vollkommen den Verstand verloren! Ich sollte mich jetzt schnellstens in Sicherheit bringen! Dieser Mann ist unglaublich aggressiv! Er gehört in Polizeigewahrsam, der ist womöglich sogar gefährlich!
Aber im nächsten Moment rutschte Valmont schon an der Wand entlang auf den Boden und wurde wieder zu dem Häufchen Elend, als das ich ihn hier vorgefunden hatte. Er fing haltlos an zu weinen und vergrub seinen Kopf in seinen Armbeugen.
Eine Weile stand ich dort und beobachtete ihn misstrauisch. Ich fragte mich, ob Sean sein hinterhältiges Theaterstück jetzt fortführte. Ob er mir seine Verzweiflung weiter vorspielte, um mein Mitgefühl zu wecken, oder aus welchem Grund auch immer. Aber seine Traurigkeit schien auch diesmal echt zu sein, musste ich zugeben. Ich fragte mich, was das alles eigentlich für einen Sinn hatte. Entweder Sean Valmont war wirklich total durchgeknallt, oder seine Verzweiflung war echt und raubte ihm tatsächlich jede Kontrolle über sich.
Eine Weile überlegte ich, ob ich jetzt nicht endlich gehen sollte. Die Zeit dafür war zweifellos schon überreif. Es wäre schlauer von dir hier abzuhauen, mahnte ich mich, das hier ist entschieden zu durchgedreht für dich. Damit kannst du doch gar nichts anfangen.
Aber dann erinnerte ich mich mit einem Mal wieder an den alten Sean Valmont aus der Schule, und was wir ihm damals angetan hatten. Das war wirklich so passiert, und es war wahrhaft unfair und gemein gewesen.
Zögernd beschloss ich, dem traurigen Mann noch eine letzte Chance zu geben. Außerdem konnte ich eine gewisse Neugier auf dieses Telefonat nicht verleugnen. Aber ab sofort würde ich vor diesem verrückten Typ auf der Hut sein, schwor ich mir ernsthaft. Ich würde nicht zulassen, dass er sich mir nochmal näherte.
Vorsichtig ging ich auf ihn zu. Er saß auf dem Boden und versuchte jetzt krampfhaft sich zu beruhigen. Er zog die Nase hoch und schnappte nach Luft, wischte sich nervös über die Augen. „Wer war das?" fragte ich ihn lauernd und blieb vor ihm stehen. Abwartend sah ich auf ihn runter. „Niemand", antwortete er kläglich, ohne mich anzusehen.
Seine Verschlossenheit ärgerte mich. „Hör doch auf, Sean, du schmeißt doch nicht wegen Niemandem dein Handy auf den Boden!" tadelte ich ihn ungehalten und trat nach seinem Akku, der nochmal quer durch den Raum schlitterte.
Endlich guckte Sean mich an. Er lächelte gequält mit nassen Augen. Sein Gesicht war rot und verquollen, seine Nase lief, aber er war immer noch einnehmend hübsch, wie ich insgeheim feststellte. Seine schönen Augen leuchteten hellblau mit winzigen schwarzen Pupillen darin. „Es war nicht wichtig", versuchte er mir weiszumachen und fixierte erneut den Boden. „Es war gar nichts", flüsterte er, wie um es sich selbst einzureden.
In diesem Moment riss plötzlich mein Geduldsfaden entzwei. "Hör doch auf!" schrie ich aufgebracht und ließ mich spontan dicht vor ihm nieder. Ich packte ihn energisch an den Schultern. „Verdammt, Valmont, hör endlich auf mit diesem Scheiß Drama hier!" fauchte ich. Am liebsten hätte ich ihn geschlagen, starrte ihn aber nur wütend an. Er betrachtete mich verwundert. Ich ließ seine Schultern los. „Es ist so ätzend von dir, mir so ein mieses Theaterstück vorzuspielen, Valmont! Ich wollte dir wirklich helfen, weißt du?!" versuchte ich ihm gekränkt klar zu machen.
Dann stand ich auf und drehte mich aufgewühlt von ihm weg. Nein, zeig ihm keine Schwäche, mahnte ich mich, du darfst ihm nicht zeigen, wie verletzt du bist! Er ist nur ein gemeines, verrücktes Arschloch! Du musst gut aufpassen, dass er nicht wütend auf dich wird, womöglich schlägt er sonst auf dich ein, dachte ich ängstlich.
„Clay...", begann Sean hinter meinem Rücken und brach ab. Ich wartete neugierig auf eine Fortsetzung. Als keine kam, drehte ich mich zögernd zu ihm um. Er war aufgestanden und lehnte nun an der Wand, mühsam um Gleichgewicht ringend. Er war auf einmal ganz ruhig und beobachtete mich lauernd.
„Was ist mit Clay?" fragte ich schließlich ungeduldig. Sean schüttelte den Kopf und wankte zum Waschbecken. Er wandte mir den Rücken zu, drehte den Wasserhahn auf, beugte sich über das Becken und wusch sich das Gesicht. Er trank einige Schlucke Wasser. Dann stand er dort und starrte mich durch den Spiegel an. Sean Valmont schien auf einmal vollkommen leer zu sein, merkte ich erstaunt, er konnte noch nicht einmal mehr weinen. Ich hatte den Eindruck, als hätte er völlig den Sinn für die Realität verloren. Er wirkte komplett abwesend. Beinahe ungläubig taxierte er mich durch den Spiegel und rührte sich nicht.
Eine Weile war es ganz still im Raum. Ich erwiderte seinen Blick und fragte mich beunruhigt, was wohl jetzt wieder käme. Sein unvorhersehbares Verhalten war mir unheimlich. Aber dann beschloss ich spontan, mich nicht von diesem Spinner einschüchtern zu lassen. Ich machte einige Schritte auf ihn zu.
„Verdammt, jetzt rede schon, Valmont, sag mir, was mit Clay passiert ist!" forderte ich ihn unfreundlich laut auf. Was mache ich eigentlich noch hier, fragte ich mich zum wiederholten Mal. „Sean!" schrie ich ihn dann an, weil er immer noch nicht reagierte, „Sean, verdammt!"
Endlich kam ganz langsam wieder Leben in ihn. Als wäre er aus einem tiefen Traum aufgewacht, starrte er mich entsetzt durch den Spiegel an. "Clay... hat.. eine... Überdosis...", flüsterte er. Dann kotzte er völlig unerwartet in das Waschbecken.
Jill
Dieses Telefongespräch mit Sean Valmont verlief ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Clays angeblich bester Freund war zu meinem Erstaunen alles andere als besorgt. Er war absolut nicht daran interessiert, Clay zu helfen, und er machte mir das auch wiederholt brüllend klar. Mein schlauer Plan, ihn mit einer Story hierher zu lotsen, hatte offensichtlich nicht funktioniert. Sean legte einfach auf und war danach nicht mehr erreichbar. Die angebliche Überdosis seines besten Freundes war ihm vollkommen egal.
Ich warf Clays Handy wütend auf die harten Fliesen und sah zu dem Mann hin, der bewusstlos vor mir auf dem Boden seines wunderschönen Badezimmers lag. Er war, nachdem ich ihn kaum mit meinem Elektroschocker berührt hatte, zu meiner Überraschung tatsächlich auf der Stelle wehrlos in sich zusammengesunken und lag nun verdreht auf der Seite dort.
„Du hast ja echt schöne Freunde!" sagte ich vorwurfsvoll zu ihm. Natürlich hörte er mich nicht. Meine Waffe hatte ganze Arbeit geleistet. Unschlüssig guckte ich ihn an und ging dann neugierig auf ihn zu. Ich ließ mich dicht vor seinem Körper auf den Boden sinken. „Was machen wir denn jetzt?" fragte ich ihn laut. Seine Augen waren halb geöffnet, aber völlig ohne Leben. Ein dünnes Rinnsal Spucke und Blut lief aus seinem nur wenig geöffneten Mund. Offenbar hatte er sich während des Elektroschocks auf die Zunge gebissen.
Eine Weile betrachtete ich seinen reglosen Körper. Der Mann war ziemlich gut gebaut, sehr muskulös und schlank. Er hatte ein blaues Sweatshirt und enge, schwarze Markenjeans an. Er trug jetzt wieder seine schwarzen Schuhe.
Und die waren auch das Erste, was ich ihm auszog. Danach zog ich ihm die schwarzen Socken aus. Seine schmalen Füße waren sauber, mit frisch pedikürten, kurzen Fußnägeln, die Zehen schlank und ohne störende Haare. Ich betrachtete ihn wieder eine Weile. Irgendwie fand ich diese Situation auf einmal erregend. Ich konnte mit diesem Körper machen, was ich wollte, und er würde es nicht einmal merken. Es war nicht sehr wahrscheinlich, dass Clay Banton allzu bald wieder aufwachte. Ich hatte ihm nämlich eine ordentliche Dosis Elektrizität verpasst. Er war mein erstes Opfer gewesen, an dem ich den Schocker ausprobiert hatte, und die unmittelbare, heftige Wirkung meiner Waffe erstaunte mich.
„Warum wolltest du nicht, dass ich deinen besten Freund anrufe?" fragte ich ihn laut. Ich dachte einige Zeit darüber nach. Wie konnten zwei Menschen auf der Bühne so intensiv miteinander kämpfen, tanzen und Theater spielen, wenn sie sich ansonsten völlig gleichgültig waren?
Ich erinnerte mich an die Szenen von Psychotic Kühlschrank, die ich an diesem Abend gesehen hatte. Mir war an dieser experimentellen Performance sofort aufgefallen, dass zwischen Sean Valmont und Clay Banton die ganze Zeit ein flackerndes Feuer gebrannt hatte, eine helle, lodernde Flamme der Leidenschaft. Das war unübersehbar gewesen. Ich war mir sicher, dass jeder Zuschauer diese starken Emotionen gespürt hatte. Wie konnte es also sein, dass Sean auf diese aggressiv ablehnende Art reagierte, wenn man ihm von einer Überdosis seines Freundes berichtete? Wenn man ihn flehentlich um Hilfe für Clay bat?
„Warum bist du diesem Kerl so verdammt gleichgültig?" fragte ich Clay. Selbstverständlich reagierte er nicht. Ich packte ihn an Schulter und Hüfte und drehte ihn mühsam herum, bis er auf dem Rücken lag. Er atmete ruhig, sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Seine Arme lagen nun neben seinem Körper. Er hatte große, schmale Hände und lange Finger mit sorgfältig sehr kurz geschnittenen Nägeln.
Ich kroch dicht neben ihn und zog ihm das Sweatshirt hoch. Er trug kein Unterhemd, und ich betrachtete eine Weile seinen nackten Oberkörper. Er war ziemlich hellhäutig und überhaupt nicht behaart. Seine Rippen spannten bei jedem Atemzug die Haut. Clay hatte einige dunkle Blutergüsse an den Armen, der Seite und über der Brust, wie ich verwundert feststellte. Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass er und Sean nur so tun würden, als kämpften sie auf der Bühne miteinander. Nun, offensichtlich beherrschten sie diese Kunst nicht besonders gut, denn Clay hatte offenbar eine Menge Schläge abgekriegt. Aber hatte er mir nicht gesagt, er wäre geschlagen worden? Etwa während der Vorstellung? Ich fragte mich, wie er das wohl jeden Auftritt lang aushielt, wenn er ständig verprügelt wurde.
Ich legte meine Hand fest auf seine nackte Brust und konnte seinen Herzschlag spüren, der kräftig und gleichmäßig war. Dann legte ich meine Hand flach auf seinen Bauchnabel. Lange verharrte ich so. Sein Körper fühlte sich weich, warm und muskulös an. „Ist es das, was du so dringend wolltest?" redete ich mit ihm.
Ich ärgerte mich plötzlich, dass ich meine Hand so überzogen abweisend weggezogen hatte, als er sie einfach gegen seinen Bauch gepresst hatte. Offenbar hatte er diese harmlose Berührung von mir herbeigesehnt. Es ärgerte mich, dass ich so falsch reagiert hatte, als wir gemeinsam diesen Porno schauten. Der Film hatte ihn sexuell erregt, na und? Das war doch zu erwarten gewesen. Hatte er mich nicht sogar davor warnen wollen? Warum hatte mich das so peinlich berührt und so sehr amüsiert? Schließlich hatte ich es selbst herausgefordert.
Ich hatte damit sein Vertrauen in mich zerstört. Mein Verhalten hatte ihn dazu veranlasst, hierher in sein Badezimmer zu flüchten und noch viel mehr Heroin zu rauchen. Warum hatte er meine Hand gegen seinen Bauch gedrückt? Und was hatten seine intensiven Blicke zu bedeuten gehabt? Vielleicht hatte er gar keine sexuellen Hintergedanken, überlegte ich.
Aber im nächsten Moment schüttelte ich auch schon verächtlich schnaufend den Kopf. Selbstverständlich hatte dieser Mann genau diese Hintergedanken gehabt! Es gab einfach keinen Mann, der es nicht auf die eine oder andere Art darauf anlegte, eine Frau ins Bett zu kriegen. Und gerade Clay Banton, der doch alle Arten von Sex mochte, wie er selbst zugegeben hatte, war da ganz bestimmt keine Ausnahme. Zu viele seiner Zeichnungen waren bizarre sexuelle Fantasien. Seine bunte Pornosammlung war viel zu umfangreich. Nein, gerade dieser Mann beschäftigte sich eindeutig besonders oft und intensiv mit seiner Libido.
„Es erregt dich, nicht wahr, Clay?" fragte ich ihn herausfordernd und schob meine Hand an seinem Bauch hinunter, bis zum Bund seiner Jeans. Ich betrachtete ihn nochmal eine Weile. Sein Bauch war flach und muskulös. Die Muskeln zeichneten ein gleichmäßiges Muster.
Je länger ich ihn ansah, umso stärker registrierte ich meine eigene Erregung. Meine Neugier auf seinen Körper wuchs ganz unwillkürlich. Natürlich hatte ich ihn nackt auf der Bühne gesehen. Er präsentierte sich ja in jeder Vorstellung völlig unbekleidet dem Publikum. Aber dies hier war etwas anderes. Hier konnte ich ihn von nahem sehen, und ihn vor allem überall anfassen.
Verlegen, beinahe schuldbewusst, guckte ich in sein Gesicht. Aber dieser Mann war unverändert bewusstlos. Seine großen, grün-braun gesprenkelten Augen starrten leblos an die Decke. Zwischen seinen geschwungenen Brauen hatte er eine kleine Platzwunde, wo ihn wohl im Theater dieser Stein getroffen hatte. Er atmete ganz ruhig und bewegte sich nicht.
Ich betrachtete sein Gesicht eine Weile. Clay Banton war also über dreißig Jahre alt, aber bestimmt noch nicht sehr lange. Er war keine konventionelle Schönheit, sah aber auch nicht uninteressant aus. Sein Gesicht hatte etwas sehr weiches, beinahe weibliches. Seine großen, ein wenig mandelförmigen Augen mit den viel zu dichten, langen Wimpern. Die breite, gerade Nase. Die für einen Mann viel zu vollen, viel zu roten Lippen. Dazu das kleine Kinn, ganz ohne eine einzige Bartstoppel, und die kurzen, sehr dunkelblonden Haare, die inzwischen trocken waren.
„Mal sehen, ob du wirklich ein Mann bist, Herr Banton", flüsterte ich ihm aufgeregt zu und wandte mich neugierig wieder dem unteren Bereich seines Körpers zu. Langsam knöpfte ich seine Jeans auf. Er trug graue, sehr enge Boxershorts. Ich schob meine Hand in seine Jeans und konnte unter dem Stoff seinen weichen Penis fühlen. „Das wäre also geklärt", kicherte ich atemlos.
Mein Herz klopfte nun ganz automatisch härter. Diese Situation begann mir richtig zu gefallen. Er erregte mich. Ein willenloser Mann, mit dem ich nach Herzenslust herumspielen konnte. Hatte ich etwa schon immer von so etwas geträumt? Meine starken Gefühle erstaunten mich. Aber mit Clays unbestreitbar attraktivem Körper konnte ich in diesem Moment alles tun, was ich wollte. Er würde keinen Widerstand leisten und er konnte mich auch nicht anfassen.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie er wohl reagieren würde, wenn er jetzt aufwachte und merkte, dass meine Hand frech in seiner Jeans lag. Wahrscheinlich würde er nur erfreut grinsen und sagen: „Hey, Jill, das ist toll, warum holst du mir nicht gleich einen runter?"
„Es gefällt dir, nicht wahr?!" sagte ich zu ihm und schob meine Hand kurzentschlossen unter seine Unterhose. Sein Penis fühlte sich sehr warm und weich an. Ich zerrte seine Jeans und Boxershorts mühsam ein Stück herunter und betrachtete ihn genau. Er hatte eine Platzwunde am linken Hüftknochen. Auch dort hatte ihn ein Stein verletzt.
Sein Schamhaar war so dunkel wie die Haare auf seinem Kopf. Er hatte es, wohl für die Bühne, sorgfältig sehr kurz geschnitten und in gerader Form rasiert, was mich eine Weile ziemlich amüsierte. So viel intime Körperpflege passt aber absolut nicht zu einem Junkie, dachte ich spöttisch. Ich konnte nicht begreifen, warum dieser Mann, der seinen Körper einerseits offenbar hingebungsvoll pflegte, ihn andererseits mit harten Drogen gewissenlos kaputtmachte. Wenn er so weitermachte, dann würde er wohl nicht mehr lange so attraktiv sein.
Aber im Moment kannst du dich noch sehen lassen, Clay, das kann man dir wirklich nicht absprechen, dachte ich. Aufgeregt wandte ich mich seinem Intimbereich zu. Seine beiden Hoden waren in etwa gleich groß, sein gerader Penis höchstens mittelgroß. Es überraschte mich irgendwie, dass er beschnitten war. Ich fragte mich atemlos, ob er wohl trotz Bewusstlosigkeit eine Erektion bekommen konnte.
Sean
Nun war ich an einem Punkt angelangt, an dem es nur noch zwei Möglichkeiten für mich gab. Entweder erhängte ich mich auf der Stelle an einem der sehr hoch montierten Scheinwerfer im Theater, oder ich beruhigte mich endlich.
Ich starrte in das Waschbecken, in das ich soeben den spärlichen Rest meines Mageninhalts erbrochen hatte, und dachte ernsthaft über die Selbstmord-Variante nach. Ich plante in Gedanken jeden einzelnen Schritt. Ich würde jetzt nach oben gehen, da hochklettern, mir eins der Seile um den Hals knoten und mich dann einfach fallen lassen. Ich stellte mir genau vor, wie mein Genick brach und mich von jedem Schmerz in meiner Seele augenblicklich befreite. Oder würde mein Genick vielleicht gar nicht brechen? Ich berechnete die Höhe und meine wahrscheinliche Fallgeschwindigkeit. Besorgt stellte ich mir vor, wie ich hilflos da oben zappeln würde, elendig langsam erstickend und mir in die Hose pissend. Dieser Gedanke schreckte mich ab. Ich muss unbedingt darauf achten, dass mein Genick bricht, dachte ich panisch, ich muss unbedingt schnell genug fallen, mit einem einzigen Knacks soll alles vorbei sein.
„Sean!" rief hinter mir plötzlich jemand, und ich erschrak tierisch und drehte mich hastig herum. Völlig verwirrt starrte ich Charlotte an. Sie stand in einigem Abstand hinter mir und musterte mich mit einer Mischung aus Verärgerung und Besorgnis. „Was hast du da gesagt?" fragte sie mich. Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. In meinem Kopf geriet der Selbstmord-Plan durcheinander. Warum ist sie hier? fragte ich mich irritiert. Ich brauche keine Zuschauer. Ich möchte einfach nur ganz in Ruhe von dort oben herunterspringen. Ich kann es nicht mehr ertragen. Dann fragte ich mich, was es gewesen war, was ich nicht ertragen konnte.
Charlotte erinnerte mich sofort daran. „Was ist mit Clay passiert?" wollte sie wissen, „Was soll das heißen, er hat eine Überdosis?!" Sie starrte mich an und wartete auf eine Antwort. Ich konnte ihr aber keine geben. Ich stand nur dort. Ich sah sie an, und in meinem Kopf drehte sich alles. Was ist nur los, dachte ich verwirrt, was mach ich denn eigentlich hier?
„Wer war das am Telefon?" schrie Charlotte plötzlich und kam mit einigen, zögernden Schritten auf mich zu. Ungeduldig packte sie mich an den Schultern. „Verdammt, Sean, jetzt klär mich endlich auf!" „Ich weiß nicht", fand ich meine Stimme wieder. „Was ist mit Clay passiert?" wiederholte sie eindringlich. Blitzartig erinnerte ich mich an dieses Telefongespräch und daran, dass ich wütend mein Handy auf den Boden geknallt hatte. Maßlos verwirrt starrte ich auf den Boden und registrierte mein zerbrochenes Handy dort liegen.
„Sean Valmont!" brüllte Charlotte mich förmlich an. Ich wandte meinen Blick zurück zu ihr. Sie war nun dicht vor mir und starrte mir wütend in die Augen. „Hör endlich auf mit diesem Scheiß Theaterstück!" sagte sie gefährlich leise, „Du machst mir Angst. Ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber so kenne ich dich nicht, hörst du? Und ich lass mich nicht länger von dir verarschen, Sean. Ich habe keine Lust mehr auf dein blödes Drama!"
Reiß dich endlich zusammen, dachte ich plötzlich verkrampft, ich muss mich jetzt unbedingt sofort zusammenreißen! Aber ich stand nur dort, guckte Charlotte an und konnte nicht reagieren. Sie seufzte und wandte sich enttäuscht von mir ab. „Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich noch länger mit dir zusammenarbeiten kann, Sean", sagte sie ganz ruhig und ging langsam Richtung Tür. Sie wird einfach gehen, registrierte ich panisch, Charlotte Hynde wird jetzt weggehen, und sie wird niemals zurückkommen. Ich habe sie endgültig verloren. Ich spürte einen harten Stich in meinem Innern, und im nächsten Augenblick war ich irgendwie wieder wach.
„Charlotte!" entfuhr es mir verzweifelt, „Bitte bleib!" Sie hielt zögernd inne und drehte sich vorsichtig zu mir um. Lauernd musterte sie mich. „Es tut mir leid", versicherte ich ihr, „Es ist nur..." Konfus wich ich ihrem verärgerten Blick aus. Verdammt, jetzt beruhige dich endlich, du blöder Wichser! mahnte ich mich innerlich.
„Wer war das am Telefon, Sean?" fragte Charlotte mich merkbar resigniert. Ich schaute sie an und atmete tief durch. „Ich habe keine Ahnung", erklärte ich ihr wahrheitsgemäß. Aber Charlie wandte sich sofort enttäuscht zur Tür und machte einige Schritte zum Ausgang hin.
„Es war irgendeine fremde Frau. Sie sagte, sie wäre bei Clay zu Hause. Sie behauptete, Clay hätte eine Überdosis, und ich soll sofort hinkommen, um ihm zu helfen", erzählte ich ihr hastig, um sie aufzuhalten. Dann stand ich hilflos dort und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Charlotte blieb stehen, und es dauerte eine lange Weile, bis sie sich erneut zu mir umdrehte.
„Und glaubst du ihr das?" wollte sie von mir wissen. Ich hob die Schultern. „Echt, ich weiß nicht." „Sollen wir hinfahren und es herausfinden?" fragte Charlotte mich gleichgültig. Sie beobachtete mich jetzt lauernd, als wäre sie auf der Hut vor mir. Als würde sie erwarten, dass ich jeden Moment wieder durchdrehte. Ihr abschätzender Blick wurde mir zunehmend peinlicher. Diese Situation überforderte mich. Ich hatte keine Ahnung, was wirklich mit Clay passiert war. Aber die vage Möglichkeit, dass diese Frau am Telefon eventuell gelogen hatte, baute mich spontan wieder auf, hatte ich doch vorher komischer Weise ihre Behauptung nie in Frage gestellt.
„Es ist ziemlich weit, bis zu Clay raus, Charlie. Ich habe kein Fahrzeug hier", gab ich zu bedenken und ging langsam auf sie zu. Sie ließ mich nicht aus den Augen. „Das sollte dich nicht daran hindern, nach deinem besten Freund zu sehen", erwiderte die Frau kühl. „Er ist nicht mein bester Freund!" rief ich aufgebracht, „Ich habe ihm heute die Scheiße aus dem Leib geprügelt!"
Sie starrte mich überrascht an. Ich bereute es sofort, ihr davon erzählt zu haben. Verlegen ging ich an ihr vorbei zur Tür. „Meinst du auf der Bühne?" fragte sie mich lauernd. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihr um. „Nein, ich meine bei ihm zu Hause. Ich war heute bei ihm, und ich habe immer wieder wahllos auf ihn eingeschlagen..."
Nervös tastete ich meine Jackentaschen nach den Zigaretten ab. Hastig steckte ich mir eine an und rauchte tief. Charlotte schaltete plötzlich das Licht in der Garderobe aus und schob mich hart in den Flur. „Was hast du vor?" fragte ich sie abwehrend. Ich will es gar nicht sehen, dachte ich ängstlich, wenn Clay tot ist, dann will ich ihn gar nicht sehen. Das könnte ich nicht ertragen. Ich würde auf der Stelle tot umfallen. Dieser Gedanke schnitt mir brutal in meine Seele.
Die Frau betrachtete mich eine Weile. „Warum hast du ihn so hart verprügelt?" wollte sie neugierig wissen. Wir standen jetzt dicht beieinander im Flur. „Ich weiß es nicht", sagte ich verwirrt. Charlotte seufzte, wandte sich von mir ab und lief die Stufen zum Theatersaal hinauf. Auf halben Weg blieb sie stehen und sah zu mir hinunter. „Es ist mir egal, was für Probleme du hast, Sean! Aber ich möchte gerne wissen, was mit Clay ist. Vielleicht braucht er ja wirklich meine Hilfe. Und deshalb werde ich jetzt zu ihm raus fahren", informierte sie mich merkwürdig entschlossen. Dann drehte sie sich einfach um und ging die Treppe hinauf.
Ich stand hilflos dort im dunklen Kellerflur und stierte ihr nach. Mein Leben war vorbei.
Charlotte
Sean Valmonts Verhalten war mir ein einziges Rätsel. Ich war immer davon ausgegangen, dass er bedingungslos in Clay Banton verliebt war. Dass Clay der einzige Mensch wäre, den er begehrte. Dass er überhaupt nur einen Mann begehren konnte. Aber dann küsste er mich unerwartet, und alles bekam einen völlig anderen Blickwinkel. Er erzählte mir, dass er Clay verprügelt hatte, ohne einen Grund dafür nennen zu können.
Langsam zweifelte ich an Sean Valmont. Vielleicht spielte er uns allen nur ständig etwas vor. Vielleicht hatte dieser Mann ernsthafte psychische Probleme oder seine Persönlichkeit war gespalten. Womöglich war er nicht mal schwul, überlegte ich, sondern behauptete das nur aus einem mir nicht nachvollziehbaren Grund.
Sean wollte noch nicht einmal zu Clay fahren, um sich von dessen Gesundheit zu überzeugen. Obwohl ihm am Telefon jemand erzählt hatte, dass Clay eine Überdosis hätte und dringend Hilfe brauchte. Sean verhielt sich, als würde Clay ihm überhaupt nichts bedeuten. Ich dagegen fragte mich besorgt, was es mit diesem merkwürdigen Anruf wohl auf sich hatte. Und warum war Sean überhaupt so ausgerastet, wenn es ihm total gleichgültig war, was mit Clay passierte? Warum sollte jemand anrufen und so eine dreiste Lügengeschichte erzählen? Da muss etwas dran sein, vermutete ich alarmiert, so etwas Ernstes behauptet niemand nur so zum Spaß. Und ich hätte bestimmt keine Ruhe mehr, bis ich mich vergewissern würde, dass Clay okay war.
Ich ging ins Foyer des Theaters und schaltete alle Lichter aus. Dann wartete ich eine Weile, ob Sean wohl endlich heraufkommen würde. Aber er kam auch nach etlichen Minuten nicht. Ich zog ernsthaft in Erwägung, ihn einfach dort unten im Keller stehen zu lassen.
Der attraktive Sean Valmont war mir zum ersten Mal unheimlich. Irgendwas stimmte doch ganz gewaltig nicht mit diesem Mann. Warum hatte ich das eigentlich früher nicht bemerkt, fragte ich mich enttäuscht. Sean hatte die Schlüssel des Theaters. Er konnte ja dann abschließen, wenn er sich wieder beruhigt hatte. Ich stand eine Weile dort und grübelte darüber nach. Schließlich wollte ich einfach abhauen, ging sogar bis zur Eingangstür. Aber dann drehte ich doch nochmal um und ging zurück ins Theater. „Sean! Kommst du jetzt?!" rief ich laut in den dunklen Raum. Es war ganz still. Sean war nicht zu sehen. Anscheinend war er immer noch im Keller oder auf der Treppe. Ich beschloss genervt, ihn endgültig allein zu lassen.
Aber im nächsten Moment machte ich mir plötzlich Sorgen um ihn. Offensichtlich war dieser Mann zur Zeit überhaupt nicht bei Sinnen, eventuell war das die böse Wirkung der harten Drogen, die er genommen hatte. Vielleicht sollte ich ihn in seiner depressiven Verfassung doch lieber nicht allein lassen, mahnte mich eine innere Stimme. Womöglich tat er sich sogar etwas an, und das würde ich mir dann sicherlich nie verzeihen.
„Sean! Ich gehe jetzt!" informierte ich ihn lautstark. „Komm endlich!" forderte ich ihn auf, „Ich werde nicht ohne dich zu Clay fahren!" Plötzlich fiel mir ein, dass ich noch nie bei Clay Banton zu Hause gewesen war und daher gar nicht wusste, wo genau er eigentlich wohnte. Es war also sogar zwingend notwendig, dass Sean mitkam und mir den Weg zeigte. Wenn er nur endlich kommen würde!
Schließlich sah ich Valmonts wohl geformten Schatten auf mich zukommen. Er bewegte sich langsam durch das dunkle Theater. Sei vorsichtig, warnte mich eine innere Stimme, du kannst nicht wissen, wozu dieser verrückte Mann in seinem ausgeklinkten Zustand noch fähig ist.
„Hast du ein Auto?" fragte Sean mich auf einmal mit klarer Stimme. Ich war erleichtert, dass er seine Sinne anscheinend wieder beieinander hatte. „Ja, bei mir zu Hause. Es sind nur ein paar Straßen bis dort", erklärte ich ihm. Im nächsten Moment stand Sean vor mir und guckte mich an. „Es tut mir leid, Charlie. Ich wollte das alles wirklich nicht", betonte er abermals. „Schon gut", wiegelte ich ab und wandte mich zum Ausgang.
Aber das stimmte überhaupt nicht. Nichts war mehr gut. Mein Vertrauen in Sean Valmont war von nun an und für alle Zeiten von ihm zerstört worden.
Jill
Einige Zeit lang beschäftigte ich mich intensiv mit Clays reglosem Körper, auch mit seinem hübschen Penis, an dem ich neugierig ein bisschen herumspielte. Es passierte aber nichts. Offenbar gehörte doch mehr dazu, wenn ein Mann eine Erektion bekam. Zumindest bei Clay Banton. Und der lag ja immer noch bewusstlos auf dem Rücken und bewegte sich nicht.
„Du blöder Schlappschwanz!" beschimpfte ich ihn spöttisch. Dann machte ich mit meinem Handy ungeniert einige Filme und Fotos von ihm. Es amüsierte mich, mir den Mann und seine Körperteile zurechtzulegen und ihn in verschiedenen Positionen abzulichten.
Danach wandte ich mich seiner Jacke zu, die in einiger Entfernung auf dem Boden lag, und durchsuchte seine Taschen. Ich amüsierte mich über die vielen Kondome, die er anscheinend ständig bei sich trug. Ich fand seinen Autoschlüssel und erwog die Möglichkeit, eine Runde in seinem tollen MG zu fahren. Vielleicht konnte ich seinen eleganten Sportwagen sogar dazu benutzen, um nach Hause zu kommen. Dieser Gedanke gefiel mir zunehmend.
Hier gab es nichts mehr für mich zu tun, entschied ich. Dieser Mann barg keine Geheimnisse mehr. Seine Nacktheit törnte mich nicht einmal mehr an. Ich fand ihn jetzt nur noch langweilig. Ich betrachtete ihn und wog seinen Autoschlüssel in meiner Hand. „Was sagst du dazu, wenn ich dein Auto nehme?" wollte ich hämisch von ihm wissen. Mir war klar, dass er sicherlich nicht erfreut sein würde, wenn er aufwachte, und sein Auto wäre weg. Aber das hatte er sich doch redlich verdient, fand ich, er und seine blöden harten Drogen!
In diesem Moment klopfte jemand laut gegen die Wohnungstür. Ich schrak ziemlich zusammen und steckte den Autoschlüssel hastig zurück in Clays Jackentasche. Alarmiert starrte ich zur Badezimmertür in Richtung Flur. Wer konnte das sein? fragte ich mich beunruhigt. Wer würde Clay um diese Zeit noch einen Besuch abstatten? Es war inzwischen doch schon bald Mitternacht, und das Klopfen hörte sich nicht sehr freundlich an. Nach diesem extrem negativen Telefongespräch rechnete ich überhaupt nicht mehr mit Sean Valmont.
Das Klopfen wurde noch lauter und sehr fordernd. „Clay?!" rief jemand vor der Tür. Obwohl ich seine Stimme nicht erkannte, fiel mir plötzlich Sean ein. Ich war mehr als überrascht über die Möglichkeit, dass Clays Arbeitskollege doch noch hierher gekommen war, um nach Clay zu sehen. Am Telefon hatte er das doch mehr als deutlich abgelehnt! Aber scheinbar hat dieser Mann es sich nochmal anders überlegt, vermutete ich erfreut. Jetzt kann ich also doch noch mit dem Erfinder von Psychotic Kühlschrank sprechen! Und bestimmt verrät er mir noch einige interessante Infos über Clay! Diese verrückte Nacht ist also doch noch längst nicht vorbei! Ich lächelte gespannt und zufrieden.
Aber nach der ersten spontanen Freude sprach sogleich mein schlechtes Gewissen zu mir. Hektisch blickte ich mich im Badezimmer um. Am Telefon hatte ich von einer Überdosis gesprochen, um Sean hierher zu locken. Also musste es hier zumindest auch danach aussehen. Hastig riss ich die Klappe am Whirlpool auf und holte Clays Drogenzeug heraus. Schnell verteilte ich die ganzen Sachen irgendwie auf dem Boden in seiner Nähe.
„Clay?! Mach sofort auf!" forderte der Mann vor der Wohnungstür nun ungeduldig. Er klopfte wieder. Anscheinend gab es keine Klingel an dieser Tür, oder er benutzte sie nicht. Ich stand auf und warf noch einen prüfenden Blick auf Clay. Im letzten Moment fiel mir seine Hose auf, die ich ihm bis zu den Knöcheln hinunter gezogen hatte. Hastig zog ich sie ihm halbwegs wieder hoch. Nach einem weiteren prüfenden Blick ging ich schnell zur Wohnungstür.
„Clay?! Verdammt!" brüllte die Person draußen. Das wird bestimmt höchst interessant, dachte ich erfreut und öffnete erwartungsvoll die Tür. Vor mir stand Sean Valmont. Ich starrte ihn überwältigt an. Noch niemals hatte ich diesen Mann aus der Nähe gesehen. Nur von Weitem auf der Bühne, in schwarzem Outfit und mit schwarzer Schminke im Gesicht. Nun stand er plötzlich dicht vor mir, und seine auffallend hellblauen Augen durchbohrten mich förmlich. Ich habe noch niemals so schöne Augen gesehen, ging es mir spontan durch den Kopf, ein so makelloses, perfektes Gesicht. An diesem Mann stimmt optisch alles. Er ist einfach nur wunderschön.
„Wo ist Clay?" fuhr er mich unfreundlich an und stürmte im selben Moment an mir vorbei in die Wohnung. Suchend sah er sich im Zimmer um. „Wo ist er?" wiederholte er drängend. „Clay ist im Bad", sagte ich automatisch, paralysiert, überwältigt von seiner Schönheit. Er drehte sich sofort in die angegebene Richtung und verschwand im Badezimmer. Offenbar kannte er sich in dieser Wohnung gut aus.
Erst jetzt merkte ich, dass noch jemand gekommen war. Es war Charlotte Hynde, die Frau aus der Performance. Das ist ja fantastisch, dachte ich sofort erfreut. Jetzt habe ich das ganze Ensemble beisammen. Das war mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte. Charlotte betrachtete mich lauernd und misstrauisch. Ich fand sie auf Anhieb sehr attraktiv. „Wer bist du denn?" wollte sie von mir wissen. „Ich bin Jill", sagte ich und streckte ihr lächelnd die Hand hin. Sie beachtete meine Hand nicht.
Genau wie Sean betrachtete sie mich offensichtlich erst mal als Feindin, oder zumindest als unerwünschten Fremdkörper. Aber das machte mir nichts aus. Ich hatte viel mehr erreicht als erwartet. In dieser Nacht würde ich bestimmt jede Information erhalten, die nur möglich war.
Sean
Wie durch dunklen Nebel war ich hierher gelangt. Charlotte hatte mich in ihrem VW mitgenommen. Ich war nicht in der Lage, während der Fahrt mit ihr zu sprechen. Ich erklärte ihr nur ganz automatisch den Weg zu Clays Haus. Ich fühlte mich betäubt, als wäre ich nicht wirklich anwesend. Vielleicht war das die Wirkung des Heroins. Oder es war etwas passiert, was ich nicht richtig erfassen konnte. Wahrscheinlich kam beides zusammen.
Ich hatte keine Gedanken mehr. Mein Körper funktionierte ohne mein Zutun. Irgendwann stand ich plötzlich in Clays Badezimmer und sah auf ihn hinab. Dieser Anblick brannte sich blitzartig in mich ein. Ich erfasste jedes kleinste Detail innerhalb von Sekunden.
Clays Körper lag reglos auf dem Boden. Er lag auf dem Rücken. Seine Augen waren geöffnet. Sie starrten leblos an die Decke. Sein blaues Sweatshirt war bis über die Brust hochgezogen. Seine schwarze Jeans stand offen. Ich konnte seine graue Unterhose sehen. Seine Füße waren nackt. Er bewegte sich nicht. Einen schmerzvollen Moment lang war ich wie gelähmt. Es ist vorbei, dachte ich geschockt. Jetzt ist alles vorbei.
Ich starrte ihn reglos an. Ich war ganz leer.
Aber dann bemerkte ich seine nackten Rippen, die sich irgendwie bewegt hatten. Ich registrierte, dass er atmete, und dass keine tödliche Nadel in seinem Arm steckte.
Zögernd, fast ungläubig ging ich zu ihm hin und ließ mich neben ihm auf die Knie sinken. Ich legte mein Ohr langsam auf seine warme Brust. Sein Herz schlug kräftig und regelmäßig, und ich merkte überwältigt, dass ich noch niemals in meinem Leben etwas so Wundervolles gehört hatte. Augenblicklich, automatisch liefen dicke Tränen der Erleichterung aus meinen Augen und tropften auf seine nackte Brust. „Clay", flüsterte ich liebevoll, „Clay."
Im selben Moment wurde mir klar, dass er absolut keine Überdosis Heroin erwischt hatte. Dazu war sein Herzschlag viel zu kraftvoll und schnell. Seine Lungen atmeten viel zu gleichmäßig genug Sauerstoff in seinen Körper. Diese blöde Schlampe hat mich angelogen, dachte ich verärgert.
Doch im nächsten Moment war es mir auch schon egal. Denn Clay Banton lebte. Es gab nur noch ihn und mich. Und alles andere war nicht mehr wichtig.
Jill
Wir gingen ins Badezimmer, und was ich dort sah, erstaunte mich zutiefst. Sean Valmont kniete neben Clay Banton auf dem Boden und hatte sein Ohr auf dessen nackte Brust gelegt. Und der große, attraktive Mann weinte. Sean lächelte glückselig und Tränen liefen aus seinen wunderschönen Augen. Sofort wurde mir klar, wie viel dieser Mann tatsächlich für Clay empfinden musste, und ich fragte mich spontan, ob diese Zuneigung wohl über das freundschaftliche Maß hinaus ging. Oder war er einfach nur erleichtert, dass sein Arbeitskollege noch lebte? Aber warum war er dann am Telefon so schroff abweisend gewesen?
„Was ist mit Clay?" fragte Charlotte neben mir an Sean gewandt. Dieser richtete sich sofort verlegen auf. Verstohlen wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht. Offensichtlich war es ihm peinlich, dass wir ihn in dieser intimen Lage ertappt hatten. „Nichts... er ist bloß bewusstlos...", stammelte Sean verwirrt.
„Was ist mit ihm passiert?" wandte Charlotte sich nun verärgert an mich, „Niemand verliert ohne Grund das Bewusstsein!" Auf diese Frage war ich vorbereitet und spielte gekonnt die Ahnungslose. „Ich habe ihn so gefunden, ehrlich! Er ging ins Badezimmer und kam nicht zurück. Als ich nach ihm sehen wollte, lag er genau so dort." „Mit offener Hose?" fragte Charlotte mich scharf. Sean lachte amüsiert. „Ich dachte, er hätte eine Überdosis. Ich wollte ihn schnell wiederbeleben", behauptete ich. „Ich habe seine Kleidung geöffnet, um ihn wiederzubeleben", rechtfertigte ich mich treuherzig.
Ich schaute Sean Valmont an, der wahrhaftig ein erbaulicher Anblick war. Noch niemals hatte ich einen so wunderschönen Mann gesehen, und ich dachte überwältigt, dass allein dieser Anblick all das mehr als wert war.
„Nur ist Clay gar nicht tot!" kicherte Sean belustigt. Er schaute mich mit funkelnden Augen an, und ich hatte den Eindruck, als wüsste er ganz genau, dass ich noch vor kurzem Clays Penis in meiner Hand gehabt hatte. Verlegen hob ich die Schultern. „Ich wusste das nicht. Ich habe mir ehrlich Sorgen gemacht. Darum habe ich dich ja auch angerufen." Ich guckte von Sean zu Charlotte, die mich nun offen feindselig und zweifelnd anstarrte. „Was würdet ihr denn denken, bei dem ganzen Zeug dort!" verteidigte ich mich und deutete auf die Drogen und Rauchutensilien, die neben Clay auf dem Boden lagen. Die beiden folgten meinem Blick und sahen sich das Zeug eine Weile an. Sie waren nicht überrascht, harte Drogen in Clays Nähe zu sehen, wie ich verwundert registrierte. Ob sie wohl alle drei auf Heroin sind? fragte ich mich erstaunt.
„Ich würde mich zumindest vorher vergewissern, ob er noch atmet, bevor ich mit Wiederbelebungsmaßnahmen anfange!" meinte Charlotte vorwurfsvoll und machte einige Schritte auf Clay zu. Abschätzend betrachtete sie seinen bewegungslosen Körper auf dem Boden. Ihr Blick blieb lange an seiner Unterhose haften, was mich ziemlich amüsierte. Auch Sean bemerkte ihre Neugier und warf mir einen belustigten Blick aus seinen fantastischen, hellblauen Augen zu. In diesem Moment wurde mir klar, dass Sean Valmont vor Glück förmlich strahlte, was seine ohnehin sehr große Attraktivität nicht gerade unerheblich verstärkte.
„Was machen wir denn jetzt?" fragte Charlotte nach einer Weile ratlos. „Es ist Zeit, um ihn aufzuwecken", verkündete Sean entschlossen. Er stand zügig auf und packte Clay fest unter den Achseln an den Unterarmen. „Helft mir mal", forderte er uns auf und hob Clays schlaffen Körper hoch. „Was hast du vor, Sean?" wollte Charlotte alarmiert wissen, ergriff jedoch Clays linkes Bein. Ich ging dazu und packte das rechte Bein. Clay hing nun in unseren Armen in der Luft. Er bewegte sich überhaupt nicht, war aber schwerer, als ich vermutet hatte. „Das sagte ich schon. Wir wecken ihn auf", erklärte Sean uns und trug Clay über den Rand des Whirlpools. Mit vereinten Kräften legten wir den schlaffen Körper im leeren Pool ab.
Charlotte ging einige Schritte zurück. „Wie willst du das anstellen?" fragte sie Sean zweifelnd. Er lächelte erwartungsvoll, antwortete aber nicht. „Vielleicht sollten wir ihn doch lieber ins Krankenhaus bringen!" gab sie zu bedenken. Sean kicherte amüsiert und setzte sich von innen auf den Rand des Whirlpools. „Keine Angst, Charlie. Der ist gleich wieder wach." „Hat er denn nicht eine Überdosis Heroin intus?" fragte Charlotte besorgt. Sean lachte lauthals und warf mir einen geringschätzigen Blick zu. „Mit Sicherheit nicht!" informierte er uns laut.
Er kennt sich gut damit aus, registrierte ich erstaunt. Sean Valmont kann eine Überdosis Heroin von einer Bewusstlosigkeit anderen Ursprungs unterscheiden. Ich fragte mich, woher er seine Kenntnis wohl hatte. „Woher willst du das so genau wissen?" wandte Charlotte ziemlich verunsichert ein. Sie verfügte offenbar nicht über dieses Wissen, denn sie machte sich jetzt wirklich Sorgen.
Aber Sean ignorierte ihre Bedenken. Er wusste ganz genau, was zu tun war und übernahm mühelos das Kommando. „Tretet bitte zurück, Ladies!" forderte er uns charmant lächelnd auf. Wir gehorchten ihm und kletterten aus dem Pool. „Was hast du vor, Sean?" wollte Charlotte alarmiert wissen. Aber er beachtete sie gar nicht mehr. Er zog einen chromblitzenden Wasserschlauch aus den goldenen Armaturen und betätigte einige Schalter am Whirlpool. Sofort schoss ein harter Wasserstrahl aus dem Schlauch und traf brutal Clays leblosen Körper.
„Sean! Um Himmels Willen! Mach das nicht! Das ist total unfair!" rief Charlotte erschrocken und unverkennbar entsetzt. Aber Sean hatte ganz offen Spaß daran, den kalten, harten Wasserstrahl auf Clay zu lenken. In seinen Augen spiegelte sich eine merkwürdige Freude, dem anderen weh zu tun.
Interessiert sah ich mir diese Szene an. Sie sagte mir viel über das Verhältnis dieser Gruppe zueinander. Sie sagte mir noch mehr über Sean Valmont. „Hör auf damit, Sean!" versuchte Charlotte noch mehrmals, ihn irgendwie zu stoppen. Aber der Mann reagierte gar nicht auf sie. Er schien auf einmal entfesselt, irgendwie in seinem Element. Nichts und niemand konnte ihn stoppen. Letztendlich schwieg sie resigniert und beobachtete nur noch ängstlich Clays Reaktion.
Charlotte
Es war schlicht grausam und abscheulich, was Sean mit Clay anstellte, um ihn angeblich aufzuwecken. Es hätte mit Sicherheit sanftere Methoden gegeben, zumal Clay uns schutzlos ausgeliefert war. Ich fand es entsetzlich, dass Sean diese brutale Sache auch noch so einen mörderischen Spaß zu machen schien. Anstatt erst einmal nachzuforschen, wie es zu dieser seltsamen Bewusstlosigkeit überhaupt gekommen war, richtete Sean sein ganzes Augenmerk nur noch darauf, Clay hartherzig daraus aufzuwecken.
Er saß auf dem Rand des Whirlpools, lenkte diesen harten Wasserstrahl auf Clays bewusstlosen Körper und zielte mit Vorliebe auf die empfindlichen Körperteile. Sean verhielt sich so, als wollte er sich an Clay für all die Sorgen rächen, die er sich zweifellos um ihn gemacht hatte, obwohl das nun wirklich nicht Clays Schuld gewesen war. Valmont war sichtbar viel zu erleichtert, viel zu glücklich in diesem Moment, als wäre es ihm gleichgültig gewesen, was mit Clay passiert war. Ich schaute ihn an und mir wurde klar, dass ich ihn überhaupt nicht mehr kannte. Er hatte sich seit unserer Schulzeit zweifellos sehr verändert. Dieser verbitterte, zynische Mann hatte so gut wie nichts mehr mit dem Sean Valmont gemeinsam, den ich früher gekannt hatte. Ich war sehr traurig über seine negative Veränderung. Ich fragte mich, ob ich überhaupt noch länger mit ihm arbeiten wollte.
Dann machte ich mir Sorgen um Clay, der hilflos auf dem Rücken in der Badewanne lag und das harte, eiskalte Wasser ertragen musste. Aber ich sah keine Möglichkeit, Sean zu stoppen. Er ignorierte mich einfach total. Und diese dicke Frau, die uns so hinterhältig hierher gelockt hatte, schien auch nur Spaß an diesem perversen Spiel zu haben. Ich mochte sie nicht, und ich glaubte ihr kein Wort. Jill beobachtete die brutale Szene mit einer unverkennbaren Freude und voller Interesse. Es fehlte nicht viel, und sie hätte Sean sogar noch angefeuert. Sie war mir mit Sicherheit keine Hilfe. Ich fand sie von Anfang an höchst unsympathisch.
Also stand ich nur reglos dort und hoffte, dass Clay bald aufwachen würde, und dem bösen Spuk damit ein Ende machte. „Hör sofort auf damit, Sean!" forderte ich Valmont mehrmals auf. Aber er reagierte gar nicht auf mich. Er fixierte Clay mit einer Mischung aus Genugtuung und Entschlossenheit, der ich nichts entgegensetzen konnte.
Es dauerte im Endeffekt viel zu lange, bis Clay sich endlich regte. Er schien irgendwann leise zu stöhnen, aber das Wasser rauschte zu laut, als dass wir ihn hören konnten. Und noch bevor er sich bewegte, stieg uns der Geruch von Urin in die Nase. Wir bemerkten es alle gleichzeitig und sahen uns irritiert an. Dann guckten wir auf Clays Unterhose. Obwohl er ohnehin klatschnass war, war es unübersehbar, dass er sich in die Hosen machte, noch bevor er das Bewusstsein wiedererlangte. „Der pisst sich voll, der Idiot!" stellte Sean spöttisch fest. Die Frau neben mir lachte amüsiert.
Ich drehte mich angeekelt weg. „Ihr seid ja krank!" warf ich ihnen verärgert vor. Aber die beiden amüsierten sich prächtig über Clays Hilflosigkeit. „Du blöder Pisser!" beschimpfte Sean ihn grinsend und lenkte den harten Wasserstrahl gezielt auf Clays Unterhose, „Jetzt wach endlich auf, du blöder Arsch!"
Clay stöhnte jetzt lauter, er bewegte sich sehr langsam und hob schützend die Arme. Er versuchte, den Wasserstrahl zwischen seinen Beinen abzuwehren. Aber Sean hielt gnadenlos weiter drauf. „Du hast Recht, das klappt!" stellte Jill anerkennend fest. Ich verachtete sie dafür. Ich verachtete sie beide für ihre Grausamkeit. „Komm schon, Banton, wach endlich auf!" forderte Sean lautstark Clay auf. „Lass ihn in Ruhe, Sean! Er ist doch längst wach!" versuchte ich es noch einmal. Sean warf mir einen geringschätzigen Blick zu. „Er pisst sich nur voll, das ist alles!" erwiderte er verächtlich.
Ich taxierte ihn und fasste einen spontanen Entschluss. Ich werde kündigen, nahm ich mir in diesem Moment vor. Ich kann nicht länger mit diesem brutalen Mann zusammen auf der Bühne stehen! Der ist ja vollkommen krank im Kopf! Wenn es stimmt, dass Genie und Wahnsinn nah beieinander liegen, dann brach aus Sean Valmont in dieser Nacht sein ganzer Wahnsinn hervor.
Besorgt schaute ich auf Clay, der sich jetzt unbehaglich im Whirlpool herum wand und vergeblich mit den Händen den Wasserstrahl abwehren wollte. Aber Sean spielte ein hinterhältiges Spiel mit ihm. Sobald Clay seine Hände vor seine Unterhose hielt, zielte Sean ihm mitten ins Gesicht und umgekehrt.
Clay keuchte jetzt schmerzerfüllt und drehte sich hilflos auf die Seite, um dem harten, eiskalten Strahl zu entkommen. Er war inzwischen völlig durchnässt. Verwirrt schnappte er nach Luft, die Augen vor Panik weit aufgerissen. Offenbar wusste er überhaupt nicht, wie ihm geschah. Clay Banton tat mir in dieser Situation von Herzen leid. Ich hätte ihm gerne irgendwie geholfen. Er starrte mich konfus an, aber ich war nicht sicher, ob er mich überhaupt richtig registrierte. Trotzdem schien es mir, als würde er mich um Hilfe bitten.
Entschlossen wandte ich mich nochmal an Sean. „Um Himmels Willen, Valmont! Hör jetzt endlich auf mit diesem gemeinen Mist hier!" schrie ich ihn wütend an, und endlich reagierte er auf mich. Sean betrachtete mich eine Weile richtig verwundert.
Im nächsten Moment drehte er den Wasserstrahl kurzerhand mit nur einem schnellen Tastendruck ab. „Besser so, Miss Hynde?" fragte er mich verächtlich. „Viel besser!" bestätigte ich und hielt seinem Blick eine Weile stand. Dann guckte ich erneut besorgt auf Clay. Der Arme lag klatschnass in seinem leeren Whirlpool und atmete schwer. Er versuchte mühsam sich aufzurichten. Wir beobachteten ihn eine Weile erwartungsvoll. Clay hatte Mühe sich zu orientieren und stöhnte immer noch vor Schmerz. Anscheinend hatte Sean ihm wirklich weh getan.
„Alles klar, Clay?" fragte Sean ihn höhnisch. Jill lachte amüsiert. Sie beobachtete Clay wie ein interessantes Versuchstier. Sie studierte uns alle wie Objekte, das fiel mir sofort auf. Clay guckte nun Sean an, ohne auf ihn zu reagieren. Es war nicht klar, was in ihm vorging. Es war nicht mal klar, ob er überhaupt wusste, wo er sich befand. Clay richtete sich halbwegs auf. Er ächzte voller Schmerz und Unbehagen. „Was ist los mit dir?" erkundigte sich Sean neugierig. Ich verachtete ihn wieder für den Spaß, den er offensichtlich an Clays Zustand hatte. Auch Jill amüsierte sich offen über Clays Hilflosigkeit. Ich wollte eigentlich diesen grausamen Ort sofort verlassen. Einfach gehen und nicht zurückkommen. Aber andererseits wollte ich Clay Banton nicht einfach diesen beiden Wahnsinnigen überlassen. Mitfühlend blickte ich zu ihm hin.
Im selben Moment erbrach Clay sich mit einem Schwall über sein blaues Sweatshirt. Sein Mageninhalt schoss förmlich aus ihm heraus und landete auf seinem Körper, ohne das er in der Lage gewesen wäre, auch nur seinen Kopf zur Seite zu drehen. Sean brach auf der Stelle in lautes Gelächter aus. „Du bist echt klasse, Banton!" rief er begeistert.
Ein durchdringender Geruch nach ausgekotztem Wein zog durch das Badezimmer. Anscheinend hatte Clay außer dem Rotwein nichts im Magen. Er würgte und kotze sich völlig leer. Sein ganzer Körper wand sich in vielen vegetativen Krämpfen. Ich drehte mich angewidert weg. Langsam wurde mir das alles zu viel. Der Geruch und der Anblick weckten Übelkeit in mir. Ich atmete tief durch. Ich fühlte mich unwohl und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.
Jill
Es war unglaublich. Sobald Sean Valmont damit anfing, sich mit Clay Banton zu beschäftigen, brach in diesem Badezimmer die Hölle los. Ich konnte nicht fassen, wie unerbittlich, wie brutal Sean dazu überging, seinen Freund aus seiner Bewusstlosigkeit zu reißen.
Er saß auf dem Rand des Whirlpools und ließ all seinen Frust an diesem Menschen aus, der da ohne eine Chance zur Gegenwehr auf dem Rücken lag. Sean hatte eine unglaubliche Freude an seiner Machtposition. Man sah ihm seine Genugtuung geradezu an. Ich beobachtete ihn und fragte mich, was um alles in der Welt Clay ihm wohl angetan hatte, um diese Behandlung zu verdienen.
Sean zielte mit dem kalten, harten Massage-Wasserstrahl genau zwischen Clays Beine, und ich konnte mir den daraus entstehenden Schmerz beinahe körperlich vorstellen. Sean wusste ganz genau, wo er Clay wehtun konnte, und er nutzte das mit extremer Schadenfreude aus. Sein ungebändigter Sadismus faszinierte mich auf eine morbide Art.
Gleichzeitig verachtete ich die Brutalität, mit der er vorging. Was ist nur mit Sean los, überlegte ich, das ist doch nicht mehr normal. Wie kann ein dermaßen gut aussehender Mann nur so dermaßen gewalttätig sein? Wie kann er jemanden, mit dem er noch vor kurzem gemeinsam auf der Bühne gestanden hat, so respektlos behandeln?
Jetzt wurde mir langsam klar, warum Clay meinen Anruf bei Sean voller Panik hatte verhindern wollen. Ganz sicher war es nicht das erste Mal, dass Sean seinen Frust an Clay abreagierte.
Ich stand neben Charlotte am Rand des Whirlpools und beobachtete dieses energiegeladene Schauspiel gebannt. Ich konnte eine gewisse Schadenfreude bei mir feststellen, als Clay auf einmal in seine Hosen urinierte. Offenbar hatte er die Kontrolle über seinen Körper nach dem elektrischen Schock noch nicht vollständig wiedererlangt.
Seans herbe Methode, um ihn aufzuwecken, war ohne Zweifel sehr fragwürdig, aber sie funktionierte. Clay Banton wachte langsam auf, und man sah ihm an, dass es ein äußerst unangenehmes Erwachen für ihn war. Er stöhnte schmerzerfüllt und hielt sich die Hoden fest. Er versuchte den Wasserstrahl abzuwehren. Sean hielt den Strahl weiterhin mit Vorliebe auf seine Weichteile und in sein Gesicht.
Charlotte stand neben mir und wurde zunehmend wütender. Mehrmals forderte sie Sean auf, sofort damit aufzuhören, bis er schließlich unvermittelt das Wasser abdrehte. Der blitzende Schlauch fuhr automatisch zurück in die Armaturen. Sean kennt sich mit dieser Whirlpool-Elektronik sehr gut aus, fiel mir auf. Er wusste die Armaturen genau zu bedienen, ohne sich die vielen Schalter auch nur anzusehen. Offenbar hatte er diesen komplizierten Pool schon öfter bedient, und ich fragte mich sofort neugierig, bei welcher Gelegenheit das wohl gewesen war.
Überhaupt wuchs meine Neugier sekündlich. Voller Freude bemerkte ich die brennende Leidenschaft, mit der Sean ans Werk ging. Da ist noch viel mehr, vermutete ich gespannt. Zwischen diesen beiden großen, attraktiven Männern ging ganz zweifellos richtig die Post ab. Mir war nur noch nicht klar, inwiefern die Beziehung der beiden zueinander funktionierte. Aber das würde ich mit Sicherheit schon bald herausfinden.
Clay lag nun völlig durchnässt, stöhnend in seinem Whirlpool und versuchte sich zu orientieren, was ihm aber zuerst nicht gelang. Er blinzelte uns an, ohne uns richtig wahrzunehmen. Er richtete sich mühsam halbwegs auf und kotzte abrupt die Flasche Rotwein über sich aus, die er an diesem Abend fast allein getrunken hatte. Sean brach deswegen in jubelndes Gelächter aus, als würde Clay eine gute Performance für uns vorführen. Und irgendwie war es ja auch tatsächlich so.
Wir starrten alle drei auf Clay Banton und amüsierten uns über seinen Zustand. Nur Charlotte hatte merkbar keinen Spaß daran. Sie war die einzige, die offenbar nur Mitleid für ihn empfand. Sie wurde immer wütender und taxierte Sean verächtlich. Es war offensichtlich, dass Seans Verhalten ihr Angst machte. Es ist ein Wunder, dass sie schon mindestens ein halbes Jahr mit diesen beiden Männern arbeitet, dachte ich. Wie hat sie das nur so lange ausgehalten? Charlotte war merkbar angewidert von diesem gewaltigen Schauspiel. Sie schwankte zwischen Wut, Angst, Mitleid und Verachtung. Mehrmals drehte sie sich entsetzt weg, schaute dann aber doch wieder interessiert auf Clay, wie ich amüsiert bemerkte.
Aus dem Whirlpool roch es jetzt intensiv nach erbrochenem Wein. Zum Glück stand das Fenster noch offen und ließ frische Nachtluft hinein. Nachdem Clay sich leer gekotzt hatte, lag er völlig apathisch dort. Er lehnte sich keuchend zurück, schloss erschöpft die Augen und atmete schwer. Eine Weile passierte gar nichts.
„Alles klar mit dir?" sprach Sean ihn schließlich spöttisch an und trat ihn leicht in die Seite. Clay reagierte nicht, und Sean trat ihn fester, bis Clay die Augen öffnete und seinen Fuß stöhnend abwehrte. Endlich guckte er Sean richtig an. „Alles klar, Clay?" wiederholte Sean. Clay betrachtete ihn reglos und schwieg. „Sprich mit uns, Banton!" forderte Sean ihn ungeduldig auf. Endlich reagierte Clay. „Halt's Maul, Valmont", war das erste, was er mit rauer Stimme sagte.
Sean lachte amüsiert und sah uns triumphierend an. Wir waren alle drei erleichtert, dass Clay wieder bei Bewusstsein und anscheinend ohne Schäden geblieben war. Meine eigene Erleichterung war wohl bei Weitem die größte, denke ich, denn ich hatte meinen Elektroschocker vorher noch nie bei jemandem ausprobiert und die heftige Wirkung gar nicht abschätzen können. Nun war ich insgeheim richtig froh, dass Clay trotz meiner harten Attacke wieder okay zu sein schien.
Jetzt fing der Mann merkbar desorientiert damit an, sich umzusehen. Zuerst schaute er an sich selbst herunter und bemerkte, dass seine Kleidung völlig durchnässt vom kalten Wasser und warmen Wein und Urin war. Unbehaglich stöhnend registrierte er seine offen stehende Jeans. „Oh, Fuck!" seufzte er und zog intuitiv schützend die Beine heran. Beschämt blickte er danach auf Charlotte und mich. Es war ihm sichtbar peinlich, dass wir ihn in seiner entwürdigenden Lage unentwegt musterten. Charlotte drehte sich sofort diskret weg, während ich seinem Blick lächelnd standhielt.
Einen kurzen Moment befürchtete ich plötzlich, dass Clay mich nun verraten würde. Dass er von meinem Elektroschocker erzählen würde, um sich an mir zu rächen. Immerhin hatte ich ihn ziemlich hinterhältig in diese peinliche Situation gebracht und dann auch noch Sean hierher geholt. Ich bekam große Angst, dass Sean womöglich seine unbändige Wut an mir auslassen würde, wenn er erfuhr, dass ich seinem besten Freund einen Elektroschock verpasst hatte.
Aber Clay Banton verriet zu meiner riesigen Erleichterung überhaupt nichts. Er schaute mich nur intensiv an. Ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging, aber ich rechnete ihm sein Schweigen insgeheim hoch an. Erst viel später wurde mir klar, dass Clay sich in diesem Moment einfach nicht daran erinnerte, was ich ihm angetan hatte. Er konnte den Elektroschock gar nicht zuordnen und hatte nicht den blassesten Schimmer, was mit ihm passiert war.
Deshalb konnte er Sean auch nicht antworten, der ihn höhnisch fragte: „Was ist los mit dir? Was ist dir passiert, Clay? Hast du dir in die Hosen gemacht?" Clay fuhr spontan verärgert zu ihm herum. „Du hast mir mit dem Scheiß Massagestrahl die Eier zerquetscht, du blöder Wichser!" Er deutete anklagend auf die Armaturen neben Sean und hielt sich stöhnend die getroffene Stelle zwischen seinen Beinen. Jede Bewegung schien ihm weh zu tun. Sean lachte schadenfroh. „Hey, ich musste dich doch irgendwie aufwecken!" „Blöder Wichser!" wiederholte Clay und richtete sich halbwegs auf, um Sean gegen die Beine zu schlagen. Sean wehrte ihn lachend, mühelos ab, und Clay sank knurrend zurück in den Pool.
„Wie geht es dir, Clay? Wie fühlst du dich?" meldete sich Charlotte auf einmal. Sie stand neben mir und guckte Clay besorgt an. Er vermied es auffallend ihren Blick aufzufangen. „Ging mir schon besser", murmelte er leise und schloss beschämt die Augen. Sean schlug ihm jetzt kumpelhaft auf die Schulter. „Nimm's nicht so tragisch, Alter! Das kann doch jedem mal passieren!" spottete er. „Halt einfach dein Maul, Valmont!" forderte Clay ihn nochmal auf und starrte ihn vernichtend an.
„Du solltest dir schnell etwas Trockenes anziehen, Clay! Es ist kalt hier, und du bist völlig durchnässt!" schlug Charlotte mitfühlend vor. Clay zuckte förmlich zusammen und betrachtete sie dann lauernd. Erst als Sean und ich sie zweideutig angrinsten wurde ihr klar, dass man ihren Vorschlag auch anders deuten konnte. Sie hatte es nur gut gemeint, aber Sean sprang sofort begeistert darauf an. „Ja, los, zieh dich aus, Clay! Die Frauen wollen dich gerne nackt sehen!" kicherte er und packte Clay am Sweatshirt. Clay hob abwehrend die Hände. Charlotte protestierte, ohne Beachtung zu finden. „Nein, so meinte ich das nicht!" rief sie irritiert aus.
Aber es war schon zu spät. Sean hatte längst damit angefangen, Clay das Sweatshirt über den Kopf zu ziehen. Clay hatte seiner Entschlossenheit und Stärke nicht viel entgegen zu setzen. Mit nacktem Oberkörper lag er schließlich unter Sean in seinem Pool und fluchte. Sean verzog angewidert das Gesicht, als er das nasse Sweatshirt in der Hand hielt, das intensiv nach erbrochenem Wein roch.
„Mach mal bitte die Waschmaschine auf!" forderte er mich auf. Ich schaute mich suchend um und entdeckte die Waschmaschine hinter mir an der Wand. Ich ging hin, um die Tür der Trommel zu öffnen. Kaum war die Tür offen, da pfefferte Sean das triefend nasse Sweatshirt auch schon mit einem gut gezielten Wurf hinein. „Klasse Wurf!" entfuhr es mir anerkennend. Ich sah Sean an, aber der hatte seine Aufmerksamkeit schon wieder auf Clay gerichtet.
Ich ging zurück zum Whirlpool, um ja nichts von diesem spannenden Schauspiel zu verpassen. Sean ist aufgeregt, fiel mir auf, er ist aufgeregt, weil er vor hat, Clay die Kleider vom Leib zu reißen. Oder war Sean nur wegen der Anstrengung so atemlos? Seine schönen, auffallend hellblauen Augen blitzten vor Vorfreude und Tatendrang. Clay lag unter ihm auf dem Rücken und guckte ihn ergeben an. Ihm war offenbar klar, dass er sich gegen Sean im Moment nicht wehren konnte.
Eine Weile passierte nichts. Sean stand breitbeinig über Clay und schaute ihm lange intensiv in die Augen. Clay hielt diesem Blick einige Zeit reglos stand. Aber dann verlor er das Blick-Duell. Er drehte sich weg und seufzte leise: "Sean..." Dieser lachte siegesbewusst, wandte sich von ihm ab und setzte sich zurück auf den Rand des Whirlpools.
Abschätzend betrachtete er Charlotte und mich. „Na, was meint ihr, Mädels? Braucht Herr Banton eine neue Unterhose?" fragte er uns kichernd mit glänzenden Augen. Ich lachte verlegen mit. Charlotte stöhnte verärgert: „Meine Güte, Sean! Lass ihn sich einfach umziehen! Mach doch nicht so eine Show daraus, Herrgott!" Sean betrachtete sie abschätzend. „Möchtest du Herrn Banton nicht nackt sehen, Charlie? Ich meine so richtig von vorne und von ganz nahem?" wollte er herausfordernd von ihr wissen, „Auf der Bühne hast du ja nicht viel von ihm, wenn er nackt ist." Ich beobachtete gespannt ihre Reaktion. Sie wurde tatsächlich rot, was sie noch mehr verärgerte. „Ich finde es einfach nicht gut, was du hier auf Clays Kosten abziehst! Lass ihn doch einfach in Ruhe, Sean!" fauchte sie ihn an, ohne seine Frage zu beantworten.
Sean hob abwehrend die Hände, wie, um jede Schuld von sich zu weisen. „Hey, ich glaube, du verstehst das völlig falsch, Charlotte", meinte er ganz ruhig. Sie schnappte ärgerlich nach Luft. „Was gibt es denn daran bitteschön falsch zu verstehen, Valmont? Du amüsierst dich hier prächtig auf Clays Kosten, das ist alles!" erwiderte sie wütend. Sean schüttelte entschieden den Kopf.
Und ich wartete wie gebannt darauf, weitere Informationen zu erhalten, war doch Charlottes Eindruck von diesem Schauspiel der gleiche, wie mein eigener. Sean wandte sich jetzt direkt an Clay und rief auffordernd: „Sag's ihr, Clay! Klär sie auf!" Er beugte sich zu Clay hinunter, der sich in dem Pool inzwischen wieder aufgerichtet hatte, und packte ihn hart am Hinterkopf. Er drehte Clays Kopf heftig in unsere Richtung. „Sag es ihr! Los!" forderte Sean ihn unerbittlich auf. Clay knurrte verständnislos und verärgert über diese brutale Behandlung. „Was meinst du denn, verdammt?" stöhnte er schmerzerfüllt und wirklich ratlos.
Sean ließ ihn los und schubste ihn heftig. „Sag ihr sofort, dass es dir echt geilen Spaß macht, dich auszuziehen!" befahl er Clay eindringlich. Clay zuckte wie ertappt zusammen. Peinlich berührt warf er Charlotte und mir einen Blick zu. Sofort war uns klar, dass Sean mit seiner Behauptung Recht hatte. Sean grinste uns zweideutig an.
Er kennt Clay Banton ganz genau, registrierte ich interessiert, er kennt sogar das intimste Geheimnis seines Arbeitskollegen. Und es macht ihm nicht das geringste aus, Clay damit bloß zu stellen. Wie um alles in der Welt kann Clay das nur ertragen? fragte ich mich spontan. Wie ist es überhaupt möglich, dass diese beiden Männer eine enge Freundschaft verbindet? Oder wie kann man diese ungleiche Beziehung der beiden bezeichnen? überlegte ich.
Clay wurde tatsächlich ein bisschen rot und starrte verlegen auf seine Füße. „Es macht ihm richtig viel Spaß, Charlie!" erklärte Sean ihr grinsend. „Herr Banton liebt es total, überall seinen hübschen Schwanz herumzuzeigen!" behauptete er ernsthaft. „So ein Schwachsinn!" fuhr Clay wütend auf, „Rede nicht so einen Scheiß, Valmont!" Drohend richtete er sich auf. Sean lachte spöttisch. „Schwachsinn sagst du? Dann erzähl ihnen doch mal von deinem geilen Kick, wenn du nackt auf der Bühne stehst. Und erzähl ihnen auch gleich, wie heiß du darauf warst, dich für Sexual Senseless auszuziehen!" Triumphierend warf er uns einen Blick zu. Clay sank augenblicklich zurück in den Pool. Ich beobachtete ihn gebannt. Seans intime Geschichte hatte ihn merkbar getroffen. Voller Interesse wartete ich auf die Erklärung des Ganzen.
Plötzlich lächelte Clay und versetzte Sean einen harten Schlag gegen das Schienenbein. „Du blöder Wichser!" beschimpfte er ihn, aber jetzt klang es auf einmal nicht mehr wütend, nur noch freundschaftlich. Sean stöhnte vor Schmerz und hielt sich das Bein. Aber er lachte dabei. In merkwürdigem Einklang kicherten die beiden Männer sich an. Nur sie kannten diese Geschichte und damit den Grund ihrer Heiterkeit.
Ein prüfender Blick auf Charlotte verriet mir, dass sie genauso ahnungslos war, wie ich. „Erzähl doch mal, Clay. Was ist Sexual Senseless?" fragte ich ihn neugierig. Er streifte mich flüchtig mit seinem Blick. „Ja, das ist ihre Spezialität, Sean. Sie stellt mir Fragen", meinte er an Sean gewandt. Sean taxierte mich lauernd. Ich glaubte, einen Funken Eifersucht oder Misstrauen in seinen Augen zu entdecken. „Erzähl's ihr", forderte er Clay schließlich auf. „Ja, das möchte ich auch mal wissen", schaltete sich Charlotte ein. Beide guckten wir Clay auffordernd an.
Er wand sich noch ein bisschen unbehaglich herum, bevor er endlich mit der Sprache rausrückte. Zu guter Letzt holte er tief Luft und klärte uns auf. „Sexual Senseless ist Seans erste Performance. Ich musste mich darin auch ausziehen. Wir haben es nur zwei Mal gespielt. Sie haben uns von der Bühne gejagt." Er musste bei der Erinnerung daran plötzlich lachen und wandte sich hilfesuchend an Sean. „Ja, Clay war so verdammt scharf drauf sich auszuziehen. Er war völlig nackt auf der Bühne. Sie haben uns beschimpft und mit Gegenständen beworfen", kicherte Sean.
Im nächsten Moment brachen beide Männer erneut in einvernehmliches Gelächter aus. Ich wunderte mich, wie schnell diese gemeinsame Erinnerung sie plötzlich zusammenschweißte. Charlotte und ich sahen uns verständnislos an. Wir fanden diese Geschichte wirklich nicht besonders lustig. „Und das war dein erster öffentlicher Auftritt auf einer Bühne?" fragte ich Clay. Er nickte prustend und ich fragte mich erstaunt, wie er es über sich gebracht hatte, nach dieser doch scheinbar extrem negativen ersten Erfahrung nochmal aufzutreten. „Sie haben euch von der Bühne gejagt, nur weil Clay nackt war?" wollte Charlotte ungläubig wissen, „In welchem Jahrhundert war das denn?"
Clays Heiterkeit starb augenblicklich. Er fixierte alarmiert Sean, bis auch der mit dem Lachen aufhörte. Gebannt wartete ich auf die Fortsetzung. Der Name dieser seltsamen Performance deutete ja schon auf Sex hin. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie weit die Männer wohl tatsächlich auf der Bühne gegangen waren. Charlotte ahnte jetzt auch, dass diese Angelegenheit delikater war, als sie vermutet hatte. Ihre Augen weiteten sich ungläubig. Clay schüttelte den Kopf und starrte Sean beschwörend an. Diese intime Geschichte war ihm nun offenbar doch zu peinlich vor uns Frauen.
Aber Sean zeigte natürlich keinerlei Gnade und erzählte lächelnd weiter: „Es war nicht nur deshalb, weil er nackt war. Wir haben uns ziemlich heftig geküsst. Das kam nicht so gut an. Er musste sich auf der Bühne einen runter holen. Und das tat er dann auch mit wachsender Begeisterung, nicht wahr, Clay?" Lachend schlug er Clay auf die Schulter. Clay stierte beschämt auf seine Füße. Ich beobachtete ihn überrascht und fühlte tatsächlich so etwas wie Bewunderung für den scheinbar grenzenlosen Mut dieses Mannes. Welcher ernsthafte Schauspieler würde wohl so weit gehen, so eine brisante Rolle überhaupt zu übernehmen? Und dann auch noch gleich beim ersten öffentlichen Auftritt!
Charlotte zeigte dafür allerdings überhaupt kein Verständnis. „Ihr zwei seid ja wohl beide total bekloppt, oder? Jetzt wundert es mich überhaupt nicht mehr, dass sie euch wütend von der Bühne gejagt haben. Das ist absolut geschmacklos! Wie konntest du nur so ein abartiges Stück schreiben, Sean? Das ist doch reine Provokation und weit unter deinem Niveau! Und du, Clay, wie konntest du nur so etwas Perverses tun? Das ist total krank! Du bist doch kein beschränkter Pornodarsteller!" schimpfte sie ganz außer sich los. Entrüstet, beinahe angewidert, taxierte sie ihre Arbeitskollegen.
Clay guckte noch eine Weile auf seine Füße. Dann hob er plötzlich den Kopf und schaute Charlotte an. Seine Augen blitzten widerwillig. Sean lächelte gutmütig und tätschelte Clay liebevoll den Kopf. „Herr Banton findet das überhaupt nicht pervers, Charlie. Publikum törnt ihn tierisch an", informierte er sie ganz ruhig. Charlotte war sprachlos und betrachtete Clay mit fassungslosen Augen. Clay hielt ihrem Blick stand. Seine Augen sagten trotzig: Was bitte soll daran so schlimm sein?!
Aber er erwiderte nichts, wandte sich ab und starrte wieder auf seine Füße. Ich beobachtete Clay mit neu erwachtem Interesse, hatte ich doch gerade eben tatsächlich noch eine seiner sexuellen Vorlieben erfahren. Er hatte zweifellos exhibitionistische Neigungen! Danach betrachtete ich verstohlen Sean, der Clay nun intensiv liebevoll tätschelte, bis Clay seiner Hand genervt auswich.
Sean lachte und wandte sich erneut an uns. „Es würde Herrn Banton auch antörnen, wenn ihr ihm beim Wichsen zuschaut", bemerkte er herausfordernd und wartete lüstern lächelnd auf unsere Reaktion. Charlotte schnappte hörbar nach Luft, glotzte ihn ungläubig an und schüttelte entgeistert den Kopf.
Ich erinnerte mich daran, dass Clay noch vor Kurzem absolut nicht bereit gewesen war, vor meinen Augen zu masturbieren. Im Gegenteil, meine spöttische Neugier hatte ihn ziemlich verärgert. „Würdest du bitte nicht über mich reden, als wäre ich gar nicht hier?!" fuhr Clay plötzlich ungeduldig auf. „Er ist schon ganz kribbelig!" erklärte Sean uns neckend. Clay schlug ihn dafür ein paarmal gegen die Beine. Sean wehrte ihn ziemlich mühelos ab.
Im nächsten Moment stürzte er sich plötzlich ganz ohne Vorwarnung auf ihn und zog ihm Jeans und Unterhose aus, ohne dass Clay sich ernsthaft gegen ihn hätte wehren können. Die beiden attraktiven Männer kämpften nur sehr kurz in dem leeren Marmor-Whirlpool, dann war Clay auch schon völlig nackt, denn Sean hatte seine Jeans und Unterhose in der Hand. Triumphierend lachend hielt er Clays Klamotten hoch und warf sie dann Richtung Waschmaschine. Die triefend nassen Hosen landeten diesmal auf dem Boden vor der Trommel.
Seans energische Aktion kam so überraschend und war so schnell gegangen, dass Charlotte und ich erst einmal überrumpelt waren und den Kampf der beiden Schauspieler staunend verfolgten. Ich beobachtete amüsiert, wie neugierig Charlotte nach Clays Penis schielte. Als sie meinen Blick bemerkte, wurde sie rot und wandte sich ab. „Die spinnen doch total!" murmelte sie verlegen.
Ich hatte überhaupt kein Problem mit Clays Nacktheit, hatte ich mir seinen großen, schlanken, durchtrainierten Körper doch schon genauestens angesehen. Sean saß jetzt schwer auf Clays Bauch in dem Whirlpool und drückte ihm die Arme über den Kopf. Keuchend sah er auf Clay runter. Clay starrte untergeben zu ihm auf. Eine Weile verharrten sie so, und ich hatte den Eindruck, als fänden beide diese Position nicht unangenehm, was mich einigermaßen überraschte. Da läuft doch was zwischen denen, vermutete ich verstärkt, diese beiden Männer kennen sich viel zu intim. Höchstwahrscheinlich sind sie sogar ein Liebespaar. Clay hatte mir ja ganz offen gestanden, bisexuell zu sein. Seans sexuelle Orientierung hatte er mir allerdings nicht verraten. Interessiert beobachtete ich die beiden in dem Pool, begeistert auf die Lösung dieses interessanten Rätsels wartend.
Irgendwann stand Sean auf und setzte sich erneut auf den Rand des Whirlpools. Vergnügt bemerkte ich, dass er einige Zeit benötigte, um wieder zu Atem zu kommen. Clay richtete sich währenddessen auf und zog schützend die Beine an seinen Körper. „Zieh dir was an, Clay!" forderte Charlotte ihn streng auf. Er lächelte verlegen und warf Sean einen Blick zu, als müsste er ihn erst um Erlaubnis fragen.
Sean betrachtete Charlotte abschätzend. „Ich glaube, es würde dir auch gefallen", behauptete er leise. Charlotte spielte sofort die Empörte. „Hör mal, Sean, ich glaube, du hast völlig den Verstand verloren! Glaubst du allen Ernstes, ich gucke mir an, wie Clay in diesem Whirlpool vor unseren Augen masturbiert?" Ihre Stimme wurde unwillkürlich ganz spitz. Sie schnappte aufgeregt nach Luft. „Warum denn nicht?! Hast du es schon mal ausprobiert?!" forderte Sean sie lüstern heraus. Charlotte starrte ihn eine Weile ungläubig an. „Ich will es gar nicht ausprobieren, Sean! Ich..." Von diesem Thema sichtbar überfordert brach sie ab und schüttelte fassungslos den Kopf. Sie machte auf mich den Eindruck, als würde gerade die ihr bekannte Welt über ihr zusammenstürzen.
Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann guckte sie Sean mit traurigem Blick an. „Was ist nur mit euch passiert? Ich erkenne euch gar nicht mehr!" meinte sie resigniert. Unvermittelt drehte sie sich herum und ging geradewegs zur Tür. Seans Augen weiteten sich sofort erschrocken. „Charlotte...", entfuhr es ihm voller Angst.
Sie blieb stehen und drehte sich nochmal zu ihm um. „Ich bin hierher gekommen, weil ich mir Sorgen um Clay gemacht habe. Aber ganz offensichtlich geht es ihm hervorragend", bemerkte sie kühl. Sie warf Clay einen vorwurfsvollen Blick zu und deutete anklagend auf ihn. Clay schaute sie irritiert an und schlang verlegen seine Arme um seine nackten Beine. „Ich kann also guten Gewissens nach Hause gehen. Zu meinem Freund, der schon lange auf mich wartet", informierte Charlotte uns verächtlich.
Sean stand abrupt auf. Er sah aus, als wollte er sie unbedingt aufhalten. „Charlie, hör mal...", setzte er hilflos an. Sie brachte ihn mit einer ruppigen Handbewegung zum Schweigen. „Vergiss es, Sean! Ich habe heute Abend genug gehört und gesehen, glaub mir!" warf sie ihm verärgert vor. Er hob entschuldigend die Hände. „Ich wollte nicht...", fing er an. Sie schüttelte müde den Kopf und ging in den Flur. „Nein, Charlie, warte!" rief Sean ihr ängstlich hinterher. Charlotte beachtete ihn gar nicht. Sie war schon aus dem Badezimmer heraus und ging Richtung Wohnungstür. „Fuck!" fluchte Sean erschrocken. Mit vor Panik aufgerissenen Augen kletterte er gehetzt aus dem Whirlpool und lief ihr nach. „Ich kann sie so nicht gehen lassen", erklärte er uns voller Angst. Er verließ sehr eilig das Badezimmer und zog die Tür hinter sich zu. Ich war mit Clay allein.
Clay
Dieses Erwachen war bei Weitem nicht das Schlimmste in meinem Leben, ganz im Gegenteil. Ich hatte mal wieder keine Ahnung, was überhaupt passiert war. Ich lag in meinem leeren Whirlpool auf dem harten Marmor. Meine Lippen, Hände und Füße kribbelten irgendwie. Sean bearbeitete meinen Körper mit dem eiskalten Massage-Wasserstrahl. Er traf damit mehrmals meine Eier und mein Gesicht. Es kann sein, dass der Schmerz mich aufweckte.
Mein Hosenstall war offen. Meine Unterhose fühlte sich in all dem kalten Wasser kurz merkwürdig warm an, und mir wurde klar, dass ich mich anscheinend vollgepisst hatte. Das war mir peinlich, weil Sean, Charlotte und Jill mich die ganze Zeit schadenfroh und voyeuristisch musterten.
Aber ich war so umfassend vollgeknallt, so absolut dicht von shore, dass es mir eigentlich nichts ausmachte. Es war mir egal. Alles war mir scheißegal. Ich kotzte einfach los, und dabei ging es mir richtig gut. Es amüsierte mich sogar, dass ich wohl eine ganze Flasche Rotwein für immerhin 98 Euro über mir auskotzte. Die nasse, stinkende Kleidung klebte mir danach unangenehm kalt am Körper, deshalb hatte ich nichts dagegen, sie einfach auszuziehen.
Sean irrte sich nicht, als er behauptete, es würde mich antörnen, mich vor Publikum auszuziehen, obwohl er es natürlich so klingen ließ, als wäre ich nicht ganz normal. Aber als er mir die Kleider vom Leib riss, erregte mich das irgendwie. Es amüsierte mich, wie verlegen und neugierig die Mädchen mich betrachteten, als ich nackt war.
Nur Charlotte ergriff recht bald die Flucht vor meiner Nacktheit, wie eine verklemmte Jungfrau, was ich ziemlich albern fand. Sean geriet deswegen augenblicklich in Panik, und das wunderte mich. Er sprang sofort auf und rannte hinter ihr her, als wäre Charlies Weggang eine Katastrophe, die es zu verhindern galt.
Ich verstand überhaupt nicht, was um mich herum passierte, wie ich in diese merkwürdige Situation geraten war, und es war mir auch herzlich gleichgültig. Ich saß nackt in meinem Whirlpool und fühlte mich dabei sauwohl. Ich war komplett zugedröhnt, die shore wärmte mich umfassend. Es war mir völlig egal, was passiert war, was noch passieren würde.
Es interessierte mich nicht, dass Jill dicht am Rand des Whirlpools hockte und mich neugierig, auf ihre offen indiskrete Art studierte. Ich erwiderte ihren Blick lächelnd und fragte mich dabei, ob sie mich wohl tatsächlich beim Wichsen beobachten wollte. Sean hatte das, ganz entgegen seiner Natur, vorgeschlagen, und ich versuchte abzuschätzen, ob ich Jill wohl damit erregen konnte. Ich werde es nicht tun, wenn es sie nicht erregt, beschloss ich. Hatten wir das nicht schon einmal? grübelte ich verwirrt.
„Ich bewundere dich", sagte sie plötzlich zu mir. Ich lachte spöttisch. „Ist das jetzt wieder so eine Größter-Fan-Masche von dir?" Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, Clay, das meine ich ganz ehrlich!" versicherte sie mir leise. Ich guckte sie misstrauisch an, hatte sie mir doch schon den ganzen Abend irgendwelchen Scheiß erzählt. Aber ihr Blick war aufrichtig. Und ich hatte auch gar keine Lust, ihr nicht zu glauben. Dazu waren ihre Worte viel zu wohltuend für mein Ego.
„Aber warum denn?" fragte ich sie schließlich verständnislos. „Weil du dich nackt auf eine Bühne stellst und offen vor dem Publikum masturbierst!" erklärte Jill mir ernsthaft. Ich kicherte verlegen und verfluchte Sean im Stillen dafür, dass er diesen peinlichen Scheiß erzählt hatte. Diese unangenehme Episode meiner Schauspiel-Karriere hatte ich eigentlich längst abgehakt. „Das ist doch nun wirklich keine Heldentat...", versuchte ich beschämt abzuwiegeln. Aber Jill war anderer Meinung. „Doch, das ist es, Clay! Das erfordert eine Art von Mut, die kaum ein Mensch jemals aufbringen wird!" behauptete sie energisch.
Ich betrachtete sie eine Weile abschätzend und versuchte herauszufinden, ob sie sich vielleicht gerade über mich lustig machte. „Es ist nicht gerade schwierig, sich einen runter zu holen...", erklärte ich ihr irritiert und sah unwillkürlich hinunter zu meinem Schwanz. Schützend hatte ich die Beine herangezogen, sodass ich nur auf meine Knie guckten konnte.
„Der Punkt ist, es öffentlich auf einer Bühne zu tun!" beharrte Jill, „Du nimmst damit alles in Kauf, was du mit diesem provozierenden Verhalten heraufbeschwörst! Du nimmt den Spott, den Ärger und die Verachtung in Kauf! Du riskierst es, deswegen verprügelt und ausgelacht zu werden! Du nimmst es sogar hin, vielleicht verhaftet zu werden! Dazu braucht man verdammt viel Mut, Clay!" Ich wollte ihr widersprechen, aber sie stoppte mich mit einer Handbewegung. „Und jetzt erzähl mir nicht, das hätte dich keine Überwindung gekostet! Denn dann wärst du wirklich ein gewissenloser Exhibitionist!" sagte sie herausfordernd.
Ich lachte wieder blöd verlegen und versuchte mich zu erinnern, wie das damals gewesen war. Es fiel mir schwer, mich zu erinnern, obwohl es höchstens drei Jahre her war. Wahrscheinlich war ich total zugeknallt, vermutete ich. Wahrscheinlich waren wir beide zugedröhnt, Sean und ich. Zu dieser Zeit hatten wir wohl unsere Kokain- und Speed-Phase. Ich hatte nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, was vielleicht passieren könnte. Ich hatte es einfach getan, weil Sean es so in das Textbuch geschrieben hatte. Als er mir das Buch von Sexual Senseless zum ersten Mal zeigte, hatte ich es für eine geile Idee gehalten. Sean intensiv zu küssen machte mir immer großen Spaß. Der Gedanke, mich offen nackt zu zeigen, hatte mich tatsächlich sofort angetörnt. Auf der Bühne zu wichsen hatte dem Ganzen noch einen zusätzlichen Reiz verliehen.
Wir spielten die neue Performance zum ersten Mal im Chaos-Tempel, dieser komischen Szene-Kneipe, auf deren winziger Bühne. Das Licht und die Akustik in diesem Laden waren eine echte Katastrophe. Der Besitzer hatte uns grünes Licht gegeben, ohne sich darum zu kümmern, was genau wir eigentlich vorführen wollten.
Natürlich gab es für diesen Auftritt kein Geld. Es gab auch keine Absperrung vor der Bühne, die wenigen Zuschauer drängten sich dicht vor uns. Sie waren einzig an diesem Abend hierher gekommen, um mitzuerleben, wie sich jemand vor ihren Augen blamierte. Und als die Leute auf unser Spiel und unsere Dialoge nur mit einem lauten Gähnen, mit Pfiffen, überaus lauten Beschimpfungen und spöttischen Zwischenrufen reagierten, da konnte ich es ziemlich bald kaum noch erwarten, es ihnen endlich zu zeigen. Ich wollte diese blöde gaffende Meute nur noch schockieren.
Sean und ich präsentierten ihnen mit nacktem Oberkörper einen total erotischen, eindeutig homosexuellen, sehr langen, tiefen Kuss, verbunden mit sanften Zärtlichkeiten. Die größtenteils wohl betrunkenen Menschen reagierten prompt mit noch mehr lautstarken Beschimpfungen und überaus gehässigem Spott. Offenbar waren sie alle homophob, was wir vorher nicht vermutet hatten, denn in dieser Kneipe verkehrte normalerweise ein ganz anderes, viel toleranteres Publikum.
Der Gedanke, diese Vollidioten endlich zum Schweigen zu bringen, puschte mich zunehmend auf. Die Vorstellung, sie mit meinem Spiel womöglich aufzugeilen, erregte mich immens stark. Ich hatte einen Steifen, noch bevor ich meine Hosen herunterließ und ihn auspackte.
Aber die Reaktion des Publikums auf meine nackte Provokation war dann weniger toll gewesen, viel schlimmer noch, als ohnehin schon irgendwie erwartet. Ich erinnerte mich plötzlich genau, dass mir jemand mit einem Holzstuhl so hart auf den Kopf geschlagen hatte, dass der Stuhl zerbrochen war. Ich hatte nur noch Sterne gesehen und war zu Boden gegangen. Ich erinnerte mich an etliche schmerzvolle Tritte in meine Eier, noch bevor ich richtig angefangen hatte zu masturbieren. Sie traten mich auch noch, als ich schon längst am Boden lag.
Auf dieser Bühne war ich wohl höchstens drei Minuten lang nackt gewesen. Ich hatte gerade nach meinem harten Schwanz gegriffen, da prügelten sie auch schon auf uns ein. Es war ein unheimlicher Tumult entstanden, und Sean musste ebenfalls etliche Schläge und Tritte einstecken. Wir wurden lautstark als „perverse schwule Säue" beschimpft. Der Besitzer der Kneipe, der nur mit großer Mühe und mit Hilfe seiner Kellner die Schlägerei schließlich beenden konnte, war absolut entsetzt von uns gewesen. Wir durften danach nie wieder im Chaos-Tempel auftreten. Aber immerhin waren Sean und ich ein paar Tage lang das absolute Stadtgespräch.
Nun saß ich wieder einmal nackt in meinem Whirlpool und betrachtete Jill verwirrt. Ich konnte ihre naive Bewunderung wegen diesem Mist nicht verstehen. Es war nichts weiter als eine unüberlegte Provokation gewesen, Sean Valmonts verzweifelter Versuch, mit seiner ersten Performance gleich richtig Aufsehen zu erregen.
„Hat es dich Überwindung gekostet, Clay?" fragte Jill mich nun vorsichtig. Wissbegierig wartete sie auf meine Antwort. „Selbstverständlich hat es das!" antwortete ich ihr sofort, um ihren merkbaren Verdacht, ich wäre vielleicht doch ein hypergeiler, perverser Exhibitionist, im Keim zu ersticken. Sie lächelte beinahe erleichtert.
„Aber darum geht es doch die ganze Zeit!" versuchte ich ihr zu erklären, „Das ist doch das Geilste überhaupt, wenn man sich zu etwas überwinden kann! Dieser geile Kick, wenn man etwas tut, was einen Überwindung kostet! Nicht nur im Theater!" Ich schaute sie prüfend an und merkte sofort, dass sie mich nicht verstehen konnte. Sie war nicht der Typ Mensch, der ständig seine Grenzen testete und überwand. Sie brauchte das nicht, um sich lebendig zu fühlen.
„Es ist nur Schade, dass dir dieser Kick nicht reicht", seufzte sie und blickte mich traurig an. Ich konnte ihr nicht folgen. „Wie meinst du das?" Sie deutete auf den Boden. Ich konnte nicht sehen worauf. „Ich finde es sehr Schade, dass du dir deinen Kick zusätzlich auch noch mit Drogen verschaffen musst, Clay! Mit Heroin!" warf sie mir heftig vor.
Ich stöhnte genervt und wich ihrem Blick aus. Sie streichelte plötzlich über meine Schulter, was mir augenblicklich eine Gänsehaut verursachte. „Hör doch auf mit diesem dummen Scheiß, Clay. Mach dich doch bitte nicht so kaputt", redete sie beschwörend auf mich ein. Ich spürte nur noch ihre Hand an meiner nackten Schulter, ihre sanfte Berührung, und ich bekam unvermittelt einen Steifen. Das passierte innerhalb von nur drei Sekunden. Überrumpelt blies ich Luft aus.
Sie streichelte mich eine Weile sehr behutsam, meine Schulter, meinen Hals, meinen Nacken, meinen Rücken. Ich saß ganz still und konnte sie nicht ansehen. „Sag mal, ist dir kalt?" fragte sie, als ich unwillkürlich anfing zu zittern. Ich zwang mich, ganz ruhig zu atmen, und schüttelte nervös den Kopf. „Du bist ja völlig nass! Natürlich ist dir kalt!" stellte sie fest und stand auf, um das Fenster zu schließen.
Ich schloss die Augen, zog die Beine weiter heran und wünschte meine Erektion weg, was allerdings nicht funktionierte. Ich spielte mit dem Gedanken, jetzt einfach damit anzufangen, mir einen runterzuholen.
Jill griff sich eins meiner Handtücher und warf es mir zu. „Trockne dich lieber ab, Clay!" befahl sie mir lächelnd. Ich nahm das Handtuch dankbar und trocknete mich ab. Ich vermied es aufzustehen, denn ich wollte nicht, dass sie meine Erektion bemerkte. Zu gut erinnerte ich mich plötzlich an ihren Spott, als wir uns gemeinsam diesen verdammten Porno angesehen hatten. Die Frau hatte auf meine sexuelle Erregung nur mit niederträchtigem Hohn reagiert. Bestimmt würde sie mich deswegen auch jetzt auslachen, befürchtete ich unruhig.
„Es gibt jedenfalls weit schwierigere Dinge, die man auf einer Bühne tun kann, als ausgerechnet zu wichsen", fing ich an zu reden, weil Jill erneut am Rand des Pools stand, und sie mich so eingehend studierte, dass die Gefahr bestand, dass sie meinen Zustand bemerkte. „Was denn zum Beispiel?" fragte sie lächelnd. „Zum Beispiel einen ellenlangen Text auswendig aufsagen. Ein schwieriges Lied absolut fehlerfrei auf der Gitarre spielen. Oder eine dieser elendig komplizierten Kampfchoreographien vorführen, die Sean sich so gerne ausdenkt", zählte ich auf und warf ihr einen Blick zu.
Im selben Moment wusste ich, dass es ein großer Fehler gewesen war, Sean Valmont zu erwähnen. Jill lächelte breit und kam einen Schritt auf mich zu. „Tust du mir einen Gefallen, Clay?" flüsterte sie drängend. Ich schloss die Augen und drückte das Handtuch schützend um mich. „Wenn es nicht wehtut", sagte ich leise mit geschlossenen Augen.
Sie hockte sich an den Rand des Whirlpools und streichelte erneut sehr sanft über meinen Kopf. „Erkläre mir bitte deine Beziehung zu Sean Valmont", forderte sie mich leise auf. Ich seufzte tief, denn genau so etwas hatte ich befürchtet. Verdammt, dachte ich, warum zur Hölle muss sie mich immer wieder nach Sean fragen?!
„Das kann ich nicht", versuchte ich sie abzuwehren. Ich richtete mich ein wenig auf und guckte sie lauernd an. Sie zog ihre Hand von meinem Kopf zurück. „Warum kannst du das nicht?" hakte sie verständnislos nach. Ich schüttelte den Kopf und sagte nichts. Ich bekam plötzlich das dringende Bedürfnis, eine zu rauchen. Meine Finger und Zehen kribbelten immer noch, und auf einmal war das unangenehm. Ich berührte verstohlen meinen Bauch und fühlte irgendwelche kleinen Wunden, die mir weh taten. Ich erinnerte mich an irgendwas. Meine Erektion fiel sehr langsam in sich zusammen.
Jill betrachtete mich die ganze Zeit abschätzend. Dann lachte sie plötzlich spöttisch. „Weißt du, Clay, je größer das Geheimnis ist, was du aus deiner Beziehung zu Sean machst, um so mehr werde ich dich danach fragen!" setzte sie mir grinsend auseinander. Ich warf ihr einen verärgerten Blick zu. „Was zur Hölle ist denn so interessant an Sean?! Warum fragst du mich pausenlos nach ihm?!" fuhr ich sie an. Sie lachte herausfordernd. „Ich möchte einfach nur verstehen, wie eure Freundschaft funktioniert!"
Ich atmete tief aus, um mich zu beruhigen. „Ich habe dir schon erzählt, dass Sean mir geholfen hat." „Und aus lauter Dankbarkeit lässt du dir alles von ihm gefallen?" fuhr sie verständnislos auf. Die Frau betrachtete mich ungläubig. „Wie meinst du das?" wollte ich verwirrt wissen. Sie grinste breit. „Clay, du hast ja keine Ahnung, was der hier abgezogen hat, um dich aufzuwecken. Er hat wirklich Spaß daran, dir weh zu tun", behauptete sie.
Ich stellte mir Sean in seinem Element vor und musste unwillkürlich lachen. Natürlich wusste ich nur zu gut, dass Herr Valmont es grundsätzlich sehr genoss, mit meinem Körper herumzuspielen. In jeder nur erdenklichen Weise. Aber das wollte ich Jill nicht erklären, denn das war eine private Sache zwischen Sean und mir. Es war etwas, das niemanden etwas anging.
Jill schaute mich abschätzend an. Mein Lachen irritierte sie. „Liebst du ihn?" fragte sie mich plötzlich geradeheraus. Ihr Blick warnte mich, sie jetzt bloß nicht anzulügen. Ich war augenblicklich wie vor den Kopf geschlagen. „Warum interessiert dich das?" versuchte ich nervös, Zeit zu gewinnen, um über ihre Frage nachdenken zu können. Tatsächlich hatte ich mir diese Frage noch nie gestellt. Ich hatte über meine Gefühle für Sean noch nie ernsthaft nachgedacht, fiel mir erstaunt auf.
„Sag es mir doch bitte einfach, Clay!" drängte Jill mich ungeduldig. „Ich weiß nicht", sagte ich ausweichend. „Clay!" stöhnte sie anklagend. Ich fühlte mich durch ihren Tonfall angegriffen. „Warum fragst du mich das? Gefällt dir der Gedanke? Törnt es dich an?" versuchte ich mich gegen sie zu wehren. Aber sie ließ sich auch diesmal nicht von mir einschüchtern. „Was sollte mich antörnen?" wollte sie verständnislos wissen „Die Liebe zwischen zwei Männern! Schwuler Sex!" zischte ich herausfordernd.
Jill lächelte mich mitleidig an und schwieg. Ich versuchte nervös, ihrem Blick stand zu halten, und fühlte mich auf einmal ziemlich schutzlos, so nackt in diesem blöden Whirlpool. „Du hast noch nie darüber nachgedacht, Clay", stellte Jill kopfschüttelnd fest, „Du denkst noch nicht einmal darüber nach, ob du in diesen Mann verliebt bist!"
Sie hatte damit vollkommen recht, und in diesem Moment fragte ich mich zum ersten Mal irritiert, ob ich vielleicht tatsächlich in Sean Valmont verliebt war. Mir wurde bewusst, dass diese Möglichkeit durchaus bestand, dass sie sogar ziemlich wahrscheinlich war. Denn immerhin waren mir solche Gedanken, besonders beim Sex mit ihm, schon öfter mal nebenbei durch den Kopf geflogen. Diese neue, plötzliche Erkenntnis verwirrte mich ungemein. Ich fixierte meine Knie und versuchte, damit fertig zu werden.
Sean
Eigentlich war ich nicht übermäßig überrascht, als Charlotte Hynde ging. Meine Panik deswegen war völlig sinnlos, ein hilfloses Auflehnen gegen das Unvermeidliche. Ihr Weggang war eine logische Konsequenz dieser absolut missglückten Nacht. Eigentlich wusste ich schon, dass sie gehen würde, als sie mich früher am Abend allein in der Garderobe beim Heroinkonsum erwischte. Charlotte konnte und wollte mit diesen Anflügen von entfesseltem Wahnsinn in mir natürlich nichts zu tun haben. Sie zog sich an diesem Abend vor mir zurück, weil sie einen Blick auf mein unverhülltes Inneres erhascht hatte. Meine mühsam errichtete, seriöse Fassade war komplett in sich zusammengebrochen. Ich hatte mich gehen lassen und vollkommen die Kontrolle verloren. Das war unverzeihlich und hätte auf keinen Fall passieren dürfen. Aber ich konnte es nicht mehr ändern.
Dennoch versuchte ich es. Ich versuchte sie aufzuhalten, indem ich ihr nachlief, als sie wütend Clays Badezimmer verließ und zur Wohnungstür eilte. Aber im Grunde wusste ich, dass ich mir diese Mühe sparen konnte. Frau Hynde hatte ihren Entschluss längst gefasst. Es war zu viel passiert, mit dem sie nicht klar kam. Sie hatte entschieden zu viel von dem gesehen, was ich ihr nie hätte zeigen dürfen. Und nun war ich nicht mehr in der Position, um sie irgendwie umstimmen zu können. Jeder Versuch würde ihren Entschluss nur festigen.
Aber ich wollte sie trotzdem nicht so einfach aufgeben. Ich wollte das Ende von Psychotic Kühlschrank nicht akzeptieren. Der Gedanke schmerzte mich zu sehr. Es fühlte sich an, als hätte Charlotte meine Seele mit einem Messer herausgeschnitten und drohte nun damit, sie zu verbrennen. Unter normalen Umständen wäre ich vielleicht völlig durchgedreht in dieser Nacht. Womöglich hätte ich mich tatsächlich selbst getötet. Aber ich war umfassend zugeknallt mit Heroin, und deshalb blieb sogar mein Wahnsinn in betäubtem Rahmen.
„Warte, Charlie, bitte geh nicht!" rief ich ihr nach und lief zu ihr hin. Sie war schon an der Tür und im Begriff zu verschwinden. Aber dann blieb sie stehen und drehte sich zu mir um. Mit einer merkwürdigen Traurigkeit in ihren Augen guckte sie mich an. „Sean...", sagte sie ratlos und seufzte. „Du darfst das nicht so ernst nehmen. Das war doch nur alberner Scheiß!" versuchte ich die Szene im Badezimmer herunterzuspielen. Sie lächelte und schüttelte den Kopf. „Darum geht es doch gar nicht." „Doch, ich glaube doch!" widersprach ich ihr und sah sie flehentlich an.
Schließlich seufzte sie erneut. „Okay, vielleicht auch", gab sie zögernd zu, „Aber eigentlich ist mir das alles zu viel gewesen." „Was denn genau?" versuchte ich herauszufinden. „Alles eben", wiederholte sie unschlüssig. „Bitte erkläre es mir wenigstens, Charlotte!" flehte ich sie an. Dabei wusste ich schon längst, dass ich verloren hatte. Ich wusste genau, dass Charlotte Hynde Psychotic Kühlschrank und mich verlassen würde. Und ihr war klar, dass ich es wusste.
Mit einem mitleidigen Blick schaute sie mich an. „Du solltest eine neue Performance schreiben, Sean. Du solltest überhaupt neu anfangen", schlug sie mir leise vor. „Warum?" fragte ich abermals. Ihr offensichtliches Mitleid ärgerte mich zunehmend. „Du hast gesagt, du lässt mich nicht im Stich!" warf ich ihr plötzlich laut vor. Sie hob abwehrend die Hände und drehte sich von mir weg. „Da dachte ich noch, dass ich dich kennen würde", sagte sie ruhig. „Aber du kennst mich doch!" erwiderte ich sofort, „Du kennst mich vielleicht besser, als ich mich selbst, Charlie!"
Sie wandte sich kopfschüttelnd zur Tür, und ich fragte mich voller Panik, wie ich sie aufhalten konnte. Ich wollte in diesem Moment auf keinen Fall, dass sie ging. Wenn sie durch diese Tür geht, dann ist alles vorbei, tobte es in mir.
Plötzlich drehte sie sich wieder zu mir um. „Verdammt, Sean, warum zum Teufel nimmst du Heroin? Warum schlägst du Clay? Warum spielst du ständig nur Theater?" schrie sie mich wütend an. Ich betrachtete sie erstaunt, irritiert über ihre plötzliche Aggression. „Warum nur hast du mich geküsst?" setzte sie leiser hinzu.
Im nächsten Moment war es auf einmal ganz still. Eine Weile fixierten wir uns intensiv, und ich war wie vor den Kopf geschlagen. Beinahe alles an diesem Abend wäre ein Grund für Charlotte gewesen, das Handtuch zu werfen. Alles andere hätte ich vielleicht sogar verstanden. Aber diesen harmlosen Kuss hatte ich schon längst vergessen. Ich hatte ihm nicht die geringste Bedeutung beigemessen. Ich konnte mich kaum an ihn erinnern, und ich hatte wirklich keine Ahnung, wie es überhaupt dazu gekommen war.
Jetzt starrte ich sie verwirrt an, wie ein Idiot, und brachte keinen Ton heraus. „Ich glaube einfach, dass du nicht ehrlich bist", seufzte Charlotte schließlich, „Ich kann nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der mich anlügt." „Ich habe dich nie angelogen!" widersprach ich verwirrt. „Ich wollte dich nie kränken, Charlie!" versicherte ich ihr hastig. „Du hast mich nicht gekränkt!" behauptete sie trotzig, aber ihr Blick und der Tonfall ihrer Stimme signalisierten mir, dass genau das der springende Punkt war.
Ich versuchte zu verstehen, was überhaupt passiert war, womit genau sie nicht fertig wurde, welcher meiner unzähligen Fehler der entscheidende gewesen war. „Hör mal, das mit dem Heroin... ich nehme es eigentlich nicht. Ich habe schon lange damit aufgehört. Das heute war eine Ausnahme, weil es mir total dreckig ging!" redete ich gegen meine Verwirrung und gegen ihren offen mitleidigen, vorwurfsvollen und zweifelnden Blick an. „Das hoffe ich wirklich für dich", erwiderte sie leise. „Es ist die Wahrheit!" versicherte ich ihr drängend.
„Und warum hast du Clay so mies behandelt?" wollte sie kühl wissen. Ich spürte einen irgendwie vertrauten Stich in meinem Innern, als sie Clay erwähnte. Ich schloss die Augen und zwang mich, mich zusammenzureißen. Ich atmete eine Weile tief durch. Dann schaute ich sie an. Die deutliche Anklage in ihren Augen ärgerte mich. „Ich wollte ihn nur aufwecken", erklärte ich ihr schnell. Sie schnappte spöttisch nach Luft. „Sean, du hast ihm weh getan! Und das Schlimmste daran ist, es hat dir richtig gefallen!" warf sie mir laut vor. „Ich habe ihn aufgeweckt!" wiederholte ich und drehte mich von ihr weg.
Dann schloss ich die Augen und zwang mich, nicht die Kontrolle zu verlieren. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis sie anzuschreien. Ich wollte nicht mit ihr über Clay reden. Sie hatte keine Ahnung. Sie wusste nicht mal annähernd, welche riesigen Ängste ich wegen Clays angeblicher Überdosis ausgestanden hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie wütend und erleichtert ich gewesen war. Ich wollte mich vor ihr nicht deswegen rechtfertigen müssen. Ich konnte es nicht ertragen, dass sie mich als Sündenbock abstempelte. Als wäre es allein meine Schuld, dass sie Psychotic Kühlschrank in die Mülltonne warf.
„Ich dachte immer, dass du Clay wirklich liebst", hörte ich Charlotte leise bemerken. Konfus fuhr ich zu ihr herum. „Aber so ist es doch auch!" rief ich unwillkürlich. „Du hast keine Ahnung, wie sehr", setzte ich drängend hinzu. Sie schüttelte betrübt den Kopf. „Ich weiß es nicht", sagte sie traurig, „Ich weiß gar nichts mehr."
Clay
Es fiel mir zu meinem eigenen Erstaunen nicht leicht, mit dieser neuen Erkenntnis, dass meine Gefühle für Sean sich unbemerkt geändert haben könnten, umzugehen. Wann hatte sich dieses umfassende Ich-bin-dir-für-immer-dankbar-Gefühl in mehr verwandelt? Und warum überhaupt?
Mir war schnell klar gewesen, dass Sean Valmont für mich viel mehr war als das, was man gemeinhin seinen besten Freund nennt. Schon unsere allererste Begegnung hatte die platonische Freunde-Möglichkeit ad acta gelegt.
Mit einem Lächeln erinnerte ich mich an diesen Augenblick, als ich ihn in der Kunsthochschule am Rand dieser Aula entdeckte. Ich saß allein auf der Probebühne, auf diesem unbequemen, wackeligen Stuhl. Ich spielte eine schwierige Version von Wish you were here auf der Gitarre, und diese komische Jury, die überwiegend aus Professoren bestand, saß unten dicht vor der Bühne und lauschte mir andächtig. Ich wusste aufgrund ihrer Reaktion auf mein Spiel sofort, dass der Studienplatz für Musik mir so gut wie sicher war.
Aber da stand noch jemand, ganz hinten im Saal, weit hinter den Professoren, die ihn nicht bemerkten. Und auch diese Person hörte mir sichtbar gebannt zu. Es war jemand, der hier eigentlich gar nicht hingehörte, der hier überhaupt nicht sein durfte, denn unbeteiligte Zuschauer waren beim Vorspielen nicht erlaubt. Je länger ich ihn ansah, umso mehr fiel mir auf, wie verdammt gut er aussah. Dieser Mann war unglaublich hübsch, beinahe atemberaubend attraktiv. Er war wohl ungefähr in meinem Alter, aber groß und blond, mit fantastischen, auffallend hellblauen Augen in einem perfekten Gesicht und einem schlanken, wohlgeformten Körper.
Sean bemerkte vielleicht meinen unwillkürlich gefesselten Blick. Er hat wohl mein vage signalisiertes Interesse richtig eingeordnet. Nach dem Vorspielen fing er mich auf dem Flur ab. „Du kannst echt verdammt gut Gitarre spielen", sagte er zu mir. „Deine Stimme ist toll", behauptete er lächelnd mit blitzenden, blendend blauen Augen. „Wollen wir auf die Toilette gehen?" fragte er mich unvermittelt und geradeheraus.
Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nie Sex mit einem Mann gehabt. Aber wie immer war ich scharf darauf, meine Grenzen auszutesten, neue und unbekannte Wege zu beschreiten. Dieser äußerst attraktive Mann zog mich beinahe magisch an. Sein offenes Interesse an mir schmeichelte mir ungemein. Ich willigte also mit einem Nicken ein, ohne viel darüber nachzudenken.
Ich folgte ihm mit klopfendem Herzen und meinem großen Gitarrenkoffer auf diese Universitätstoilette, und er schloss hinter uns die Kabinentür ab. Dies war absolut kein erotischer Ort. Es war sehr eng, irgendwie dunkel, doch wenigstens halbwegs sauber. Es gab dort keinerlei Bequemlichkeiten. Obendrein mussten wir uns beeilen, weil wir auf keinen Fall erwischt werden wollten.
Aber all das wurde schnell vollkommen gleichgültig, vielleicht erregte es uns auch zusätzlich, ihn sicherlich mehr als mich. Sean Valmont machte in diesen paar Minuten irgendetwas mit mir, was ich zuvor noch nie erlebt hatte. Ich war den Sex mit Frauen gewöhnt, die trotz aller Gemeinsamkeiten doch ganz anders funktionieren. Dieser fremde Mann fasste mich zum ersten Mal an und überwältigte mich sofort damit. Seine Finger schienen überall gleichzeitig zu sein, seine Berührung fand unzählige versteckte Stellen mit extrem empfänglichen Nervenenden an mir. Seine ungewohnten Zärtlichkeiten schlugen extrem bei mir ein, sodass ich nur noch nach Luft schnappte. Er musste mir sogar den Mund zuhalten, weil ich ungewollt viel zu laut wurde.
Als zwischendurch jemand in den Vorraum der Toilette kam, verharrten wir minutenlang völlig bewegungslos, körperlich verbunden, dicht aneinandergelehnt an der Wand, seine warme Hand über meinem Gesicht, damit ich keinen Ton von mir gab.
Vielleicht hielten wir uns insgesamt zehn Minuten in dieser engen Kabine auf, aber für mich fühlte es sich so an, wie eine Ewigkeit. Ich erinnere mich kaum, was eigentlich genau passiert ist, was ich getan habe, ob ich Valmont überhaupt richtig angefasst habe, was ich irgendwie bezweifle. Jedenfalls kamen wir beide ziemlich schnell zum Höhepunkt. Und ich hatte vorher definitiv keine Ahnung gehabt, dass ich in der Lage war, so gewaltig zu empfinden.
Hinterher fühlte ich mich wie erschlagen. Ich zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub und brauchte bestimmt eine viertel Stunde, um mich einigermaßen zu beruhigen. Er blieb während dieser Zeit bei mir, lächelte liebevoll und streichelte ganz zart mein Gesicht. Noch eine neue Erfahrung.
Später trennten wir uns ohne ein einziges Wort. Ich war total durch den Wind. Zu all meinen vielen Begierden war unverhofft eine weitere Sucht hinzugekommen: Sean Valmont. Ich genoss den zugegebener Maßen recht häufigen Sex mit ihm gewaltig.
Aber ich wollte auf gar keinen Fall schwul sein. Denn Schwule waren die, über die man sich lustig machte, die geschlagen und diskriminiert wurden. Schwule waren keine echten, richtigen Männer und sie schmorten mit Sicherheit nach ihrem Tod in der Hölle.
Das war es zumindest, was meine Familie mir mehr als einmal brutal einhämmerte, wenn sie mich bei einer ihrer Meinung nach unmännlichen Aktivität erwischte, was eigentlich pausenlos passierte. Nach vier Töchtern sollte ihr erster Sohn unbedingt ein richtiger Mann werden, das war der größte Ehrgeiz meiner Mutter. Sie wollte einen Jungen, der unter Mädchen aufwuchs, auf keinen Fall verweichlichen. Leider entsprach ich so gar nicht ihren Vorstellungen von einem richtigen Mann. Meine Liebe für die Natur, die vielen Farben, die Musik, die Malerei, für Bewegung und Tanz, alles erschien ihr schwul an mir, und deshalb war es in ihren Augen falsch. Meine Schwestern steckte sie mit ihren Überzeugungen an. Sie benutzte alle vier als Spione, um meine Männlichkeit zu überprüfen. Ständig wurde ich für Dinge, die mir gefielen, angeschrien, ausgelacht oder verprügelt.
Meine Mutter zerriss wütend meine ersten Zeichnungen, die ich ihr stolz gezeigt hatte, und schimpfte mich tagelang dafür aus. Seitdem habe ich nur noch heimlich gemalt und die Bilder ängstlich vor ihr versteckt. Meine Mutter hasste es, wenn mein Vater mich mit in seine Bildhauerwerkstatt nahm und mir beibrachte, wie man aus formlosem Ton die schönsten Skulpturen herstellte. Wegen mir haben sich meine Eltern pausenlos gestritten, womöglich haben sie sich letztendlich wegen mir getrennt.
Diese unzähligen schmerzhaften Kindheitserinnerungen lauerten ständig irgendwo in meinem Unterbewusstsein. Diese unangenehmen Gedanken und Gefühle lähmten mich, und ich wurde sie nicht los. Obwohl mir schwuler Sex sehr gefiel, hatte ich deshalb immer das Bedürfnis, meine homosexuellen Kontakte mit möglichst vielen One-Night-Stands mit allen möglichen Frauen, die sich mir irgendwie anboten, wieder auszugleichen. Denn Frauen waren sehr wohl in der Lage, mich sexuell zu erregen.
Abgesehen davon war Seans Schwulsein und seine umfassende Liebe zu mir immer der einzige Punkt in unserer Beziehung gewesen, indem ich mich ihm gegenüber überlegen fühlen konnte.
Sean Valmont sah nämlich nicht nur bedeutend besser aus, er war vor allem so verdammt viel intelligenter als ich. Er war ein mit vielen Auszeichnungen studierter Kopf. Er hielt tatsächlich an der Universität Seminare ab, Vorträge über Dramaturgie und so etwas. Er wusste immer mehr als ich, und er wurde immer irgendwie mit allem fertig.
Aber er war schwul und ich nicht. Seine Gefühle machten ihn verletzlich und schwach. Er liebte mich völlig bedingungslos, und deshalb hatte ich ihn in der Hand. Ich war nicht dazu bereit, diesen Vorteil aufzugeben. Überhaupt hatte ich es bisher immer tunlichst vermieden, mich wirklich ernsthaft in jemanden zu verlieben, denn das bedeutete eine Schwäche, der ich mich nicht ausliefern wollte. Und schon gar nicht Sean Valmont gegenüber. Auf gar keinen Fall.
Jill
Clay saß noch immer nackt in seinem leeren Whirlpool, der arme Kerl, und er tat mir zunehmend leid. Unbehaglich wand er sich auf dem offensichtlich langsam unbequemen, bestimmt harten Marmor und den Wasserdüsen des Pools herum. Er dachte anscheinend fieberhaft nach, was mich wirklich wunderte, denn Grübeleien passten so gar nicht zu ihm. Ich konnte kaum glauben, dass er sich über seine eigenen Gefühle so unklar war. Die Möglichkeit, dass er vielleicht in Sean verliebt war, schien ihm überhaupt nicht zu gefallen.
Hilflos hockte er dort, das Handtuch schützend an den nackten Körper gedrückt, und starrte verwirrt auf seine Knie. Ich betrachtete ihn eine Weile. Eigentlich ist er doch ein ganz hübscher Kerl, dachte ich plötzlich.
„Warum erschreckt dich der Gedanke so?" fragte ich ihn schließlich. Er seufzte nur und schloss abwehrend die Augen. „Was wäre so schlimm daran, in Sean verliebt zu sein?" hakte ich unbeirrt weiter nach. Er ist mir ausgeliefert, merkte ich gerührt, Clay Banton ist mir schon die ganze Zeit ausgeliefert, schon seit wir in diese Wohnung kamen. Er hat mir nichts entgegen zu setzten. Er ist gar nicht in der Lage, es ernsthaft mit mir aufzunehmen, schon gar nicht nackt in seinem Whirlpool.
„Warum...", setzte ich nochmal an, als er plötzlich zu mir herum fuhr. Verärgert funkelte er mich an. „Ich glaube nicht, dass ich jetzt mit dir darüber sprechen möchte, Jill!" machte er mir laut klar. Ich lächelte ihn an. „Weißt du, du solltest dir aber schon langsam mal Gedanken über deine Gefühle machen!" erklärte ich ihm sanft. „Meine Gefühle gehen dich einen Scheißdreck an!" fauchte er aggressiv. Dann drehte er sich hilflos von mir weg und versuchte aufzustehen, das Handtuch schützend um sich gewickelt. Ich beobachtete ihn amüsiert. „Wer hat dir diese blauen Flecken verpasst, Clay? War Sean das?" fragte ich ihn herausfordernd und starrte ungeniert auf seinen Körper.
Er fühlte sich jetzt offensichtlich zum ersten Mal unwohl in seiner nackten Haut. Amüsiert bemerkte ich seine Verlegenheit, die unbegründet war, wie ich fand. Ich hatte seinen Körper schon genauestens studiert, und es gab nichts daran auszusetzen, im Gegenteil. Aber Clay war nun darum bemüht, sich meinen Blicken und meinen Fragen zu entziehen. Er stand mühsam auf und kletterte aus dem Pool. „Mir ist kalt. Ich zieh mir was an", murmelte er schüchtern und taumelte zur Tür.
Im selben Moment ging die Tür plötzlich auf und Sean kam herein. Nur einen Moment starrten die beiden sich überrascht an. Sean hatte wohl nicht damit gerechnet, dass Clay nicht mehr im Pool saß. Und Clay brauchte nur einen einzigen Blick, um zu erkennen, dass etwas Unangenehmes passiert war.
„Was ist los?" fragte er sogleich. Auch ich konnte Sean ansehen, dass sein Gespräch mit Charlotte zu keinem erfreulichen Ergebnis gekommen war. Seine Verzweiflung und Wut standen ihm ins Gesicht geschrieben. „Was hat sie gesagt?" drängte Clay, der offenbar froh war, mein aufdringliches Interesse von sich ablenken zu können. „Sie wird gehen. Es ist vorbei. Psychotic Kühlschrank ist tot", erklärte Sean uns ruhig. Er seufzte und warf mir einen verärgerten Blick zu, der mir ganz offen signalisierte, dass meine Anwesenheit nicht länger erwünscht war. Aber sein ablehnendes Verhalten machte mich nur noch neugieriger.
Ich stand dort und beobachtete die beiden Männer interessiert. „Was soll das bedeuten?" fragte Clay ihn verwirrt, „Was heißt das, sie wird gehen?" Sean betrachtete ihn verächtlich. „Das heißt sie wird gehen, verdammt! Sie haut ab und lässt uns im Stich." „Psychotic Kühlschrank funktioniert aber nicht ohne Charlie!" rief Clay aufgebracht. Sean lächelte ihn mitleidig an. „Ach wirklich? Du merkst aber auch alles!" Clay stand hilflos da. Er hielt das Handtuch um seinen Unterleib geschlungen fest und brauchte eine Weile, um mit dieser Kränkung und der Tatsache fertig zu werden.
„Ist das meine Schuld?" wollte er dann plötzlich entsetzt wissen. Sean lächelte augenblicklich beinahe zärtlich. „Nein", beruhigte er Clay und streckte die Hand nach ihm aus. Aber im letzten Moment zog er seine Hand wieder zurück und warf mir nochmal einen Blick zu, der mich förmlich aus der Wohnung warf. Seans Abscheu gegen mich war nun erneut ganz offensichtlich.
Clay schien das jedoch nicht zu bemerken. Der Gedanke, er könnte Schuld am Ende ihrer Performance sein, machte ihm merkbar sehr zu schaffen. „Ich wollte nicht...", begann er entschuldigend. „Es ist nicht deine Schuld, Clay!" unterbrach Sean ihn, „Es ist meine Schuld." „Nein, das glaube ich nicht!" widersprach Clay ihm sofort. Sean lächelte kläglich. „Ich bin heute echt ausgeklinkt. Das war zu viel für Charlotte", sagte er betrübt. „Ich habe...", fing er mit einer Erklärung an und brach dann abrupt ab. Er guckte mich abermals feindselig an und schwieg. Offenbar wollte er nichts mehr sagen, solange ich es hören würde. Clay bemerkte Seans Zögern und seinen Blick und drehte sich irritiert zu mir um.
Im nächsten Moment fiel sein Blick auf den Fußboden neben dem Whirlpool, auf dem noch immer unverändert seine Drogen lagen. Seine Augen weiteten sich augenblicklich entsetzt. „Warum liegt das Zeug da herum?!" entfuhr es ihm panisch. Anklagend sah er von Sean zu mir und stürzte förmlich auf den Boden. Hastig fing er damit an, sein Rauschgift einzupacken. „Warum liegt das alles hier so offen herum?" fragte er uns extrem verärgert. „Du hast es wohl da liegen lassen!" meinte Sean verächtlich. Clay drehte sich kopfschüttelnd zu ihm hin. „Nein, ich habe das auf keinen Fall..."
„Du hast mir gesagt, du nimmst es nicht mehr! Du wolltest damit aufhören!" schrie Sean plötzlich wütend los, ging spontan auf ihn zu und griff ihn hart im Nacken. Es war offensichtlich, dass er einmal mehr seine Wut auf Clay als Ventil für seine aufgestauten Emotionen benutzte. „Und jetzt bist du schon wieder total zugeknallt!" warf er Clay laut vor. „Ja, ganz genau wie du!" entgegnete Clay nicht weniger laut und aggressiv. Sean schlug ihn daraufhin ein paarmal gegen die Oberarme. Clay wehrte ihn ab und schlug zurück.
Ich betrachtete die beiden überrascht. Wie merkwürdig zärtlich ihre Prügelei dort auf dem Boden war! Sie schlugen wütend aufeinander ein, und doch schienen beide sich dabei wohl zu fühlen. Hinter ihren Aggressionen steckte eine ganz seltsame Hochachtung voreinander, ja mehr noch. Hinter ihrem Zorn glaubte ich plötzlich eine echte und tiefe Liebe zu entdecken. Es war die selbe Art von Übereinstimmung, die ich auch schon auf der Bühne im Theater gespürt hatte. Aber hier, in privatem Rahmen, entlud sich ihre liebevolle Vertrautheit mit voller Wucht. Überwältigt von ihren spürbaren Emotionen füreinander beobachtete ich die beiden großen, attraktiven Männer. Warum stehen sie nicht einfach dazu, fragte ich mich verständnislos, warum machen sie es sich selbst so schwer?
„Ich habe das Zeug hier nicht liegen lassen!" betonte Clay immer wieder, „Ich würde es niemals so offen liegen lassen!" „Ja, du versteckst es lieber, damit ich es nicht merke, wenn du es nimmst!" beschuldigte Sean ihn verächtlich. „Du nimmst es doch selber!" entgegnete Clay atemlos. Sean hatte ihn jetzt kniend von hinten am Hals gepackt und zog ihn heftig zu sich heran. Beide atmeten schwer. Clay kniete mit dem Rücken gegen Sean gelehnt, die Augen geschlossen, das Gesicht an seinem Hals. Er schien beinahe gierig Seans Geruch in sich aufzusaugen. Der nackte Mann hatte bei der Rangelei sein Handtuch verloren, deshalb konnte ich es sofort sehen, als er eine Erektion bekam.
Eine Minute lang hockten die beiden so dicht hintereinander, atmeten laut und genossen sichtlich die Nähe des anderen. Sean würgte Clay brutal und gleichzeitig zärtlich, und drückte ihn fest an sich. Clay stöhnte leise. Sein Penis wuchs in Sekundenschnelle, worüber ich mich amüsierte. So leicht kann das also gehen, wenn Clay die richtige Stimulation bekommt, grinste ich belustigt. Ich fragte mich, ob Seans Körper wohl genauso unmittelbar reagierte.
Aber Sean besann sich plötzlich auf meine Anwesenheit. Er starrte mich alarmiert an und ließ Clay erschrocken, hastig los. Clay schnappte nach Luft und brauchte einige Zeit, um sich zu orientieren. Dann guckte er mich verwirrt an, erst erschrocken, dann resignierend. Ihm war sofort klar, dass ich alles mitgekriegt hatte. Er registrierte meinen amüsierten Blick auf seinen Schwanz und wurde tatsächlich rot. Nervös suchte er das Handtuch und drückte es dann schützend an sich. „Ich zieh mir was an", informierte er uns beschämt, stand stolpernd auf und verließ fluchtartig sein Badezimmer. Ich schaute ihm amüsiert nach.
Dann bemerkte ich Seans Blick, der ganz offen feindselig war, nahezu tödlich. Sean Valmont versuchte nicht im Geringsten, seine Abneigung gegen mich zu verbergen. Das wird interessant, dachte ich erfreut, und machte mich innerlich bereit für diese Konfrontation.
Eine ganze Weile schwiegen wir uns an. Dann fragte Sean auf einmal äußerst abfällig: „Wo hat er dich denn aufgerissen?" Der Mann fragte das mit der klaren Absicht, mich zu verletzen. Aber da kannte er mich schlecht. Er hätte mich mit nichts verletzen können. Im Gegenteil, seine offene Feindseligkeit weckte nur meinen großen Kampfgeist. Außerdem sah Sean Valmont so unglaublich gut aus, dass es allein deswegen schon eine Freude war, mit ihm in diesem Zimmer zu sein und ihn anzusehen.
„Warum denkst du, dass Clay mich irgendwo aufgerissen hat?" fragte ich ihn betont freundlich. „Du wärst nicht die Erste", entgegnete er schroff. „Schleppt Clay öfter mal Frauen ab?" erkundigte ich mich interessiert. „Ständig", sagte Sean ohne erkennbare Gefühlsregung. Er stellte es nur fest, aber seine Augen funkelten aggressiv. Ich lächelte ihn beschwichtigend an. „Mich hat er aber nicht aufgerissen. Es war eher umgekehrt", erzählte ich ihm, „Ich habe Clay vor dem Theater getroffen und ihm gesagt, dass ich ein Fan von ihm bin." Sean grinste spöttisch. „Und bist du das?" wollte er verächtlich wissen. „Ja", behauptete ich, „Ich bin auch von dir ein großer Fan, Sean." Er verzog widerwillig das Gesicht.
Du kannst ihm nichts vormachen, registrierte ich sofort, mit Schmeicheleien kommst du bei ihm nicht weiter. Sean Valmont schien offenbar weitaus intelligenter als Clay Banton zu sein, deshalb beschloss ich intuitiv, ehrlich zu ihm zu sein. Das war der einzige Weg zu seinem Vertrauen.
„Aber das war nicht der Grund, warum ich mit Clay reden wollte." „Und was war der Grund?" erkundigte Sean sich bei mir. Er ließ mich nicht aus den Augen. Die ganze Zeit taxierte er mich misstrauisch, doch seine Feindseligkeit legte sich erstaunlich schnell. Ich lächelte. „Ich brauche Informationen über euch", gab ich offen zu und erwartete seine Reaktion.
Sean blickte mich abschätzend an. Er begriff augenblicklich. Die Tatsache, dass ich etwas über ihn schreiben wollte, schien ihm nicht unsympathisch zu sein. „Für wen schreibst du?" wollte er neugierig wissen. Sein Interesse freute mich. „Ich bin Jill Bennet von Bennet's Blog. Und ich arbeite nebenher für Kult", informierte ich ihn. „Vielleicht krieg ich euch im nächsten Heft sogar auf die Titelseite!" stellte ich ihm lockend in Aussicht. Sean war jedoch davon kaum beeindruckt. Er nickte nur und betrachtete mich weiterhin lauernd. Er war immer noch argwöhnisch.
Eine Weile dachte er über diese neuen Informationen nach. Dann verdüsterte sich plötzlich seine Miene. „Hör zu, ich will nicht, dass du über diese Scheiße hier schreibst, verstanden?!" rief er verärgert und stand auf. Mir war nicht ganz klar, was genau er damit meinte. „Welche Scheiße?" wollte ich von ihm wissen. „Na, dieser ganze Mist hier!" fauchte Sean und machte eine weitläufige Handbewegung, die das ganze Badezimmer einschloss.
Anscheinend meinte er alles, was in der letzten Stunde in diesem Zimmer passiert war. „Ich will auf keinen Fall, dass du darüber schreibst!" machte er mir drohend klar und kam ein paar Schritte auf mich zu. Ich hob abwehrend die Hände. „Natürlich nicht, Sean!" lenkte ich sofort ein. „Ich will alles sehen bevor es veröffentlicht wird!" verlangte Sean lauthals. Offenbar hatte er schon schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht. Ich versprach es ihm hastig.
Er blieb stehen und schaute mich prüfend an. Beunruhigt registrierte ich, dass Herr Valmont mir tatsächlich große Angst machen konnte, wenn er so drohend auf mich zukam. Ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie ungebändigt und brutal er auf Clay einschlagen konnte. Verärgert nahm ich mir vor, mich nicht von ihm einschüchtern zu lassen.
Aber jetzt stand er einfach nur dort. Er holte eine Zigarette aus seiner Lederjacke, zündete sie an und betrachtete mich abwartend. Blitzschnell überlegte ich mir eine Frage. „Ist Clay reich?" fragte ich ihn, bemüht um einen neutralen Anfang. Sean grinste amüsiert, was mich sehr erleichterte. „Ist das etwa dein Eindruck von ihm?" erwiderte er erstaunt. „Natürlich! Sieh dich doch bloß mal um!" machte ich ihm klar und deutete auf den wertvollen Whirlpool.
Sean folgte meinem Blick. „Clay ist immer wieder mal reich", antwortete er mir irgendwie belustigt. „Vom Theaterspielen?" wollte ich wissen. Sean lachte spöttisch auf und guckte mich wieder an. Seine fantastisch hellblauen Augen blitzten amüsiert, obwohl sie ein wenig gerötet waren, wie mir jetzt erst auffiel. Diese Rötung konnte nicht von seinen Tränen der Erleichterung stammen, als er Clay lebend gefunden hatte. Hat dieser große, coole Mann tatsächlich vor Kurzem geweint? Warum wohl? fragte ich mich ehrlich erstaunt.
„Nein, ganz bestimmt nicht vom Theaterspielen! Wir sind beim Off-Theater! Das machen wir nicht wegen des Geldes! Das ist eher hobbymäßig!" erklärte er mir grinsend. „Hat er etwa im Lotto gewonnen?" fragte ich, sehr darum bemüht, die Stimmung weiter aufzulockern. Sean lachte abermals und schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube, er hat noch nie im Leben Lotto gespielt", kicherte er. Dann schaute er mich offen an.
Sein jetzt neutrales Interesse beruhigte mich ungemein. „Woher kommt dann sein Wohlstand? Wie konnte er sich diese Wohnung leisten und seinen Sportwagen?" fragte ich neugierig. Sean lächelte über meinen Eifer. „Herr Banton hat eine echt erstaunliche Begabung fürs Zeichnen. Das ist dir doch bestimmt schon aufgefallen. Und dazu hatte er viel mehr Glück als Verstand. Er brauchte nur zwei kuratierte Ausstellungen, um ein Vermögen mit seinen Bildern zu machen!" informierte er mich ohne Neid in der Stimme. „Ja, ich habe seine Zeichnungen gesehen", warf ich ein. „Er kann das noch viel besser", meinte Sean mit ehrlicher Anerkennung.
„Hast du ihm zu diesen Ausstellungen verholfen?" fragte ich ihn. Überrascht blickte er mich an und schwieg eine Weile nachdenklich. Dann sagte er zögernd: „Irgendwie schon. Wie kommst du darauf?" Er fragte sich zweifellos, woher ich das wusste, wie viel ich überhaupt schon von ihm wusste. Sein Blick wurde wieder vorsichtiger. „Clay hat es mir erzählt", sagte ich schnell. „Darüber habt ihr gesprochen? Über mich?" erwiderte Sean erstaunt. Ich nickte und beschloss, lieber das Thema zu wechseln.
„Was hat Clay mit dem ganzen Geld gemacht? Du hast gesagt, er wäre immer wieder mal reich." Seans Gesicht verdunkelte sich. „Kannst du dir das nicht denken?" fragte er leise und wandte sich von mir ab. Natürlich konnte ich es mir denken. Clay Banton hat sein Vermögen in Drogen angelegt, dachte ich verächtlich. Dieser süchtige Idiot hat sich diese Wohnung und den MG angeschafft und den Rest des Geldes einfach verballert.
„Nimmst du auch Heroin?" wollte ich behutsam von Sean wissen. Er drehte mir jetzt den Rücken zu und reagierte eine ganze Weile nicht. Vielleicht überlegte er, ob er mir darauf antworten wollte. Ich wartete gebannt, denn diese sehr persönliche Frage entschied, ob Sean mir vertraute, oder nicht. Endlich murmelte er ganz leise: „Selten." Ich atmete erleichtert aus. Er hatte mir tatsächlich geantwortet.
„Wisst ihr denn nicht, dass ihr euch damit kaputtmacht?" konnte ich mir nicht verkneifen zu bemerken. Sean hörte die Anschuldigung in meiner Stimme und drehte sich zu mir um. Lauernd betrachtete er mich. Ich bereute meinen Vorwurf sofort. „Tut mir leid. Das geht mich nichts an", versuchte ich hastig, meinen Fehler wieder auszubügeln. Sean lächelte darüber. „Das musst du mir wirklich nicht sagen", bemerkte er leise. „Ihr seid richtig gut auf der Bühne! Es wäre Schade, wenn das durch gefährliche, harte Drogen kaputtgehen würde!" erklärte ich ihm und meinte es ehrlich. Sein Lächeln gefiel mir. Sean Valmont sieht so verflixt gut aus, schoss es mir erneut durch den Kopf. Er kann so einnehmend charmant lächeln.
„Frag mich was anderes!" forderte er mich unvermittelt auf, setzte sich auf den Rand des Whirlpools und rauchte tief. Mein Interesse schien ihm langsam zu gefallen. „Wie bist du beim Theater gelandet?" fragte ich ihn. „Ich habe es studiert", antwortete er schlicht. „Wolltest du schon immer Theater spielen?" Er grinste und schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich wollte ich ein weltberühmter Filmschauspieler in Hollywood werden." Sean lächelte mich an, und ich war mir nicht sicher, ob er mich nicht gerade neckte.
Aber sein Lächeln war jetzt plötzlich so freundlich, beinahe liebevoll, dass mir ganz schwindelig wurde. Er ist so unglaublich attraktiv, dachte ich schon wieder. „Ich bin aber einfach nicht gut genug. Deshalb bin ich beim Off-Theater gelandet und werde wohl auch immer da bleiben", stellte Sean ruhig fest. Ich schüttelte automatisch den Kopf. „Nein, das stimmt doch nicht! Rede dir das doch nicht ein, Sean! Du bist fantastisch auf der Bühne! Psychotic Kühlschrank ist ein Meisterwerk!" widersprach ich ihm spontan.
Er lächelte amüsiert. „Ja, klar, Jill! Wenn du heute dort warst, dann hast du ja gesehen, wie fantastisch ich bin. Dann weißt du ja, wie unglaublich erfolgreich Psychotic Kühlschrank ist. Das Theater ist ständig ausverkauft, wenn wir es spielen!" meinte er sarkastisch. Natürlich wusste ich, dass seine Performance eher nur so vor sich hin dümpelte, und das Theater heute Abend gerade mal zur Hälfte gefüllt gewesen war. Er hatte Recht damit, nicht besonders erfolgreich zu sein. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich das Bedürfnis, ihn aufzubauen.
„Du bist ein echt guter Schauspieler und Regisseur!" beharrte ich, „Psychotic Kühlschrank hat sich doch erstaunlich lange verkauft. Und du wirst noch viele bessere Stücke schreiben, Sean!" Erleichtert merkte ich, dass meine Worte ihm gefielen. Sean Valmont war gegen meine Komplimente also nicht völlig immun. „Warum glaubst du das?" wollte er wissen. „Weil Clay davon überzeugt ist, dass du gut bist. Und Clay kennt dich ganz bestimmt am allerbesten!" erklärte ich ihm mit Bedacht und ging einen Schritt auf ihn zu.
Seans Lächeln starb augenblicklich. Sein Blick wurde achtsam. „Ihr habt über mich gesprochen?" erkundigte er sich abermals lauernd. Ich nickte. „Clay hält große Stücke auf dich. Du hast sein Leben gerettet. Er ist dir unglaublich dankbar!" eröffnete ich ihm eifrig.
Herr Valmont saß dort vor mir auf den Stufen des Whirlpools und meine emsigen Worte überforderten ihn ganz offensichtlich. Er rauchte plötzlich nervös und schnippte die Kippe dann einfach auf den Boden. Er atmete aus und sah mich alarmiert an. Er wusste nichts zu sagen. „Clay Banton liebt dich!" riskierte ich daraufhin zu bemerken. Gespannt beobachtete ich seine Reaktion. Ich hatte den Eindruck, er musste sich richtig anstrengen, um nicht zusammenzuzucken. Sein Blick wurde prüfend, seine schönen Augen verengten sich. Er schwieg sehr lange.
„Warum glaubst du das?" fragte er endlich vorsichtig. „Ich weiß es!" erwiderte ich überzeugt. Verärgert sprang Sean auf, und ich wich automatisch ängstlich vor ihm zurück. Seine Stimmungen wechseln genauso schnell, wie die von Clay, merkte ich beunruhigt. Er kann von einer zur nächsten Sekunde wütend oder freundlich sein, angriffslustig oder entspannt. Clay und Sean sind sich in dieser kindlichen Eigenschaft unglaublich ähnlich, registrierte ich irritiert.
Sean fixierte mich jetzt wieder feindselig, und ich bereute es tief, davon angefangen zu haben. „Warum denkst du, dass Banton mich liebt? Etwa nur, weil er vorhin einen Ständer gekriegt hat?!" zischte Sean aufgebracht und schüttelte verächtlich den Kopf. „Nein, weil er es heute zum ersten Mal selbst gemerkt hat!" erklärte ich ihm hastig.
Daraufhin war er still und taxierte mich nur verwirrt. „Ich habe ihn danach gefragt, und es wurde ihm zum ersten Mal selbst klar!" erzählte ich Sean beschwörend. Aber der schüttelte immer noch den Kopf. „Hör sofort auf damit, Bennet. Verarsch mich nicht", flüsterte er drohend. „Ich verarsche dich nicht, Sean! Ich sage dir die Wahrheit!" versuchte ich ihn zu überzeugen. Aber meine Worte verärgerten ihn nur noch mehr. Er holte aufgebracht tief Luft.
„Was hast du mit Clay gemacht?!" schrie er mich plötzlich wütend an. Ich konnte seinen Gedanken nicht folgen. „Was meinst du denn jetzt?" erkundigte ich mich irritiert. „Er hatte keine scheiß Überdosis! Du hast mich echt dreist angelogen!" brüllte Sean aufgebracht und kam erneut drohend auf mich zu. Verärgert spürte ich meine Angst vor ihm auflodern und griff instinktiv verstohlen nach meinem Elektroschocker in meiner Tasche. „Ich habe nicht gelogen. Ich hatte Angst um Clay", versuchte ich Sean zu beruhigen. Doch er fauchte nur verächtlich. „Clay hatte niemals eine scheiß Überdosis!" schrie er mich aggressiv an. Der Mann hob tatsächlich seine Hand und wollte mich offenbar schlagen.
In diesem Moment zog ich reflexartig meinen Elektroschocker aus der Tasche und hielt ihn drohend auf Sean gerichtet. „Komm mir nicht zu Nahe, Sean! Bleib da stehen!" warnte ich ihn mit fester Stimme. Er stoppte augenblicklich und starrte eine Weile irritiert auf das schwarze Gerät in meiner Hand. Als er es identifiziert hatte, hob er abwehrend die Hände und ging vorsichtig zwei Schritte rückwärts. Abschätzend betrachtete er mich. „Ist es das? Hast du Clay damit ausgeschaltet?" wollte er kühl von mir wissen. Mir war klar, dass ein Leugnen überhaupt keinen Sinn mehr hatte. „Ja", gab ich deshalb sofort zu.
Sean musterte mich einige Zeit, dann grinste er plötzlich amüsiert, was mich unglaublich erleichterte. „Du hast ihm wahrhaftig einen Elektroschock verpasst?!" stellte er fassungslos fest. „Er wollte verhindern, dass ich dich anrufe", erklärte ich Sean und deutete auf Clays Handy, was immer noch auf dem Boden lag. Sean folgte meinem Blick. „Was? Er wollte verhindern, dass du mich anrufst?" erkundigte er sich verwirrt. „Er wollte auf gar keinen Fall, dass ich dich anrufe. Er hatte große Angst davor, dass du hierher kommst", erzählte ich Sean.
Der lächelte jetzt plötzlich wieder äußerst charmant. „Warum denn das?" wollte er ehrlich erstaunt von mir wissen. Ich hob die Schultern, extrem erleichtert darüber, dass sich die Situation wieder entspannt hatte. „Das sollten wir ihn vielleicht fragen", schlug ich vor. Sean betrachtete mich eine Weile schmunzelnd, als würde er abschätzen, welche gefährlichen Überraschungen ich wohl noch verborgen hielt.
Clay
Diese Situation fing später damit an, mich irgendwie zu nerven. Ich fühlte mich nackt in meinem leeren, nassen, harten Whirlpool zunehmend unbehaglich. Jill starrte unentwegt lüstern auf meinen Körper. Das war mir peinlich, und ich wollte ihr nicht länger so schutzlos ausgeliefert sein. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, von ihr angestarrt zu werden. Ich hatte nicht mal mehr Lust auf Sex mit ihr. Ich war zugeknallt und träge, und ich wollte nicht über diese Dinge nachdenken, die sie mir hartnäckig aufzwang. Ich wollte nicht über die Vergangenheit, über Sean oder meine Gefühle nachdenken. Jills unerbittliche, wissbegierige Art, bis tief in meine Seele vorzudringen, gefiel mir überhaupt nicht. Ich fühlte mich ihrer Intelligenz nicht gewachsen.
Ich stand auf und bemühte mich, nicht hinzufallen, und das verdammte Handtuch war viel zu klein, um ein wirkungsvoller Blickschutz zu sein. Jill fragte mich nach meinen blauen Flecken und ich dachte nur, warum hört sie nicht endlich auf mich anzugaffen, und ich hatte das Gefühl, gleich kotzen zu müssen.
Im nächsten Moment stand ich an der Tür und plötzlich kam Valmont herein, und ich hatte intuitiv das starke Bedürfnis, mich in seine schützenden Arme zu flüchten. Aber das erschien mir in Jills Anwesenheit irgendwie lächerlich, deshalb stand ich nur dort, rührte mich nicht und fragte ihn, was los sei. Er war echt verzweifelt über Charlottes Weggang und über das damit zusammenhängende, unausweichliche Ende von Psycho. Aber es gelang mir nicht, die nötige Aufmerksamkeit dafür aufzubringen. Ich war immer noch total zugeknallt, und eigentlich war mir das alles völlig egal.
Weit weniger gleichgültig war mir die shore, die ich plötzlich auf dem Boden liegen sah. Ich konnte mir nicht erklären, warum die zweieinhalb Gramm Beutel dort so offen herumlagen, denn ich war mir absolut sicher, sie im Whirlpool-Kasten versteckt zu haben. Ich verdächtigte spontan die anderen, meine shore geklaut zu haben, und ich stürzte entsetzt hin, um auf der Stelle nachzuprüfen, ob noch alles da war.
Sean war verärgert darüber. Es ärgerte ihn, dass mich das Ende von Psychotic Kühlschrank nicht halb so verletzte wie ihn, und er benutzte diese Heroin-Geschichte, um es mir heimzuzahlen. Er fing an mich zu schlagen. Seine Schläge taten mir weh, aber eigentlich fand ich seine unmittelbare Nähe angenehm.
„Du blöder Wichser, du wolltest damit aufhören, und jetzt bist du schon wieder total zugeknallt!" brüllte Sean mich an, der nicht weniger zugeknallt war als ich, und das sagte ich ihm auch. Wir prügelten uns eine Weile auf dem Boden herum. Es gefiel mir instinktiv, als Sean mich unerwartet von hinten packte und meinen Hals würgend zudrückte. Eine äußerst heftige sexuelle Erregung stellte sich daraufhin unwillkürlich bei mir ein und weckte meinen Penis auf der Stelle. Ich spürte überdeutlich, wie sich das Blut in meinem Schwanz staute, was sich mega geil anfühlte. Ich drängte mich automatisch gegen Sean, sog gierig seinen vertrauten Geruch in mich ein, spürte deutlich seinen Herzschlag an meinem Rücken, seine Wärme und seinen Atem in meinem Nacken. Ich vergaß automatisch alles um mich herum.
Aber im nächsten Moment ließ er mich auch schon abrupt los. Ich fiel völlig hilflos, nach Luft schnappend nach vorne. Das Erste, was ich registrierte, war Jill, die mich immer noch grinsend voyeuristisch studierte. Mir wurde bewusst, dass ich einen Ständer hatte, und dass Jill sich auch dieses Mal köstlich darüber amüsierte. Selten ist mir etwas noch peinlicher gewesen, als das in diesem Augenblick. Beschämt suchte ich das scheiß Handtuch, stand taumelnd auf und flüchtete endlich aus meinem Badezimmer.
Ich wollte unbedingt eine rauchen, aber meine Zigaretten waren im Badezimmer in meiner Jacke. Deshalb zog es mich zuerst ins Wohnzimmer, wo ich aus dem überfüllten Aschenbecher ein paar Kippen klaubte und erneut anzündete, um sie bis zum Filter zu rauchen. Danach hatte ich das starke Bedürfnis nach einem Chinesen. Aber die shore war auch im Bad, und ich hatte keine Lust auf eine erneute Konfrontation mit Jill oder Sean, und das ärgerte mich eine Weile. Ich war immer noch nackt, und ich verlor das blöde Handtuch, als ich über den Flur in die Küche taumelte.
Im Kühlschrank fand ich eine Flasche Jack Daniel's, öffnete sie und trank ein paar Schlucke, die ich gleich darauf in die Spüle spuckte, weil sich mir der Magen umdrehte. Eigentlich kann ich Alkohol gar nicht ausstehen.
Aber in dieser verrückten Nacht war mir alles egal, deshalb nahm ich die Flasche mit und ging in mein Schlafzimmer. Ich legte mich auf mein bequemes, weiches Wasserbett und schaltete den Fernseher ein und den Ton ab. Das Video von den Red Hot Chili Peppers, das gerade auf MTV gezeigt wurde, war jetzt die einzige Lichtquelle im Raum. Ich lag ausgestreckt auf meinem großen Bett, starrte reglos auf den Fernseher und trank ein bisschen Jack Daniel's. Ich zwang mich, nicht nachzudenken.
Nach einer Weile wurde mir klar, dass ich immer noch nackt war. Und obwohl sich das auf dem Bett echt gut anfühlte, und ich eigentlich damit zufrieden war, stand ich auf und ging zu meinem Schrank, der offen stand. Ich befürchtete, dass Jill und Sean früher oder später hereinkommen würden, und ich wollte ihnen nicht noch einmal nackt begegnen. Also zog ich mir Unterhose, Jeans und T-Shirt an und legte mich zurück aufs Bett.
Ich lag eine Weile da und fixierte den Bildschirm. Es wurden Musikvideos gezeigt, dann Werbung, dann wieder Videos. Ich dachte, dass es ein großer Fehler gewesen war, die fremde Frau mit hierher zu nehmen. Ich dachte an Sean. Dann weinte ich ein kleines bisschen. Ich kriegte mich wieder ein und suchte noch ein paar Kippen aus dem Aschenbecher. Ich rauchte sie bis zum Filter und verbrannte mir die Finger beim Ausdrücken. Die Kippen schmeckten echt widerlich. Ich trank einen Schluck Jack Daniel's. Ich fragte mich, was Jill und Sean jetzt wohl im Badezimmer ausheckten und befürchtete, sie würden sich gegen mich verschwören. Ich wurde ein wenig paranoid.
Sean
Selbstverständlich war ich eifersüchtig auf Jill. Sie sah trotz ihres Übergewichtes sehr gut aus, und Clay hatte sie interessant genug gefunden, um sie mit zu sich nach Hause zu nehmen. Oder wahrscheinlich wollte er sie nur flachlegen, vielleicht hatte er das längst getan. Er war leider nicht wählerisch in der Auswahl seiner Bettpartner/innen.
Mein Eindruck war, dass Clays nackter Körper keine Überraschung mehr für sie war. Aber egal, ob sie nun Sex hatten oder nicht, der Punkt war, dass Jill diese Stunden mit Clay verbracht hatte, und ich nicht.
Ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich von der Presse war, wie sie behauptete. Ich hatte von Bennet's Blog noch nie etwas gehört. Die Lifestyle-Zeitschrift Kult hatte damals einen recht wohlwollenden Bericht über die Premiere von Psychotic Kühlschrank veröffentlicht, und sich danach nie wieder für mich interessiert.
Ich wusste Jill Bennet nicht so recht einzuordnen. Sie war ohne Zweifel intelligent, und das imponierte mir. Und die vage Möglichkeit, dass sie tatsächlich etwas über mich schreiben wollte, schmeichelte mir ungemein.
Deshalb ließ ich es gut sein und warf sie nicht hinaus, obwohl es mich danach drängte, denn immerhin hatte sie mir diese fiese Lüge über eine Überdosis erzählt, die gar nicht passiert war. Das würde ich ihr mit Sicherheit nicht so schnell verzeihen.
Aber sie wollte etwas über mich schreiben, deshalb beantwortete ich ihr sogar ein paar Fragen, nachdem Clay fluchtartig das Zimmer verlassen hatte. Ich betrachtete sie prüfend und versuchte, aus ihr schlau zu werden. Sie machte mir Komplimente, und ich fragte mich misstrauisch, was in Wahrheit ihre Motive waren. Ich steckte mir eine Zigarette an und beobachtete sie lauernd.
Aber ziemlich schnell landete das Gespräch irgendwie bei Clay, und ich hatte absolut keine Lust, mit dieser fremden Frau ausgerechnet über Clay Banton zu reden. Dies war ein Thema, bei dem ich mich ohnehin schon schwach und angreifbar fühlte, und das behagte mir nicht.
Dann behauptete sie auch noch dreist, Clay würde mich lieben, was mich ziemlich verärgerte. Ich fragte mich die ganze Zeit, ob sie mich verarschen wollte. Ob sie sich vielleicht nur über mich lustig machte. Ich konnte nicht aus ihr schlau werden, und das irritierte mich. Ich hatte keine Ahnung, was sie mit dieser Behauptung bezweckte. Ich war sicher, dass sie keinen blassen Schimmer davon hatte, wovon sie da überhaupt sprach. Sie konnte es gar nicht wissen. Ich hatte diese dicke Frau vorher noch nie gesehen. Sie konnte Clay Banton nicht schon jetzt so gut kennen, um ausgerechnet das von ihm zu wissen. Der Verdacht, dass Clay ihr solche intimen Dinge über uns erzählt haben könnte, machte mich wütend.
Der Gedanke, dass sie Clay etwas angetan hatte, dass sie allein Schuld an seiner merkwürdigen Bewusstlosigkeit war, steigerte meine Wut extrem. Ich ging auf sie zu mit dem starken Bedürfnis, sie zu schlagen. Ich wollte sie mindestens anbrüllen. Diese Frau hatte mich niederträchtig und dreist angelogen. Sie hatte mich mit ihrer fiesen Überdosis-Lüge hierher gelockt und mir damit einen Todesschreck eingejagt. Dabei hatte sie selbst Clay irgendwie sein Bewusstsein gestohlen, dessen war ich mir inzwischen ganz sicher. Sie für dieses Verbrechen zu bestrafen, sah ich als meine unabdingbare Pflicht an.
Ich fragte sie drohend, was genau sie mit Clay gemacht hatte. Ich wechselte bewusst das Thema, um nicht länger über ihre Behauptung, er würde mich lieben, nachdenken zu müssen. Ich ging bedrohlich auf sie zu, und im nächsten Moment hatte die Bitch plötzlich diesen schwarzen Gegenstand in der Hand, von dem ich sofort begriff, dass es ein Elektroschocker war.
Jill Bennet bedrohte mich ernsthaft mit ihrer ätzenden Waffe. Es dauerte nur eine Sekunde, bis ich diese ungeheuerliche Tatsache registrierte. Sofort wich ich instinktiv vor ihr zurück, denn ich hatte wirklich keine Lust, dieses hinterhältige Ding auch zu spüren zu kriegen.
Mir wurde klar, dass sie Clay mit einem elektrischen Schlag ausgeschaltet hatte, und sie gab es zu ihrem Glück auch sofort zu. Eine weitere Lüge hätte ich ihr nicht durchgehen lassen. Ich starrte sie alarmiert an und dachte, dass sie eine gefährliche Frau war, eine bewaffnete Frau, die nicht zögerte, diese scheiß Waffe auch zu gebrauchen.
Ich fragte mich, was Clay ihr wohl angetan, womit er es sich verdient hatte, von ihr auf diese brutale Weise niedergestreckt zu werden. Jill hatte dafür nur eine lächerliche Erklärung parat: Angeblich wollte Clay verhindern, dass sie mich anrief. Ich glaubte ihr kein Wort. Ich war mir sicher, dass sie ihren Elektroschocker aus Gehässigkeit, aus Wut oder reinem Sadismus an Clay ausprobiert hatte. Vielleicht wollte sie auch einfach nur mal testen, was passieren würde, wenn sie den Strom gegen jemanden richtete.
Und Clay war offenbar ein recht einfaches Opfer gewesen, so betäubt vom Heroin, wie er war. Die ganze Zeit war ich extrem wütend auf Jill Bennet, weil sie mich mit ihrer Überdosis-Lüge fast getötet hatte. Ich wartete pausenlos auf eine Gelegenheit, es ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen.
Aber jetzt wollte ich erst einmal dieser Geschichte mit dem Elektroschocker näher auf den Grund gehen. Ich musste erfahren, was wirklich passiert war. Also ging ich hinüber in Clays Schlafzimmer, und die Frau folgte mir sofort. Ich vermutete Clay in seinem Schlafzimmer, weil er gesagt hatte, er wollte sich etwas anziehen.
Die Tür war geschlossen. Ich machte sie einfach auf und ging rein, ohne vorher anzuklopfen. In Clays Schlafzimmer war es dunkel, bis auf das Flackern des Fernsehers, auf dem gerade mit abgeschaltetem Ton irgendein Musikvideo flimmerte. Clay lag auf dem Rücken auf seinem Bett, lang ausgestreckt in Jeans und T-Shirt auf seiner Decke, drei Kopfkissen im Rücken. Er hatte eine Flasche Jack Daniel's in der Hand und trank daraus, was mich aus irgendeinem Grund sofort auf die Palme brachte. Träge guckte er uns an. Unser abruptes Auftauchen überraschte ihn überhaupt nicht. Er hatte sichtbar damit gerechnet. „Da seid ihr also wieder", stellte er resigniert fest.
Ich stürzte mich auf ihn und nahm ihm die Flasche weg. „Was tust du da, verdammt, musst du dich unbedingt noch mehr zuknallen?!" warf ich ihm verärgert vor. Er lächelte beinahe mitleidig, was mich noch mehr verärgerte. „Nimm ruhig einen Schluck, Sean", forderte er mich auf, und ich nahm einen Schluck, der mir gleich heiß bis in den Magen brannte. Dann hielt ich Jill die Flasche hin, aber sie lehnte ab, also stellte ich die Flasche auf den Nachttisch.
Ich saß auf dem Rand des Wasserbettes und schaute Clay an, der sich mir dort so aufreizend anbot, dass mir ganz schwindelig wurde. Er lächelte mich provozierend lüstern an und streckte sich behaglich auf der Matratze aus. Der Mann wusste ganz genau, dass die Anwesenheit von Jill mich davon abhielt, mich ihm auf diese Art zu nähern. Er spielte sein Lieblingsspiel mit mir und amüsierte sich köstlich.
„Warum wolltest du nicht, dass Jill mich anruft?" fragte ich ihn laut und sehr bemüht, sein einladendes Lächeln zu ignorieren. Meine Frage irritierte ihn offensichtlich. Er konnte sich tatsächlich nicht erinnern, dass so etwas passiert war. „Was? Ich habe nicht...", stammelte er ehrlich erstaunt. Diese eiskalte Schlampe hat mich schon wieder angelogen, dachte ich empört, Clay weiß überhaupt nicht, wovon ich rede.
Ich warf Jill einen strafenden, geringschätzigen Blick zu. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich an Clay. „Du wolltest auf keinen Fall, dass ich Sean anrufe! Du bist regelrecht in Panik geraten deswegen, Clay!" redete sie auf ihn ein und ging auf ihn zu, zum Rand des Bettes. Er betrachtete sie argwöhnisch. „Warum sagst du das?" wollte er von ihr wissen. „Weil es stimmt!" behauptete sie ungeduldig. Clay richtete sich jetzt auf und sah uns lauernd an. „Warum wolltest du nicht, dass sie mich anruft?" fragte ich ihn nochmal und beobachtete ihn abschätzend.
Er war jetzt unsicher, was wir überhaupt von ihm wollten. Er fühlte sich zunehmend unwohl, und mein Verdacht wuchs, dass Jill vielleicht doch die Wahrheit über dieses Telefonat gesagt hatte. Clay seufzte und wich meinem Blick aus. „Sag's mir einfach!" forderte ich ihn auf. Er schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht erinnern", wehrte er mich leise ab. „So ein Quatsch, Clay! Du erinnerst dich genau daran!" behauptete Jill verächtlich. „Du wolltest auf gar keinen Fall, dass Sean hierher kommt! Wahrscheinlich sollte er nicht sehen, wie viel Heroin du genommen hast!" erzählte sie lauthals. Ich beobachtete amüsiert Clays Reaktion. „Stimmt das etwa nicht?!" forderte sie ihn heraus. Clay saß hilflos auf dem Bett und starrte auf den Fernseher. Er schüttelte abwehrend den Kopf.
Eine Weile war es still. Ich warf Jill einen Blick zu. Sie lächelte siegessicher.
Im nächsten Moment fuhr Clay plötzlich zu ihr herum. „Warum erzählst du ihm diesen Mist?" fuhr er sie wütend an, „Warum bringst du mich in diese... Situation?" Er taxierte Jill feindselig. Sie hob beschwichtigend die Hände. Aber Clay war jetzt wütend. Er schaute mich an. „Ich habe Sean ja auch nicht erzählt, dass du... irgendwas... ich... verlor das Bewusstsein... sie hat...", stammelte er verunsichert. Offenbar wusste er nicht mit Sicherheit zu sagen, was genau Jill mit ihm gemacht hatte, um ihn seines Bewusstseins zu berauben.
„Sie hat einen Elektroschocker", informierte ich ihn lächelnd. Er riss die Augen auf und starrte mich erschrocken an. Er war gekränkt, dass Jill ihre Macht über ihn demonstrierte, indem sie ihn wiederholt in peinliche Situationen brachte. „Was?" entfuhr es ihm perplex. „Zeig's ihm!" forderte ich Jill trocken auf. Die Frau zog tatsächlich ihre Waffe aus ihrer Tasche und hielt sie Clay hin. Clay stierte das schwarze Gerät respektvoll an und wich augenblicklich zurück.
Anscheinend erinnerte er sich in diesem Moment nur zu gut an die verheerende Wirkung des Elektroschocks. „Keine Angst, Clay. Ich habe nicht vor...", versuchte Jill ihn zu beruhigen. Aber er guckte sie entgeistert an und unterbrach sie. „Du bist so unfair!" schrie er sie wütend an. Jill ließ ihre Waffe einmal laut klackern und steckte sie dann achselzuckend wieder ein.
„Wie fühlt es sich an, davon getroffen zu werden?" fragte sie Clay neugierig. Er betrachtete sie eine Weile ungläubig. Er fühlte sich von ihr hinterrücks angegriffen und zum Narren gehalten, und er hatte recht damit. Ich konnte nicht anders, ich strich ihm beruhigend über den Kopf, weil er mir so leid tat in seiner ständigen Opferrolle.
Aber ich war zu meiner Schande auch neugierig. „Wie fühlt es sich an?" fragte ich ihn leise. „Es tut wirklich verdammt weh!" informierte er uns trotzig und drehte sich gekränkt von uns weg. Er lag jetzt auf der Seite und drehte uns den Rücken zu.
Eine Weile war es still, und ich schaute zu Jill, die mich fragend ansah. Ich hob die Schultern, um ihr zu signalisieren, dass ich mit Clays Verhalten auch nichts anfangen konnte. Aber das stimmte gar nicht. Ich verstand ihn ganz genau. Ich wusste zweifellos, was in ihm vorging, denn ich kannte ihn nur zu gut.
Mir war sonnenklar, dass er wütend, gekränkt und unsicher war. Clay Banton war ein hilfloses, einsames Kind in einer Welt von Erwachsenen. Und ich liebte ihn dafür so sehr, dass es schmerzte. Jill verstand dagegen gar nichts, und das gefiel mir ungemein. Es stellte klar, dass ich entschieden mehr über Clay wusste, als sie. Es stellte klar, dass dieses Weib total ahnungslos war.
„Sag mal, Clay, bist du jetzt etwa beleidigt?" sprach sie ihn schließlich amüsiert an. Er knurrte verärgert und drehte sich zu uns. Er richtete sich auf. „Ja, das tut mir leid, Jill, wenn ich ein wenig ungehalten auf dich wirke!" meinte er spitz, „Weißt du, ich habe mir heute auf der Bühne den Arsch aufgerissen, um richtig gut zu sein, und dafür habe ich einen scheiß Stein an den Kopf geworfen gekriegt!" Sie lächelte mitfühlend. Clay holte tief Luft und musterte sie feindselig. „Du hast mir einen scheiß Elektroschock verpasst, Jill! Es tut mir leid, wenn ich da ein wenig verstimmt bin!" „Du wolltest mich angreifen!" erwiderte sie milde lächelnd. „Ich wollte dich niemals angreifen!" widersprach er ihr sofort und guckte mich an. „Ich wollte sie niemals angreifen!" versicherte er mir und streckte die Hand aus.
„Hast du eine Zigarette für mich?" wollte er nervös von mir wissen. Ich gab ihm eine und Feuer, und er saß auf dem Bett und rauchte tief. „Du wolltest mir mit Gewalt das Handy wegnehmen!" Jill konnte es einfach nicht gut sein lassen. Clay warf mir einen genervten Blick zu, der mir ungemein gefiel, weil er sich damit mit mir gegen Jill zu verschwören versuchte. „Es war mein Handy!" stöhnte er ungeduldig und zog gierig an der Zigarette. Jill lachte amüsiert. „Warum wolltest du nicht, dass ich Sean anrufe?" fragte sie Clay herausfordernd. Es machte ihr offensichtlich viel Spaß, ihn zu ärgern. Sie fühlte sich ihm haushoch überlegen, und wahrscheinlich war sie das auch. Clay hatte ihrer Intelligenz und Hartnäckigkeit nicht wirklich etwas entgegen zu setzten.
Ich schaute die Frau an, und sie zwinkerte mir verschwörerisch zu. Mir wurde bewusst, dass beide der Ansicht waren, ich wäre auf ihrer Seite. Eine Weile amüsierte mich dieser Gedanke, denn Jill Bennet irrte sich gewaltig, wenn sie dachte, ich wäre ihr wohlgesonnen. Ihre Lügerei ließ das gar nicht zu. Allein ihre Anwesenheit in dieser Situation ließ das nicht zu. Ich war immer noch viel zu wütend und eifersüchtig auf sie.
Aber ihre bloße Anwesenheit war es auch, die mich davon abhielt, Clay zu unterstützen. Ich war unvermindert wütend auf ihn, weil er die Frau mit hierher in seine Wohnung genommen hatte. Es kränkte und verletzte mich, dass er sie attraktiv genug fand, um sie mitzunehmen. Dass er sie wahrscheinlich begehrte. Dass er diesen Abend mit dieser Frau verbracht hatte, und nicht mit mir.
Ich sah Clay an, der mich hilflos genervt betrachtete und stumm um Hilfe bat. Aber ich gab ihm diese Hilfe nicht. Dazu genoss ich es noch viel zu sehr, ihn leiden zu sehen. „Warum wolltest du nicht, dass sie mich anruft?" wiederholte ich und starrte Clay strafend an. Er rauchte jetzt nervös. Asche fiel auf seine Bettlaken und er merkte es nicht einmal. Ihm wurde beunruhigend klar, dass er mit meiner Hilfe zur Zeit nicht rechnen konnte.
„Lasst mich in Ruhe", bat er uns überfordert. Aber da hatte er keine Chance. „Nein, wir wollen das jetzt wissen, Clay!" beharrte Jill stur, ließ sich am Rand des Bettes nieder und griff nach seinem nackten Knöchel, den er nicht schnell genug wegzog. „Was hat dich so in Panik versetzt? Warum hast du meine Hand gegen deinen nackten Bauch gedrückt?" drang sie wissbegierig weiter in ihn ein.
Ich fühlte einen Stich in meinem Innern, als sie Clays Bauch erwähnte. Ich riss intuitiv die Augen auf und starrte sie alarmiert an, danach Clay, und er sank förmlich in sich zusammen, und die Kippe fiel ihm aus der Hand. Ich hob sie schnell auf, bevor sie ein Loch in seine weichen Bettlaken brennen konnte. Ich drückte die Kippe in den Aschenbecher und zwang mich, mir nichts anmerken zu lassen.
Aber die Tatsache, dass Clay mit dieser fremden Bitch seine Hand-auf-Bauch-Geschichte abgezogen hatte, verletzte mich ungemein. Hatte ich mir doch immer gewünscht, der einzige zu sein, den er darum bat. Aber nun wurde mir brutal eingetrichtert, dass Clay Banton jeden x-beliebigen Menschen dort spüren wollte. Es war ihm völlig egal, wessen scheiß Hand auf seinem scheiß Bauch lag!
Ich taxierte Clay vorwurfsvoll, und er wusste auf der Stelle genau, was passiert war. Er wich meinem Blick aus und fauchte zu Jill gewandt: „Lass mich los!" Aber sie hielt ihn am Knöchel fest und grinste triumphierend. „Erkläre es mir doch bitte, Clay! Was sollte das mit deinem Bauch bedeuten?" „Gar nichts!" rief er widerspenstig und zog seinen Fuß mit einem Ruck aus ihrem Griff. „Lasst mich in Ruhe! Haut einfach ab!" brüllte er dann völlig überfordert.
Jill schaute mich fragend an. Sie wusste nichts mit seinem Verhalten anzufangen. „Was ist das für eine Bauch-Geschichte?" wollte sie neugierig von mir wissen. „Es törnt ihn an. Er kriegt davon eine Erektion!" erklärte ich ihr boshaft. Sie grinste sofort amüsiert. „Tatsächlich?!" „Hört sofort auf, so über mich zu reden!" regte Clay sich jetzt hilflos auf. Er kniete außerhalb unserer Reichweite am Rand seines Bettes und beobachtete uns hasserfüllt. Seine schönen Augen blitzten. Er atmete schwer. „Ich habe keine Lust mehr, euch zu amüsieren! Ich habe euch heute schon genug amüsiert!" schrie er uns erbost an. „Lasst mich in Ruhe!" verlangte er nochmal. Seine Augen funkelten voller Wut und Kränkung.
„Warum wolltest du nicht, dass ich Sean anrufe?" fragte Jill ihn freundlich, seinen Einwand einfach ignorierend. Sie grinste mich an. Es machte ihr tatsächlich Spaß, Clay zu provozieren und ihn ausklinken zu sehen. Seine hilflose Wut schüchterte sie kein bisschen ein. Sie hat keine Angst vor Clay, registrierte ich, aber sie hat Angst vor mir. Diese Tatsache gefiel mir.
Clay atmete laut, um sich unter Kontrolle zu kriegen. „Du willst es also unbedingt wissen, was?" fragte er sie gefährlich leise. Jill nickte arglos. „Ja, Clay, sag es mir!" Anders als sie, konnte ich mir schon denken, was jetzt kam. Nur Jill war von Clays Antwort überrascht. Er atmete tief ein und brüllte dann völlig außer sich: „Ich wollte dich die ganze Zeit ficken! Ich habe dich überhaupt nur mit hierher genommen, um dich zu ficken, verstehst du?!"
Danach hockte er atemlos dort und funkelte sie böse triumphierend an. Er genoss ihre Überraschung, und er erwartete tatsächlich, sie mit dieser Antwort geschockt zu haben. Aber er täuschte sich. Frau Bennet war kein bisschen geschockt, höchstens irritiert. „Nein, das stimmt nicht, Clay. Und das wissen wir alle!" erwiderte sie ganz ruhig und nahm ihm damit jeden Wind aus den Segeln.
Nochmal war es eine Weile still in dem dunklen Schlafzimmer. Nur der Fernseher warf sein flackerndes Licht auf Clay, der nun ratlos dort hockte und einsehen musste, dass Jill nicht halb so schockiert war, wie er es beabsichtigt hatte. Er war mit seinem Latein am Ende, und er tat mir erneut leid in seiner Hilflosigkeit. Meine Zuneigung zu ihm steigerte sich parallel zu seiner wachsenden Traurigkeit.
„Ich wollte dich nur ficken, Jill!" beharrte er leise. „Ich will jede Frau ficken, die ich mit in meine Wohnung nehme, verstehst du? Ich bin nämlich ein perverses Sexmonster, und ich werde geil allein bei dem Gedanken an eine Frau!" erklärte er ihr traurig. „Warum sagst du so etwas?" wollte Jill interessiert von ihm wissen. Sie studierte ihn jetzt, wie eine merkwürdige Abartigkeit. „Das ist doch totaler Blödsinn, Clay", betonte sie sanft.
Er ignorierte sie und forderte: „Und nun lasst mich endlich in Ruhe und verlasst sofort mein Schlafzimmer!" Banton war jetzt ganz ruhig. Jill schaute mich fragend an. Ich genoss den Umstand, dass sie im Gegensatz zu mir überhaupt nicht wusste, was da eigentlich gerade passierte. Sie hatte keine Ahnung von Clays Gemütszustand. Sie kannte Bantons Charakter überhaupt nicht und war verwirrt von seinem Verhalten, und das gefiel mir ungemein.
Ich stand entschlossen auf und warf ihr einen auffordernden Blick zu. Daraufhin stand auch sie auf. Ich wusste ganz genau, was jetzt zu tun war. Es war nicht das erste Mal, dass Clay mich aus seiner Wohnung warf. Und nur ich allein wusste, dass es immer das Allerletzte war, was er eigentlich wollte. Dazu hatte er viel zu viel Angst vor dem Alleinsein. Ich genoss es sehr, dass ich ihn, im Gegensatz zu Jill, durchschauen konnte.
„Du willst also, dass wir gehen, ja?" vergewisserte ich mich bei ihm. Ich stand an der Tür und hatte die Klinke in der Hand, bereit zu gehen und ihn allein zu lassen. Clay Banton nickte zaghaft. Seine dunklen Augen glitzerten. Er saß einsam dort am Rand seines Bettes und guckte mich ratlos an. „Okay, dann gehen wir jetzt, Clay! Sag nur ein Wort und wir sind weg!" machte ich ihm klar.
Ich beobachtete ihn ganz genau. Seine Hände zitterten. Er krampfte sie in die Laken und hockte ganz still. Er fixierte mich die ganze Zeit, und sein Blick war ein einziger Hilfeschrei. „Nur ein Wort, Clay!" wiederholte ich leise. Und ganz genau wie von mir erwartet, sagte er gar nichts mehr. Er hockte nur erstarrt dort, und es dauerte einige Zeit, bis er unvermittelt anfing zu weinen. Er saß einfach dort und heulte los, und ich liebte ihn deswegen so sehr, dass es mich fast zerriss.
Jill betrachtete ihn völlig verwirrt. Sie stand neben mir an der Tür und wusste nichts mit dieser Situation anzufangen. Scheiß auf sie, entschloss ich spontan, scheißegal, ob die blöde Schlampe hier ist und alles mitkriegt.
Ich konnte nicht mehr anders, ging mit schnellen Schritten zu Clay und krabbelte über das schwankende Wasserbett zu ihm hin. Ich öffnete einladend meine Arme, und er flüchtete sich wie ein kleines Kind hinein und drängte sich Schutz suchend an mich. „Sie hört einfach nicht auf damit", jammerte er schluchzend an meiner Brust. „Schon gut", beruhigte ich ihn und strich ihm tröstend über den Kopf.
Wir saßen nun eng umschlungen auf dem Bett, und Clay Banton heulte sich bei mir aus. Und ich war zum zweiten Mal in dieser Nacht wunschlos glücklich. „Sie hört einfach nicht auf, Sean! Es genügt ihr nicht, dass sie mich pausenlos quält, bis ich pisse und kotze. Sie will sich immer noch mehr über mich amüsieren!" schluchzte er leise, das Gesicht gegen meine Brust gedrückt.
Ich warf Jill einen strafenden Blick zu. Sie hatte Clays Anklage gehört und schien nun tatsächlich entsetzt zu sein. Offensichtlich war ihr überhaupt nicht bewusst gewesen, wie sehr sie Clay mit ihren Fragen, ihrer Hochnäsigkeit und ihrem Elektroschocker verletzt hatte. „Das tut sie jetzt nicht mehr", versicherte ich Clay sanft und streichelte sein hübsches Gesicht und seinen Rücken.
Er entspannte sich zusehends, hörte genau so schnell auf zu weinen, wie er damit angefangen hatte, und wischte sich mit den Fingern über die Augen. Ich starrte Jill an und signalisierte ihr mit meinem drohenden Blick, dass ich schon dafür sorgen würde, dass sie Clay von nun an in Ruhe ließ.
Die Frau brauchte sichtbar Zeit, um seine harten Vorwürfe zu verdauen. „Ich wollte ihm niemals wehtun!" meinte sie schließlich erschüttert. Sie kam auf uns zu und stand nun abermals am Rand des Bettes. „Das tut mir wirklich sehr leid, Clay. Ich wollte dir ehrlich nie wehtun!" wiederholte sie an ihn gewandt. Er schaute sie mit seinen nassen Augen lange angewidert an. „Deine scheiß Waffe tut aber verflucht weh!" zischte er anklagend. Jill nickte und hob hilflos die Arme. „Verzeih mir", flüsterte sie fast, und Clay lächelte vage. Noch einmal betrachtete er sie eine lange Zeit.
„Was hast du mit mir gemacht, als ich bewusstlos war?" fragte er sie auf einmal geradeheraus. Sie zuckte förmlich zusammen, und zum ersten Mal erlebte ich sie verunsichert. „Sag ihm jetzt bloß die Wahrheit!" forderte ich sie grinsend auf. Ihre merkbare Verlegenheit amüsierte mich ungemein. Clays unmittelbare Nähe tat mir enorm gut. Ich fühlte mich wirklich wohl jetzt, dort auf diesem Wasserbett im Dunkeln.
Jill dagegen fühlte sich offensichtlich immer unwohler. Clay hatte es letztendlich doch noch geschafft, sie mit seinem Vorwurf und dieser einen Frage zu schockieren. „Na los, sag ihm die Wahrheit, Jill. Die bist du ihm mindestens schuldig!" forderte ich sie nochmal auf. Ich genoss die Gewissheit, dass Clay sich in meinen Armen sicher genug fühlte, um nun auf seine Weise einen Rachefeldzug gegen Jill zu starten. „Also gut", gab sie nach einiger Zeit nach und schwieg dann wieder eine Weile. Clay und ich beobachteten sie gespannt.
„Ich habe dich angesehen", informierte Jill uns merkbar schweren Herzens endlich leise. Dann wich sie beschämt unserem Blick aus. Clay grinste mich belustigt an. Seine Tränen trockneten genauso schnell, wie er seine Traurigkeit vergaß. Ich erwiderte sein Grinsen und fühlte mich dabei wunderbar. Wir beide genossen Jills sichtbare Verlegenheit in vollen Zügen. Endlich war der Schlampe das vorlaute Maul gestopft worden!
„Was meinst du damit, du hast mich angesehen?" hakte Clay energisch nach und richtete sich interessiert auf. Jill seufzte tief, wand sich unbehaglich ein bisschen herum und schaute ihn dann kurzentschlossen an. „Mein Gott, Clay, ich habe dich ausgezogen und dich angesehen! Was ist denn dabei?" sagte sie herausfordernd. Clay kicherte spontan amüsiert. „Du meinst wohl, du hast dich an mir aufgegeilt!" berichtigte er sie genüsslich.
Ihre offene Verlegenheit war Balsam auf seinen Wunden. „Sie hat mich ausgezogen!" registrierte er kichernd zu mir gewandt. Ganz wie es seine Art war, nahm er diese dreiste Tatsache viel zu leicht hin. Ich dagegen warf Jill einen geringschätzigen Blick zu. „Mir hat sie ernsthaft erzählt, du hättest eine Überdosis!" warf ich ihr abermals verärgert vor.
„Ich wollte doch nur, dass du hierherkommst, Herrgott!" schnaufte Jill genervt, „Ich wollte mit dir reden..." „Hast du dich an mir aufgegeilt?" wollte Clay neckend von ihr wissen. „Bilde dir bloß nichts ein!" erwiderte Jill widerspenstig, aber sie wurde rot dabei. Sein nackter Körper war also tatsächlich keine Überraschung mehr für sie, dachte ich aufatmend, mein erster Eindruck von ihr war richtig. Sie hatte ihn schon vorher unverhüllt gesehen. Ich war aus irgendeinem Grund erleichtert, dass es auf diese Weise geschehen war, ohne Clays Beteiligung, und nicht durch sexuelle Betätigung. Clay hatte also noch nicht mit Jill geschlafen, und das versöhnte mich ein bisschen mit ihm.
Andererseits fand ich den Gedanken unerträglich, dass diese fremde Bitch Clay Banton brutal seines Bewusstseins beraubt hatte, nur um ihn anschließend nackt zu studieren. Diese Vorgehensweise fand ich eindeutig kriminell. Jill Bennet hatte zweifellos einen unakzeptablen Eingriff in Clays Persönlichkeitsrechte und seine Intimsphäre begangen. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, ich hätte sie mindestens verprügelt, wahrscheinlich angezeigt.
Aber er war Clay Banton, und er nahm ihr dreistes Verbrechen an ihm natürlich einfach hin, fühlte sich auf seine naiv kindliche Art sogar davon geschmeichelt, wie ein Idiot, und fand den Gedanken auch noch irgendwie aufregend.
Ich fixierte Jill strafend, sie erwiderte meinen Blick aufmüpfig und hob gleichgültig die Schultern. Clay dachte eine Weile lächelnd nach. Dann bemerkte er leise: „Was ich nicht verstehe, Jill, ist... warum hast du das nicht einfach gesagt?" Sie seufzte ungehalten. „Was hätte ich denn sagen sollen, Clay?" „Das du mich ansehen willst... ich hätte..." Er brach verlegen ab.
„Ja klar, du hättest dich für dein Leben gern für sie ausgezogen!" entfuhr es mir unüberlegt, verärgert. Clay verstand meine spontane Wut überhaupt nicht. „Sie hätte es nur sagen sollen...", meinte er lüstern grinsend. Ich schlug ihn hart gegen den Oberarm, und er wich verwirrt zurück. „Meine Güte, Clay! Ist dir denn wirklich nicht klar, was sie mit dir gemacht hat?! Sie hat dich eiskalt missbraucht! Und du Idiot denkst, sie hätte dir damit ein Kompliment gemacht!" trichterte ich ihm verständnislos ein.
Aber mir war schon klar, dass mein Versuch vergeblich war. Denn Herr Banton sah diese Sache selbstverständlich völlig anders, als ich. Es war Jills Glück, dass Clay zu primitiv war, um ihre Tat richtig zu beurteilen. Er kicherte nur belustigt.
Sie dagegen wusste genau, dass ihr Verhalten ganz und gar nicht akzeptabel gewesen war. Trotzdem fühlte sie sich von mir angegriffen und genötigt, sich zu verteidigen. „Mensch, Sean, jetzt spiele dich bloß nicht so auf!" fuhr sie mich an, „Ausgerechnet du willst mich verurteilen?! Was hast du denn selbst mit Clay gemacht, als er bewusstlos war, hm?!" „Ich habe ihn nur aufgeweckt!" sagte ich ganz ruhig und funkelte sie kampfbereit an. Sie lachte sofort spöttisch. „Ja klar, du hast ihn aufgeweckt! Mach dir doch nichts vor! Du hast ihm richtig wehgetan, und es hat dir einen mörderischen Spaß gemacht!" warf sie mir laut an den Kopf.
Mir war augenblicklich klar, dass sie auf eine Art recht hatte, und mir fiel nicht so schnell eine passende Erwiderung ein. Ich starrte sie nur feindselig an. Dann wandte ich meinen Blick auf Clay. Der saß dort auf seinem Bett und musterte uns beide vergnügt lächelnd. „Ja, es hat euch beiden richtig viel Spaß gemacht!" war sein amüsierter Kommentar. „Ich bin scheinbar ein wirklich gefragter Typ!" setzte er grinsend hinzu.
Verärgert beugte ich mich über das Bett zur Nachtkonsole und nahm einen großen Schluck Jack Daniel's.
Clay
Später änderte sich die Lage wieder, und ich fühlte mich zunehmend besser. Sean und Jill gingen sich beinahe gegenseitig an die Kehle, um festzustellen, wer von beiden nun das größere Verbrechen an mir begangen hatte, was ich sehr erheiternd fand.
Ich schaute Jill intensiv an und stellte mir vor, wie sie neugierig und aufgeregt meinen nackten, reglosen Körper erkundete. Diese intime Vorstellung erregte mich. Zum wiederholten Male in meinem Leben merkte ich, dass ich die Gedanken und Beweggründe von Frauen wohl niemals verstehen würde. Es war mir absolut unbegreiflich, warum sie ihre Hand derart energisch weggezogen hatte, als ich sie gegen meinen Bauch gedrückt hatte, wenn sie doch in Wirklichkeit extrem neugierig auf mich gewesen war.
Ich fühlte mich tatsächlich von diesem Umstand geschmeichelt, auch wenn Sean das natürlich nicht verstehen konnte. Sean Valmont, der viel zu verklemmt und schüchtern war, um ein aktives Körperbewusstsein zu haben. Der außergewöhnlich hübsche Sean, der sich immer nur angegriffen und verarscht fühlte, und hinter jeder Annäherung vorsichtshalber erst einmal eine Gemeinheit vermutete.
Jetzt saß er dicht neben mir auf dem Bett und ich war froh, dass er in meiner Nähe war und damit verhinderte, dass Jill mir noch mehr blöde Fragen stellte. Er starrte Jill vernichtend an, und sie funkelte herausfordernd zurück.
Mich überkam das starke Bedürfnis, die beiden zu spüren, ganz plötzlich. Der Wunsch verhärtete sich augenblicklich zwischen meinen Beinen. „Hört mal, Leute, ich...", versuchte ich die Situation zu entspannen. Beide wandten sich mir zu und guckten mich erwartungsvoll an. „Ich meine... ihr habt doch beide Spaß mit mir gehabt... und..." Ich fing an zu stottern, denn Seans Blick wurde schneidend, weil er sofort ahnte, was mein Anliegen war.
Jill dagegen guckte mich nur weiter arglos an, und ich lächelte ihr zweideutig zu. „Warum wolltest du deine Hand nicht auf meinen Bauch legen?" fragte ich sie spontan. „Weil ich nicht wusste, was du damit bezwecken wolltest, Clay", antwortete sie mir und wandte sich an Sean. „Was ist das für eine Macke von ihm? Warum wollte er meine Hand auf seinem Bauch liegen haben?" wollte sie abermals von ihm wissen.
Sean ließ mich nicht aus den Augen. Er kannte mich viel zu gut, um meine Erregung nicht zu bemerken. „Nur so was wie ein frühkindliches Überbleibsel von Mister Banton. Er fühlt sich scheiß geborgen, wenn eine Hand auf seinem nackten Bauch liegt", erklärte er ihr abfällig, ohne sie dabei anzusehen.
„Das ist überhaupt nicht Scheiße!" sagte ich gekränkt. Es ärgerte mich, wie blöd er mich bei seiner coolen Erklärung darstellte. Wie ein dummes, kleines Kind, das nach der Mutter lechzt. „Es fühlt sich einfach gut an", versuchte ich klar zu stellen. „Und du hattest dabei keine sexuellen Hintergedanken, Clay?" fragte Jill mich frei heraus.
Sean lachte laut los und nahm noch einen Schluck Jack Daniel's. Er hatte jetzt die Flasche in der Hand, als würde er sich daran festhalten. Im Gegensatz zu mir ist Sean Valmont dem Alkohol absolut zugetan, auch wenn er das niemals zugeben würde. „Nein, die hatte ich dabei nicht... nicht wirklich", antwortete ich Jill wahrheitsgemäß und lächelte sie wieder an. Aber jetzt habe ich sexuelle Hintergedanken, hätte ich am liebsten gerufen.
Aber mir war klar, dass ich behutsam vorgehen musste. „Dann tut es mir leid, dass ich dich so schroff abgewiesen habe", entschuldigte Jill sich bei mir. „Schon gut, ist schon okay", erwiderte ich und lächelte freundlich. Sie lächelte zurück, und meine Hoffnung auf ein intimes Beisammensein in nächster Zukunft wuchs unwillkürlich. Ich dachte fieberhaft über die richtigen Worte nach.
Einige Zeit war es still. Auf dem Bildschirm flackerte tonlos ein sexy Video mit halbnackten Tänzerinnen. Sean trank einen weiteren großen Schluck Whiskey und beobachtete mich lauernd. Ich hatte das Gefühl, als könnte er meine Gedanken lesen, was unangenehm war, weil es mich einschüchterte. Herr Valmont merkt mir meine Erregung natürlich an, fuhr es mir nervös durch den Kopf, er spürt ganz genau, was ich jetzt gerne tun würde.
Ich wich seinem Blick aus und wandte mich an Jill, die nun dicht vor mir an der Bettkante stand. „Du, Jill, ich würde dich auch gerne mal nackt sehen, weißt du...", rang ich mir ab und fühlte mich ziemlich idiotisch dabei. Sean lachte schon wieder laut und wissend. Er wird betrunken, der Arsch, dachte ich irritiert, er macht alles kaputt! Wütend starrte ich ihn an. Er kicherte und schüttelte unaufhörlich seinen hübschen Kopf.
„Wie meinst du das, Clay?" hörte ich Jill vorsichtig nachfragen. Ich schaute sie an und lächelte lüstern. „Wie meine ich das wohl?!" „Du willst mich nackt sehen?" wiederholte sie ungläubig. Der höhnische Klang ihrer Stimme ärgerte mich. „Was ist daran denn so schlimm, Jill? Du hast mich einfach ausgezogen, als ich mich nicht wehren konnte! Warum hast du das nicht gesagt, ich hätte gerne..." „Das war wohl genau der Grund, warum sie es getan hat, du Idiot! Weil du dich nicht wehren konntest!" unterbrach Sean mich und schüttelte weiter geringschätzig mit dem Kopf.
Er lag inzwischen auf dem Bett, die Flasche immer noch in der Hand, und betrachtete mich ziemlich überheblich. Ich konnte seine Arroganz nicht ertragen. Es ärgerte mich, wie sehr er mich herabsetzte. Deshalb schlug ich ihn spontan, kurz angesetzt und brutal in die Eier. „Nenn mich nicht ständig Idiot!" beschwerte ich mich lauthals.
Sean stöhnte schmerzerfüllt auf, ließ unwillkürlich die Flasche los, die sogleich umkippte, rollte sich auf die Seite von mir weg und hielt sich gequält die getroffene Stelle. „Du blöder Wichser!" schimpfte er atemlos. Ich griff die Flasche, bevor sie sich völlig über meinem Bett entleeren konnte, und nahm noch einen Schluck.
Dann wandte ich mich wieder an Jill, die diese Szene verwirrt beobachtete. „Hör mal, Jill. Ich möchte dich doch nur ansehen", versuchte ich ihr zu erklären, obwohl das natürlich nicht der Wahrheit entsprach. Aber ich wusste aus reichlicher Erfahrung: Wenn die Frau sich erst mal auszieht, dann ist der Rest meistens ein Kinderspiel.
Leider hatte Frau Bennet aber absolut nicht die Absicht, sich auszuziehen. Sie ging abwehrend einen Schritt zurück. „Ich glaube nicht, Clay", sagte sie entschieden, „Ich bin nämlich nicht hierher gekommen, um mit dir intim zu werden." „Du bist so unfair!" warf ich ihr nochmal ungeduldig vor. Ihre strikte Weigerung machte mich wütend und weckte gleichzeitig automatisch meinen Jagdinstinkt.
Ich holte tief Luft. „Jill, hör mal, wir hatten doch eine schöne Zeit zusammen, oder nicht? Wir haben viel gelacht und uns gut unterhalten! Ich mag dich sehr gerne! Du bist sehr hübsch, und du hast behauptet, du wärst ein großer Fan von mir! Ich habe doch auch alles getan, was du wolltest! Ich habe für dich Gitarre gespielt und rezitiert. Ich habe fast jede Frage von dir beantwortet! Ich habe mir sogar mit dir diesen Porno angeguckt, weil du das unbedingt wolltest! Und du verpasst mir dafür zum Dank einen fiesen Elektroschock!" redete ich ruhig auf sie ein. Zu meinem Ärger reagierte die Frau aber nicht auf meine sorgfältig gewählten Worte, sondern schaute mich die ganze Zeit nur mitleidig lächelnd an. Sie amüsierte sich schon wieder über mich! Das machte mich echt sauer.
Im nächsten Moment hatte ich plötzlich keine Geduld mehr. „Ich will dich doch nur ansehen, Jill! Ich finde, das bist du mir mindestens schuldig!" fuhr ich sie impulsiv an. Danach schnappte ich nach Luft und nahm noch einen Schluck Whiskey aus der Flasche, bevor ich sie mit zitternden Fingern auf den Boden neben das Bett stellte. „Bitte, Jill", flüsterte ich drängend, „Bitte tu das doch für mich." Unsicher sah ich sie an.
Sie stand dort und betrachtete mich interessiert. Sie sagte gar nichts. Ich warf Sean einen Blick zu, der sich wieder zu mir gedreht hatte. Er hielt sich immer noch die schmerzenden Eier fest und schüttelte gequält grinsend über mich den Kopf. „Du hast dir mit ihr ganz brav einen Porno angeguckt? Ernsthaft?" fragte er mich erstaunt und überaus spöttisch.
„Wir ziehen uns alle aus!" schlug ich spontan verzweifelt vor. Hoffnungsvoll schaute ich zu Jill. „Hör zu, wir ziehen uns einfach alle aus! Wäre das nicht geil? Das ist doch eine geile Idee, nicht wahr!? Du wirst Sean Valmont nackt sehen! Das ist doch... richtig aufregend ...oder?" Ich baute darauf, dass alle Frauen und viele Männer, die ich kannte, scharf auf Sean waren, weil er so verdammt gut aussah. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es überhaupt jemanden gab, der nicht neugierig auf Valmonts extrem attraktiven, perfekt durchtrainierten Körper war.
Erwartungsvoll blickte ich von einem zum anderen. „Das findest nur du aufregend, Banton", bemerkte Sean trocken. „Nein, das stimmt nicht!" widersprach ich ihm sofort, „Sieh doch, wie sie dich anschaut! Sie ist total scharf drauf, dich nackt zu sehen!" Es war mir nicht verborgen geblieben, wie fasziniert Jill ihn pausenlos angesehen hatte. Es war genau der gleiche entzückte, überraschte, begeisterte Blick, mit dem alle Frauen und Männer Sean Valmont das erste Mal ansahen.
Jetzt blickte er prüfend zu ihr hin, und sie wurde wirklich rot und fixierte verlegen den Boden. „Sie ist extrem heiß auf dich!" redete ich beschwörend auf Sean ein. „Wartet mal! Ihr spinnt doch total, Jungs!" warf Jill verunsichert ein. Sean taxierte mich nun lauernd. Sein genervter Blick befahl mir eindeutig, nicht zu weit zu gehen.
Aber ich war inzwischen echt angetörnt und wollte unbedingt etwas erreichen. Es war mir unerklärlich, warum die beiden sich so zierten, warum sie so verflucht gehemmt waren. Am liebsten hätte ich beiden die Kleider vom Leib gerissen und sie zu ihrem Glück gezwungen. Diese geile Vorstellung machte mich ganz zappelig. Mein Schwanz reagierte sofort und meine Jeans drückte zunehmend.
Aber Sean Valmont kannte mich definitiv zu gut. Er ahnte meine Begierde, merkte sie mir wahrscheinlich an, und schlug mich ärgerlich gegen den Oberschenkel. „Jetzt krieg dich mal wieder ein!" forderte er mich warnend auf. Ich schüttelte den Kopf und hielt mir die schmerzend getroffene Stelle. „Warum seid ihr so... gemein? Die ganze Zeit habt ihr euch über mich amüsiert! Ihr habt mich beide total angestarrt, als ich nackt war! Und jetzt, wo ich einmal etwas von euch will... da seid ihr... so... zugeknöpft!" beschwerte ich mich enttäuscht.
Auffordernd, ungeduldig schaute ich von einem zum anderen. „Du weißt ganz genau, dass ich auf solche Experimente nicht stehe!" warf Sean mir verärgert an den Kopf. „Vielleicht solltest du sie einfach mal ausprobieren!" erwiderte ich laut. „Ich habe sie sehr wohl schon ausprobiert, Clay! Und ich stehe da absolut nicht drauf!" schrie er mich wütend an. „Das kannst du gar nicht wissen! Du kennst sie ja noch gar nicht!" hielt ich laut dagegen und fasste mir herausfordernd, lüstern an den Schritt. Sean schnaufte verächtlich.
„Hört mal, Jungs, um was geht es denn jetzt hier eigentlich?" meldete sich Jill plötzlich verwirrt. Sean guckte sie spöttisch an. „Hast du das noch nicht mitgekriegt? Merkst du das wirklich nicht? Herr Banton versucht verzweifelt, uns zu einem flotten Dreier zu überreden!" erklärte er ihr angewidert und stand im nächsten Moment mühsam vom Bett auf.
„Ich habe genug. Ich gehe", informierte er uns stur und torkelte zur Tür. Er hat Angst, dachte ich verärgert, Sean Valmont hat Angst, dass das hier tatsächlich passieren könnte. Er macht sich feige aus dem Staub, weil er seine eigene Libido fürchtet, der wandelnde schwule Minderwertigkeitskomplex! „Ja, geh doch, du blöde Schwuchtel!" schrie ich ihm enttäuscht, wütend und gehässig hinterher. Er zeigte mir knurrend den Mittelfinger und verließ meine Wohnung, ohne sich nochmal umzudrehen. Laut knallte er alle Türen hinter sich zu.
Ich saß plötzlich allein auf meinem Wasserbett. Es war ganz still und ich hatte keine Ahnung, was eigentlich gerade passiert war. Verwirrt beugte ich mich hinunter und nahm den letzten Schluck Whiskey aus der Jack Daniel's Flasche. Danach stellte ich die leere Flasche zurück auf den Boden.
„Mann, Clay, das verstehe ich jetzt aber echt nicht", hörte ich Jill verwundert bemerken. Ich erinnerte mich an sie und sah zu ihr hin. Sie stand immer noch dort, beinahe mit dem Rücken an der Wand, kam jetzt aber einige Schritte auf mich zu. „Warum um alles in der Welt beleidigst du Sean mit diesem äußerst gemeinen Schimpfwort? Noch vor ein paar Minuten hast du dich doch bei ihm ausgeweint, und er hat dich so dermaßen liebevoll getröstet!" Der Vorwurf in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Was meinst du denn?" erkundigte ich mich desinteressiert.
Ich hatte überraschend hart daran zu knabbern, dass Sean nicht mehr da war. Dass er einfach weggegangen war, so plötzlich, dass ich es kaum mitgekriegt hatte. „Du hast ihn Schwuchtel genannt!" rügte Jill mich laut. Strafend taxierte sie mich.
Ich lächelte irritiert, immer noch extrem lüstern. „Ich habe Sean Valmont schon mindestens einhunderttausend Mal Schwuchtel genannt, Jill, keine Sorge!" erklärte ich ihr milde und fragte mich ungeduldig, wie die Chancen auf Sex mit ihr wohl jetzt standen. Ich spürte meine eigene Erregung, erinnerte mich an ihre Neugierde auf meinen nackten Körper, und ich hatte jetzt wirklich große Lust auf sie.
„Und denkst du etwa, das würde ihn nicht verletzten? Es ist doch ganz egal, wie oft du ihn schon so genannt hast, Clay. Es ist einfach jedes Mal nur gemein!" tadelte sie mich nochmal. Ich lächelte freundlich und klopfte auffordernd neben mich auf das Bett. „Mach dir keine Sorgen um Valmont, Jill. Er ist daran gewöhnt. Setz dich lieber zu mir!" forderte ich sie auf.
Sie stand dort und musterte mich prüfend. Dann grinste sie auf einmal belustigt. „Du bist jetzt tatsächlich sexuell erregt, was?" stellte sie amüsiert fest, was mir irgendwie peinlich war. Beschämt starrte ich auf den Boden. „Und warst du etwa nicht sexuell erregt, als du mich ausgezogen und angesehen hast, Jill?" wollte ich leise von ihr wissen, ohne sie dabei anzugucken. Sie antwortete erst nicht. Ich schaute fragend zu ihr hin. „Ja, du hast recht, das war ich", gab sie echt unerwartet offen zu, was ich total sexy fand.
„Komm her!" drängte ich daraufhin, „Setz dich zu mir!" Ich klopfte nochmal neben mich auf das Bett. „Es wird dir bestimmt gefallen", versprach ich ihr atemlos. Sie schnaufte verächtlich. „Oh, nein, Clay! Lass doch diese lächerlichen Macho-Sprüche!" wies sie mich spöttisch zurecht, was mich wirklich kränkte und irgendwie auch ganz schön einschüchterte.
Aber dann setzte sie sich zu meiner Freude tatsächlich langsam neben mich auf die Bettkante. Eine Weile saßen wir nur schweigend so dort. Ich fühlte mich jetzt gehemmt und fragte mich irritiert, warum das so war. Ich hatte plötzlich keine Ahnung, wie ich mich ihr nähern sollte. Die Frau war immer so spöttisch und arrogant. Ich war so verdammt aufgeregt. Mein Herz fing an zu hämmern, und ich rang konfus nach Luft.
Jill saß neben mir und beobachtete mich aufmerksam von der Seite. „Schon gut", sagte sie schließlich leise beruhigend und legte ihre Hand auf meinen Arm. Sofort sah ich sie hoffnungsvoll an. „Ich möchte dich nackt sehen, Jill", flüsterte ich gierig. Sie lächelte milde und schüttelte den Kopf. „Keine Chance, Herr Banton", machte sie meine Hoffnungen brutal zunichte. Entgeistert starrte ich sie an. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Sie lachte amüsiert, und ich fühlte mich aufs Neue total verarscht.
Sie spielt nur mit mir herum, merkte ich enttäuscht. Diese Furie spielt die ganze Zeit nur mit mir herum, und sie macht sich immer noch einen Spaß daraus, mich in Verlegenheit zu bringen, dachte ich angewidert. Stöhnend drehte ich mich von ihr weg und hatte unwillkürlich das Gefühl, ihre Nähe und Verschlagenheit nicht länger ertragen zu können.
„Nein, warte, Clay, ganz ruhig!" versuchte sie mich hastig zu besänftigen und griff wieder nach meinem Arm. Energisch zog sie mich zu sich hin. „Es ist schon okay", flüsterte sie lächelnd. „Nein, Jill, das ist absolut nicht okay!" entfuhr es mir heftig. „Du spielst mit mir!" warf ich ihr gekränkt vor. „Nein, warte doch mal!" meinte sie und streichelte plötzlich sanft über meinen Bauch, was sich wirklich gut anfühlte und mich so überraschte, dass ich instinktiv ganz still saß und den Atem anhielt. Sie schob mein T-Shirt hoch und legte ihre warme Hand behutsam flach auf meinen nackten Bauch. Ich schloss automatisch die Augen. Eine ganze Zeit saßen wir so dort. Ich spürte sie intensiv und dachte gar nichts mehr.
Irgendwann nahm sie ihre Hand wieder weg. Ich öffnete die Augen und schaute sie hilflos an. Sie lächelte echt verschwörerisch und lehnte sich gegen mich. Sie beugte sich vertraulich an mein Ohr. „Hör zu, Clay. Wenn du das wirklich möchtest, dann hole ich dir einen runter", flüsterte sie unverkennbar aufgeregt. „Was...?" seufzte ich verwirrt. Sie lächelte gerührt und küsste mich sacht auf die Wange. Ich ergriff spontan die Gelegenheit und wollte sie auf den Mund küssen. Ich drängte mich gegen sie, aber sie drehte sofort heftig den Kopf weg und schob mich energisch zurück. „Nein, lass das, das habe ich nicht gemeint!" protestierte sie laut.
Ich stöhnte ungeduldig, und sie legte ihre Hand verwegen auf die Knöpfe meiner Jeans. „Ich möchte dir nur einen runter holen, Clay", wiederholte sie atemlos. Ich spürte ihre Hand durch den Stoff der Jeans überdeutlich. Mein Schwanz reckte sich ihrer Hand fast von allein entgegen, und natürlich merkte sie das sofort. Sie lächelte tatsächlich erwartungsvoll. Mein Herz hämmerte wieder. Ich dachte gierig, sie soll mich anfassen, ich will, dass sie mich sofort anfasst. Du musst nehmen, was du kriegst, sagte eine Stimme in meinem Kopf, das ist besser als gar nichts.
Ich lehnte mich also ein wenig zurück, murmelte "Okay" und guckte sie auffordernd an. Vielleicht überlegt sie es sich noch, hoffte ich inbrünstig, bestimmt will sie doch mehr, wenn sie erstmal angefangen hat, mich dort richtig anzufassen. Es wird sie aufgeilen, und dann kann sie mir nicht mehr widerstehen.
Eine Weile saß ich so da und wartete darauf, dass es endlich losging. Aber nichts geschah. Ihre Hand lag unbeweglich auf den Knöpfen meiner Jeans, was ich mit der Zeit kaum noch aushielt. Ich stöhnte ungeduldig auf und fixierte sie einladend. Sie saß dicht bei mir und betrachtete mich ungeniert.
„Was ist los? Worauf wartest du denn?" wollte ich schließlich irritiert von ihr wissen. Sie lächelte schon wieder amüsiert. Der offene Spott in ihrem Blick gefiel mir absolut nicht. Die Rachegöttin verarscht mich schon wieder, dachte ich alarmiert, und ich bekam die unangenehme Befürchtung, jeden Moment komplett durchzudrehen.
Jill registrierte meine wachsende Ungeduld mit einem Grinsen. Endlich begann sie zaghaft damit, die Knöpfe meiner Jeans zu öffnen. Neugierig langsam tasteten sich ihre Finger vorwärts. Ich stöhnte unwillkürlich auf. „Hast du mich richtig verstanden, Clay?" fragte sie plötzlich alarmiert. Sie hatte ihre Finger in meine Jeans geschoben. Ihre Hand ruhte jetzt unbeweglich auf meiner Unterhose. Ich starrte angespannt auf ihre Hand und konnte ihr nicht antworten.
„Hast du verstanden, was ich gemeint habe?" fragte sie nochmal. Der Ton ihrer Stimme drängte kühl auf eine Antwort. Ich warf ihr verwirrt einen Blick zu. „Du willst mir einen runter holen, oder?" keuchte ich atemlos. Sie betrachtete mich abschätzend. Ihre Hand bewegte sich nicht. Hol ihn endlich raus, gierte es konfus in mir, fass ihn endlich an! Ich hatte keine Ahnung, warum sie zögerte. Ich konnte ihr Zögern kaum aushalten.
Mein Herz hämmerte wie wild. In meinem Kopf liefen viele erotische Bilder ab. Ich stellte mir unwillkürlich vor, sie ordentlich durchzuvögeln, was eine beträchtliche Wirkung auf mich ausübte. Ich schnappte erregt nach Luft. Aber sie ließ ihre Hand auf meiner Boxershorts liegen und bewegte sich nicht.
„Jill!" stöhnte ich schließlich hilflos und anklagend. Endlich lächelte sie wieder. „Bevor ich dir einen runter hole, musst du mir unbedingt noch etwas versprechen, Clay!" meinte sie allen Ernstes. „Ich verspreche dir alles!" erwiderte ich automatisch. Erneut traf mich ihr spöttisch abschätzender Blick. Ich seufzte tief und schloss überfordert die Augen. „Du bleibst da sitzen und behältst deine Hände bei dir, klar? Du fasst mich auf keinen Fall an!" verlangte Jill streng.
Ich öffnete stöhnend die Augen und schaute sie an. Sie meinte es todernst, deshalb nickte ich hilflos. „Versprich es mir!" befahl sie mir laut. „Ich verspreche es dir!" seufzte ich geschlagen, lehnte mich zurück und stützte mich auf meine Hände. Das kann doch alles nicht wahr sein, dachte ich total konfus, was passiert denn hier eigentlich? Diese fremde Frau will mich vielleicht nur fertigmachen, befürchtete ich plötzlich, sie rächt sich bestimmt für irgendwas bei mir. Völlig konfus starrte ich auf den Fernseher. Ein Video von Seeed flackerte ohne Ton über den Bildschirm.
„Okay, ich vertraue dir, Herr Banton", murmelte Jill und schob unvermittelt meine Unterhose herunter. Meine harte Erektion stand nun ganz offen dort, und mit einem Mal war mir das entsetzlich peinlich. Sie ergriff ihn ziemlich umständlich und bewegte ihre Faust sofort viel zu schnell. Frau Bennet holte mir jetzt in der Tat hastig und heftig einen runter. Und selbstverständlich steigerte sich meine Erregung parallel zu ihrer Geschwindigkeit.
Aber etwas Grundlegendes hatte sich geändert. Die erotischen Bilder in meinem Kopf waren wie weggeblasen. Ich saß dicht neben ihr und zwang mich verkrampft, meine Arme hinter mir zu lassen, ihr mit meinen Händen bloß nicht zu nahe zu kommen.
Dabei wollte ich in dieser Situation nichts lieber, als sie zärtlich anzufassen. Stattdessen krallte ich meine Finger in die Bettlaken. „Warte, warte!" ächzte ich verblüfft, „Nicht so schnell! Das halte ich nicht lange durch!" Doch sie war jetzt beschäftigt und hatte nicht die Absicht, sich zu bremsen.
Ich stierte reglos auf den Fernseher, dann auf meinen Schoß und wünschte mir, sie wäre gefühlvoller. Ich stöhnte unterdrückt und schnappte irritiert nach Luft. Sie erregte mich mit ihren dicken Fingern an meinem Penis, aber sie törnte mich nicht an. Ich zwang mich die ganze Zeit verkrampft, bloß nicht zu laut zu werden, bloß nicht vollends die Kontrolle zu verlieren. Ich bedauerte unentwegt, dass sie es viel zu schnell machte, zu ruckartig, dass sie definitiv viel zu emotionslos war.
Letztendlich schloss ich die Augen und fügte mich in das Unvermeidliche.
Jill
Clay wurde merkbar sexuell erregt, als ich ihm gestand, dass ich ihn während seiner Bewusstlosigkeit ausgezogen und angesehen hatte, was ich total süß fand. Von meinen Fotos und Videos, die ich von ihm gemacht hatte, sagte ich ihm natürlich nichts. Der Mann wurde allein von der Vorstellung, wie ich ihn angesehen hatte, merkbar zappelig und atemlos. Er versuchte tatsächlich eifrig, Sean Valmont und mich zum Sex zu Dritt zu überreden.
Ich war mehr erleichtert, als ich mir eingestehen wollte, dass er über die Tatsache, dass ich seine Ohnmacht zur Befriedigung meiner sexuellen Neugier ausgenutzt hatte, überhaupt nicht verärgert war. Ich hatte zweifellos einen eigentlich unverzeihlichen, unakzeptablen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte vorgenommen, und Sean war darüber zu recht sehr erzürnt.
Aber Clay fand zu meinem Glück den Gedanken offensichtlich nur erregend. Und der Mann tat absolut nichts, um seine Begierde auch nur halbwegs vor uns geheim zu halten. Für ihn war es die normalste Sache der Welt, Lust auf Sex zu haben. Dieses Verhalten passt wirklich zu seinem naiven und primitiven Geist, dachte ich spöttisch. Aber gleichzeitig fand ich seine körperliche Unbefangenheit sehr mutig.
Sean dagegen war total abgeschreckt davon, was ich ein bisschen bedauerte. Ich hätte diesen großen, überaus attraktiven Mann insgeheim tatsächlich gern mal nackt gesehen, denn er zog sich auf der Bühne nicht aus und war schon angezogen eine wahre Augenweide. Aber Sean flüchtete angewidert aus der Wohnung, als Clay ihm drängend vorschlug, sich auszuziehen.
Überhaupt waren die beiden Männer in dieser Situation so dermaßen unterschiedlich, dass es mich wunderte, wie ihre Beziehung funktionieren konnte. Vielleicht zogen sich in diesem Fall die Gegensätze bis zur Verausgabung an. Jedoch war ich noch nicht hinter ihr Geheimnis gekommen, und mir schwante, dass ihre Bekanntschaft weit über jedes normale Maß von Liebe oder Freundschaft hinausging.
Ich hätte Sean gerne nackt gesehen, vielleicht sogar mal angefasst, und Clay hatte völlig recht damit, dass ich Sean Valmont extrem attraktiv fand. Er war einfach mega geil! Jedoch war es mir peinlich, dass Clay mir meinen geheimen Wunsch anscheinend anmerkte.
Und dann sprach er ihn auch noch laut aus, woraufhin Sean mich sofort prüfend betrachtete. Ich konnte nur noch verlegen seinem Blick ausweichen. Gleich darauf verließ Valmont hastig die Wohnung, und ich war erneut mit Banton allein. Clay nannte Sean gehässig eine Schwuchtel, und ich fragte mich abermals, ob Sean Valmont tatsächlich schwul war. Inzwischen kam mir das sehr wahrscheinlich vor, denn Sean schien ziemlich in Clay verliebt zu sein, und er hatte merkbar so gar kein Interesse an mir.
Clay saß unruhig auf dem Bett, und seine Augen funkelten beinahe vor Verlangen nach mir. Fieberhaft grübelte ich darüber nach, wie ich diese Situation meistern konnte, ohne ihm zu nahe kommen zu müssen oder ihn unnötig zu kränken. Auch hatte ich keine Lust, Clay Banton nochmal zornig zu erleben.
Schließlich beschloss ich, ihn schlicht mit der Hand zu befriedigen. Erfahrungsgemäß war dies die einfachste Methode, um einen Mann von seiner unerwünschten Geilheit zu kurieren. Außerdem musste ich insgeheim zugeben, dass ich noch immer neugierig auf Clay war. Ich wollte seinen hübschen Penis unbedingt steif sehen. Der Gedanke, ihn anzufassen, erregte mich ein bisschen, wie ich verwundert feststellte. Allerdings hatte ich nicht die geringste Absicht, deswegen in anderer Art mit ihm intim zu werden.
Herr Banton schmachtete mich förmlich an und klopfte neben sich auf das Bett. „Komm her, setz dich neben mich!" forderte er mich atemlos auf. Ich setzte mich zu ihm und teilte ihm mit, dass ich ihm einen runter holen würde, wenn er es wollte. Natürlich wollte er es, obwohl es ihn stattdessen nach viel mehr verlangte. Er wollte mich unbedingt nackt sehen und forderte mich auf, mich auszuziehen. Er brachte einige Gründe vor, warum ich ihm das schuldig wäre, was totaler Quatsch war.
Ich durchschaute sofort, dass dieser Wunsch, mich nackt zu sehen, für ihn lediglich ein sexuelles Vorspiel bedeutet hätte. Trotzdem gab er sich letztendlich mit meinem Angebot zufrieden, lehnte sich aufreizend ein wenig zurück, murmelte "Okay" und schaute mich auffordernd an. Der Mann war so aufgeregt, dass er tatsächlich zitterte. Er war echt niedlich.
Wir saßen nun dicht nebeneinander auf dem Rand des Wasserbetts, und er versuchte plötzlich, mich heftig zu küssen. Er war sehr stürmisch und ungehobelt. Der Mann war drängend geil, und es war richtig schwer, ihn zurückzuhalten. In diesem Moment fragte ich mich, ob er vielleicht tatsächlich versucht hatte, diese Frau zu vergewaltigen, wie ihm im Theater offen vorgeworfen worden war. Mir kam beunruhigt in den Sinn, dass diese beiden Würfe mit den Steinen vielleicht vollkommen gerechtfertigt gewesen waren. Diese Möglichkeit bestand zweifellos, beschloss ich, denn dieser Mann war merkbar hochgradig impulsiv in seiner Libido.
Clay Banton roch extrem nach dem Tennessee Whiskey, den er inzwischen in großem Maß getrunken hatte. Er roch außerdem nach diesem bitteren Heroinqualm und auch nach Zigarettenrauch, was ich total unangenehm fand.
Schließlich drängte ich ihn mühsam zurück und legte ihm kurzentschlossen, hastig meine Hand auf den Bauch, um ihn zu beruhigen. Verwundert stellte ich fest, dass er sofort ruhiger wurde, die Augen schloss und ganz still saß. Als hätte ich einen geheimen Auslöser gefunden, um ihn unter meine Kontrolle zu bekommen.
Ich betrachtete ihn, sah auf die Knöpfe seiner Markenjeans und ahnte seine Erektion darunter. Clay atmete tief und genoss ganz offensichtlich meine Hand auf seinem Bauch. Ich hatte den Eindruck, er hätte noch stundenlang dort so bewegungslos sitzen können, was mir angesichts seiner starken Erregung sehr merkwürdig vorkam.
Schließlich nahm ich meine Hand von seinem Bauch, und er lächelte mich erwartungsvoll an. Ich legte meine Hand zögernd auf die Knöpfe seiner Jeans und beobachtete interessiert seine Reaktion. Er zitterte vor Aufregung, lehnte sich zurück und atmete schwer. Ich bekam den Eindruck, dass dieser Mann sich schon jetzt kaum noch zurückhalten konnte, und das alarmierte mich total. Was passiert wohl, wenn ich ihn tatsächlich gleich richtig anfasse, überlegte ich nervös. Ist er dann überhaupt noch in der Lage, dort sitzen zu bleiben? Oder wird er irgendwann über mich herfallen und versuchen, mich zu vergewaltigen? Wenn seine Erregung noch weiter steigt, wird er vielleicht vollends die Kontrolle über sich verlieren!
Ich dachte wieder an die Szene im Theater, und es erschien mir immer wahrscheinlicher, dass die Anklage der versuchten Vergewaltigung zutreffend war. Ich fühlte mich plötzlich von Clays offener Geilheit bedroht. Fieberhaft suchte ich einen Ausweg aus dieser gefährlichen Situation und verharrte grübelnd mit meiner Hand auf seiner Jeans.
Diese doch eigentlich erotische Situation gefiel mir überhaupt nicht mehr. Ich bereute es schon jetzt, ihm überhaupt dieses Angebot gemacht zuhaben. Das war möglicherweise ein verhängnisvoller Fehler, hämmerte es anklagend in meinem Kopf, dieser Mann wird dir womöglich entgleiten. Du musst unbedingt auf der Hut vor ihm sein! Clay war sehr ungeduldig und drängte darauf, dass ich ihn endlich auspacken sollte.
Schließlich fragte ich ihn lauernd, ob er mich auch richtig verstanden hatte. Er bestätigte das atemlos. Anscheinend war ihm klar, dass ich ihm nur einen runter holen wollte. Ich knöpfte seine Jeans auf und legte ihm die Hand auf seine dunkelblaue Marken-Unterhose. Jetzt konnte ich seinen Schwanz gut ertasten, der unglaublich hart zu sein schien.
Clay stöhnte sofort hingerissen auf. Ich beobachtete ihn, gebannt von seiner sprühenden Erregung. Sein Zustand erschreckte mich zunehmend. Mir fuhr der Gedanke durch den Kopf, dass ich jetzt einfach schnell aufspringen könnte, seine Wohnung verlassen könnte, um den geilen Idioten auf seinem Bett allein zurückzulassen. Sollte er sich doch gefälligst selbst befriedigen, der viel zu triebhafte Mann!
Aber Clay seufzte unvermittelt, total schüchtern meinen Namen, und das änderte meine Meinung. Ich betrachtete ihn noch eine Weile abschätzend. Er saß dicht neben mir, die Hände hinter sich abgestützt, und er sah plötzlich sehr hilflos aus.
Er ist mir total ausgeliefert, dachte ich gerührt. Dieser Gedanke gefiel mir irgendwie. Clay war tatsächlich seiner eigenen Geilheit und meiner Macht über ihn hilflos ausgeliefert. Dieser Mann war dir doch schon den ganzen Abend lang nicht gewachsen, beruhigte ich mich innerlich. Er wird dir auch jetzt nicht gefährlich werden können!
Schließlich nahm ich ihm das Versprechen ab, mich auf keinen Fall anzufassen, und er versprach es mir sofort. Ich beschloss spontan, diese unangenehme Sache jetzt einfach so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
Ich schob seine Unterhose herunter und nahm ihn in die Hand. Er fühlte sich sehr hart und heiß an. Er war viel größer, als in meiner Erinnerung. Aber er erregte mich überhaupt nicht mehr. Ich bewegte meine Hand sehr schnell an seinem Penis, fuhr ruckartig auf und ab, und ich beobachtete ihn die ganze Zeit angespannt. Wenn er durchdreht, dann verpasse ich ihm nochmal einen Elektroschock, nahm ich mir grimmig vor.
Aber Clay blieb tatsächlich neben mir sitzen, was mich angesichts seiner mächtigen Begierde sehr erstaunte. Seine Finger krallten sich in seine Bettlaken. Seine Augen waren Spiegel seiner sexuellen Erregung. „Jill...", stöhnte er andauernd. Er taxierte meine Hand, die ihn hastig bearbeitete. „Schon gut", beruhigte ich ihn und befriedigte ihn eilig weiter. Ich hatte ihn hart gepackt und fuhr schnell auf und ab. Komm schon, dachte ich ungeduldig, beeil dich, mach der Farce hier ein Ende! Seine sprühende und impulsive Geilheit erschreckte mich. Ich fürchtete die ganze Zeit, jeden Moment die Kontrolle über ihn zu verlieren, und steigerte mein Tempo noch.
„Stopp! Warte!" seufzte er hilflos, „Das ist zu schnell, Jill. Das halte ich nicht lange durch." Aber genau darum ging es ja, denn meine berechtigte Furcht, er könnte plötzlich über mich herfallen, war viel zu groß. Die Anklage der Vergewaltigung schwebte über diesem Mann, und er widerte mich deswegen mit einem Mal richtig an.
Mechanisch bearbeitete ich seinen Schwanz, und er hatte keine Chance, sich meinem Willen zu entziehen. Seine Erregung steigerte sich unwillkürlich schnell, und es dauerte schließlich nur wenige Minuten bis zu seiner Ejakulation. Ich beobachtete ihn aufmerksam, und die Wucht seines Orgasmus erstaunte mich zutiefst. Clay ächzte laut, atmete stoßweise, dann hielt er die Luft an. Er ejakulierte in einigen heftigen Stößen, sein Samen schoss aus ihm heraus in die Luft, einem Springbrunnen nicht unähnlich, und er zuckte am ganzen Körper mehrmals zusammen. Clay stöhnte hemmungslos, tatsächlich überwältigt.
Danach war es endlich vorbei, und ich war wirklich erleichtert. Ich ließ ihn sogleich los und stand verlegen auf. Er sank stöhnend rückwärts auf sein Bett, bis er auf dem Rücken lag, und er atmete schwer. Er brauchte eine ganze Zeit, um sich wieder in den Griff zu kriegen. Er lag ruhig dort, die Hände ins Laken gekrallt, atmete tief und rührte sich nicht. Er hatte die Augen geschlossen.
Ich beobachtete ihn neugierig. Sein Penis erschlaffte langsam. Sein Sperma war hoch bis auf sein T-Shirt gespritzt, es war auf seine Jeans und das Bett gesprenkelt, auch auf meiner Hand war etwas davon. „Hast du ein Taschentuch... ein Tempo?" fragte ich ihn nach einiger Zeit ungeduldig.
Er richtete sich halbwegs auf und guckte beschämt an sich herunter. Er verzog genervt das Gesicht, als er das Ejakulat auf seinem T-Shirt entdeckte. Dann deutete er auf seinen Nachttisch. „Ich habe Kleenex... in der Schublade...", stammelte er befangen, ohne mich anzusehen. Ich ging zum Nachttisch und zog die Schublade auf. Zwischen unzähligen Kondomen standen einige Kleenex-Schachteln. Ich erinnerte mich wieder, die Papiertaschentücher dort schon gesehen zu haben. Ich nahm eine Schachtel, riss sie auf und holte einige Tücher heraus, um meine Hände damit zu säubern.
Dann schaute ich wieder zu Clay hin. Er lag immer noch auf dem Rücken, halb aufgerichtet, und sah mich jetzt an. Sein Blick schwankte zwischen Wut und Traurigkeit. Ich bemühte mich schnell, ihn zu ignorieren, indem ich ihm wortlos die Kleenex-Schachtel hinwarf. Er seufzte tief, zupfte einige Tücher heraus und fing damit an sich abzuwischen. Kaum zu glauben, dass er nicht zufrieden ist, dachte ich grimmig. Er hatte schließlich seinen scheiß Orgasmus! Was hat er denn von mir erwartet, dieser Spinner?!
Clay
Ich war sexuell erregt, hatte einen Ständer, und Frau Bennet holte ihn mir runter. Und sie machte das genauso unerbittlich und unsensibel, wie es ihrer Art entsprach, wie sie sich mir schon den ganzen Abend gezeigt hatte. Sie bearbeitete meinen Schwanz verbissen, und sie studierte interessiert meine wachsende Geilheit dabei. Ihr Griff war sehr hart, heftig und hastig, völlig gefühllos, und ich gewann die schmerzvolle Gewissheit, dass sie es nur schnell hinter sich bringen wollte.
Auch mit dieser Taktik hatte sie selbstverständlich Erfolg, denn auf ihre Art dauerte es höchstens zwei Minuten, bis es mir kam. Ich hatte überhaupt keine Chance es aufzuhalten. Sie ignorierte stur meine Bitte, es etwas langsamer anzugehen. Sie ließ mir nicht mal eine Möglichkeit, es auch nur irgendwie ein wenig hinauszuzögern. Ich kam und spritzte, und es war höchstens eine Ahnung, ein Hauch von dem, was ich eigentlich beabsichtigt und mir gewünscht hatte.
Danach ließ sie mich sofort los, wie ein heißes Eisen. Ich lag erschöpft auf meinem Bett und kämpfte damit, mich nicht allzu sehr benutzt zu fühlen. Ich schnappte nach Luft und zwang mich verzweifelt, nicht in Tränen auszubrechen.
„Hast du ein Taschentuch?" fragte Jill mich kalt. Ich richtete mich halbwegs auf, stützte mich auf meine Ellbogen und blickte peinlich berührt an mir herunter. Die verdammte Wichse war bis auf mein T-Shirt gespritzt, was mich tierisch nervte, weil ich es erst frisch angezogen hatte. Meine Jeans, sogar das Bett hatte etwas abgekriegt, und mein Unterleib war voller Wichse.
Ich zeigte Jill, wo die Kleenex waren. Sie ging sofort hin, nahm sich ein Tuch und wischte sich hastig ihre Hände sauber, als wäre meine Körperflüssigkeit giftig. Ich war wirklich verletzt. Ich schaute sie an und dachte gehässig, dass jede x-beliebige Straßennutte mir für 20 Euro ganz genau den gleichen Abgang verschafft hätte. Aber ich sagte es nicht, denn ich hatte keine Lust mehr auf Diskussionen mit Jill. Ich hatte keine Lust mehr, mich mit ihr anzulegen, denn für mich stand nun fest, dass sie immer gewinnen würde.
„Was ist los, Clay? Passt dir irgendwas nicht?" sprach sie mich provozierend an und warf mir die Kleenex-Schachtel an den Kopf. Ich richtete mich auf, nahm ein paar Tücher und wischte genervt an meinem T-Shirt herum. Aber es nützte nicht viel, also wandte ich mich meinem Schwanz zu, und es war mir sehr peinlich, dass Jill mich dabei sehr eingehend beobachtete.
Ich versuchte, die richtigen Worte zu finden. Ich wollte ihr keinen Anlass geben, mich noch mehr zu verletzen. „Weißt du, Jill, ich wollte wirklich nicht, dass du mir einen.... Gefallen tust", versuchte ich ihr zu erklären und zog mir beschämt die Hosen hoch. Verlegen blickte ich zu ihr hin. Sie blies geringschätzig die Luft aus. „Ja, weißt du, Clay, genau das war es aber nun einmal! Ich habe dir einen verdammten Gefallen getan! Und mehr konntest du auch nicht erwarten! Ich habe dich schließlich gerade erst vor ein paar Stunden kennengelernt! Hast du denn wirklich geglaubt, dass ich da gleich mit dir ins Bett hüpfe?! Ich bin eben nicht so, wie die vielen anderen Frauen, die du täglich so aufreißt!" prasselten ihre coolen Worte heftig auf mich herunter. „Und sag mir jetzt nicht, ich hätte dich mit meinem Handjob nicht tierisch aufgegeilt!" setzte sie noch ziemlich herausfordernd hinzu und grinste mich spöttisch an.
Ich saß auf meinem Bett, wie ein Idiot, und fühlte extrem unangenehm die schwindende Wirkung des letzten Chinesen in mir aufkommen, wie es nach jedem Orgasmus der Fall ist. Ich bekam das dringende Bedürfnis, mich noch viel mehr zuzuknallen.
„Aber für Sean hättest du dich ausgezogen, was?!" entfuhr es mir verärgert. Sie stöhnte fassungslos und schüttelte den Kopf. „So ein Schwachsinn!" behauptete sie. Dann kam sie einige Schritte auf mich zu, stand vor mir und strich mir mitleidig über den Kopf. „Hör mal, du darfst dir nicht einreden, dass du nicht gut aussiehst, oder das Sean besser aussieht als du, Clay! Du bist ein sehr schöner Mann. Du hast einen attraktiven Körper, und das meine ich wirklich ehrlich!" sagte sie zu mir und lächelte dann fast entschuldigend, „Nur mein zukünftiger Ehemann wird mit mir schlafen dürfen, verstehst du?"
Diese Information überraschte mich nicht halb so stark, wie sie es vielleicht hätte tun sollen. Ich warf ihr nur einen müden Blick zu. „Ich glaube an die Heiligkeit der Ehe. Ich werde vor meiner Hochzeitsnacht mit niemandem schlafen", fuhr sie unbeirrt fort. „Ja, ich weiß schon. Für dich ist das alles ganz genau in der Bibel festgelegt", erwiderte ich gereizt, weil diese Worte mich an meine Familie erinnerten.
Sie streichelte über meine Wange, und ich sah verwirrt zu ihr hoch. Ich fragte mich unwillkürlich, warum ihre Berührung jetzt auf einmal so liebevoll war. Ihr Verhalten irritierte mich total. Ich merkte abermals resigniert, dass ich Frauen wohl nie verstehen würde, genau wie ich auch meine Mutter und meine Schwestern eigentlich nie verstanden hatte.
„Ich benutze mal eben dein tolles Bad", informierte sie mich gut gelaunt und drehte sich von mir weg, um zur Tür zu gehen. „Jill!" rief ich ihr verzweifelt nach. Sie drehte sich um und lächelte mich an. „Dann hat es dir also überhaupt nichts gebracht?" fragte ich sie verlegen. Sie lachte amüsiert und blieb mir eine Antwort schuldig.
Die Frau ging offenbar in mein Badezimmer, und ich war allein. Ich fühlte mich verarscht und ausgenutzt. Ich war wütend über mich selbst. Es nervte mich, dass ich von ihren Ansichten nichts gemerkt hatte. Es ärgerte mich enorm, dass ich es nicht geschafft hatte, mich ihrer Willkür zu widersetzen. Ich war total angepisst. Erbost schlug ich auf meine Bettlaken ein. Verbittert griff ich nach der Jack Daniel's Flasche, aber sie war leer. Ich pfefferte die Flasche wutentbrannt in eine Ecke des Zimmers. Sie ging nicht mal kaputt.
Sean
Clay geilte sich immer stärker an der Vorstellung auf, dass Jill ihn ausgezogen und angesehen hatte. Er flippte nahezu aus, um uns zum gemeinsamen Sex zu überreden. Ich merkte, dass ich ihn nicht länger ertragen konnte. Ich konnte seine Gier nach dieser fremden, dicken Frau nicht länger ertragen. Ihr zunehmend neugieriger Blick auf meinen Körper schien mir äußerst bedrohlich zu sein.
Ich stand spontan auf und flüchtete zur Tür. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich zu viel von dem Jack Daniel's Whiskey getrunken hatte. Alles drehte sich, als ich den Flur entlang zur Wohnungstür torkelte.
Dann verließ ich Clays Wohnung und stolperte die dunkle Treppe hinunter. Ich hatte es zu eilig, strauchelte und fiel einige Stufen hinab. Unten schlug ich hart auf dem Asphalt auf. Mein Magen drehte sich herum. Ich taumelte auf die Straße und kotzte in den Rinnstein. Die ganze Zeit hatte ich Clay vor Augen, wie er sich über Jill hermachte. Wie er sich geil und gierig an ihr befriedigte. Ich lag auf dem Bürgersteig neben Clays MG und heulte eine Weile.
Später kriegte ich mich wieder ein, stand auf und ging vorsichtig zu meinem Fahrrad, was immer noch im Hausflur stand. Ich schwang mich mühselig auf den Sattel und fuhr wackelig einige Meter.
Im nächsten Moment wurde mir schwindelig und ich fiel wie ein blöder nasser Sack auf den Beton. Fluchend hielt ich mir die schmerzenden Knochen und hasste mich für meine Unfähigkeit, die verheerende Wirkung von Drogen zu kontrollieren. Mir wurde bewusst, dass ich nicht mehr in der Lage war, mit meinem Fahrrad zu fahren, schon gar nicht den weiten Weg bis nach Hause.
Mir wurde bewusst, dass ich Clay allein oben in seiner Wohnung bei dieser verdammten Schlampe gelassen hatte. Mir wurde bewusst, dass ich Clay ganz und gar nicht verlassen wollte, dass ich mich, im Gegenteil, extrem nach seiner Nähe sehnte.
Fluchend saß ich auf dem Bürgersteig neben dem umgekippten Fahrrad. Ich war tatsächlich viel zu gut eingeheizt vom Heroin, als dass mir kalt gewesen wäre. Obwohl es eine eisige Nacht war, erst März und dunkel auf der Straße. Aber das Heroin wirkte zuverlässig, und ich ahnte, dass ich diese Nacht ohne diese Droge vielleicht gar nicht überleben würde. Dass ich höchstwahrscheinlich ohne diese warme, beruhigende, umfassend tröstende Wirkung der shore schon längst komplett durchgedreht wäre. Einige Zeit dachte ich verwirrt darüber nach.
Dann überlegte ich, was ich jetzt tun sollte, wie zur Hölle ich nach Hause kommen sollte. Ich zog es in Erwägung zu laufen, aber mir war zu schwindelig, und der Weg war viel zu weit. Ich war betrunken und musste einsehen, dass einfach loszutorkeln nicht wirklich eine gute Idee war. Die Chancen standen gut, dass ich es nicht bis nach Hause schaffen würde.
Ich betrachtete Clays MG und spielte mit dem Gedanken, den Wagen aufzubrechen und damit nach Hause zu fahren. Aber ziemlich schnell verwarf ich die Idee wieder. Ich riss mich zusammen, stand auf, hob mein Fahrrad auf und schob es zurück in den dunklen Hausflur. Dann saß ich auf der Treppe und zündete mir eine Zigarette an.
Ich hatte sie vielleicht bis zur Hälfte geraucht, als oben die Tür aufging und Jill herauskam. Sie suchte eine Weile die Wand ab, fand endlich den Lichtschalter und knipste ihn an. Die Glühbirne im Hausflur glimmte auf und blendete mich tierisch.
„Sean!" rief sie überrascht und sichtbar erfreut, kam herunter und setzte sich dicht neben mich auf die kalte Treppenstufe. Freundlich lächelte sie mich an. „Was machst du denn noch hier? Ich dachte, du wärst längst weg!" „Mein Fahrrad ist kaputt", erwiderte ich abweisend und deutete drauf. Sie betrachtete eine Weile prüfend mein Mountain-Bike und vielleicht begriff sie, dass mein Fahrrad völlig in Ordnung war. Aber sie ging nicht weiter darauf ein.
„Ich habe jetzt wirklich Hunger", seufzte sie. Ihre Augen leuchteten vergnügt. „Was meinst du dazu?" wollte sie von mir wissen. Ich betrachtete sie und hatte eine Vision von ihr und Clay in Clays Bett, und mir wurde unwillkürlich übel. Ich war eifersüchtig und drehte mich von ihr weg. „Ich will nach Hause", sagte ich unfreundlich.
Jill lachte plötzlich laut auf. Sie packte mich tatsächlich vertraulich am Arm. „Stell dir vor, Clay hat mir gerade angeboten, dass er mich nach Hause fährt!" kicherte sie albern, „Er will mich in seinem teuren Sportwagen nach Hause fahren!" Sie amüsierte sich köstlich. Mir war nicht sofort klar, was sie daran so erheiterte. Irritiert sah ich zu ihr hin. „Na und?" fuhr ich sie genervt an. Sie schüttelte spöttisch den Kopf. „Clay Banton ist von seinen harten Drogen so zugeknallt, dass er nicht mal mehr geradeaus gucken kann! Ich müsste schon lebensmüde sein, um mich jetzt von ihm nach Hause fahren zu lassen!" erklärte Jill mir überheblich. Ich registrierte angewidert ihre Arroganz und konnte mich plötzlich nicht mehr bremsen.
„Hat er dich gefickt?" entfuhr es mir aggressiv. Ihr Lachen starb und sie betrachtete mich eine Weile nachdenklich. Mein Blick durchbohrte sie förmlich und drängte auf Antwort. „Nein, Sean, das hat er nicht getan", seufzte sie endlich, schüttelte den Kopf und setzte hinzu: „Das hätte ich niemals zugelassen." „Er wollte dich aber unbedingt! Was hast du gemacht?" verlangte ich zu erfahren. Mein Herz klopfte auf einmal hart. Allein der Gedanke regte mich auf, und eigentlich wollte ich es gar nicht so genau wissen. Nervös zog ich an meiner Marlboro. Jill lächelte wieder. „Keine Sorge, Sean, ich habe ihm nur ganz schnell und oberflächlich einen runter geholt. Und er war alles andere als glücklich darüber, das kannst du mir glauben", erklärte sie mir geduldig. Ich fühlte mich plötzlich idiotisch und starrte angestrengt auf die schmutzigen Treppenstufen. Das Licht im Flur ging aus, worüber ich sehr dankbar war.
Einige Zeit war es ganz still. „Ich weiß genau, dass er dir gehört", flüsterte Jill ganz leise im Dunkeln. Ich fühlte einen Stich in meinem Innern, mein Hals krampfte sich bitter zusammen. Tränen stiegen in mir hoch. Ich musste mich anstrengen, um nicht loszuheulen. Ich wollte auf keinen Fall vor Jill weinen. Ich wollte keine schwächliche, blöde Schwuchtel mehr sein. Es ärgerte mich ungemein, dass ihre Worte mir so nahe gingen.
„Banton gehört niemandem!" stellte ich laut klar und schnippte die Kippe weit weg, bis auf den Bürgersteig. Danach saßen wir einige Minuten still auf der Treppe in dem dunklen, dreckigen Hausflur. Schließlich griff Jill in ihre Hosentasche. „Du, ich habe die Schlüssel von dem MG. Soll ich dich nach Hause fahren?" fragte sie mich allen Ernstes und hielt mir Clays Autoschlüssel vor die Nase.
Ich brauchte nur einen Moment, um zu reagieren. Heftig riss ich ihr die Schlüssel aus der Hand und stand auf. „Was nimmst du dir eigentlich raus?!" schrie ich sie wütend an und lief die Stufen so schnell hinauf, wie ich es hinbekam, ohne zu stolpern.
Glücklicherweise hatte sie die Wohnungstür offen gelassen, deshalb konnte ich hineingehen und Clay suchen. Es war nicht schwer, ihn zu finden, denn nur aus dem Badezimmer drang Licht in den Wohnungsflur. Es überraschte mich kaum, dass ich Clay im Badezimmer fand. Er saß auf dem Boden und rauchte Chinesen.
Als er mich sah, weiteten sich seine Augen intuitiv voller Angst. „Nein, Sean, nicht, mach das nicht, nimm mir das jetzt nicht weg...", stammelte er panisch und hustete. Hektisch versuchte er, sein Heroin und das Silberpapier vor mir in Sicherheit zu bringen.
Ich betrachtete ihn eine Weile und mich überkam automatisch eine warme Welle der Zuneigung. Ich ließ mich neben ihm nieder und packte ihn am Arm. „Ist schon gut", sagte ich leise, „Ich nehme es dir nicht weg." Unendlich dankbar schaute er mich an. Dann hielt er mir spontan die Alufolie hin. Ich zögerte nicht eine Sekunde, sie zu nehmen. Ich schaufelte mir einen dicken Chinesen drauf und rauchte ihn tief und genussvoll.
„Sie hat deine Autoschlüssel", sagte ich dann so beiläufig wie möglich. Amüsiert wartete ich auf seine Reaktion. Clay starrte mich ungläubig an, dann fiel sein Blick auf seine Jacke, die auf dem Boden des Badezimmers lag. Entsetzt versuchte er aufzustehen. Er wollte in seiner Jacke nachsehen, ob seine Schlüssel noch dort waren. Aber er war zu dicht, um schnell auf die Beine zu kommen. „Dieses Weib macht mich total fertig!" stöhnte er hilflos, was Balsam für meine Seele war.
Lächelnd hielt ich ihn zurück auf dem Boden. „Schon gut, Banton, ich hab sie ihr wieder weggenommen", beruhigte ich ihn belustigt. Er lag jetzt an mich gelehnt und guckte mich überfordert an. Seine schwarzen Pupillen waren winzig in seinen grünen-braunen Augen.
Einige Zeit schauten wir uns nur an. Er spürte meine unausgesprochene Frage. „Sie hat mich einfach nur benutzt", seufzte er endlich traurig. Ich streichelte tröstend über sein hübsches Gesicht. Er schloss genüsslich die Augen. „Sie behauptet, sie hätte dir einen runter geholt, und es hätte dir nicht besonders gefallen", erzählte ich ihm nicht ohne Schadenfreude in der Stimme. Er wurde rot und richtete sich unbehaglich auf. „Lass uns nicht darüber reden", bat er mich beschämt. „Ich will dich nackt sehen, Jill", äffte ich ihn spöttisch und gehässig nach. Er schlug mich dafür halbherzig gegen die Rippen. „Sie ist eine richtig gefährliche Bitch", betitelte er Jill, was ich herrlich fand.
„Hast du denn nicht geahnt, dass sie eine Journalistin ist? Konntest du dir das nicht denken?" erkundigte ich mich bei ihm. Er starrte mich überrascht, verwirrt an und schüttelte den Kopf. „Was? Nein! Sie hat doch behauptet, sie wäre eine einfache Verwaltungsangestellte", glaubte er sich zu erinnern. „Sie hat dir die Fragen einzig für ihren Blog gestellt", informierte ich ihn schadenfroh. Er schaufelte sich deprimiert noch einen Chinesen auf. „Ich dachte, sie wäre ehrlich interessiert an mir", gab er leise zu.
„Ich wollte nur nicht allein sein... einen schönen Abend haben...", setzte er dann resigniert hinzu. „Du bist so ein kompletter Vollidiot!" sagte ich zu ihm, riss ihn grob herum und küsste ihn ungeduldig auf den Mund. Er protestierte, weil er eigentlich gerade den Chinesen rauchen wollte, den er in der Hand hielt. Aber es war mir egal, dass er das Silberpapier mit dem Heroin drauf verlor. Es war mir egal, dass er nach Whiskey und Heroin schmeckte.
Ich küsste ihn gierig, und ziemlich schnell erwiderte er meinen Kuss devot. Ich fiel hungrig über ihn her, und er gab sich mir so bedingungslos hin, wie es seine Art war. Ich lag halbwegs auf ihm und küsste sein Gesicht, seinen Hals, suchte wild nach seiner Zunge. Er hatte die Augen geschlossen und tastete sich sanft an mir hinunter. Ich hatte einen Steifen, noch bevor er ihn mit seinen Fingern durch meine Jeans hindurch berührte. Ich stöhnte ungebändigt und knöpfte ihm hastig die 501 auf. „Sean...", protestierte Clay atemlos mit geschlossenen Augen, „Warte..." „Ich will dich ficken, Banton", keuchte ich unkontrolliert.
„Es tut mir leid, dass du keinen schönen Abend hattest, Clay", meldete sich jemand betont laut von der Tür her. Widerwillig sah ich auf, und dort stand Jill. Mir wurde bewusst, dass sie vielleicht schon die ganze Zeit dort gestanden, alles gehört und uns beobachtet hatte.
Mein Herz klopfte hart, ich war erregt, und es fiel mir schwer, von Clay abzulassen. Er lag auf dem Rücken und schaute jetzt irritiert zu Jill hin. „Kein Problem", versicherte er ihr verwirrt und guckte fragend zu mir. Gequält stöhnend richtete ich mich auf. Ich warf Jill einen vernichtenden Blick zu, war aber zu aufgewühlt, um etwas sagen zu können. Ich atmete nur tief ein und aus und versuchte, mich zu beruhigen. Es war mir extrem peinlich, dass Jill meinen Zustand so amüsiert begutachtete. Fuck, dachte ich, verdammte Scheiße, verdammte blöde Schlampe! „Nein, ich möchte das wieder gut machen, Clay. Ich möchte euch beide zum Essen einladen. Was meint ihr dazu?" redete Jill von der Tür her auf uns ein.
Ich saß auf meinen Knien und hatte Mühe, meine Geilheit unter Kontrolle zu bekommen. Clay richtete sich auf und stellte fest, dass er den Chinesen, den er sich schon aufgetan hatte, an seine Marmorfliesen verloren hatte. Aufsässig legte er sich einen neuen auf. Erst dann schaute er zu Jill hin. „Du willst uns einladen?" fragte er sie ungläubig. Gleich darauf rauchte er das Heroin auf dem Silberpapier durch sein gerolltes Zeichenpapier. Es war ihm völlig gleichgültig, dass die Frau ihn dabei beobachtete. „Ja, ihr könnt euch ein Restaurant aussuchen", bestätigte Jill lächelnd. Du gerissene Bitch, dachte ich wütend, ich will ihn jetzt ficken und nicht mit ihm Essen gehen, und das weißt du ganz genau!
Aber Clay war ihrem Vorschlag nicht abgeneigt, vielleicht hatte er tatsächlich Hunger. Sie wusste das aus irgendeinem Grund und lächelte siegessicher. „Was meinst du, Valmont?" wandte Clay sich an mich. Es tröstete mich ein wenig, dass er mich zumindest nach meiner Meinung fragte. „Es ist schon viel zu spät, um Essen zu gehen! Der einzige Laden, der vielleicht noch auf hat, ist das Duncan", meinte ich in der Gewissheit, das teuerste Restaurant zu nennen, was ich kannte. Grimmig starrte ich Jill an, aber sie zuckte nur mit den Schultern und sagte: „Okay."
„Okay", kicherte Clay und rauchte schnell noch einen Chinesen. Danach packte er seine Drogen ein und versteckte sie dummerweise wieder in dem Kasten des Whirlpools, obwohl das wahrlich kein geheimes Versteck mehr war. Dann stand er schwankend auf. „Lasst uns gehen!" forderte er uns plötzlich unbekümmert auf. Jill wechselte einen Blick mit mir und brach dann in Gelächter aus. „Weißt du, Clay, du solltest vielleicht vorher deine Hose zuknöpfen. Und du solltest dein T-Shirt wechseln. Ich glaube nicht, dass die dich mit offener Hose und Spermaflecken ins Duncan reinlassen!" erklärte sie ihm spöttisch.
Eliza
Fast zwei Jahre lang waren Clay Banton und ich irgendwie ein Paar. Wir hatten uns zufällig auf der Straße kennengelernt, vor dem Old Daddy, als er mich mutig vor einem fiesen Typen beschützte, der mich aggressiv anbaggern wollte. Clay war sehr hübsch und gut gekleidet gewesen. Er war äußerst charmant und begleitete mich bis nach Hause, damit mir auch ja nichts mehr passieren konnte. Ich war beeindruckt von ihm, seinen guten Manieren, seinem Mut, sich diesem Mann entgegenzustellen, der doch viel größer und stärker gewesen war als er.
Schon am nächsten Abend hatten wir uns wiedergesehen. Und ich glaube, da war ich schon in ihn verliebt. Er behandelte mich immer so, als würde er mich auf Händen tragen. Als wollte er mir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Clay Banton malte schöne Bilder für mich, und ich war mega beeindruckt von seinem unbestreitbaren Talent. Er porträtierte mich oft und gerne und immer schmeichelhaft. Er spielte und sang für mich selbst komponierte Lieder auf seiner Gitarre. Wir hatten absolut fantastischen Sex, und ich war völlig hingerissen von seiner Sensibilität. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben mit ganzer Seele glücklich verliebt.
Aber Clay versuchte von Anfang an, mich von seiner zweiten Seite fernzuhalten. Er war recht gut darin, deshalb dauerte es eine Weile, bis ich dahinterkam, dass er ein Heroinjunkie war. Dass er sogar alle Drogen nahm, die ihm in die Finger kamen. Noch länger dauerte es, bis ich dem Gerede in der Stadt Glauben schenken musste, dass er sexuell äußerst aktiv und bisexuell war. Dass er unzählige Affären hatte. Dass er neben mir ein dauerhaftes Verhältnis mit Sean Valmont hatte.
Ich wollte es vielleicht einfach nicht wahrhaben. Denn diese Zeit mit ihm war für mich so aufregend gewesen. Clay hatte seine erste große Vernissage und verdiente ganz plötzlich ein Vermögen. Ich freute mich so für ihn, denn ganz am Anfang unserer Beziehung hatte er zeitweilig mangels Geld und Wohnung auf meiner Couch campiert. Ich war so stolz auf ihn. Ich bewunderte seine Zeichnungen. Ich freute mich mit ihm über den geheimnisvollen, reichen Interessenten, der ihm so unglaublich viel Geld für seine Bilder bezahlte.
Und dann änderte sich alles. Aber es änderte sich nicht schnell, nicht so, dass es mir sofort aufgefallen wäre. Immer öfter war Clay einfach verschwunden. Er entzog sich bewusst meinem Einfluss. Seine Aufmerksamkeit für mich schwankte plötzlich. Er war zwar immer noch sensibel und charmant, aber auch zu oft gereizt, panisch, er wirkte zunehmend krank. Erst viel später erfuhr ich, dass er sich nach dem Erfolg seiner Ausstellung viel mehr harte Drogen leisten konnte, als ihm gut tat. Er verlor langsam völlig die Kontrolle. Und irgendwann gelang es mir nicht mehr, die Anzeichen zu ignorieren, denn ihm gelang es nicht mehr, sie vor mir zu verbergen.
Ich liebte diesen sensiblen Mann so sehr. Ich wollte ihm so gerne helfen. Ich akzeptierte sogar schweren Herzens Sean Valmont an meiner Seite, der ebenfalls alles Erdenkliche versuchte, um Clay wieder auf die Beine zu stellen.
Clay Banton startete unzählige Entzugsversuche und wurde mit schöner Regelmäßigkeit rückfällig. Es folgte die schlimmste Zeit meines Lebens. Aber immer noch dachte ich, ich könnte es schaffen. Dieser Mann liebte mich zweifellos. Er würde für mich mit den Drogen aufhören, wenn ich ihn darum bat, redete ich mir ein.
Clay hörte aber nicht auf, obwohl er es mir andauernd versprach. Und ich hatte überhaupt keine Erfahrung mit diesen Dingen. Mir war nicht klar, was genau ihm helfen würde. Ich konnte im Grunde nur zusehen, wie er davon schwamm, und ich litt Höllenqualen wegen ihm.
Schließlich war es Sean, der ihn irgendwie in das Methadonprogramm zwang. Es war Sean Valmont, der auf seine Art zu ihm durchdrang. Ich war darüber zu Tode verletzt und gleichzeitig überglücklich. Clay Banton nahm Methadon und versprach mir erneut, nie wieder Heroin anzurühren. Und tatsächlich schien das zu funktionieren. Er hatte auf Drängen des reichen Interessenten eine zweite Vernissage und verdiente noch mehr Geld. Die Presse und das Lokalfernsehen berichteten über ihn und sein Talent. Clay kaufte sich eine Wohnung und richtete sie überaus luxuriös ein. Er kaufte sich ein teures Auto und unzählige Markenklamotten.
Aber all das tat er zusammen mit Sean Valmont. Meine enge Verbindung zu Clay war durch das Methadon oder das Heroin irgendwie unbemerkt kaputtgegangen. Der Dunstkreis der harten Drogen war eine Welt, zu der ich niemals Zutritt gewann. Diese Welt wollte Clay nicht mit mir teilen und ich wollte sie auch eigentlich gar nicht kennenlernen. In dieser Welt wartete nur Sean Valmont auf ihn.
Das konnte ich irgendwann nicht mehr aushalten. Ich weinte mich bei Rowina aus, meiner langjährigen Freundin und Mitbewohnerin. Rowina redete geduldig auf mich ein. Sie tröstete mich und machte mir Clays unzählige Fehler bewusst, allem voran seine ständige Untreue und seinen Drogenkonsum. Sie hatte ohne Zweifel völlig recht damit, mir zu raten, unter die Beziehung mit Clay Banton einen Schlussstrich zu ziehen.
Ich machte Schluss mit meiner ersten großen Liebe an diesem kalten Januarmorgen, vor etwa drei Monaten. Ich saß mit Clay im Chaos-Tempel und sah ihm geradewegs in die Augen. „Ich kann nicht mehr, Clay. Ich habe keine Kraft mehr", versuchte ich ihm sanft zu erklären. Er war völlig verwirrt und sagte überhaupt nichts. Er nickte nur stumm. Vielleicht war er betäubt von Drogen gewesen. Vielleicht waren seine Gedanken einfach ganz woanders. Als er schließlich hinausging, war ich mir nicht sicher, ob er mich überhaupt richtig verstanden hatte.
Auch jetzt war ich mir immer noch nicht sicher, ob ihm das Ende unserer Beziehung überhaupt bewusst war. Leider musste ich mich oft genug selbst daran erinnern. Denn ich liebte ihn immer noch, fast unverändert. Ich wollte ihm noch immer gerne helfen. Aber mein Verstand verbot mir das immer rigoroser. Und nach den Ereignissen der letzten Tage fiel es mir gar nicht mehr so schwer, mich daran zu erinnern, warum ich mit diesem Mann Schluss gemacht hatte. Clay Banton war wieder voll auf Heroin. Er hatte mich angelogen und grob angegriffen. Er hatte wahrscheinlich versucht, eine Frau zu vergewaltigen. Er war offensichtlich erneut außer Kontrolle geraten.
Immer wieder redete ich auf mich ein, dass es jetzt endlich vorbei war. Dies war der Auslöser, der meiner Geduld ein Ende setzte. Ab jetzt würde ich ihm nicht mehr nachweinen. Ich würde keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden.
Ich saß im Wohnzimmer auf der Couch und sprach mir verbissen Mut zu. Ich ließ im Geist die Vorfälle im Theater Revue passieren, die beiden Steine, die auf ihn geworfen worden waren, den Vorwurf einer versuchten Vergewaltigung. Dann die Szenen in Clays Wohnung, wo er mich brutal gegen die Wand geschubst und gewaltsam vor die Tür gesetzt hatte. Ich erinnerte mich mit einem Frösteln an den irren Ausdruck seiner Augen. Es ist aus, Banton, beschloss ich grimmig. Heute hat du mich und meine Loyalität endgültig verloren!
Clay
Jill bestand darauf, selbst am Steuer zu sitzen. Und obwohl ich kein gutes Gefühl dabei hatte, übergab ich ihr am Ende mit den Schlüsseln auch die Verantwortung für meinen MG. Ich fühlte mich zugeknallt und träge, die shore wirkte hervorragend. Ich sah ein, dass mein Reaktionsvermögen vielleicht nicht mehr das Beste war.
Wir quetschten uns zu Dritt in meinen Sportwagen, Jill am Steuer und ich auf Seans Schoß auf dem Beifahrersitz. Ich hatte große Freude daran, Valmonts Erektion zu fühlen und ihn ein bisschen leiden zulassen, indem ich ihn verstohlen durch seine Jeans hindurch stimulierte. Er konnte mir in der Enge des Autos nicht ausweichen, stöhnte unterdrückt und starrte mich flehentlich an. Er hatte große Mühe, sich zusammenzureißen, und das amüsierte mich total. Die verklemmte Jill bemerkte unser heimliches, intimes Spiel und wies uns schroff zurecht.
Und dann waren wir auch schon in der Stadt angelangt. Zu meiner Erleichterung war Jill eine gute Autofahrerin und parkte den MG gekonnt ein.
Selbstverständlich kamen wir nicht ins Duncan rein. Das war mir schon klar gewesen, als Valmont dieses Luxus-Restaurant vorgeschlagen hatte. Im Duncan herrschte Krawattenzwang. Es war das teuerste Restaurant der Stadt für absolut gehobene Ansprüche. Man ging mit Geschäftspartnern hin, wenn man sie beeindrucken wollte, um einen vorteilhaften Vertragsabschluss zu erreichen. Man ging hin, wenn man seinen teuersten Anzug trug. Aber in dieser Nacht hatten wir alle drei Jeans an, und es interessierte den Türsteher kaum, dass ich mir ein sauberes T-Shirt angezogen hatte.
Also landeten wir in einer so spät noch geöffneten Pizzeria und schlugen uns auf Jills Kosten den Bauch mit Lasagne und Pizza voll. Jill stellte Sean wirklich viele Fragen, und es wunderte mich, dass er ihr so geduldig antwortete. Sie wollte alles wissen über Psychotic Kühlschrank und über Seans Studium, seine Vorlieben und Abneigungen rund um das Theater, seine Arbeit als Dozent in der Kunsthochschule, seine anderen Aktivitäten und seine Pläne für die Zukunft. Es war ein ziemlich langweiliges Interview, denn alles, was Sean ihr verriet, wusste ich schon längst. Es waren seine Standardantworten. Ich fragte mich irritiert, wie Jill sich all diese Informationen merken wollte, ohne sich Notizen zu machen.
Später war das Essen vorbei, und wir überlegten eine Weile, wie wir die Nacht weiter gestalten wollten, obwohl es schon weit nach Mitternacht war. Aber keiner von uns war müde. Valmont wollte auf keinen Fall ins Stardust, also entschieden wir uns nach einiger Zeit fürs Old Daddy, meine Lieblings-Diskothek.
Das Lokal war sehr dunkel, laut und verraucht. Es war Wochenende, und deshalb war das Old Daddy beinahe überfüllt. Sie spielten, wie immer am Samstag, saugute Musik. Die Lasershow beeindruckte und verwirrte mich angenehm. Ich trank einige Whiskey, tanzte ein bisschen, ging aufs Klo, unterhielt mich mit einigen Leuten, an deren Namen ich mich nicht erinnern kann.
In dem Gewühl verlor ich Sean und Jill irgendwann aus den Augen, aber das machte mir nichts aus. Ich war wirklich gut drauf jetzt. Ich fühlte mich herrlich zugedröhnt, alles an mir war wie süße Zuckerwatte. Nur der Alkohol verhinderte vielleicht, dass ich einschlief. Ich versuchte aufgekratzt, mit ein paar Mädchen zu flirten. Sie schienen mich alle zu kennen und alle kicherten. Ich tanzte noch eine Runde zu einem Lied von David Bowie und ging dann durstig zur Theke.
Plötzlich sprach mich jemand an, indem er sich dicht an mein Ohr lehnte. „Hallo Clay." Ich drehte mich um und erkannte das Junkiemädchen auf der Stelle. Sofort war ich ein wenig beunruhigt, weil sie meinen Namen kannte. Ich konnte mich nicht erinnern, ihr meinen Namen genannt zu haben.
„Kennst du mich noch?" fragte sie kokett. Dies war eine Frage, die mir schon unzählige Frauen voller Arglist gestellt hatten, um mich in Verlegenheit zu bringen. Ich lächelte behutsam. „Natürlich kenne ich dich noch", behauptete ich automatisch. Sie lächelte jetzt auch. Ich hoffte, dass sie mich nicht auffordern würde, ihren Namen zu nennen, denn ich wusste ihren Namen nicht.
Aber stattdessen rief sie plötzlich viel zu laut: „Dein Stoff war gut gestern!" Alarmiert sah ich mich um, ob jemand dieses Gespräch belauschte. Niemand schien auf uns zu achten. Nervös beugte ich mich über die Theke und bestellte bei Tom ein Mineralwasser. Aus irgendeinem Grund hatte ich auf einmal das Bedürfnis, klarer im Kopf zu werden, um dem Junkiemädchen gewachsen zu sein. Sie beugte sich jetzt wieder zu mir, legte mir vertraulich ihren Arm um die Schultern und flüsterte etwas in mein Ohr, was ich nicht ganz verstand. Tom brachte mein Mineralwasser, und ich kramte in der Jackentasche nach meiner Verzehrkarte, um mir Zeit zu verschaffen. Fieberhaft versuchte ich mich zu erinnern, was mit mir und dem Junkiemädchen passiert war. Ich erinnerte mich, ihr gestern bei Sergej shore besorgt zu haben. Ihre Nähe beunruhigte mich, aber ich wusste nicht warum.
Ich gab Tom die Karte, er markierte sie und gab sie mir zurück. „Kannst du mir noch mehr Heroin besorgen?" flüsterte das Junkiemädchen nochmal in mein Ohr. Ich steckte die Karte ein, nahm einen großen Schluck Wasser und sah endlich zu ihr hin. Ihre Augen leuchteten vor Vorfreude oder Hinterlist, ich war mir nicht ganz sicher. „Jetzt?" fragte ich erstaunt zurück. Sie kicherte und beugte sich wieder viel zu dicht an mein Ohr. „Na klar jetzt!" wisperte sie hinein und leckte drängend über mein Ohrläppchen.
Erschrocken zuckte ich vor ihr zurück. Sie lachte amüsiert und ließ mich los. Verschwörerisch fröhlich lächelte sie mich an. Misstrauisch betrachtete ich sie. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht. Aber mein Kopf dröhnte von zu vielen Drogen, und ich war nicht in der Lage, richtig nachzudenken. Anne Clark sang gerade Our Darkness, als mir klar wurde, dass sie es tatsächlich ernst meinte. Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht..." „Ach, komm schon, Clay! Dein Heroin gestern war erste Sahne! Ich weiß genau, dass du noch mehr besorgen kannst!" rief sie enttäuscht aus. „Ich habe genug Geld, ich möchte fünfzig Gramm kaufen!" eröffnete sie mir viel zu laut.
Ich zuckte erschrocken zusammen und hob spontan beschwichtigend die Hände, weil sie ihr Anliegen so dermaßen laut hinausposaunte. Nervös schaute ich mich nochmal um. Mein Blick traf den von Tom. Er grinste herablassend, und ich war mir plötzlich sicher, dass er dieses Gespräch hier ganz genau mitbekam. Panisch trank ich mein Wasser aus, wandte mich an das Junkiemädchen und schob sie von der Theke weg. „Lass uns woanders darüber reden!" bat ich sie eindringlich. „Dann kannst du also noch mehr shore besorgen?" wollte sie hoffnungsvoll von mir wissen. Ich beugte mich zu ihr herunter an ihr Ohr. „Eigentlich ist es schon viel zu spät dafür", erklärte ich ihr wahrheitsgemäß. Jedoch leuchtete mir im Hinterkopf die unglaubliche Menge von fünfzig Gramm und der für mich damit verbundene Gewinn bei diesem Deal. „Aber ich kann es versuchen", teilte ich ihr mit, ohne genau darüber nachzudenken. Ich hatte keine Ahnung, wo ich um drei Uhr nachts Heroin herbekommen sollte. Aber ich wollte mir dieses Geschäft auf keinen Fall entgehen lassen. Meine Bedenken wegen des Junkiemädchens wurden von meiner dummen Gier beiseite gedrängt.
„Hast du dein tolles Auto hier? Können wir irgendwo hinfahren? Hast du eine Adresse?" fragte das Mädchen mich aufgeregt. „Kennst du viele Großdealer, bei denen du kaufen kannst? Wird die shore auch so gut sein wie gestern?" plapperte sie pausenlos.
Nervös blickte ich mich um, während ich sie vor mir her Richtung Ausgang durch die Menge schob. Zu viele Blicke trafen uns. Einige Leute grüßten mich wortlos, an die ich mich nicht erinnern konnte. Ich glaubte aber, ihre Gedanken lesen zu können, denn sie sahen mich gerade ein Mädchen abschleppen, was mindestens zehn Jahre jünger war als ich. Meine Paranoia schlug zu, mir wurde schwindelig, und ich hatte Mühe, nicht zu taumeln. Fünfzig Gramm, dachte ich bei mir, sie will tatsächlich fünfzig Gramm von mir haben! Dafür kann ich ihr mindestens 1500 Euro abknöpfen!
Hektisch zahlte ich meinen Verzehr am Eingang. Das Mädchen gab ihre Karte nur ab, sie hatte überhaupt nichts getrunken, was mich einen Moment lang irritierte. Dann gingen wir durch den dunklen Gang hinaus ins Freie. Die kühle Nachtluft blies unangenehm in mein vernebeltes Gehirn. Ich stolperte über irgendwas und hielt mich an der Hauswand fest. Vor dem Old Daddy stand eine kleine Menschenmenge. Irgendjemand daraus rief warnend: „Vorsicht, Leute, hier kommt der psychotische Kühlschrank!" in meine Richtung. Die Menge brach in jubelndes Gelächter aus.
Seit der Premiere von Seans Performance hatten mich schon viel zu oft fremde Menschen so genannt. Ich machte mir nicht die Mühe herauszufinden, woher genau dieser Ruf kam. Ich packte nur das Junkiemädchen an der Schulter und schob sie neben mir her die Straße entlang.
Jemand rief spöttisch von der anderen Straßenseite: „Na, Banton, hast du das Attentat auf dich gestern Abend im Theater überlebt?" Noch andere Menschen riefen mir irgendwas über das Attentat auf mich zu. Ich fragte mich irritiert, warum so viele Leute von dieser blöden Sache wussten, obwohl die Vorstellung doch nur so spärlich besucht gewesen war. Es nervte mich ungemein, dass sich dieser peinliche Angriff mit den scheiß Steinen anscheinend über die sozialen Medien schon herumgesprochen hatte.
„Mann, du scheinst ja richtig berühmt zu sein!" bemerkte das Mädchen neben mir offenbar beeindruckt. „Nein, nicht wirklich", wiegelte ich ab und eilte einige Gassen entlang, um von den Menschen, die mich anscheinend kannten, möglichst weit wegzukommen.
Irgendwann blieb ich stehen und schaute mich verwirrt um. Wir standen plötzlich allein in einer dunklen, leeren Seitenstraße. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt machen sollte. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wo es um diese Uhrzeit noch Heroin zu kaufen gab. „Hör mal, ich...", begann ich unschlüssig. „Wo gehen wir jetzt hin?" wollte das Mädchen neugierig wissen. Sie lächelte mich amüsiert an und beobachtete mich eingehend.
„Ich kann dir um diese Uhrzeit nichts mehr besorgen", musste ich seufzend zugeben. „Aber du kannst mir schon mal das Geld geben. Dann kümmere ich mich gleich morgen früh darum!" stellte ich ihr in Aussicht. Sie sah mich an. „Wie viel Geld willst du für fünfzig Gramm haben?" fragte sie mich. Ich tat so, als würde ich im Kopf nachrechnen. „1500 Euro brauche ich", erklärte ich ihr dann ernsthaft. Sie nickte sofort. „Okay, Clay, ich habe das Geld in meinem Auto. Es steht gleich da drüben", teilte sie mir mit und ging voraus.
Ich folgte ihr arglos. Ich fragte mich nicht eine Sekunde lang, woher sie überhaupt so viel Geld hatte. Ich war einfach nur geil auf diesen Deal, auf diesen großen Gewinn. Wir gingen nebeneinander noch ein bisschen die dunkle Seitenstraße entlang. Der Asphalt verwandelte sich in groben Straßenschotter. Erste Bäume tauchten auf. Ich bemerkte, dass wir in einer Sackgasse gelandet waren, die in einen dunklen Waldweg mündete. Hier gab es keine Häuser mehr.
Dann blieb das kleine Junkiemädchen plötzlich stehen. Es war ganz still hier, nur eine letzte Laterne spendete spärliches Licht, und ich schaute mich ratlos um. „Wo ist dein Auto?" wollte ich von ihr wissen.
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich total unerwartet, schlagartig. „Wie wäre es, wenn wir in deine tolle Wohnung fahren, Clay, damit du nochmal über mich herfallen kannst", schlug sie ganz ruhig mit eisiger Stimme vor. Verblüfft schaute ich in ihr Gesicht, und dann erinnerte ich mich jählings an den vergangenen Abend. Ich erinnerte mich, dass dieses Mädchen mir einen total schmerzhaften Tritt in die Eier versetzt hatte. Verwirrt und alarmiert ging ich zwei Schritte rückwärts.
Sie ließ mich nicht aus den Augen. „Erinnerst du dich?" hakte sie kalt nach. „Das tut mir echt leid", erwiderte ich automatisch und hob hilflos beschwichtigend die Hände. Mein Kopf dröhnte auf einmal wieder stark, mir war schwindelig. Ich registrierte, dass ich im Moment absolut nicht in der Verfassung für solche Anklagen war. Ich war viel zu zugedröhnt, um dem gewachsen zu sein. Ich fragte mich, warum ich mit ihr ausgerechnet hierher gegangen war, ob sie mich vielleicht mit Absicht hierher gelockt hatte. In mir wuchs der schmerzliche Verdacht, dass ihre große Heroin-Bestellung nur ein Vorwand gewesen war, um mein Interesse zu wecken und mich aus dem Old Daddy zu locken.
Je mehr ich darüber nachdachte, umso unwohler fühlte ich mich. Nervös blickte ich mich in der dunklen Gasse um. Es war niemand zu sehen. „Du hast gar kein Auto hier, oder? Du hast kein Geld für shore", stellte ich verzweifelt fest. Sie grinste auf einmal richtig fies. „Erinnerst du dich, dass ich dir von meinem Freund erzählt habe?" fragte das Junkiemädchen und kam drohend auf mich zu. Ich wich noch ein paar Schritte vor ihr zurück. „Ich wollte nicht...", stammelte ich bestürzt. „Weißt du, der möchte dich jetzt wirklich gerne mal kennenlernen, Clay. Und er hat gleich noch ein paar Kollegen mitgebracht", eröffnete mir das Mädchen mit grimmigem Grinsen.
Und noch bevor ich mich irritiert umschauen konnte, hatte mich schon jemand grob von hinten gepackt. Ich erschrak dermaßen, dass ich wie gelähmt war. Dieser Angriff kam buchstäblich aus dem Nichts, denn ich war mir sicher gewesen, mit dem Mädchen allein in dieser dunklen Seitenstraße zu sein.
Der Typ hielt brutal meine Arme fest. Mein halbherziger Versuch, mich zu befreien, blieb erfolglos. Ich fragte mich, warum dieser Typ so verdammt stark war, warum er mich gepackt hielt, und was das alles überhaupt bedeuten sollte. Alarmiert spürte ich die offenen Aggressionen in der Luft gegen mich gerichtet. Verflucht, merkte ich, ich bin zu stoned für einen Kampf. Ich bin viel zu betäubt, um mich ernsthaft gegen sie wehren zu können. Meine Angst wuchs enorm.
Verwirrt und ziemlich hilflos schaute ich zu dem Junkiemädchen hin. Sie stand dort im Schein der letzten Straßenlaterne und grinste mich mit unverkennbar schadenfroher Vorfreude an. „Was... wollt ihr denn...?" stotterte ich nervös. Vor mir tauchte unvermutet ein anderer Typ auf, der mir wortlos einen Schlag in die Magengrube versetzte. Ich stöhnte auf und klappte nach vorne, doch der Typ hinter mir riss mich an den Armen gepackt grob zurück. „Du bist also der Psychopath, der gerne Frauen vergewaltigt!" brüllte der Schläger mich an. Durch den Schmerz verschwamm sein Bild vor meinen Augen. Er schlug mich nochmal. Der Typ hinter mir ließ mich plötzlich los, und ich fiel sofort stöhnend auf den harten Schotter.
Dann hockte ich dort und versuchte, zu Atem zu kommen, mich zu orientieren und nicht in Panik zu geraten. Mein Magen rebellierte echt unangenehm. Ich musste mich anstrengen, um nicht zu kotzen. „Hört mal... wartet mal...", stotterte ich und guckte mir diese Menschen unterwürfig an.
Außer dem Junkiemädchen standen jetzt auf einmal vier Typen um mich herum. Sie trugen alle schwarze Sturmmasken, sodass ich ihre Gesichter nicht erkennen konnte. Sie schienen aber irgendwie sehr jung zu sein, vielleicht gerade mal zwanzig, gekleidet in Leder und Jeans. Durch ihre offensichtliche Wut auf mich wirkten sie sehr entschlossen und bedrohlich. Sie starrten mich alle feindselig an, auch das Mädchen, welchem ich jetzt einen hilfesuchenden Blick zuwarf. „Warte... ich wollte das nicht tun... ich habe die Kontrolle verloren...", versuchte ich eine Entschuldigung, „Es tut mir wirklich sehr leid, hörst du?"
Das Mädchen blies höhnisch die Luft aus. Der Schlägertyp trat mich schmerzhaft gegen das Schienenbein. „Du hast ihr nur Heroin verkauft, damit du sie mit in deine Wohnung nehmen konntest, du Arsch! Du wolltest sie von Anfang an nur flachlegen, also erzähl uns hier keine Scheiße, blöder Wichser!" Nochmals trat er zu, und dann halfen ihm auch die drei anderen beim Verprügeln, noch ehe ich „Nein, das stimmt nicht" sagen konnte.
Ich steckte verdammt viele schmerzhafte Schläge und Tritte ein. Ich war damit beschäftigt, mich irgendwie zu schützen, sie irgendwie abzuwehren, aber das gelang mir nicht sonderlich gut. Sie zogen mich vom Boden hoch, nur um mich wieder niederzuschlagen. Sie beschimpften mich auf übelste Weise. Meine Angst wuchs unermesslich und ich stöhnte vor Schmerz. Das war's jetzt, kreischte es panisch in meinem Kopf, diese blöden Kinder schlagen mich jetzt total zusammen! Ich werde bestimmt hier und jetzt sterben! Mein Schädel pochte dumpf. Ich war echt nahe daran, einfach aufzugeben.
Aber diese Schmerzen von den Schlägen wurden stärker und rissen mich mit der Zeit irgendwie automatisch aus meiner Apathie. Diese brutale Behandlung ging mir unglaublich auf die Nerven. Irgendwann meldete sich unvermutet eine andere Stimme in meinem Schädel, die mich förmlich anbrüllte: Bist du eigentlich total bescheuert? Das darfst du dir doch nicht gefallen lassen! Wofür trainierst du eigentlich andauernd, fast jeden Tag, manchmal stundenlang? Diese blöden Teenager kannst du doch mit einem Faustschlag besiegen, wenn du es nur richtig willst!
Irgendwann riss ich mich und nahm ich all meine Kraft zusammen. Ich wehrte ein paar Schläge erfolgreich ab und schlug gleich darauf einen der Typen unerwartet heftig ins Gesicht. Er fiel sofort rücklings auf den Boden und blieb erst mal benommen liegen. Die drei anderen Jungs hielten sofort inne und starrten mich überrascht an. Zwei wichen instinktiv erschrocken vor mir zurück. Selbst erstaunt darüber, wie leicht das gegangen war, wollte ich mir die nächste blöde Sturmmaske vornehmen, und ich ging drohend auf ihn zu. Er wich mit aufgerissenen Augen zurück.
In diesem Moment spürte ich einen heftigen Schmerz an meinem Arm und stöhnte unwillkürlich auf. Instinktiv griff ich mir mit der anderen Hand an den linken Arm, um zu überprüfen, was dort geschehen war. Zu meinem Entsetzen war der Ärmel meiner Jeansjacke aufgeschnitten worden. Ein ziemlich scharfes Messer oder so etwas hatte mir einen tiefen Schnitt am Oberarm verpasst.
Ich hielt mir die verletzte Stelle und meine Hand war sofort voll Blut, was sogar meinen Arm hinab lief. Erschrocken und verärgert fuhr ich herum. Der Typ hinter mir hatte plötzlich ein Bowie-Messer in der Hand. Erstaunt und geschockt registrierte ich, wie tief er mich damit geschnitten hatte. In meinem dumpfen Schädel gingen auf der Stelle alle roten Alarmsirenen an und schrillten sehr laut. Fuck, dachte ich panisch, Scheiße, die haben sogar Waffen mitgebracht! Dieses Messer muss verdammt scharf sein, wenn er mich damit so schnell so schwer verletzen kann, fuhr es mir warnend durch das Gehirn. Das hier kann richtig gefährlich für mich werden! Du solltest jetzt wahrhaftig sofort sehen, dass du so schnell wie möglich hier verschwindest, Clay Banton, mahnte ich mich innerlich.
Kurzentschlossen drehte ich mich von den maskierten Typen weg und versuchte, so schnell wie möglich die Straße hinunterzulaufen, ohne zu torkeln oder hinzufallen. Das fiel mir sehr schwer, doch ich konzentrierte mich ausschließlich darauf, hastig vor ihnen wegzulaufen.
Aber mindestens einer muss mir sofort hinterher gekommen sein, denn fast im selben Moment schnitt jemand hinter mir tief in meinen rechten Oberschenkel. Der Schmerz war so heftig, dass ich unwillkürlich mit dem Bein einknickte. Ich schrie auf und sah mich gehetzt um. Diese verdammten Kinder hatten jetzt plötzlich alle große Bowie-Messer in der Hand. Shit, Fuck, so ein verfluchter Mist, dachte ich überfordert.
„Hört auf damit!" schrie ich sie wütend an. Einen Moment später hatte schon jemand ein dünnes Seil oder so etwas von hinten um meinen Hals geworfen. Brutal riss er mich an dem Seil zu sich hin, bis ich seinen Atem von hinten an meinem Ohr spürte. Meine Hände schossen instinktiv nach oben, um das Seil von meinem Hals wegzuhalten. Aber ich war zu langsam, er fing sofort damit an, mich zu würgen. Sein Griff war so stark, dass ich mich nicht von ihm befreien konnte. Ich schnappte ringend nach Luft. Mein verletzter Arm und das Bein schmerzten fürchterlich.
An diesem Punkt geriet ich wohl in Panik, denn meine Erinnerung verschwimmt in meinem Gedächtnis und löst sich auf in einzelne Bilder. Die drei anderen Typen starrten mich schadenfroh an und kamen wieder auf mich zu. „Hört doch auf! Es ist genug!" röchelte ich flehentlich. Aber sie waren nur absolut gewaltbereit. Drei Typen traten und schlugen mich hintereinander ohne zu zögern in den Magen. Jeder Treffer riss mir fast die Eingeweide entzwei.
Letzten Endes konnte ich es nicht mehr verhindern zu kotzen. Der Whiskey, das Wasser, die Pizza und Lasagne schossen ungewollt und nur halb verdaut aus mir heraus, und ich war nur noch hilflos darum bemüht, meine Kleidung nicht allzu sehr zu beschmutzen. Ich wollte mich so gut es ging würgend nach vorn beugen. Der Typ hinter mir lockerte aber das verdammte Seil um meinem Hals kein bisschen, deshalb platschte mir mein Mageninhalt förmlich vor die Füße. Angewidert wichen die anderen drei und das Mädchen vor mir zurück und gaben lauthals spöttische Kommentare ab. Ich kotzte ein paar Mal, dann schnappte ich wieder nach Luft. Das Seil um meinem Hals wurde auf der Stelle noch enger gezogen. Der Typ zerrte mich am Strick von dem Erbrochenen auf dem Boden weg ins Licht der Laterne, und ich konnte ihm nichts entgegensetzten.
Ich suchte blind, weil ich meinen Kopf überhaupt nicht mehr bewegen und nicht hinunterschauen konnte, in meiner Jeans nach einem Taschentuch und wischte mir verlegen den Mund ab, schnäuzte mich mit zitternden Fingern. Dann steckte ich das Tuch wieder ein und versuchte verkrampft, mich irgendwie zu beruhigen.
Fieberhaft überlegte ich mir einen Ausweg aus dieser Horrorshow. Schließlich hob ich untergeben die Hände. Der starke Typ hinter mir atmete laut in meinen Nacken und straffte sein verdammtes Seil viel zu eng. Die drei anderen Typen kamen wieder näher. „Wartet... wartet...", bat ich sie abermals, „Bitte..." Ich brauchte eine Weile, um mich so weit unter Kontrolle zu kriegen, dass ich die drei vor mir ansehen konnte. Sie wirkten jetzt richtig aufgeputscht von ihrer brutalen Gewaltorgie, ihre dunklen Augen blitzten hinter ihren schwarzen Sturmmasken. „Ich habe ein Gramm in meiner Tasche... das könnt ihr haben... ich schenke es euch...", rief ich voller Hoffnung, sie damit vielleicht besänftigen zu können. Sie warfen sich gegenseitig vielsagende Blicke zu. Dann kam der Anführer, vielleicht der Freund des Junkiemädchens, energisch auf mich zu. „Du hast ein Gramm in deiner Tasche?" fragte er interessiert nach. Ich nickte hastig, soweit ich das mit dem Strick um den Hals hinbekam, und kramte blind mit unsicheren Fingern in der Innentasche meiner Jeansjacke. Ich hatte mir für unterwegs etwas eingesteckt und es bisher noch nicht mal angerührt, weil ich immer noch gut genug zugedröhnt war.
Jedoch spürte ich jetzt voller Unbehagen, wie der Schmerz von den Schlägen und tiefen Schnitten und meine unermessliche Angst die angenehme Wirkung der Drogen unwiderruflich zunichte machte.
Noch bevor ich das pack gefunden hatte, stürzte der Typ sich auch schon auf mich, schlug meine Hand beiseite und wühlte selber ungeniert in allen Taschen meiner Jacke herum. Resigniert ließ ich ihn gewähren, obwohl mich sein dreistes Verhalten extrem ärgerte. Ich schloss erschöpft die Augen und wünschte mich sehr weit weg. Ich stellte mir vor, jemand würde hier vorbeikommen und mir helfen. Ich phantasierte, dass Sean Valmont mich heldenhaft retten würde. Ich fragte mich verunsichert, ob ich diese Schläge vielleicht tatsächlich verdient hatte. Was zur Hölle hatte ich diesem Mädchen angetan, dass sie eine solch brutale, wütende Rachsucht gegen mich hegte? Dass sie mich so hinterhältig in diese Falle gelockt hatte?
Diese Typen waren alle vier ebenfalls voller Hass auf mich. Sie waren wohl auch sehr jung und übermütig. Sie genossen dieses makabere Schauspiel auf meine Kosten offenbar. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie mich weiter schlagen und mit ihren Messern verletzen würden, fürchtete ich verzweifelt. Ich fragte mich erneut voller Panik, ob ich diese Nacht wohl überleben würde.
Kim
Wir sahen ihn nur zufällig im Old Daddy wieder, und seine Anwesenheit in diesem Club verblüffte uns sehr. Wir beobachteten ihn aufmerksam und stellten verärgert fest, dass unser Angriff auf ihn, früher an diesem Abend im Theater, ihn anscheinend kaum beeindruckt hatte. Im Gegenteil, er amüsierte sich offensichtlich prächtig. Er tanzte andauernd ausgelassen und unterhielt sich zwischendurch mit vielen Leuten. Er trank Whiskey und flirtete lächelnd mit verschiedenen Frauen. Bis auf eine winzige Wunde auf seiner Stirn, zwischen seinen Augen, war nichts mehr von unserem Steine-Angriff übrig geblieben. Er war sichtbar so guter Laune, dass ich es kaum ertragen konnte. Dieser Mann hatte mich zu sehr verletzt, als dass ich ihn einfach so davonkommen lassen wollte.
Mein Freund Ben war beinahe noch wütender als ich auf diesen sogenannten Schauspieler, dessen Namen ich erst durch Recherche im Internet erfahren hatte. Ben hatte dann die spontane Idee, Clay herauszulocken und ihm nochmal eine Abreibung zu verpassen. Und diesmal sollte es auf jeden Fall eine Strafe sein, die er nicht so schnell wieder vergessen würde.
Ich sprach Clay an der Theke an, und es schien, als könnte er sich nicht einmal mehr an mich erinnern, was mich noch wütender machte. Erst aus der Nähe bemerkte ich, wie umfassend zugeknallt mit harten Drogen dieser Mann war. Das wird ziemlich einfach, war mir sofort klar. Der kann ja kaum noch die Arme heben, geschweige denn sich gegen Schläge wehren. Wie ich es vermutet hatte, war es überhaupt nicht schwer, seine Aufmerksamkeit zu wecken, indem ich fünfzig Gramm Heroin erwähnte, die ich mir im Leben nicht hätte leisten können, und die ich auch bestimmt nicht haben wollte.
Aber Clay Banton war so dermaßen dumm und so gierig auf einen Deal, dass er keinen Verdacht schöpfte und mir arglos in diese Falle folgte. Es war letztendlich sogar seine Idee, das Old Daddy zu verlassen.
Und ehe er es sich versah, stand er schon mit mir in dieser verlassenen Sackgasse, in die Ben und die anderen uns unbemerkt gefolgt waren. Obwohl er es mir in Aussicht gestellt hatte, hatte ich nicht den Eindruck, als könnte er mir wirklich so viel Heroin besorgen. Er wirkte ziemlich ratlos, wollte aber unbedingt schon mal mein Geld haben. Träum weiter, du Idiot, dachte ich geringschätzig, so blöd bin ich nun auch wieder nicht, dir im Voraus so viel Geld zu geben.
Ich musste ihn förmlich mit der Nase darauf stoßen, damit er sich endlich richtig an mich und an das, was er mir angetan hatte, erinnerte. Darüber war ich sehr wütend, und seine darauffolgende Entschuldigung klang alles andere als glaubwürdig.
Und dann schlugen die Jungs ihn wie verabredet zusammen. Er war wirklich überrascht, richtig hilflos, und ich hatte überhaupt kein Mitleid mit ihm. Im Gegenteil, viel zu frisch war meine Erinnerung an seine ungezügelte Geilheit am vergangenen Abend, an meine Angst, als er mit Gewalt über mich herfiel und sich brutal auf mich legte. Ich erinnerte mich viel zu genau an seine hastigen Hände in meiner Hose, um auch nur einen Funken Mitleid mit ihm zu empfinden. Sein sichtbarer Schmerz befriedigte mich ungemein. So ist das, wenn man Angst hat, du blöder Wichser, dachte ich nur. Vielleicht kannst du es mir jetzt endlich ein wenig nachfühlen, wie ich mich gestern in deiner Wohnung gefühlt habe.
Und offenbar konnte er das tatsächlich. Seine Angst wurde so real greifbar, dass es mich erstaunte. Er wehrte sich überhaupt nicht und ließ alles irgendwie reglos über sich ergehen. Höchstwahrscheinlich war er einfach zu vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, um sich uns wirksam widersetzen zu können.
Die Jungs schlugen ihn echt heftig, bis sich total überraschend das Blatt wendete, womit ich echt schon nicht mehr gerechnet hatte. Ich glaube, niemand von uns hatte noch ernsthaft damit gerechnet. Clay schlug Jan urplötzlich so hart ins Gesicht, dass er ihn damit fast ausknockte. Jan war von dieser starken Gegenwehr so überrumpelt, dass er sofort hinfiel und erst mal liegen blieb. Seine Nase blutete, was man aber wegen seiner Sturmmaske nicht sehen konnte. Ich erfuhr das erst später. Wir waren alle kurz richtig erschrocken. Man konnte Clay ansehen, dass er über die große Wirkung seines Schlages selbst erstaunt war. Mit neu entfachtem Mut wandte er sich sogleich drohend Hendrik zu. Dieser wich automatisch vor ihm zurück.
Hier zeigte sich, dass die Jungs doch gut daran getan hatten, vorher noch vorsichtshalber einige Waffen aus ihren Autos zu holen. Noch bevor Clay Hendrik erreichen konnte, hatte Ben schon sein großes Bowie-Messer aus seiner Tasche geholt. Mit einem schnellen Hieb schlitzte er Clay damit den linken Oberarm auf. Die scharfe Klinge schnitt scheinbar mühelos durch seine Jeansjacke und tief in sein Fleisch.
Clay stöhnte sofort schmerzerfüllt auf und schaute verwirrt auf seinen Arm, um zu überprüfen, was dort überhaupt passiert war. Die Wunde war so tief, dass sich sein Ärmel rasend schnell dunkel von Blut färbte und das Blut über seine Hand auf den Boden tropfte. Dieser unerwartete Umstand versetzte Clay anscheinend plötzlich in Panik. Er versuchte tatsächlich, hastig vor uns wegzulaufen. Ziemlich schwankend eilte er die Straße entlang, um von uns wegzukommen. Sein offensichtlich von zu viel Drogen betäubtes Gehirn erlaubte ihm allerdings keine allzu große Geschwindigkeit, deshalb konnten wir über seinen dämlichen Fluchtversuch nur lachen. Wir warfen uns gegenseitig spöttische Blicke zu.
Uns gefiel dieses einseitige Schauspiel zunehmend, denn Clay Banton war ein sehr einfaches Opfer. Auch Hendrik und Jan, der inzwischen wieder aufgestanden war, hatten jetzt ihre Messer herausgeholt. Jan, der wegen des vorherigen Angriffs auf sich besonders wütend auf Clay war, lief ihm mühelos einige Schritte nach und versetzte Clay mit seiner Waffe einen gewaltigen, schnellen Hieb gegen den rechten Oberschenkel.
Clay stöhnte abermals laut auf, knickte augenblicklich mit dem verletzten Bein ein und kam deshalb ins Stolpern. Seine Jeans war völlig problemlos aufgeschnitten worden, und auch aus dieser Wunde sickerte sofort Blut sein Bein hinab. „Hört auf damit!" schrie Clay uns zornig an. Er meinte wohl, dass wir aufhören sollten, ihn mit den Messern zu verletzen. Ich sah mir das viele Blut an und hoffte insgeheim, dass die Jungs ihre Messer nicht mehr allzu oft benutzen würden. Ich wollte Clay eine ordentliche Abreibung verpassen, aber lebensgefährlich verletzen wollte ich ihn nie.
Im selben Augenblick warf Stefan ihm von hinten sein dünnes Nylon-Seil um den Hals, was er ebenfalls klugerweise hierher mitgenommen hatte. Spätestens jetzt konnte Clay sich nicht mehr gegen uns wehren, weil er nämlich kaum noch Luft bekam und sich deshalb nicht rühren konnte. Stefan hatte ihn von Anfang an hervorragend im Griff.
Die anderen Jungs bekamen nun die bequeme Möglichkeit, ihn hintereinander dermaßen heftig in den Magen zu treten und zu schlagen, bis er sich ganz plötzlich erbrach. Damit überraschte er uns nach seinem harten Schlag gegen Jan und seinem erfolglosen Fluchtversuch zum dritten Mal. Zum Glück traf er mit seinem überaus grässlichen Erbrochenen niemanden von uns, weil wir schnell genug angewidert von ihm abrückten. Er kotzte gezwungenermaßen im Stehen, weil Stefan ihm keine Regung erlaubte. In Intervallen platschte ihm der Inhalt seines Magens vor die Füße, beschmutzte seine Schuhe und seine Jeans. Ich war wirklich angeekelt, ließ ihn jedoch keinen Moment aus den Augen. Ich wollte ja meine Rache in jeder Sekunde voll Auskosten.
Nachdem Clay sich endlich leergekotzt hatte, zog Stefan ihn sofort brutal am Seil rückwärts von der stinkenden Pfütze auf dem Boden weg, in den Lichtschein der einzigen Straßenlaterne, die es in dieser einsamen Gegend noch gab. Clay war absolut machtlos gegen ihn. Er war jetzt derartig angeschlagen und immer noch betäubt von Drogen, dass er sich sowieso nicht mehr wehren konnte. Er kramte aus seiner Jeans ein Taschentuch, ohne seinen Kopf bewegen zu können, wischte sich den Mund ab und schnäuzte sich mit stark zitternden Fingern. Dann steckte er das Tuch zurück in seine Jeans. Er sah uns nicht an und konnte sich wegen des Seils ohnehin kaum rühren.
Voller merkbarer Panik schlug er uns plötzlich vor, uns ein Gramm Heroin zu schenken, was in seiner Jacke wäre. Ben stürzte sofort interessiert zu ihm hin und wühlte ungeniert in seiner Jeansjacke herum. Clay ließ das reglos über sich ergehen. Er schloss untergeben die Augen und stand ganz still.
In diesem Moment hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass unsere Aktion jetzt langsam reichte. Der Mann würde diese Strafe jetzt bestimmt nicht mehr vergessen. Wir hatten ihm sichtbar brutal eingehämmert, dass er ein unakzeptables Verbrechen begangen hatte, als er gewaltsam über mich herfiel.
Aber die Jungs kamen spürbar gerade erst richtig in Fahrt. Ihnen machte dieses Spiel ausgesprochen Spaß, zumal Clay, wohl hauptsächlich wegen des Stricks um seinem Hals, endgültig kein Risiko mehr darstellte. Er war so dermaßen wehrlos, wie ich es nach seinem Angriff auf mich niemals vermutet hätte. Ich hatte ihn für einen extrem aggressiven Mann gehalten, aber das war er zu meinem Erstaunen überhaupt nicht. Obwohl er einige Jahre älter war als wir und sein Körper muskulös und durchtrainiert schien, war er uns völlig hilflos ausgeliefert. Er hatte unserer Wut und Entschlossenheit überhaupt nichts mehr entgegenzusetzen, im Gegenteil. Seine große Angst, die nahezu greifbar wurde, lähmte ihn offenbar zunehmend.
„Seht euch das mal an!" rief Ben überrascht und holte aus Clays Jackentasche einige Kondome hervor. Grinsend zeigte er uns die bunten Packungen. Clay öffnete zögernd seine Augen und seufzte tief. „Was willst du damit, hä? Warum schleppst du so viele Gummis mit dir herum, du kranker Wichser?" wollte Ben von Clay wissen und hielt ihm die Packungen dicht vor die Nase. Clay drehte hilflos den Kopf weg und schwieg. „Hast du die immer dabei, damit du noch mehr Frauen vergewaltigen kannst?" schrie Jan ihn an. Clay betrachtete ihn eine Weile irritiert und schüttelte dann den Kopf. „Nein, die habe ich, damit die Frau nicht schwanger wird. Und damit ich mir keine Krankheiten hole", flüsterte er beinahe.
Obwohl ich das, was er sagte, eigentlich sehr vernünftig fand, brachen die Jungs einvernehmlich in lautes Gelächter aus. „Ach, du willst also immer gewappnet sein, falls dir mal eine Frau über den Weg läuft, die dich hässlichen Opa ranlässt, was?" höhnten sie laut und äußerst gehässig auf Clay runter, „Da kannst du aber lange warten! Die Frau will ich sehen, die für dich Vollidioten die Beine breitmacht! Und was willst du überhaupt mit so vielen Gummis, hä? Hältst du dich für einen super potenten Sex-Gott, der es zig Mal an einem Abend bringt?" Ben blies spöttisch die Luft aus und warf uns die Kondome zu. Jan und Hendrik rissen sich beinahe darum, was ich ziemlich pubertär fand.
Danach packte Ben Clay grob am T-Shirt und zog ihn zu sich hin. Stefan lockerte sein Seil nur wenig. „Warum hast du mein Mädchen angefallen, du fieses Monster?" fragte er ihn gefährlich leise. Clays Augen zuckten nervös. „Es tut mir leid", wiederholte er. „Warum?!" schrie Ben ungeduldig. „Ich weiß nicht. Es ist einfach passiert." Clay wirkte aufrichtig verwirrt. Ben schlug ihn ein paar Mal ins Gesicht und brüllte: „Du blöder Psychopath! Du krankes Arschloch! Wir werden dich anzeigen!" Clay Banton schrie zum ersten Mal entsetzt auf und hob schützend die Hände. „Nein, schlag mich nicht ins Gesicht!" rief er flehentlich, „Bitte nicht ins Gesicht!" Ben hielt verdutzt inne und drehte sich fragend zu uns um.
Im nächsten Moment grinste er spöttisch und trat Clay ohne Vorwarnung mit voller Wucht zwischen die Beine. Clay schrie schmerzerfüllt auf und krümmte sich stöhnend, bis Stefan ihn mit seinem Seil brutal wieder aufrichtete. „Ist dir das vielleicht lieber so?" brüllte Ben ihn verständnislos an, „Warum soll ich dich nicht in deine blöde Fresse schlagen, hä? Denkst du etwa, da könnte ich noch irgendwas kaputtmachen, du bekloppte, eitle Theaterschwuchtel?!" Die Jungs lachten laut.
Und ich merkte plötzlich erstaunt, dass ich mich zunehmend unwohl fühlte. Aus irgendeinem Grund war meine Wut auf Clay langsam, fast unbemerkt verraucht. Irritiert musste ich feststellen, dass er mir unerwartet leid tat. Mir wurde bewusst, dass das, was wir hier mit ihm machten, weitaus schlimmer war, als das, was er mir angetan hatte.
Clay Banton stand jetzt nach Luft schnappend mit gequältem Gesichtsausdruck dort, die Hände schützend zwischen seine Beine geklemmt. Er war mit dem Rücken gegen Stefan gelehnt und ich hatte den Eindruck, dass er umgefallen wäre, wenn das Seil um seinem Hals ihn nicht daran gehindert hätte. Sein Schmerz schien sehr groß zu sein. Ihm stiegen unwillkürlich Tränen in die Augen und offensichtlich musste er sich anstrengen, um nicht zu weinen. Spucke lief unbemerkt aus seinem Mund bis zu seinem Kinn und tropfte auf den Boden.
„Na, musst du jetzt heulen, du blöde Memme?" bemerkte Ben gemein. Er schlug ihn gegen den Kopf und fing dann erneut damit an, seine Jackentaschen zu durchwühlen. Clay wehrte ihn auch diesmal nicht ab. Jan, Hendrik und ich traten neugierig näher, als Ben ein extrem teures Smartphone aus Clays Innentasche zog, was wir genauestens inspizierten. Eine Weile hatten wir unseren Spaß daran, die wenigen SMS zu lesen, die Fotos und Videos zu betrachten, im Internet zu surfen und herauszufinden, was man noch alles damit machen konnte.
Ich warf zwischendurch einen prüfenden Blick auf Clay. Er stand jetzt beinahe apathisch dort und starrte stur schräg nach oben, denn das Seil war so eng um seinen Hals gespannt, dass es sich in seine Haut eingrub.
Plötzlich drehte er seine Augen zu mir, als hätte er meinen Blick gespürt. Unsere Augen trafen sich und blieben aneinander haften. Der Mann bat mich wortlos um Verzeihung, so schien es mir, und er fragte mich, warum ich überhaupt so wütend auf ihn war. Warum wir es für nötig hielten, ihn auf diese brutale Weise zu bestrafen. Clays Blick war unglaublich intensiv. Er schien bis auf meine Seele zu schauen. Ich konnte den Ausdruck seiner verzweifelten Augen nicht lange ertragen und wusste keine Antworten. Ich wich seinem Blick unbehaglich aus und guckte wieder auf das Handy.
Diese ganze Aktion war mir längst aus den Fingern geglitten. Ich war so erbost gewesen, so verletzt am letzten Abend. Ich hatte mich lauthals bei meinem Freund Ben darüber beschwert, dass dieser beschissene Dealer in seiner Wohnung zudringlich geworden war. Ben war sofort ausgerastet und hatte fürchterliche Rache geschworen, was mich ungemein befriedigt hatte.
Allerdings kannte ich nicht mal Clays richtigen Namen. Er hatte ihn mir wohlweislich nicht genannt, und bei uns am Campus war er als Dealer nur unter dem Namen Tino bekannt. Ich erinnerte mich aber, dass Clay mir erzählt hatte, er wäre ein Theaterschauspieler. Im Internet war ich dann überraschend schnell fündig geworden, als ich die hiesigen Theater durchsuchte. Ich entdeckte sehr bald sein Foto samt kurzem Steckbrief.
Wir waren an diesem Abend vorsätzlich ins Grenzland-Theater gegangen, um uns an ihm zu rächen. Und das hatten wir ja auch erfolgreich getan. Ben warf die beiden Steine echt gezielt und schmiss damit die ganze Vorstellung, die mir bis zu diesem Punkt eigentlich recht gut gefallen hatte. Wir rechneten fest damit, dass Clay diesen brutalen Angriff nie vergessen würde. Er war schließlich zweimal hart getroffen worden und hatte nach dem zweiten Treffer sogar das Bewusstsein verloren. Außerdem hatten alle Anwesenden im Theater unsere berechtigte Anklage vernommen.
Aber dann war zu unserem großen Ärgernis dieser dreiste Mann noch am selben Abend in diesem Club und amüsierte sich prächtig.
Okay, diese Abreibung hatte er wirklich verdient. Aber wo war der Punkt, an dem wir zu weit gehen würden? Ich war mir auf einmal nicht mehr ganz sicher, ob diese Rache noch gerechtfertigt war. Verunsichert beobachtete ich meine Freunde, die so in Fahrt waren, dass ich sie bestimmt nicht würde bremsen können. Sie würden es nicht verstehen, wenn ich sie jetzt bat aufzuhören, befürchtete ich.
Ben, der sich schon sehr lange so ein teures Smartphone gewünscht hatte, steckte Clays Handy einfach ein, um es zu behalten. Das fand ich überhaupt nicht okay. Wir waren schließlich keine Diebe. Aber ich wagte es nicht, deswegen etwas zu sagen.
Ben stürzte sich wieder auf Clay und nahm ihm aus der Jacke eine halbvolle Schachtel Marlboro weg, die er sofort unter uns verteilte. „Was hast du noch dabei, du Schmalspur-Dealer, hä? Hast du noch mehr perverse Dinge?" fauchte er auf Clay runter und trat ihn gegen die Beine. Clay seufzte und trat panisch auf der Stelle. „Ich habe gar nichts", antwortete er leise. „Hört mal... ich...", wollte er uns beruhigen. Doch Jan, Hendrik, Stefan und Ben schrien sofort: „Mann, halt bloß dein Maul, du blöder Wichser!"
Sie traten und schlugen ihn noch mehrmals, holten gewaltsam Taschentücher, Schlüssel, das pack mit dem Gramm Heroin, das Ben sofort johlend einsteckte, ein Stück Alufolie, ein winziges Messer und ein Portemonnaie aus den Taschen seiner Kleidung. Ungeniert pflückten sie Clays Sachen auseinander und verteilten sie unter sich oder warfen sie achtlos auf die Straße. Sie steckten seine ungefähr zwanzig Euro in ihre eigenen Taschen. Sie amüsierten sich lauthals über Clays Personalausweis, seine Visitenkarten, seinen Führerschein, seine Kredit- und Bankkarten. Es gab nichts, was sie nicht spöttisch kommentieren mussten.
Plötzlich fand ich meine Freunde ziemlich albern. Clay stöhnte schmerzerfüllt, hielt sich den verletzten Arm und dann den Kopf. Er betrachtete die Jungs mit unverkennbar wachsender Abneigung. Dass sie ihm seine Sachen wegnahmen, schien ihn langsam aus seiner Erstarrung zu lösen. Es ärgerte ihn offenbar zu sehr, als dass er noch länger tatenlos dabei zusehen wollte.
Ich beobachtete ihn gebannt, als er versuchte, die Schlinge um seinen Hals ein wenig zu lockern. Ja, wach endlich auf, du Idiot, dachte ich spontan, jetzt wehre dich doch endlich, um Himmels Willen! „Hört mal, Leute, das muss doch echt nicht...", setzte Clay an, als Stefan ihn plötzlich brutal zurückriss. Clay schnappte nervös nach Luft. Ben fixierte ihn und ging sofort wieder auf ihn los. „Hat dir jemand erlaubt aufzumucken?!" brüllte er wütend und wollte Clay brutal in die Bauchgegend schlagen.
Doch diesmal war Clay wohl darauf gefasst gewesen, denn er wehrte ihn erfolgreich ab. „Jetzt hör schon auf, verdammt!" verlangte Clay verärgert von Ben. Er bemühte sich auffallend um einen festen Klang seiner Stimme. Doch seine Augen zuckten ängstlich und seine Hände, die er schützend vor seinen Körper hielt, zitterten voller Panik. Nervös nach Hilfe suchend blickte er die Gasse entlang. Aber es war zu spät und dunkel. Die Sackgasse war wie ausgestorben. Seine Chancen auf einen hilfreichen Passanten standen mehr als schlecht. Als ihm das klar wurde, schloss er für eine Sekunde seufzend die Augen.
Ben war von diesem plötzlichen Widerstand so überrascht, dass er Clay einen Moment perplex anstarrte. Dann versetzte er ihm einen kurz angesetzten Schlag gegen die Brust. „Ich höre erst auf, wenn ich es will, ist das klar?" meinte er überheblich, „Und du hast noch lange nicht genug, du mieses Arschloch!"
Ich war überhaupt nicht mehr seiner Meinung, wie ich verwirrt feststellte. Mein Bedürfnis nach Rache war gestillt. Aber Jan und Hendrik stimmten Ben lauthals zu und traten abermals näher an Clay heran. Der beobachtete seine Feinde lauernd in Erwartung neuer Schläge. Er atmete schwer in seiner Halsfessel.
Eine Weile war es still. „Ich weiß gar nicht, was ihr von mir wollt!" beschwerte Clay sich endlich. Die Jungs starrten ihn feindselig an. „Ich kenne euch nicht mal!" setzte Clay seufzend hinzu. Dann holte er so tief Luft, wie das Seil es zuließ, und rief mit fester Stimme: „Was hab ich euch eigentlich getan?" Die Jungs warfen sich gegenseitig Blicke zu und Clay beobachtete sie nervös.
Dann schlug Jan plötzlich zu und traf Clay hart an der Schläfe. Die nächsten Schläge blockte er erfolgreich ab. „Du kennst uns nicht, was?" höhnte Jan wütend, „Kennst du sie auch nicht?" Er deutete auf mich. „Du solltest sie fragen, was du ihr angetan hast!" forderte Ben lauthals Clay auf und deutete ebenfalls auf mich. Clay hielt sich stöhnend den Kopf. Er brauchte einen Moment, um den Blick auf mich zu richten. „Kennst du sie auch nicht?" wiederholte Ben verärgert Jans Frage. Clay hob hilflos abwehrend die Hände. „Ja, ich kenne sie... ich habe ihr gestern was verkauft...", gab er leise zu. Er guckte mich verwirrt an. „Die shore war doch okay, hast du gesagt!" wandte er sich hilfesuchend an mich. Ich nickte schnell.
Noch bevor ich etwas sagen konnte, meldete sich Ben: „Von der scheiß shore redet doch niemand, du Idiot! Es geht darum, was du ihr angetan hast, du Arsch! Du wolltest sie brutal vergewaltigen! Erinnerst du dich daran?!" Drohend fixierte er Clay und trat dicht an ihn heran. Clay schloss für einen Moment untergeben seine Augen, um Bens bedrohlichem Blick zu entgehen, der noch viel bedrohlicher wirkte, weil man wegen der Maske nur seine Augen sehen konnte.
Im nächsten Moment wanderte Clays Aufmerksamkeit zu mir. Ich erwiderte betroffen seinen Blick. Die Ausdruckskraft seiner braun-grünen Augen schlug mich sofort in ihren Bann. Es war, als sprächen seine Augen erneut zu mir, was mich diesmal völlig überwältigte. Clay Banton fragte mich wortlos, warum ich diesen tiefen Groll gegen ihn hegte, warum ich es für nötig hielt, ihn dermaßen brutal zusammenschlagen und mit diesen scharfen Messern verletzen zu lassen. Er wollte wissen, warum sein Annäherungsversuch am Abend zuvor so derart schlimm für mich gewesen war, was er überhaupt nicht verstand und nicht nachvollziehen konnte. Er bat mich nochmal mit dem Ausdruck seiner Augen um Verzeihung.
Aber vor allem waren seine Augen ein Spiegel seiner Angst. Ich konnte seine Angst beinahe spüren, so groß war sie. Er war kurz davor, endgültig in haltlose Panik zu geraten, und seine Augen flehten mich an, dem barbarischen Spiel hier ein Ende zu machen. Siehst du denn nicht, wie sehr ich leide, sagte sein Blick mir. Merkst du denn nicht, dass ich große Schmerzen habe, dass ich nicht mehr weiter weiß, dass ich es nicht mehr lange aushalten kann, was ihr hier mit mir macht. Du hast mich jetzt wahrlich genug bestraft, vermittelte er mir mit dem Ausdruck seiner gequälten, traurigen Augen, die nahe daran waren, in Tränen auszubrechen.
Die immense Wucht der Gefühle, die Clay mir in Sekunden allein durch seine Augen mitteilte, erfasste mich völlig unvorbereitet. Ganz plötzlich meldete sich heftig mein schlechtes Gewissen. Ich konnte es kaum fassen, dass dieser Mann eine solche Menge purer Emotionen in seinen Blick legen konnte. Seine nahezu greifbare Panik schien mir für einen muskulösen Mann seines Alters sehr untypisch zu sein. Aber gerade seine offene Verletzbarkeit machte ihn mir auf einmal unglaublich sympathisch.
Plötzlich fragte ich mich, ob meine Rache tatsächlich gerechtfertigt war. Ich fragte mich, warum ich überhaupt gestern solche Angst vor ihm gehabt hatte. Dieser Mann war doch merkbar dermaßen sensibel, er war sicher gar nicht dazu fähig, jemanden zu vergewaltigen.
Völlig überrumpelt, bestürzt und verwirrt musste ich den Blickkontakt zu Clay abbrechen. Ich sah stattdessen zu Ben hin, der sich gerade zu mir umdrehte, weil er Clays Aufmerksamkeit für mich bemerkt hatte. „Starr sie nicht so an!" tadelte er Clay eifersüchtig und schlug ihn nochmals hart gegen die Brust, „Du wirst sie nie wieder so anstarren, ist das klar?!" „Sie braucht deine Hilfe nicht", erwiderte Clay leise und lenkte sein Augenmerk zurück auf Ben. „Was?!" entfuhr es diesem fassungslos. „Sie braucht deine Hilfe nicht. Sie ist gestern ganz gut allein mit mir fertiggeworden", erklärte Clay ihm ruhig. Ben starrte ihn eine Weile verblüfft an. Ich spürte bei diesen wahren Worten einen merkwürdigen Stich in meinem Innern, denn Clay hatte zweifellos völlig recht. Fast mühelos hatte ich ihn gestern in seiner Wohnung ganz allein überlistet und war ihm im Endeffekt überraschend leicht entkommen.
Ben wechselte einen Blick mit seinen Kumpels. Alle vier brachen einvernehmlich in lautes Gelächter aus. „Aha, du erinnerst dich also!" stellte Hendrik fest. Ben schlug Clay abermals gegen die Brust. „Du wolltest Kim vergewaltigen und sie hat dir dafür die Eier platt getreten, du perverse Sau!" fauchte er gehässig, „Sei froh, dass sie das getan hat und du deshalb nicht zum Zug gekommen bist, sonst würde ich dich jetzt umbringen!"
Er schlug Clay mehrmals in den Bauch, bis der abwehrend die Arme hob. „Nein, das stimmt nicht. Ich wollte sie niemals vergewaltigen!" behauptete er verzweifelt, „Ich könnte einer Frau nie Gewalt antun!" Ben knurrte höhnisch. Er glaubte Clay kein Wort. Entschlossen gab er Jan und Hendrik ein Zeichen. Zu Dritt stürzten sie sich aufs Neue auf Clay und bedrängten ihn grob. „Ach ja? Und wie nennst du das dann, wenn du eine Frau gewaltsam zu Fall bringst? Wenn du sie angreifst und dich brutal über sie hermachst?" redete Ben spöttisch auf ihn ein. Clays Augen weiteten sich erschrocken. Er wurde von den Jungs so grob gegen Stefan gepresst, dass er sich nicht rühren konnte. Stefan stemmte sich in seinen Rücken, zog die Schlinge eng um seinen Hals und packte ihn mit der anderen Hand an den Haaren am Hinterkopf. „Ich wollte nicht... ich... habe nur...", stammelte Clay verwirrt, aber die Jungs schlugen ihn daraufhin nur.
Urplötzlich bereute ich es, Ben so haarklein von dem gestrigen Abend mit Clay erzählt zu haben. Ich bereute es, meinem Freund Ben und seinen Kumpels die Ausführung meiner Rache überlassen zu haben. Ihre ungehemmte Brutalität erschreckte mich plötzlich zutiefst.
„Wie nennst du das, wenn du mit deinen gierigen Fingern ihre Kleidung öffnest, obwohl sie dir sagt, dass sie das nicht will? Wenn du sie gegen ihren Willen küsst? Wenn du versuchst, an ihre Brust und zwischen ihre Beine zu greifen, du geiler Sack?" redete Ben weiter erbost auf Clay ein und packte ihm unvermittelt brutal in den Schritt. Clay zuckte zusammen und stöhnte schmerzerfüllt auf. „Nicht! Bitte!" rief er mit angstvoll weit aufgerissenen Augen.
Aber Ben hielt seine Finger hart zwischen Clays Beinen und alle vier drängten sich so grob gegen ihn, dass er keine Chance hatte auszuweichen oder sie abzuwehren. „Na, wie fühlt sich das an, du Spinner? Geilt es dich auf?" spottete Ben herausfordernd und packte fest zu. Clay verzog gequält das Gesicht und schüttelte hastig den Kopf. „Nicht! Hör auf!" ächzte er atemlos.
Verzweifelt wand er sich in seinem engen Gefängnis. Ben knuffte ihn hart in den Schritt. Gleich darauf hielt er gespielt verblüfft inne. Clay atmete jetzt laut vor ängstlichem Widerwillen und starrte ihn panisch an. Ben fühlte eine Weile grob nach. „Hör mal, da stimmt aber was nicht, du Hecht! Kim erzählte mir, du hättest eine total harte Keule in deiner Hose gehabt, als du über sie hergefallen bist. Wie steht's damit, hä? Wo ist die denn jetzt, hä?" „Hör auf!" rief Clay entsetzt, „Lass mich los!"
Ben drehte sich zu mir um, ohne seinen Griff zu lockern. „Stimmt doch, Kim, gestern hatte er was echt Hartes in seiner Hose, nicht wahr?" kicherte er gemein. Ich trat zögernd einen Schritt näher. Ich wollte ihn gerne bitten damit aufzuhören, aber mir war klar, dass er das nicht verstehen würde. Ben dachte immer noch, er würde mir einen großen Gefallen tun, indem er Clay Banton quälte. Schließlich hatte ich ja genau das noch vor Kurzem extrem empört so von ihm gefordert.
Aber jetzt machte mir diese unfaire Aktion keinen Spaß mehr. Ich fühlte mich stattdessen schuldig, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich Ben das erklären sollte.
Völlig überfordert nickte ich zaghaft. „Siehst du?! Du warst steinhart!" sagte Ben sofort triumphierend zu Clay, welcher mir kurz einen völlig wirren, um Hilfe flehenden Blick zuwarf. Jan und Hendrik kicherten aufgeregt und drängten sich noch fester gegen Clay. Sie hielten ihn sehr fest in ihrem Griff, hatten ihn an den Handgelenken und Armen gepackt und erlaubten ihm keine Regung. „Du hattest einen steifen Schwanz! Und du hast sie auch noch gewaltsam genötigt ihn anzufassen, du abartige, kranke Sau!" warf Ben ihm eiskalt vor. Clay schüttelte entsetzt den Kopf, obwohl Stefan ihm dabei fast die Haare ausriss. „Nein! Das stimmt nicht! Ich habe nicht...", stotterte er nach Luft ringend, als Ben ihn wieder hart zwischen den Beinen packte. „Lüg mich nicht an, du blödes Arschloch!" knurrte Ben geringschätzig.
Dann knöpfte er Clay auf einmal mit schnellen Fingern die Jeanshose auf. Clay spürte das und schrie widerwillig auf: „Hör auf! Lass das sein! Lasst mich los!" Er versuchte jetzt hastig und mit aller ihm verbliebenen Kraft, sich gegen diese Demütigung zu wehren. Seine Gegenwehr wurde so stark, dass die Jungs richtig Mühe damit hatten, ihn zu bändigen. Jan musste Stefan helfen, damit Clay die Schlinge um seinem Hals nicht abstreifen konnte. Hendrik und Ben verdrehten ihm gewaltsam die Arme hinter seinem Rücken und fesselten seine Handgelenke eilig mit zwei mitgebrachten Kabelbindern. Dabei setzten sie auch ihre Messer ein und zerschnitten Clay nicht nur die Kleidung.
Clay versuchte trotzdem jetzt mit aller Kraft, sich zu befreien. Er war durch seine auflodernde Panik sehr stark, hatte jedoch in seinem betäubten Zustand gegen die Übermacht von vier zu allem entschlossenen, gewaltbereiten Jungs letzten Endes keine Chance. Als ihm das schließlich selber klar wurde, fing er ganz fürchterlich an zu schreien, bis Stefan ihm brutal von hinten den Mund zuhielt. Aber erst, als Jan ihm mit seinem herausgeholten schwarzen Schlagstock hart gegen den Kopf schlug, starb sein Geschrei in einem lauten Stöhnen.
Die Jungs wischten ihre blutig gewordenen Hände an Clays Klamotten und in seinem Gesicht ab. Ben hatte Clays 501 schon aufgeknöpft und zog sie ihm mit einem schnellen Ruck bis unter die Knie herunter. Clay Banton stand plötzlich in Unterhose vor uns. Ich betrachtete eine Weile irritiert seine engen, dunkelblauen Boxershorts. Dann fiel mein Blick erschrocken auf die lange, tiefe Schnittwunde an seinem rechten Oberschenkel, die immer noch stark blutete.
Die Jungs kicherten amüsiert und warfen sich vergnügte Blicke zu. Clay stand jetzt ganz still. Er konnte sich nicht bewegen. Er wurde von den Jungs gewaltsam bedrängt und in Schach gehalten. Das Seil um seinem Hals hatte sich inzwischen tief in seine Haut gegraben. Seine Hände waren hinter seinem Rücken mit zwei Kabelbindern gefesselt. Er atmete krampfhaft ein und aus. Clay Banton sah mich an, doch alle Botschaften waren gänzlich aus seinem Blick verschwunden. In seinen Augen spiegelte sich jetzt nur noch die blanke Panik und grenzenlose Scham.
Ich registrierte bestürzt, wie eine unbemerkte Träne aus Clays Auge über seine Wange lief. „Lasst mich los. Hört auf", wiederholte er resigniert. „Aber wir fangen doch gerade erst an!" erwiderte Ben mit schadenfroher Stimme. „Sag mir, ob es dich schon antörnt! Merkst du schon was?" forderte er Clay gehässig auf. Clay schloss für einen Moment erschöpft die Augen und schüttelte den Kopf. Dann holte er Luft und wandte sich hastig an Ben. „Wenn du mich loslässt, besorge ich dir morgen fünfzig Gramm für einen super Preis!" schlug er hoffnungsvoll vor. Keuchend wartete er auf Bens Reaktion. Ben betrachtete ihn angewidert. „Mann, ich will nichts von dir blöder Sau! Hast du das immer noch nicht begriffen? Ich will gar nichts von dir!" machte er Clays Hoffnung zunichte.
Clay fing daraufhin wieder an zu zappeln, versuchte sich zu befreien und brüllte: „Lasst mich in Ruhe! Verdammt! Ich will nicht..." Jan schlug ihn grob zwischen die Beine. Er forderte ihn mit seinem Schlagstock drohend auf, still zu sein und ruhig stehen zu bleiben.
Clay stöhnte vor Schmerz, er röchelte nach Luft. Stefan zog das Seil an und packte ihn wieder am Hinterkopf an den Haaren, und Ben zog ihm ohne zu zögern gnadenlos die Unterhose herunter. „Wo ist denn jetzt deine harte Keule, hä? Ich dachte, du bist der super potente Sex-Gott, der an einem Abend zwanzig Kondome verbraucht!" schrie er Clay hämisch an und betrachtete ungeniert Clays Geschlechtsorgane im Schein der Straßenlaterne. „Mann, das sieht aber nicht gerade beeindruckend aus!" kommentierte er verächtlich. Jan, Stefan und Hendrik johlten vor Vergnügen. „Das scheint mir eher rasiert und beschnitten zu sein!" stellte Ben verblüfft fest.
Ich hatte Clays Penis schon am vorigen Abend gesehen, als ich ihn zum Schein befriedigt hatte und damit kinderleicht von meinem Fluchtplan ablenkte. Aber in dieser Nacht sah er ganz anders aus. Er war tatsächlich beschnitten und wirkte im Halbdunkel klein und unscheinbar.
„Warum bist du beschnitten? Hat das religiöse Gründe?" wollte Ben beleidigend wissen. „Vielleicht hatte er ja ein medizinisches Problem!" schlug Jan albern kichernd vor. Clay schüttelte hilflos den Kopf. „Rede schon!" forderte Ben ihn schroff auf. „Nein... ich weiß nicht...", stotterte Clay beschämt mit rot angelaufenem Gesicht und schluchzte unterdrückt auf. Sein verletztes Schamgefühl war unübersehbar, und die Jungs amüsierten sich lauthals darüber. „Er weiß es nicht! Du weißt nicht, warum die das mit deinem Schwänzchen gemacht haben?! Das glaubst du doch selbst nicht!" meinte Ben trocken.
Clay hielt seinem spöttischen Blick stand. „Ihr verdammten sadistischen Ärsche!" keuchte er leise voller Abscheu. Hendrik schlug ihn daraufhin mehrmals in den Unterleib. „Du wirst uns nicht so nennen, hörst du?" brüllte er ihn wütend an. „Hört doch endlich auf!" bat Clay uns hilflos und konnte seine Tränen nicht länger zurückhalten. Es waren Tränen des Schmerzes, der Wut und der Scham, die mich ungewollt sehr tief berührten. Die Jungs dagegen jubelten begeistert. „Jetzt heult die Memme auch noch!" bemerkte Ben höhnisch, „Jetzt bist du wohl nicht mehr so potent, was, du schwuler Psychopath! Was ist nur mit dir los? Du rasierst dir die Sackhaare und stellst dich nackt auf die Bühne! Aber wenn wir dich ausziehen, dann fängst du an zu heulen? Du bist ja völlig krank im Kopf!"
Clay knickten unvermittelt die Beine weg. Er sackte aus ihren Armen förmlich nach unten. Er machte sich dabei wohl so schwer wie möglich, bis sie ihn nicht mehr halten konnten, und er sich fast an dem Seil erhängte. Im letzten Moment lockerte Stefan den Strick, und die Jungs ließen ihn endlich los. Er saß nun, mit auf seinem Rücken gefesselten Händen auf seinen Knien, und Stefan hielt ihn an der langen Leine fest, wie einen Hund. Ben trat ihn wiederholt gegen die Beine und in die Seite. „Du wirst Kim nie wieder anfassen, hörst du das? Du nimmst nie wieder auch nur Kontakt zu ihr auf!" befahl er Clay lauthals, aber der reagierte kaum noch.
Clay starrte trübe vor sich hin, offenbar ohne wirklich etwas zu sehen. Nur noch wenige Tränen liefen über seine Wangen. Seine Hosen waren unverändert weit heruntergezogen. Beunruhigt sah ich den linken Ärmel seiner Jeansjacke, der jetzt dunkel von Blut war. Auch sein Hals blutete von dem engen Seil, und der blutende Messerschnitt an seinem rechten Oberschenkel war erschreckend lang und tief. Der wird doch wohl nicht unbemerkt verbluten, fuhr es mir erschrocken durch den Sinn, vielleicht raubt der hohe Blutverlust ihm die letzten Kräfte, und er ist deshalb auf die Erde gesunken. Sie haben ihn brutal verprügelt, was ist, wenn er auch innere Verletzungen hat, fragte ich mich ängstlich.
Eine Weile standen die vier Jungs unschlüssig herum und betrachteten ihr völlig wehrloses Opfer. Clay hockte reglos auf dem kalten Schotter, den Kopf gesenkt, soweit das Seil es zuließ. Er atmete nervös, weiter krampfhaft laut ein und aus. „Lasst uns gehen!" schlug ich hastig vor, um irgendwie zu verhindern, dass sie erneut auf Clay losgehen würden.
Ben kam zu mir und nahm mich in den Arm. „Ich glaube, diese Lektion hat dieser kranke Penner jetzt endlich begriffen!" meinte er stolz. Ich nickte, schob ihm die Maske ein wenig hoch und küsste ihn. Ich wollte nicht länger darüber nachdenken, was wir Clay gerade angetan hatten. Ben hatte Clays Marlboro, und wir steckten uns beide mit Clays teurem, kunstvoll graviertem Zippo-Feuerzeug eine an. Ich wollte jetzt unbedingt sofort hier weg.
Aber Hendrik trat noch einmal auf Clay zu, packte ihn brutal an den Haaren und riss seinen Kopf hoch, sodass er ihn ansehen musste. Clays Augen waren jetzt nass von Tränen und absolut ausdruckslos. Hendrik starrte ihn böse an. „Ach, übrigens, du warst heute total beschissen in dieser kranken Performance! Ich weiß nicht, wer dir eingeredet hat, dass du ein Schauspieler wärst, aber du bist einfach nur grottenschlecht! Du bist eine echte Beleidigung für das zahlende Publikum! Du solltest dir wirklich einen vernünftigen Beruf suchen, du blöde Schwuchtel!" warf er Clay gehässig an den Kopf und ließ ihn los.
Stefan zerrte wieder an seinem Seil. Jan und Ben jubelten zustimmend und traten näher. Clay schaute die Jungs eine Weile irritiert an. „Ihr wart im Theater?" fragte er dann alarmiert nach. Ich bewunderte ihn dafür, wie reglos er die äußerst verletzende Kritik an seiner Arbeit als Schauspieler hinnahm. Die Jungs lachten selbstsicher. „Ja klar, wir haben das Publikum von deiner miesen Fresse befreit! Das war ja nicht mehr auszuhalten, dich kranken Psycho auch noch vollkommen nackt auf der Bühne zu sehen! Du bist doch ein perverser Exhibitionist!" erklärte Ben ihm schadenfroh.
Clays Reaktion darauf überraschte uns alle zutiefst. Er hatte sich in den letzten Minuten so dermaßen defensiv verhalten, dass wir keine Aktion mehr von ihm erwartet hatten. Aber jetzt sprang Clay ganz plötzlich auf, als hätte er einen Adrenalinstoß bekommen. Trotz seiner Handfesseln und den tief heruntergelassenen Hosen schaffte er es erstaunlich schnell, auf die Beine zu springen. Stefan konnte gar nicht so schnell reagieren, zog aber dann überstürzt das Seil wieder an.
Schwer atmend starrte Clay seine vier Feinde an. „Heißt das etwa, dass ihr die scheiß Steine auf mich geworfen habt?!" schrie er wutentbrannt und wartete eine Antwort gar nicht mehr ab. Noch bevor die Jungs reagieren konnten, hatte er Ben schon einen heftigen Kopfstoß gegen die Stirn versetzt. Ben stöhnte auf und taumelte rückwärts. Er war von diesem Angriff so überrumpelt, dass er seine Kippe verlor und eine Weile brauchte, um den Schlag zu verdauen. Erschrocken beobachteten wir Clay, der auf einmal wie ausgewechselt schien. Jan und Hendrik waren vor Schreck ganz starr und wichen ängstlich vor Clay zurück, der nun mehrmals erfolgreich nach ihnen trat, bis Stefan ihn brutal am Seil zu sich hin zog.
„Habt ihr diese scheiß Steine auf mich geworfen?!" verlangte Clay nochmals zu wissen, während er rückwärts taumelte. Seine Augen funkelten jetzt vor Wut, und Stefan zog die Schlinge um seinen Hals hastig enger. „Ja, ich habe diese blöden Deko-Steine nach dir geworfen!" rief Ben unverkennbar trotzig. Er ging auf Clay zu, um sich für den Kopfstoß zu revanchieren. Clays Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf Ben. „Warum hast du das gemacht, du blöder Sack? Du hast die ganze Aufführung kaputtgemacht!" beschwerte er sich lauthals. „Du hast mein Mädchen fast vergewaltigt!" erwiderte Ben wütend. „Und außerdem warst du so dermaßen schlecht auf der Bühne, dass man nur noch kotzen konnte!" setzte er bösartig hinzu.
Clay wurde von Stefan gewürgt, der von hinten wieder brutal seine Haare am Hinterkopf packte. „Denkst du denn, du hättest nur mich damit bestraft, du Idiot?! Du hast Valmont am meisten mit diesem Scheiß geschädigt!" fauchte Clay trotzdem Ben an. Er rang tief nach Luft und redete weiter: „Und Valmont hat dir überhaupt nichts getan! Er kennt dein Mädchen nicht mal, verstehst du?!"
Clay fixierte Ben jetzt offen feindselig. Ben hatte auf einmal merkbar Mühe damit, sich nicht einschüchtern zu lassen. Er sah sich hastig hilfesuchend nach Jan und Hendrik um, die jetzt zögernd wieder näher kamen. „Wer zur Hölle ist Valmont?" wollte Ben verwirrt von Clay wissen. Der blies spöttisch die Luft aus. „Valmont ist der Künstler hinter dem Ganzen, du Ignorant! Er ist der Meister der Performance! Aber das ist für dein primitives Gehirn etliche Nummern zu groß!" zischte er überheblich, „Das wirst du niemals verstehen, du dummer Junge!"
Voller Hass starrten die beiden sich eine Weile an. Dass Clay ihn einen dummen Jungen genannt hatte, verärgerte Ben offenbar viel mehr, als alles andere zuvor. „Ach, so ist das also! Dieser Valmont ist wohl dein Liebhaber, was? Ich hab mir gleich gedacht, dass du eine tuntige Schwuchtel bist! Diese ganze kranke scheiß Performance ist ja so was von schwul!" sagte Ben verächtlich. „Und sonst hätte Kim dich auch nicht so leicht besiegen können!" setzte er hinzu, was mir ziemlich gegen den Strich ging, weil es total machohaft war und mich herabsetzte.
Nochmal erstaunte mich Clays Reaktion darauf. Er riss voller Wut die Augen auf. „Deine Kim ist doch nicht blöd, sie kann jeden besiegen, wenn sie es will! Und ich bin keine Schwuchtel!" schrie er ganz außer sich, „Ich bin nicht schwul, hörst du mich?!" Er zappelte heftig herum und versuchte, das enge Tau um seinem Hals loszuwerden. „Hört jetzt endlich auf damit!" schrie er ungeduldig.
Hendrik eilte zu Stefan, um ihm mit Clay zu helfen. Clay war durch seine heruntergelassenen Hosen zusätzlich gehandicapt, außerdem konnte er seine Hände nicht bewegen, die noch immer auf seinem Rücken gefesselt waren. Jan schlug ihn ein paarmal mit seinem Schlagstock, und Ben schlug ihn mehrmals so heftig ins Gesicht, bis Clays Nase anfing zu bluten. Clay schrie widerwillig auf und versuchte unentwegt tapfer, sich zu befreien. Aber auch diesmal hatte er letztendlich keine Chance gegen seine vier Widersacher.
Schwer keuchend musste er seine Gegenwehr aufgeben. Schließlich stand er wieder ganz ruhig dort, denn Stefan, Hendrik und Jan erlaubten ihm keine Regung mehr. „Ich schlag dich so oft in deine hässliche Fresse, wie ich es will, du blöde Schwuchtel!" brüllte Ben ganz außer sich.
Dann hielt er plötzlich inne und holte sein Messer heraus. Clays Augen weiteten sich auf der Stelle panisch. „Und ich schneide dich so oft mit meinem Messer, wie ich es will!" erklärte Ben überheblich. Mit schnellen Schnitten zerfetzte er Clays T-Shirt und ritzte dabei mehrmals auch seine Haut auf. Clay stöhnte schmerzerfüllt. Ben trat nochmal nah an Clay heran und drückte gehässig die flache Seite des Messers fest gegen Clays Penis. „Ich schneide dir blödem Psychopathen sogar den Schwanz ab, wenn ich es will!" meinte Ben eiskalt, „Und damit würde ich der Welt mit Sicherheit einen großen Gefallen tun!" „Nein! Bitte nicht!" ächzte Clay halb wahnsinnig vor Angst.
Vor Schreck war ich wie gelähmt. Plötzlich konnte ich dieses makabere Spiel nicht mehr ertragen. Ich konnte dem grenzenlosen Grauen einfach nicht länger tatenlos zusehen. Ich hatte den schockierenden Eindruck, wenn ich jetzt nicht endlich eingriff, dann machte Ben seine Drohung wirklich wahr und tötete Clay damit eiskalt.
Spontan eilte ich zu den Jungs. Ich hatte große Mühe, Ben von Clay wegzuzerren. „Es reicht jetzt, Ben. Der hat genug, glaube mir", redete ich energisch auf ihn ein. Ben beruhigte sich nur sehr langsam. Verächtlich schnaufend steckte er sein Messer ein und starrte Clay an, der nach Luft ringend, blutend und leise wimmernd in den Armen von Stefan, Jan und Hendrik hing.
„Scheiße... Fuck.... verdammt...", fluchte Clay leise. „Das ist zu viel... Das habe ich nicht verdient...", stammelte er benommen. Ben lachte laut und siegesbewusst voller Hohn. „Frag doch mal Kim, ob du das verdient hast! Sie kann dir das genau sagen!" rief er. Schnell hakte ich mich bei ihm unter. „Lass uns jetzt gehen! Ich habe keine Lust mehr!" schlug ich ihm eilig vor. Ben betrachtete mich prüfend, dann nickte er. „Ja, du hast recht. Langsam wird es langweilig mit diesem blöden Vollidioten!" Er trat Clay noch ein paar Mal gegen die Beine, schlug ihn hart in den Leib, dann drehte er sich herum. „Das war gute Arbeit, Leute! Abflug!" befahl er den anderen.
Jan und Hendrik ließen Clay sofort los und kamen zu uns. Stefan konnte es sich nicht verkneifen, so plötzlich ruckartig an seinem Seil zu ziehen, dass Clay nach Luft ringen musste, unwillkürlich sein Gleichgewicht verlor und wehrlos, rückwärts auf den harten Schotter fiel. Die Jungs grölten schadenfroh. Stefan trat Clay einige Male gegen die Nieren und die gefesselten Arme auf dem Rücken und knurrte: „Wehe, du verrätst irgendwem, wer dich heute bestraft hat!"
Als Ben das hörte, hielt er plötzlich inne. Als hätte er daran noch gar nicht gedacht, holte er sein Bowie-Messer erneut heraus und ging zurück zu Clay, der nun auf dem Rücken auf dem Boden lag, um seine Nieren und Arme vor Stefans Tritten zu schützen.
Ben ging neben ihm in die Knie und presste sein Messer mit der flachen Seite ein weiteres Mal grob gegen Clays ungeschützten Penis. „Hör mir jetzt gut zu, du kranker Psychopath! Wenn du irgendjemandem etwas von uns erzählst, dann finde ich dich und schneide dir deinen Schwanz ab, verlass dich drauf. Und wenn es auf der Bühne sein muss, wo du ja ständig und mit Vorliebe deinen hässlichen Schwanz öffentlich herumzeigst!" erklärte er Clay ganz ruhig mit eisiger Stimme. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er es wirklich ernst meinte. Verdammt, Ben, du bist ja förmlich besessen von diesem gemeinen Scheiß, dachte ich verärgert.
Clay lag ganz ruhig und betrachtete eine Weile das Messer an seinem Unterleib. Dann schaute er plötzlich zu Ben. „Ich bin kein Psychopath", betonte er leise. „Hast du mich verstanden?!" fuhr Ben ihn ungeduldig an. Clay nickte ergeben. „Du sagst keinem ein Wort über uns!" befahl Ben lauthals und drückte sein Messer fest auf Clays Weichteile. Clay zuckte nun ängstlich zurück. „Ich sage niemandem was!" versprach er Ben hastig.
Endlich ließ Ben von ihm ab, stand auf und steckte sein Messer wieder ein. „Hauen wir ab!" zischte er aufgewühlt und kam zurück zu mir, um mir seinen Arm besitzergreifend um die Schultern zu legen. Stefan befreite Clay endlich von dem Nylon-Seil um seinem Hals, was dieser dankbar registrierte. Stefan rollte das Seil auf und kam zu uns. Wir wandten uns zum Gehen. Ich drehte mich herum und wollte nie mehr zurückschauen. Ich wollte diese Nacht am liebsten so schnell wie möglich vergessen. Es war alles irgendwie nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte, und ich fühlte auch überhaupt keine Genugtuung mehr in mir. Im Gegenteil, alles, was ich noch fühlte, war Schuld.
Hendrik war es, der uns unerwartet aufhielt. „Hey, wartet mal!" meldete er sich plötzlich zaghaft. Wir blieben stehen und sahen ihn fragend an. „Wir können ihn nicht einfach so da liegen lassen", meinte Hendrik vorsichtig und zeigte auf Clay, der mit gefesselten Händen und heruntergelassenen Hosen noch immer auf dem harten, kalten Boden lag.
Er schaute uns nach, aber sein Blick war unstet und trübe. Es war nicht sicher, ob er uns überhaupt noch richtig erkennen konnte. Seine Haut war böse zerschnitten, und an seinem Gesicht und seinem Körper war erschreckend viel Blut. „Ja, jetzt siehst du echt toll aus, Schwuchtel! Ich wette, jetzt wird dich nicht mal mehr dein Valmont in den Arsch ficken wollen!" rief Ben ihm gehässig zu.
Hendrik schüttelte den Kopf. „Wir haben diesen Typen echt schwer verletzt. Und es wird heute Nacht bestimmt noch viel kälter." „Na und? Was meinst du denn?" fuhr Ben ihn ungeduldig an. Hendrik nahm seine Maske ab und blickte ihn beschwörend an. „Ich habe zugestimmt, dem Typen eine Abreibung zu verpassen. Aber mit einem Mord will ich nichts zu tun haben!" betonte er ernsthaft. „Mord? Was redest du denn da?" erwiderte Ben verständnislos.
Hendrik deutete wieder auf Clay. „Mann, sieh doch richtig hin! Der blutet wie Sau! Seine Hände sind gefesselt, er kann sich aus eigener Kraft nicht mal mehr aufrichten!" Ben betrachtete Clay eine Weile prüfend und fand Hendriks Behauptung bestätigt. „Und was schlägst du vor?" wollte er dann von Hendrik wissen. „Wir müssen unbedingt seine Handgelenke befreien. Und dann müssen wir einen Krankenwagen für ihn rufen!" verlangte der gewissenhaft.
Ich schaute Hendrik überrascht an und war ihm auf einmal unglaublich dankbar, dass wenigstens er einen kühlen Kopf bewahrt hatte. Keiner von uns wäre auf diese Idee gekommen, wir wären tatsächlich total verantwortungslos abgehauen. Aber Hendrik hatte zweifellos völlig recht.
Eine ganze Zeit lang starrte Ben noch abschätzend zu Clay hin, dann nickte er zu meiner grenzenlosen Erleichterung. „Okay, du hast wahrscheinlich recht", gab er leise zu. Erleichtert nahm ich mir Bens Messer und lief mit schnellen Schritten zu Clay hin, während die Jungs in einigem Abstand auf mich warteten. Ben benutzte vorsichtshalber Clays teures Smartphone, um einen Krankenwagen anzufordern.
Ich ging hinter Clay in die Knie und schnitt vorsichtig die beiden Kabelbinder durch, die Clays Handgelenke viel zu eng zusammengeschlossen hatten. Er seufzte dankbar und richtete sich sofort halbwegs auf, um eilig, verlegen seine Jeans und Boxershorts hochzuziehen. Ich warf einen prüfenden Blick zu den Jungs, aber sie achteten gar nicht auf mich.
Schnell beugte ich mich zu Clay hin. „Es tut mir leid", flüsterte ich ihm ergriffen zu. Der Mann zuckte wirklich zusammen und schaute mich verwirrt an, während er mit zitternden Fingern seine Jeans zuknöpfte. Er sah sehr müde aus, sein hübsches Gesicht war voller Blut. Aber seine Nase blutete nicht mehr, wie ich erleichtert feststellte.
Als ich seine böse zerschnittenen Hände sah, musste ich fast weinen. Ganz plötzlich erinnerte ich mich daran, wie schön er gestern Abend in seiner Wohnung für mich Gitarre gespielt und gesungen hatte. „Bitte verzeih mir!" flehte ich ihn an. Er schüttelte irritiert den Kopf und betrachtete mich überfordert. „Ich begreife dich nicht", seufzte er leise.
Sean
Irgendwann verlor ich ihn im Old Daddy aus den Augen und lief eine Weile hektisch herum, um ihn zu finden, was mir aber nicht gelang. Das Old Daddy war zu groß, zu dunkel und viel zu voll. Es waren zu viele Menschen dort, die mich kannten. Ich dachte an ihn, seine angenehme Nähe, als er in seinem MG auf meinem Schoß gesessen und mich verstohlen berührt hatte, und ich war immer noch geil auf ihn.
Wir waren mit Jill hierhergefahren, nachdem wir im Pino's was gegessen hatten. Ich hatte Jill beim Essen ein Interview gegeben, um mich von meiner Geilheit auf Clay abzulenken. Sie stellte mir nur die typischen Fragen, die ich schon einigen Fans und Journalisten beantwortet hatte. Ich hatte ihr genau das gesagt, was ich mir für solche Gelegenheiten schon lange zurechtgelegt hatte. Was Jill nun über mich schreiben würde, war nicht wirklich meine Biografie. Es war eine abgeänderte Form der Wahrheit. Es war ganz genau das, was ich gerne über mich lesen wollte. Sie hatte sich damit zufriedengegeben. Vielleicht hatte sie meine Lügen auch gar nicht bemerkt.
Aber eigentlich wollte ich die ganze Zeit nur Clay, und ich glaube, das wusste sie genau.
Ich wollte auf keinen Fall ins Stardust, deshalb landeten wir schließlich im Old Daddy. Es war dunkel und laut, und die Musik war recht gut. Ich tanzte zu One Republics Counting Stars und versuchte ernsthaft, mich zu amüsieren. Es gelang mir aber nicht wirklich.
Ich beobachtete Clay, dem das Amüsieren, im Gegensatz zu mir, natürlich überhaupt nicht schwerfiel. Wie so oft bewunderte ich seine kindliche Fähigkeit, das Gewesene einfach zu vergessen und frei den Augenblick zu genießen. Clay verschwendete sichtbar keinen Gedanken mehr an Psychotic Kühlschrank, die brutalen Angriffe auf ihn oder die hässlichen Szenen in seiner Wohnung, oder was auch sonst. Clay Banton war einfach nur gut drauf, und ich liebte und hasste ihn dafür, wie immer.
Ich stand am Rand der Tanzfläche, trank zu viel Whiskey und ließ ihn nicht aus den Augen. Der Mann strahlte förmlich vor guter Laune, was ihn unglaublich attraktiv machte. Er tanzte extrem sexy zu China Girl von David Bowie und flirtete charmant mit einigen Frauen. Und ich war natürlich eifersüchtig und fühlte mich idiotisch deswegen.
Jill Bennet versuchte andauernd, mich anzubaggern. Sie war offenbar sehr interessiert an mir. Sie scharwenzelte um mich herum, redete pausenlos auf mich ein und berührte mich viel zu oft nur scheinbar zufällig. Obwohl mir ihr Interesse schmeichelte, konnte ich sie irgendwann nicht mehr ertragen. Ich entschuldigte mich und ging aufs Klo. Als ich zurückkam, war Clay plötzlich verschwunden. Jill stand immer noch dort, wo ich sie verlassen hatte. Ich vermied es, von ihr gesehen zu werden, und drängte mich stattdessen durch die Menge, um Clay zu finden. Ich fand ihn nicht und geriet fast in Panik deswegen.
Meine Sehnsucht nach ihm gewann die Oberhand, und ich ging zur Theke, um mich mit noch mehr scheiß Whiskey zu betäuben. „Hast du Clay gesehen?" fragte ich Tom hinter der Theke, obwohl ich das nicht hätte tun sollen. Tom grinste sogleich amüsiert und meinte: „Zu spät, Sean. Er ist mit einer Tussi abgehauen, tut mir leid." Ich zwang mich, mir nichts anmerken zu lassen, grinste blöd, drehte mich herum und trank das Glas in einem Zug leer. Der Whiskey brannte mir in den Magen und ich musste mich anstrengen, um nicht zu kotzen.
Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, stellte ich das leere Glas auf den Tresen und ging langsam zum Ausgang. Ich versuchte, nicht zu torkeln und nicht hinzufallen. Aber es waren zu viele Menschen dort, die mich kannten. Ich fühlte mich verflucht beobachtet, was mich ziemlich einschüchterte.
Irgendwie schaffte ich es doch zum Ausgang. Ich knallte René meine Verzehrkarte auf seinen Tisch, und er sah mich lächelnd an. „Na, Sean, genug getankt für heute?" begrüßte er mich. „Hast du Clay gesehen?" erwiderte ich so beiläufig wie möglich und kramte in meiner Tasche nach meinem Geld. René zögerte mit seiner Antwort, bis ich ihn fragend anguckte. „Tut mir leid, Sean", sagte René. Ich glotzte ziemlich blöd und legte einen Fünfziger auf seinen Tisch. Er gab mir das Wechselgeld.
„Was tut dir leid?" fragte ich nun doch nach, obwohl ich es eigentlich gar nicht wissen wollte. René beugte sich vertraulich zu mir herüber. „Banton ist mit diesem Mädchen abgehauen, diese Studentin, Kim, glaube ich, die ist höchstens zwanzig!" vertraute er mir leise an. Er schaute mich mitleidig an, was mich irgendwie ankotzte. Außerdem war diese Information viel mehr, als ich zu erfahren gehofft hatte. Ich stand eine Weile dort und schaute René ratlos an. Er lächelte entschuldigend. Dann beugte er sich nochmal zu mir. „Was war das eigentlich heute Abend im Theater? Ich habe gehört, dass da ziemlich was los gewesen sein soll. Stimmt es, dass Banton eine Frau vergewaltigt hat?"
Seine Sensationsgier war unverkennbar, und ich hätte ihm am liebsten seine Neugier aus dem Gesicht geschlagen. Aber ich stand nur dort und kämpfte mit aufkommendem Brechreiz. Ich versuchte, ganz ruhig zu bleiben. „Du, ich habe keine Ahnung, echt", sagte ich achselzuckend zu René.
Dann drehte ich mich von ihm weg, um betont langsam zum Ausgang zu taumeln. „Du solltest ihn wirklich zum Mond schießen, Valmont!" schrie mir jemand hinterher. Ich ging schneller, um den stechenden Blicken in meinem Rücken zu entkommen. Ich wollte mir nur noch eine stille Ecke zum Kotzen und Heulen suchen.
Clay
Nachdem sie ihren pubertären Sadismus tüchtig ausgelebt hatten, ließen diese scheiß Monster mich unerwartet in Ruhe. Das Junkiemädchen und ihre vier maskierten Freunde entfernten sich irgendwann tatsächlich langsam, und ich konnte mein Glück erst einmal nicht fassen. Ich atmete noch, auch wenn es mir schwer fiel, weil jeder tiefe Atemzug schmerzte. Ich lebte aber noch. Ich lag auf der kalten Erde und rührte mich nicht. Ich befürchtete, dass jede Bewegung meinen Schmerz nur noch verstärken würde.
Und so war es dann auch, als ich mich schließlich vorsichtig aufrichtete. Stöhnend und verwirrt versuchte ich mich zu orientieren. Ich war in dieser elend verlassenen Straße unweit des Old Daddys. Ich wischte mir mit meinen zerschnittenen Händen nervös über mein Gesicht. Ich stellte entsetzt fest, dass ich immer noch aus diversen Stellen blutete. Vergeblich suchte ich in meiner Kleidung nach einem Taschentuch. Die Taschen meiner Kleidung waren alle vollkommen leer. Ich geriet in Panik deswegen und brauchte eine Weile, um mich zu erinnern, dass sie meine Sachen mitgenommen oder auf den Boden geworfen hatten.
Mühsam kroch ich schließlich herum und sammelte meinen Besitz wieder ein. Mein Portemonnaie lag offen und leer auf der Straße. Mein Geld war weg, aber meine Papiere waren überall über den Straßenschotter verstreut. Ich sammelte sie ein und steckte alles zurück in meine Jacke. Dann hob ich meinen Hausschlüssel auf. Ich fluchte laut, weil sie mir mein überaus teures Handy geklaut hatten, das ich wegen der Kontakte und Termine unbedingt für meine Arbeit brauchte. Ich ärgerte mich, weil sie mir ebenfalls die Zigaretten und mein gutes Feuerzeug weggenommen hatten, denn ich wollte in diesem Moment nichts lieber, als eine zu rauchen.
Eine Weile saß ich auf der Straße und bemitleidete mich selbst. Ich verfluchte mich für meine Dummheit, dem Mädchen in diese Sackgasse zu folgen. War ich ihr wirklich hierher gefolgt, oder hatte nicht ich selbst sie hierher gelotst? Ich konnte mich nicht erinnern und das verwirrte mich zutiefst.
Es beunruhigte mich, dass das Mädchen es für nötig gehalten hatte, mich so dermaßen brutal zusammenschlagen zu lassen. Was zur Hölle hatte ich ihr nur angetan? Ich versuchte mich zu erinnern, aber mein Kopf dröhnte, ich war verdammt angeschlagen und alles tat mir weh. Ich versuchte zu verstehen, warum dieses kleine Mädchen sich zum Schluss so flehentlich bei mir entschuldigt hatte, aber ich konnte auch damit absolut nichts anfangen. „Bleib einfach ruhig hier sitzen, Clay. Ben hat gerade einen Krankenwagen für dich bestellt, der wird dich gleich abholen. Die werden sich gut um dich kümmern", hatte das Junkiemädchen zuletzt zu mir gesagt. Danach war sie aufgestanden und mit den anderen weggegangen.
Als ich mich plötzlich daran erinnerte, geriet ich unversehens in Panik. Ich wollte auf gar keinen Fall von irgendeinem Krankenwagen mitgenommen werden. Die Sanitäter würden mir mit Sicherheit Fragen stellen, was mir passiert war, wer das getan hatte, würden mich einladen und zu irgendeinem Arzt karren, würden womöglich sogar die Bullen verständigen, und dazu hatte ich nun wirklich absolut keinen Bock. Das würde doch alles ewig dauern, und ich brauchte jetzt unbedingt jede Menge shore!
Deshalb gab ich das Nachdenken hastig auf und versuchte lieber aufzustehen. Es gelang mir erst beim dritten Versuch. Meine Beine fühlten sich wie Gummi an, alles drehte sich vor meinen Augen. Der viel zu tiefe Schnitt an meinem rechten Oberschenkel tat so weh, dass ich mit dem rechten Fuß nicht richtig auftreten konnte. Meine Eier schmerzten tierisch von diesen vielen Tritten und Schlägen.
Ich ging gekrümmt ein paar tastende Schritte. Aber dann wurde mir meine Richtung bewusst und ich machte spontan kehrt, denn ich wollte auf keinen Fall zurück zum Old Daddy. Ich konnte weitere spöttische Bemerkungen oder Zurufe jetzt nicht ertragen. Außerdem musste ich mir so schnell wie möglich ein bisschen shore einfahren, dachte ich. Die shore würde meinen Schmerz lindern, so wie sie es immer tat. Sie wirkte immer zuverlässig. Sie würde mein Dasein nach dieser Niederlage wieder erträglich machen. Der Gedanke an einen Chinesen baute mich unwillkürlich auf, ließ mich automatisch schneller gehen. Aber meine Beine waren immer noch aus Gummi, ich taumelte und schlug mit der Schulter gegen die Hausmauern. Ich ging gekrümmt und stöhnte vor Schmerz.
Irgendwann blieb ich stehen, um mich neu zu orientieren. Mir wurde nur langsam bewusst, wie verflucht weit es bis zu mir nach Hause war. Es war definitiv viel zu weit. Ich würde es in meinem Zustand zu Fuß nicht vor dem Morgengrauen schaffen, und ich hatte kein Fahrzeug und kein Geld für ein Taxi. Ich hatte noch nicht einmal mehr mein Handy. Ich fluchte laut und lehnte mich müde gegen die Hauswand. Ich schrie meine Wut und Hilflosigkeit hinaus, dann heulte ich eine Weile. Später kriegte ich mich wieder ein und taumelte weiter. Krampfhaft hielt ich mich an dem Gedanken an einen Chinesen fest.
Eliza
An diesem Abend hatte ich es zu Hause plötzlich nicht mehr ausgehalten. Die Szene mit Clay im Theater und sein Verhalten mir gegenüber ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich musste unbedingt hinaus, um mich abzulenken. Rowina hatte auf mich eingeredet, ich sollte unter Menschen gehen, mit ihr mitgehen auf die Samstag-Abend-Piste. Aber mir war überhaupt nicht danach. Ich wollte keine anderen Männer kennen lernen. Ich wollte mir erst einmal über meine eigenen Gefühle klar werden. Und weil mir das nicht gelang, musste ich mich eben von allen Gedanken ablenken.
Ich setzte mich spontan in mein Auto und fuhr los. Ich war wütend auf Clay, auf mich selbst, auf meine Unfähigkeit, ihm wirkungsvoll zu helfen. Auf seine Unfähigkeit, sein Leben dauerhaft unter Kontrolle zu behalten. Es ärgerte mich, dass ich immer noch zu viele Gedanken an ihn verschwendete, obwohl mein Verstand mir längst das Ende meiner Beziehung zu Clay Banton erklärt hatte.
Ich fuhr viel zu schnell durch die Nacht und hörte dabei die Red Hot Chili Peppers in voller Lautstärke. Ich fuhr ohne Ziel über leere Autobahnen, bis die Tachonadel nichts mehr hergab. Ich fuhr über leere Landstraßen und schrie lauter als die Peppers, die Lautstärke meiner Anlage bis zum Anschlag aufgedreht, die kleinen Boxen im Wagen schepperten an ihrer Leistungsgrenze. Dies war meine Art, mich abzureagieren. Meine Art, mit diesem ganzen Scheiß fertig zu werden.
Und je länger ich fuhr, umso stärker wurde mein Entschluss, Clay Banton nie wieder in mein Leben zu lassen. Ich wollte mich endgültig ausklinken aus seinem irren, mit Drogen verseuchten Leben. Wenn dieser dumme Mann sich langsam umbringen wollte, dann war das nicht länger mein Problem. Er hatte mich wie Dreck behandelt! Er hatte mich und meine Liebe gar nicht verdient! Ich hasste diesen Mistkerl! Ich wünschte, ich hätte ihn nie kennengelernt. Ich wünschte, er hätte mich damals nicht gegen den betrunkenen Idioten verteidigt. Ich wollte die letzten Jahre einfach aus meinem Gedächtnis auslöschen. Verbissen versuchte ich, wirklich alles, was irgendwie mit Clay zusammenhing, zu vergessen. Aber das gelang mir natürlich nicht, nicht mal annähernd, so sehr ich mich auch dazu zwingen wollte. Noch viel zu nah waren mir die Erinnerungen an ihn, an die guten Zeiten, die wir gemeinsam erlebt hatten. Viel zu deutlich sah ich noch sein Lächeln vor mir. Ich spürte noch genau die Zärtlichkeit seiner Künstlerhände auf meinem nackten Körper.
Verzweifelt drückte ich aufs Gaspedal und schrie mir beinahe die Seele aus dem Leib zum Text der Peppers. Das Schreien tat mir echt gut und linderte meinen Schmerz. Die Geschwindigkeit des Wagens puschte mich auf. Ich fuhr weit aus der Stadt hinaus, bis ich zum Meer kam, und merkte erst gar nicht, dass ich angefangen hatte zu weinen. Irgendwo an der Küste fuhr ich später auf einen Parkplatz, stellte den Motor ab, stieg aus, lehnte mich gegen den Wagen, starrte reglos aufs dunkle Meer hinaus und rauchte eine.
Die Nacht war schon weit fortgeschritten und ziemlich kalt. Ich weiß nicht, wie lange ich so dort gestanden habe, es war wohl mindestens eine Stunde. Ich habe viel geraucht, aber kaum noch nachgedacht. In meinem Kopf war es seltsam leer geworden. Obwohl ich immer noch keine Müdigkeit verspürte, beschloss ich schließlich irgendwann, nach Hause zu fahren. Mir graute vor Rowinas Bemerkungen, weil ich wusste, dass sie recht haben würde mit jedem Wort, was sie mir sagen würde.
Ich warf die Kippe weg und stieg zurück in mein Auto ein. Ich spürte, dass ich mich tatsächlich inzwischen beruhigt hatte, dass ich der Zukunft nun mit offenen Augen entgegentreten konnte. Ich wollte nun einfach ein neues Kapitel in meinem Leben aufschlagen. Ein neuer Anfang ohne Clay Banton. Ich musste akzeptieren, dass er wohl für immer ein Teil meiner Erinnerungen bleiben würde. Das konnte ich nicht mehr ändern. Aber ich konnte ihm in Zukunft aus dem Weg gehen und damit neue Erlebnisse mit ihm vermeiden.
Mit diesem festen Ergebnis meiner schmerzhaften Überlegungen fühlte ich mich besser. Ich legte eine andere CD der Red Hot Chili Peppers ein, drehte die Lautstärke auf und fuhr erneut zu schnell den ganzen Weg nach Hause, zurück über leere Autobahnen und leere Landstraßen, bis ich schließlich wieder in die Stadt kam. Es waren inzwischen kaum noch Menschen auf der Straße, nur hier und da ein einsamer Passant.
Ich fuhr an der taumelnden Gestalt vorbei und warf neugierig einen kurzen Blick auf ihn. Ich hielt ihn für einen Betrunkenen, der von irgendwoher nach Hause torkelte.
Erst als ich dicht an ihm vorbeifuhr, erkannte ich plötzlich Clay Banton. Er ging vornübergebeugt, nahezu gekrümmt, mit vor Schmerz verzehrtem Gesicht. Er trug schwarze Jeans und seine teure, blaue, dick gefütterte Jeansjacke. Trotz der eisigen Kälte trug er die Jacke offen. Sein weißes T-Shirt war völlig zerschnitten und voller Blutflecken. Er starrte reglos auf den Boden, beachtete mich überhaupt nicht, obwohl ich mit lauter Musik nah an ihm vorbei in seine Richtung fuhr. Er schaute nicht einmal auf, folgte nur mühsam, aber verbissen seinem Weg.
Als ich ihn endlich zweifelsfrei erkannt hatte, fühlte ich vor Schreck intuitiv einen heftigen Stich in meinem Innern. Unwillkürlich drückte ich aufs Gas und fuhr schnell an ihm vorbei, bis zum Ende der Straße. Dort hielt ich verwirrt am Straßenrand an. In meinem Kopf leuchteten instinktiv alle Alarmlampen, ohne dass ich es hätte verhindern können. Um Himmels Willen, dachte ich automatisch besorgt, was zur Hölle ist mit ihm passiert? Warum läuft er hier ganz allein in diesem offenbar schwer verletzten Zustand herum? Wo will er denn überhaupt so dringend hin?
Im nächsten Moment wurde ich ganz von allein sehr wütend. So eine verdammte Scheiße! So ein blöder Penner! Warum muss der ausgerechnet jetzt und hier allein herum torkeln? tobte ich innerlich zornig. In mir entbrannte unabsichtlich ein heftiger Kampf, was ich jetzt tun sollte. Ich wollte ihn natürlich seinem Schicksal überlassen und so schnell wie möglich nach Hause fahren. Bloß weg von ihm und seinem Irrsinn! Selbstverständlich wollte ich mir keine Sorgen um ihn machen. Was auch immer mit ihm passiert war, sollte mir scheißegal sein.
Aber so war es nun einmal nicht, und so sehr ich es auch versuchte, ich konnte mir nicht sehr lange etwas vormachen. Ich sehnte mich immens nach Clay Banton. Ich sehnte mich immens nach seiner Nähe, seinen Zärtlichkeiten. Ich fühlte mich so verdammt allein und einsam. Dieser dumme Mann tat mir leid. Er wirkte unendlich verlassen und echt verletzt. Clay Banton war offensichtlich ziemlich brutal verprügelt worden.
Kurzentschlossen drehte ich die Musik leiser. Mit klopfendem Herzen saß ich hinter dem Steuer und beobachtete im Rückspiegel, wie er langsam näher kam. Er taumelte gegen die Hauswände und stöhnte schmerzerfüllt. Das Laufen fiel ihm offenbar schwer, sein rechtes Bein schien schwer verletzt zu sein. Er blieb jedoch nicht stehen, sondern ging zielstrebig vorwärts, den Blick starr auf den Asphalt gewandt. Offenbar kostete ihn dieser Marsch seine ganze Kraft.
Irgendwann war er endlich neben meinem Auto angelangt, aber er beachtete es noch immer nicht. Kurzerhand beugte ich mich herüber und stieß von innen die Beifahrertür auf. „Hallo Clay!" rief ich ihm zu. Er schrak zusammen und wäre beinahe gestürzt. Instinktiv wich er zurück, doch die Hauswand in seinem Rücken stoppte seine Flucht. Er stand dort und atmete schwer. Entsetzt fixierte er mein Auto. Er brauchte sichtbar eine ganze Weile, bis er es richtig identifiziert hatte. Dann starrte er mich an, aber ich war mir nicht sicher, ob er mich im Dunkeln des Wagens wirklich sehen konnte. „Hallo Clay!" wiederholte ich betont freundlich. Als Antwort schüttelte er den Kopf. „Oh, nein...", stammelte er kläglich, „Nein... nein... nicht das..." „Was ist los mit dir?" rief ich fragend.
Clay drehte sich kopfschüttelnd herum und setzte seinen Weg eilig fort. Ich konnte das kaum glauben. Der Mann ignorierte mich einfach, versuchte jetzt schnell mir zu entkommen, indem er schnurstracks weiter die Straße entlang wankte. So ein Arschloch, dachte ich sofort wütend. Ich bekam das dringende Bedürfnis nach einer Erklärung von ihm. Dieser Arsch schuldete mir eine Erklärung! Was fiel ihm überhaupt ein, mich einfach zu ignorieren! Und ich machte mir insgeheim schon wieder große Sorgen um ihn!
Spontan schnallte ich mich ab, stieg aus dem Auto und lief hinter ihm her. „Hey Clay! Warte gefälligst!" befahl ich ihm laut. Er schüttelte immer noch den Kopf und kam dadurch noch viel langsamer vorwärts. Mit zwei Schritten hatte ich ihn eingeholt und packte ihn am Arm, um ihn zu stoppen. „Was zur Hölle ist los mit dir?!" fuhr ich ihn wütend an. Clay stöhnte sofort schmerzerfüllt auf und ich erkannte, dass sein linker Arm verletzt war. Der Ärmel seiner Jeansjacke war voller Blut, wie ich erschrocken feststellte. Verwundert sah ich mir seinen Oberarm genauer an, obwohl er versuchte, seinen Arm wegzuziehen. Ich entdeckte unter dem aufgeschnittenen Ärmel eine tiefe Schnittwunde, die stark blutete.
Clay kam nur mühsam zum Stehen und hatte Schwierigkeiten damit, sein Gleichgewicht zu wahren. Er wich verlegen meinem Blick aus, indem er hartnäckig in eine andere Richtung guckte. „Nein... nicht...", stotterte er abwehrend. Ich glaubte, in seiner Stimme echte Panik zu hören, was ich mir überhaupt nicht erklären konnte. „Clay! Sieh mich an!" redete ich ihm zu und drehte sein Gesicht energisch in meine Richtung. Sein Anblick erschreckte mich zutiefst, obwohl ich darauf hätte vorbereitet sein sollen. Seine Augen waren vor Angst und Schmerz weit aufgerissen. Sein Gesicht war verschmiert mit Blut und nur halbwegs getrockneten Tränen.
Hilflos sah er mich schließlich an und murmelte resigniert: „Liz..." „Was ist passiert?" wollte ich entsetzt von ihm wissen. Er versuchte jetzt ein Lächeln, was aber nur kläglich aussah. „Ich.... nichts..." Erneut versuchte er, sich von mir wegzudrehen und sich aus meinem Griff zu befreien.
Seine Gegenwehr ärgerte mich sehr. Anstatt das er froh war, dass ich mich um ihn sorgte, versuchte er nur mir auszuweichen, dieser Arsch! „Bleib jetzt hier!" fuhr ich ihn an und schubste ihn hart mit dem Rücken gegen die Mauer. Entschlossen hielt ich ihn fest und guckte ihn eindringlich an. „Sag mir sofort, was passiert ist, Clay!" Er stöhnte schmerzerfüllt und schloss müde die Augen. „Siehst du das denn nicht?" antwortete er leise seufzend. Ich strich voller aufkommendem Mitleid leicht über seine Augenbraue. Sogleich öffnete er seine Augen und schaute mich verwirrt an. „Wer hat dich so zugerichtet?" verlangte ich von ihm zu wissen. Er lächelte wieder, und diesmal gelang es ihm fast. „Ich habe keine Ahnung", flüsterte er hilflos. „Schwachsinn!" fuhr ich ihn verärgert an. Er hob abwehrend die Arme. „Bitte... Liz...", stotterte er und starrte dann nervös auf den Boden.
Eine ganze Weile standen wir so dort, während ich ihn abschätzend betrachtete. Er war offenbar wirklich verletzt. Irgendjemand hatte ihn anscheinend verprügelt und mit einem Messer bearbeitet, denn seine Kleidung und wohl auch seine Haut waren zerschnitten. Er hatte tiefe Wunden am Oberarm und am Oberschenkel, die immer noch bluteten. Noch einmal hatte ich einen inneren Kampf zu führen. Ich sollte ihn stehen lassen, riet mir eine innere Stimme hart. Ich sollte in mein Auto steigen und einfach verschwinden. Dieser Mann will meine Hilfe ja nicht einmal. Er hat meine Hilfe eigentlich gar nicht verdient.
„Hast du was zu rauchen?" fragte Clay mich leise und blickte mich flehentlich an. Verdammt, er darf mir nicht so leid tun, mahnte ich mich verwirrt. „Ja klar", sagte ich, gab ihm eine Marlboro und Feuer. Er rauchte sie tief mit geschlossenen Augen. Ich beobachtete seine merkbare Erschöpfung eine Weile mit aufkommender Zuneigung, die mich ungemein ärgerte.
„Wo willst du jetzt hin?" fragte ich ihn schließlich lauernd. Er schaute mich an und inhalierte tief. „Nach Hause, Liz. Ich möchte jetzt unbedingt sofort nach Hause gehen", informierte er mich seufzend. „Weißt du, wie weit das ist?" erkundigte ich mich fassungslos. „Das schaffst du doch nie in deinem Zustand", setzte ich hinzu. Er lächelte schwach. „Ich werde es schaffen, glaube mir." Er war in der Tat fest entschlossen, wandte sich hartnäckig herum und wollte tatsächlich einfach weitergehen. Das schafft der Dummkopf niemals, fuhr es mir besorgt durch den Verstand, ich muss wohl wieder einmal auf ihn aufpassen! Er ist offenbar viel schwerer verletzt, als er es selbst wahrhaben will. Womöglich hat er auch noch innere Verletzungen. Es ist gut möglich, dass er auf seinem viel zu weiten Weg plötzlich zusammenbricht und einfach verblutet oder erfriert.
Verärgert lief ich ihm nach und hielt ihn nochmal am Arm zurück. „Clay, um Himmels Willen! Jetzt hör doch mit diesem Schwachsinn auf!" fuhr ich ihn ungeduldig an. Er stöhnte schmerzerfüllt, als ich seinen verletzten Arm zu fest drückte. Erschrocken ließ ich ihn los und musterte ihn streng. „Du gehörst in ein Krankenhaus", versuchte ich ihm klar zu machen und hoffte inständig, dass meine Information sich nicht zu besorgt anhörte. Clay lächelte unverkennbar geschmeichelt. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Nein... ich kann nicht...", sagte er fast bedauernd und wich unbehaglich meinem Blick aus. „Ich muss nach Hause, Eliza", flüsterte er. Obwohl er mich nicht ansah, spürte er meine Reaktion intuitiv. Seine Absage verletzte mich, machte mich wütend, weil er damit meine Sorge um ihn ablehnte. Er wusste das sofort, denn er wand sich ängstlich stöhnend und versuchte mir auszuweichen. Ich hielt ihn wieder fest, überwältigt davon, wie gut er mich kannte.
„Warum musst du unbedingt nach Hause gehen, hä?!" fragte ich ihn lauernd. Ich war darum bemüht, meine Verärgerung nicht zu zeigen, was mir allerdings nicht gelang. „Liz...", stöhnte er mit gequältem Gesichtsausdruck, ohne mich ansehen zu können. Ich hielt ihn am Unterarm fest und musterte ihn eine Weile prüfend. Sein dringendes Anliegen war wirklich nicht schwer zu erraten, sein schlimmster Zustand war unverkennbar. „Ich sage es dir, Herr Banton! Du musst unbedingt nach Hause, weil du dir neues Heroin einfahren musst!" schrie ich ihn erbost an. Clay zuckte zusammen, schloss hilflos die Augen und seufzte.
Dann guckte er sich ängstlich nach allen Seiten um, ob jemand meinen lauten Vorwurf gehört hatte. „Keine Angst, es ist mitten in der Nacht! Es ist niemand hier, Clay. Nur ich bin hier!" bemerkte ich verächtlich. Er betrachtete mich eine Weile resigniert. „Ja, du hast recht, Eliza", gab er dann plötzlich zu, „Ich brauche jetzt unbedingt ein bisschen Heroin. Ich bin nämlich wieder davon abhängig, weißt du." Seufzend sah er mich an und wartete auf meine Reaktion.
Ich war von seiner unerwarteten Ehrlichkeit plötzlich wie vor den Kopf geschlagen. Die Härte seiner Aussage erwischte mich unvorbereitet, obwohl ich diese Tatsache ja längst gewusst hatte. Verwirrt guckte ich in seine vor Erschöpfung und Nervosität flatternden Augen. Dann griff ich spontan in meine Hosentasche, holte ein sauberes Taschentuch heraus und fing wortlos damit an, sein Gesicht sauber zu reiben. Anscheinend blutete seine Nase nicht mehr, doch sein Gesicht sah sehr lädiert aus. Ich spuckte auf das Tuch und putzte ihn ganz vorsichtig sauber, strich so sanft wie möglich über sein hübsches, vertrautes Gesicht. Er blinzelte mich überrascht an und hielt ganz still.
Eine lange Weile war es ruhig. Die Traurigkeit dieser Situation wurde mir bewusst. Plötzlich fand ich es unerträglich, dass jemand Clay so brutal verprügelt hatte, dass er so verletzt worden war. Ich zwang mich krampfhaft, nicht in Tränen auszubrechen und konzentrierte mich ganz auf diese Reinigungsaktion. Clay betrachtete mich lächelnd und ließ mich gewähren.
Später hatte ich das Blut in seinem Gesicht halbwegs abgewischt. Wir standen noch eine Weile einfach so voreinander und sahen uns schweigend an. „Okay", sagte ich endlich leise, „Okay, warte einen Moment. Ich fahr dich nach Hause." Ich drehte mich herum und ging zu meinem Auto. In meinem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander. Ich fühlte mich mit einem Mal völlig überfordert. Ich hätte nicht anhalten sollen, dachte ich verzweifelt, ich hätte einfach an ihm vorbei und nach Hause fahren sollen. Ich weiß nicht, was ich mit diesem Mann anfangen soll.
Ich versuchte mich abzulenken, indem ich aus meinem Kofferraum eine Decke holte und sie über dem Beifahrersitz ausbreitete. Clay war voller Blut und ich wollte nicht, dass er meine Polster damit versaute. Du hast aber nun mal angehalten, sagte ich zu mir, jetzt musst du auch dafür sorgen, dass ihm nichts weiter passiert. Das ist jetzt deine Aufgabe. Du musst ihn unbedingt zum Krankenhaus fahren. Aber er darf davon nichts wissen, denn sonst würde er niemals mitfahren.
„Okay, Clay, du kannst jetzt einsteigen!" rief ich ihm zu, nachdem ich meinen Beifahrersitz für ihn mit der Decke präpariert hatte. Im nächsten Moment saß ich in meinem Auto und merkte überrascht, dass Clay mir nicht gehorchte. Er stand immer noch auf der Straße, müde an die Wand gelehnt. Er betrachtete mich unschlüssig. Sein Zögern verärgerte mich. Ich beugte mich spontan zur Beifahrertür, die immer noch offen stand. „Jetzt komm schon, Clay! Nochmal werde ich es dir nicht anbieten!" rief ich ihm ungeduldig zu.
Nur sehr langsam setzte er sich in Bewegung. Er taumelte ein wenig, kam aber zu meinem Auto und stieg langsam auf den Beifahrersitz. Er zog die Tür zu und guckte mich im Dunkeln prüfend an. „Ich muss nach Hause, Eliza", erinnerte er mich ganz leise bittend. Sein merkbares Misstrauen empörte mich. Genervt fuhr ich zu ihm herum. „Verdammt nochmal, ich habe dir doch eben gesagt, dass ich dich nach Hause fahre!" Ich log ihn an, aber ich redete mir energisch ein, dass ich das nur zu seinem Besten tat. Erneut war ich ungewollt gerührt davon, wie gut dieser Mann mich kannte.
Hastig drehte ich den Zündschlüssel herum, damit mein schlechtes Gewissen nicht zu stark wurde. „Schnall dich an!" befahl ich ihm laut. Er gehorchte mir mit unsicheren Fingern. Ich nahm meinen Gurt und steckte ihn ein. Der Motor sprang an, und ich fuhr los. Ich fuhr auch diesmal zu schnell, doch Clay Banton merkte das gar nicht. Er hockte zusammengesunken neben mir und hatte die Augen erschöpft geschlossen. Die Red Hot Chili Peppers steuerten die passende Soundkulisse bei, bis ich sie nach einiger Zeit plötzlich abstellte. Ich hatte das dringende Bedürfnis nach ein paar Antworten.
„Warum bist du rückfällig geworden?" fragte ich Clay geradeheraus und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, den er allerdings nicht mitbekam. Er öffnete stöhnend die Augen und wandte sich mir widerwillig zu. „Was?" „Du hast mich schon verstanden!" tadelte ich ihn genervt. Er seufzte und dachte eine Weile nach. Dann holte er tief Luft. „Ich bin nicht rückfällig geworden, Liz. Ich hatte es nur eine Zeit lang unter Kontrolle", erzählte er mir freimütig. „Du hast es nie unter Kontrolle, Clay! Niemals! Niemand kann es jemals unter Kontrolle behalten, verstehst du?" fuhr ich verzweifelt auf. Er seufzte wieder und betrachtete mich abschätzend. „Wenn du das sagst", flüsterte er schließlich. „Verdammt, Clay, dass ist nicht etwas, was ich mir ausdenke! Das ist eine verdammte Tatsache, die du anscheinend einfach nicht begreifen willst!" regte ich mich auf. Ich warf ihm einen schnellen Blick zu. Er war in seinem Sitz tiefer gerutscht, als würde er vor mir in Deckung gehen.
Ich griff hinüber und legte meine Hand auf seinen linken, unverletzten Oberschenkel. „Was willst du jetzt tun?" wollte ich eindringlich von ihm wissen. Er fixierte meine Hand und brauchte viel zu lange für eine Antwort, wie ich fand. Offensichtlich fiel es ihm schwer, sich auf mich zu konzentrieren. Er hatte wohl Mühe damit, seine Gedanken zu ordnen. „Ich gehe am Montag zurück ins Methadonprogramm", teilte er mir schließlich widerwillig mit. Seine Stimme klang dabei so genervt, dass ich gleich wieder auf die Barrikaden ging. „Sagst du das jetzt nur, weil ich es hören will?" warf ich ihm hart vor. Er stöhnte und richtete sich auf. Er schob meine Hand trotzig von seinem Oberschenkel herunter. „Nein, ich sage das, weil es so ist", antwortete er und starrte verbissen aus dem Seitenfenster. „Aber du willst es eigentlich gar nicht, was? Du willst lieber einfach so weitermachen, oder?" drang ich tiefer in ihn ein. Clay seufzte schwer und schwieg. Seine Körperhaltung signalisierte jetzt nichts als Abwehr.
Ich beschloss schweren Herzens, es für den Moment gut sein zu lassen. Der Mann war sichtbar sehr müde und angeschlagen. Er war schlimm verprügelt worden und hatte mit Sicherheit Schmerzen. Vielleicht war es gerade wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für diese endlose Diskussion. Ich konzentrierte mich auf die Straße und merkte verärgert, dass ich schon wieder dabei war, Entschuldigungen für sein unmögliches Verhalten zu suchen, anstatt ihn dafür zu verurteilen.
Sean
Als ich endlich zu Hause ankam, schlich ich mich sofort in meinen Dachboden, nachdem ich im Bad gepinkelt und mich gewaschen hatte. Die Wohnung war ruhig und dunkel, und ich hoffte inständig, dass niemand zu Hause war. Ich hoffte, dass Marc und Vincent diese Nacht woanders verbrachten, oder zumindest in ihren Zimmern so tief schliefen, dass sie mich nicht stören würden. Ich kroch mühsam im Dunkeln die schmale steile Treppe zu meinen Dachboden hinauf, ohne Lärm zu machen. Oben legte ich mich auf mein Bett und trank ein wenig Mineralwasser aus der Flasche, die noch neben dem Bett stand. Das Wasser schmeckte warm und abgestanden, sodass ich es fast wieder ausspuckte.
Ich lag eine Weile auf dem Bett im Dunkeln und bemitleidete mich selbst. Ich weinte ein bisschen vor mich hin. Der Mond schien durch das schräge Fenster. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Ich fühlte mich sehr einsam. Ich war ziemlich zugedröhnt, aber nicht genug, um nicht mehr zu leiden. Nicht genug, um all diese Gedanken aus meinem Hirn zu verbannen. Ich dachte ungewollt über den vergangenen Tag nach, und dann hätte ich mich am liebsten an dem Dachbalken aufgehängt.
Aber ich widerstand diesem Impuls und stand stattdessen auf. Ich ging zum Schrank und holte ein paar private DVDs heraus, die ich mit meinem Camcorder gedreht hatte. Ich schob eine davon in den DVD-Player, zog meine Schuhe aus und legte mich wieder aufs Bett. Mit der Fernbedienung schaltete ich Player und Fernseher ein, und dann sah ich eine Aufnahme von Clay auf dem Bildschirm. Es war eine Aufnahme von vor zwei Jahren, seine erste Ausstellung im KunsTraum. Clay lief stolz an seinen Gemälden entlang und erklärte zu jedem einzelnen Bild, was es darstellte, was er sich dabei gedacht hatte. Er hatte blendende Laune und lachte ständig über meine albernen Bemerkungen, die aus dem Hintergrund kamen, denn ich filmte ihn.
Ich stellte den Ton ab und konzentrierte mich ganz auf Clay. Ich sah ihm in die Augen. Ich fand ihn beinahe unerträglich attraktiv. Er war viel begehrenswerter, als ich imstande war auszuhalten. Er war so weit von mir entfernt, dass es mich beinahe umbrachte, dachte ich.
Einer plötzlichen Intuition folgend riss ich mir hastig die Kleider vom Leib und fing damit an mich zu streicheln. Ich starrte Clay an und bildete mir ein, dass er es wäre, der mich anfasste. Ich ging ganz vorsichtig vor, ganz sanft. Ich streichelte über mein Gesicht, meinen Hals, meine Brust, meinen Bauch, meine Arme entlang. Ich ging nicht tiefer und vermied es lange, mich zu sehr aufzugeilen. Ich wollte ihn einfach nur fühlen. Ich wollte einfach nur nicht allein sein.
Ich starrte Clay an und konnte plötzlich nicht mehr verhindern mir vorzustellen, es mit ihm zu treiben. Es überkam mich heftig. Ich stellte mir seine Geilheit vor, doch das war zu antörnend, um es lange auszuhalten. Mein Herz klopfte hart, ich atmete schwer. Mein Schwanz schien allein von diesem Gedanken zu platzen, deshalb konzentrierte ich mich wieder auf den Fernseher, auf das Bild von Clay vor seinen Gemälden. Mein Schwanz lag hart und schwer auf meinem Unterleib, aber ich versuchte, ihn zu ignorieren. Ich versuchte stattdessen, mit Clay Verbindung aufzunehmen. Ich starrte den Bildschirm an und versuchte, ihm irgendwie nah zu sein. Siehst du mich, dachte ich gebannt, kannst du mich spüren? Merkst du denn nicht, wie sehr ich dich begehre?
Ich war völlig in dieses einsame erotische Spiel versunken, deshalb merkte ich nicht, dass jemand die Treppe hinauf in meinen Dachboden kam. Ich bemerkte Vincent erst, als er plötzlich vor mir stand. Erschrocken starrte ich ihn an. Dann suchte ich hastig nach meiner Decke, um mich damit zu bedecken. Ich wurde wahrscheinlich knallrot, so peinlich war es mir, von ihm erwischt zu werden.
In die Decke gehüllt suchte ich hastig nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten. Aber Vincent hatte mich schon zu lange beobachtet, um nicht genau zu wissen, was vor sich ging. Er sah mich nur kurz vorwurfsvoll an, dann griffen wir beide spontan nach der Fernbedienung. Er war schneller als ich. Er drehte den Ton lauter und Clay fing an, über sein Bild zu reden. „Verdammt, Sean, merkst du denn gar nicht, wie armselig das ist?!" fuhr Vincent mich verständnislos an. Er sah verächtlich auf Clay. „Was zu Hölle tust du da?!" warf er mir vor, schaltete gnadenlos die Nachttischlampe an und setzte sich einfach auf meine Bettkante.
Ich kroch verlegen ein Stück von ihm weg. Ich brauchte eine Weile, um wieder zu Atem zu kommen. Ich spürte meinen Schwanz überdeutlich zwischen meinen Beinen und drückte beschämt die Decke um mich. Verwirrt starrte ich auf den Bildschirm, auf dem Clay gerade zu seinem nächsten Bild ging. „Denkst du etwa, diesen Typen dort interessiert das auch nur die Bohne, wenn du ihm hinterherhechelst?" fragte Vincent mich kalt. Er deutete energisch auf den Fernseher, auf dem Clay gerade vor einem riesigen Gemälde stehengeblieben war, auf dem man eine nackte Frau auf einem Sofa sah. Clays hübsche Augen glitzerten verwegen amüsiert. Ich wandte überfordert den Blick ab. „Hey... ich habe doch nur...", stammelte ich verlegen und schnappte nach Luft.
Fuck, dachte ich aufgewühlt, dieser Arsch kommt einfach ungebeten in mein Zimmer! Ich muss mir endlich eine Dachluke einbauen, die ich abschließen kann, nahm ich mir zum wiederholten Male vor. Ich war unglaublich wütend über Vincents plumpe Indiskretion.
„Wie oft hast du dir diesen Scheiß schon angesehen, hä?" fauchte Vincent mich an und schaltete wütend den Fernseher aus. Er warf mir die Fernbedienung an den Kopf und starrte mich verständnislos an. „Was ist nur los mit dir?!" verlangte er ungeduldig zu wissen. Er hatte recht, ich kannte alle Aufnahmen mit Clay auswendig. Und es gab weitaus privatere Aufnahmen von ihm.
„Und was geht dich das an?!" erwiderte ich widerspenstig und beugte mich zu meiner Jacke, um mir eine Zigarette zu holen. Ich vermied es, dabei die Decke zu verlieren. Vincent betrachtete mich kopfschüttelnd. „Wenn du dich damit kaputtmachst, dann geht mich das sehr wohl was an", erklärte er mir ruhiger. Ich zündete mir eine Marlboro an und hielt ihm die Schachtel hin. Er nahm eine. Ich gab ihm Feuer.
„Ich mach mich nicht kaputt", flüsterte ich nach einer Weile irritiert. „Und wie du das machst, Sean!" widersprach Vincent mir sofort, „Du bist sogar ein Meister darin! Du leidest doch tierisch wegen diesem scheiß Typen!" Er deutete wieder auf den Fernseher, der nun dunkel war. „Dieser scheiß Typ hat dich doch völlig in seinem Bann!" warf Vincent mir gnadenlos an den Kopf.
Es gefiel mir überhaupt nicht, wie abfällig er von Clay sprach. Es ärgerte mich maßlos, dass er sich in meine privaten Gefühle einmischte, dass er meine phantasierte Verbindung zu Clay unterbrochen hatte. Ich holte tief Luft und fixierte ihn wütend. „Was fällt dir überhaupt ein, einfach ungefragt in mein Zimmer zu kommen, du elender Spanner! Wolltest du mich wichsen sehen, oder was?" Ich hielt seinem Blick tapfer stand. Er studierte mich beinahe mitleidig, was mir extrem auf den Geist ging. „Ich habe dich hier oben gehört, und ich wollte einfach mal nachsehen, wie es dir nach dieser missglückten Vorstellung gestern geht", erklärte er mir irgendwie beschwichtigend. „Es geht mir gut", erwiderte ich abwehrend und inhalierte tief. Vincent schüttelte den Kopf. „Nein, Sean, es geht dir absolut beschissen!" machte er mir gnadenlos klar.
Ich guckte ihn irritiert an und starrte dann auf die Bettdecke. Meine Kehle schnürte sich zu, und meine Erektion fiel unwillkürlich langsam in sich zusammen. „Mit diesem Steine-Angriff auf Clay, gestern im Theater, ist doch mit Sicherheit deine ganze Welt zusammengebrochen. Deshalb wollte ich nach dir sehen, Sean. Psychotic Kühlschrank ist schließlich dein ganzes Leben, und jetzt ist es unwiderruflich kaputtgegangen", analysierte Vincent mich eindringlich. „Clay Banton hat deine Performance kaputtgemacht, und das weißt du auch ganz genau!" behauptete er streng und starrte mich beschwörend an, „Warum willst du das nicht wahrhaben? Warum merkst du nicht, dass dieser Typ dir nur Unglück bringt?!" „Es ist nicht Clays Schuld...", fing ich genervt an, aber Vincent unterbrach mich sofort. „Ach, hör doch auf! Selbstverständlich ist es Clays Schuld! Er hat schon wieder irgendwelche Scheiße gebaut, und irgendjemand war wieder einmal mächtig sauer auf ihn! Mann, Sean, das war doch wirklich nicht das erste Mal! Aber jetzt ist seine Scheiße schon bis in deine Arbeit vorgedrungen! Jetzt ist bald alles im Arsch, was du dir aufgebaut hast, verstehst du?!"
Seine Stimme wurde automatisch viel zu laut. Seine Worte viel zu gnadenlos und real. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich mich an der Zigarette festhielt. „Und du bist jetzt also mein Psychiater?" grinste ich ihn nervös an. Er erwiderte mein Grinsen nicht. „Nein, ich sag dir nur die Wahrheit. Du bist so dermaßen verblendet von diesem scheiß Typen, dass du das selber anscheinend gar nicht mehr mitkriegst, was der dir antut!" „Dieser scheiß Typ hat auch einen Namen!" entfuhr es mir gereizt. „Dieser scheiß Typ macht dich total kaputt! Er ist es nicht wert, dass du auch nur noch einen einzigen Gedanken an ihn verschwendest, Sean! Werfe ihn endlich aus deinem Leben, bevor alles den Bach runtergeht, verdammt nochmal!" schnauzte Vincent mich unvermittelt an und schlug wütend gegen die Decke, unter der mein Bein war. „Halt's Maul!" brüllte ich überfordert zurück. Ich versuchte ihn meinerseits zu schlagen, aber er wich mir aus. „Misch dich gefälligst nicht in mein Leben ein!" forderte ich ihn lauthals auf. „Das ist auch mein Leben, Sean!" schrie er verzweifelt, „Ich will nicht länger zusehen, wie du kaputtgehst wegen so einem miesen Wichser!" Wir taxierten uns feindselig.
Ein plötzliches Geräusch ließ uns verstummen. Jemand kam torkelnd die Treppe herauf. Wir drehten uns beide hin, um zu sehen, wer da kam. Es war natürlich Marc. Anscheinend hatten wir ihn mit unserem lauten Streit geweckt. Er stand eine Weile schlaftrunken auf dem Absatz der Treppe und schaute uns müde an. Dann kam er langsam auf uns zu. „Lasst mich raten, Mädels. Geht es bei diesem Streit vielleicht um einen Mann namens Clay Banton?" bemerkte er trocken und grinste freudlos. Es war bei Weitem nicht der erste Streit, den ich mit meinen Mitbewohnern wegen Clay hatte.
Trotzig starrte ich Vincent an, der sich hilflos an Marc wandte. „Sean hat sich schon wieder diese DVD reingezogen und sich auf Bantons Astralkörper einen runtergeholt", stellte er mich bloß und deutete auf den Fernseher. Ich starrte ihn entsetzt an und konnte es gar nicht fassen, wie sehr er mich in Verlegenheit brachte. Marc grinste mich lüstern an. Ich wurde rot und wich seinem Blick aus. Beschämt drückte ich die Decke um meinen nackten Körper.
„Hey, jeder wie er's mag. Lass ihm doch seinen Adonis", meinte Marc amüsiert zu Vincent und zuckte mit den Achseln. „Verstehst du denn gar nichts?!" fuhr Vincent ihn fassungslos an. „Sean ist absolut besessen von diesem Scheißkerl!" stellte er plötzlich gehässig in den Raum. „Ich habe mir keinen runtergeholt", stellte ich verlegen richtig, „Ich habe nur..." „Du hast nur auf den Bildschirm gestarrt und masturbiert!" unterbrach Vincent mich verächtlich, „Und dieser Arsch geilt dich tatsächlich immer noch auf, obwohl er dein ganzes Leben kaputtmacht! Obwohl er gestern mit seiner verdammten Ignoranz deine ganze Arbeit zerstört hat!"
Hilfesuchend wandte er sich wieder an Marc. „Sag du doch auch mal was dazu!" forderte er ihn ungeduldig auf. Marc schaute mich eine Weile nachdenklich an. Dann seufzte er hörbar. „Ach, Sean, Schatz", flötete er, „Weißt du, ich habe dir doch schon immer gesagt, dass es ein Riesenfehler von dir war, dich in Clay Banton zu verlieben. Dieser Mann ist unersättlich und so was von bisexuell! So einen kann unsereins doch nie vollkommen zufriedenstellen. Der wird sich niemals eingestehen, dass er eigentlich schwul ist."
Clay
Ich kam zwar nicht schnell voran, aber ich hatte ein Ziel und es ging stetig vorwärts. Die Straßen waren wie leergefegt, echt dunkel, nur mit wenigen Laternen beleuchtet. Der Mond erhellte mir spärlich den Weg, und ich ließ die Innenstadt langsam hinter mir. Jeder einzelne Schritt war eine Qual. Der Schmerz in meinem Körper war allgegenwärtig. Aber ich dachte verbissen, hey, du hast heute doch schon so viel Heroin geraucht und so viel Whiskey getrunken. Du hast echt viele Drogen intus, so schlimm kann das alles also gar nicht sein. Denn das Heroin war verdammt gut, und ich hatte noch genug davon. Es würde stärker sein, als alle Schmerzen der Welt.
Ich klammerte mich an den Gedanken an diese mindestens noch zwei Gramm, die in meinem Badezimmer nur auf mich warteten. Ich zwang mich, den stechenden Schmerz in meinem Arm und Bein einfach zu ignorieren. Ich konzentrierte mich ausschließlich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Und deshalb bekam ich von meiner Umwelt kaum etwas mit.
Ich hörte die dumpfe Musik aus einem Auto, das nah an mir vorbeifuhr, nur im Unterbewusstsein. Mir war beileibe elend zu Mute. Dieser lange Spaziergang forderte meine ganze Kraft. Natürlich sah ich kurz darauf den Wagen weit vor mir am Straßenrand stehen. Aber ich beachtete ihn überhaupt nicht, denn ich war doch inzwischen schon an zu vielen Autos vorbeigekommen. Aus dem Inneren des Wagens wummerte gedämpft die Musik der Red Hot Chili Peppers.
Als urplötzlich die Beifahrertür aufging und jemand laut meinen Namen rief, schrak ich intuitiv entsetzt zusammen, so sehr, dass ich beinahe hinfiel. Sie kommen zurück, fürchtete ich instinktiv, sie stürzen sich nochmal auf mich, schneiden mich mit ihren Messern entzwei und schlagen mich womöglich mit ihren Schlagstöcken doch noch tot! Dieser scheiß Typ will mich grausam kastrieren, und danach wird er mich bestimmt eiskalt abstechen!
Panisch, hastig, kopflos versuchte ich zu entkommen, aber ich stolperte nur gegen die Hauswand. Jemand rief nochmal meinen Namen, und die Stimme erinnerte mich an etwas. Irritiert blickte ich genauer zu dem Auto hin. Und im nächsten Moment glaubte ich, Elizas lila Nissan Micra zu erkennen. Augenblicklich krampfte sich alles in mir zusammen. Ich hatte spontan Rowina Ludger vor Augen, Elizas elendig beste Freundin, und ihren beißenden Spott, der gnadenlos auf mich niederprasseln würde. Mir war sofort klar, dass ich das jetzt nicht ertragen konnte.
Hektisch versuchte ich noch einmal zu entkommen, aber Eliza Laser war schon ausgestiegen und lief hartnäckig hinter mir her. Sie hielt mich schmerzhaft an meinem verletzten linken Arm fest und starrte mich mit einer Mischung aus Wut und Mitleid an. Die Frau untersuchte neugierig und fachmännisch meinen Körper und studierte meine Messerwunden ganz genau. Ich schielte unterdessen verängstigt zu ihrem Auto hin, in dem Versuch, in der verdammten Dunkelheit etwas zu erkennen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mir sicher war, dass Rowina nicht in diesem Auto auf mich wartete.
Eliza forderte eine Erklärung von mir, die ich ihr nicht geben konnte. „Was ist passiert?" fragte sie mich plötzlich fürsorglich, „Wer hat dich so zugerichtet?" Aber ich wollte an meine peinliche Niederlage nicht erinnert werden. „Hast du was zu rauchen?" fragte ich sie stattdessen gierig. Die ganze Zeit schon wollte ich unbedingt eine rauchen, aber meine Kippen waren mir gestohlen worden, und ich hatte kein Geld mehr. Unendlich dankbar nahm ich eine Zigarette von Liz und rauchte sie tief und genussvoll. Das Nikotin beruhigte mich sofort. Danach war ich wenigstens halbwegs in der Lage, mich mit der Frau auseinanderzusetzen. „Wo willst du hin?" verlangte sie von mir zu wissen. Ich schaute mir verwundert ihr Gesicht an. Sie sah sehr traurig aus, sehr einsam und verzweifelt. Ich fragte mich, was wohl der Grund ihrer Traurigkeit war, ob sie wohl tatsächlich Mitleid mit mir hatte. Diese Möglichkeit gefiel mir irgendwie. Ihr Mitgefühl schmeichelte mir. Spontan lächelte ich sie an. „Ich gehe nach Hause", teilte ich ihr mit.
Sie betrachtete mich abschätzend. Sie meinte, dass der Weg zu mir nach Hause viel zu weit wäre. Der Ausdruck ihrer Augen veränderte sich dabei, und ich wusste sofort, dass ich mich so schnell wie möglich aus dem Staub machen sollte. Eliza Laser war in diesem Moment ein sehr einsames Mädchen. Sie war gierig nach meiner Gesellschaft, wahrscheinlich nach meinem Körper. Ich fühlte mich aber von ihrer Begierde absolut überfordert. Ich spürte nur zu deutlich, dass ich in dieser Nacht definitiv nicht mehr in der Lage war, ihre Sehnsucht zu befriedigen. Mir war aber auch klar, dass sie es nicht gut sein lassen würde. „Du gehörst in ein Krankenhaus", forderte sie gierig und lächelte erwartungsvoll.
Sie hatte natürlich beschlossen, sich umfassend um mich zu kümmern. Und obwohl mir ihre Fürsorge ungemein schmeichelte, fing mein Herz direkt damit an, nervös zu hämmern. Der Schmerz in meinem Körper verstärkte sich, alles in mir zog sich zusammen. Sie wird mich einfach an die Wand spielen, wie es ihre Art ist, wurde mir nervös bewusst. Sie wird mich nicht mehr gehen lassen. Liz benutzte meine Hilflosigkeit ein weiteres Mal, um ihr eigenes Selbstbewusstsein zu stärken.
Ich lehnte hilflos ihr Angebot ab, obwohl mir klar war, dass ich sie damit verletzte und verärgerte. Ich wiederholte deutlich, dass ich unbedingt nach Hause musste. Im nächsten Augenblick versuchte ich nochmal mit aller Kraft, der Frau doch noch zu entkommen. Aber es war Eliza Laser. Sie fühlte sich in dieser Nacht aus irgendeinem Grund sehr einsam, sie war echt sensibel, und meine Absage verwundete sie enorm. Gemäß ihrem Naturell kompensierte sie ihren Schmerz auch diesmal mit gnadenloser Wut auf mich. Ich hatte nichts anderes erwartet.
Ihre schönen, dunklen Augen schossen Giftpfeile auf mich ab. „Ich sag dir, warum du so dringend nach Hause willst, Clay! Du musst dir noch mehr Heroin einfahren!" schrie sie mich verächtlich an. Erschrocken schaute ich mich um, ob irgendwer ihren überaus lauten Vorwurf mitbekommen hatte. Aber wir waren ganz allein auf dieser nächtlichen Straße. Ich betrachtete sie ratlos. Trotz ihrer Wut war sie immer noch sehr hübsch. Ich versuchte, mich an ihre Sanftheit zu erinnern, an ihr zauberhaftes Lachen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie ihre warme Hand auf meinen nackten Bauch legen würde.
Ich hatte ganz einfach überhaupt keine Kraft mehr, um mich mit ihr zu streiten. Mir fielen keine Lügen oder Ausflüchte mehr ein. Deshalb gab ich ihr recht und sagte ihr einfach die Wahrheit. Ich sagte ihr, dass ich wieder abhängig vom Heroin war, und dass ich deshalb jetzt sofort nach Hause gehen musste. Es wunderte mich, wie überrascht sie wirkte, obwohl sie von meiner erneuten Abhängigkeit doch längst wusste. Wahrscheinlich war sie überrascht, weil ich ihr so kampflos die Wahrheit gesagt hatte. Weil ich einfach so vor ihr kapitulierte. Dabei war ich schlicht nicht mehr in der Lage, etwas anderes zu tun.
Sie holte ein Taschentuch aus ihrer Jeanshose und fing wortlos damit an, über mein Gesicht zu reiben. Sie wischte sanft das Blut aus meinem angeschlagenen Gesicht. Ich war so überwältigt von dieser liebevollen Geste, dass ich ganz still stand und den Atem anhielt. Sie ist so nett zu mir, dachte ich verwirrt, warum zur Hölle ist sie trotz allem immer wieder so verdammt nett zu mir? Ich genoss ihre Berührung unendlich, obwohl sie mir weh tat und allein die Tatsache, dass in meinem Gesicht Blut war, mich grenzenlos entsetzte. Ich schaute in Elizas braune Augen und versuchte ernsthaft, mich mit der Gewissheit ihrer Gesellschaft anzufreunden. Mir war klar, dass sie mich nicht mehr gehen lassen würde, und dass ich keine Chance hatte, das zu ändern.
Nach ein paar Minuten war sie wohl fertig mit meinem Gesicht und steckte ihr Tuch wieder ein. Sie seufzte resigniert. „Okay, warte einen Moment, ich fahr dich nach Hause", befahl sie mir und ging geradewegs zu ihrem Auto. Sie holte tatsächlich eine Decke aus ihrem Kofferraum und breitete sie über ihrem Beifahrersitz aus, weil ich voller Blut war, und sie Angst um ihre Polster hatte.
Danach befahl sie mir einzusteigen. Ich stand unschlüssig herum und fragte mich, ob sie wohl die Wahrheit gesagt hatte, ob sie mich echt zu meiner shore bringen würde. Ich befürchtete, dass sie mich in Wirklichkeit mit zu sich nach Hause nehmen wollte, wo ich dann höchstwahrscheinlich doch noch auf Rowina treffen würde. Andererseits hatte ich das äußerst unangenehme Gefühl, keinen einzigen Schritt mehr laufen zu können. Ich habe zu viel Blut verloren, merkte ich beunruhigt, ich werde womöglich gleich hier auf der Straße ohnmächtig zusammenbrechen.
Eliza wurde schnell ungeduldig, deshalb entschloss ich mich schließlich mutig, bei ihr einzusteigen. Die Frau hätte eine andere Entscheidung auch gar nicht akzeptiert. Vielleicht rettete sie mir damit das Leben. Ich taumelte zu ihrem Wagen und setzte mich auf den Beifahrersitz. Ich schloss die Tür und sank erschöpft in dem Sitz zusammen. Die Peppers spielten. Sie verlangte, dass ich mich anschnallte, was ich mit meinen zitternden Fingern kaum schaffte. Eliza schnallte sich ebenfalls an und fuhr dann los. Immer noch spürte ich alle meine Knochen einzeln. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper schien zu schmerzen.
Es wird Zeit, dachte ich nervös, es wird jetzt dringend Zeit für ein wenig mehr shore in meinem verbliebenen Blut. Verdammt, die haben mich tatsächlich total zusammen geknüppelt, diese Arschlöcher, fuhr es mir im nächsten Moment plötzlich durch den Sinn. Ich war unglaublich wütend und drohte gleichzeitig in Selbstmitleid zu versinken.
Müde schloss ich die Augen. Ich wollte nur noch nach Hause und jede Menge Heroin rauchen. Aber Eliza ließ es natürlich nicht so einfach gut sein. Sie stellte die gute Musik ab und fing plötzlich an mich anzugreifen, energisch auf mich einzureden. Sie warf mir wieder einmal vor, dass ich nicht mit den Drogen aufhören wollte. Sie glaubte zu wissen, dass ich eigentlich gar nicht ins Methadonprogramm wollte.
Ich fühlte mich davon entsetzlich gelangweilt. Die Frau benutzte immer die gleichen Worte bei diesem Thema, immer wieder die gleichen Vorwürfe. Sie ließ meine Meinung nie gelten. Und ich war im Moment wirklich nicht in der Verfassung für tiefgreifende Diskussionen. Ich wurde ärgerlich und wir stritten, bis sie sich endlich beleidigt abwandte und die Klappe hielt. Unendlich erschöpft schloss ich meine Augen. Es kann sein, dass ich kurz eingenickt bin oder ohnmächtig wurde. Ich hatte plötzlich ein blitzendes Messer vor Augen und schreckte intuitiv erschrocken hoch.
Das erste, was ich durch das Seitenfenster sah, war das große Gebäude des Christopherus-Krankenhauses. Eliza bog gerade auf den Parkplatz für Mitarbeiter ein, der zum hell erleuchteten Hintereingang führte. Sie hatte ihr Handy am Ohr und kündigte irgendwem unseren Besuch an. „Was tust du denn?" fuhr ich sie entsetzt an, „Du hast versprochen, dass du mich nach Hause fährst!" „Clay! Beruhige dich!" sagte sie ziemlich überheblich zu mir, nachdem sie ihr Gespräch beendet und ihr Handy eingesteckt hatte. Ich taxierte sie verärgert. „Du wolltest mich nach Hause fahren!" wiederholte ich vorwurfsvoll. Sie lächelte amüsiert und streichelte beruhigend über meinen Arm. „Reg dich nicht auf, Clay! Ich fahre dich nach Hause, sobald der Arzt einen Blick auf dich geworfen hat. Heute hat Doktor Tourani Nachtdienst in der Notaufnahme. Ich kenne Siamak gut. Der ist sehr nett, ich habe schon oft mit ihm zusammengearbeitet." „Verdammt, Eliza! Das ist mir doch so was von scheißegal!" schrie ich entgeistert.
Im nächsten Moment versuchte ich gehetzt, mich von dem Sicherheitsgurt zu befreien. Ich hatte nun wirklich überhaupt keine Zeit für Krankenhausbesuche. Ich musste ganz dringend nach Hause, um mein Blut mit viel mehr shore zu bereichern. Eliza bemerkte meine Bemühungen, mich abzuschnallen. Sie griff energisch hinunter, um mich daran zu hindern. Wir kämpften irgendwie mit meinem Gurt, wobei Eliza fast die Kontrolle über ihren Wagen verlor und beinahe gegen eine niedrige Mauer fuhr. Im letzten Moment riss sie das Steuer herum und steuerte auf eine der Parkbuchten zu. „Hör auf damit, Clay! Lass das sein! Wir gehen jetzt gemeinsam zum Arzt!" beharrte sie die ganze Zeit total stur. „Ich gehe zu keinem scheiß Arzt!" erwiderte ich und hatte irgendwann, trotz ihrer Gegenwehr, endlich meinen Gurt ausgeklinkt.
Sofort riss ich die Beifahrertür auf, obwohl das Auto noch langsam über den Parkplatz fuhr. „Bist du bekloppt?! Dreh doch nicht durch! Hör auf damit! Clay!" kreischte Eliza erschrocken, während ich nur noch so schnell wie möglich aus dem Micra raus wollte. Ich fiel irgendwie aus dem Auto und blieb dabei am Gurt hängen. Ich wurde aber nur einen Meter oder so mitgeschleift, da trampelte Eliza auch schon auf die Bremse und das Auto kam mit einem Ruck zum Stehen. „Clay! Verdammt! Jetzt sei doch vernünftig!" schrie die Frau mich ungeduldig an. Ich befreite mich hastig von dem verdammten Gurt und zwang mich, so schnell wie möglich aufzustehen. Ich schaffte es sogar ziemlich schnell, und dann rannte ich einfach los.
Aber genau im selben Moment hatte Eliza schon die Handbremse angezogen, schnallte sich in Windeseile ab, sprang aus ihrem Micra und kam wütend hinter mir hergelaufen. Normalerweise bin ich beim Wettrennen immer weitaus schneller, als sie. Aber ich war verletzt, mein Bein schmerzte fürchterlich, ich konnte kaum auftreten. Darum konnte ich nicht wirklich schnell rennen, und deshalb hatte ich gegen dieses Mädchen keine Chance.
Sie holte mich schon an der Mauer der Einfahrt zum Mitarbeiterparkplatz ein. Brutal sprang sie mich von hinten an, packte energisch meinen Arm, drehte mich wütend herum und knallte mich mit dem Rücken gegen diese Mauer. Mir blieb spontan die Luft weg, und ich wäre beinahe in die Knie gegangen, weil meine Beine unter mir einknicken wollten. Erschöpft schnappte ich nach Luft und stöhnte vor Schmerz.
Eliza stand nun dicht vor mir und starrte mir zornig in die Augen. „Du wirst dich jetzt zusammenreißen, Clay Banton! Du gehst jetzt sofort mit mir zu Doktor Tourani! Und der wird dich gründlich untersuchen und deine tiefen Schnittwunden nähen! Du bist nämlich viel schwerer verletzt, als du denkst! Du hinterlässt eine Spur aus Blutstropfen auf deinem Weg! Und ich will nicht dabei zusehen, wenn du wegen deines massiven Blutverlustes zusammenbrichst! Ich will nicht schuld sein daran, wenn du morgen früh aufwachst und tot bist!" fauchte sie mich aufgebracht an, ganz die besorgte Krankenschwester. Ich atmete echt schwer.
Einige Zeit schauten wir uns intensiv an. „Wenn ich tot bin, dann wache ich nicht mehr auf", berichtigte ich sie ganz leise amüsiert. Ihre Augen funkelten aufgeregt, und dann stahl sich plötzlich eine Träne aus ihrem Auge und lief langsam über ihre Wange. Sie schluchzte unterdrückt. „Ich will aber nicht, dass du tot bist", hauchte sie traurig.
Ihre offenbar riesige Sorge um mich, ihre unvermittelt hervorbrechende Zuneigung zu mir, rührte mich ganz unvorbereitet. Plötzlich fand ich diese Frau wunderschön in ihrer Traurigkeit. Spontan fing ich damit an, ihr die Tränen aus dem Gesicht zu küssen. „Nein, bitte weine doch nicht wegen mir, Liz. Du solltest niemals wegen mir weinen", flüsterte ich dabei. Ihre Tränen schmeckten warm und salzig. Ich leckte über ihr hübsches Gesicht, und sie umarmte mich gänzlich unerwartet und drückte sich fest gegen mich, was ziemlich weh tat, denn ich hatte die Mauer in meinem Rücken. Sie suchte unbeirrt meinen Mund, und im nächsten Moment küssten wir uns plötzlich ziemlich leidenschaftlich. Das passierte so schnell, dass ich irgendwie überrumpelt war und nicht ausweichen konnte.
Aber sie fühlte sich mit der Zeit sehr gut an, deshalb wollte ich ihr schließlich gar nicht mehr ausweichen. Ich umarmte sie und streichelte ihren Nacken, ihren Rücken, ihren Hintern. Sie hatte die Augen geschlossen.
Eliza
Herr Banton war wieder einmal total dumm und völlig uneinsichtig. Er sprang wahrhaftig aus dem fahrenden Auto, als er endlich registrierte, wohin ich mit ihm gefahren war. Zum Glück waren wir da schon längst auf dem Parkplatz des Christopherus-Krankenhauses angekommen. Nur weil ich gerade sehr langsam fuhr, verletzte er sich bei seinem blöden Hechtsprung nicht.
Ich zog die Handbremse an, stieg aus und lief ihm hinterher. Er humpelte hastig von mir weg, kam aber überhaupt nicht schnell vorwärts. Ich schimpfte mit ihm, als ich ihn mühelos an der Mauer einholte. Ich hielt ihn ganz fest, sodass er sich nicht rühren konnte. Seine Augen flatterten und waren vor Schmerz weit aufgerissen. Ich bekam den Eindruck, dass er tatsächlich Angst vor dem Krankenhaus hatte. Er atmete krampfhaft tief ein und aus. Ich sagte ihm, dass ich nicht schuld an seinem Tod sein wollte, und dieser Gedanke, die vage Möglichkeit, dass er sterben könnte, machte mich plötzlich so traurig, dass ungewollt Tränen aus meinen Augen schossen.
Clay betrachtete mich erstaunt und fing unvermittelt damit an, mir behutsam die Tränen aus dem Gesicht zu küssen. Er flüsterte liebevoll, dass ich nicht wegen ihm weinen sollte. Mann, du hast ja keine Ahnung, wie viele Tränen ich schon wegen dir vergossen habe, du verfluchter Mistkerl, dachte ich spontan.
Aber der Mann war so zärtlich zu mir, dass er mich unwillkürlich überwältigte. Ich konnte gar nicht mehr anders, als ihn an mich zu drücken. Ich umarmte ihn so fest es ging und küsste ihn voller Leidenschaft. Er stöhnte erneut schmerzerfüllt, erwiderte jedoch meinen Kuss fast sofort. Ich spürte, wie er meinen Nacken streichelte, und dann wanderten seine Hände schnell an meinem Rücken hinunter. Schließlich war er an meinem Hintern, umfasste ihn gierig, presste sich mit seinem Unterleib gegen meinen. Dabei küssten wir uns die ganze Zeit, obwohl Clay sehr atemlos war und wiederholt aufstöhnte. Schließlich konnte ich nicht mehr unterscheiden, ob es nun Schmerz- oder Lustlaute waren, die er von sich gab. Ich gewann den Eindruck, als würde er sich extra gezielt gegen meinen Unterleib drücken, um damit eine körperliche Reaktion bei sich auszulösen, die allerdings nicht erfolgte.
Später drang plötzlich ein lauter Ruf an mein Ohr. „Eliza?! Wo bist du?!" Erschrocken riss ich mich von Clay los und ging eilig einige Schritte zurück. Er lehnte sich daraufhin keuchend an die Mauer und schaute mich verzweifelt an. Ich drehte mich von ihm weg. „Ich bin hier!" rief ich über den Parkplatz und zwang mich, zu Atem zu kommen. Zwei große, starke Pfleger standen ratlos an meinem Auto, dessen Türen immer noch offen standen und dessen Motor immer noch lief. Es waren Ingmar und Eduard, die ich am Handy extra angefordert hatte, damit sie Clay für mich festhielten, sollte er erneut davonlaufen oder anderweitig durchdrehen.
Die beiden entdecken uns an der Mauer und kamen grinsend auf uns zu. Ich drehte mich wieder zu Clay, der mich jetzt vorwurfsvoll musterte. „Ist das dein Ernst, Eliza?" fragte er mich verärgert. Natürlich hatte er Ingmar und Eduard auch gesehen, und er wusste sofort, dass die beiden auf meine Bitte hin herausgekommen waren, um ihn in Empfang zu nehmen und zu bewachen. „Woher soll ich wissen, ob du nicht gleich wieder versuchst wegzulaufen?" erwiderte ich trotzig. Clay schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich bin schon erwachsen, Eliza!" betonte er laut. „So benimmst du dich aber nicht, Clay!" warf ich ihm ungeduldig vor.
Dann waren Ingmar und Eduard bei uns angekommen. Sie blieben stehen und studierten Clay amüsiert und interessiert. „Wir kommen jetzt hinein", informierte ich sie und warf Clay einen auffordernden Blick zu. Er löste sich von der Mauer und machte einen Schritt nach vorne. Ingmar und Eduard bewegten sich sofort auf ihn zu, um ihn notfalls festzuhalten. „Fasst mich ja nicht an!" fauchte Clay drohend und wich ihnen ärgerlich aus. Die beiden warfen mir einen fragenden Blick zu. Ich zuckte mit den Achseln, bedeutete ihnen aber, Clay auf jeden Fall im Auge zu behalten.
Ich lief schnell zu meinem Auto, parkte es in einer Parkbucht, schaltete den Motor aus und schloss zuletzt die Türen ab. Danach gesellte ich mich wieder zu den Männern. Clay ächzte und humpelte vor uns her Richtung Hintereingang. „Wo bleibt der Rollstuhl?" beschwerte er sich auf halben Wege, „Werden die Verletzten hier nicht eigentlich in einem bequemen Rollstuhl herumgefahren?" „Eliza hat uns nicht gesagt, dass du einen Rollstuhl brauchst", kicherte Ingmar belustigt.
Clay knurrte ihn wütend an, ging jedoch immer weiter, bis wir am Eingang angekommen waren. Dort zögerte er plötzlich und wandte sich hilfesuchend zu mir. Ich lächelte ihn aufmunternd an. Er beugte sich dicht an mein Ohr und flüsterte: „Ich kann das nicht lange aushalten, Liz. Ich kann nicht..." Er brach ab, seufzte und schaute mich flehentlich an. Ich lächelte liebevoll und streichelte beruhigend über seinen Kopf, wobei ich zwei dicke Beulen aufspürte. Sie haben ihn brutal auf den Kopf geschlagen, dachte ich erschüttert. „Das dauert doch höchstens eine halbe Stunde, Clay! Ich verspreche dir, dass ich dich danach sofort nach Hause fahre, okay?!" Er nickte kläglich, betrat aber folgsam mit uns das Krankenhaus.
Ingmar und Eduard waren die ganze Zeit um ihn herum und behielten ihn im Auge. Sie waren bereit, jederzeit einzugreifen, sollte es nötig werden. Die beiden arbeiteten meistens in der Psychiatrie und kannten sich mit unberechenbaren Patienten bestens aus.
Aber Clay schien sich zum Glück endlich in sein Schicksal zu fügen. Er lief ohne Gegenwehr mühsam neben uns her durch die langen Flure, bis wir die Notaufnahme erreichten. Dort schoben Eduard und Ingmar ihn in eins der Zimmer. „Ihr sollt mich nicht anfassen!" zischte Clay wütend, als sie ihn an der Schulter hineinschoben. „Nur keine Aufregung", meinte Ingmar grinsend, „Am besten ziehst du dich schon mal aus, der Doktor kommt gleich." Er wandte sich mir zu und meinte: „Er sollte sich schon mal ausziehen. Doktor Tourani wird gleich hier sein." Ich nickte. „Ja, danke. Ist schon gut, ihr könnt draußen warten, okay?" Sie warfen noch einen prüfenden Blick auf Clay, der nun sichtbar hilflos im Raum herumstand, dann verließen sie das Untersuchungszimmer, um draußen vor der Tür zu warten.
Ich ging sofort zu Clay hin und nahm ihn tröstend in den Arm. „Höchstens eine halbe Stunde, Clay! Die wirst du doch wohl noch aushalten können! Es geht immerhin um dein Leben!" redete ich ganz ruhig auf ihn ein. Er ließ sich von mir umarmen, erwiderte meine Berührung jedoch nicht. Er stand ganz starr dort, die Arme teilnahmslos herunterhängend. Mit Schrecken bemerkte ich, dass von seinen Fingern der linken Hand unentwegt Blut auf den Boden tropfte.
„Ich soll mich ausziehen?" fragte er mich fassungslos. „Natürlich, Clay! Der Doktor muss dich doch richtig untersuchen können! Komm schon, ich helfe dir auch dabei!" Ich löste mich von ihm und zog ihm vorsichtig die dicke Jeansjacke aus. Clay ließ sich das ziemlich reglos gefallen. Der aufgeschnittene linke Ärmel war teilweise mit seiner Wunde am Oberarm verklebt, und Clay biss die Zähne zusammen, als ich ihn behutsam von seiner Haut löste. Seine etwa zehn Zentimeter lange Schnittwunde blutete tatsächlich stark, und ich war erschrocken darüber, wie tief sie zu sein schien.
Ich legte seine Jacke über die Liege an der Seite des Zimmers. Danach zog ich ihm das zerschnittene, ehemals weiße, jetzt blutbefleckte T-Shirt über den Kopf. Er trug kein Unterhemd und ich erschrak erneut, als ich seinen muskulösen, nackten Oberkörper sah, der voller Schnittwunden war. Bei näherer Betrachtung schienen diese zahllosen Wunden aber zum Glück nur oberflächlich zu sein. Clay seufzte schmerzerfüllt und knurrte widerwillig, wehrte sich aber nicht gegen mich. Ich lächelte ihn aufmunternd an und ging in die Knie, um ihm die Schuhe auszuziehen. Zärtlich küsste ich auf dem Weg nach unten seinen Bauchnabel, aber Clay zuckte widerstrebend vor mir zurück. Ich schaute ihn fragend an. „Das wird unangenehm. Ich habe mir vorhin auf die Schuhe gekotzt", informierte er mich irgendwie aggressiv.
Prüfend warf ich einen näheren Blick auf seine Schuhe und fand seine Behauptung bestätigt. Auch seine Jeans war unten an den Beinen beschmutzt. Wieso habe ich das nicht schon im Auto gerochen, fragte ich mich angewidert und stand auf. „Warum hast du dir auf deine eigenen Schuhe gekotzt, Clay? Weil du wieder mal sternhagelvoll warst?" tadelte ich ihn verärgert. Seine nur wenig unterdrückten Aggressionen machten mich wütend. Er stieß spöttisch die Luft aus. „Nein, weil sie mich in den Magen geschlagen haben, Eliza", bemerkte er trocken.
Seine Worte berührten mich. Ich stand dicht vor ihm und streichelte ihm mitfühlend über sein hübsches Gesicht, die Nase, die Augenbrauen. „Es tut mir leid, was dir passiert ist", erklärte ich ihm ehrlich. Er drehte trotzig seinen Kopf weg. „Vielleicht habe ich das ja verdient", sagte er ganz leise, ohne mich dabei anzusehen. Ich stutzte erstaunt. „Warum sagst du das, Clay? Warum hast du das verdient? Was zur Hölle hast du denn getan?" fragte ich ihn entgeistert. Seine Augen wanderten zurück zu mir. Er betrachtete mich eine Weile intensiv mit sichtbarer Missbilligung, dann drehte er sich spontan weg und starrte an die Wand. „Such dir einfach irgendwas aus, Eliza", antwortete er endlich resigniert. Ich wurde aus seinen Worten nicht schlau, aber seine Überheblichkeit ärgerte mich ungemein. „Ich weiß nicht, was du damit meinst, Clay. Aber du solltest jetzt deine Schuhe ausziehen!" erwiderte ich streng. Er grinste freudlos und streifte sich die Schuhe von den Füßen. Dann beugte er sich hinunter und zog sich auch noch die schwarzen Socken aus. Ich beobachtete ihn verwirrt. „Was meinst du denn nur?" wollte ich irritiert von ihm wissen. Er schaute zu mir hoch. „Du findest ganz bestimmt noch einen Grund, warum ich das hier verdient habe", seufzte er und richtete sich mühsam wieder auf.
„Die Jeans werde ich nicht ausziehen", informierte er mich wütend. Ich zwang mich, ganz ruhig zu bleiben, obwohl Ungeduld und Verärgerung in mir aufkochten. „So ein Unsinn, Clay, ich glaube nicht, dass du diese brutalen Prügel und vielen Schnittwunden verdient hast! Und selbstverständlich wirst du deine Jeans ausziehen! Wie soll Siamak sonst diese tiefe Wunde an deinem Oberschenkel nähen, hä?" redete ich so ruhig wie möglich auf ihn ein. Leicht strich ich über sein verletztes Bein.
Er stand jetzt wieder dicht vor mir und grinste müde. „Ich ziehe die scheiß Jeans nicht aus, Eliza! Ich hasse es, in Unterhose vor einem Arzt zu stehen!" wiederholte er trotzig. „Warum denn das, um Himmels Willen?" erkundigte ich mich verständnislos. Er zögerte eine Weile, während er mir in die Augen guckte und abschätzte, wie ich wohl reagieren würde. „Ich will mich einfach nicht blamieren!" stellte er dann plötzlich ernsthaft in den Raum. Ich wusste sofort, was er damit meinte, lachte spontan auf und schlug ihn auf die Schulter. Ich glaubte wirklich, er hätte einen Witz gemacht.
Aber sein wütender Blick belehrte mich eines Besseren. Deshalb bemühte ich mich schnell, sein lächerliches Anliegen ernst zu nehmen. Ich schüttelte grinsend den Kopf und erklärte ihm: „Du wirst dich hier mit Sicherheit nicht blamieren, Clay! Dazu findest du ganz bestimmt keinen Anlass! Und selbst wenn, Siamak ist doch schließlich auch ein Mann! Der kennt sich bestens damit aus, glaube mir! Ich bin davon überzeugt, dass er ganz einfach darüber hinwegsehen wird! Siamak ist ein sehr guter Arzt und wirklich sehr nett. Du hast überhaupt keinen Grund, Angst vor ihm zu haben. Siamak Tourani ist mit Abstand der beste Arzt in seinem Fach, den ich kenne."
Clay durchbohrte mich förmlich mit seinem Blick. Er fixierte mich, und ich konnte in seinen dunklen, irgendwie panischen Augen ganz plötzlich seinen beginnenden Entzug erkennen. Scheiße, dachte ich spontan, der dreht mir hier bestimmt bald durch. „Und fickt er auch gut, dein Siamak?" schoss es plötzlich verächtlich aus Clay heraus.
Im nächsten Augenblick hatte ich ihm auch schon eine schallende Ohrfeige dafür gegeben. Clay verzog spöttisch das Gesicht und rieb sich die getroffene Wange. „Jetzt stell dich doch um Himmels Willen nicht so an, Banton!" fuhr ich ihn genervt an, „Zieh jetzt einfach die Jeans aus, verdammt, und mach nicht aus allem ein Drama!" Er schüttelte den Kopf und ließ seine Arme sinken.
Einen Moment starrten wir uns feindselig an. „Soll ich vielleicht Ingmar und Eduard hereinrufen, damit sie dir beim Ausziehen helfen? Wäre dir das lieber?" fragte ich ihn drohend. Er blickte mich verwirrt an. Er brauchte eine Weile, um zu verstehen, wer Ingmar und Eduard überhaupt waren. Als es ihm endlich klar wurde, machte er spontan furchtsam zwei Schritte rückwärts. „Das tust du mir nicht an", ächzte er überfordert und schnappte nach Luft. Panisch sah er zur Tür hin, als würden die beiden Pfleger jeden Moment dort auftauchen. Als die Tür dann tatsächlich aufging, schrie er entsetzt auf.
Clay
Eliza ging mir ganz schön auf die Nerven, weil sie sich als meine Retterin aufspielte, obwohl ich sie nie darum gebeten hatte. Sie behandelte mich wie ein Kleinkind und fuhr mich gegen meinen Willen zu diesem Krankenhaus, in dem sie arbeitete. Sie hatte sogar zwei bekloppte Pfleger angefordert, die mich bewachen sollten. Eliza war total überheblich, und ich war wirklich nahe daran, die Geduld mit ihr zu verlieren.
Der Weg durch die endlosen Flure des Krankenhauses war echt weit. In diesem Untersuchungszimmer war es viel zu warm, das verdammte Neonlicht blendete mich, und die Frau verlangte die ganze Zeit, dass ich mich ausziehen sollte, wozu ich überhaupt keine Lust hatte. Ich war der andauernden Schmerzen in meinem Körper langsam richtig überdrüssig. Eliza drohte mir mit den Pflegern, und ich starrte entsetzt zur Tür, ob sie tatsächlich kommen würden, um mich bestimmt gewaltsam auszuziehen.
In diesem Moment öffnete sich die Tür plötzlich energisch, und ich schrie unwillkürlich auf. Aber es war nur dieser Arzt, der hereinkam. Die Frau hatte ihn schon wiederholt in den höchsten Tönen gelobt. Sein Name war Siamak Tourani, und Eliza kannte ihn wohl von ihrer Arbeit im Krankenhaus. Ich warf nur einen einzigen Blick auf ihn, und mir war schlagartig klar, wie verdammt scharf er war. Sein Anblick zischte förmlich wohlig durch meinen Körper. Der Mann war schätzungsweise nur wenig älter als ich, und er sah irgendwie voll exotisch aus. Vielleicht kam er ursprünglich aus Persien, Afghanistan oder Ägypten. Er strahlte eine freundliche Ruhe aus, aber auch große Kompetenz. Er hatte sichtbar alles unter Kontrolle, war eine extrem starke Persönlichkeit, was mir sofort imponierte.
Mein voreiliger Schreckensschrei irritierte ihn überhaupt nicht. Mit schnellen Schritten kam er auf mich zu und streckte mir die Hand hin. „Ich bin Doktor Tourani, und Sie sind..." Er warf einen fragenden Blick auf Eliza, dann sah er wieder mich an. „...Clay?" Er hatte sich tatsächlich meinen Namen gemerkt, den Eliza ihm bestimmt schon am Handy angekündigt hatte. Sie nickte. „Hallo Siamak. Ja, das ist Clay Banton - mein... Exfreund", stellte sie mich vor. Ihre Wortwahl irritierte mich, und ich warf ihr einen erstaunten Blick zu. Aber ihre ganze Aufmerksamkeit lag auf Siamak. „Hallo Clay!" sagte der Doktor zu mir. Ich war irgendwie verwirrt und starrte ihn an. Er streckte mir grüßend seine Hand entgegen, also schüttelte ich sie und murmelte: „Hi." Er hatte einen festen, energischen, total selbstbewussten Händedruck.
„Was ist mit Ihnen passiert?" fragte er mich im nächsten Moment und betrachtete mich interessiert. „Er ist verprügelt worden. Und die haben ihn mit einem Messer schwer verletzt", mischte Eliza sich ein und zeigte dem Arzt meine Schnitte am Arm und am Bein. Er beugte sich zu mir hin und studierte meine offenen Wunden fachmännisch, berührte meine Haut am Oberarm und meine Jeanshose am Oberschenkel. „Wer sind die?" fragte er dabei.
Erneut antwortete Eliza für mich, noch bevor ich reagieren konnte. „Clay behauptet, dass er nicht weiß, wer ihn verprügelt hat", stellte sie so spöttisch in den Raum, als würde sie mir das sowieso nicht glauben. Siamak richtete sich von meinem Bein auf und musterte mich eine Weile. In seinen extrem dunklen Augen lag ein verstecktes, amüsiertes Lächeln. Es amüsierte ihn, dass Eliza vorlaut die Fragen beantwortete, die er eigentlich an mich gerichtet hatte. Ich grinste verhalten, weil ich seine Belustigung verstand.
„Wissen Sie, wer Sie verletzt hat?" erkundigte er sich bei mir. „Der erzählt uns gar nichts!" beschwerte Eliza sich über mich. Siamak lachte jetzt kurz und schüttelte den Kopf. „Wir sollten vielleicht den Patienten mal zu Wort kommen lassen, Eliza", schlug er ihr leicht tadelnd vor. „Von dem erfährst du überhaupt nichts!" glaubte Eliza zu wissen. Ein bisschen beleidigt ging sie einen Schritt zurück und deutete auf mich. „Aber bitte, versuch es ruhig!" forderte sie Siamak auf.
Ich schaute die ganze Zeit den exotischen Mann an, der mich irgendwie faszinierte. „Haben Sie eine Ahnung, wer Ihnen das angetan hat?" fragte Siamak mich ruhig. „Das ist nur Clay Banton, den kannst du ruhig duzen!" meinte Eliza herablassend. Siamak warf ihr einen Blick zu, der leicht genervt war. „Und das bestimmst du, Eliza?" „Ich kenne Clay gut genug, um das zu wissen!" meinte sie aufsässig. Siamaks Aufmerksamkeit wanderte zurück zu mir. „Ist es Ihnen recht, wenn ich Sie duze?" fragte er mich äußerst höflich. Ich war immer noch verwirrt und nickte einfach mal. Er lächelte echt bezaubernd. „Na gut, dann - mein Name ist Siamak. Also - weißt du, wer dir das angetan hat?" wiederholte er deutlich. Ich schüttelte spontan bedauernd den Kopf und behauptete schnell: „Keine Ahnung. Ich erinnere mich kaum noch an etwas." Er schaute mich zweifelnd an, nickte aber dann.
„Wir müssen die Polizei benachrichtigen", informierte er mich teilnahmsvoll. Ich zuckte erschrocken zusammen. „Was?!" entfuhr es mir entgeistert. Er hob beschwichtigend die Hände und betrachtete mich aufmerksam. „Du bist schwer verletzt worden, Clay. Es handelt sich hier eindeutig um eine schwere Körperverletzung. Die muss ich zur Anzeige bringen." „Nein!" wehrte ich ihn sofort ziemlich laut ab, „Das will ich auf keinen Fall!"
Siamaks Augen verengten sich besorgt. Er ging einen Schritt zurück und schaute Eliza fragend an. Sie grinste überheblich. „Ich sagte ja, dass es schwierig werden wird", meinte sie cool. Ihre offene Arroganz ging mir mächtig auf den Geist. „Also Moment mal! Wenn ich keine Anzeige erstatten will, dann mache ich keine verdammte Anzeige!" stellte ich laut klar. Siamak schüttelte den Kopf. „So einfach ist das nicht, Clay. Aber vielleicht sollten wir nicht jetzt darüber reden", wollte er ablenken.
Ich richtete mich auf. „Das geht nicht! Ich will mit den scheiß Bullen nichts zu tun haben!" erklärte ich dem Arzt alarmiert. Er schloss kurz die Augen, dann nickte er langsam. „Ja, ist gut, Clay." Seine Stimme hörte sich resigniert an, und er schaute Eliza an, die blöd grinste. Ich bekam das Gefühl, das die beiden etwas gegen mich ausheckten, und das konnte ich überhaupt nicht leiden. Hastig drehte ich mich herum und eilte zu meinen Sachen, die auf einer Liege am Rand des Zimmers lagen. Ich wollte mich wieder anziehen und dann so schnell wie möglich hier verschwinden.
Dummerweise ahnte Eliza sofort, was ich vorhatte. Sie stürzte förmlich auf mich zu und umarmte mich von hinten so fest, dass ich mich fast nicht mehr rühren konnte. „Hör auf damit, Clay! Reiß dich zusammen!" flüsterte sie drohend von hinten in mein Ohr. „Ich will keine scheiß Anzeige!" knurrte ich und versuchte vergeblich, mich von ihr zu befreien. Sie drehte mich energisch herum, und ich stieß hart mit dem Hintern gegen die Liege. Wütend starrte sie mir in die Augen. „Beruhige dich! Dreh doch nicht durch!" beschwor sie mich eindringlich.
Im nächsten Moment tauchte auch schon Siamak neben ihr auf. „Ist schon gut, Clay. Wir vergessen das mit der Anzeige erst einmal", versuchte er mich zu beruhigen. Aber seine Worte beruhigten mich überhaupt nicht, denn ich glaubte ihm kein Wort. Plötzlich war ich mir sicher, dass dieser Doktor auf jeden Fall die Polizei benachrichtigen würde, ganz egal, was meine Meinung dazu war. Ich glaubte zu wissen, dass Eliza und der Arzt sich schon längst gegen mich abgesprochen hatten und gemeinsam etwas planten, was mir nicht gefallen würde. Eiskalte Panik durchflutete meinen Körper zum zweiten Mal in dieser Nacht. Wenn du hierbleibst, dann werden die Bullen dich verhaften, hämmerte es in meinem Schädel. Sie verhaften dich, weil du diesem Mädchen Heroin verkauft hast. Du musst sofort hier raus!
Ich schubste Eliza, die mich immer noch umschlungen hielt, mit einem heftigen Stoß von mir weg, sodass sie tatsächlich rückwärts taumelte und beinahe hinfiel. Im nächsten Moment war ich schon mit drei schnellen Schritten an der Tür und riss sie weit auf. Ich wollte eigentlich den Weg zum Ausgang nehmen, hatte aber dummerweise die beiden Pfleger vergessen, die immer noch draußen vor der Tür lauerten. Sie waren offenbar Profis und deshalb überhaupt nicht überrascht, mich zu sehen. Im Gegenteil, sie grinsten erwartungsvoll, als sie mich erblickten.
„Clay! Spinnst du?! Bleib hier! Verdammt!" hörte ich Eliza hinter mir kreischen. Ich starrte nur entsetzt die beiden großen Männer an, die sofort mit einem fiesen Lächeln auf mich zukamen. Nur mit Mühe konnte ich meinen Schwung stoppen, mein Herz hämmerte schnell, mir wurde schwarz vor Augen, ich taumelte. „Fuck!" keuchte ich verzweifelt. Und dann tanzten bunte Punkte vor meinem Blick und meine Beine knickten unvermittelt unter mir weg. Ich erinnere mich, dass vier starke Arme mich auffingen, noch bevor ich auf dem Boden aufschlagen konnte. Das waren diese beiden blöden Pflege-Handlanger. Sie packten mich, hoben mich einfach hoch und trugen mich zu einer zweiten, viel breiteren Liege, die mitten im Raum stand. Ziemlich ruppig legten sie meinen kraftlosen Körper darauf ab. Ich lag auf dem Rücken und starrte hoch an die Decke, wo das verdammte Neonlicht mich noch immer blendete.
Als nächstes erinnere ich mich an einen kurzen, stechenden Schmerz in meinem unverletzten rechten Oberarm. Sofort wandte ich meine Aufmerksamkeit dorthin und erwischte Doktor Tourani dabei, wie er mir gerade eine Nadel in den Arm stach. „Was tust du? Was soll das? Was spritzt du mir da?" fragte ich ihn sofort misstrauisch. Ich wunderte mich, dass meine Stimme so kraftlos klang. Ich wollte meinen Arm reflexartig wegziehen, aber es war schon viel zu spät. Er zog seine kleine Spritze wieder heraus und reichte sie Eliza, die sie mit zufriedenem Gesichtsausdruck entgegennahm und aus meinem Blickfeld verschwand.
Siamak Tourani saß plötzlich neben meinem Oberkörper auf einem Hocker, ganz dicht an der breiten Liege. Er lächelte mich an, und erneut fand ich sein Lächeln absolut bezaubernd. „Keine Angst, Clay. Das ist nur ein ganz leichtes Beruhigungsmittel. Du stehst eindeutig unter Schock, und mit diesem Mittel wird es dir gleich viel besser gehen", behauptete er freundlich. Tatsächlich spürte ich fast augenblicklich, wie eine angenehme Gleichgültigkeit meinen Körper durchströmte. „Willst du mich willenlos und gefügig machen?" wollte ich matt lächelnd von dem Doktor wissen, weil dieser Gedanke mir gerade kam, und ich ihn einfach unbedacht aussprach.
Im selben Moment merkte ich erstaunt, dass diese Vorstellung mich richtig antörnte. Oh ja, ich wollte unbedingt willenlos und gefügig für ihn sein! Dieser exotische Mann war so dermaßen heiß, dass ich fast alles für ihn tun wollte. Er sollte mit meinem Körper machen, was immer ihm auch beliebte. Und ich stellte mir vor, dass er dabei vollends in Ekstase geraten würde.
Ich schaute ihm in die dunklen Augen, hinter denen sich zweifellos ein Feuer verbarg, und streckte unwillkürlich die Hand nach ihm aus. Er kam mir jedoch zuvor, indem er seine Hand locker auf mein rechtes Handgelenk legte. Er lächelte amüsiert. „Nein, Clay, ich möchte ganz sicher nichts gegen deinen Willen unternehmen!" erklärte er mir geduldig. „Aber ich habe den Eindruck, dass du deine Situation nicht richtig einschätzt. Wenn du jetzt in einen Spiegel sehen würdest, dann würde dir bestimmt auffallen, wie blass du geworden bist. Dein Gesicht ist nahezu aschfahl, deine Lippen sind blau. Auch deine Finger und Zehen sind ganz blass, schau mal!" Er nahm locker mein Handgelenk und zeigte mir die Finger meiner rechten Hand, an denen ich nichts Besonderes entdecken konnte. Er legte meine Hand wieder auf die Liege und fuhr fort: „Kribbeln deine Finger und Zehen nicht, als wären sie eingeschlafen? Fühlst du dich nicht ganz allgemein sehr schwach und matt? Hast du Durst? Dass du vorhin einen Schwächeanfall hattest, das ist eine Folge deines Blutverlustes, Clay!"
Wie gebannt sah ich ihm ins Gesicht. Ich prägte mir jedes Detail seines fremdländisches Gesichtes ein, die dunklen, dichten Augenbrauen, die feurigen Augen, die kantige Nase, die vollen Lippen, die hübsch gebräunte Hautfarbe. Ich hörte seine Worte nicht richtig und verstand gar nicht, warum sein Gesichtsausdruck auf einmal so traurig wurde.
„Wenn du jetzt nach Hause gehst, Clay, bevor deine Wunden versorgt wurden, dann wirst du, falls du es überhaupt bis zu dir nach Hause schaffst, spätestens dort bewusstlos zusammenbrechen und an einem Kreislaufschock aufgrund deines Blutverlustes sterben. Aber ich vermute ganz stark, dass du es nicht bis nach Hause schaffen wirst, sondern schon auf dem Weg das Bewusstsein verlierst." Seine Stimme war ganz ruhig, während er mir diese echt grausamen Worte einflüsterte. „Du warst sehr aufgeregt, und ich habe dir ein Beruhigungsmittel gegeben, damit dein Herz wieder langsamer schlägt. Je schneller es nämlich schlägt, umso mehr Blut wird durch deinen Körper gepumpt, und umso mehr Blut verlierst du auch", erklärte Siamak mir mit einer Engelsgeduld.
Er hatte recht, mein Herz hatte sich ein wenig beruhigt, allerdings ließ diese geile Vorstellung, die immer noch in mir leuchtete, meinen Herzschlag wieder leicht ansteigen. Nun lächelte er erneut und tätschelte ganz leicht mein Handgelenk. Seine Berührung elektrisierte mich irgendwie.
„Verstehst du das, Clay?" wollte er von mir wissen. Ich nickte. „Natürlich verstehe ich das!" stellte ich ein bisschen beleidigt klar. Sein Lächeln wurde breiter, ließ sein ganzes Gesicht strahlen. „Darf ich dir dann bitte jetzt helfen? Ja?" fragte er mich höflich. „Wir sollten nämlich keine Zeit mehr verlieren", setzte er noch ernsthaft hinzu. Ich fühlte mich wirklich müde, und ich hatte keine Lust mehr auf Gegenwehr, und außerdem war ich scharf drauf, dass er mich anfasste. „Okay", stimmte ich deshalb ganz leise zu. Siamak atmete sichtbar auf, stand tatendurstig auf und schob seinen Hocker mit dem Fuß zur Seite. „Bitte, lass mich dich zuerst mal richtig untersuchen", forderte er mich freundlich auf, „Setze dich bitte hier hin, Clay. Kannst du dich aufrichten?" Er deutete auf den Rand der Liege, auf der ich lag.
„Ich habe ihm das alles auch schon erklärt. Aber mir wollte er das ja nicht glauben!" bemerkte Eliza plötzlich vorwurfsvoll. Sie tauchte unvermittelt neben Siamak auf, packte hart meinen Oberarm und zog mich gnadenlos hoch. Ich hatte keine andere Möglichkeit, als mich auf den Rand der Liege zu setzen. Siamak lächelte beruhigend und fing einfach damit an, mich eingehend zu untersuchen. Zuerst leuchtete er mir mit seiner kleinen Taschenlampe in die Augen. „Du hast eine Gehirnerschütterung, Clay. Du musst dich in den nächsten Tagen unbedingt schonen, am besten Bettruhe halten", teilte er mir mit.
Ich wunderte mich noch darüber, was er alles in meinen Augen sehen konnte, als er auch schon feststellte: „Hast du Alkohol getrunken? Drogen genommen?" Es war eindeutig keine Frage, deshalb antwortete ich nicht darauf. Aber Eliza konnte erneut ihr Maul nicht halten. „Natürlich ist er betrunken! Und er nimmt Heroin!" erklärte sie dem Doktor resigniert, wofür ich sie am liebsten geschlagen hätte, sie aber nur böse anknurrte. Siamak musterte mich verwundert. „Du nimmst Heroin?" fragte er mich bedächtig. Seine Stimme hörte sich vorsichtig an. Trotzdem glaubte ich, in seiner Frage einen versteckten Vorwurf zu hören, deshalb zischte ich genervt: „Das spielt doch jetzt wohl keine Rolle, oder?" Er lächelte beinahe mitleidig. „Alles spielt eine Rolle, Clay!" „Ja nun... Ich kann es nicht ändern", erwiderte ich verärgert. Er hob erneut beschwichtigend die Hände. „Ausschließlich du kannst es ändern, Clay", flüsterte er fast.
Einen Moment schauten wir uns intensiv an. Seine Augen hatten eine geheimnisvolle Leuchtkraft, und ich spürte unwillkürlich eine warme Erregung durch meinen Körper fließen. Nervös musste ich den Blickkontakt abbrechen. Siamak drehte sich zu Eliza hin, die neben ihm stand. „Wir werden Clay minimal Blut abnehmen. Kannst du das vielleicht übernehmen, Eliza?" Sie nickte eifrig, dankbar, dass er sie gefragt hatte und sie etwas zu tun bekam. Sie lief sofort zu einem Schrank am Rand des Zimmers und holte sich die Sachen, die sie für ihre Blutabnahme brauchte. Ich fragte mich verwirrt, warum sie mir noch mehr Blut wegnehmen wollten, wo er mir doch gerade erklärt hatte, dass ich dabei war, zu verbluten.
Siamak untersuchte zwischenzeitlich meinen Kopf, fuhr mit seinen Fingern durch meine Haare, berührte mein Genick, bewegte meinen Kopf langsam in alle Richtungen. „Hast du Kopfschmerzen? Ein Schwindelgefühl?" wollte er wissen. „Ständig", antwortete ich und ließ ihn teilnahmslos gewähren. Seine Hände waren ganz warm. Sie fühlten sich irgendwie gut an. Ich betrachtete verstohlen seinen Körper in den weißen Klamotten und fand ihn zunehmend attraktiv. Offenbar machte er Sport, denn er schien gesund, durchtrainiert und muskulös zu sein.
Plötzlich tauchte Eliza wieder neben mir auf. Sie grinste mich an, dann band sie mir den unverletzten rechten Arm ab. Gekonnt fand sie eine Vene in meiner Armbeuge, stach ohne zu zögern hinein und nahm mir ein winziges Röhrchen Blut ab. „Was soll das? Warum machst du das?" fragte ich sie irritiert. „Das ist reine Routine", behauptete sie grinsend und warf Siamak einen Blick zu, der mir gar nicht gefiel. Sie machte sich eindeutig lustig über mich, amüsierte sich auf meine Kosten.
Siamak erwiderte ihren Blick aber nicht, und er schien auch nicht belustigt zu sein, was mich plötzlich ungemein antörnte. Ich atmete spontan tief aus, dann wieder ein, während Siamak sich meinem Oberkörper zuwandte. Er betastete sanft die Schnittwunden auf meiner Brust und meine Rippen, danach kontrollierte er vorsichtig die Beweglichkeit meiner Arme, nachdem Eliza die Nadel wieder herausgezogen und dem Röhrchen einen weißen Aufkleber verpasst hatte. „Soll ich das schnell ins Labor bringen?" fragte sie Siamak und klebte mir ein echt lächerliches Pflaster auf den Einstich. Er nickte geistesabwesend, denn er war gerade ganz mit meiner tiefen Schnittwunde am linken Oberarm beschäftigt.
Eliza verließ mit meinem Blut ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich plötzlich mit diesem heißen Mann allein war. Mein Herzschlag beschleunigte sich vollkommen automatisch. Er schaute mich besorgt an. „Diese Wunde ist wirklich tief, Clay. Die muss ganz dringend genäht werden. Hast du starke Schmerzen?" Seine Stimme vibrierte angenehm in meinem Körper. Nervös nickte ich. „Ach, ich habe mich inzwischen daran gewöhnt", behauptete ich leichthin. Er lächelte über meine Tapferkeit. „Soll ich dir ein Schmerzmittel geben?" fragte er fürsorglich. „Dazu sage ich nicht nein!" lächelte ich aus tiefstem Herzen.
Siamak schaute mir einen Moment lang tief in die Augen. In seinem Blick lag eine leichte Besorgnis, vielleicht wegen meinem Drogenkonsum. Dann drehte er sich abrupt um und lief zu dem gleichen Schrank, zu dem auch Eliza gegangen war. Er suchte eine Weile, hatte dann etwas gefunden und kam mit einer Tablette in der Hand zurück. Auf dem Weg bog er nochmal ab und zapfte mir einen Becher Wasser aus einem Wasserspender in der Ecke des Zimmers. Mit einem gutmütigen Lächeln kam er zurück zu mir, blieb dicht vor mir stehen und hielt mir in der einen Hand die Tablette, in der anderen das Wasser hin. „Danke sehr", sagte ich und griff mir hastig die Tablette, steckte sie in den Mund, nahm den Becher von ihm und schluckte die Pille mit Wasser hinunter.
„Das wird gleich besser", stellte Siamak mir in Aussicht. Ich schaute ihn an und versuchte, ihm irgendwie mein Interesse zu signalisieren. Aber er drehte sich schon wieder weg, ging zurück zu dem Schrank und suchte dort irgendwas. Das Wasser war einfach köstlich, es lief erfrischend kühl meine ausgetrocknete Kehle hinunter, als ich den ganzen Becher austrank. Ich schaute mich im Zimmer um und entdeckte an der Wand einen Papierkorb. Ich zielte kurz und warf den leeren Becher mit einem langen Schwung hinein. „Klasse Wurf!" rief Siamak anerkennend. Ich guckte zu ihm hin. Er hatte sich zu mir umgedreht und lächelte abermals echt bezaubernd. Ich spürte eine Gänsehaut in meinem Nacken, ein wohliger Schauer erfasste mich völlig ungewollt.
„Bitte lege dich auf die Liege, Clay, mit dem Kopf zu mir", forderte er mich auf. Er schob seinen Hocker und eine Ablage neben die Liege. Auf diese Ablage legte er eine Nadel, einen schwarzen Faden und andere seltsame Dinge. Irgendwie beunruhigt starrte ich auf die dünne Nadel. Siamak bemerkte meinen Blick und lächelte breit. „Keine Angst, Clay, ich mache das ganz vorsichtig. Du bekommst eine örtliche Betäubung, dann wirst du gar nichts davon merken", erklärte er mir gutmütig.
Ich warf ihm einen Blick zu, während ich mich langsam herumdrehte und mich auf meinen Rücken auf die Liege legte. Ich fiel förmlich vor ihn auf diese Liege, und er saß nun wieder dicht neben mir auf seinem Hocker. „Ich will aber keine Betäubung!" betonte ich aus einem inneren Impuls heraus. Er hob überrascht seine dunklen Augenbrauen. „Warum nicht?" „Ich möchte jetzt nicht betäubt werden", teilte ich ihm mit und konnte es selbst gar nicht fassen, dass ich das tatsächlich gesagt hatte. Denn ansonsten wollte ich doch immer betäubt sein, je mehr, umso besser. Aber dies hier war eine andere Situation. Ich wollte keine einzige Sekunde mit diesem geilen Mann verpassen.
Er lächelte eindeutig amüsiert und erklärte mir geduldig: „Es wäre nur eine örtliche Betäubung, Clay. Das bedeutet, dass ich nur deinen Arm betäube, damit du die Nadel nicht spürst." „Ich will die Nadel aber spüren!" erwiderte ich ernst. Ich schaute ihn an, und er erwiderte meinen Blick erstaunt, irgendwie interessiert. Ich möchte jedes Gefühl mitnehmen, dass du mir geben kannst, Honey, hätte ich ihm am liebsten erklärt. Aber ich lächelte nur und legte in meinen Blick alles an Emotion, wozu ich fähig war. Einen Moment gab es echt intensiven Blickkontakt mit ihm, während er vielleicht überlegte, was das wohl zu bedeuten hatte. Schließlich nickte er. „Okay, ganz wie du willst. Du kannst es dir aber jederzeit noch anders überlegen, Clay. Dann sagst du mir einfach Bescheid, verstanden?" „Okay", bestätigte ich.
Siamak stand auf und betrachtete mich einige Zeit abschätzend. Ich beobachtete ihn gebannt. Er lächelte wieder. „Ich habe da vorher noch eine kleine Bitte", rückte er zögernd mit der Sprache heraus. Alles was du willst, Baby, lag mir sofort auf der Zunge. Aber ich sagte gar nichts.
„Hättest du etwas dagegen, wenn ich ein paar Fotos mache?" fragte er mich. Sein Anliegen irritierte mich ungemein. Fotos? Was meinte er damit? Wovon wollte er Fotos machen? „Von mir?" fragte ich ehrlich perplex. Er lachte kurz. „Von deinen Wunden", lächelte er bittend. „Warum?" erkundigte ich mich, als mir der Grund im nächsten Moment auch schon klar wurde. Spontan richtete ich mich auf der Liege auf. „Ich werde keine scheiß Anzeige erstatten!" fuhr ich ihn verärgert an. Er ging einen Schritt zurück und hob abermals beschwichtigend die Hände. Er nickte. „Ja, ich weiß, Clay, das habe ich schon kapiert. Aber falls du es dir später doch noch anders überlegst, dann könnten die Beweisfotos dir ungemein helfen!"
Ich betrachtete ihn eingehend. Es schien ihm wirklich viel daran zu liegen, diese Fotos machen zu dürfen. Ich konnte mir das zwar nicht erklären, aber andererseits konnte ich ihm auch irgendwie nichts abschlagen. „Also gut", gab ich leise nach und sank zurück auf die Liege. Er lächelte dankbar, holte sofort sein Handy aus seiner Hosentasche und fing damit an, meine Wunden abzulichten. Er lief um mich herum, beugte sich über mich, knipste meinen Körper an allen möglichen Stellen. Ich lag derweil ganz ruhig dort und starrte an die Decke. Ich dachte darüber nach, wie ich ihm wohl begreiflich machen konnte, wie sehr er mich antörnte. Ob dieser Doktor überhaupt an Männern interessiert ist, fragte ich mich und studierte ihn eingehend. Er wirkte kein bisschen schwul auf mich, aber das sollte ja noch nichts heißen, überlegte ich.
Ziemlich schnell war er fertig mit seiner Foto-Aktion, steckte das Handy ein und setzte sich wieder dicht neben mich auf diesen Hocker. Er lächelte jetzt beruhigend und zog sich dünne Gummihandschuhe über. „Nur keine Angst, Clay", flüsterte er fast. Ich hatte überhaupt keine Angst, fand es aber sehr nett, dass er mich zu beruhigen versuchte.
Ich beobachtete, wie er meine Wunde am Oberarm sanft säuberte und mit irgendwelchem Zeug desinfizierte, was unvermittelt verdammt weh tat. Ich zwang mich, nicht allzu laut vor Schmerz zu stöhnen. „Sieh mal, die Wundränder sind ganz glatt", stellte er fest, während er sich die Wunde nochmal genau ansah, „Das muss ein sehr scharfes Messer gewesen sein." „Es war ein Bowie-Messer", rutschte mir automatisch heraus. Siamak sah auf und musterte mich lächelnd. „Daran erinnerst du dich also?" fragte er amüsiert. Ich drehte meinen Kopf weg und starrte an die Decke. „Ja, daran erinnere ich mich", erwiderte ich abweisend, denn ich wollte mich weißgott nicht an noch mehr von diesem Scheiß erinnern.
Er ließ es gut sein und wandte sich meiner Wunde zu. Er fing an mich zu piksen, und dieser Schmerz war wahrhaftig so stark, dass ich nur mit Mühe dem Impuls widerstand, meinen Arm instinktiv hastig von ihm wegzuziehen. Ich biss die Zähne zusammen und starrte angestrengt an die Decke. Irgendwann schaute ich aber doch wieder zu ihm hin, um zu sehen, was genau er machte. Dieser exotische Mann war tatsächlich sichtbar konzentriert damit beschäftigt, meine aufgeschnittene Haut und mein Fleisch am Arm wieder zusammenzunähen. Vorsichtig stach er mit seiner Nadel in mich, zog den schwarzen Faden behutsam fest und stach dann erneut zu. Ich beobachtete ihn verstohlen eine Weile. Er arbeitete sehr geschickt, seine schönen Finger wussten ganz genau, was sie zu tun hatten.
Der rhythmische Schmerz, den er mir zufügte, begann mit der Zeit unwillkürlich, irgendetwas in mir auszulösen. Zuerst wusste ich nicht, was es eigentlich genau war. Dann durchströmte es mich auf einmal warm, und mir wurde klar, dass er gerade dabei war, mich ganz gewaltig aufzugeilen. Fast mit jedem Stich wurde es in meiner Jeans automatisch enger. Ich wurde nur sehr langsam hart, aber es fühlte sich richtig gut an. Ich war erstaunt, überrumpelt, aber auch erleichtert, dass diese äußerst wichtige Funktion meines Körpers nach der brutalen Aktion des verdammten Junkiemädchens überhaupt noch möglich war. Es passierte völlig ohne mein eigenes Zutun, während ich dankbar spürte, dass die Schmerztablette, die Siamak mir gegeben hatte, endlich anfing zu wirken.
Ich stöhnte wohl irgendwie auf, denn Siamak stoppte seine Tätigkeit abrupt und schaute zu mir auf. „Ist alles in Ordnung, Clay? Hast du Schmerzen? Möchtest du doch eine Betäubung?" erkundigte er sich besorgt. Ich schaute intensiv in seine sehr dunklen Augen und lächelte atemlos. „Es geht mir gut, Siamak", versicherte ich ihm. Ich hatte zum ersten Mal seinen Namen ausgesprochen, registrierte ich, und sein ungewohnter Name ging mir butterweich von den Lippen.
Siamak erwiderte mein Lächeln und betrachtete mich noch einen Moment lang prüfend. „Ich bin gleich fertig", sagte er, wandte sich wieder meinem Arm zu und vollführte die letzten Stiche. Von mir aus hätte er ruhig ewig so weitermachen können. Ich langte unwillkürlich mit der freien Hand hinunter und schob meinen Schwanz in eine Position, in der er am wenigsten eingeengt wurde. Auch wollte ich möglichst verhindern, dass er womöglich oben aus dem Hosenbund herausragte.
Als ich wieder zu Siamak guckte, merkte ich, dass sein Blick meiner Hand gefolgt war. Er hatte genau mitgekriegt, was ich gerade getan hatte. Im nächsten Augenblick wurde mir bewusst, dass er jetzt über meine Erektion im Bilde war, und das fand ich spontan so geil, dass ich automatisch aufstöhnte. Unsere Blicke trafen sich erneut, und jetzt schaute er mich fragend an, erstaunt, interessiert. Seine dunklen Augenbrauen hoben sich. Er hatte eine schimmernde, sanft gebräunte Haut und pechschwarze Haare. Sein Mund war außerordentlich schön geschwungen, seine Lippen dunkelrot. Er hatte nicht eine einzige Bartstoppel an seinem Kinn.
„Man kann sehen, wie gut es dir geht, was, Clay?" bemerkte er leise, sichtbar irritiert. Ich lächelte atemlos. „Ja... ich weiß auch nicht... das hat mich gerade total aufgegeilt", erklärte ich ihm geradeheraus. Im nächsten Moment musste ich lachen, weil ich ziemlich verlegen war. Siamak musterte mich. „Also weißt du, so eine Reaktion auf meine Nähkünste habe ich tatsächlich noch nie bei einem Patienten erlebt!" sagte er grinsend, und dann stimmte er in mein Lachen ein. Sein Lachen war amüsiert, verwundert, irritiert vielleicht, aber es war kein bisschen spöttisch. Er machte sich überhaupt nicht lustig über mich, und das fand ich absolut betörend von ihm.
Wir lachten in merkwürdiger Verbundenheit, und mein frisch genähter Arm machte sich selbstständig und drängte über den Rand der Liege zu ihm hin. Ich wollte ihn jetzt unbedingt anfassen, sein exotisches Gesicht streicheln. Er bemerkte meine Bewegung, fixierte überrascht meine ausgestreckte, näherkommende Hand und wich spontan zurück.
In diesem Moment riss plötzlich jemand die Tür auf. „Null Komma Acht Promille!" schrie Eliza in den Raum, und ich zog meinen Arm hastig wieder ein. Ich drehte meinen Kopf nach hinten zur Tür, aber da kam Eliza auch schon dicht neben mich an die Liege gestürmt. „Du hast Null Komma Acht Promille, Clay!" betonte sie vorwurfsvoll. Ich betrachtete sie verwirrt und brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. Mein Herz schlug hart, ich musste tief durchatmen. „Und was bedeutet das?" wollte ich uninteressiert von Eliza wissen. Sie blies spöttisch die Luft aus. „Das bedeutet, Clay, das du ganz schön betrunken bist!" „Aber das wussten wir doch schon vorher", bemerkte ich kopfschüttelnd. Mir war überhaupt nicht klar, warum sie schon wieder so einen Aufstand machte. Ich war ärgerlich, weil sie total plump in meinen Flirt mit Siamak hineingeplatzt war und ihn damit beendet hatte.
Ich warf einen Blick auf ihn, aber seine ganze Aufmerksamkeit lag auf Eliza. Er vermied es auffallend mich anzusehen, als er aufstand. Ich schaute wieder zu Eliza und bemerkte, dass sie mich aufmerksam musterte. Sie kannte mich viel zu gut, um nicht sofort zu merken, dass irgendwas passiert war. „Habe ich etwas verpasst?" fragte sie auch schon in einem lauernden Tonfall. Ich schwieg und drehte meinen Kopf weg, um die Decke zu fixieren. Ich widerstand dem spontanen Impuls, meine Beine schützend heranzuziehen. Ich entschied, dass sie das nur unnötig auf meinen Unterkörper aufmerksam machen würde. Es ist sowieso nur eine Frage der Zeit, bis sie meine Erektion bemerkt, dachte ich resigniert.
„Was ist passiert, Siamak?" wandte sich Eliza neugierig an ihn. Ich guckte ihn an, er warf mir einen kurzen Blick zu. „Ich habe Clays Arm genäht. Die Wunde ist sehr tief, das Nähen war dringend notwendig", erzählte Siamak ihr. Dann schaute er mich an. „Du kannst froh sein, dass Eliza dich hierher gebracht hat, Clay. Im schlimmsten Fall hätte sich die Wunde entzündet und du hättest deinen Arm verlieren können", informierte er mich ernst. „Ja, darüber bin ich sehr froh." Ich nickte und wollte ihn anlächeln, aber er wandte sich schon wieder ab.
Er war wieder ganz der Arzt, als wäre nichts zwischen uns passiert, worüber ich ziemlich enttäuscht war. „Siehst du, Clay! Das habe ich dir doch auch immer wieder gesagt! Aber du wolltest ja stur nicht hierherkommen, dumm wie du bist!" bemerkte Eliza spöttisch. Ich fuhr verärgert zu ihr herum. „Ich bin nicht dumm!" beschwerte ich mich halbherzig. Sie lächelte überheblich und schlug mich leicht gegen die Brust. „Besonders intelligent bist du aber auch nicht!" kicherte sie neckend.
Ich fühlte mich in meiner Lage unwohl, irgendwie ausgeliefert auf dieser Liege, dicht neben ihr auf dem Rücken liegend. Instinktiv presste ich meine Oberschenkel zusammen. Eliza taxierte mich sofort prüfend. Ihr Blick wanderte aufmerksam an meinem Körper hinunter, und ich konnte überhaupt nichts dagegen tun.
„Clay, verdammt!" entfuhr es ihr vorwurfsvoll, als sie die Beule in meiner Jeans entdeckt hatte. Sie beugte sich in einer unerwartet schnellen Bewegung zur Seite und grapschte mit ihrer Hand nach meinem Schwanz. Schon hatte sie ihn so fest gepackt, wie es mit der Jeans möglich war. Sie drückte ihn brutal zusammen, und ich schrie vor Schmerz und richtete mich hastig auf. „Hör auf!" schrie ich verzweifelt und zog schützend die Beine heran. Aber sie grinste nur böse und hielt mich hart gepackt, womit sie mir echt weh tat. „Hast du das jetzt etwa extra gemacht, nur weil du deine blöde Jeans nicht ausziehen willst?" fragte Eliza mich allen Ernstes. Ich konnte so viel Blödheit gar nicht fassen, und wenn sie mir nicht so wehgetan hätte, dann hätte ich bestimmt laut aufgelacht. „Schwachsinn!" presste ich stattdessen nur hervor. „Lass mich los, Eliza!" forderte ich sie drohend auf.
„Was ist denn jetzt kaputt?" meldete sich Siamak und kam eilig um die Liege herumgelaufen. Er stellte sich neben Eliza und betrachtete sie irritiert. „Was soll das bedeuten, Eliza? Was machst du denn da?" wollte er sichtbar entgeistert von ihr wissen. Sie grinste spöttisch und sah ihn an, ohne mich loszulassen. „Herr Banton wollte die ganze Zeit seine Jeans nicht ausziehen, und nur, weil er Angst vor einem Ständer hatte!" erzählte sie dem Doktor freimütig, wofür ich sie sofort liebend gerne geschlagen hätte. Ich konnte es nicht fassen, dass sie ausgerechnet Siamak dieses intime Geheimnis einfach so auf die Nase band. Entsetzt schnappte ich nach Luft. „Eliza, verdammt! Das habe ich dir im Vertrauen gesagt!" beschwerte ich mich peinlich berührt.
Siamak schaute mich an, aber auch diesmal war er, im Gegensatz zu Eliza, überhaupt nicht spöttisch, nur irgendwie besorgt. „Und kaum bin ich ein paar Minuten nicht hier, da hat er auch schon eine dicke Erektion in seiner Hose! Das hat der doch extra gemacht!" meinte die Frau unbeeindruckt. Erneut presste sie meinen Schwanz zusammen, sodass ich vor Schmerz aufschrie. Ich versuchte hastig, ihre Hand von meiner Jeans zu lösen, aber sie griff nur noch fester zu und knurrte böse. Also brach ich den Versuch ab und guckte stattdessen Siamak hilfesuchend an.
Der Doktor wusste offensichtlich überhaupt nicht, was er von Elizas brutaler Aktion halten sollte. Er konnte sich ihr Verhalten nicht erklären und war völlig ratlos. Ich versuchte zu lächeln, aber es wurde ziemlich kläglich, weil die Frau mir so weh tat. Ich spürte, wie sich deshalb meine Erektion unwillkürlich verabschiedete.
Siamak packte Eliza kurzentschlossen am Arm und schob sie energisch von mir weg. „Jetzt lass ihn schon los, um Himmels Willen! So dumm kannst du doch gar nicht sein, Eliza!" beschwor er sie anklagend, was mir richtig gut gefiel. Frau Laser ließ mich endlich los, und ich sank erleichtert, erschöpft zurück auf meine Liege. „Du solltest wirklich wissen, dass ein Mann diese Körperfunktion nur selten unter Kontrolle haben kann!" betonte der Doktor zu Eliza gewandt. „Du kennst Clay Banton nicht! Der bringt alles fertig! Und besonders mit seinem Penis weiß er genau umzugehen!" erwiderte sie trotzig.
Siamak taxierte sie kopfschüttelnd. Es gefiel mir außerordentlich gut, dass Doktor Siamak Tourani offenbar auf meiner Seite war. „Also echt, Eliza! Du als gute Krankenschwester musst doch wissen, dass du den absoluten Unsinn von dir gibst!" schimpfte er mit der Frau, die mir daraufhin einen bitterbösen Blick zuwarf. „Und ich werde auf gar keinen Fall dulden, dass du meinem Patienten wehtust! Ganz egal, aus welchem Grund auch immer!" setzte Siamak ernsthaft hinzu.
Daraufhin war es eine lange Zeit still in diesem Untersuchungszimmer. Eliza starrte mich wütend an. Siamak wandte sich von ihr weg und ging erneut um die Liege herum zu der Ablage. Er ordnete die Sachen, die darauf standen, dann schaute er mich an. „Ich werde dir jetzt noch einen Verband anlegen. Du musst aber auf jeden Fall ein bisschen vorsichtig sein, Clay. Pass mit den Fäden auf, dass du sie nicht aus Versehen herausreißt", riet er mir. Und dann lächelte er wieder echt bezaubernd, während er meinen linken Oberarm geschickt mit einem weißen Verband umwickelte. Ich erwiderte sein Lächeln aus tiefstem Herzen und nickte. „Ja, ich bin ganz vorsichtig." Mein Herz tat unwillkürlich einen Hüpfer. Ich atmete tief.
„Ich wollte ja nur, dass er endlich seine blöde Jeans auszieht!" meldete sich Eliza unverkennbar beleidigt. Siamak und ich schauten sie fragend an. „Clay sollte sich doch nur wieder einkriegen! Und das habe ich ja offensichtlich auch geschafft!" erklärte Eliza uns und deutete tatsächlich triumphierend auf meinen Unterleib. Sie hatte recht, meine Erektion war weg. Die Frau hatte sie mit dem Schmerz, den sie mir zugefügt hatte, gnadenlos vernichtet. Trotzdem fand ich ihren Hinweis mehr als überflüssig, sogar ziemlich peinlich.
Gespannt sah ich zu Siamak hin, und er enttäuschte mich nicht. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen und betrachtete Eliza unverkennbar missbilligend. „Wie du dich ausdrückst, Eliza. Was soll das heißen: Clay sollte sich wieder einkriegen? Was genau meinst du denn damit?" Eliza kam ein bisschen ins Stottern. „Ich meine, das Clay absolut keinen Grund hat, hier... eine Erektion vor sich herzutragen... Das ist jetzt echt nicht angebracht!" erklärte sie zögerlich. Siamaks offenes Missfallen verunsicherte sie. Nun zog er scharf die Luft ein und schüttelte den Kopf. „Weißt du, ich habe den Eindruck, dass du dich hier in Dinge einmischst, die dich überhaupt nichts angehen, Eliza! Du hast so gar keinen Respekt vor Clays Intimsphäre!" stellte er anklagend fest.
Ich musste diesen exotischen Mann einfach anstarren, so überrascht war ich von seinen Worten, die sofort warm durch meinen ganzen Körper stürmten. Dieser Mann verteidigte mich wahrhaftig, und das war ich überhaupt nicht gewöhnt, deshalb überwältigte es mich nahezu. Ich seufzte tief und sog seinen Anblick in mich auf. Er sah nach Freiheit aus, nach Abenteuer.
Er schaute Eliza vorwurfsvoll an, zwischen seinen dunklen, dichten Augenbrauen hatten sich zwei tiefe Falten gebildet. „Das ist nicht in Ordnung, Eliza! So geht man nicht mit Patienten um!" warf er ihr ernst vor. Sie zuckte mit den Schultern. „Herrgott, Siamak! Jetzt reg dich bloß nicht auf! Wir reden hier über Clay Banton, das ist doch ganz was anderes!" erwiderte sie widerspenstig. „Warum ist das was anderes?" wollte er sofort wissen. Sie grinste und schlug mich nochmal gegen die Brust. „Weil ich Clay schon ewig kenne!" behauptete sie, was wirklich nicht stimmte. Sie schlug mich ein weiteres mal, und ich hob verärgert die Hände, um ihren nächsten Schlag abzuwehren. „Und deshalb musst du ihn nicht respektieren? Weil du ihn schon ewig kennst?" bemerkte Siamak zweifelnd. Eliza stöhnte ungeduldig. „Natürlich respektiere ich ihn! Clay weiß schon, wie ich das meine! Es geht doch jetzt auch nur darum, dass er endlich seine Jeans auszieht! Du willst doch wohl seinen Oberschenkel auch noch zusammennähen, oder etwa nicht, Siamak?" Herausfordernd blickte sie ihn an. Es ging mir auf den Keks, wie sie über mich sprach, als wäre ich ein bisschen blöd und obendrein gar nicht da. Dabei lag ich doch direkt neben ihr auf meinem Rücken, auf dieser bekloppten Liege!
Siamak nickte jetzt irgendwie zögernd. „Ja, selbstverständlich nähe ich Clays Wunde an seinem Oberschenkel zusammen. Da führt gar kein Weg dran vorbei. Aber ich kann seine Jeanshose auch aufschneiden, wenn er sie nicht ausziehen möchte." Ich drehte mich fassungslos zu ihm hin, er schaute mich fragend an. Die beiden redeten einfach über mich hinweg, als würde ich nicht zwischen ihnen herumliegen, und das ging mir extrem auf die Nerven. Stöhnend richtete ich mich auf. Beunruhigt spürte ich, wie der Affe mir in den Nacken kroch. Es wurde jetzt tatsächlich endlich Zeit für ein paar Chinesen. Die Schmerztablette von Siamak hatte zwar meine Schmerzen gelindert, aber sie konnte anscheinend rein gar nichts gegen meinen Affen tun.
Spontan langte ich hinunter und knöpfte mir mit unsicheren Fingern die Jeans auf. „Beruhigt euch, Leute! Ich ziehe mich ja schon aus! Seid ihr jetzt zufrieden?" knurrte ich verärgert und blickte von einem zum anderen, während ich meinen Hintern hob und die Jeans herunterzog. Sie blieb unerwartet schmerzhaft an meinem verletzten Oberschenkel kleben, und ich ächzte ungewollt auf.
„Warte, warte, Clay! Sei vorsichtig!" rief Siamak erschrocken, eilte um die Liege herum und gesellte sich wieder zu Eliza, die mich misstrauisch beäugte. Siamak war schon an meinem Bein beschäftigt. Er löste den Stoff der Jeans ganz behutsam vom getrockneten Blut auf meiner Haut, aber es tat trotzdem verdammt weh.
Ich erwiderte derweil Elizas intensiven Blick. Sie mahnte mich schon wieder, mich zu beruhigen und gefälligst nicht durchzudrehen, nur diesmal wortlos. Ich kannte sie gut genug, um ihren vorwurfsvollen Blick richtig zu deuten. Was passt ihr denn jetzt schon wieder nicht, fragte ich mich ehrlich entnervt. Ich musste dies alles hier jetzt so schnell wie möglich hinter mich bringen, damit die Frau mich endlich nach Hause fuhr. Das immerhin hatte sie mir ja versprochen. Fuck, zur Not würde ich einfach vom Parkplatz ein Auto klauen, um nach Hause zu kommen, nahm ich mir grimmig vor.
Siamak hatte meine Hose von meinem Bein getrennt, sodass ich sie ganz herunter und dann ausziehen konnte. Ich ließ sie einfach am hinteren Ende der Liege auf den Boden fallen. Siamak ging los, um die Ablage und seinen fahrbaren Hocker zu holen. Dann kam er zurück und setzte sich dicht neben meinen rechten Oberschenkel. Er hatte immer noch die dünnen Gummihandschuhe an, und untersuchte meine Wunde sehr aufmerksam. Der Schnitt war vielleicht zwanzig Zentimeter lang und ziemlich tief. Die Verletzung tat wirklich weh, und ich war auf einmal froh, dass Siamak sich so gut um mich kümmerte.
„Gibst du mir noch eine Schmerztablette?" fragte ich ihn spontan. Er schaute auf und mich prüfend an. „Nein, Clay, du bist betrunken! Du darfst nicht auch noch Tabletten nehmen!" fuhr Eliza ungefragt, aufgebracht dazwischen. Siamak schloss kurz seine Augen und atmete einmal tief durch. Dann drehte er sich mitsamt dem Hocker langsam zu Eliza hin. „Hör mal, Eliza. Ich möchte, dass du hinausgehst", teilte er ihr ganz ruhig mit. Sie zuckte förmlich zusammen und starrte ihn entgeistert an. „Was? Wieso denn?" fuhr es ungläubig aus ihr heraus.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, und sie merkte das und warf mir einen vernichtenden Blick zu. Siamak atmete noch einmal tief durch. „Ich mag es nicht besonders, wenn man mir in meine Arbeit hineinredet, Eliza. Und außerdem brauche ich dich hierbei nicht. Gehe bitte hinaus. Wenn ich fertig bin, dann werde ich dich wieder hereinholen", ordnete er gefasst an. Die Frau starrte ihn noch einen Moment fassungslos an, dann drehte sie sich merkbar wütend herum und ging mit schnellen Schritten zur Tür. „Ach ja, und du kannst auch die beiden Pfleger da draußen wegschicken! Ich glaube, die werden hier ebenfalls nicht mehr benötigt. Sie sollen zurück auf ihre Stationen gehen!" rief Siamak ihr hinterher. „Ganz wie du willst, Herr Doktor!" knurrte Eliza verärgert, verließ das Zimmer und knallte die Tür viel zu laut hinter sich zu.
Ich konnte gar nicht so schnell begreifen, dass ich nochmal mit diesem scharfen Mann allein war. Er hatte die Frau tatsächlich einfach cool weggeschickt! Ich war wirklich überwältigt und verschlang ihn vor Dankbarkeit förmlich mit meinem Blick. Er schaute mich nur kurz an und lächelte erleichtert. Dann stand er auf, ging zum Schrank, holte mir noch eine Tablette und einen neuen Becher Wasser und brachte mir beides an die Liege. Ich stützte mich auf meinen Ellenbogen und schluckte die Tablette gierig mit dem Wasser hinunter. Siamak nahm mir den leeren Becher ab und brachte ihn zum Papierkorb, wo er ihn hineinwarf. Dann kam er zurück, setzte sich wieder dicht neben mein Bein und wandte sich höchst interessiert meiner Schnittwunde zu.
Ich sank zurück auf die Liege und legte mich so bequem es ging auf meinen Rücken. In meinem Kopf lief einiges durcheinander. Ich dachte aufgeregt daran, dass er mich gleich nochmal zusammennähen würde, und dass das bestimmt wieder ganz schön geil sein würde. Ich dachte daran, dass ich nur noch meine Unterhose trug, und dass Siamak das völlig egal zu sein schien.
Ich fragte mich, warum er Eliza wohl wirklich weggeschickt hatte. Die vielen möglichen Gründe verwirrten mich immens. Neugierig guckte ich zu ihm hin. Er fädelte gerade den schwarzen Faden in seine dünne, lange Nadel. Er spürte meinen Blick und schaute fragend zu mir. „Warum hast du sie weggeschickt?" fragte ich ihn ohne Umschweife. Er lächelte auf seine bezauberndste Weise. „Weil sie mich gestört hat", sagte er irgendwie sanft. „Warum hat sie dich gestört?" Mein Herz fing unwillkürlich an zu hämmern, ich atmete ganz tief. „Weil sie dir gegenüber respektlos ist", lächelte Siamak und beobachtete mich sehr aufmerksam. „Sie ist fast immer so zu mir", erklärte ich ihm leise. Seine Augenbrauen hoben sich erstaunt. „Warum lässt du dir das gefallen?" wollte er ehrlich interessiert wissen.
Ich war verwirrt und musste über seine Frage nachdenken. Konfus merkte ich, dass ich keine Antwort darauf wusste. Also hob ich hilflos die Schultern. „Ich weiß nicht. Ich komme nicht gegen sie an", sagte ich ziemlich dämlich. Er lächelte breit. „Ich glaube, du unterschätzt dich ganz gewaltig, Clay", bemerkte er richtig nett. Mir wurde angenehm warm von seiner Freundlichkeit. Ganz von allein wollte ich ihm mit meinen Augen nochmal mein Interesse an ihm signalisieren.
Aber im nächsten Moment wurde er schon wieder ernst und fixierte mich ausgeprägt. „Weißt du, warum ich sie noch weggeschickt habe?" fragte er mich ganz ruhig. Ich schüttelte ganz durcheinander den Kopf. „Weil ich jetzt deinen Oberschenkel zusammennähe. Und sie braucht das ja nicht mitzukriegen, wenn dir dabei einer abgeht", meinte Siamak vollkommen ernsthaft. Mein Herz hämmerte plötzlich wie verrückt los, ich schnappte überwältigt nach Luft. „Was?" fuhr es verwirrt aus mir heraus. Siamak lächelte zauberhaft, er war überhaupt nicht spöttisch, nur sehr interessiert. „Nach deiner Reaktion auf das Nähen deines Oberarms muss ich ja davon ausgehen, dass du nun ähnlich reagieren wirst. Oder, Clay? Was meinst du?" Sein Blick war sehr intensiv.
Ich war verwirrt von der Intensität seiner extrem dunklen Augen. Der Mann schien vollkommen ruhig zu sein, amüsiert vielleicht, aber gänzlich ohne Sarkasmus. „Nein... ähm... mir wird bestimmt keiner abgehen", stotterte ich überfordert. „Warum nicht?" wollte er sofort wissen. Ich musste den Blickkontakt zu ihm abbrechen, weil er auf einmal direkt bis auf meine Seele vorzudringen schien. Völlig konfus starrte ich zur Decke, die gelb angestrichen war. In einer Ecke war ein kleiner Riss, wo die Farbe abblätterte. Das verfluchte Neonlicht brannte unangenehm in meinen Augen. Ich konnte mir nicht erklären, was Siamak mit diesen Fragen eigentlich bezweckte, worauf er überhaupt damit hinauswollte. Irgendwie fühlte ich mich plötzlich angegriffen. „Das... Stechen allein... wird nicht ausreichen... ich meine... ich müsste schon mit der Hand nachhelfen...", flüsterte ich absolut bescheuert und bereute es fast im selben Moment. Peinlich berührt schloss ich die Augen und wartete auf sein spöttisches Gelächter. Aber zu meiner Verwunderung lachte er gar nicht.
Eine Weile war es ganz still im Raum. Irgendwann öffnete ich zögernd meine Augen und guckte vorsichtig zu ihm hin. Er saß immer noch da, die Nadel in der Hand, und er beobachtete mich mit sichtbar riesiger Neugierde. Aber sein Interesse war leider überhaupt nicht das gleiche wie meins, nicht mal annähernd, registrierte ich enttäuscht. „Möchtest du das tun?" fragte er mich freundlich. „Was denn?" erwiderte ich konfus. „Möchtest du dir gerne einen runterholen, während ich dein Bein nähe?" wollte Siamak ernsthaft von mir wissen. Ich riss meine Augen auf und starrte ihn völlig entgeistert an. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was hier eigentlich gerade abging.
Aber irgendwas an ihm alarmierte mich plötzlich heftig. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht! Dieser Mann wirkte auf mich angesichts dieses intimen Themas definitiv viel zu unbeteiligt. Er hatte absolut kein Interesse daran, mich wichsen zu sehen. Nein, er prüfte mich ausschließlich in seiner ärztlichen Funktion. Er war eifrig auf der Suche nach irgendwelchen versteckten Perversitäten in mir.
Als mir das abrupt klar wurde, schüttelte ich überstürzt den Kopf. „Nein, das mache ich jetzt nicht! Ich hole mir jetzt hier keinen runter!" betonte ich abwehrend. Er lächelte freundlich und hob erneut beschwichtigend seine schönen Hände in den Handschuhen. „Ganz wie du willst, Clay. Das war ja nur eine Frage von mir", spielte er seine fachliche Neugierde herunter. Ich schaute ihn unglücklich an, er wandte sich wieder meinem Bein zu. „Denk bitte daran, dass du eine örtliche Betäubung bekommen kannst. Das wird jetzt sehr wehtun", erinnerte er mich, ohne mich dabei anzusehen. Er säuberte und desinfizierte meine Wunde, und ich schrie vor Schmerz auch diesmal unwillkürlich auf.
Im nächsten Moment fing er überaus konzentriert damit an, mein böse zerschnittenes Bein zusammenzunähen. Seine Stiche taten mir echt weh, und ich biss nochmal die Zähne zusammen und fixierte angespannt die Decke. Ich war noch ziemlich aufgewühlt von seinen merkwürdigen Fragen. Außerdem fand ich ihn unverändert extrem heiß, und dieser rhythmische Schmerz fing automatisch im Laufe der Zeit abermals ungewollt damit an, mich aufzugeilen.
Ich konnte überhaupt nichts dagegen tun. Ich fragte mich hilflos, warum ich überhaupt auf diese seltsame Weise reagierte. Was war an diesem Schmerz besonderes, dass er mich dermaßen erregte? Ich konnte mir das nicht erklären, aber etwas dagegen machen konnte ich auch nicht. Die Stiche schienen direkt bis in meinen Penis zu fahren. Ich stöhnte hilflos, als ich spürte, wie sich sanft eine geile Erektion aufbaute, die mich sogar beinahe von meinem ständig lauernden Heroinentzug abzulenken vermochte. Vielleicht sollte er mich doch lieber betäuben, fuhr es mir kurz verzweifelt durch den Sinn. Aber im nächsten Moment war diese Sache viel zu aufregend, als wollte ich ernsthaft darauf verzichten. Ich schielte hinunter und sah zu, wie mein Schwanz sich sehr langsam in meiner Boxershorts ausbreitete. Diesmal wurde er überhaupt nicht eingeengt, was sehr angenehm war.
Diese geile Erfahrung war nicht völlig neu für mich. Auch Sean Valmont wusste auf diese Art mit mir umzugehen. Er führte mir beim Sex manchmal an den richtigen Stellen und in genau der richtigen Dosierung Schmerzen zu, was meine Erregung normalerweise enorm steigerte. In einem Krankenhaus oder bei einem Arzt war mir diese Intensität von passiver sexueller Stimulation allerdings noch nie passiert.
Doktor Siamak Tourani stach wiederholt in einem vollkommen gleichmäßigen Rhythmus in meine Haut. Und ich spürte überwältigt, wie stark der Schmerz war, den er mir dabei zufügte, wie intensiv meine Empfindung. Nervös registrierte ich, dass meine Nervenenden sich intuitiv auf diesen Schmerz einstellten, überaus empfindlich wurden, irgendwie rebellierten. Ich biss die Zähne zusammen und starrte angespannt an die Decke, um nicht laut aufzuschreien. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich diese Tortur bis zum Ende aushalten konnte.
„Darf ich dich mal etwas sehr Persönliches fragen, Clay?" hörte ich plötzlich Siamaks milde Stimme. Ich schaute zu ihm hin. Er saß dicht neben meinem Oberschenkel und kriegte natürlich genau mit, was in meiner Unterhose passierte. Diesmal war er nicht erstaunt, nur immer noch neugierig. „Na klar", erwiderte ich ein bisschen zu voreilig, weil ich keine Ahnung hatte, was er von mir wollte. „Bist du ein Masochist?" fragte der Arzt mich frei heraus. Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen. „Nein!" wehrte ich sofort entsetzt ab.
Siamak lächelte amüsiert und musterte mich gutmütig. Ich erwiderte seinen Blick verwirrt und dachte über seine Frage nach. Ich wusste nicht einmal, was genau er eigentlich mit diesem Wort meinte. Aber mir kamen einige Situationen in den Sinn, mit anderen Menschen, und wie sie mit mir umgingen, und dass ich mir das eigentlich fast immer irgendwie gefallen ließ, weil es mir selbst wohl auf eine seltsame Art gefiel.
„Ich weiß nicht... kann sein...", berichtigte ich meine Antwort leise. Siamak nickte bedächtig und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Geschickt und schnell nähte er meine Wunde mit dem schwarzen Faden. Ich beobachtete ihn und zuckte bei jedem Stich unbewusst zusammen. Eine wohlige Gänsehaut breitete sich über meinem Körper aus und ich stöhnte völlig ungewollt. Es war eine sehr sanfte, angenehme Erregung, die sich kaum steigerte. Ich konzentrierte mich darauf und versuchte, den Affen in meinem Körper zu ignorieren, der sich allerdings immer stärker bemerkbar machen wollte. Der Entzug war unmissverständlich im Anmarsch, drängte nach neuem Heroin, wollte mich mit Gewalt zu dem nächsten Chinesen hetzen. Fuck, dachte ich angespannt, halt die Klappe, lass mich in Ruhe, ich habe jetzt keine Zeit für dich, denn dieser Mann ist total geil, verdammt nochmal! Diese Gedanken waren natürlich vollkommen sinnlos und bewirkten in meinem Körper rein gar keine Erleichterung. Aber meine Psyche konnte ich damit ein wenig beruhigen.
Den Schmerz, den Siamak mir zufügte, konnte ich damit allerdings auch nicht lindern, und ich spürte nervös, dass der Schmerz stärker wurde, je länger er für das Nähen brauchte. Die Wunde an meinem Oberschenkel war definitiv größer und tiefer, als die an meinem Oberarm. Das Nähen tat mir sehr weh, und ich verzog gequält das Gesicht, und meine Hand wanderte ganz von allein hinunter zu meinem Schwanz und legte sich darauf.
Oh ja, ich wollte ihn jetzt gerne irgendwie stimulieren. Ich bekam das dringende Bedürfnis, meine sexuelle Erregung, die sich kaum steigerte, der Intensität des Schmerzes, der stärker wurde, anzupassen. Allerdings leuchteten in meinem Kopf gleichzeitig sämtliche Alarmanlagen auf. Verdammt, das kannst du nicht bringen, mahnte mich eine innere Stimme, du kannst dir jetzt hier keinen runterholen! Dieser Mann ist ein Arzt, er wird dich für verrückt erklären und in die Psychiatrie einweisen, wenn du auf einmal anfängst zu wichsen! Nicht umsonst hat er dich vorhin genau danach gefragt!
Ich ächzte hilflos, Tränen stürzten unwillkürlich aus meinen Augen. Meine Hand lag ganz ruhig auf meiner Unterhose, fühlte meinen harten Schwanz, ich drückte ihn verstohlen ein bisschen und beobachtete dabei angespannt Siamak. Der spürte wohl irgendwie mein Dilemma. Außerdem sah er natürlich, wo meine rechte Hand lag. Er hielt abrupt in seiner Tätigkeit inne und betrachtete mich eine Weile sehr aufmerksam. Unsere Blicke trafen sich, und sein extrem besorgtes Gesicht machte mir plötzlich eine Heidenangst.
„Nein, nein! Ich mache das nicht extra!" fuhr es panisch aus mir heraus, weil ich das Gefühl hatte, er würde mich jeden Moment für verrückt erklären, unzurechnungsfähig, irgendwas. Seine dichten Augenbrauen verengten sich besorgt. Er hob abermals beschwichtigend seine behandschuhten Hände und schüttelte den Kopf. „Natürlich machst du das nicht extra, Clay! Das habe ich auch nicht eine Sekunde lang geglaubt!" beruhigte er mich mit sanfter Stimme. Ich atmete hastig und wischte mir mit der linken Hand über die nassen Augen. Meine rechte Hand lag immer noch auf meinem Unterleib, sie fühlte sich dort gut an, deshalb wollte ich sie nicht wegziehen.
Siamak musterte mich eingehend. In seinen schönen, dunklen Augen erschien ein Hauch von Mitgefühl. „Und auch Eliza sollte wirklich wissen, dass du das nicht extra machen kannst!" bemerkte er leise. „Es passiert einfach!" versicherte ich ihm unglücklich, atmete tief durch und zwang mich, mit dem Heulen aufzuhören. Siamak nickte zustimmend. Er lächelte verhalten, und einen geilen Moment lang hatten wir nochmal echt intensiven Blickkontakt.
Dann holte er Luft und meinte ganz ruhig: „Weißt du, Clay, du musst das hier nicht heldenhaft aushalten! Wenn der Schmerz zu stark wird, dann lass mich dich doch örtlich betäuben!" Es hörte sich wie eine Bitte an, aber ich schüttelte spontan den Kopf. „Ich möchte das aber aushalten", krächzte ich irgendwie überfordert. Er hob schon wieder erstaunt die Augenbrauen. „Aber warum denn?" wollte er behutsam wissen. Ich schluckte ein paarmal, weil mein Hals ganz trocken war. Es tat mir gut, dass er mit dem Stechen pausierte, weil dadurch meine sexuelle Erregung in den Vordergrund trat.
„Ich möchte mich lebendig fühlen", erklärte ich dem Doktor ganz still und zweifelte im gleichen Moment daran, dass er mich verstehen konnte. Aber zu meiner Überraschung nickte Siamak kaum merklich, lächelte bezaubernd und schaute mich eine lange Zeit gutmütig an. Ich erwiderte sein Lächeln und drückte verstohlen meinen Schwanz, was sich echt gut anfühlte. Aber Siamak war viel zu nah an meinem Unterleib. Er konnte gar nicht übersehen, dass ich mich selbst stimulierte. Seine Aufmerksamkeit wandte sich zu meiner Hand hin, er sah mir zu, und das fand ich so geil, dass mein Herz unwillkürlich losspurtete. Ich fing an zu zittern, schnappte nach Luft und war nahe daran, ihn einfach auszupacken. Vielleicht möchte er mir doch gerne zuschauen, hoffte ich überwältigt, vielleicht erregt es ihn, wenn er mir zusehen darf. Vielleicht hat er deshalb danach gefragt.
Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass Siamak Tourani ein seriöser Doktor war, und dass sein Interesse an mir schon die ganze Zeit ausschließlich fachlich gewesen war. Jetzt dreh nicht durch, verdammt, zwang ich mich selbst zur Ruhe, zog hastig meine rechte Hand ein, legte sie zurück neben meinen Körper auf die Liege und ballte sie aufgewühlt zur Faust. Siamak beobachtete das alles sehr genau. Er schaute mich wieder an und fragte: „Sag mal, Clay, fügst du dir manchmal selber Schmerzen zu, nur um dich lebendig zu fühlen?"
Ich schloss die Augen und atmete ganz tief. Ich musste erst einmal mit meiner aufgeloderten Geilheit fertig werden. Schon wieder so eine persönliche Frage, dachte ich wie erschlagen. Er diagnostiziert immer noch meine geistige Gesundheit. Du musst auf der Hut sein, mahnte ich mich, öffnete die Augen und guckte ihn prüfend an. Sein exotisches Gesicht war wunderschön, seine dunklen Augen gutmütig und extrem interessiert, sein Lächeln freundlich. Und der Mann war immer noch gänzlich ohne Spott.
Alles an ihm war vertrauenswürdig, deshalb beschloss ich spontan, ihm einfach die Wahrheit zu sagen. „Das kommt schon mal vor.... selten", flüsterte ich und fixierte ihn angestrengt, um seine Reaktion mitzukriegen. Er nickte, sein Gesicht bekam einen traurigen Zug.
„Bin ich verrückt?" schoss es plötzlich unüberlegt aus mir heraus. Ängstlich sah ich ihn an. Er lächelte daraufhin beinahe liebevoll, was meinen Herzschlag unwillkürlich wieder beschleunigte. Lächelnd schüttelte er seinen Kopf. „Nein, Clay, ich glaube nicht, dass du verrückt bist", beruhigte er mich sanft. „Das ist leider gar nicht so selten, was du mir da erzählst."
„Was stimmt mit mir nicht?" wollte ich plötzlich drängend von ihm wissen. Er schloss kurz die Augen, seufzte und stand dann langsam auf. „Mit dir ist alles in Ordnung", versicherte er mir leise, legte seine Nadel mitsamt dem Faden auf die Ablage, drehte sich von mir weg und ging zu dem Schrank an der Seite des Zimmers. Das verwirrte mich, und ich reckte meinen Hals, um zu sehen, wo er plötzlich hinwollte. Er hantierte mit irgendwas, holte etwas aus dem Schrank. Seine Worte hatten mich aus irgendeinem Grund beruhigt. Er war immerhin ein Arzt und musste es wissen, dachte ich. Wenn er der Meinung war, dass mit mir alles okay war, dann brauchte ich mir um meinen Geisteszustand wohl keine Sorgen zu machen, redete ich mir selber ein.
Siamak kam zurück und hatte eine neue Spritze in der Hand. „Ich werde dich jetzt örtlich betäuben, Clay", teilte er mir ruhig mit und stoppte meinen Einwand sofort mit einer Handbewegung. „Ich gebe dir nur eine ganz geringe Menge, okay? Du wirst immer noch ganz schön viel spüren, glaub mir. Aber es wird nicht länger so eine grausame Qual für dich sein. Bist du damit einverstanden?" fragte er, während er sich zurück auf seinen Hocker setzte. Im Grunde war ich erleichtert darüber, dass ich nicht länger diese starken Schmerzen aushalten musste, deshalb nickte ich und sagte leise: „Okay, ist gut." Ich war ihm dankbar und überwältigt von seiner großen Fachkompetenz. Ich hatte mich doch gar nicht beschwert, und trotzdem hatte er gemerkt, dass die Schmerzen für mich zu stark geworden waren. Siamak setzte mir sehr vorsichtig eine Spritze in meinen rechten Oberschenkel, und sofort spürte ich die angenehme Betäubung.
Gleich darauf fing er abermals an zu nähen, und jetzt war der Schmerz tatsächlich erträglich, rhythmisch, geil. Ich spürte erneut jeden Stich angenehm in meinem Penis, mein ganzer Körper zog sich wohlig zusammen. Ich stöhnte unwillkürlich auf, guckte dankbar zu Siamak, und der lächelte amüsiert vor sich hin, während er mich höchst konzentriert zusammennähte.
„Hast du schon einmal daran gedacht, dir psychiatrische Hilfe zu holen?" fragte er mich mittendrin plötzlich ganz beiläufig. Ich zuckte zusammen und hoffte, mich überhört zu haben. Entsetzt starrte ich ihn an. Er hob kurz den Blick und musterte mich interessiert. „Was erschreckt dich daran so?" wollte er überrascht wissen. „Ich musste schon als Kind zum Psychiater", erzählte ich ihm abwehrend. Sein Gesicht wurde augenblicklich ganz ernst. „Warum?" hakte er erstaunt nach. Ich hatte überhaupt keine Lust, ihm von meiner Kindheit zu erzählen. Ich wollte niemandem davon erzählen, ich wollte nicht einmal selbst daran denken, deshalb schwieg ich erst einmal und starrte eine Weile an die vertraute, gelbe Decke. Es ärgerte mich, dass er mit diesem verdammten Scheiß diese geile Situation kaputtmachte. Seine Frage irritierte mich, denn er hatte mir doch gerade eben erst versichert, dass mit mir alles in Ordnung wäre.
Die Stille im Raum wurde nach einiger Zeit ziemlich unangenehm. Ich grübelte darüber nach, warum er mich ausgerechnet danach fragte, und ob ich ihm überhaupt antworten wollte. „Warum haben deine Eltern dich schon als Kind zum Psychiater geschickt?" wiederholte Siamak schließlich behutsam. Ich warf ihm einen genervten Blick zu und konnte ihm seine riesengroße Wissbegierde ansehen, aber auch sein Mitgefühl. Der Mann fixierte mich ausgeprägt, wartete merkbar gespannt auf meine Antwort. Aber ich hatte keine Lust, ihm zu antworten, entschied ich. Dieses Thema war nun wirklich nicht das, worüber ich gerne mit ihm sprechen wollte. „Keine Ahnung", wehrte ich ihn verärgert kurzerhand ab und hoffte, dass er es damit gut sein lassen würde.
Daraufhin war es nochmal eine Weile ganz still, bis Siamak leise seufzte und sich wieder seiner Arbeit zuwandte. Ich war wirklich extrem froh darüber, dass er mich nicht weiter in meine unangenehme Vergangenheit drängte. Dankbar schaute ich ihn an, aber er war aufs Neue voll konzentriert beim Nähen. Geschickt und schnell hantierten seine schönen Hände mit Nadel und Faden. Er ist wirklich sensibel, dachte ich ergriffen, er merkt es, wenn ich über ein Thema nicht sprechen möchte. Er lässt mich tatsächlich sofort mit diesem Scheiß in Ruhe! Seine Attraktivität bekam auf meiner imaginären Liste noch ein paar riesige Pluspunkte hinzu.
„So, das war's! Ich bin fertig!" rief Siamak plötzlich und betrachtete sein Werk zufrieden. Dann guckte er mich an. „Und du bist schön achtsam mit den Nähten, nicht wahr, Clay! Du passt gut auf, dass du sie nicht aus Versehen herausreißt!" Er redete mit mir, wie mit einem kleinen Kind, und das gefiel mir überhaupt nicht. Ich nickte. „Ja, ich passe auf!" versprach ich ihm noch einmal. Er lächelte zauberhaft und schnitt den schwarzen Faden ab.
Danach verband er auch meinen Oberschenkel gekonnt, stand auf, zog sich die Handschuhe aus und schob die Ablage zurück an die Wand, von wo er sie geholt hatte. „In circa sechs Wochen kommst du wieder vorbei. Dann können die Fäden gezogen werden", teilte er mir dabei mit, ohne mich anzusehen. Ich bedauerte es, dass er schon fertig war. Von mir aus hätte er mich ruhig noch lange so weiter stechen können. Seufzend richtete ich mich auf und suchte mit den Augen meine Jeans. Ich wollte jetzt eigentlich so schnell wie möglich nach Hause. Anderseits zog mich Doktor Tourani beinahe magisch an, und ich wäre ihm gerne noch viel näher gekommen. Unschlüssig saß ich auf der Liege und betrachtete den Mann sehnsüchtig.
Er drehte sich zu mir um, bemerkte meinen Blick, und dass ich inzwischen aufrecht saß. Er lächelte schon wieder betörend. „Nein, warte bitte noch einen Moment, Clay", meinte er sanft zu mir. Mein Herz hämmerte augenblicklich los, weil ich keine Ahnung hatte, was genau er noch von mir wollte. Unwillkürlich kamen mir die geilsten Sachen in den Sinn und ich schnappte aufgeregt nach Luft. Siamak beobachtete mich amüsiert.
„Was ist denn noch?" brachte ich mühsam heraus. „Ich möchte mit Ultraschall deine inneren Organe untersuchen, Clay. Ich muss sichergehen, dass du keine ernsthaften inneren Verletzungen hast, ja?" erklärte Siamak mir geduldig. Ich schaute ihn blöd an und nickte ergeben. Er drehte sich herum und holte ein fahrbares Gerät, welches er neben die Liege rollte, während er amüsiert vor sich hin lächelte. Ich gefalle ihm, dachte ich verwirrt, er lächelt vielleicht, weil er mich gern hat. Dieser Gedanke beflügelte mich nahezu. Ich legte mich retour auf den Rücken und wartete gespannt darauf, was er nun mit mir machen würde. Die zweite Schmerztablette wirkte inzwischen ganz gut, und meine Schmerzen waren in der Tat erträglich geworden.
Siamak setzte sich dicht neben meinem Oberkörper auf seinen Hocker und studierte interessiert meine Brust. Nachdenklich wog er seinen exotischen Kopf. „Was ist denn?" fragte ich ihn beunruhigt. Sein Blick wanderte zu mir, und jetzt war er voller Mitleid. „Die haben dich wirklich ganz schön zusammengeschlagen!" stellte er betrübt fest. Irritiert schaute ich mir meinen nackten Oberkörper an. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, wie verletzt ich war. Mein Körper war wahrhaftig übersät mit dunklen Blutergüssen. Meine Brust und mein Bauch, meine Arme und Hände waren beinahe überall oberflächlich zerschnitten worden. Dieser grausame Anblick erinnerte mich abrupt an den brutalen Angriff, die Demütigung, den Spott und meine Todesangst. Ich riss erschrocken die Augen auf und starrte Siamak hilflos an. Diese Erinnerungen wollte ich nun ganz und gar nicht in meinem Kopf haben.
Der Doktor spürte wohl meine Aufregung, denn er sagte schnell: „Ganz ruhig, Clay, beruhige dich. Das war sicher schlimm für dich, aber es ist ja jetzt vorbei. Du hast es überstanden." Seine Worte drangen zu mir durch, denn sie waren ganz sanft und freundlich. Ich lächelte ein bisschen gequält. „Das war echt zu viel", versuchte ich ihm zu erklären. Er nickte sofort überaus verständnisvoll und betrachtete mich aufmerksam. „Warum willst du diese Verbrecher dann ungeschoren davonkommen lassen?" wollte er vorsichtig wissen. Ich stöhnte gequält auf und richtete meinen Blick hastig zurück an die Decke. Abwehrend schloss ich die Augen. Dieser beschissene Typ tauchte ungewollt in meinem Gehirn auf, sein scharfes Messer, welches er mit der flachen Seite gnadenlos gegen meinen ungeschützten Penis gepresst hatte. Wie verflucht kalt der Stahl gewesen war, und welche grenzenlose Panik er damit bei mir ausgelöst hatte. „Ich... kann nicht...", stotterte ich völlig überfordert mit geschlossenen Augen.
Im nächsten Moment spürte ich plötzlich heiße Tränen in meine Augen steigen und drehte meinen Kopf hastig von Siamak weg. Ich öffnete meine Augen nicht, schluckte aber verkrampft die blöden Tränen hinunter. Auf keinen Fall wollte ich vor ihm heulen. Eine lange Zeit war es ganz still in diesem Raum. Die Stille dröhnte unaufhaltsam in mir. Ich konnte gar nichts hören. Siamak bewegte sich nicht und sagte nichts.
Irgendwann spürte ich urplötzlich seine Hand an meiner Schulter. Ich zuckte zusammen, fuhr instinktiv zu ihm herum und riss die Augen auf. Er lächelte milde und beruhigend. „Es ist schon gut, Clay. Ich kann dich wirklich gut verstehen, glaube mir", flüsterte er fast und streichelte tatsächlich sanft meine Schulter. Seine Berührung fuhr wie ein Blitz durch meinen ganzen Körper. Fassungslos darüber, dass er mich wahrhaftig zärtlich anfasste, starrte ich ihn überwältigt an. Mein Herz schlug sehr hart, ich atmete tief ein und aus. Sein Lächeln brannte sich fast auf meiner Seele ein. „Siamak...", krächzte ich verwirrt. Er fixierte mich interessiert. Mein Arm bewegte sich erneut automatisch ganz langsam auf ihn zu, um ihn anzufassen.
In diesem Moment zog er seine Hand an meiner Schulter auch schon zurück und wandte sich ab. „Dann wollen wir mal loslegen", kündigte er unbekümmert an. Enttäuscht zog ich meinen Arm zurück. Sein Verhalten verwirrte mich. Ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, was ich von ihm halten sollte. Auf einmal fiel er zurück in seine Rolle als seriöser Arzt. „Das wird jetzt ein bisschen kalt", grinste er und bestrich meinen nackten Oberkörper routiniert mit irgendeinem Gleitmittel. Dann nahm er das Ultraschallgerät in die Hand und fuhr fest aber vorsichtig damit über meine Haut. Seine Berührung gefiel mir. Aber leider war sie nun viel zu offiziell, definitiv zu gefühllos, um mich wirklich anzutörnen.
Siamak drehte einen kleinen Monitor in unsere Richtung und zeigte mir darauf das Innere meines Körpers in unscharfen Schwarzweißbildern. Mit dem Gerät hielt er an den einzelnen Organen an und untersuchte sie fachmännisch. Er erklärte mir mit ruhiger Stimme, was es gerade auf dem Bildschirm zu sehen gab. Ich sah anscheinend meinen Magen, der völlig leer war, wie Siamak meinte. Ich konnte mir meine Leber, die Lunge und so was ansehen.
Er fuhr geschäftig an mir herunter und zeigte mir andere Organe. Er betastete sehr vorsichtig meinen nackten Bauch. Dabei ignorierte er eiskalt meine dicke Erektion, schob sie nur achtlos mitsamt meiner Unterhose mit dem Gerät zur Seite, um die Innereien meines Unterleibs zu scannen, was mich ganz schön nervös machte. Es gierte plötzlich, völlig unerwartet, total mächtig in mir, er sollte mich unbedingt anfassen, tat es aber nicht. Ich stöhnte erregt und konnte mich nur mit großer Mühe zurückhalten. Siamak studierte mein Verhalten mit lächelndem Interesse.
Später drehte er mich vorsichtig auf die Seite, um meine beiden Nieren intensiv zu überprüfen. Auf der rechten Seite hielt er inne und schaute ganz genau auf den Bildschirm. „Clay, ich sehe hier, dass deine rechte Niere stark geprellt worden ist. Da hast du wohl einen mächtigen Schlag abbekommen. Du müsstest eigentlich große Schmerzen haben", meinte er verwundert.
Ich kämpfte noch mit meiner zwar nur kurz, aber extrem stark aufgeloderten Geilheit und konnte deshalb nichts erwidern. Ich schnappte nur nach Luft und schaute ihn hilflos an. „Ich befürchte, dass du wohl wahrscheinlich ein paar Tage Blut pinkeln wirst", teilte Siamak mir bedauernd mit, „Wenn das aber nach ein paar Tagen nicht aufhört, dann musst du unbedingt sofort zu mir kommen, damit ich dich nochmal genauer untersuchen kann. Versprichst du mir das?" Dem Mann lag merkbar sehr viel daran, dass ich ihn noch einmal aufsuchte, registrierte ich gerührt und nickte freundlich. Er lächelte erleichtert. „Ansonsten hast du erfreulicherweise sehr viel Glück gehabt, Clay. Ich kann keine ernsthaften inneren Verletzungen finden. Das bedeutet, dass der Rest jetzt nur noch eine Frage der Zeit ist. Deine Wunden werden in einigen Wochen von selbst heilen, wenn du Geduld aufbringst und dich ordentlich schonst."
Er richtete sich auf und schaltete das Ultraschallgerät aus. Er schob das Gerät zurück an die Wand und kam mit einigen grauen Papiertaschentüchern zurück, die er mir reichte. Ich nahm die Tücher und wischte mich damit ab. Dieses durchsichtige Gleitmittel war ziemlich klebrig, und ich assoziierte automatisch noch andere, viel geilere Verwendungsarten damit. Ich stellte mir intensiv vor, es zusammen mit Siamak zu verwenden, und diese Vorstellung fuhr mir direkt in den Schwanz und ließ mich aufstöhnen. Der Mann stand dort neben mir und beobachtete mich unvermindert aufmerksam. Ich wischte an mir herum und erwiderte seinen Blick. Es arbeitete sichtbar in seinem Kopf, und ich wartete gespannt ab, was dabei wohl herauskommen würde.
Irgendwann gab er sich einen Ruck und fragte: „Wie lange nimmst du schon Heroin?" Ich blies vor Enttäuschung unwillkürlich die Luft aus. Diese Frage war nun wirklich die letzte, die ich von ihm hören wollte. „Ein paar Jahre", antwortete ich abweisend, brach den Blickkontakt ab und wischte weiter mit dem rauen Papier auf meiner zerschnittenen Haut herum. „Du hast das Heroin auch mal gespritzt, nicht wahr, Clay? Ich habe die vernarbten Einstiche an deinen Armen gesehen", sagte Siamak ganz leise. Ich nickte, ohne ihn anzusehen. „Aber jetzt spritzt du anscheinend nicht mehr?" Ich schüttelte genervt den Kopf, weil mir dieser Scheiß echt nicht gefiel. Dieses Thema wollte ich mit Siamak beileibe nicht näher erläutern. Aber er war daran scheinbar sehr interessiert. „Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, Clay! Mit dem Spritzen bringst du dich nämlich jedes Mal in akute Lebensgefahr!" meinte er fast beschwörend. Ich hob den Kopf, sah ihn an und atmete tief aus.
Eine Weile schauten wir uns intensiv an, und ich glaubte in seinen Augen so etwas wie Zuneigung zu erkennen, echte Sorge um mich, irgend so was. Ich atmete tief, mein Herz schlug hart und der Affe pochte mir verstärkt im Rückgrat herum. Ich dachte, dass ich jetzt schnell hier verschwinden sollte. Aber andererseits war Siamak immer noch ein lohnender Grund, um länger hierzubleiben. „Willst du mit dem Heroin aufhören?" fragte er mich vorsichtig. Ich seufzte, weil er mit diesem scheiß Thema nicht aufhörte. „Ich geh am Montag wieder ins Methadonprogramm", teilte ich ihm eher widerwillig mit. Er hob erstaunt seine dichten, dunklen Augenbrauen. „Was bedeutet wieder? Hast du schon einmal Methadon genommen?" Ich nickte schnell, wandte mich ab und wischte weiter an mir herum, obwohl das Gleitmittel schon fast abgewischt war.
Ich saß auf dieser breiten Liege, die Beine angezogen, und sehnte mich ganz erbärmlich nach Streicheleinheiten. Ich hatte große Lust auf Sex mit Doktor Siamak Tourani. Aber er hatte nur das blöde Heroin im Kopf. „Und dann bist du also rückfällig geworden?" horchte er mich weiter aus. Entnervt warf ich ihm einen Blick zu. „So kann man das nicht sagen", antwortete ich unbestimmt. Er betrachtete mich intensiv und lächelte sein schönstes Lächeln. „Du hast also nicht wirklich aufgehört, trotz Methadon", stellte er fest. Ich nickte kaum merklich. Er lachte amüsiert. „Aber du willst es noch einmal mit Methadon versuchen. Denkst du denn, diesmal klappt das?" Ich schloss abwehrend die Augen und murmelte: „Könnte doch sein." Siamak lachte gutmütig, und dann berührte er ganz plötzlich nochmal meine Schulter. Ganz zart streichelten seine schönen Finger über meine Muskeln. Ich riss die Augen auf und schaute ihn an. Sein Lächeln war wirklich bezaubernd und streichelte meine Seele.
„Es gibt auch noch ganz andere Möglichkeiten, mit dem Heroin aufzuhören, Clay. Das weißt du bestimmt, oder?" Seine Berührung elektrisierte mich. Ich konnte nicht anders, als meine Hand auszustrecken und ihn meinerseits zu berühren. Diesmal tat ich es überstürzt, bevor er seine Hand zurückziehen konnte. Ich streichelte kurz seinen Arm, dann fuhr ich schnell an ihm hinauf und berührte seinen Hals, sein Kinn. Seine Haut fühlte sich ganz weich an, er war erstaunlich gut rasiert. „Siamak...", sagte ich nochmal atemlos. Seine schönen Augen weiteten sich überrascht, er wirkte alarmiert.
Im nächsten Moment hatte er auch schon meinen Arm gepackt und sanft aber bestimmt von sich weggeschoben. Er wich mir auffallend aus, indem er einige Schritte rückwärts ging. „So, wir sind dann hier fertig, Clay. Du kannst dich wieder anziehen. Ich gehe derweil hinaus und hole Eliza wieder herein. Sie wird dich bestimmt wiederhaben wollen", redete er betont sachlich und lächelte ein bisschen gezwungen. Schon hatte er sich herumgedreht und eilte energisch zur Tür. Er verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen, als wäre er vor mir auf der Flucht.
Ich saß noch immer auf der blöden Liege, wie ein Idiot, und fühlte mich absolut verarscht. Ich fühlte mich schmerzhaft abgewiesen. Seine eiskalte Abfuhr machte mich unglaublich wütend.
Ich sprang von der Liege und bückte mich nach meiner schwarzen Jeans, die auf dem Boden lag. Hastig zog ich sie an, obwohl das rechte Bein zerschnitten und voller halbwegs getrocknetem Blut war. Während ich meine Strümpfe und Schuhe anzog, schaute ich mich nervös im Zimmer um. Mein Blick fiel auf den Schrank, aus dem Siamak die beiden Schmerztabletten geholt hatte. Durch die Glastüren konnte ich jede Menge Medikamenten-Packungen sehen. Sofort vermutete ich gierig, dass es in diesem Schrank bestimmt noch viel bessere Sachen für mich gab. Ich war echt geil und total verwirrt.
Eliza
Am Automaten hatte ich mir eine Cola geholt, um meinen Durst zu löschen, und das Koffein half mir dabei, wach zu bleiben. Die Nacht war inzwischen weit fortgeschritten. Ich war müde und verärgert darüber, dass Siamak mich einfach weggeschickt hatte, wie ein unartiges Kind. Ich gab Clays Krankenkassendaten von seiner Karte, die ich mir aus seiner Jacke stibitzt hatte, in das Krankenhaus-System ein.
Dann saß ich eine lange Zeit auf einer harten Bank im Flur, behielt die Tür zum Untersuchungsraum im Auge und fragte mich, was Siamak wohl mit Clay anstellen würde, und wie lange es noch dauern würde, bis er endlich damit fertig war. Mit Sorge dachte ich daran, dass Clay womöglich doch viel schwerer verletzt war, als ich angenommen hatte, und ich hoffte, dass es nicht so war. Ich wollte einerseits endlich nach Hause, andererseits hatte ich aber auch das Bedürfnis nach Streicheleinheiten. Ich überlegte, dass ich vielleicht direkt bei Clay übernachten könnte, nachdem ich ihn nach Hause gefahren hatte. So könnte ich außerdem möglichen Fragen von Rowina aus dem Weg gehen. Aber ich war wütend auf Clay, weil er sich wieder so unmöglich benommen hatte. Ich grübelte, ob ich mir sein kindisches Verhalten überhaupt noch länger ansehen wollte.
Im nächsten Moment war ich froh, ihn hierher gebracht zu haben, damit Siamak ihn untersuchen konnte und damit sicherstellte, dass er nicht lebensgefährlich verletzt war. Ich fragte mich, warum wohl jemand so dermaßen wütend auf Clay gewesen war, um ihm diese schweren Verletzungen zuzufügen. Ich grübelte, ob Clay Banton tatsächlich versucht hatte, eine Frau zu vergewaltigen, und was das für mich ändern würde, falls es wirklich so war. Wahrhaftig drehten sich automatisch alle meine Gedanken ausschließlich um Herrn Banton.
Später ging plötzlich die Tür zum Untersuchungszimmer auf und Siamak kam eilig heraus. Er schloss hinter sich die Tür, entdeckte mich sofort auf der Bank im Flur und schritt schnell und energisch auf mich zu. Ich konnte ihm sofort ansehen, dass Clay schon wieder irgendwas Unmögliches gemacht hatte. Siamak wirkte eindeutig aufgewühlt, als er dicht vor mir stehenblieb, was überhaupt nicht zu ihm passte. Normalerweise ließ er sich nämlich während seiner Arbeit durch Nichts aus der Ruhe bringen.
„Was ist los? Was ist passiert?" fragte ich ihn alarmiert, neugierig und stand auf. Siamak ignorierte meine Neugierde. „Ich muss dich dringend etwas fragen, Eliza", kündigte er geheimnisvoll an. Ich schaute ihn aufmerksam an. „Clay ist zweifelsfrei auf Heroinentzug. Er sagte mir, dass er mit der Droge aufhören möchte." Ich lachte spöttisch. „Ja, das habe ich schon viel zu oft von ihm gehört." „Er hat es offenbar bisher nicht geschafft aufzuhören. Deshalb frage ich dich jetzt, ob du ihn nicht lieber jetzt sofort in die geschlossene Psychiatrie einweisen lassen willst. Dort könnte er in ungefähr zwei Wochen vom Heroin entziehen, und er würde obendrein psychologische Hilfe bekommen", schlug Siamak sehr ernst vor. Ich musterte ihn erstaunt. „Denkst du denn, dass Clay psychologische Hilfe nötig hat?" erkundigte ich mich beunruhigt. Siamak lachte freudlos auf. „Ja, das denke ich auf jeden Fall. Ich fürchte, dein Exfreund ist ein sehr verwirrter und trauriger junger Mann."
Seine Worte irritierten mich. „Wie kommst du darauf?" wollte ich von ihm wissen. Klar, Clay war ein bisschen konfus, weil er selten darüber nachdachte, bevor er irgendetwas tat. Aber deswegen gleich in die Psychiatrie? Das kam mir doch übertrieben vor.
Siamak überlegte eine Weile, er suchte merkbar nach den richtigen Worten. „Clay giert so verzweifelt nach guten Gefühlen. Als hätte er durch seine Lebensgeschichte ein großes Defizit daran", erläuterte er schließlich nachdenklich. Ich war auf der Stelle alarmiert. „Hat er etwa versucht, mit dir zu flirten?" entfuhr es mir entsetzt. Aufgeregt starrte ich ihn an. Siamak betrachtete mich einen Moment überrascht. Dann nickte er zögernd, und ich stöhnte unwillkürlich genervt auf. Siamak lächelte amüsiert und hob beschwichtigend seine Hände. „Ach, komm, Eliza, das ist doch nun wirklich nicht so schlimm! Im Gegenteil, ich fand das irgendwie ... liebenswert." Er runzelte die Stirn und wirkte verwirrt, als wäre er über seine eigenen Empfindungen erstaunt.
Ich grinste wissend. Oh ja, das konnte Herr Banton ausgesprochen gut. Der Mann konnte so einnehmend liebenswert sein, dass man gar nicht mehr anders konnte, als ihn gern zu haben.
„Lass ihn uns jetzt sofort einweisen, Eliza. Wenn er erst einmal seine Drogensucht überwunden hat, dann können die Fachleute sich mit seiner Psyche beschäftigen", meinte Siamak fast beschwörend. „Und was ist mit seinen Verletzungen?" fragte ich ihn, um ein bisschen Zeit zu gewinnen. Ich musste erst einmal über diese Information bezüglich Clays Psyche und Siamaks weitreichenden Vorschlag nachdenken. „Seine Verletzungen sind zum Glück nicht lebensbedrohlich. Ich konnte außer der leichten Gehirnerschütterung und einer Nierenprellung rechts nichts Ernstes feststellen. Seine beiden tiefen Schnittwunden sind genäht und gut versorgt worden. Du musst nur darauf achten, dass er sich in der nächsten Zeit unbedingt schont. Und dass er die Nähte nicht wieder aufreißt", erklärte Siamak mir geduldig. Ich nickte. „Ja, ich werde auf ihn aufpassen", versicherte ich und seufzte ratlos.
„Hör mal, Clay Banton ist trotz allem ein erwachsener Mann. Ich kann ihn doch nicht gegen seinen Willen in die geschlossene Psychiatrie einweisen lassen", gab ich zu bedenken. Siamak musterte mich einen Moment lauernd. „Wenn du einfach behauptest, dass er akut selbstmordgefährdet ist, dann können wir ihn jetzt sofort hierbehalten. Er könnte dann überhaupt nichts dagegen tun", informierte er mich ernst. Ich schüttelte zweifelnd den Kopf, deshalb setzte Siamak hinzu: „Dir muss doch klar sein, dass es nur zu seinem Besten geschehen würde. Es könnte vielleicht seine letzte Chance sein, vom Heroin doch noch loszukommen. Immerhin nimmt er dieses Zeug doch schon seit ein paar Jahren!" „Das hat er dir erzählt?" fragte ich erstaunt. Siamak nickte nachdenklich. „Ich würde ihm wirklich gerne helfen, Eliza. Irgendwas hat er an sich, was an mein Mitgefühl appelliert."
Ich guckte Siamak an und stimmte ihm in Gedanken aus vollstem Herzen zu. Es stand außer Zweifel, dass Clay Banton ein Zauberer darin war, das Mitgefühl von anderen Menschen zu wecken, ohne es selbst zu merken. Es amüsierte mich, dass er das sogar bei dem sonst so nüchternen Doktor Siamak Tourani geschafft hatte.
Kurzentschlossen schüttelte ich den Kopf. „Nein, Siamak, das kann ich Clay trotzdem jetzt nicht antun. Er will nämlich auf gar keinen Fall in die geschlossene Psychiatrie, das weiß ich genau. Ich gebe ihm lieber erst noch eine Chance mit Methadon", erklärte ich fest. Siamak schien über meine Entscheidung unglücklich zu sein, deshalb ergänzte ich schnell: „Diese andere Möglichkeit läuft uns ja nicht weg." „Hoffentlich ist es dann nicht zu spät", murmelte Siamak und drehte sich herum.
„Ich glaube, wir sollten ihn nicht zu lange allein lassen", bemerkte er plötzlich beunruhigt und machte sich hastig auf den Weg zurück zu Clay, der allein im Untersuchungsraum auf uns wartete. Ich hatte plötzlich auch kein gutes Gefühl dabei und folgte Siamak schnell. Wir eilten zurück und rissen die Tür auf.
Clay stand gerade am Schrank und wühlte tatsächlich darin herum. Ganz offensichtlich war er auf der Suche nach irgendwelchen Tabletten. Wahrscheinlich suchte er etwas, was seinen Heroinentzug lindern würde, vermutete ich. „Sofort weg da, Clay!" rief Siamak entsetzt und stürmte spontan auf ihn zu. Clay drehte sich seltsam gleichgültig zu uns um, entfernte sich aber langsam vom Schrank und hob abwehrend die Hände. „Ich habe nichts genommen", behauptete er. „Was suchst du denn überhaupt da?" fragte Siamak ihn verärgert und studierte prüfend den Inhalt des Schrankes. „Ich weiß nicht. Irgendwas", murmelte Clay genervt. Siamak drehte sich zu ihm hin und musterte ihn eingehend. „Hör mal, Clay, das ist kein Spaß. Was hast du genommen? Wenn es das Falsche ist, dann kannst du dir damit unglaublich schaden, ist dir das klar?" redete er auf ihn ein. Clay verdrehte die Augen. „Ich habe nichts", wiederholte er trotzig.
Offenbar glaubte Siamak ihm das aber nicht. Er machte zwei Schritte auf ihn zu und durchsuchte gewissenhaft alle Taschen von Clays Jeans, die der sich in der Zwischenzeit wieder angezogen hatte. Clay ließ sich das ganz ruhig gefallen. Er schien die unmittelbare Nähe von Siamak sogar auf eine gewisse Art zu genießen.
Ich beobachtete ihn argwöhnisch. Hatte Siamak mir nicht erzählt, dass Clay mit ihm geflirtet hatte? Was war nur in ihn gefahren, so etwas bei einem Arzt zu tun? Und jetzt beugte er sich sogar etwas vor und roch mit geschlossenen Augen an Siamaks Haaren, als Siamak sich hinunterbeugte, um seine Taschen zu durchsuchen. Clay sah tatsächlich so aus, als würde er sich an Siamaks Geruch aufgeilen, was ich nicht fassen konnte. Mit drei Schritten war ich bei den beiden angekommen, um im Notfall einzugreifen.
Siamak hatte anscheinend in Clays Hose nichts gefunden. Er richtete sich wieder auf und schaute Clay intensiv in die Augen. Er fragte mit ruhiger, sehr ernster Stimme: „Bitte sage mir jetzt die Wahrheit, Clay. Hast du irgendwas aus diesem Schrank geschluckt? Das könnte im schlimmsten Fall sogar tödlich für dich sein!" Clay betrachtete ihn beinahe spöttisch. „Ich habe überhaupt nichts geschluckt, Siamak", versicherte er ihm leise. Der Arzt betrachtete ihn argwöhnisch, dann drehte er sich zu mir. „Glaubst du ihm das?" wollte er von mir wissen. Ich warf einen Blick auf Clay, der erstaunlich ruhig war, obwohl seine Augen seinen beginnenden Entzug verrieten. Seine Pupillen waren groß und schwarz, er schaute mich abwartend an. Er lächelte belustigt, weil Siamak und ich ihn aufmerksam studierten, als könnten wir ihm ansehen, ob er eine Tablette aus dem Schrank geschluckt hatte.
„Ich glaube ihm", entschied ich endlich. Siamak ging zwei Schritte zurück. „Also gut, dann sind wir hier fertig", sagte er irgendwie resigniert und wandte sich nochmal an Clay. „Du weißt Bescheid, ja, Clay? In sechs Wochen müssen deine Fäden gezogen werden. Und wenn bis dahin irgendwas passiert, oder wenn du starke Schmerzen bekommst, dann musst du unbedingt sofort hierher kommen oder zu deinem Hausarzt gehen, okay?" Er schaute hilflos zu Clay hin, der ihn belustigt fixierte und dabei nickte. „Ja, ist schon gut, Siamak", beruhigte er ihn grinsend.
Doktor Tourani wirkte tatsächlich traurig, als er sich abrupt herumdrehte und zum Schrank ging. Er suchte eine Weile darin herum, dann kam er mit zwei Packungen Tabletten zurück zu Clay. Er reichte ihm die Packungen und Clay nahm sie erstaunt entgegen. „Hier gebe ich dir noch Schmerztabletten mit. Aber nehme sie bitte nur bei Bedarf, höchstens drei am Tag. Und von denen hier nimmst du eine am Tag. Die sollen einer Entzündung deiner Schnittwunden vorbeugen", erklärte Siamak Clay, der ihn wachsam musterte. „Okay?" fragte Siamak und guckte Clay unglücklich an. „Okay", bestätigte Clay lächelnd. Siamak wirkte plötzlich richtig erschöpft, als er ganz langsam zur Tür ging. „Ich muss jetzt dringend weiter. Bis in sechs Wochen, Clay. Wir sehen uns, Eliza", murmelte er gedankenversunken und verließ das Untersuchungszimmer. Die Tür ließ er dabei offen stehen, sodass wir ihm hinterherschauen konnten. Er lief den Flur entlang und verschwand hinter einer der vielen Türen.
Ich wandte mich sofort aufmerksam an Clay. „Wir können jetzt nach Hause fahren", teilte ich ihm mit. Er lächelte sichtbar erleichtert. „Das war eine sehr... interessante Begegnung", meinte er erstaunt, ging zu der Liege an der Seite des Zimmers und zog sich hastig seine restlichen Klamotten an, das zerschnittene, weiße, blutige T-Shirt und die teure blaue Jeansjacke, deren linker Ärmel aufgeschnitten und ebenfalls voller Blut war. „Also bist du jetzt doch froh, dass ich dich gegen deinen Willen hierher gebracht habe?" wollte ich spöttisch von ihm wissen.
Er drehte sich zu mir um und kam langsam auf mich zu. „Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe", musste er zugeben. Ich streichelte aus einem plötzlichen Bedürfnis heraus sein Gesicht, woraufhin er ganz still stand und amüsiert lächelte. „Obwohl du eine Erektion hattest?" fragte ich ganz leise. Ich spürte, dass ich große Lust auf ihn hatte, und Clay merkte das sofort. „Obwohl ich eine Erektion habe", flüsterte er grinsend, packte meine Hand an seinem Gesicht und schob sie an sich herunter, bis ich seinen steifen Penis in seiner Jeans sehr gut fühlen konnte. Der Mann ist tatsächlich schon wieder sexuell erregt, wunderte ich mich. Wie kann das nur sein, wo er doch noch vor kurzer Zeit so brutal verprügelt wurde?! Das ist einfach unglaublich!
Clay lachte und drehte sich von mir weg. „Lass uns fahren, Liz", forderte er mich auf, plötzlich merkbar ungeduldig, und ging schon vor zur Tür. Er muss dringend neues Heroin rauchen, dachte ich verärgert, folgte ihm aber. Wir gingen zügig nebeneinander durch die Flure des Krankenhauses, direkt zurück zum Hinterausgang. Mir fiel auf, dass Clay kaum noch humpelte, bestimmt hatte Siamak ihm doch eine Schmerztablette gegeben, was mich irgendwie ärgerte. Auf dem Mitarbeiterparkplatz stiegen wir in meinen Nissan Micra. Clay setzte sich neben mich auf den Beifahrersitz und schnallte sich sofort an, was mich wunderte. Anscheinend hatte er es jetzt wirklich eilig, er wirkte auf einmal nervös. Der Entzug saß ihm wohl im Nacken. Also tat ich ihm den Gefallen mich zu beeilen, startete den Wagen, fuhr langsam vom Parkplatz und steuerte das Auto in Richtung seines Hauses.
Clay war während der Fahrt auffallend still, und irgendwann schaute ich prüfend zu ihm hin. Er saß ganz ruhig und starrte geradeaus durch die Frontscheibe. Offenbar war er in seinen Gedanken versunken, was angesichts seines Entzugs ungewöhnlich war. Ich fragte mich sofort neugierig, woran er wohl so intensiv dachte.
„Warum hast du mit Doktor Tourani geflirtet?" fragte ich ihn geradeheraus und beobachtete seine Reaktion. Er bewegte sich nicht, nur seine Augen drehten sich aufhorchend zu mir. Er musterte mich eine Weile abschätzend. „Wer behauptet das?" wollte er misstrauisch wissen. „Siamak selbst hat mir das gesagt", informierte ich ihn triumphierend. Clay drehte seine Augen zurück nach vorne, ohne sich zu bewegen. „Siamak selbst hat dir das gesagt", wiederholte er merkwürdig regungslos. „Warum, um Himmels Willen, hast du das nur getan? Er ist ein Arzt, Clay, er war nur dort, um dir zu helfen!" bemerkte ich vorwurfsvoll.
Clay verzog spöttisch das Gesicht. „Das war doch nur ein Spaß", spielte er sein unangebrachtes Verhalten herunter. „Ich finde das überhaupt nicht lustig, Clay! Einen Doktor baggert man nicht einfach an, während er einen untersucht!" „Es ist mir egal, was man macht!" erwiderte Clay trotzig, „Und das solltest du eigentlich langsam wissen, Eliza!" Ich blies die Luft aus. „Ja, das weiß ich allerdings, und ich finde das schlimm genug. Aber das du ausgerechnet bei Siamak Tourani die Kontrolle verlieren musst!" „Wieso? Hat er sich über mich beschwert?" fragte Clay mich lauernd. „Ich habe zu keiner Zeit die Kontrolle verloren", betonte er im nächsten Moment verärgert.
„Aber ich muss weiterhin mit Siamak arbeiten, Clay! Und er denkt jetzt, dass du ganz dringend psychologische Hilfe benötigst! Er denkt jetzt, dass ich einen vollkommen durchgeknallten Exfreund habe!" beschwerte ich mich laut. Clay stöhnte genervt auf. „Also geht es hier eigentlich nur um dich, Eliza. Du machst dir Sorgen, was andere Leute über dich denken", stellte er verständnislos fest. „Ja, das stimmt. Immerhin muss ich mit diesen Leuten täglich zusammenarbeiten!" erklärte ich ihm ernst. „Tut mir leid, dass ich dein Image beschädigt habe!" knurrte Clay gelangweilt.
Daraufhin war es eine Weile still im Wagen, während wir über die dunkle Landstraße fuhren. Ich versuchte mich zu beruhigen. Ich redete mir zu, dass das alles gar nicht so schlimm war, weil Siamak mit Sicherheit nicht mit anderen darüber reden würde.
„Hat Siamak wirklich gesagt, dass ich psychologische Hilfe brauche?" erkundigte Clay sich nach einiger Zeit unsicher. Offenbar gefiel ihm dieser Gedanke ganz und gar nicht. Ich lachte spöttisch. „Ja, allerdings, und darüber brauchst du dich auch gar nicht so zu wundern, Herr Banton. Du hast dich anscheinend so dermaßen psychotisch verhalten, dass er als Arzt zu gar keinem anderen Schluss kommen konnte!" warf ich ihm kühl vor. Anklagend warf ich ihm einen Blick zu.
Er lag jetzt fast auf seinem Sitz, wand sich unbehaglich herum und starrte unentwegt durch die Frontscheibe. Er wirkte nervös und aufgewühlt. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Ganz offensichtlich zerrte sein Heroindefizit immer stärker an ihm. „Ich bin nicht psychotisch", wehrte er sich halbherzig. „Das bist du leider viel zu oft", entgegnete ich anklagend.
Darauf schlug er urplötzlich mit seiner Faust von innen gegen die Beifahrertür. „Ich habe mich kein bisschen krank verhalten!" schrie er beleidigt los. Seine unerwartete Aggressivität erschreckte mich. „Hör sofort auf gegen mein Auto zu schlagen, Clay! Beruhige dich doch!" stöhnte ich entnervt. „Du wirfst mir immer so blöde Sachen an den Kopf!" meinte Clay wütend und schlug nochmal gegen die Tür. „Hör auf!" schrie ich erbost, „Ich sage dir nur Tatsachen, die du selbst nie mitkriegst!" Hastig griff ich zu ihm hinüber, um ihn an weiteren Schlägen zu hindern. Ich wollte auf keinen Fall, dass er mit seiner kindischen Brutalität mein Auto beschädigte. Der Mann wehrte sich nur müde gegen mich, aber ich brauchte einige Zeit, um ihn zu beruhigen.
Clay
Erleichtert registrierte ich, dass sie tatsächlich hinaus zu meiner Wohnung fuhr, genau wie sie es versprochen hatte. Sie war wütend auf mich, und ich hatte keine Ahnung, warum. Sie machte sich völlig hirnrissige Gedanken. Zum Glück fuhr sie aus lauter Wut sehr schnell, deshalb dauerte die Fahrt nicht allzu lange. Als sie endlich vor meiner Haustür hielt, riss ich sofort die Beifahrertür auf, noch bevor sie den Motor abgestellt hatte. „Man dankt, Liz", sagte ich zu ihr, ohne sie anzusehen. Ich wollte eilig aussteigen, aber alles drehte sich und ich sank stöhnend zurück in den Sitz.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Komm schon, motivierte ich mich verbissen, dieses letzte scheiß Stück wirst du doch wohl auch noch schaffen! Aber mir ging es inzwischen echt mies. Die Schmerztabletten wirkten zwar ganz gut, aber der Affe tanzte immer heftiger in meinem Körper. Er verwandelte alle meine Knochen in schweres Blei, zerrte und zog wie verrückt an meinen Muskeln herum. Der Schweiß sammelte sich in meinen Achselhöhlen und lief eiskalt an mir hinab.
Siamaks hässliche Diagnose meiner Psyche und die Tatsache, dass er ausgerechnet Eliza von unserem harmlosen Flirt erzählt hatte, ging mir sehr viel näher, als mir lieb war. Ich fühlte mich echt verarscht von diesem geilen Mann. Er war es doch gewesen, der mich zuerst angefasst hatte! Er hatte mir versichert, dass mit mir alles völlig in Ordnung wäre, und hinter meinem Rücken beschwerte er sich bei Eliza über mich! Dieser fiese Verrat setzte mir übel zu, aber ich zwang mich, nicht noch länger darüber nachzudenken.
Ich warf Liz einen vorsichtigen Blick zu. Sie beobachtete mich die ganze Zeit reglos. „Tut mir leid", wollte ich sie instinktiv besänftigen. Sie lächelte total resigniert. „Ja, Clay, ich weiß", erwiderte sie traurig. „Ich gehe am Montag zum Methadonarzt", versuchte ich sie irgendwie aufzumuntern. Sie schlug mich daraufhin wütend gegen die Schulter, was sehr weh tat. „Jetzt steig schon aus, geh endlich rein, Banton! Du brauchst doch unbedingt ein bisschen Heroin! Ich will dich nicht davon abhalten, deinen Körper noch mehr zu zerstören!" schrie sie mich verbittert an.
Erschrocken nahm ich all meine Kraft zusammen und fiel förmlich aus ihrem Micra. Ich kroch zu meiner Haustür, dann stolperte ich die Treppen im dunklen Flur hinauf. Ich suchte hastig nach meinen Schlüsseln und schloss mit zitternden Fingern die Wohnungstür auf. Dann taumelte ich in meine Wohnung und im Dunkeln ins Badezimmer. Ich schaltete das Neonlicht ein und wankte zum Klo. Ich klappte den Deckel auf und hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Eine Weile würgte ich herum, musste aber doch nicht kotzen. Um Gleichgewicht bemüht stand ich vor dem Klo und knöpfte meine Jeans auf. Ich holte meinen Schwanz raus. Er war nicht mehr hart, denn die miesen Gefühle, ewiger Streit mit Eliza und der jubelnde Affe hatten meine Geilheit auf der Fahrt hierher so ziemlich gekillt.
Mühsam versuchte ich zu pinkeln. Es gelang mir nicht sofort, und ich geriet beinahe in Panik deswegen, weil meine Nieren schmerzten. Als ich endlich pinkeln konnte bemerkte ich, dass es tatsächlich wie Blut aussah, genau wie Siamak es vorhergesagt hatte. Leicht beunruhigt leerte ich meine Blase und klappte den Deckel wieder zu. Danach zog ich das Klo ab und drehte mich langsam um.
Im Türrahmen stand Eliza Laser. Sie beobachtete mich völlig reglos. Ich war wirklich nicht überrascht, sie zu sehen, zu offensichtlich war ihre grenzenlose Sehnsucht nach mir. Außerdem hatte ich, eventuell sogar mit Absicht, die Wohnungstür nicht hinter mir zugemacht. Ich hatte erwartet, dass sie mir folgte. Vielleicht war ich sogar froh, sie dort zu sehen. Womöglich war mir ihre Anwesenheit nach den Vorfällen der letzten Stunden lieber, als die Einsamkeit. Die unterschwellige Angst vor zu erwartenden Albträumen drängte mich nach Gesellschaft.
Verlegen packte ich meinen Schwanz ein, wusch mir die blutigen Hände und schaute dabei automatisch in den Spiegel. Verdammt, ich sah wirklich nicht gut aus! Mein Gesicht wirkte angeschwollen und war voller bunter Flecken. Meine Lippe war aufgeplatzt. Mein Auge verfärbte sich blau. Erschrocken wandte ich mich ab und ging zum Kasten des Whirlpools. Ich ließ mich auf dem Boden nieder in der Gewissheit, dass die Frau mir ganz genau dabei zusah. Ich konnte und wollte jetzt keine Rücksicht mehr auf sie nehmen, denn diese Belohnung hatte ich mir mehr als verdient. Ich sah nur so beschissen aus, weil irgendwelche scheiß Teenager mich brutal verprügelt hatten, aber ich hatte mich trotz ihrer bewaffneten Überzahl tapfer geschlagen, fand ich. Es war jetzt definitiv endlich Zeit für angenehme Gefühle. Die Zeit war sogar überreif für jede Menge geiler Chinesen, für warme Watte in meinem verletzten Körper und verwirrten Gehirn. Ich hatte keine Lust mehr auf Streit oder Schläge, absolut keinen Bock, mich mit Eliza auch nur auseinanderzusetzen. Ich wollte mir jetzt nur noch etwas Gutes tun, sofort, und der Affe stimmte mir aus tiefstem Herzen zu.
Voller Vorfreude holte ich das Heroin und die Rauchutensilien aus dem Kasten, breitete alles auf dem Boden aus und legte mir eine große Menge shore aufs Silberpapier. Mit vor Aufregung zitternden Fingern rauchte ich den ersten Chinesen in einem Zug. Ich schloss die Augen und hielt den Rauch so lange wie möglich in meinen überquellenden Lungen. Auf der Stelle breitete sich die warme, beruhigende Wirkung in meinem schmerzenden Körper aus. Augenblicklich ging es mir viel besser und ich wurde ganz ruhig.
Ich merkte, wie Liz an mir vorbeiging, und öffnete die Augen. Sie ging Richtung Toilette und betrachtete mich völlig ausdruckslos. „Ich muss pinkeln. Dreh dich um, Clay", befahl sie mir resigniert. Ich hustete und atmete dabei zu viel Qualm aus. Ich sah sie an und fragte mich, warum sie mir wohl hierher gefolgt war. War sie lediglich scharf auf mich? Wollte sie nur Sex mit mir? Oder wollte sie, genau wie ich, nur nicht allein sein in dieser scheiß Nacht? Ihre Anwesenheit war mir recht. Sie war ganz still und störte mich nicht. Sie tolerierte es sogar, dass ich Heroin rauchte, was mir unbegreiflich schien. Ich lächelte sie dankbar an und fand sie plötzlich wunderschön. „Jetzt mach schon, guck weg!" meinte sie ungeduldig. Ich drehte ihr den Rücken zu, obwohl ich ihre Scheu nicht nachvollziehen konnte. Immerhin hatte ich sie schon oft auf dem Klo sitzen sehen. Ich rauchte noch einen Chinesen, während ich sie pinkeln hörte. Dann konnte ich hören, wie sie abzog und sich am Waschbecken die Hände wusch.
„Geht's dir jetzt besser?" fragte sie mich etliche Chinesen später plötzlich spöttisch. Ich drehte mich zu ihr hin und nickte. „Du hast keine Ahnung, wie sehr", seufzte ich erleichtert und legte mir einen neuen Chinesen auf. Auch diesen rauchte ich mit grenzenlosem Genuss. „Wie viel von dem Mist musst du noch rauchen, um einen hochzukriegen, Banton?" fragte sie mich unerwartet boshaft. Gekränkt warf ich ihr einen Blick zu. „Ich glaube nicht, dass ich heute Nacht nochmal einen hochkriegen kann, Liz. Ganz egal, wie viel von dem Mist ich noch rauche!" machte ich ihr trotzig klar. Ich nahm mir vor, ihr nicht zu Willen zu sein, wenn sie mich auf diese Art nervte. Aber Eliza hatte es gar nicht so böse gemeint, wie es sich angehört hatte. Sie musterte mich abschätzend.
Im nächsten Moment kam sie näher und ließ sich dicht neben mir auf den Boden sinken. Sie streichelte über meinen Kopf, meinen Hals, dann über meinen Rücken. „Bist du dir sicher?" wollte sie amüsiert wissen, „Vorhin im Krankenhaus hattest du doch überhaupt keine Probleme in dieser Richtung, ganz im Gegenteil!" Ich schloss abwehrend die Augen. Ich wollte im Moment nicht an das Krankenhaus denken, nicht an Siamaks miesen Verrat, nicht an meine peinliche körperliche Reaktion, als er mit seiner Nadel in mein Fleisch stach. Jetzt, im Nachhinein, konnte ich das alles überhaupt nicht mehr verstehen.
Außerdem fühlte ich mich inzwischen echt müde. Ich war erschöpft, und die Strapazen der Nacht zerrten an meinen Kräften. Die shore wollte mich in einen betäubten Dämmerschlaf schicken. Ich wollte nur noch diese angenehme Wärme in mir spüren und hatte überhaupt keine Lust mehr auf sexuelle Betätigung. Sex mit Eliza war nämlich jedes Mal auch ziemlich anstrengend. Andererseits hatte ich keinen Bock, ein Versager zu sein. Andererseits fühlte sich ihre Hand an meinem Körper ziemlich gut an.
„Eliza, ich weiß nicht", flüsterte ich ergeben. Sie lachte erneut amüsiert. „Was weißt du nicht, Clay?" forderte sie mich heraus. Sie betrachtete mich keck, und ich fühlte mich der Frau, wie fast immer, gnadenlos unterlegen. Sie war aufgeregt und erwartungsvoll. Sie wusste, im Gegensatz zu mir, ganz genau, was sie jetzt wollte. Nervös rauchte ich noch mehr Heroin. Sie streichelte sich an meinem Rücken hinunter. Dann mogelte sich ihre Hand unter mein T-Shirt bis auf meine nackte Haut. Sie schob ihre Hand sanft hinten in meine Jeans und streichelte eine Weile zart über die Grenze zwischen meinem Rücken und meinem Hintern.
Mit der Zeit fiel es mir immer schwerer, ihre drängende Zärtlichkeit zu ignorieren. Ihre warme Hand fühlte sich gut an, sie war sehr sanft. Ich fing unwillkürlich an zu zittern. Krampfhaft hielt ich mich an der Tätigkeit des Heroin-Rauchens fest, bis sie plötzlich ihre Hand von meiner Haut zurückzog und mir einfach dreist die Alufolie wegnahm. Das kam so überraschend, dass ich gar nicht reagieren konnte. Sie knüllte die Folie ungeduldig zusammen und warf sie wütend quer durchs Zimmer. Ich hatte noch genug davon, deshalb war mir dieser Verlust herzlich gleichgültig. „Guck mich an, Clay!" forderte sie mich auf.
Abrupt wurde mir bewusst, dass Liz mich tatsächlich zum ersten Mal Heroin rauchen sah, was mich unglaublich bestürzte. Bisher hatte ich dieses Laster nämlich konsequent vor ihr verborgen gehalten. Alarmiert nahm ich mein Zugrohr aus dem Mund, legte es neben mich und starrte sie an. Sie lächelte gutmütig, was mich beruhigte. „Zieh doch deine Jacke aus", schlug sie mir aufgeregt vor. Ich gehorchte ihr sofort, denn mir war ohnehin sehr warm geworden. Sie betrachtete eine Weile ausgiebig mein T-Shirt. Ich folgte ihrem Blick irritiert. Mein teures, weißes Wrangler T-Shirt war zerschnitten worden und voller Blut, was mich ziemlich ärgerte. Hilflos schaute ich wieder Eliza an. Sie lächelte immer noch, eindeutig erwartungsvoll, dann zog sie mir spontan das T-Shirt über den Kopf. Ich wehrte mich nicht gegen sie. Es war warm in meinem Badezimmer, und das Heroin hatte mich äußerst angenehm in Watte gepackt.
Nun saß ich mit freiem Oberkörper dicht neben ihr und betrachtete sie. Eliza Laser war wunderschön. Ihr Haar war dunkelblond und echt lang. Es war wohl frisch gewaschen, denn es wirkte seidig weich. Ich bekam große Lust, es anzufassen und strich ihr zärtlich über den Kopf. Ihr Haar fühlte sich tatsächlich ganz weich an. Völlig hingerissen fuhren meine Finger ganz zart über ihr Haar, berührten es kaum. Dann streichelte ich ihr hübsches Gesicht, die Augenbrauen, die Wangen, meine Finger fuhren vorsichtig an ihren Lippen entlang. Sie fühlte sich gut an, und ich war auf einmal heilfroh, dass meine Fingerkuppen nicht zerschnitten worden waren, denn so konnte ich sie ganz genau spüren.
Eliza ließ mich eine Weile gewähren und lehnte ihr Gesicht lächelnd gegen meine Hand. Sie genoss sichtbar meine sanfte Zärtlichkeit. Aber sie wirkte auch merkwürdig traurig, und das bedauerte ich. Sie sollte nicht traurig sein. Ich wollte sie sehr viel lieber glücklich machen. Ich beugte mich zu ihr, um sie tröstend zu küssen, doch sie wandte sich abrupt von mir ab und zog ihre Jacke aus. Irritiert sah ich sie an. Sie seufzte tief, während sie mich eingehend studierte.
„Was ist mit dir passiert?" fragte Eliza mich betrübt. Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Mir wurde bewusst, dass mein Körper ziemlichen Schaden bei dieser Prügelei erlitten hatte, und dass Liz sich diese Wunden gerade genau ansah. Bestimmt zählte sie die vielen Schnitte und die blauen Flecken auf meinem Oberkörper. Ihr extrem prüfender Blick war unangenehm, ich fühlte mich dem irgendwie nicht gewachsen.
Plötzlich streckte sie ihre Hand aus und fuhr sacht über meine Rippen, vielleicht, um zu testen, ob sie gebrochen waren, was sich zum Glück nicht so anfühlte. Ihre kleine Hand war ganz warm, und ich konzentrierte mich auf ihre Berührung.
Bald darauf gierte es in mir nach einer bestimmten Stelle, und ich ließ mich langsam auf den Rücken sinken. Der harte Marmorboden in meinem Badezimmer war wegen der Fußbodenheizung behaglich warm. Ich lag eine Zeit lang mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, sie streichelte meine Rippen. Dann wanderten ihre Finger langsam tiefer, bis ich endlich ihre Hand auf meinem nackten Bauch spürte. Shit, diese Frau kannte mich so verdammt gut! Spontan entwich mir ein wohliges Stöhnen. Überwältigt hielt ich den Atem an. Sie ließ ihre Hand auf meinem Bauch und legte sich dicht neben mich. Ich konnte ihren weichen Körper an meiner Seite fühlen. Ich wollte für immer so liegen bleiben, zugeknallt mit Heroin, für immer ihre Hand auf meinem nackten Bauch spüren. Meine Welt war in diesem Moment vollkommen in Ordnung.
Aber viel zu schnell rutschte ihre Hand an meinem Bauch herunter bis in meine Jeans, was ich wirklich bedauerte. Alarmiert öffnete ich die Augen und zuckte nervös vor ihr zurück. Sie streichelte über mein rasiertes Schamhaar, den Ansatz meines Schwanzes, ihre Hand fest unter den Knöpfen meiner Jeans. Ich schaute sie widerwillig an. Sie lag auf der Seite, dicht neben mir, aufgestützt auf ihrem Ellbogen. Sie beobachtete mich belustigt und unverkennbar erregt.
„Liz...", protestierte ich ratlos, denn ihre Hand drängte tiefer in meine Unterhose. „Ich weiß nicht", wiederholte ich schließlich irgendwie blöd und zog ihre Hand hastig aus meiner Jeans. Ich war verwirrt und nicht sicher, ob ich ihr gewachsen sein würde. Sie blies spöttisch die Luft aus. „Erzähl mir, was mit dir passiert ist, Clay!" forderte sie mich nochmal auf. „Seit wann gefällt es dir nicht, wenn ich meine Hand in deine Shorts schiebe?!" setzte sie verständnislos hinzu. Ihre Augen funkelten herausfordernd.
Hilflos sah ich sie an. Ich wollte wahrhaftig nicht an diesen Scheiß erinnert werden. Diese Erinnerung war viel zu niederschmetternd, zu schmerzlich, noch viel zu frisch, als dass ich mich ihr stellen wollte. Die Auswirkungen dieser Schläge waren noch viel zu deutlich spürbar, sogar trotz Siamaks guten Schmerztabletten und der lindernden Wirkung des Opiums. Aber Eliza ließ natürlich nicht locker. „Bitte erzähl's mir, Clay!" quengelte sie wissbegierig und strich mit ihrem Finger über meine Hand, die neben meinem Körper lag. „Sieh nur, deine armen Handgelenke, waren die etwa gefesselt?" flüsterte sie traurig. Ich hörte sie deutlich, fühlte ihre Berührung, und mein Herz klopfte stärker. Die Erinnerung schlug ungewollt zu.
Ich hatte verhindern wollen, dass sie mir die Hosen runterzogen, hatte mich verbissen gewehrt, aber die vier Maskierten waren zu stark gewesen. Sie hatten mich überwältigt und meine Arme hinter meinem Körper schmerzhaft verdreht. Mit ihren scheiß Kabelbindern hatten sie mich gefesselt, und ich erinnerte mich plötzlich genau daran. Wie eng das scharfe Plastik sich in meine Haut gegraben hatte und die Blutzirkulation abschnürte. Wie bewegungslos mich das machte und wie hilflos ich mich dadurch gefühlt hatte.
Eliza streichelte jetzt wieder meinen Bauch, aber ich konnte es gar nicht richtig genießen, weil die Bilder in meinem Kopf zu grausam waren. „Und diese kleinen Verbrennungen an deinem schönen Bauch, war das etwa ein Elektroschocker?" wisperte die Frau fassungslos. Ich schluckte trocken.
Diese Verletzung gehörte nicht zu den anderen, aber sie war trotzdem genauso ein Beweis meiner Unfähigkeit. Verdammt, Jill, diese Reporterin, hatte mich eiskalt erwischt und auf die Bretter geschickt. Das hatte verflucht weh getan, und offenbar waren von dem mächtigen Stromschlag Verbrennungen auf meiner Haut zurückgeblieben. Mein Herz hämmerte jetzt hart, ich atmete tief ein und aus.
Eliza betrachtete mich abwartend. Als ich nicht reagierte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit an mir hinauf. „Was sind das für rote Striemen an deinem Hals?" flüsterte die Frau dicht an meinem Ohr und strich dabei sanft über meinen Kehlkopf. Sie hat sich meinen verletzten Körper tatsächlich ganz genau angesehen, dachte ich beunruhigt. Und dieser ganze Scheiß hat tatsächlich Spuren auf meiner Haut hinterlassen, Fuck! Jede einzelne Waffe, jeder Schlag ist jetzt auf mir sichtbar, verdammt! Ich bin total entstellt!
Diese niederschmetternde Tatsache gefiel mir überhaupt nicht. Mein Herz hämmerte noch schneller, das Atmen fiel mir zunehmend schwer. Die Frau küsste ganz zart mein Ohr, leckte mit ihrer Zungenspitze über mich, und ich bekam unwillkürlich eine Gänsehaut. Meine Finger zitterten. Ich seufzte und fühlte mich ihrer Neugierde schutzlos ausgeliefert. Sie verlangte drängend nach Antworten, und mir war klar, dass ich ihr auf Dauer nicht ausweichen konnte. Dabei war ihre Nähe alles andere als unangenehm. Ich brauchte aber etliche Minuten, um mich innerlich so weit zu stärken, dass ich ihr antworten konnte. Sie lag die ganze Zeit neben mir, streichelte mich sanft und wartete echt geduldig. Ich atmete tief ein und musste mir einen Ruck geben.
„Ich bin heute Nacht... wirklich... schlimm... verprügelt worden...", fing ich endlich widerwillig an zu stammeln. Sofort schlug die böse Erinnerung wie ein unerwartet harter Faustschlag in meinen Kopf ein und schnürte mir augenblicklich die Kehle zu. Diese grausamen Bilder waren sogar um ein Vielfaches stärker als die angenehm betäubende Wirkung des Heroins in meinem Gehirn. Sie machten die Betäubung fast zunichte, was ich niemals erwartet hätte. „Von wem? Und warum?" wollte Eliza verständnislos wissen. Ich spürte heiße Tränen in meine Augen stürzen und versuchte krampfhaft, sie zurückzuhalten. Ich konnte Liz nicht ansehen, starrte nur noch panisch an die Decke meines Badezimmers. „Ich denke... das Mädchen...", stotterte ich maßlos überfordert.
Dieses scheiß Junkiemädchen! Ich war so geil auf sie gewesen, hatte sie mit Gewalt zu Boden gerissen, mich gierig auf sie gelegt, und sie hatte sich dafür grausam an mir gerächt! Schon fühlte ich die Tränen aus meinen Augen laufen, ohne dass ich es hätte verhindern können. Verwirrt, überlastet und beschämt drehte ich mich von Liz weg auf die andere Seite. Sie streichelte meinen Nacken. „Haben die dich etwa mit einem Seil gewürgt?" wollte sie leise wissen. Augenblicklich schnürte sich meine Kehle noch viel enger zu, glaubte ich, das verdammte Seil erneut um meinem Hals zu spüren. Entsetzt schnappte ich nach Luft.
Was geht denn jetzt ab?, fuhr es mir kurz erstaunt durch den Kopf. Jemand würgte mich! Ich bekam keine Luft mehr! Fuck, Fuck, Fuck, dachte ich gleich darauf wirr, du stellst dich an wie das hinterletzte Weichei! Reiß dich gefälligst zusammen, du blöde Schwuchtel! Ich schluchzte ein paar Mal hart und zwang mich verspannt, mich zu beruhigen. Die brutale Erinnerung meiner schmählichen Niederlage schien schlagartig alle Wunden an meinem Körper und in meiner Seele wieder aufzureißen. Auf einmal waren die Marmorfliesen meines Badezimmers, auf denen ich lag, unerträglich hart. Plötzlich war meine offensichtliche Unterlegenheit Eliza gegenüber nicht länger zu ertragen.
„Clay! Ist ja gut! Beruhige dich doch!" rief Liz erschrocken und strich mir hastig über den Kopf, wo sie wohl Beulen fühlte. „Haben die dich echt auf den Kopf geschlagen?" fragte sie verzweifelt. „Ach, Fuck!" schluchzte ich und kroch nervös auf die Beine. Ich wollte nur noch weg von ihr. Sie durfte mir einfach diese Fragen nicht mehr stellen, keine einzige beschissene Frage mehr! Diesen massiven Angriff auf meine Seele konnte ich nicht aushalten. Mein Herz hämmerte laut in meinen Ohren.
Ich stand hastig auf und taumelte kopflos den dunklen Flur entlang Richtung Wohnzimmer. Ich stieß im Dunkeln heftig gegen den Tisch und fiel irgendwie auf mein großes, weiches, extrem teures Sofa. Verdammt, mahnte ich mich verärgert, was ist denn jetzt los, hör auf mit diesem Mist, krieg dich wieder ein, du Spinner!
Aber ich brauchte noch ziemlich lange, um mit diesem verwirrend starken Ausbruch von niederschmetternden Gefühlen fertig zu werden. Es dauerte, bis ich die Erinnerung so weit unterdrücken konnte, dass sie wieder halbwegs erträglich wurde. Ich lag allein auf meinem Sofa im dunklen Wohnzimmer und atmete ganz tief durch. Ich schloss die Augen und besann mich krampfhaft auf die lindernde Wirkung des Heroins. Ich konzentrierte mich auf jede Stelle meines Körpers, die mir weh tat. Ich versuchte, den Schmerz als Kraftquelle zu nutzen. Merkwürdiger Weise gelang mir das nach einiger Zeit sogar irgendwie.
Eliza
Sein wunderschöner, so erregend gut durchtrainierter Körper war förmlich übersät mit Schnitten und Blutergüssen. Ich registrierte das Blut und seine vielen Wunden mit Schrecken. Ich fragte mich, wer eine solche Wut auf ihn hatte, um ihm das anzutun. Und warum?
Sofort kam mir die Steine-Szene im Grenzland-Theater an diesem Abend wieder in den Sinn. Ich vermutete stark, dass die beiden gewalttätigen Angriffe auf Clay zusammenhingen. Dass es vielleicht noch immer um den schlimmen Vorwurf einer Vergewaltigung ging. Womöglich handelte es sich sogar um die gleichen Täter.
Aber Clay wollte mir nichts darüber erzählen. Er wollte noch nicht mal von mir angefasst werden, was mich wirklich irritierte, denn das kannte ich von ihm nicht. Der Mann zuckte tatsächlich vor mir zurück, war nervös und ängstlich. Er hatte offenbar immer noch Schmerzen, obwohl er vor meinen Augen jede Menge Heroin geraucht hatte. Es war traurig und beängstigend, ihn diese harte Droge rauchen zu sehen. Ich musste mich stark zurückhalten, um ihm dieses scheiß Zeug nicht sofort wegzunehmen. Aber offensichtlich stand Clay Banton tatsächlich noch unter der Schockeinwirkung dieses brutalen Angriffs, deshalb zwang ich mich, nachsichtig mit ihm zu sein. Ich versuchte ihn zu beruhigen, indem ich ihn ganz sanft streichelte. Sein Körper war so stark und muskulös und erregte mich automatisch sehr. Ich bekam das dringende Bedürfnis, mit ihm zu schlafen, sehnte mich immens nach seiner Zärtlichkeit.
Der Mann lag mit geschlossenen Augen neben mir auf dem Rücken, auf den harten aber warmen Marmorfliesen seines Badezimmers. Ich kuschelte mich dicht an ihn und legte ihm meine Hand flach auf den Bauch. Er genoss das sichtbar, und ich betrachtete ihn eingehend mit klopfendem Herzen. All diese Spuren auf seinem Körper sprachen eine traurige, erschreckende Sprache. So viel stumpfe Gewalteinwirkung durch Schläge oder Tritte! Einige Verletzungen stammten von verschiedenen Waffen, wahrscheinlich neben den Messern auch noch Schlagstöcke und Elektroschocker, Seile und Schnüre. Ich konnte mir wohl nicht mal ansatzweise vorstellen, was genau er in den letzten Stunden mitgemacht hatte.
Aber trotzdem war ich geil auf ihn. Ich hoffte, ihn damit von seinem Schmerz ablenken zu können und tastete mit hämmerndem Herzen nach seinem Penis. Clay gefiel das aber seltsamerweise überhaupt nicht und er entzog sich mir hastig, was mich ziemlich kränkte. Der panische Ausdruck seiner Augen beunruhigte mich zunehmend, denn er hatte doch genug Heroin geraucht und sollte deswegen viel ruhiger sein, dachte ich. Anscheinend war aber sein überaus brutales Erlebnis in dieser Nacht aus irgendeinem Grund viel schlimmer gewesen, als andere Gelegenheiten, bei denen er Schläge kassiert hatte. Und meines Wissens nach hatte dieser Mann in seinem Leben schon jede Menge Schläge einstecken müssen. Aber noch niemals hatte ich ihn so aufgewühlt erlebt.
Ich war sehr neugierig und versuchte vorsichtig, mehr herauszufinden. Ich fragte ihn wiederholt, was ihm passiert war, streichelte seine Wunden und äußerte meine Vermutungen. Clay hatte merkbar Mühe damit, sich mir anzuvertrauen und ich fragte mich sofort misstrauisch, was er wohl vor mir verbergen wollte. Was war der wahre Grund für diesen Vorfall? Hatte er diese Frau vielleicht tatsächlich vergewaltigt und deshalb jetzt ein schlechtes Gewissen? Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, während ich über seine Wunden strich und mir vorstellte, welche Waffe wohl diese eindeutigen Spuren auf ihm hinterlassen hatte. Die Vorstellung tat mir weh. Ich wollte nicht, dass jemand ihm dermaßen zusetzte. Niemand hatte das Recht dazu, ihn so schwer zu verletzen!
Irgendwann stammelte er widerwillig etwas von der Prügelei und irgendeinem Mädchen. Damit konnte ich kaum etwas anfangen. Er fing unvermittelt an zu schluchzen und schämte sich deswegen dummerweise vor mir. Bevor ich ihn aufhalten konnte, stand er plötzlich auf und stolperte hastig, voller Scham und Angst aus seinem teuren, schönen Badezimmer. Ganz offensichtlich lief er einfach vor mir davon und ich blieb allein zurück. Sein Verhalten verwirrte, kränkte und beunruhigte mich. Clay Banton tat mir inzwischen extrem leid. Noch nie hatte ich ihn so dermaßen verletzt erlebt. Der Mann war sogar so sehr verletzt worden, dass allein die Erinnerung daran ihn vollkommen aus der Fassung brachte. Ganz eindeutig stand er gewaltig unter Schock.
Ich dachte darüber nach und fragte mich nervös, was ich jetzt tun sollte. Wie konnte ich ihm helfen? Und noch viel wichtiger: Wollte ich ihm überhaupt helfen? Doktor Siamak Tourani hatte doch im Krankenhaus festgestellt, dass Clays Verletzungen nicht lebensbedrohlich waren! Immerhin war er ja auch sichtbar noch in der Lage, sein beschissenes Heroin zu rauchen! Hatte der Mann diese Schläge vielleicht doch verdient gehabt? Hatte er diese Vergewaltigung tatsächlich versucht und das betreffende Mädchen hatte sich heute völlig zu recht an ihm gerächt?
Ich wusste es nicht und war ziemlich durcheinander. Aber ganz abgesehen davon hatte ich einfach nur tierische Lust auf diesen geilen Mann. Wenn ich ehrlich war, war dies der Hauptgrund, warum ich ihm hierher in seine Wohnung gefolgt war.
Der zweite Grund war, dass ich bei ihm übernachten und so Rowina aus dem Weg gehen wollte. Mein Appetit auf Herrn Banton wiegte jedoch schwerer. Ihn so nah neben mir zu spüren, seine Schönheit eingehend zu betrachten, hatte meine Hormone automatisch in Wallung gebracht. Und Sex mit mir hatte ihn doch bisher noch immer von allen Problemen abgelenkt!
Unschlüssig saß ich in seinem Badezimmer und überlegte. Er war in Richtung seines Wohnzimmers verschwunden, hatte aber kein Licht angemacht. Saß er dort etwa allein im Dunkeln herum? Sollte ich vielleicht zu ihm gehen und nachschauen, wie es ihm ging? Oder brauchte er diese Zeit für sich allein, um sich beruhigen zu können? Er war so panisch vor mir geflüchtet, vielleicht war es besser, ihn einen Moment in Ruhe zu lassen.
Mein Blick fiel auf das Heroin, was immer noch auf einem gefalteten Stück Papier auf dem Boden lag. Daneben lag ein kleiner Plastikbeutel mit noch mehr Heroin drin. Ich bekam große Lust, die harte, überaus gefährliche Droge einfach ins Klo zu werfen. Wenn er ohnehin bald aufhören wollte, wie er ja wiederholt behauptet hatte, dann könnte er das auch sofort tun, meinte ich grimmig.
In diesem Moment kam Clay zurück ins Bad. Er stand plötzlich im Türrahmen und hatte sich merkbar beruhigt. „Es tut mir leid", ließ er seinen Standardspruch los. Ich lächelte ihn an. Er sah sehr begehrenswert aus, trotz seiner Verletzungen. „Komm her", forderte ich ihn leise auf, „Komm doch zu mir." Ich streckte die Hand nach ihm aus. Er zögerte, was mich sofort kränkte, aber ich ließ mir nichts anmerken. „Komm doch zu mir, Clay", wiederholte ich nur sanft.
Er setzte sich endlich in Bewegung und sank langsam neben mich auf den Fußboden. „Ich bin so sehr... geschlagen... worden...", murmelte er verbittert. Ich beugte mich zu ihm und küsste sein verletztes Gesicht. „Schon gut, lass uns doch einfach später mal darüber reden", schlug ich ihm vor, worauf er mich sofort dankbar ansah. Komm schon, dachte ich gierig, so lange hast du doch noch nie gebraucht, um dich sexuell zu erregen.
Kurzentschlossen küsste ich ihn fordernd auf den Mund. Ich drängte mich gegen ihn und knöpfte ungeduldig seine Jeans auf. Er keuchte überrascht, erwiderte jedoch recht zaghaft meinen Kuss. Erst jetzt bemerkte ich plötzlich, dass er in diesem Moment echt widerlich schmeckte, nach bitterem Qualm und zu viel Whiskey. Sein Körper roch tatsächlich nach Blut und penetrantem Angstschweiß. Seine Jeans und Schuhe verströmten einen leichten Gestank nach Erbrochenem.
Ich versuchte verzweifelt, seinen unangenehmen Geruch zu ignorieren, und streichelte so eindeutig wie möglich seinen Schwanz. Das Gefühl seines warmen, weichen Geschlechts in meiner Hand erregte mich automatisch stark. Seine Zunge bewegte sich gewohnt sanft in meinem Mund. Er stöhnte, aber ich war mir nicht sicher, ob es aus Lust oder vor Schmerz war. Ich streichelte ihn gezielt, küsste ihn mit wachsender Leidenschaft, bis er irgendwann urplötzlich nach Luft schnappend seinen Kopf wegdrehte. Er griff nach meiner Hand in seiner Hose, um sie aufzuhalten. „Eliza...", keuchte er überfordert, „Ich..." Er brachte den Satz nicht zu Ende. Beschämt, widerwillig zog ich meine Hand zurück. Mein Herz klopfte hart, ich war jetzt tierisch geil auf ihn. „Was ist denn, Clay?" seufzte ich ungeduldig, „Was, um Himmels Willen, ist denn nur los mit dir?" „Ich kann jetzt nicht", informierte er mich kleinlaut, „Ich bin einfach nicht gut drauf. Es tut mir leid."
Er war über sein Versagen so geknickt, dass er mich nicht ansehen konnte. Ich betrachtete ihn eine Weile, und eine warme Welle der Zuneigung erfasste mich unerwartet. Der Mann kriegt wahrhaftig keinen mehr hoch, wurde mir gerührt bewusst. Er ist vollkommen impotent in diesem Moment. Sie haben ihn mit den brutalen Schlägen und Schnitten anscheinend seiner Libido beraubt. Der seelische Schock, den er dabei zweifellos erlitten hat, ist zur Zeit noch viel zu groß, um ihn mit Sex kurieren zu können.
Ich bedauerte seinen Zustand sehr, denn ich hatte tierischen Bock auf ihn. Schweren Herzens stand ich auf und guckte auf ihn herab. Ich atmete zweimal tief durch, um mich zu beruhigen. Ich fühlte eine merkwürdig starke Verbundenheit mit ihm, aber ich war auch erregt und deshalb verärgert. „Aber vorhin im Krankenhaus mit Siamak, da hast du noch ohne Probleme eine Erektion gekriegt, nicht wahr, Clay? Und sogar zweimal ganz kurz hintereinander!" warf ich ihm spöttisch vor. Er atmete genervt aus, richtete sich auf und schaute zu mir hoch. „Dieses Nähen hat mich total aufgegeilt", meinte er beinahe trotzig und strich mit der rechten Hand ziemlich provozierend über den weißen Verband an seinem linken Oberarm. „Was? Das Nähen?" entfuhr es mir fassungslos.
Einen Moment lang hatten wir intensiven Blickkontakt, dann wandte Clay sich seufzend ab und stand ebenfalls auf. „Ja genau. Ich weiß auch nicht warum", sagte er ruhig. „Willst du mich verarschen, Clay? Es war doch wohl eher Siamak, der dich total aufgegeilt hat! Immerhin hast du die ganze Zeit mit ihm geflirtet!" erwiderte ich ungehalten. Clay verdrehte die Augen und warf mir einen verärgerten Blick zu. „Ich bin müde, Eliza", quengelte er gelangweilt. Ich holte tief Luft. „Ja, ich bin auch müde, Clay! Aber du kannst mir trotzdem mal verraten, wie du überhaupt auf die irrwitzige Idee gekommen bist, dass Siamak auch nur irgendein anderes, als ein ärztliches Interesse an dir haben könnte!" Clay fixierte mich lauernd. „Keine Ahnung, Eliza! Das Nähen war einfach geil, das ist alles! Und ich flirte nun mal gerne! Flirten ist viel schöner, als streiten!" knurrte er aggressiv. Ich taxierte ihn, er erwiderte meinen Blick aufmüpfig.
„Soll ich jetzt beleidigt sein, Clay? Weil du bei Siamak Tourani auf der Stelle eine Erektion kriegst, und bei mir nicht?" rutschte mir unüberlegt heraus. Clay zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete mich irritiert. Im nächsten Moment lächelte er auch schon ziemlich charmant. „Du kannst alles sein, was du willst, Eliza. Aber einen Grund hast du dafür nicht", flüsterte er beinahe und strich plötzlich sanft, beruhigend mit seinen Fingern über meine Wange.
„Hör mal, Liz. Das im Krankenhaus war doch nur Spaß. Du weißt doch, wie gern ich flirte. Das bedeutet doch gar nichts", versicherte er mir lächelnd. Seine zarte Berührung elektrisierte mich ungewollt. Er lächelte so charmant, dass mir ganz schwindelig wurde. So hat er früher auch oft gelächelt, dachte ich, und er kann mich immer noch jedes Mal damit verzaubern. Mein Herz schlug schnell. Verwirrt versuchte ich, mich zu beruhigen, was gar nicht so leicht war.
„Alles bedeutet etwas!" sagte ich traurig zu Clay. Aber sein Blick verriet mir, dass er mich nicht verstehen konnte. Ihm war überhaupt nicht klar, dass er mich mit seinem ständigen Fremd-Flirten verletzte. Für ihn schien das ganze Leben nur ein Spaß zu sein, was mich plötzlich daran erinnerte, dass ich mit diesem sorglosen Mann doch eigentlich längst Schluss gemacht hatte. Reiß dich zusammen, mahnte ich mich verärgert, lass dich bloß nicht von ihm einwickeln! Mühsam drehte ich mich von ihm weg, er roch nach Whiskey und Rauch. „Du musst dir unbedingt deine Zähne putzen", bemerkte ich vorwurfsvoll. Clay grinste amüsiert. „Ja, das sollte ich tatsächlich tun", gab er mir sofort recht.
Unverzüglich ging er zum Waschbecken, hielt sich schwankend daran fest, schaute in den Spiegel und zuckte erschrocken zurück. Sein lädiertes Gesicht schockte ihn unvermindert, als er es zum zweiten Mal sah. „Oh, Fuck!" stöhnte er und betastete entsetzt die bunt verfärbten, geschwollenen Stellen, „Fuck, Valmont wird mich umbringen!" „Valmont würde dich niemals umbringen, Clay!" widersprach ich ihm direkt spöttisch und trat hinter ihn. Ich legte sacht meine Arme um ihn und schaute über seine Schulter in den Spiegel. Sein linkes Auge verfärbte sich dunkel zum Veilchen. Sein Gesicht war ein wenig angeschwollen und an einigen Stellen fast bunt, aber er war immer noch sehr hübsch.
Clay starrte sich eine Weile reglos an, dann schlug er plötzlich wütend gegen das Waschbecken. „Ich hab ihn gebeten, mich nicht ins Gesicht zu schlagen, aber das war ihm scheißegal!" beschwerte er sich verbittert bei mir. Sogleich lag auf meiner Zunge die Frage, wen er damit meinte. Clay schaute mich durch den Spiegel an. Er ahnte meine Frage und öffnete hastig den Spiegelschrank, um ihr auszuweichen. Er holte seine elektrische Zahnbürste, die Zahnpasta, Zahnseide, ein Glas und das Mundwasser heraus. Dann klappte er den Schrank wieder zu und wich meinem Blick im Spiegel auffallend aus. Ich werde ihn eben später danach fragen, dachte ich gerührt, irgendwann wird er es mir erzählen. Clay fing an, sich die Zähne zu putzen und spülte sich hustend den Mund aus.
Ich wandte mich ab, setzte mich auf die Stufen des Whirlpools und zündete mir eine Zigarette an. Ich beobachtete ihn, studierte seine Wirbelsäule, die Muskeln, den breiten Rücken, wo er kaum Schnittwunden hatte, aber ebenfalls blaue Flecken. Ich versuchte mir vorzustellen, wie irgendwer brutal auf ihn einprügelte und mit einem Messer in seine Haut schnitt. Wie jemand ihn fesselte, würgte und auf den Kopf schlug. Diese grausamen Bilder taten mir total weh. Verdammt, ich liebe ihn immer noch, wurde mir wieder einmal bewusst, ich kann ihm immer noch alles verzeihen. Von dieser Erkenntnis fühlte ich mich wie erschlagen.
Clay benutzte die Zahnseide. Dann hielt er seinen Kopf unter den Wasserstrahl und wusch sich prustend das Gesicht, die Arme und den blutigen Oberkörper. Mein Blick fiel erneut auf seine Drogen, die ganz offen auf den Marmorfliesen seines Badezimmers lagen, das gefaltete Stück Papier und der kleine Plastikbeutel. Auf dem Papier und in dem Beutel befand sich also Heroin. Ich schaute mir dieses hellbraune Pulver eine Weile reglos an.
Und dann bekam ich plötzlich unwillkürlich eine maßlose Wut auf dieses verdammte scheiß Zeug, was Clay Banton fatalerweise viel zu obsessiv konsumierte. Wenn es kein Heroin gäbe, dann wäre bestimmt noch alles okay, redete ich mir aufgewühlt ein. Wenn Clay dieses Gift nicht nehmen würde, dann gäbe es diese ganzen Probleme gar nicht. Der im Grunde bezaubernde Mann wäre mir nie so fremd geworden. Zweifellos würde es ihm und auch mir ohne Heroin viel besser gehen. Ich könnte dann alles mit ihm teilen, er wäre mir viel näher. Es wäre dann bestimmt wieder genauso, wie am Anfang unserer Beziehung, als ich noch nichts von seiner Suchtkrankheit geahnt hatte. Ich merkte hilflos, wie sehr ich mich in diese harmonische Zeit zurücksehnte.
Kurzentschlossen beugte ich mich herüber und nahm den Beutel mit dem Rest des Heroins in die Hand. Ich sah mir das Teufelszeug ganz genau an. Der kleine, durchsichtige Plastikbeutel war offen und ich war nahe daran, ihn einfach auf dem Boden auszuschütten. Das braune Zeug sieht so harmlos aus, dachte ich erstaunt und wütend, so ähnlich wie dunkles Mehl. Wie kann man sein wertvolles Leben nur komplett so einem blöden Pulver hingeben?, dachte ich zornig. Vorwurfsvoll guckte ich zu Clay hin. Er war immer noch am Waschbecken beschäftigt, aber unsere Blicke trafen sich im Spiegel.
In diesem Moment registrierte er jäh, was ich in der Hand hielt. Seine Augen weiteten sich sofort vor Schreck. Er fuhr auf der Stelle hastig zu mir herum. „Leg das hin!" befahl er mir streng. Sein rauer Ton ärgerte mich. Trotzig drehte ich den Beutel in meiner Hand. „Bitte, Liz, bitte leg das wieder hin!" jammerte Clay und kam einen Schritt auf mich zu.
„Bleib da stehen!" verlangte ich gefährlich leise und er stoppte sogleich. Schwankend hielt er sein Gleichgewicht. Panisch starrte er mich an und schüttelte den Kopf. „Tu das nicht, Eliza, bitte, tu das nicht, bitte nicht...", stammelte er angstvoll. Ich grinste ihn überlegen an. „Was denkst du denn, was ich mit deinem blöden Heroin machen will?" fragte ich ihn herausfordernd. „Ich denke, dass du es mir wegnehmen willst... auf die eine oder andere Art...", antwortete er unglücklich. Dieser Mann kennt mich tatsächlich ganz genau, stellte ich überwältigt fest. „Das ist wirklich eine richtig gute Idee, Clay", bemerkte ich spöttisch. Entschlossen drückte ich meine Kippe aus.
Ich stand auf, ging betont langsam zur Toilette, klappte den Deckel auf und hielt seinen Beutel mit dem Rest seiner Droge grinsend über die Schüssel. Dabei beobachtete ich ihn neugierig, voller Hohn und Macht. Ich sollte es wirklich tun, überlegte ich verärgert, ich sollte diesen Scheiß jetzt sofort da reinwerfen und abziehen. Er hat schließlich wiederholt behauptet, dass er damit aufhören will, dass er schon Montag zum Arzt geht. Dann kann er genauso gut jetzt sofort aufhören. Herausfordernd taxierte ich ihn.
Clay Banton stand wie angewurzelt in der Mitte seines teuren Badezimmers und wirkte, als würde gerade seine Welt um ihn herum zusammenbrechen. Seine Haare, sein Gesicht und sein zerschnittener Oberkörper waren nass vom Waschen, er hatte all das getrocknete Blut weggewischt. Seine Augen waren vor Panik und Unglauben weit aufgerissen. Er atmete nervös ein und aus. Ich betrachtete ihn verwundert. Clay reagierte auf mich, als wäre ich gerade dabei, seine Schmerzgrenze zu überschreiten. Als wäre er auf einmal nicht mehr in der Lage, richtig zu atmen. Als würde er jeden Moment ohnmächtig zusammenbrechen.
Seine vollkommen überzogene Reaktion machte mich ziemlich wütend. „Tu das nicht, Eliza, bitte nicht...", flüsterte Clay hilflos. „Was würdest du denn tun, Clay, damit ich dein scheiß Zeug nicht hier und jetzt ins Klo werfe?" wollte ich genervt von ihm wissen. „Einfach alles", antwortete er atemlos und machte eine Bewegung auf mich zu.
„Bleib da stehen!" wiederholte ich schneidend und drehte den Beutel drohend in meiner Hand. Er stoppte augenblicklich und starrte mich völlig panisch an. Ich habe diesen Mann vollständig in meiner Hand, fuhr es mir erregt durch den Kopf, ich kann jetzt alles mit ihm tun. Er gehorcht mir wahrhaftig willenlos aufs Wort. Diese Tatsache verschaffte mir ein unglaublich befriedigendes Machtgefühl. „Du würdest tatsächlich alles tun?!" erkundigte ich mich spöttisch. „Alles", bestätigte er defensiv. Eine Weile starrten wir uns schweigend an. „Bitte gib mir das zurück, Eliza", bat er mich schließlich und streckte seine Hand nach dem Beutel aus. Ich grinste machtbewusst und ignorierte seine Hand.
„Zieh deine Hosen aus!" sagte ich stattdessen ganz ruhig. Spöttisch lächelnd beobachtete ich ihn. Mein Herz klopfte härter. Es gefiel mir ungemein, diese grenzenlose Macht über ihn zu haben. Schon oft hatte ich dieses erregende, berauschende Gefühl mit ihm genossen, denn Clay Banton ordnete sich mir normalerweise bereitwillig unter. Aber das Heroin in meiner Hand steigerte meine Macht, und damit meinen Rausch, diesmal noch um ein Vielfaches.
Clay brauchte nur einen Moment, um zu entscheiden, ob ich meinen Befehl wirklich ernst meinte. Er schaute mich verwirrt fragend an. Eine Minute lang war es ganz still in seinem Badezimmer. Dann knöpfte er sich plötzlich kurzentschlossen die Jeans auf und zog sie mitsamt der Boxershorts bis zu den Knöcheln herunter. Er schwankte dabei, kämpfte um sein Gleichgewicht, fing sich aber und stand schließlich entblößt vor mir. Mit einer Mischung aus Widerwillen und Unterwürfigkeit fixierte er mich.
Ich betrachtete einige Zeit intensiv seinen schönen, schmalen, gut beschnittenen Penis, sein raffiniert rasiertes Schamhaar und seine beiden gleichmäßigen Hoden, dann den weißen, professionell gewickelten Verband an seinem Oberschenkel, den Siamak gekonnt mit weißem Klebeband fixiert hatte. Mitleidig registrierte ich die zahlreichen dunklen Blutergüsse an seinem Unterleib und das viele getrocknete Blut, besonders an seinem verletzten Bein. Diese brutalen Schweine haben echt überall auf ihn eingeschlagen, dachte ich bewegt, kein Wunder, dass er starke Schmerzen hatte, der arme Kerl. Womöglich haben sie ihn mit einem fiesen Elektroschocker ausgeschaltet und dann auf seinen leblosen Körper eingeprügelt. Diese Vorstellung tat mir sehr weh und ich bekam großes Mitleid.
„Geilt es dich auf?" fragte Clay mich plötzlich obszön. Ich wandte meine Aufmerksamkeit in diesem Moment nur ungern wieder seinem Gesicht zu. Seine derbe Dreistigkeit verärgerte mich. „Du sollst dich ausziehen!" befahl ich ihm laut, seine Frage ignorierend. Seine anstößige Frage war mir peinlich, denn seine Nacktheit und meine Macht über ihn erregten mich tatsächlich stark. Clay wusste das natürlich, weil er mich viel zu gut kannte. Er fing an, zweideutig zu grinsen und ging in die Knie, um sich die schmutzigen Schuhe und die blutigen Strümpfe auszuziehen. Dann setzte er sich auf den Boden und zog seine Jeans und Unterhose aus. Er ließ die Sachen achtlos auf dem Boden liegen und sah prüfend zu mir hin. Ich stand immer noch an der Toilette, seinen kleinen Beutel mit dem Heroin herausfordernd über die Schüssel haltend. „Steh auf!" forderte ich ihn schroff auf. Er kroch langsam auf die Beine. Dann stand er erneut in der Mitte seines wertvollen Badezimmers. Der Mann war jetzt völlig nackt, und ich betrachtete ihn ausführlich mit unwillkürlich wachsender Erregung.
Eine ganze Weile war es abermals ruhig. Ich genoss den Anblick seines ganz ohne Zweifel sehr gut gebauten Männerkörpers. Er beobachtete mich reglos mit einer Mischung aus Auflehnung und Amüsement. „Gib mir das zurück, Liz", flüsterte er schließlich und streckte wieder seine Hand aus. Seine Augen lagen jetzt besorgt auf dem Beutel mit dem Gift. Er ist völlig von Sinnen wegen diesem Zeug, merkte ich verärgert. Dieses blöde Heroin ist alles, was ihn interessiert! Meine liebevolle Lust auf ihn interessiert ihn überhaupt nicht! Ich bin ihm vollkommen gleichgültig! Diese kränkende und beleidigende Erkenntnis machte mich extrem wütend. Ich konnte seine merkbare Gleichgültigkeit dieser doch zweifellos äußerst erotischen Situation gegenüber nur schwer ertragen.
Erbost drehte ich den Beutel langsam in meiner Hand, bis einige Krümel von dem Heroin ins Klo fielen. „Nein! Nicht!" brüllte Clay sofort entsetzt los, „Hör auf damit! Lass doch diesen Scheiß sein, Eliza!" Ich drehte den Beutel wieder gerade und schaute genervt zu ihm hin. Er stieß unbewusst erleichtert die Luft aus. Diese nahezu greifbare Macht der starken Gefühle, mit denen er unverkennbar am Heroin hing, ging mir ganz gewaltig auf den Senkel. Ich war jetzt richtig sauer, weil er in diesem Moment kein einziges Gefühl mehr für mich übrig hatte. Dieser süchtige Mann sieht mich nicht einmal mehr, registrierte ich wütend, er hat tatsächlich nur noch Augen für sein scheiß Heroin!
Ich bekam das dringende Bedürfnis, ihn zu seinem Glück zu zwingen. „Wasch dich!" forderte ich ihn ruhig auf. Mein Herz klopfte hart vor Zorn und Aufregung. Er verzog erstaunt, verwirrt das Gesicht. „Ich soll... was?" „Du sollst dich waschen!" wiederholte ich deutlich, obwohl ich mir sicher war, dass er mich auch schon beim ersten Mal verstanden hatte. „Das habe ich doch gerade gemacht", bemerkte er und deutete mit seinem Kinn zum Waschbecken. Ich grinste böse, schüttelte den Kopf und erläuterte: „Ja, du hast deinen Kopf und deinen Oberkörper gewaschen, Clay, aber nicht deinen Unterleib." Seine Augen verengten sich. Sein Blick wanderte zögernd zu seiner Luxusdusche. „Sieh nur, wie schmutzig du noch bist!" Vorwurfsvoll deutete ich auf seine blutigen Beine und seinen Körper. Clay guckte irritiert an sich herunter. „Soll ich duschen?" erkundigte er sich und schaute nochmal seine Dusche an. Dann blickte er mich fragend an. „Du willst mir beim Duschen zusehen?" vergewisserte er sich.
Als ich nicht sofort antwortete, grinste er plötzlich zweideutig. „Oder möchtest du lieber mit mir zusammen duschen, Eliza?" fragte er frivol grinsend. Mit einem Mal fiel mir auf, dass der Mann meine Erregung überhaupt nicht ernst nahm, im Gegenteil. Er machte sich deswegen sogar über mich lustig, und das ärgerte mich auf der Stelle enorm. „Nein, du darfst mit deinen Verbänden nicht duschen, Clay! Der Stoff und das Klebeband dürfen auf keinen Fall nass werden! Sei doch nicht so dumm!" blaffte ich ihn wütend an. Sein frivoles Grinsen starb. Verwirrt musterte er mich. Er hatte tatsächlich keine Ahnung, was ich eigentlich von ihm wollte.
Eine Weile stand er nur ratlos dort. „Nimm den Waschlappen, verdammt!" befahl ich ihm schließlich ungeduldig. Auffordernd starrte ich ihn an. Er verzog unwillig das Gesicht und schloss stöhnend die Augen. Offensichtlich hatte er keine Lust, sich mit einem Waschlappen zu waschen.
Ihm war aber auch klar, dass er keine Wahl hatte. Deshalb machte er sich langsam auf den Weg zu seinem Schrank, holte einen weißen Waschlappen heraus und befeuchtete ihn am Waschbecken mit warmem Wasser und flüssiger Seife. Dann drehte er sich zu mir und fing träge an sich abzuwischen. Sein Blick zuckte zwischen mir, dem Heroin in meiner Hand und seinem Körper hin und her. Er beugte sich hinunter und wusch zuerst sein verletztes Bein ab, an dem jede Menge, inzwischen trockenes Blut hinab gelaufen war. „Sei vorsichtig!" mahnte ich ihn, als er dem breiten Verband gefährlich nah kam.
Clay wusch sich jetzt gewissenhaft, spülte immer wieder den blutigen Waschlappen am Waschbecken aus und holte sich frisches Wasser und Seife. Langsam sahen seine Beine und Füße wieder sauber aus. Ich beobachtete ihn sehr intensiv, und mein Herz klopfte unwillkürlich schneller. Oh, dieser Mann war so attraktiv, und er war nackt, und ich genoss es so, ihn ganz genau betrachten zu können, wie er mit dem Lappen sachte über seine Haut fuhr. Ich wollte ihn so gerne anfassen, ihn überall streicheln, ihn dazu bringen, dass er vor Lust aufschreien würde. Aber dazu hätte ich meine Königsposition an der Toilette, mit seinem Heroinbeutel in meiner Hand, aufgeben müssen, und dazu war ich noch längst nicht bereit. Viel zu erregend und berauschend war das ständige Gefühl der grenzenlosen Macht über diesen süchtigen, wunderschönen Mann.
Clay merkte natürlich, welche unmittelbare Wirkung seine Tätigkeit auf mich hatte. Er lächelte wissend, als er nun mit seinem Waschlappen über seinen Bauch streichelte, sich die kleinen Brandwunden ansah, dann mich ansah, während er über seine Leiste und zwischen seine Beine fuhr. Er schaute besorgt auf das Heroin in meiner Hand, dann wieder an sich herunter und wusch betont aufreizend seinen Schwanz und seine Eier. Ihn dabei zu beobachten, zischte mir geradewegs in den Unterleib und steigerte meine Erregung enorm. Intuitiv drückte ich die Beine zusammen und spannte meine Muskeln an. Auch das blieb Clay nicht verborgen, er kannte mich einfach zu gut. Er grinste amüsiert und führte den Waschlappen abschließend von vorne zwischen seine Beine und durch seinen knackigen Po.
Dann warf er ihn in das Waschbecken und fixierte mich prüfend. Eine Weile war es still, während ich Mühe hatte, zu Atem zu kommen, und Clay wahrscheinlich seine wenigen Möglichkeiten abwog. Das muss ihm doch einfach gefallen haben, dachte ich verzweifelt, das war doch jetzt total geil! So etwas kann doch nicht spurlos an ihm vorbeigehen!
„Hör mal, Eliza", brach Clay unvermittelt das Schweigen, „Lass uns doch jetzt damit aufhören, okay? Komm, wir gehen ins Bett und ich kümmere mich um dich! Ich kann dich lecken, wenn du das möchtest! Ich sorge dafür, dass es dir richtig gut geht!" Unsicher wartete er auf meine Antwort, während seine Augen unentwegt besorgt auf dem Beutel in meiner Hand lagen. Seine Worte und sein Blick waren für mich, wie ein Schlag vor den Kopf. Vermutlich meinte er es gut, aber ich fühlte mich von ihm zutiefst gedemütigt. Er wollte sich um mich kümmern? Dachte er etwa, dass ich es so nötig hatte, dass ich mich nicht mehr beherrschen konnte? Er wollte mir einen Gefallen tun, indem er mich leckte?
Fassungslos starrte ich ihn an. Clay deutete meine Reaktion sofort richtig. Seine Augen weiteten sich erschrocken. „Das würde mir auch Spaß machen!" versicherte er mir hastig. Aber ich wusste längst, dass er mich anlog, denn nichts von dem hier machte ihm Spaß. Diese zweifellos erotische Situation hatte ihn kein bisschen sexuell erregt, sondern ihn höchstens ermüdet. Er tat das alles einzig und allein deshalb, damit ich sein Heroin nicht vernichtete. Er wollte ausschließlich seine Droge retten, und dafür war er sogar bereit, mich zu lecken.
Schlagartig wurde mir das klar und steigerte meine Wut von allein. Ich wurde so zornig, dass mein Atem stockte, mein Herz losspurtete und mein Denken überlagerte. Ich hätte mein Machtspiel spätestens hier beenden sollen. Es stand mir einfach nicht zu, dem Mann meine sexuellen Bedürfnisse aufzuzwingen. In dieser Nacht war es sogar unfair, denn er war schwer verletzt worden und seine Unlust daher verständlich. Ich verstand das auch irgendwie, aber ich war so aufgeheizt, dass ich nicht mehr anders handeln konnte. Er hatte mich mit seinem Vorschlag beleidigt, und das musste ich ihm heimzahlen.
„Hol dir einen runter, Clay", forderte ich ihn kurzerhand verächtlich auf. Mal sehen, ob dieser Idiot wirklich alles für diesen Mist tut, überlegte ich neugierig. Aber in Wahrheit hatte ich schon längst keinen Zweifel mehr daran. Clay Banton würde tatsächlich alles dafür tun, damit ich das scheiß Heroin nicht ins Klo warf. Vielleicht hatte er nicht mehr genug Geld, um sich einfach neues zu kaufen, vermutete ich. Er war definitiv auf die Menge in meiner Hand angewiesen. Wenn diese kränkende Tatsache nicht so traurig gewesen wäre, dann hätte ich laut auflachen können.
Nun betrachtete er mich eine Weile irritiert. Er war auch diesmal unsicher, ob ich meine intime Aufforderung ernst genug meinte, um sie wirklich einzufordern. Ich meinte sie todernst. Ich war wütend und verletzt. Außerdem hatte ich echt Bock darauf, ihn wichsen zu sehen. Er hatte das bei anderen Gelegenheiten schon für mich getan, und ich hatte es jedes mal sehr anregend gefunden. Denn Clay Banton beherrschte dieses erotische Schauspiel nahezu perfekt. Die Erinnerung daran drängte sich mir auf und erregte mich tierisch. Ich drückte die Beine zusammen und fragte mich aufgeregt, ob es ihm wohl trotz allem gelingen würde, sich selbst aufzugeilen, wo es mir doch vor Kurzem überhaupt nicht gelungen war. „Mach schon, Clay, leg los!" rief ich ihm ungeduldig zu, weil er sich nicht rührte.
Er atmete schwer, stand dort ruhig vor mir und bewegte sich nicht. Ich hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging. Irgendetwas machte ihm offenbar zu schaffen. Ich wartete ungeduldig und schaute ihn auffordernd an. Er holte tief Luft. „Ich habe jetzt echt keine Lust, mir einen runterzuholen, Eliza", teilte er mir endlich zögernd mit. Sichtbar ängstlich wartete er auf meine Reaktion. Seine Hände fingen an, nervös zu zittern. Mit einem Auge hatte er ständig den Beutel Heroin im Blick, was mich unglaublich nervte. Seine trotzige Weigerung nervte mich jedoch noch viel mehr. „Ach ja? Und ich habe echt keine Lust, dich Rauschgift nehmen zu sehen!" erwiderte ich giftig. „Dann guck doch einfach nicht hin!" entfuhr es ihm aufsässig.
Seine Geduld schien mit einem Mal zu enden. Er machte wütend zwei Schritte auf mich zu und streckte energisch seine Hand aus. „Gib mir jetzt endlich die shore zurück!" forderte er mich aggressiv auf, den Blick pausenlos auf dem Plastikbeutel in meiner Hand. „Bleib da stehen, Banton!" brüllte ich ihn spontan drohend an. Er taumelte und blieb widerwillig stehen. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Jetzt hör schon auf mit dem Scheiß, Liz. Es geht mir nicht gut. Ich bin verprügelt worden. Ich will mir jetzt wirklich keinen runterholen", quengelte er matt.
Ich betrachtete ihn aufgeregt. Seine Gier nach dem Gift und seine Angst um das Heroin waren fast greifbar. Sie erfüllten förmlich das ganze Badezimmer. Es gab mir eine unglaubliche Befriedigung, einen wahren Rausch, ihn so einfach manipulieren zu können, und ich fragte mich erstaunt, warum das wohl so war. Meine umfassende Dominanz gefiel mir ungemein.
Wir beide haben sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen, Herr Banton, fiel mir plötzlich ein. „Warum hast du mich gestern so brutal aus deiner Wohnung geworfen?" fragte ich ihn ganz ruhig. Ich beobachtete ihn aufmerksam. Meine Frage verwirrte ihn offenbar, er konnte meinem Gedankengang nicht folgen. „Ich habe...", fing er irritiert an und stöhnte dann überfordert. Unbehaglich drehte er sich von mir weg und bedeckte mit seinen Händen seinen Schwanz. Seine Nacktheit war ihm offenbar plötzlich peinlich. Er griff nach einem Handtuch und trocknete sich langsam damit ab. „Warum hast du mich rausgeworfen, Clay? Du hast mir damit sehr weh getan, weißt du?!" sagte ich traurig zu ihm. „Ich wollte dir nicht wehtun", erwiderte er hilflos, ohne mich anzusehen. Ich blies spöttisch die Luft aus. „Hör mal, Clay! Du hast mich gewaltsam aus deiner Wohnung geworfen! Du hast mich sogar geschlagen! Wie kannst du nur sagen, dass du mir damit nicht wehtun wolltest?!" redete ich fassungslos auf ihn ein.
Er schüttelte ratlos den Kopf und schaute mich zögernd an. „Ich habe dich nicht geschlagen, Liz. Du weißt genau, dass ich dich niemals schlagen würde", widersprach er mir beleidigt, doch seine Stimme hatte einen nervösen Unterton. Mir dämmerte, dass Clay verunsichert war, weil er sich einfach nicht genau daran erinnern konnte, was wirklich passiert war. Er war sich nicht hundertprozentig sicher, ob er mich nicht vielleicht doch geschlagen hatte. Dabei war diese Szene, als er mich überaus brutal gegen die Wand geschubst hatte, gerade mal ein paar Stunden her. Der Idiot kriegt anscheinend Gedächtnislücken, weil er so viele harte Drogen nimmt, dachte ich grimmig.
„Warum wolltest du mich gewaltsam loswerden? Warum hast du sogar vor mir gewichst, nur um mich loszuwerden?" Ich ließ nicht locker, obwohl Sean mir im Theater ja schon längst gestanden hatte, dass er Clay Heroin besorgt hatte. Ich wusste also genau, warum er mich so dringend aus seiner Wohnung befördern wollte. Aber ich hatte den dringenden Wunsch, es von ihm selbst zu hören. Ich wollte überprüfen, ob er mich immer noch anlog. Ich wollte ihn für seine Gemeinheiten bestrafen. Gespannt, aufgeregt und amüsiert taxierte ich ihn. Clays Augen lagen jetzt sehnsüchtig auf dem Heroin in meiner Hand. „Ach, Eliza...", seufzte er resigniert. „Sag es mir einfach, Clay!" forderte ich ihn still auf. Er drehte sich wieder zu mir hin und streckte die Hand aus. „Gib mir das pack und ich sag dir alles!" schlug er hoffnungsvoll vor, „Ich sage dir auch die Wahrheit, ich versprech's dir!"
Erstaunt bemerkte ich, dass er anscheinend nahe daran war, in Tränen auszubrechen. Clay Banton ist nicht nur körperlich angeschlagen, wurde mir erneut bewusst, seine seelische Verletzung geht womöglich noch viel tiefer. Aber ich war in diesem Moment definitiv viel zu geil auf ihn, um darauf Rücksicht nehmen zu können. Seine unglaublich mächtige Gier nach dem Gift in meiner Hand ärgerte mich extrem. Und dass er sich dafür total zum Affen machte, fand ich beinahe unerträglich.
Verächtlich blies ich die Luft aus und zischte: „Denkst du etwa, du könntest mich erpressen?" Clay zog genervt die Augenbrauen zusammen und atmete tief ein. „Sean hatte mir shore besorgt! Ich war auf Entzug, ich musste es unbedingt nehmen, und ich wollte nicht, dass du das mitkriegst!" erzählte er mir daraufhin verzweifelt. Er holte nervös Luft und starrte mich trotzig an. „Ich würde alles für das scheiß Zeug tun, das nennt man Abhängigkeit! Und du musst mich wirklich nicht daran erinnern, wie verdammt süchtig ich bin!" Aufsässig fixierte er mich, seine Hand immer noch nach dem Heroin ausgestreckt. Dass er mir tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte, versöhnte mich augenblicklich mit ihm. Ich spürte automatisch die vertraute warme Welle der Zuneigung in mir aufsteigen. „Bitte hör auf", bat Clay mich hilflos, „Bitte gib mir das pack zurück. Was du da machst, ist so unfair." Aber ich war noch längst nicht gewillt, dieses äußerst erregende Spiel aufzugeben.
„Leg das Handtuch weg", befahl ich ihm atemlos. Er gehorchte sofort. Ich lächelte ihn aufgeregt an. Runde zwei unseres Vorspiels konnte beginnen. Ja, ich würde sie heute Nacht noch knacken, diese geile Herausforderung!, dachte ich entschlossen.
„Wie oft ist dir heute einer abgegangen?" fragte ich ihn lüstern frei heraus. Mein Herz klopfte härter. Der Gedanke an seinen Orgasmus, allein die Vorstellung geilte mich direkt auf. Sein nackter Körper geilte mich auf, den ich mir nun nochmal ganz genau ansah. Seine vage, irgendwie obskur ambivalente Attraktivität hatte eine beträchtliche Wirkung auf mich. Clay zog seine Hand seufzend zurück, schloss ergeben die Augen und stand ganz still vor mir. Er atmete tief ein und aus. Seine Hände strichen nervös über die Außenseiten seiner Oberschenkel, während er überlegte. „Ich kann mich nicht erinnern", antwortete er mir nach einer Weile leise mit geschlossenen Augen, was natürlich Quatsch war. Er war zwar sexuell sehr aktiv, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass er den Überblick verlor. „Aber du hattest heute schon einen Orgasmus?!" hakte ich neugierig und keuchend nach. Ich stellte mir Clay unwillkürlich bei sexueller Aktivität vor, was mir überhaupt nicht schwerfiel. „Ja", gab er sofort zu. Er öffnete die Augen und schaute mich reglos an. „Mit wem? Mit Sean?" entfuhr es mir vorwurfsvoll. „Ja", seufzte Clay leise.
Er wich meinem Blick nicht aus, betrachtete mich nur merkwürdig resigniert. Seine Antwort wunderte mich überhaupt nicht. Es wunderte mich nur, dass er mir so kampflos die Wahrheit sagte. Seine offen unterwürfige Ehrlichkeit steigerte meine Erregung und meine Zuneigung zu ihm gewaltig. Ich schloss meine Hand über seinem pack und zog meinen Arm zurück. Dann klappte ich den Deckel der Toilette zu. Eine lange Zeit sahen wir uns schweigend an. Clay bewegte sich nicht, registrierte mein Entgegenkommen aber unverkennbar erleichtert. „Gibt es eigentlich auch mal einen Tag in deinem Leben, an dem dir keiner abgeht?" wollte ich verächtlich von ihm wissen.
Zum ersten Mal, seit ich in dieser Nacht seine Wohnung betreten hatte, lächelte er ehrlich amüsiert. Der geschlossene Klodeckel beruhigte ihn augenscheinlich enorm, was mich ziemlich nervte. Dieser Mann ist ja nur so ehrlich zu mir, weil ich seine scheiß Droge in der Hand halte, wurde mir verärgert klar. „Nein, so einen Tag gibt es nicht, Eliza. Das wäre ein verlorener Tag für mich", flüsterte Clay frivol lächelnd und kam langsam auf mich zu. Er streckte erneut seine Hand aus. „Bitte gib mir doch die shore, Liz! Bitte gib sie mir jetzt zurück, ja?" bettelte er mich devot an.
Ich fand seine kopflose Gier nach dem Gift plötzlich unerträglich. „Bleib stehen! Komm nicht näher, Banton!" schrie ich ihn drohend an und wich vor ihm zurück. Widerwillig blieb er stehen und betrachtete mich verwirrt. „Ich dachte..." „Warum bist du eigentlich so verflucht süchtig nach Befriedigung?" unterbrach ich ihn schroff verzweifelt. „Du musst dich immer nur befriedigen, mit was, das ist dir ganz egal! Du verschlingst Drogen genauso obsessiv wie Orgasmen! Das ist doch total krank!" warf ich ihm hart vor. Ich war plötzlich irgendwie angewidert von dieser traurigen Realität.
Clay starrte mich wie vor den Kopf geschlagen an. Seine Augen zuckten wieder nervös. Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein, Eliza, das kannst du mir nicht vorwerfen. Ich bin eben so... ich kann nicht..." Verwirrt brach er ab. Ich lachte höhnisch auf. „Aber natürlich kannst du nichts dafür! Herr Banton ist einfach so! Es liegt in seiner Natur!" verspottete ich ihn aufgebracht. Clay wich verletzt meinem stechenden Blick aus und sah zu Boden. Hilflos und nackt stand er vor mir. Er erwiderte nichts. Ich bekam den Eindruck, dass er sich tatsächlich anstrengen musste, um nicht in Tränen auszubrechen.
Ich fühlte ungewollt einen gerührten Stich in meinem Innern. Sofort taten mir meine harten und gemeinen Worte leid. Ich bereute es, ihn auf diese Weise verspottet zu haben, auch wenn ich meiner Meinung nach völlig Recht mit meinem Vorwurf hatte. Aber der Mann war von meinen Worten so offen verletzt worden, dass er mir schon wieder leid tat. „Du musst unbedingt damit aufhören", redete ich ihm ernst zu, „Dieses Leben bringt dich ratenweise um, Clay." Ich meinte es in diesem Moment nur gut mit ihm. Seine zügellose Lebensweise machte mir wirklich Sorgen. Aber er fuhr widerspenstig hoch und taxierte mich mit vor Wut funkelnden Augen. „Und wenn schon, Eliza! Das ist immer noch mein Leben, weißt du?! Ich bin schon erwachsen!" zischte er mich verärgert an. Seine idiotische, offen sture Weigerung, den von mir doch so gut gemeinten Rat anzunehmen, brachte mich unwillkürlich zurück auf die Palme. Sein aufmüpfiger, kindlicher Trotz entfachte in mir eine haltlose Wut. „Na, dann ist es ja gut", erwiderte ich eisig und musterte ihn verächtlich.
„Und jetzt hol dir endlich einen runter, Banton!" befahl ich ihm schroff. Eilig ging ich zurück zum Klo, klappte den Deckel wieder auf und hielt das im Plastik eingepackte Heroin nochmal drohend tief über die Schüssel. Clay stöhnte auf der Stelle entsetzt auf. Er taumelte vor Schreck und wäre beinahe gestürzt. „Warum machst du das?" jammerte er überfordert, „Warum quälst du mich so?" Ich beobachtete ihn überlegen grinsend. „Hör bloß auf zu heulen. Ich will dich einfach nur wichsen sehen, Clay", teilte ich ihm arrogant mit.
Ich wollte meine Macht über ihn noch nicht aufgeben. Die Erregung in mir drängte nach Befriedigung. Ich frönte in diesem Moment genau dem Laster, was ich ihm vorgeworfen hatte, und ich bin wirklich nicht stolz darauf.
Er stöhnte widerwillig und hielt sich schmerzverzerrt den Kopf. Er brauchte noch ein paar Minuten, um sich halbwegs zu beruhigen und hilflos zu akzeptieren, dass ich meine Aufforderung tatsächlich todernst meinte. Selbstverständlich hatte er überhaupt keine Chance, mir zu entkommen. Er war gezwungen, sich meinem Willen zu beugen. Dieses Spiel hatten wir in unendlichen Variationen schon so oft gespielt. Und immer war ich daraus als Sieger hervorgegangen, weil Clay Banton sich mir immer widerstandslos unterwarf.
Ich stand neben dem Klo und beobachtete ihn eingehend mit klopfendem Herzen. Meine Wut, meine Zuneigung zu ihm und meine Erregung hielten sich jetzt ungefähr die Waage. Eine lange Weile war es ganz still, während meine Spannung wuchs, und unser Blickkontakt stetig intensiver wurde.
Irgendwann griff Clay endlich kurzentschlossen mit der rechten Hand nach seinem Schwanz. Er fing sehr träge, zögernd an zu masturbieren. Er schaute dabei pausenlos auf mich und das Heroin in meiner Hand. Ich überwachte ihn, unwillkürlich gebannt. „Gut so, Frau Laser?" fragte er mich nach einiger Zeit atemlos. Er wichste müde, aber sehr gezielt. Es erregte ihn wohl irgendwie, aber er bekam keine Erektion.
Ich betrachtete ihn fassungslos. Nur sehr langsam, aber dafür umso schmerzlicher, wurde mir bewusst, dass seine erzwungene Tätigkeit nichts als die hässliche Fratze der Heroinsucht war. Denn dieser Mann masturbierte nicht aus Spaß und Geilheit. Clay Banton holte sich einen runter, weil ich es ihm befohlen hatte. Das war der einzige Grund dafür. Er würde alles tun, was ich von ihm verlangte, nur damit ich sein Heroin nicht ins Klo warf. Er ließ sich sogar bis zur Schmerzgrenze von mir demütigen.
Meine Desillusionierung schlug unerwartet hart zu und tötete meine Erregung gnadenlos. Ich konnte es plötzlich nicht mehr ertragen, wie sehr dieser Mann sich vor mir erniedrigte, wie verdammt süchtig er nach seiner scheiß Droge war. Es schien mir, als kannte er überhaupt keine Grenzen mehr, um sein Heroin zu retten. Dieses Schauspiel hier hatte überhaupt nichts mit unseren sonstigen erotischen Spielereien gemeinsam. Es war einfach nur krank. Dieser schöne Mann war sehr krank. Und ich konnte nichts tun, um Clay Banton auf mich aufmerksam zu machen, denn all seine Aufmerksamkeit gehörte ganz allein dem Heroin.
Ich wurde vor lauter Enttäuschung und Hilflosigkeit so wütend, dass ich nach Luft schnappen musste. Clay guckte mich alarmiert an, hörte jedoch nicht auf zu wichsen. „Was ist denn?" fragte er mich beunruhigt. „Wieso wirst du nicht hart, Banton? Wie lange dauert das denn noch? Was soll das denn sein, was du da machst?" fauchte ich ihn gemein an. Clay Banton ist total krank, wurde mir verbittert klar, er ist heroinsüchtig und völlig kaputt, und ich kann ihm mit Nichts helfen. Diese brutale Erkenntnis tat mir unglaublich weh.
Clay ahnte von meinen Gedanken diesmal nichts, denn er war anderweitig beschäftigt. Nun seufzte er verzweifelt und steigerte unsicher sein Tempo. „Ich weiß nicht, Liz... Ich versuche es ja...", keuchte er hilflos und intensivierte seine Bemühungen. Er richtete seine Aufmerksamkeit nach unten, schaute auf seinen Penis und fuhr mit seiner Hand hektisch auf und ab. Er atmete nervös ein und aus. Sein ganzer Körper war dabei widerwillig angespannt. Dieser Mann masturbierte tatsächlich und unübersehbar unfreiwillig. Ich konnte es plötzlich nicht länger ertragen, ihn so zu sehen. Dieses Bild war absolut demütigend für uns beide. Tränen stiegen mir ungewollt in die Augen. Ich war wahnsinnig geschockt, völlig verwirrt und maßlos überfordert. „Um Himmels Willen, Clay!" entfuhr es mir schließlich verzweifelt.
Er zuckte zusammen, schaute erschrocken zu mir hoch, bemerkte meinen Blick und hörte sofort damit auf, an sich herumzuschrubben. Keuchend stand er vor mir und guckte mich aufgewühlt an. Er war, ganz genau wie ich, völlig durcheinander. „Was...", setzte er konfus an, aber ich holte Luft und unterbrach ihn schnell. „Du merkst ja selber gar nicht mehr, was für einen blöden Hampelmann dieser Scheiß aus dir gemacht hat!" schrie ich ihn enttäuscht an.
Resigniert schleuderte ich ihm den Beutel mit dem Heroin entgegen. Clay schrie sofort entsetzt auf und wollte sein pack hastig auffangen. Dabei stolperte er und fiel hart auf die grauen Marmorfliesen. Überstürzt und voller Gier griff er nach seinem vermissten pack. „Du bist so armselig, Clay!" schluchzte ich und rannte kopflos aus dem Badezimmer.
Seine grenzenlose Sucht nach dem Heroin war unerträglich. Dass er bereit war, für dieses Gift sämtliche Grenzen zu überschreiten, schockierte mich unermesslich. Noch nie war mir die Schwere seiner Krankheit so brutal offensichtlich geworden. Die Zeit der Illusionen war endgültig vorbei.
Clay
Eliza Laser spielte ihr Lieblingsspiel mit mir. Es war sehr psychologisch, denn es ging ihr vordergründig um die große Macht, die sie dabei über mich ausüben konnte. Es gefiel ihr jedes Mal, mich vollständig in ihrer Hand zu wissen. Sie genoss ihre Überlegenheit, berauschte sich förmlich an der Gewissheit, dass ich ihr ausgeliefert und ihr untertänigster Diener war.
Ihre Hauptmotivation für dieses Spiel war jedoch aufregender Sex. Sie stellte mir intime Fragen und erteilte mir erotische Befehle, die dazu dienten, ihre sexuelle Erregung zu steigern. Elizas Lieblingsspiel war eine recht harmlose Version von Herrin und Sklave, Dominance & Submission, Dominanz & Unterwerfung, wobei mir meistens die zweite Rolle zufiel.
Nur selten, wenn sie richtig gut drauf war und Lust auf Experimente hatte, dann durfte ich ihr Dom sein, und sie erfüllte meine erotischen Befehle bereitwillig. Ich spielte gerne ihren Meister, natürlich behutsam und sensibel. Und ich war auch gerne ihr Sklave. Es gefiel mir, wie umfassend sie in ihrer Rolle aufging, welchen Spaß sie daran hatte und wie offensichtlich es sie sexuell erregte. Ich war jedes Mal stolz auf mich, wenn ich miterleben durfte, wie verwegen sie mit der Zeit wurde, wie mutig und unbefangen in ihrem Spiel. Es machte ihr dann gar nichts mehr aus, zusammen mit mir richtig schmutzig zu werden, der Lust freien Lauf zu lassen und einfach nur zu ficken.
Am Anfang unserer Beziehung war Eliza extrem unerfahren gewesen, total ängstlich und zurückhaltend beim Sex. Es hatte etliche Wochen und viele gemeinsame Übungsstunden gedauert, bis sie sich endlich traute, mich richtig anzufassen. Genau wie viele andere Frauen hatte sie die ersten Male ständig Angst mir weh zu tun, etwas falsch zu machen oder sich vor mir zu blamieren. Aber es war mir im Laufe unserer Beziehung mit gefühlvollem Einsatz auch bei Eliza gelungen, ihr diese unbegründete Angst komplett zu nehmen.
Fuck, ja, der sensible Lehrmeister für unerfahrene Sexpartner zu sein, das ist mein liebstes Hobby und mein größter Ehrgeiz!
Inzwischen war Eliza Laser nahezu ein Profi bei ihrem sexuellen Rollenspiel. Und ich genoss es so gut wie immer, dabei ihr williger Partner zu sein. Auch diesmal ordnete ich mich ihr unter. Ich war gar nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als mich ihrem Willen zu beugen. Normalerweise machte mir dieses Spiel und meine Rolle dabei auch Spaß. Es törnte mich auf eine merkwürdig vage Art extrem an.
Aber nicht in dieser Nacht, denn in dieser Nacht war alles anders. Ich war hart angeschlagen und voller Schmerzen. Nur das Heroin und die Tabletten hatten die Schmerzen erträglich gemacht. Ich war aber meilenweit davon entfernt, geil zu werden. Die verfluchte Nacht war schon sehr weit fortgeschritten. Ich war inzwischen unglaublich müde, und ich wollte mich eigentlich nur noch ins Bett legen und sofort einschlafen.
Aber Eliza war tierisch heiß auf mich und gierte gewaltig nach Sex mit mir. Sie konnte wohl nicht anders, als mich anzufassen. Sie streichelte mich fordernd und intensiv. Ich merkte aber recht schnell, dass ich keinen mehr hochkriegen würde, selbst wenn ich es versuchte. Im Krankenhaus mit Siamak war es zweimal ganz ohne mein Zutun passiert, aber jetzt war ich dazu einfach nicht mehr in der Lage. Dazu war mir definitiv zu viel Schlimmes angetan worden.
Irgendwann sagte ich es ihr auch und bat sie aufzuhören. Aber natürlich ließ sie meine Unfähigkeit nicht gelten. Sie wurde aus lauter Frust über meine Absage gemein und hinterhältig. Sie schickte mich ans Waschbecken, um mir die Zähne zu putzen, und ich gehorchte ihr arglos. Aber in Wirklichkeit wollte sie mich damit nur ablenken, damit sie sich unbemerkt mein pack schnappen konnte. Ich bekam davon nichts mit, bis ich sie im Spiegel damit sah. Auf einmal hielt sie den Beutel mit dem Heroin übers offene Klo. Sie drohte damit, meine shore hineinzuwerfen und steigerte damit ihre Machtposition bewusst ins Unermessliche.
Die Frau war in diesem Moment sehr unfair. Sie war aber auch sehr aufgeregt und wild entschlossen. Selbstverständlich versuchte ich sofort voller Angst alles, um die shore vor ihrer unbedachten Willkür zu retten. Sie erteilte mir ihre typischen Befehle, und ich tat tatsächlich alles, was sie von mir verlangte. Mir war die ganze Zeit absolut klar, wie stark erregt sie war. Ihre erotischen Befehle überraschten mich überhaupt nicht.
Ich zog mich also nackt für sie aus, und sie betrachtete meinen verletzten Körper äußerst lüstern und sehr eindringlich. Mit einem Waschlappen wusch ich mir das getrocknete Blut von der nackten Haut, was Eliza ziemlich antörnte. Ich war viel zu müde, um darüber nachzudenken, zu angeschlagen für auch nur einen Hauch von Erotik oder Widerstand. Ich kannte ihre sexuellen Vorlieben viel zu gut. Mir war klar, wie sehr es sie auch diesmal antörnte, mich in ihrer Hand zu wissen. Und sie hatte mich dieses Mal wegen des Heroins hundertprozentig in ihrer Hand. Ihre ständige Androhung, die saugute shore ins Klo zu werfen, war gemein und unerträglich für mich. Ich konnte ihre offene Arroganz kaum aushalten. Ich hatte die ganze Zeit das blöde Gefühl, jeden Moment den Verstand zu verlieren oder ohnmächtig zusammenzubrechen.
Sie stellte mir ihre typisch erotischen Fragen und ich war zu kaputt, um mir Antworten darauf auszudenken. Deshalb sagte ich ihr einfach die Wahrheit, was sich aber schnell als großer Fehler herausstellte. Ich gab offen zu, an diesem Tag gemeinsam mit Sean einen Orgasmus erlebt zu haben. Eliza wurde daraufhin so unglaublich eifersüchtig, dass sie sich in ihre Wut und Erregung förmlich hineinsteigerte. Ich geriet in Panik, weil sie das Heroin im Klo zu versenken drohte. Sie warf mir gehässig vor, ein zügelloser, triebhafter Mensch zu sein, womit sie wahrscheinlich recht hatte. Aber die Art, wie sie mir meine private Lebensweise vorwarf, war schlicht unakzeptabel. Sie verletzte mich damit, verärgerte mich, und ich wurde ein bisschen aufsässig.
Sie rächte sich augenblicklich dafür, indem sie mich mit eisigem Blick dazu aufforderte, mir vor ihren Augen einen runterzuholen. Wir hatten auch dieses Sex-Spiel schon mehrmals gemeinsam gespielt. Selbstbefriedigung und Voyeurismus. Ansonsten war es ein sehr erotisches Spiel mit Gewinngarantie.
Aber in diesem Moment war mir absolut nicht nach Wichsen zumute. Meine Angst um die shore war entschieden zu groß. Ich war viel zu angeschlagen, viel zu müde, irgendwie tat mir immer noch alles weh. Eliza Laser drohte mich in dieser Nacht in meinem Badezimmer mit ihrer großen Eifersucht und Geilheit total fertigzumachen. Die Frau war absolut egoistisch in ihren Begierden und scherte sich einen Dreck um meine Verletzungen. Meine Bedürfnisse waren ihr schlicht scheißegal.
Zu gerne hätte ich mich ihr einfach komplett verweigert. Aber ich wusste keine Möglichkeit, ihr zu entkommen. Ich fragte mich pausenlos verzweifelt, ob sie wirklich ernst machen würde, ob sie mir tatsächlich die shore wegnahm, was ich ihr durchaus zutraute. In Gedanken sah ich das schöne Heroin schon in der Kloschüssel verschwinden, wo es dann für mich endgültig und für immer verloren gewesen wäre. Diesen Gedanken konnte ich nicht ertragen. Ich war unglaublich nervös, zitterte am ganzen Körper und kämpfte mit brennenden Tränen in meiner Kehle. Eliza war, wie so oft, total unerbittlich, und ich hatte auch diesmal keine Chance gegen sie.
Letztendlich gab ich auf und versuchte angespannt, mir vor ihrem stechenden Blick einen runterzuholen. Ich gab mir widerwillig Mühe, aber natürlich klappte es nicht, was mich auch überhaupt nicht verwunderte. Ich wurde kein bisschen geil davon, bekam noch nicht mal eine Erektion. Und Eliza ließ mein Versagen nicht gelten. Sie wollte unbedingt Sex mit mir, und ich war dazu einfach nicht in der Lage. Sie war darüber natürlich tierisch enttäuscht und wurde höllisch wütend. Sie war inzwischen so dermaßen sexuell frustriert, dass sie völlig unerwartet in Tränen ausbrach und aus dem Badezimmer rannte.
Kurz vorher warf sie mir aber zu meinem unermesslichen Glück das pack zu. Das geschah jedoch so derart plötzlich, dass ich nicht schnell genug reagieren konnte. Obwohl ich es versuchte, gelang es mir nicht, den göttlichen kleinen Beutel aufzufangen. Das Heroin landete auf dem Boden, und ich fiel förmlich hinter der shore her auf den harten Marmor, was ziemlich weh tat. Aber Frau Laser hatte meine Lieblingsdroge nicht vernichtet! Ich war so unendlich erleichtert und dankbar darüber, dass mir der Schmerz vom harten Aufprall egal war. Endlich hatte ich meine shore zurück! Immerhin hatte ich achtzig Euro für die zweieinhalb Gramm bezahlt! Und Elizas frivoles Lieblingsspiel hatte definitiv meine letzte Kraft gekostet. Ich brauchte jetzt unbedingt einen Chinesen!
Nackt lag ich auf den steinharten, warmen Fliesen und stellte entsetzt fest, dass das pack geschrumpft war, dass sich nur noch höchstens ein Gramm Heroin in dem kleinen Beutel befand. Hatte Liz wirklich so viel davon im Klo versenkt? Oder hatte ich schon fast alles weggeraucht? Ich wusste es nicht. Nur kurz focht ich einen inneren Kampf aus, ob ich es mir leisten konnte, noch ein paar Chinesen zu rauchen. Wenn ich schon in dieser Nacht alles wegrauchte, dann würde der Entzug am nächsten Morgen unausweichlich brutal zuschlagen. Es wäre ein riesengroßer Fehler, die shore jetzt komplett wegzumachen, mahnte ich mich. Sergej würde nämlich nicht vor morgen Mittag erreichbar sein.
Aber im nächsten Moment setzte ich mich spontan hin, legte mir einen aufs Silberpapier und rauchte ihn weg. Dann rauchte ich noch einen. Schweren Herzens packte ich danach die shore ein und versteckte sie im Whirlpool-Kasten. Alarmierend flammte der Gedanke in mir auf, dass dieses Versteck nicht besonders clever gewählt war, weil Eliza es jetzt kannte und auf die Idee kommen könnte, mir das Heroin doch noch wegzunehmen. Eine Sekunde später schob ich den Gedanken aber beiseite und stand mühsam auf. Die shore beruhigte mich äußerst angenehm.
Ich wurde jetzt echt schläfrig. Es war schon sehr spät oder sehr früh, die Nacht war schon weit fortgeschritten. Bestimmt würde es bald dämmern, dachte ich mit einem Blick zum Fenster. Ich war extrem müde und wollte nur noch schlafen.
Vorher ging ich aber noch zum Waschbecken und spülte meinen Mund mit teurem Mundwasser aus, trank gierig Wasser aus dem Wasserhahn. Ich spritzte kaltes Wasser in mein schmerzendes Gesicht und betrachtete mich eine Weile im Spiegel. Fuck! Diese blöden Arschlöcher hatten mich ganz schön zugerichtet. Ich sah wirklich verletzt aus. Valmont wird mich umbringen, wenn er das sieht, befürchtete ich besorgt. Ich konnte nämlich mit diesem Gesicht und Körper womöglich nicht mehr Theater spielen, und Valmont würde mir die Schuld dafür geben.
Ich schob auch diesen Gedanken beiseite, wandte mich seufzend ab und ging zur Tür. Ich schaltete das Licht aus und wankte durch den dunklen Flur zu meinem Schlafzimmer. Ich betrat es vorsichtig, denn ich konnte Eliza drinnen hören. Ich hatte keine Ahnung, in welcher Verfassung sie jetzt sein würde, und das machte mich nervös. Es bestand die Möglichkeit, dass sie immer noch wütend auf mich war. Bestimmt war sie unverändert sexuell frustriert und unbefriedigt.
Als ich zögernd eintrat sah ich, dass sie gerade dabei war, im Schein der kleinen Nachttischlampe mein Bett frisch zu beziehen. Ich beobachtete sie eine Weile von der Tür her und versuchte festzustellen, ob sie sich inzwischen beruhigt hatte. Ob sie sich damit abgefunden hatte, dass ich vorerst keinen Sex mit ihr wollte. Sie bemerkte mich, schaute mich an, und ihr Lächeln erleichterte mich total. „Mann, Clay, dein Bett stinkt vielleicht nach Whiskey!" bemängelte sie vorwurfsvoll. „Außerdem hast du Spermaflecken auf deinen Laken", setzte sie amüsiert grinsend hinzu. Ich lächelte sie an, war nur mäßig peinlich berührt wegen der Flecken. Die Frau hat sich endlich beruhigt, registrierte ich dankbar, sie wird es endlich gut sein lassen!
Erleichtert ging ich auf sie zu. Auf einmal war ich wieder froh über ihre vertraute Anwesenheit. Ich war unendlich glücklich, diese scheiß Nacht nicht allein beenden zu müssen. Ich ging zum Schrank und zog mir eine saubere Retropants an. Dann half ich ihr ungeschickt dabei, mein Bett frisch zu beziehen. Sie fragt mich nicht einmal, ob sie heute Nacht bei mir bleiben darf, fiel mir amüsiert auf. Für Eliza Laser war es in diesem Moment selbstverständlich, dass sie mit mir zusammen in meinem teuren Wasserbett übernachten würde. Und sie hatte hundertprozentig recht damit. Diese Situation erforderte keine fragenden Worte. Eliza durfte bei mir schlafen, wann immer ihr danach war. Ich hätte sie niemals nach Hause geschickt.
Die Frau zog sich ohne Scheu bis auf ihre weiße Baumwoll-Unterwäsche aus. Sie zog ihren roten BH aus und lächelte mich liebevoll an. Ich saß auf dem Bett und beobachtete sie mit einem warmen Gefühl im Bauch. Ich fand sie wunderschön und sehr begehrenswert. Ich war stolz auf meine beste Freundin. Dann ärgerte ich mich darüber, dass ich so wenig Verlangen in mir verspürte. Meine umfassende Müdigkeit würde mir jegliche sexuelle Befriedigung verwehren, war mir frustriert bewusst. Also dann eben erst morgen, akzeptierte ich resigniert. Vielleicht würde nach ein paar Stunden Schlaf meine Libido zurückkehren, hoffte ich inständig.
Kurz darauf lagen wir zusammen in meinem sauber duftenden Bett, und sie knipste meine Nachttischlampe aus. Augenblicklich war es stockfinster in meinem Schlafzimmer. Ich lag mit offenen Augen in der Dunkelheit und merkte irritiert, dass ich in Panik zu geraten drohte. Es war totenstill und etwas stimmte nicht. Irgendetwas beunruhigte mich immens.
„Komm näher, Clay, komm zu mir", seufzte Liz leise in der Finsternis. Ich bewegte mich auf dem großen, schwankenden Wasserbett vorsichtig zu ihr hin. Sie lag mir abgewandt auf der Seite, und ich schmiegte mich schutzbedürftig von hinten an ihren runden Körper. Ich legte meinen Arm um ihre Taille und fühlte ihr weiches Haar in meinem Gesicht. Sie roch so wunderbar vertraut, ganz leicht nach Vanille, weil sie dieses Deodorant benutzte. Ihre unmittelbare Nähe beruhigte mich enorm. Ich fühlte mich trotz ihrer vorherigen Gemeinheiten sicher bei ihr und war ihr spontan dankbar dafür.
Ihre sexuelle Frustration lastete plötzlich schwer auf meinem Gewissen. „Es tut mir leid, Liz", flüsterte ich an ihrem Ohr, „Ich habe auch Lust auf Sex. Ich würde so gerne jetzt mit dir schlafen." Dieses Geständnis kam aus dem tiefsten Winkel meiner verwirrten Seele. Traurig lauschte ich auf ihre Antwort. Sie lag ganz still und erwiderte nichts, strich nur liebevoll über meinen Arm, der sie umschlungen hielt. Sie war eindeutig friedfertig, deshalb wollte ich ihr meine paradoxe Lage erklären. Ich drückte mich noch näher von hinten an sie und flüsterte: „Ich fühle mich so verdammt... müde... und kaputt... Ich... kann nicht..." „Es ist schon gut, Clay", unterbrach Liz mich leise, „Du brauchst mir wirklich gar nichts zu erklären." Ich beugte mich zu ihr hin und küsste sie dankbar hinter ihrem Ohr und am Hals. Ganz zart strich meine Zungenspitze über die empfindliche Haut. Eliza seufzte wohlig und streichelte weiter gedankenverloren meinen Arm.
Auf einmal spürte ich, dass sie kaum merklich anfing zu schluchzen, was mich echt bestürzte. „Was ist denn?" wisperte ich erschrocken. Sie brauchte einen Moment, bis sie mir antworten konnte. „Du musst mich ja jetzt echt total hassen, Clay. Ich war doch vorhin schon wieder so gemein zu dir", jammerte sie zerknirscht. Ihre unerwartete Reue rührte mich zutiefst. Eine warme Woge der Zuneigung erfasste mich, trieb mich automatisch noch näher zu meinem Mädchen. Ich schmiegte mich liebevoll an sie, streichelte über dem Unterhemd ihre fantastische rechte Brust, die meine Hand ganz ausfüllte. Ich küsste ihr Ohr, ihr Haar und ihren Hals und versicherte ihr aus tiefstem Herzen: „Nein, Eliza, ich könnte dich niemals hassen! Es ist ganz egal, was du tust, hörst du! Ich hasse dich ganz bestimmt nicht dafür!" Daraufhin musste sie noch mehr schluchzen. „Das habe ich nicht verdient! Ich bin so widerlich zu dir gewesen! Ich wollte dir mit aller Macht meinen Willen aufzwingen! Ich behandle dich viel zu oft richtig schlecht, Clay!" keuchte sie und schnappte nach Luft. „Nein, nein!" wehrte ich ab.
Ich wollte sie jetzt gerne ansehen, aber es war viel zu dunkel dafür. Deshalb blieb ich hinter ihr liegen und streichelte nur blind ihr tatsächlich von Tränen nasses Gesicht. „Hör zu, Liz, du darfst mich immer behandeln, wie du willst! Das macht mir doch überhaupt nichts aus!" log ich sie hastig an. Sie schluchzte auf, aber sie lachte auch dabei, und genau das hatte ich beabsichtigt. Ich wollte sie unbedingt beruhigen und trösten, denn ich konnte es nicht ertragen, wenn sie weinte.
„Clay...", kicherte sie protestierend und drehte sich auf den Rücken. Ich konnte sie nicht sehen, aber ich fühlte sie genau, und ich war mir sicher, dass sie gerade voller Liebe in die Richtung meines Gesichts schaute. „Das ist doch Quatsch, Clay! Ich weiß genau, dass es dir sehr wohl etwas ausmacht, wie ich mit dir umgehe. Wenn es dir egal wäre, dann würde es mir nicht so einen Spaß machen, richtig fies zu dir zu sein!" meinte sie ganz leise.
Eliza Laser kannte mich eben verdammt gut. Aber ich kannte sie genauso gut, deshalb überraschten mich ihre Worte kein bisschen. „Ach so! Du bist also gerne richtig fies zu mir?! Na warte!" erwiderte ich gespielt empört und fing spontan damit an, sie strafend an den Rippen zu kitzeln. Sie lachte kreischend auf und strampelte. Ich kitzelte sie überall, und wir balgten uns in der Dunkelheit auf dem schwankenden Wasserbett herum.
Aber schon bald hatte ich sie überwältigt, lag auf ihrem wundervollen, warmen Körper und hielt ihre Unterarme über ihrem Kopf auf der Matratze fest. Wir atmeten beide schwer. Inzwischen hatten meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt, und ich konnte sie fast erkennen. „Clay!" protestierte sie halbherzig. Ich beugte mich zu ihr hinunter und küsste ihr alle salzigen Tränen von ihrem schönen Gesicht. Sie ließ sich das gerne gefallen.
Dann lag ich noch einen Moment ruhig auf ihr. Sie war ganz weich. Ich konnte ihr Herz unter mir schlagen fühlen. Eliza holte Luft. „Es tut mir leid, was ich vorhin mit dir gemacht habe", entschuldigte sie sich bei mir, was vollkommen unnötig war. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, meinte sie: „Das war nicht in Ordnung. Aber ich bin manchmal so wütend auf dich, Clay. Dein Verhalten, und was du dir alles antust, das macht mich manchmal so wütend!"
Es gefiel mir nicht, was sie sagte. Ich wollte so etwas nicht von ihr hören, und ich verstand es auch nicht. Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte sagen können, deshalb beugte ich mich schnell nochmal hinunter und leckte mit meiner Zungenspitze ganz zart über ihre Unterlippe, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie seufzte leise, dann lachte sie und drehte den Kopf weg. „Es ist schon gut, Clay. Lass uns jetzt schlafen. Ich bin auch ganz schön müde." Ich stimmte ihr zu, ließ sie los und rutschte vorsichtig von ihr herunter. Ich legte mich dicht neben sie auf den Rücken. Sie richtete sich auf und holte die große Decke, die sie bei unserer Rangelei ans hintere Ende des Bettes gestrampelt hatte. Liebevoll deckte sie uns beide zu. Sie küsste mich ganz kurz auf die Stirn. „Schlaf gut, Clay", wisperte sie. „Du auch, Liz", erwiderte ich.
Dann war es eine Weile ganz still, und ich lag mit offenen Augen da und merkte genervt, dass die Stille mit der Zeit anfing zu dröhnen, dass ein kaltes Unbehagen sich unwillkürlich meiner bemächtigte. Mein Herz schlug unruhig, ich stöhnte unbehaglich.
Eliza bewegte sich neben mir. Sie drehte sich auf die Seite, und plötzlich fühlte ich ihre warme Hand auf meinem nackten Bauch. „Ist schon gut, Clay. Sei ganz ruhig. Ich bin ja da", flüsterte sie. Ihre sanfte Stimme und die Berührung ihrer Hand beruhigten mich auf der Stelle. Mein Herzschlag normalisierte sich zusehends, ich atmete ganz tief. Augenblicklich fühlte ich mich vollkommen sicher. Es war ganz leise und dunkel in meinem Schlafzimmer, aber jetzt hatte die Stille und die Dunkelheit nichts Bedrohliches mehr.
Zufrieden schloss ich die Augen, und eine bleierne Müdigkeit überfiel mich. Mein Kopf fing an zu pochen, hinter meinen Augenlidern tanzten bunte Punkte. Hilflos versuchte ich einzuschlafen. Aber das klappte nicht richtig. In meinem Gehirn tauchten ungewollt sehr grausame Bilder auf, zu viele Schläge, schmerzhafte Schnitte und Tritte, die ich erlitten hatte, niederschmetternde Beleidigungen und Kränkungen.
Urplötzlich befand ich mich in einem fremden Raum, und das Gesicht des Junkiemädchens tauchte unter mir auf. Ich lag auf ihr und wollte sie unbedingt vergewaltigen. Sie sagte mir, dass sie mehr Heroin von mir haben wollte. Ich versuchte unentwegt, in sie einzudringen. Es gelang mir aber nicht, denn ich hatte gar keine Erektion. Außerdem war nur ich völlig nackt, während das Junkiemädchen bekleidet war. Sie lachte mich spöttisch aus und höhnte lautstark, dass ich ein impotenter Schlappschwanz, der totale Versager wäre. Auf einmal bemerkte ich noch jemanden in diesem pechschwarzen Zimmer. Jemand trat näher, aber ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Noch immer wollte ich in sie eindringen, starrte dabei aber jetzt diese dunkle, große Gestalt an. Irgendetwas blitzte auf. Jemand warf mir von hinten ein dünnes Seil um den Hals und riss mich damit ruckartig von dem Mädchen herunter. Ich konnte ihn nicht sehen, aber im nächsten Moment zog er das Seil enger und richtete mich brutal halbwegs auf. Ich kniete jetzt und bekam keine Luft mehr! Die erste fremde Person, wahrscheinlich ein Mann, kam höhnisch lachend näher. Er hob langsam seinen Arm, und ich erkannte ein riesiges, blitzendes Bowie-Messer in seiner Hand. Ich rang erfolglos nach Luft und fixierte das Messer. Mit einem plötzlichen Streich schnitt der fremde Mann mir blitzschnell die Kehle durch. Ein gewaltiger Blutschwall schoss augenblicklich aus meinem Hals und platschte vor mir auf den Boden.
„Nein!" brüllte ich röchelnd, „Nein, nein!" „Clay!" rief jemand, „Clay! Wach auf! Komm zu dir!" Jemand schlug mir ins Gesicht. Ich strampelte verzweifelt, schlug um mich und versuchte mich zu wehren. "Nein! Nein!" „Hör auf, Clay! Mach die Augen auf!" drang diese Stimme langsam in mein Bewusstsein. Panisch riss ich meine Augen auf und erkannte Eliza sofort. Ich rang nach Luft. Meine Hände schossen nach oben, um zu überprüfen, ob mein Hals zerschnitten war. Irritiert stellte ich fest, dass meine Haut völlig unversehrt zu sein schien. Mein Kopf schmerzte höllisch. Ich stöhnte gequält und schaute mich ängstlich im Zimmer um. Ich brauchte ein paar Minuten, um mein eigenes Schlafzimmer richtig zu identifizieren.
Eliza lag sichtbar aufgeschreckt neben mir und musterte mich aufmerksam im Schein der Nachttischlampe. „Du hast nur geträumt", teilte sie mir ruhig mit. Ich benötigte nochmal einige Minuten, um diese peinliche Tatsache zu realisieren. „Fuck!" entfuhr es mir dann hilflos. Ich lag auf dem Rücken und war tatsächlich schweißgebadet. Mein Körper zitterte immer noch vegetativ. Ich machte tiefe Atemzüge. Verlegen und verwirrt starrte ich an die Zimmerdecke, an die ich irgendwann etwas gezeichnet hatte. Aber es war zu dunkel, um es richtig zu erkennen. Vor dem Fenster dämmerte erst schwach der neue Tag.
Liz kroch zögernd näher an meine Seite, schmiegte sich halb auf meine Brust und lächelte mitfühlend. „Du hast ganz schön laut geschrien, Clay. Du hattest wohl einen schlimmen Albtraum, was?" bemerkte sie mit unverkennbarer Neugier. Ich sah sie eine Weile abschätzend an. Sie wirkte sehr freundlich, sehr beruhigend auf mich, und ich bekam urplötzlich das dringende Bedürfnis mich mitzuteilen. Wenn ich darüber rede, dann kann ich diesen ganzen Scheiß vielleicht endlich vergessen, rief es hoffnungsvoll in meinem Kopf. Lade doch den ganzen verdammten Müll einfach bei dieser Frau ab, forderte eine teuflische Stimme in mir mich grimmig auf.
Ich schloss hilflos die Augen und atmete tief. Dann fixierte ich unschlüssig wieder die Decke meines Schlafzimmers. Liz wartete die ganze Zeit geduldig schweigend auf meine Erklärung. Aber was sollte ich ihr erklären? Was konnte ich ihr überhaupt verraten von all diesen verdammten Ereignissen? Ich konnte der Frau doch unmöglich von einem Albtraum erzählen, in dem ich eine andere Frau vergewaltigen wollte!
Nervös ließ ich die bizarren Bilder nochmal Revue passieren. Es irritierte mich, wie eindeutig dieser Traum gewesen war, wie nah an der Realität, und deshalb so absolut furchteinflößend. Nein, ich wollte mich nicht an versuchte Vergewaltigungen erinnern, an Seile um meinem Hals oder verfluchte Bowie-Messer. Ich wollte all das am liebsten so schnell wie möglich komplett aus meinem Gedächtnis löschen. Aber mir dämmerte, dass es diesmal womöglich nicht so leicht werden würde, über das Grausame hinwegzukommen.
Ich drehte langsam meinen Kopf und schaute Liz kläglich an. Sie lächelte mitfühlend. „Eliza...", begann ich hilflos, da hob sie die Hand, strich kurz beruhigend über meine Brust und richtete sich auf. „Das ist okay, Clay. Komm erst mal zu Atem. Erhole dich noch ein bisschen. Ich verschwinde mal eben im Bad." Sie lächelte nochmal, nickte verständnisvoll und kroch über das Bett zum Rand. Dann stand sie auf und verließ das Schlafzimmer, wobei sie die Tür offen stehen ließ. Ich konnte hören, wie sie über den Flur ging und die Tür des Badezimmers hinter sich schloss.
Ich lag allein auf meinem Wasserbett und rührte mich nicht. Ich fühlte mich wie gerädert. Mein Kopf schmerzte unverändert stark, sodass ich die Augen schließen musste. Dieses scheiß Pochen kommt vielleicht von der Gehirnerschütterung, die Siamak erwähnt hat, vermutete ich.
Sie haben mir mit ihren harten Schlagstöcken auf den Kopf gehauen, erinnerte ich mich, und damit nicht nur mein Gehirn erschüttert. Sie hätten mir genauso gut damit den Schädel einschlagen können, dachte ich im nächsten Moment. Sie hätten mich mit ihren Messern von oben bis unten aufschlitzen, mich entmannen, oder mir tatsächlich die Kehle durchschneiden können. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, mich kurzerhand mit dem Seil zu erwürgen. Ich hätte wahrhaftig sterben können letzte Nacht. Das war haarscharf!
Dieser Gedanke erschreckte mich zutiefst. Ich fragte mich beunruhigt, wie um alles in der Welt es überhaupt zu diesem brutalen Überfall gekommen war. Was war der Grund dafür gewesen?
Es ist alles deine eigene Schuld, schrie mein Gewissen mich auf der Stelle zornig an, du hast dieses kleine Junkiemädchen gewaltsam zu Boden gerissen. Du hast dich auf sie gelegt und wolltest ihr die Kleider vom Leib reißen, obwohl sie die ganze Zeit betont hat, dass sie damit nicht einverstanden war. Du wolltest dieses Mädchen eindeutig zum Sex zwingen!
Plötzlich erinnerte ich mich ganz genau an diese dunkle Episode in meiner Wohnung. Das junge Mädchen hatte unter mir auf dem Boden gelegen. Ich hatte sie mit meinem Gewicht bestimmt fast erdrückt, und sie hatte geschrien und geweint. Aber ihre merkbare Angst und ihre Gegenwehr hatten mich nur angetörnt. Ich wollte sie trotzdem nicht gehen lassen. Ich hatte sie stattdessen gewaltsam geküsst und angefasst. Überdeutlich sah ich diese Szene vor meinem inneren Auge. Und ich begriff überhaupt nicht mehr, was ich da sah. Verdammt, was war an diesem Abend denn nur in mich gefahren? Welcher Teufel hatte mich geritten? Was genau hatte mich an diesem fremden Mädchen so stark gereizt, dass ich total die Kontrolle über mich verloren hatte und mich nicht mehr bremsen konnte? Und seit wann konnte ich überhaupt so dermaßen gewalttätig sein?
Angesichts dieser verwirrenden Fragen kam eine mächtige Woge Schamgefühl in mir hoch. Ich fühlte mich auf einmal, wie ein hirnlos triebgesteuertes Arschloch. Unversehens schnürte sich meine Kehle zu. Brennende Tränen stiegen mir in die Augen. Die Schlechtigkeit meiner unüberlegten Handlung wurde mir erst jetzt richtig bewusst. Warum in aller Welt hast du das nur getan?, fragte mein Gewissen mich vorwurfsvoll. Ich konnte ihm beim besten Willen keine Antwort geben.
Eliza
Wir lagen nebeneinander unter der großen Decke in seinem teuren, überaus bequemen Wasserbett im Dunkeln. Ich war unglaublich müde und wollte nur noch schlafen. Aber Clay atmete unruhig, er stöhnte unbehaglich, deshalb drehte ich mich zu ihm und legte ihm beruhigend meine Hand auf den nackten Bauch. Das tröstete ihn immer, und auch diesmal wurde er sofort ruhiger. Eine Weile lagen wir still so dort, dann hörte ich seine gleichmäßigen Atemzüge. Es rührte mich, dass allein meine Hand, die ganz ruhig unter der Decke auf seinem Körper lag, ihm eine solche Sicherheit gab, dass er überraschend schnell einschlafen konnte.
Clay Banton hatte Angst vor der Dunkelheit. Er fürchtete sie genauso, wie die Stille und das Alleinsein. Das hatte er mir schon vor langer Zeit freimütig gestanden. Wann immer ich ihn allerdings nach dem Grund dafür fragte, wurden seine Antworten einsilbig. Er redete mit niemandem über seine Kindheit, auch mit mir nicht, was mich jedes Mal ein wenig kränkte.
Denn wo anders konnte man denn schon den Grund für seine Ängste suchen, als in seiner geheimnisvollen Kindheit, die er auf Island verbracht hatte, dieser großen Insel im Norden, von der ich so gut wie nichts wusste. Natürlich hatte ich während unserer Beziehung immer mal wieder versucht, Clay diesbezüglich aus der Reserve zu locken. Ich hatte es mit unverfänglichen Fragen versucht, wollte mich langsam an das eigentliche Problem herantasten. Aber Clay wurde äußerst wachsam, wenn man ihn nach Island fragte.
Deshalb wusste ich kaum etwas aus dieser Zeit seines Lebens. Sein Elternhaus muss wohl ziemlich außerhalb einer Stadt gestanden haben, sodass er hauptsächlich in der freien Natur aufgewachsen ist. Es war vielleicht oft einsam dort, kalt und dunkel, könnte ich mir vorstellen. Seine Eltern hatten ihn aber nie misshandelt, diese Vermutung von mir hatte er einmal empört von sich gewiesen. Trotzdem sprach er ungern über seine Eltern. Seinen Vater, ein Isländer, der ein ruhiger, träumerischer Bildhauer war und in seiner Werkstatt stundenlang Skulpturen aus Ton und anderen Materialien herstellte. Seine Mutter, eine Deutsche, die immer irgendwas zu suchen schien, es nie lange an einem Ort aushielt und deshalb andauernd umgezogen war.
Mit den Männern hatte Frau Banton wohl kein Glück gehabt, denn jedes ihrer fünf Kinder hatte einen anderen Vater und wurde in einem anderen Land gezeugt und geboren. Clays Eltern hatten nie geheiratet, und sie hatten sich getrennt, als er acht Jahre alt gewesen war. Kurz danach war er mit seiner Mutter und seinen Schwestern nach Kanada gezogen, dann nach Australien. Und später, als er schon fünfzehn war, wollte seine Mutter zurück nach Deutschland. Schon lange hatte Clay zu seinen Eltern keinen Kontakt mehr. Und sein Verhältnis zu seinen vier Schwestern war wohl auch irgendwie angespannt, denn meines Wissens nach herrschte auch zwischen ihnen Funkstille.
An all das musste ich denken, als ich dort auf der Seite im Dunkeln lag, meine Hand auf dem warmen, nackten Bauch dieses Mannes, der bestimmt schon die ganze Welt gesehen hatte, weil seine Mutter nirgendwo ein dauerhaftes Zuhause für ihn schaffen konnte. Mit meiner Hand auf seinem muskulösen Bauch war Clay sofort eingeschlafen. Warum beruhigte ihn diese Berührung so sehr? Nun, dieses Rätsel würde ich wohl heute Nacht auch nicht mehr lösen, dachte ich gähnend. Ich schloss die Augen und schlief bald darauf ein.
Es kam mir wie Minuten vor, aber wahrscheinlich waren einige Stunden vergangen, als ich von einem lauten Schrei geweckt wurde. „Nein!" Erschrocken riss ich die Augen auf. Dies war Clays Schlafzimmer und ich lag in seinem Bett. Draußen dämmerte es ganz leicht. Die Decke war weg, anscheinend hatte Clay sie von sich gestrampelt oder sie war in der Nacht hinuntergefallen.
Ich schaltete die Nachttischlampe an und drehte mich zu ihm hin. Er lag neben mir auf dem Rücken, schlug und trat um sich und schrie immer wieder: „Nein! Nein!" Seine Augen zuckten hinter den geschlossenen Lidern ruckartig schnell hin und her. Clay war schweißgebadet und durchlitt offensichtlich einen schlimmen Albtraum. Er versuchte verzweifelt, sich irgendwas vom Leib zu halten. „Clay! Wach auf! Komm zu dir!" rief ich hilflos. „Nein! Nein!" Der Mann reagierte nicht auf mich. Unvermindert kämpfte er mit irgendwas und rang röchelnd nach Luft. Ich wollte ihn unbedingt aufwecken, deshalb schlug ich ihn kurzentschlossen ins Gesicht. Erst ein paarmal leicht, dann wurden meine Schläge härter. Ich schrie: „Hör auf, Clay! Mach die Augen auf!" Nochmal schlug ich ihn auf die Wange.
Endlich riss er die Augen auf und starrte mich entsetzt an. Er hatte merkbar keine Ahnung, was passiert war oder wo er sich befand. „Du hast nur geträumt", erklärte ich ihm ruhig. Er brauchte einige Minuten, um das Geschehene und seinen Aufenthaltsort zu realisieren. Dann stöhnte er „Fuck", sank auf die Matratze und fixierte verstört sein bizarr erotisches Deckengemälde. Sein Atem ging schwer, als würde er nicht genug Sauerstoff bekommen. Ich betrachtete ihn mit einem warmen Gefühl im Bauch. Er hat so viel Schlimmes erlebt, dachte ich, es ist kein Wunder, dass er davon Albträume bekommt.
Ich kroch zu ihm und schmiegte mich an seine schweißnasse, heiße Brust. Sein Herz schlug unglaublich schnell. Zu gerne hätte ich erfahren, was genau er geträumt hatte. Waren es Bilder von dem Angriff auf der Bühne oder der Schlägerei gewesen? Oder hatte ihn ein verdrängtes Erlebnis aus seiner Kindheit gequält? Ich schaute ihn liebevoll an und erwähnte meine Vermutung, dass er wohl einen Albtraum gehabt hatte. Sofort schloss Clay abwehrend die Augen, eine für ihn so typische, schützende Geste, wenn ihm irgendetwas nicht gefiel. Er wollte also auf keinen Fall mit mir über seinen Traum reden. Nun gut, dachte ich, vielleicht kann ich ihn später nochmal danach fragen, wenn er nicht mehr so aufgewühlt ist, wie jetzt.
Ich musste sowieso auf die Toilette und wollte duschen, deshalb sagte ich ihm, dass er sich noch ein bisschen erholen sollte, während ich ins Bad gehen würde. Clay war noch zu verwirrt, um mir zu antworten. Er schaute mir nur reglos nach, als ich aufstand und das Schlafzimmer verließ.
Ich ging über den Flur zu seinem wunderschönen Badezimmer, betrat es und schloss die Tür hinter mir. Ich schaltete das Licht ein und ging aufs Klo. Danach zog ich mir die Unterwäsche aus und stellte mich unter Clays behagliche Luxus-Dusche. Aus zig großen Wasserdüsen traf mich aus fast allen Richtungen in genau der richtigen Intensität herrlich erfrischendes Wasser, natürlich exakt in der richtigen Temperatur. So eine Dusche hätte ich zu Hause auch gerne, dachte ich neidisch. Ich stibitzte ein wenig von Clays teurem Duschgel und rieb mich langsam damit ein. Dieses Zeug roch einfach atemberaubend gut.
Ich strich genüsslich über meine Haut und wünschte mir unwillkürlich, dass Clay mit mir in dieser Dusche wäre. Er könnte mich noch viel erregender mit seinem Duschgel verwöhnen! Ganz zart würden seine großen Künstlerhände über meinen Körper fahren, seine kundigen Finger würden genau die richtigen Stellen finden.
Der arme Clay! Er hatte gestern wirklich keinen schönen Tag gehabt. Zuerst quälte ihn dieser fürchterliche Heroinentzug, dann wurde er auf der Bühne mit harten Steinen beworfen. Und zu guter Letzt waren auch noch diese Verbrecher über ihn hergefallen und hatten ihn richtig schwer verletzt. Plötzlich fragte ich mich beunruhigt, ob diese unselige Vergewaltigungsgeschichte wohl jetzt damit endlich erledigt war. Oder würde vielleicht noch mehr passieren? Hatten diese brutalen Leute ihre gemeine Rache vollendet, oder war Clay womöglich weiterhin in Gefahr?
Auf einmal machte ich mir zum wiederholten Male große Sorgen um Clay Banton. Offensichtlich schreckten diese Typen vor nichts zurück. Was wäre, wenn sie ihn das nächste Mal noch schwerer verletzen oder eventuell sogar töten würden? Und wenn auch nicht dieselben Leute, dann vielleicht aber die nächsten, denen er in irgendeiner Weise auf den Schlips trat. Clay verärgerte doch andauernd irgendwen mit irgendwas!
Einen Moment lang war ich sehr beunruhigt. Aber dann mahnte ich mich zur Besonnenheit. Ich konnte ja ohnehin nichts tun. Ich wusste ja nicht mal, ob er mir wirklich die Wahrheit sagte. Vielleicht hatte all diese böse Gewalt gegen ihn tatsächlich ihre Berechtigung. Seufzend wandte ich mich wieder meinem nassen, nackten Körper zu.
Clay
Als Eliza aus dem Badezimmer zu mir zurückkam, war sie in eins meiner großen, weißen Badetücher gewickelt. Ich wusste sofort, dass sie darunter völlig nackt war. Natürlich war sie nackt. Sie war noch immer unbefriedigt, und sie hatte unverändert große Lust auf mich. Ihre schönen, langen Haare hatte sie trocken geföhnt. Das hatte ich, genau wie das vorherige Duschen, von hier aus hören können.
Lächelnd kam sie auf mich zu, kroch über das Bett und legte sich dicht neben mich, wobei sie das Badetuch um ihrem Körper festhielt. Sie stützte ihren Kopf auf ihre Hand und betrachtete mich eingehend. Ihre Augen blitzten vor Neugierde und Vorfreude. Eliza Laser hatte sich für mich bereit gemacht. Bestimmt hatte sie mein gutes Duschgel benutzt und duftete jetzt absolut verführerisch. Mein Herz begann härter zu schlagen, als ich mir vorstellte, wie ich in wenigen Minuten in ihren Duft eintauchen würde.
Eliza hatte selbstverständlich alles richtig gemacht. Körperpflege war ihr, genau wie mir, enorm wichtig. Auch in dieser Hinsicht hatte ich schon negative Erfahrungen gemacht, wenn Leute sich wochenlang nicht richtig wuschen, und dann auch noch verlangten, dass ich sie in den Mund nehmen oder lecken sollte. Aber zum Glück passierte mir das nur noch selten, denn so etwas konnte mir den ganzen Tag versauen. Inzwischen hatte ich aber einen recht guten Blick dafür, wer ein Schmuddelkanditat war, und wer nicht. Bei Eliza passierte das natürlich niemals. Wann immer wir auch Sex hatten, sie war immer eine erregend gepflegte Frau.
Nun lag sie dicht neben mir, und ich atmete tief ihren frischen Geruch ein. Das wird schön, redete ich mir zu, du hast doch genauso Lust auf sie, wie sie auf dich. Aber mein Schädel pochte noch immer, mein Hals war ganz trocken, und ich fühlte mich wie ausgekotzt. Mein Körper schmerzte, und der Affe war auch nicht mehr sehr weit. Eliza lächelte mich liebevoll an, merkbar atemlos vor aufkommender Erregung. Gerührt über ihre drängende Zuneigung zu mir, stiegen mir unvermittelt Tränen in die Augen, die ich hastig unterdrückte.
Sie studierte eine Weile ausführlich mein Gesicht, strich sanft über die kleine Wunde zwischen meinen Augen. „Hat der Typ mit den Steinen aus dem Theater dich verprügelt?" wollte sie plötzlich wissen. Sie küsste sacht meine Brustwarzen, die sich sofort unter ihrem Mund verhärteten. Ich atmete tief ein und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es echt nicht, Eliza. Ich habe wirklich keine Ahnung, was im Theater genau passiert ist. Ich habe nicht viel davon mitgekriegt. Der zweite Stein hat mich doch sofort niedergestreckt. Ich weiß ja nicht mal, wer ihn geworfen hat", seufzte ich irgendwie genüsslich. Sie streichelte sanft über die Schnitte auf meiner Brust. Ihre behutsame Zärtlichkeit war Balsam für meinen angeschlagenen Körper, war Streicheleinheit für meine gekränkte Seele. „Aber was denkst du denn?" hakte sie neugierig nach. Sie bewegte sich leicht. Ihre Hand streichelte sich auf mir nach unten und blieb ruhig auf meinem nackten Bauch liegen.
Ich stöhnte leise auf. Es fiel mir jetzt sehr schwer, mich auf ihre Fragen zu konzentrieren. Ihre kleine Hand auf meinem Bauch war wundervoll, aber die niederschmetternde Erinnerung machte mir zu schaffen. „Die Typen trugen alle Sturmmasken, ich konnte ihre Gesichter nicht sehen. Sie haben zwar behauptet, dass sie vorher im Theater waren, aber ich weiß nicht, ob das stimmt", antwortete ich ihr atemlos. „Wir sollten uns mal die Amateurvideos von diesem Abend im Internet anschauen. Vielleicht erkennst du trotzdem jemanden...", murmelte Eliza nachdenklich und fuhr mit ihrer Hand zurück auf meine Brust.
Mein Herz schlug sehr hart. Die schmerzvollen Andenken an die verdammte Schlägerei, all diese Verletzungen an meinem Körper, drohten mich aus der Fassung zu bringen. Gleichzeitig spürte ich Liz jetzt ganz deutlich. Ich wollte wirklich nicht mehr nachdenken, mich nicht mehr erinnern müssen. Jetzt fick sie doch endlich, dann wird es besser, fing der Teufel in mir an zu krakeelen.
Mit plötzlicher Gier drückte ich die Frau an mich und versuchte heftig, sie zu küssen. Aber Eliza drehte hastig ihren Kopf weg und rückte energisch von mir ab. Verwirrt und keuchend blickte ich sie an. Die Nachttischlampe warf Schatten auf ihr Gesicht. „Du musst dich ganz dringend nochmal waschen, Clay. Du riechst nach Schweiß", rümpfte sie entschuldigend lächelnd ihre hübsche Nase. Ich schloss resigniert die Augen. Sie hatte recht, der verfluchte Albtraum hatte mich in Schweiß gebadet. Hinter meinen Lidern pochte es dumpf. Einige Zeit war es ganz still. Dann beugte sie sich zu meinem Ohr und flüsterte verheißungsvoll hinein: „Du darfst aber gerne gleich wiederkommen, okay?" Um ihr eindeutiges Angebot zu unterstreichen, fuhr sie mit ihrer Hand sanft über die Innenseiten meiner Oberschenkel.
Kurzentschlossen richtete ich mich auf und kroch aus dem schwankenden Bett. Ich saß auf dem Rand und alles drehte sich, mir wurde wieder einmal richtig schwarz vor Augen. „Putz dir bitte auch die Zähne, Clay", forderte Eliza mich kichernd auf. „Und sei beim Waschen bloß vorsichtig, du darfst deine Verbände auf keinen Fall nass machen!" setzte sie mahnend hinzu.
Ich gab mir einen Ruck und stand auf. Zwei Minuten später verließ ich mein Schlafzimmer, taumelte über den dunklen Flur und betrat mein teures Badezimmer. Ich knipste das Licht an und pinkelte noch ein bisschen Blut ins Klo. Wie ferngelenkt zog ich danach meine Retropants aus, holte meinen Waschlappen aus dem Waschbecken, befeuchtete ihn mit warmem Wasser, nahm ein wenig Flüssigseife hinzu und befreite meine Hände und meinen verletzten Körper ein weiteres Mal vom Schmutz. Ich war ganz vorsichtig, ließ die verdammten Verbände aus und wusch mich gewissenhaft.
Aber plötzlich brannte die blöde Seife schmerzhaft auf meiner zerschnittenen Haut, sodass ich sie hastig wieder abwusch. Das Waschen mit dem kleinen Waschlappen ging mir auf den Geist, genau wie vor ein paar Stunden, als Eliza es mir schon einmal befohlen hatte. Es war verdammt mühsam und anstrengend. Mein Blick fiel sehnsüchtig auf meine wundervolle Dusche, die Eliza total durchnässt zurückgelassen hatte. Ihre Unterwäsche hatte sie sorgfältig zusammengelegt auf den Hocker daneben gelegt, wie ich schmunzelnd bemerkte. Zu gerne hätte ich mich einfach ruhig unter den warmen Wasserstrahl gestellt. Aber ich durfte ja meine beschissenen Verbände am Arm und Bein nicht nass machen.
Fuck, dachte ich, und wandte mich meinem Intimbereich zu. Ich schaute hinunter auf meinen Penis, während ich auch diesen Bereich meines Körpers sorgfältig mit Wasser und Seife wusch. Mein Schwanz hing schlapp herunter, und ich fragte mich besorgt, ob er wohl für Eliza aufwachen würde, die im Schlafzimmer bestimmt schon ungeduldig auf meine Potenz wartete. Bei dem Gedanken an die drängenden Begierden der Frau, die sie manchmal nur schwer im Zaum halten konnte, musste ich plötzlich lachen. Ich kicherte ein bisschen, aber es hörte sich irgendwie verzweifelt an.
Ich umfasste meinen Schwanz mit der linken Hand, denn in der rechten hielt ich den Waschlappen. Während ich ihn festhielt, fuhr ich sanft mit meinem Daumen über den empfindlichen Rand meiner Eichel.
Meine heterosexuelle Mutter stand extrem auf beschnittene Schwänze, deshalb hatte sie mich schon als Baby beschneiden lassen. Daran konnte ich mich nicht erinnern, aber der Arzt im Krankenhaus in Reykjavík hatte zum Glück gute Arbeit geleistet. Mein beschnittener Penis gefiel mir richtig gut, und bisher hatte ich auch von anderen noch keine Klagen diesbezüglich gehört. Im Gegenteil, ich hatte schon manches Kompliment für meinen Schwanz bekommen. Deshalb war ich auch überhaupt nicht böse auf meine Mutter, die bestimmt jeden potentiellen Sexpartner vorher fragte, ob er auch ja beschnitten war, wie ich mir manchmal spöttisch vorstellte. Mit Vorhaut gab es keinen Sex mit meiner Mum! Natürlich hat mein Dad ihre Voraussetzung erfüllt, sonst wäre ich mit Sicherheit nie gezeugt worden.
Es fühlte sich gut an, wie mein Daumen über die Stelle streichelte, wo mein Vorhautbändchen gewesen war, deshalb tat ich es noch eine Weile. Mein Kopf dröhnte dabei unvermindert. Mein Körper schmerzte, die genähten Wunden taten echt weh. Ich fühlte mich total unausgeschlafen und erschöpft. Was sollte ich nur tun, wenn ich deshalb tatsächlich keine Erektion aufbauen konnte? Dieser Gedanke beunruhigte mich plötzlich sehr. Ich wollte Eliza nicht schon wieder enttäuschen. Sie würde womöglich komplett durchdrehen, wenn ich erneut im Bett versagte.
Im nächsten Moment irritierten mich meine Gefühle total. Ich hatte doch keine Angst vor Sex! Ich hatte niemals Angst vor Sex! Clay Banton liebte Sex! Aber auf einmal kam es mir so vor, als hätte ich mir in der letzten Zeit schon öfter Sorgen um meine Potenz gemacht, und diesen Gedanken wollte ich auf gar keinen Fall vertiefen.
Während ich so dort stand und meinen Schwanz hielt und streichelte, sah ich plötzlich vor meinem inneren Auge drei maskierte Gestalten und ein Mädchen vor mir stehen, die meinen Penis anstarrten und ihn und mich laut johlend verspotteten. Diese massive Demütigung tat noch immer weh.
Hastig ließ ich meinen Schwanz los, warf den Waschlappen zurück ins Waschbecken, zog meine Unterhose an und eilte zu meiner Jacke, die in einer Ecke auf dem Boden lag. Ich fand die Tabletten, die Siamak mir gegeben hatte, und drückte aus jeder Packung eine Tablette heraus. Danach nahm ich sie am Waschbecken und trank am Hahn Wasser hinterher. Ich schaute mich einen Moment lang im Spiegel an. Fuck, ich sah echt ausgekotzt aus, total angeschwollen und bunt, mit riesigen, ängstlichen Pupillen.
Kurzentschlossen drehte ich mich herum und eilte zum Kasten des Whirlpools. Hastig holte ich die shore heraus, schüttete den Rest des Beutels auf ein Stück Zeichenpapier und war mega entsetzt darüber, wie verdammt wenig Heroin nur noch übrig war. Das gibt's doch nicht, dachte ich verzweifelt, und pulte auch noch den allerletzten Krümel aus dem kleinen Plastikbeutel. Dann steckte ich den Beutel in den Mund, lutschte ihn aus und kaute darauf herum, bis er wirklich nicht mehr nach shore schmeckte, sondern nur noch nach Plastik. Erst dann spuckte ich ihn aus und schaute mir unglücklich die kleine Menge Pulver an, die auf dem gefalteten Papier lag. Das war doch totale Scheiße! Mit dieser geringen Menge würde ich kaum die nächsten Stunden überstehen! Womöglich reichte es nicht einmal, um für Eliza einen Steifen zu kriegen!
Aber alles Ärgern nützte mir überhaupt nichts, deshalb legte ich mir rasch einen Chinesen aufs Silberpapier und rauchte ihn weg. Danach rauchte ich noch einen. Und dann noch einen ganz kleinen. Nur widerwillig packte ich danach den Kram wieder ein und verstaute ihn zurück im Kasten. Ich schlug wütend die Klappe des Kastens mit Wucht zu und atmete tief durch.
Für einen Moment schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf die merkbare Wirkung des Heroins, was jetzt ganz sanft meinen aufgewühlten Körper und meine Seele beruhigte. Das wird schon klappen, redete ich mir zu, du wirst das schon hinkriegen. Eliza kennt dich total gut, sie weiß dich richtig zu berühren. Sie wird es bestimmt schaffen, dich aufzugeilen. Eliza Laser ist doch eine wunderschöne Frau, du liebst es doch, mit ihr zu schlafen. Lass es einfach auf dich zukommen, verdammt!
Langsam ging ich zum Waschbecken und putzte mir hastig, nur oberflächlich meine Zähne. Dann fuhr ich prüfend mit Daumen und Zeigefinger über mein Kinn. Genervt stellte ich fest, dass ich mich rasieren musste, sonst würde Eliza einen Grund zum Meckern haben. Sie mochte es nicht, wenn meine Barthaare durch die Haut stießen. Die Stoppeln reizten beim Küssen ihre Haut, und sie hatte Angst, Pickel davon zu bekommen. Womöglich war das so. Ich nahm den Rasierer und rasierte mich gründlich. Danach prüfte ich nochmal mein Kinn und meine Wangen. Nun waren sie spiegelglatt. Ich stand vor dem Spiegel und starrte mich regungslos an. Ich sah wirklich nicht gut aus.
Geschockt drehte ich mich herum und knipste das Licht wieder aus. Der kurze Rückweg zu meinem Schlafzimmer war für mich, wie das Laufen auf den schwankenden Planken eines Schiffes bei vom Sturm gepeitschter See. Meine Kopfschmerzen waren durch das Heroin erträglich geworden, und ich dachte an den geilen, verräterischen Doktor Siamak Tourani, der mir eine leichte Gehirnerschütterung diagnostiziert hatte. Gedankenverloren streichelte ich über die Verbände an meinem Körper, die er mir zurückgelassen hatte. Ich erinnerte mich an seine überraschend geile Nähaktion, sein bezauberndes Lächeln, die feurigen Augen, seinen attraktiven Körper in den weißen Arztklamotten.
Ich wurde irgendwie ungeduldig und betrat nervös mein Schlafzimmer. Die Frau hatte tatsächlich in meinem Bett auf mich gewartet, immer noch eingewickelt in mein Badetuch. Als sie mich bemerkte, schlug sie das Tuch aufreizend zur Seite und präsentierte mir ihre wundervolle Nacktheit. Eliza Laser lächelte voller Vorfreude verführerisch. Sie lag auf dem Rücken und streckte ihre Arme einladend nach mir aus. Ich grinste lüstern und kroch langsam über das Bett auf sie zu, um mich dicht an ihre Seite zu schmiegen, halb über ihr.
Es war ganz still, und eine Weile schauten wir uns nur liebevoll an. Sie war so verdammt wunderschön, und einen Moment lang konnte ich es gar nicht fassen, dass sie nackt in meinem Bett lag. „Ich will dich, Clay. Mit Haut und Haaren. Jetzt", flüsterte Liz grinsend. „Ich will dich auch, Liz", flüsterte ich automatisch, und das war hundertprozentig die Wahrheit.
Sie umarmte mich und küsste mich verlangend. Ihre Hände streichelten über meinen Rücken. Ich erwiderte ihren Kuss, sie schmeckte vertraut. „Du bist ja ganz nass, Clay!" beschwerte sie sich atemlos. "Du hast dich ja gar nicht abgetrocknet!" stellte sie kopfschüttelnd fest. Ich hatte tatsächlich vergessen mich abzutrocknen. Aber eigentlich störte uns beide das überhaupt nicht.
Eine Weile küssten wir uns eng aneinandergepresst auf dem Bett. Ich streichelte dabei ihre weiche Brust und die Haut über ihren Rippen. Sie streichelte sich meinen Rücken entlang bis zu meinem Hintern. Ihre süße Zunge spielte mit meiner, neckte sie, umkreiste sie, sie saugte sacht an meinen Lippen.
Irgendwann spürte ich ihre kleine Hand, die vorwitzig in meine Retropants tauchte und meinen Schwanz erreichte. Sie fing damit an, ihn ganz behutsam zu stimulieren. Ich stöhnte und küsste sie weiter, tauchte mit meiner Zunge in ihren wunderbaren Mund, umspielte ihre vollen Lippen. Es fühlte sich gut an, was sie mit meinem Schwanz machte. Ihre Nähe fühlte sich so gut an, dass ich es kaum ertragen konnte. Ich wollte sie nie mehr loslassen.
Sie bewegte sich jetzt, legte sich auf mich. Dabei spürte ich plötzlich wieder die vielen Wunden an meinem Körper. Ihr Gewicht tat mir weh, wenn sie sich schwer auf meinen Schnitten und blauen Flecken bewegte. Ich stöhnte irritiert auf. Ich versuchte beharrlich, die Schmerzen zu ignorieren. Aber irgendwann registrierte ich erstaunt, dass der oft unvermutete Schmerz, der durch die Tablette und das Heroin erträglich blieb, mich auf eine masochistische Art sogar aufgeilte.
Ich streichelte ihren Rücken, fuhr hinab zu ihrem Hintern und packte ihren runden, festen Arsch. Mit beiden Händen fuhr ich dann über die Stelle, wo ihr Hintern in ihre Beine mündet. Sie seufzte zustimmend und schaute mich aufgeregt an. Dann küsste sie sich wagemutig an mir herunter, wobei sie an diversen Stellen haltmachte. Ich ahnte ihre Absicht und hielt den Atem an. Sie zog mir lächelnd die Retros aus und schleuderte sie weg, wobei ich sie ganz genau beobachtete. Atemlos, aufgeregt und begierig beugte Eliza sich vor und nahm meinen schlaffen Penis vorsichtig in ihren süßen Mund.
Die Frau lutschte und saugte ihn äußerst gekonnt, umfasste ihn mit ihrer Hand und steigerte damit meine Geilheit wie von selbst und ganz enorm. Ich fixierte sie, nahm den Anblick ihrer roten Lippen in mich auf und war überwältigt davon, wie liebevoll und vertraut sie mit ihm umging. Sie wusste ganz genau, welche Stellen mir am meisten Genuss bereiten.
Es dauerte letztendlich nur dreißig Sekunden, bis er vollständig erigiert war, worüber ich insgeheim maßlos erleichtert war. Meine Gedanken verflüchtigten sich schnell und machten einer umfassenden sexuellen Lust Platz. Ich stöhnte laut, wurde gierig, vergrub meine Finger in ihren Haaren und stieß ihren Kopf irgendwann ungewollt heftig gegen mein Geschlechtsteil.
Sie schnappte nach Luft und löste sich nur mit Mühe aus meinem Griff. „Warte, warte...", seufzte sie. „Sei nicht so brutal, Clay", beschwerte sie sich. „Tut mir leid", keuchte ich hilflos. Ich hatte jetzt wirklich Mühe, mich zusammenzureißen. Mein Schwanz lag inzwischen echt prall gestaut auf meinem Unterleib. Ich betrachtete ihn und versuchte nervös, mich zu beruhigen.
Eliza kroch zurück an meine Seite und streichelte sacht über meine Brust. „Es tut mir leid, dass du so schlimm verprügelt worden bist", sagte sie ruhig. „Auch, wenn du es wahrscheinlich verdient hast, Clay", setzte sie vorwurfsvoll hinzu. Frau, halt doch einfach die Klappe, dachte ich genervt. „Ich liebe dich. Ich möchte dich ficken", erwiderte ich drängend. Sie musterte mich eine Weile ganz merkwürdig, beinahe mitleidig.
Verdammt, dachte ich, und streichelte mich kurzentschlossen an ihr herunter. Ich fand schnell den Weg zwischen ihre Beine und stellte lächelnd fest, wie nass sie schon war, wie bereit für mich. Ich tauchte zwei Finger in ihre feuchte Grotte und umspielte dabei mit dem Daumen den Zauberpunkt in ihrer Körpermitte. Eliza stöhnte zustimmend, deshalb küsste und leckte ich mich geradewegs zu ihrer Vagina hin.
Alles tat mir weh, wenn ich mich bewegte, mein Kopf schmerzte immer noch. Ich hatte Angst, meine Erektion zu verlieren, wenn wir nicht weitermachten. Außerdem drängte meine Geilheit jetzt stark nach Befriedigung. Ich vergrub mein Gesicht zwischen ihren Beinen und stimulierte mit meiner Zunge sacht ihre Klitoris, während meine Finger sie unentwegt fickten. Ich stellte amüsiert fest, dass sie noch genauso kurz rasiert war, wie ich es am liebsten mochte. Damals hatte sie mich ziemlich blöd angeschaut, als ich diese Bitte äußerte. Sie wäre von allein niemals auf die Idee gekommen, sich die Schamhaare zu rasieren, bis ich es ihr zeigte. Aber nun waren ihre Haare dort immer noch ganz kurz, obwohl Eliza sich doch offiziell längst von mir getrennt hatte. Die Stoppeln pikten mich ins Gesicht, als ich sie gezielt leckte, was mich ganz schön aufgeilte. Über mögliche Pickel machte ich mir dabei wirklich keine Gedanken.
Ich liebte ihren Geschmack, ihren Geruch, die süße Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen, die zunehmend aus ihr hinausfloss, manchmal förmlich -spritzte. Eliza stöhnte genussvoll. Sie wand sich auf dem Bett. Meine Zärtlichkeiten wurden schneller, druckvoller. Sie lag auf dem Rücken und spreizte einladend ihre Beine. Eliza winkelte die Beine an, setzte ihre Fußsohlen auf die Matratze, damit sie mir ihr Becken noch weiter entgegenbeugen konnte. Ich kannte ihre Vorlieben viel zu gut. Meine Finger in ihr machten kreisende Bewegungen an den Wänden ihrer Grotte entlang. Meine Zunge flatterte über ihre Klitoris.
Irgendwann hob ich den Kopf und schaute zu ihrem Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Mund offen, sie gab herrliche Geräusche von sich. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie sich mir hingab, und dass ihr Höhepunkt nahte. Ihre Pussy war inzwischen dunkelrot, feucht aufgequollen, ihre Klitoris stach prall hervor. Ich zog meine nassen Finger aus ihrer Höhle und bewegte sie fest auf ihrer Haut zu dem Loch zwischen ihren Pobacken, wobei ich eine feucht glänzende Spur hinterließ.
Als mein Mittelfinger behutsam in sie drang, stöhnte sie laut auf. „Gefällt dir das?" fragte ich sie neckend. „Das ist so geil...", erwiderte sie keuchend, ohne ihre Augen zu öffnen. Ich lächelte zufrieden. Sie atmete laut und schwer. Ihr Körper zuckte. Sie vergrub ihre Finger in die Bettlaken. Nun war es nur noch eine Frage von Sekunden. Noch einmal beugte ich mich hinunter und leckte fest über ihren empfindlichen Zauberpunkt. Eliza grapschte jetzt nach meinem Kopf, stieß ihn hinunter, zog schmerzhaft an meinen Haaren.
Und dann kam sie. Ihre Klitoris zog sich zurück. Sie stöhnte laut auf, schrie fast, keuchte „Clay...", floss über und zuckte rhythmisch zusammen. Ihr Körper überzog sich mit einer Gänsehaut. Ich richtete mich auf und beobachtete sie stolz bei ihrem Orgasmus. Eliza Laser war atemberaubend, völlig überwältigt von den guten Gefühlen, die ich ihr schenkte. Ihr hübsches Gesicht, von Wollust verzehrt, ihr schlanker Hals, ihre großen Titten mit den harten Brustwarzen, ihr wunderschöner Körper.
Eliza trieb nicht übermäßig, aber regelmäßig Sport, und das kam ihrem Aussehen und ihrer Gesundheit sehr zugute. Trotzdem kämpfte sie, wie so viele Frauen, ständig mit ihren Pfunden, weil sie fürchtete, zu dick zu sein oder zu werden. Jeden Tag überprüfte sie ihr Gewicht auf ihrer Waage. Dabei war sie überhaupt nicht dick, schien nur überall wundervoll weich und rund zu sein. Ihr Anblick zischte mir geradewegs wohlig in den Schwanz, der noch härter wurde.
Nach ihrem sexuellen Höhepunkt lag die Frau einige Zeit mit geschlossen Augen da, bebte nach und atmete ganz tief. Sie brauchte eine Weile, um zurückzufinden. Ich hockte derweil zwischen ihren Beinen, wischte mir mit der Hand ihre zuckersüße, klebrige Feuchtigkeit aus dem Gesicht und betrachtete sie mit einem warmen Gefühl im Bauch.
Schließlich öffnete sie die Augen und lächelte mich an, nur ein wenig verlegen. „Clay...", sagte sie leise und streckte ihre Hand nach mir aus, „Komm her, Clay, komm zu mir..." Sie streckte ihre Beine wieder aus. Ich kroch an ihr hinauf und schmiegte mich an ihre Seite. Wir schauten uns intensiv an und lächelten voller gegenseitigem Einvernehmen. „Weißt du, das war so verdammt geil... Du hast... Du bist so...", flüsterte Eliza hilflos und brach beschämt ab. Der Satz blieb unvollendet. Ich lachte amüsiert auf, weil ich wusste, dass sie mir ein Kompliment über meine Cunnilingus-Fähigkeiten machen wollte, aber die passenden Worte nicht fand, oder nicht aussprechen wollte. Ihre Schüchternheit rührte mich, und ich küsste spontan ihre Wange.
Sie suchte meinen Mund, und wir küssten uns nochmal eine Weile tief und leidenschaftlich. Sie drängte mich von sich, sodass ich schließlich auf dem Rücken lag, während sie sich an meine Seite schmiegte. Sie schlang meinen unverletzten, rechten Arm um sich, sodass meine Hand auf ihrer Hüfte lag, und streichelte gedankenverloren über meine Wunden an Brust und Bauch. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf ihre zarte Berührung, auf meine Erregung, spannte meine Muskeln zwischen meinen Beinen an und fühlte bewusst meine Erektion. Mein Kopfschmerz wurde wieder stärker, und das beunruhigte mich.
„Was hast du Schlimmes geträumt?" fragte Eliza mich plötzlich ganz leise neugierig. Ich öffnete meine Augen und schaute sie an. Sie lächelte auffordernd, wissbegierig. Ich wollte mich nicht an diesen Albtraum erinnern oder darüber reden, trotzdem antwortete ich ihr schnell: „Jemand hat mir mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten." Die böse Vergewaltigungsszene vorher ließ ich bewusst weg, denn davon konnte ich Eliza unmöglich erzählen, ohne mir ihre Vorwürfe anhören zu müssen.
Nun weiteten sich ihre Augen besorgt. „Oh nein! Clay! Das ist ja schrecklich! Das tut mir leid", wisperte sie aufgeregt. „Ist schon gut. War ja nur ein Traum", beruhigte ich sie und streichelte über ihren Hüftknochen. Sie fuhr mit ihren Fingern exakt über den roten Striemen an meinem Hals. „Das war bestimmt wegen diesem Seil, mit dem sie dir die Luft abgeschnürt haben. Und wegen der Schnittwunden mit den Bowie-Messern", mutmaßte Eliza.
Und ich drehte fast durch, weil sie ausgerechnet jetzt mit diesem Scheiß anfing, an den ich absolut nicht erinnert werden wollte. Schon spürte ich, wie die grausamen Bilder, die unwillkürlich in meinem Kopf auftauchten, gegen meine sexuelle Erregung ankämpften.
Hastig drehte ich mich zu ihr hin. „Hör mal, Liz, ich bin ganz schön geil, weißt du. Ich möchte dich jetzt echt gerne ficken", gestand ich ihr atemlos. Sie lachte belustigt und griff spontan hinunter, um meinen harten Schwanz ganz kurz prüfend in die Hand zu nehmen. „Du hast recht, Clay, bitte entschuldige! Wir müssen wirklich nicht jetzt darüber reden", stimmte Eliza mir Gott sei Dank sofort zu. Und dann küssten wir uns erneut tief und leidenschaftlich, streichelten uns an diversen Stellen. Mit der Zeit umarmte sie mich gierig, drückte meinen Körper fest an ihren, was ziemlich weh tat. Sie umklammerte mich und atmete laut an meinem Hals. „Fick mich!" verlangte die Frau verwegen keuchend an meinem Ohr. Ich lächelte sie frivol an, nickte und wandte mich von ihr ab.
Mühsam kroch ich über mein schwankendes Bett zu meinem Nachttisch. Dort zog ich die Schublade auf und holte ein Kondom heraus. Mit nervösen Fingern riss ich die Packung auf und fummelte das feuchte Gummi raus. Ich überprüfte kurz die Roll-Richtung, hielt dann das Reservoir fest zu und rollte das Naturkautschuklatex schwer atmend über meinem steifen Penis ab. Dies war eine Tätigkeit, die mir blind vertraut war. Präpariert kroch ich zurück zu Eliza, die mich amüsiert lächelnd beobachtet hatte. „Du bist wenigstens beim Sex immer verantwortungsvoll", bemerkte sie zufrieden. „Ich liebe dich, Liz", erwiderte ich und näherte mich ihr langsam. Ich küsste sie gierig und rollte mich auf ihren weichen Körper.
Im nächsten Moment griff ich hinunter, um meinen Schwanz in die richtige Position vor ihrem Eingang zu bringen. Sie seufzte sehr genüsslich und spreizte verlangend ihre Beine. Vorsichtig und mit laut hämmerndem Herzen drang ich in ihr Allerheiligstes ein. Sie war zum Glück noch nass genug, sodass ich leicht in sie hineinkam. Mit meinem empfindsamen Penis in ihre heiße, nasse Enge vorzudringen war ein so verfickt geiles Gefühl, dass ich sofort aufstöhnte und überwältigt die Augen schloss. Ich zitterte am ganzen Körper.
Ganz ruhig lag ich gleich darauf auf ihr und atmete tief. Dieses gewaltige Gefühl, vollständig eng umschlossen zu sein, die spürbare Hitze, allein die pure Gewissheit, in ihrer fantastischen Pussy zu stecken, war extrem erregend. Ich befürchtete plötzlich, dass ich womöglich jeden Moment zum Höhepunkt kommen würde. Panisch rief ich in meinem Gehirn ein paar abtörnende Bilder ab, um diese Katastrophe zu verhindern. Grausame Bilder fand ich in meinem Kopf zur Zeit wahrhaftig genug.
Wir lagen eine Weile ganz still dort und bewegten uns nicht. Eliza atmete tief und streichelte ganz zart über meinen Nacken und meinen Rücken. „Mach die Augen auf, Clay", befahl sie mir, und ich gehorchte und schaute sie an. Sie lächelte voller Zuneigung. „Ich mag es sehr, zu sehen, wie deine Augen sich verändern, wenn du sexuell erregt bist", erklärte die Frau vorwitzig. „Sag mir, dass du mich liebst", forderte sie mich im nächsten Moment erregt auf. Ich streichelte ihren Kopf, ihr hübsches Gesicht. „Ich liebe dich, Liz", antwortete ich ehrlich. Sie war in ihrer merkbaren Erregung echt wunderschön. Mir fuhr es durch den Sinn, dass ich sie eigentlich gar nicht verdient hatte. „Versprich mir, dass du mit den Drogen aufhörst", drängte sie mich atemlos. Ihre Augen musterten mich traurig.
Ich konnte nicht fassen, dass sie ausgerechnet jetzt mit diesem Scheiß anfing, in diesem äußerst intimen Moment. Irritiert starrte ich sie an. Ich fühlte mich von ihr in einer extrem verletzlichen Lage erpresst und unfair angegriffen. Verzweifelt fing ich damit an, mich zu bewegen, um einer Antwort ausweichen zu können. Ich fickte sie erst sehr sacht, dann wurden meine Bewegungen unwillkürlich ruckartiger. Aber Eliza ließ mich natürlich nicht so leicht davonkommen. „Clay...", quengelte sie, auf mein Versprechen drängend. „Ich versuch's", stöhnte ich wirklich überfordert.
Dann schloss ich abwehrend die Augen und konzentrierte mich verbissen darauf, sie umfassend zu befriedigen. Ich war nervös darauf bedacht, einerseits unbedingt steif zu bleiben, und andererseits meinen Orgasmus so lange wie möglich hinauszuzögern. Es war, wie bei jeder Frau, ein anstrengender Drahtseilakt.
Mein Mädchen stöhnte laut und zufrieden. Ihre Fingernägel krallten sich mit der Zeit schmerzhaft in meinen Rücken. Sie packte gierig meinen Hintern. Ihr Becken bewegte sich meinem entgegen, sie spannte ihre Muskeln an, die Beine weit gespreizt. Endlich gab die Frau sich wieder ganz ihrer Lust hin. Darüber war ich sehr erleichtert. Es schmeichelte mir jedes Mal, wie offensichtlich ich sie erregen konnte. Mein Herz klopfte mir jetzt bis zum Hals, der Schweiß brach mir aus. Ich schnappte nach Luft und war nahe daran, die Kontrolle zu verlieren. Nervös spulte ich immer wieder hässliche Bilder in meinem Gehirn ab, grausame Erinnerungen, die mir dabei halfen, diese Sache bloß lange genug durchzuhalten.
Unsere Bewegungen liefen im Gleichklang, absolut vertraut, wir waren ein eingespieltes Team bei diesem Sexualakt. Ich reizte sie bewusst, gezielt mit meinen inzwischen heftigen Stößen. Immer wieder hinein und hinaus. Mein Leib stimulierte direkt ihre Klitoris. Und das konnte keine Frau besonders lange aushalten. Ich kannte Eliza Laser viel zu gut, um ihr nicht anzumerken, wann sie einen echten Orgasmus hatte. Bei den meisten Frauen konnte ich die Lüge von der Wahrheit unterscheiden.
Eliza baute jetzt ihren Höhepunkt auf. Meine Bewegungen wurden sofort langsamer, während ich sie aufmerksam beobachtete. Die Frau schloss die Augen, ihr Mund öffnete sich, um erneut zuckersüße Geräusche von sich zu geben. Ich stieß sie noch dreimal kräftig, mit langen Pausen zwischen den Stößen, dann kam sie ziemlich gewaltig. Noch einmal schrie sie förmlich meinen Namen, was mir ungemein schmeichelte. Ihre Fingernägel gruben sich schmerzhaft in meine Schultern. Ihr ganzer Körper unter mir erzitterte. Ihr enger, heißer Unterleib zog sich rhythmisch zusammen. Sie stöhnte laut auf, schon wieder überwältigt. Die Frau war absolut mega geil!
Ich hatte derweil große Mühe damit, nicht auf der Stelle, zusammen mit ihr zu kommen. Das durfte mir auf keinen Fall passieren! Eliza würde mich zum Orgasmus bringen, wann und wie sie es wollte, und niemand anderes! Wenn ich ihr diesen Spaß, diese Kontrolle über mich nahm, dann wäre die Frau total enttäuscht von mir, das wusste ich aus Erfahrung. Sie brauchte ihre Form der Machtausübung beim Sex, und ich wollte sie nicht frustrieren. Krampfhaft dachte ich die ganze Zeit an scharfe Messer, die in mein Fleisch schnitten, enge Seile, die mir den Atem raubten, Schlagstöcke, Füße und Fäuste, die mich brutal trafen, spöttische Augen, die mich kalt verhöhnten.
Ich biss mir auf die Zunge und stoppte meine Bewegungen nur mühsam. Eliza keuchte unter mir, sie bebte noch und brauchte ein paar Minuten, um wieder zu sich zu kommen. Schließlich strahlte sie mich begeistert an. „Das war fantastisch, Clay", flüsterte sie überwältigt. Die Frau war tatsächlich dankbar. „Ja", stimmte ich geschmeichelt zu.
Meine eigene Geilheit war inzwischen fast übermächtig, und mir war absolut klar, dass ich nicht mehr lange durchhalten konnte. Mein steinharter Schwanz pochte in ihrem Körper und drängte mich enorm nach Erlösung. Mein Herz hämmerte in meiner Brust und raubte mir die Luft. Liz spürte und wusste das natürlich. Sie lächelte zärtlich und umklammerte mich. „Du bist unglaublich, Clay Banton", sagte sie atemlos. Ich hatte keine Ahnung, was genau sie damit meinte.
Sie wisperte merkbar aufgeregt: „Jetzt möchte ich oben sein." Sofort nickte ich zustimmend. Ich hatte wahrhaftig nichts dagegen, denn das bedeutete, dass ich demnächst endlich abspritzen durfte. Dieser kurze, aber intensive Fick hatte mich ganz schön angestrengt und ich hatte große Lust, jetzt ihr die Initiative zu überlassen.
Liz und ich waren durch unsere mannigfache Erfahrung ein eingespieltes Team beim Sex, und Stellungswechsel vollbrachten wir oft und gerne. Küssend drehten wir uns langsam herum, ganz nah aneinandergepresst. Sie drückte ihre Hände dabei fest an meinen Arsch, kicherte amüsiert und angetörnt. So drehten wir uns herum, ohne körperlich getrennt zu werden. Dann richtete sie sich vorsichtig auf.
Ich lag jetzt auf dem Rücken und die Frau saß rittlings auf meinem Unterleib. Mein Schwanz steckte unverändert tief in ihrer nassen Grotte. Ich sah mir das an und schnappte aufgegeilt nach Luft. Inzwischen hatte ich keine Angst mehr, dass er ungewollt erschlaffen könnte, dazu war meine sexuelle Erregung schon zu weit fortgeschritten. Mein Herz hämmerte schnell. Ich fing am ganzen Körper an zu zittern. „Liz...", stöhnte ich ungeduldig. Sie betrachtete mich ganz ruhig. Ihre Augen waren liebevoll, deshalb machte ich mir nicht allzu große Sorgen.
Sie saß bewegungslos auf mir und strich beruhigend über meinen Oberkörper. Ihre Finger zeichneten zart alle blauen Flecken und jede Schnittwunde nach. „Ist schon gut, Clay. Sei ganz ruhig", flüsterte sie. Sie spannte bewusst ihre Beckenmuskeln an, was ich unmittelbar an meinem Penis fühlte, weil sie ihn dadurch noch viel enger umschloss. Allein mit ihren Muskeln konnte sie mich auf diese Art stimulieren. Ich stöhnte, richtete mich ein wenig auf und griff spontan nach ihren Brüsten. Gierig berührte ich ihren großen, wundervoll weichen Busen mit den Händen, bis sie vor mir zurückzuckte. „Nicht, Clay, sei nicht so brutal", beschwerte sie sich nochmal ungehalten. „Liz...", stöhnte ich hilflos, ballte nervös die Hände zu Fäusten und legte mich zurück auf die Matratze.
Die Frau bewegte sich nicht, und das drohte mich langsam verrückt zu machen. Irritiert, ratlos versuchte ich, meinen Unterleib gegen den ihren zu stoßen. Sie lächelte belustigt. „Nein, warte, Clay, bleib ganz ruhig liegen! Genieße es!" verlangte sie von mir. Ich verdrehte aufgewühlt die Augen. Die mächtige Geilheit in mir wollte, ja konnte nicht mehr ruhig liegen bleiben. „Ich kann nicht", versuchte ich ihr atemlos zu erklären. Sie lächelte merkbar amüsiert. Wieder einmal war ich Liz hilflos ausgeliefert. Und mir war absolut klar, wie sehr sie diese Tatsache gerade in dieser intimen Situation genoss. Es gab ihr einen zusätzlichen, besonders geilen Kick, mich vollständig in ihrer Hand zu wissen, die totale Kontrolle über mich ausüben zu können.
Diese besondere Vorliebe von Eliza Laser hatte ich schon recht bald in unserer Beziehung herausgefunden. Ihr war dieses Faktum erst mit mir überhaupt bewusst geworden, und ich schenkte ihr dieses Machtgefühl gerne, auch wenn es mir oft schwerfiel. Zum Beispiel in dieser Situation, als ich wehrlos unter ihr lag und nur abwarten konnte, obwohl alles in mir nach dem Orgasmus schrie.
Schließlich beugte sie sich zu mir herunter, um mich zu küssen. Wir küssten uns eine Weile mit wachsender Leidenschaft, unsere Zungen spielten miteinander, umkreisten sich, sie saugte erneut zart an meinen Lippen. Ich klammerte mich an sie und packte ihren weichen, runden Arsch mit beiden Händen. Danach fummelte ich ein wenig an meinen Eiern herum, an die ich aber kaum herankam.
Später bewegte sie sich endlich gezielt, mit angespannten Muskeln auf und ab. Sofort ächzte ich überwältigt. Ohne ihre geile Bewegung zu stoppen, richtete sie sich wieder auf. Ich schaute mir besessen genau an, wie mein Schwanz vollständig in ihr verschwand und gleich darauf wieder halb auftauchte. Von diesem Anblick wurde ich so geil, dass ich endgültig alles um mich herum vergaß. „Ja, fick mich! Fick mich!" keuchte ich voller Verlangen. Sie lächelte mich milde an. Sie bewegte sich gleichbleibend langsam, gezielt, aber vorsichtig.
Sie griff hinter sich und streichelte sanft über meine Eier, zwischen meine Beine und über die Innenseiten meiner Oberschenkel. Sie übte zwischen meinen Beinen sanften Druck aus und stimulierte so meine Prostata indirekt von außen. Ich stöhnte laut und griff nach ihrer Vagina. Ich wollte unbedingt deutlich sehen, wie sie mich fickte, denn visuelle Stimulation ist mir beim Sex fast genauso wichtig, wie körperliche. Ich grapschte sie wohl ziemlich unkontrolliert an, laut atmend und stöhnend. Aber Eliza blieb ganz ruhig. Sie hielt meine hungrigen Hände sanft, aber bestimmt auf. „Nicht, Clay, sei nicht so brutal", wies sie mich abermals vorwurfsvoll zurecht.
Die Frau beobachtete meine wachsende Geilheit mit aufgeregtem Interesse, denn auch sie lechzte nach visueller Stimulation. Ich konnte mich nach kurzer Zeit kaum noch kontrollieren. Ich fürchtete zurecht, dass ich ihr höchstwahrscheinlich wehtun würde, wenn ich sie jetzt noch anfasste. Irgendwie verspannt lag ich auf dem Rücken und krallte meine Finger in die Bettlaken. „Ganz ruhig!" forderte Eliza mich wiederholt auf, „Genieße es! Bleib ganz ruhig, Schatz!"
Aber es war mir schon bald nicht mehr möglich, ruhig zu bleiben, denn in meinem Körper baute sich mit der Zeit automatisch ein gewaltiger Orgasmus auf, schlich langsam vom Gehirn durch meine Wirbelsäule hinunter in meinen Unterleib, bis in die empfindliche Spitze meines harten Schwanzes. Ich hatte keine Chance mehr, ihm zu entkommen. Ich wollte ihm auch gar nicht entkommen. Im Gegenteil! Absolut alles in mir lechzte völlig kopflos nach dem Höhepunkt, verlangte eine sofortige Temposteigerung und viel mehr Intensität.
Aber Eliza Laser zeigte kein Erbarmen, kein Verständnis, sie bewegte sich unverändert langsam auf mir. Auf und ab. Die Frau hatte mich jetzt definitiv vollständig in ihrer Hand, genau wie sie es beabsichtigt hatte, wie sie es eigentlich immer wollte. Sie genoss merkbar meine haltlos entfesselten, ungebremsten Triebe. Es geilte sie extrem auf, mich die Kontrolle verlieren zu sehen, mich genau nach ihrem Willen ejakulieren zu lassen.
Liz surfte behutsam auf einer Erregungswelle und kam mit Sicherheit nochmal, bevor ich endgültig an diesem Punkt angekommen war. Allerdings bekam ich davon jetzt kaum noch etwas mit. Ich zitterte und zuckte inzwischen am ganzen Körper. Mein Atem kam schwer und laut. Mein Herz hämmerte unglaublich hart und schnell. Sie lächelte voller Zuneigung und sichtbarer sexueller Erregung. „Ist schon gut, Clay. Es ist okay. Alles ist gut", beruhigte sie mich sanft. Mit diesen gutmütigen Worten gab sie mir endlich ihre Erlaubnis zum explodieren, wie ich nur unterschwellig, aber erleichtert zur Kenntnis nahm.
Ich rang nach Luft, ein verdammt wohliger Schauer erfasste mich, räkelte mich unter ihr auf dem Wasserbett. Ich presste meine Oberschenkel zusammen. Langsam auf und ab. Liz kannte mich viel zu gut, um mir nicht anmerken zu können, wann ich meine Ejakulation endgültig nicht mehr zurückhalten konnte. Und jetzt war es definitiv so weit.
Meine Muskeln spannten sich vegetativ an. Mein Rückgrat sprühte innerlich Funken. Von diesen endgeilen Gefühlen in meinem Unterleib überwältigt, schloss ich die Augen und ließ es auf mich zukommen. Ich hätte es ohnehin nicht mehr aufhalten können. Einmal noch auf und ab. Ich ächzte sehr laut. Meine sexuelle Lust steigerte sich ganz gewaltig, als es mir kam. Ich schrie vielleicht „Liz" und hatte dabei das extrem geile Gefühl, mich zwei, drei, vier, fünfmal völlig leer zu spritzen. Laut, entfesselt stöhnte ich auf, alle meine Muskeln zuckten ungesteuert zusammen.
Zehn Sekunden später lag ich immer noch auf dem Rücken unter Liz und fühlte mich unendlich erschöpft. Mein Kopf schmerzte. Mein Körper bebte sanft nach. Ich brauchte ziemlich lange, um mich wieder in meine Gewalt zu kriegen. Ich hatte keine Gedanken mehr.
Eliza
Sein schlimmer Albtraum hatte Clay massiv in Schweiß gebadet, deshalb schickte ich ihn zuerst nochmal ins Badezimmer, um sich frisch zu machen. Er gehorchte mir ohne Widerstand.
Während ich ungeduldig auf den Mann wartete, räkelte ich mich ein bisschen auf seinem bequemen Wasserbett. Ich war nach meiner erfrischenden Dusche bewusst nackt geblieben, hatte mich nur in eins seiner großen, weißen Frottee-Badetücher eingewickelt, was sich angenehm weich und sauber anfühlte. Meine Unterwäsche hatte ich sorgfältig zusammengelegt im Bad zurückgelassen. Voller Vorfreude malte ich mir den bevorstehenden Sex mit Clay Banton aus, erinnerte mich ausführlich an ähnliche Gelegenheiten. Der Sex mit Clay war bisher fast jedes Mal höchst befriedigend für mich gewesen.
Am Anfang unserer Beziehung hatte er mich behutsam in seine intimen Geheimnisse eingeweiht und mir damit Schritt für Schritt meine Unerfahrenheit und Scheu genommen. Die ersten Male mit Clay hatte ich als irgendwie peinlich empfunden, aber nun war das überhaupt nicht mehr so. Der Mann hatte mich sensibel gelehrt, zusammen mit ihm meiner Lust ungehemmt freien Lauf zu lassen. Seine große Erfahrung war mir dabei sehr zugute gekommen.
Ich stellte mir seine ungebändigte Geilheit vor, den Punkt, an dem er allein durch mich vor Erregung vollständig die Kontrolle über sich verlor. Clay Banton wusste genau, dass er mir beim Sex das größte Geschenk machte, indem er mir erlaubte, ihn allein durch meine Stimulation bis zum Orgasmus zu bringen. Und fast immer schaffte er es, mir diesen erotischen, vielleicht ein bisschen egoistischen Wunsch zu erfüllen. Ja, dieser herrliche Mann nahm tatsächlich Rücksicht auf meine Bedürfnisse!
Die überaus erotischen Bilder in meinem Kopf törnten mich extrem an. Ich spürte überdeutlich, wie meine Gedanken sich automatisch zwischen meinen Beinen fixierten. Es kribbelte angenehm in meinem Unterleib und ich wurde unwillkürlich feucht. Ich griff hinunter und tauchte meinen Mittelfinger in mich ein. Mit dem nassen Finger streichelte ich ganz sacht über meine Schamlippen und meine Klitoris. Diese Berührung fühlte sich sehr gut an, und ich konnte es kaum noch erwarten, dass Clay endlich aus dem Badezimmer zu mir zurückkam. Was trieb er dort nur so lange? Mist, bestimmt rauchte er schon wieder Heroin! Hoffentlich putzte er sich wenigstens danach die Zähne, denn ich hatte keine Lust darauf, seinen bitteren Qualm an ihm zu schmecken.
Schon in der vorherigen Nacht war ich unglaublich scharf auf Clay gewesen. Aber wegen seines Schockzustands hatten sein Körper und seine Seele komplett gestreikt. Hoffentlich hatte der Mann sich inzwischen so weit beruhigt, dass er in der Lage sein würde, richtig heißen Sex mit mir zu haben!
Meine Ungeduld und Vorfreude wuchs, bis mir plötzlich ein ganz anderer Gedanke durch den Sinn schoss, und ich meine Hand abrupt zwischen meinen Beinen hervorzog. Was um Himmels Willen tat ich denn hier eigentlich? Lag ich tatsächlich nackt in Clay Bantons Bett und wartete sehnsüchtig darauf, dass er mich endlich umfassend sexuell befriedigte? Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Wo waren denn all meine mühsam gefassten Vorsätze geblieben? Ich wollte mich doch von ihm fernhalten! Ich wollte ihm keine Macht mehr über mich geben! Ich wollte doch unbedingt mein eigenes Leben in die Hand nehmen, ohne Bantons zerstörerischen Einfluss! Und nun lag ich stattdessen wahrhaftig in seinem Bett und sehnte mich wie verrückt nach seiner Zärtlichkeit. Verdammt!
In diesem Moment kam Clay zurück, und ich schaute sofort neugierig zu ihm hin. Seine trotz der sichtbaren Verletzungen überaus wohlgeformte Gestalt wirkte augenblicklich auf mich. Mein Herz fing an, härter zu schlagen. Der Mann trug nur seine engen Retropants, und ich betrachtete einen Moment lang seine wunderbaren, starken Muskeln, die feucht vor Nässe im Schein der Nachttischlampe glänzten. Offenbar hatte er sich nach dem Waschen nicht richtig abgetrocknet, aber die Feuchtigkeit auf seiner Haut sah absolut scharf aus.
Sofort konnte ich es nicht mehr erwarten, mit diesem heißen Mann intim zu werden. Hastig schlug ich sein Badetuch zur Seite und zeigte ihm, auf dem Rücken liegend, aufreizend meinen nackten Körper. Ich streckte meine Arme nach ihm aus. Er lächelte frivol und kroch über das Bett auf mich zu. Vorsichtig kuschelte er sich an meine Seite, halb auf mir liegend, und jetzt merkte ich, dass er tatsächlich noch nass vom Waschen war. Aber eigentlich störte mich das nicht, denn der Mann war angenehm warm und roch frisch und sauber.
Wir schauten uns eine Weile tief in die Augen und versicherten uns gegenseitig, dass wir große Lust aufeinander hatten. Als wir uns kurz darauf eng umschlungen küssten, registrierte ich zufrieden, dass Clay sich tatsächlich die Zähne geputzt hatte. Von diesem ekligen Heroinqualm schmeckte ich zum Glück überhaupt nichts. Stattdessen schmeckte er nach Pfefferminz und angenehm vertraut, sodass ich seine außergewöhnlichen Künste beim Küssen ungestört genießen konnte.
Oh ja, Herr Banton konnte richtig gut küssen! Clays Küsse waren immer zärtlich, vorsichtig oder verlangend, aber nie oberflächlich und niemals dominierend. Seine Zunge ließ mir immer genug Spielraum, er reagierte mehr, als dass er agierte, und das gefiel mir sehr. Es erregte mich enorm, weil es mir ein Gefühl der Kontrolle gab. Natürlich war ich früher auch schon von anderen Jungs geküsst worden, und manchmal hatte mir das sogar recht gut gefallen. Aber Clay Banton war der erste Mann, den ich küssen durfte, hundertprozentig nach meinen Wünschen.
Während wir uns hingebungsvoll küssten, nahm ich dankbar zur Kenntnis, dass Clay sich so gut rasiert hatte, dass er mich im Gesicht nicht unangenehm kratzte. Kein einziger harter, störender Bartstoppel störte unsere Zärtlichkeiten. Voller Liebe umschlang ich ihn und strich mit meinen Händen seinen breiten Rücken entlang bis zu seinem knackigen Po. Er liebkoste meine Brust und die Haut über meinen Rippen, während ich mit meiner Hand vorwitzig in seine Retros tauchte. Seinen wundervollen Penis anzufassen, der sich ganz warm und weich anfühlte, war mein größtes Vergnügen. Auf der Stelle wollte ich ihn unbedingt erigieren sehen. Ich wollte nur noch dafür sorgen, dass er steif wurde.
Allein der Gedanke daran fuhr mir direkt zwischen die Beine, und ich fühlte die Feuchtigkeit aus mir hervorquellen. Aufgeregt, atemlos, mit hart klopfendem Herzen, rollte ich mich auf Clays Körper und küsste mich fast sofort an ihm herunter. Es fiel mir jetzt richtig schwer, ganz langsam vorzugehen, an seinen Brustwarzen und seinem Bauchnabel kurz haltzumachen, um ihn dort zu liebkosen. Ich hatte nur noch mein oberstes Ziel vor Augen: Seinen fantastischen Schwanz! Oh, wie geil ich darauf war, dem Mann eine ordentliche Erektion zu verpassen! Welch herrlich erregende Aufgabe!
Zuerst zog ich ihm ungeduldig die Retropants aus. Clay hatte nichts dagegen, er half mir sogar dabei. Und schon lag es direkt vor meinen Augen, mein allerliebstes Sex-Spielzeug! Ich schaute ihn mir eine Weile liebevoll an, begrüßte ihn in Gedanken, wie einen lang vermissten Freund, dabei war unsere letzte Begegnung keine zwei Tage her. Dann beugte ich mich hinunter und nahm ihn vorsichtig in den Mund. Er war ganz weich, deshalb war es noch ein bisschen schwierig, mit der ganzen Hand an ihm auf und ab zu fahren, während ich ihn leckte und leicht an ihm saugte. Aber ich wusste genau mit ihm umzugehen, denn Clay hatte mich ausführlich mit seinem besten Stück vertraut gemacht.
„Fass ihn ruhig mal an!" hatte er mich gutmütig lächelnd aufgefordert, als wir das erste Mal nackt nebeneinander in meinem Bett gelegen hatten. Ich war damals sehr unsicher gewesen, denn ich hatte mich vorher noch nie so ausführlich mit diesem Körperteil beschäftigen können. Vor Clay hatte ich nur mit zwei anderen Männern Sex gehabt, und beide waren eher auf ihr eigenes Vergnügen fixiert gewesen, als sich die Mühe zu machen, mir irgendetwas zu erklären. Wahrscheinlich waren sie einfach davon ausgegangen, dass ich schon alles wusste. Aus Angst vor der Blamage hatte ich mich auch nicht getraut, sie diesbezüglich etwas zu fragen. Ja, diese beiden anderen Schwänze hatte ich ebenfalls ein paarmal in der Hand gehabt, aber eher unfreiwillig und peinlich berührt. Sie waren mir immer fremd geblieben.
Clays intimste Körperteile hingegen waren mir in vielen, überraschend lustigen Übungsstunden absolut vertraut gemacht geworden. „Diese Stelle gefällt mir sehr", hatte er geseufzt, „Das geilt mich total auf" oder „Dort musst du vorsichtig sein", während ich ziemlich unbeholfen an seinem Penis und seinen Hoden herumexperimentiert hatte. Er war dabei nicht spöttisch oder überheblich gewesen, ganz im Gegenteil. Clay hatte sich vertrauensvoll in meine Hände begeben, und das hatte mir von Anfang an ein berauschendes Gefühl der Kontrolle über ihn gegeben.
Schon bald konnte ich unsere gemeinsamen Übungsstunden kaum noch erwarten, ich wollte ständig mit ihm intim werden, und er machte nur zu gerne dabei mit. Der Sex mit Clay wurde mit zunehmender Erfahrung absolut überwältigend für mich, zumal er am Anfang seinerseits auch mich ständig etwas fragte, obwohl er sich mit meiner Anatomie merkbar schon hervorragend auskannte. „Gefällt dir das?" oder „Findest du das schön?" hatte er die ersten Male unentwegt wissen wollen, während er meinen Körper äußerst gefühlvoll erkundet hatte. Und fast alles, was er mit mir tat, hatte mir sofort gefallen!
Am Anfang waren mir seine intimen Fragen irgendwie peinlich gewesen, aber er erklärte mir, dass wir auch und gerade beim Sex miteinander reden mussten, um uns richtig kennenzulernen. Nur so würde der Sex für uns beide zu einem befriedigenden Erlebnis werden. Und Clay ging dabei so unbefangen, so offen mit seinen eigenen Begierden um, dass ich mich schon erstaunlich schnell überhaupt nicht mehr schämte, einfach sofort zuzugeben, wenn mich irgendwas besonders aufgeilte. Und natürlich hat er hundertprozentig recht behalten! Der Sex mit ihm wurde von Mal zu Mal besser, immer inniger und entspannter.
Ach, wie absolut überwältigt und stolz auf mich war ich damals gewesen, als Clay Banton das erste Mal nur durch meine Hand einen Orgasmus erreicht hatte! Allein dieser Triumph hatte mich so stark erregt, dass ich kurz nach ihm fast von allein gekommen war. So etwas war mir vorher definitiv noch nie passiert!
Inzwischen war unsere Übungsphase längst vorbei, und wir brauchten schon lange keine Worte mehr, um beim Sex dem anderen die höchsten Genüsse bereiten zu können. Als ich nun neben seinem Unterleib hockte und seinen zuckersüßen Penis liebkoste, lag Clay auf dem Rücken und beobachtete mich genau dabei. Er wollte immer gerne sehen, was ich mit ihm anstellte, deshalb wunderte es mich, dass er in seinem Schlafzimmer nicht überall Spiegel angebracht hatte.
Meine Hand fuhr fest an seinem weichen Schaft auf und ab, während meine Zunge gezielt seine Eichel umkreiste. Zwischenzeitlich nahm ich ihn ganz in den Mund und saugte ein wenig an ihm, aber ohne seine Eichel direkt zu stark zu reizen. Das wäre ihm unangenehm gewesen. Der Rand seiner Eichel war sehr empfindlich, besonders die Unterseite, die Stelle seines Bändchens, und Clay reagierte unmittelbar auf diese Berührung. Er wurde prompt hart, und ich konnte erstaunt und erfreut miterleben, wie sich innerhalb von Sekunden das Blut in seinen Schwellkörpern staute und seinen Schwanz anwachsen ließ. Dieser körperliche Vorgang wurde begleitet von Clays zustimmendem Stöhnen, und einer enormen Steigerung meiner eigenen Erregung.
Clay war von meinen Fellatio-Künsten merkbar sehr angetan. Das schmeichelte mir, und ich legte mich richtig ins Zeug. Schon bald spürte ich seine Hände, die nach mir griffen, seine Finger umschlossen meinen Kopf und fuhren zärtlich durch mein Haar. Er atmete laut und seufzte hingerissen. Mit zunehmender Geilheit wurde seine Berührung allerdings unkontrolliert, er grapschte mich gierig an und drückte meinen Kopf verlangend gegen sein Geschlechtsorgan. Mir war klar, dass er das nicht extra machte. Der Mann war einfach überwältigt und verlor die Kontrolle über sich, und genau das war ja eigentlich auch mein Ziel, mein größter Triumph dabei.
Du musst jetzt damit aufhören, warnte mich eine innere Stimme, sonst kommt er gleich schon, und du hast gar nichts mehr von ihm! Im Gegensatz zu mir, war Clay nicht dazu in der Lage, mehrere Orgasmen kurz hintereinander zu bekommen, er brauchte lange Pausen dazwischen.
Also ließ ich ihn los, löste mich mit Mühe aus seinem Griff und kroch an ihm hinauf, um mich dicht an seine Seite zu kuscheln. Ich schaute ihm liebevoll ins Gesicht. Er atmete schwer. Sein ganzer Körper zitterte. Seine schönen, grün-braunen Augen waren leuchtende Spiegel seiner sexuellen Erregung. Sein hübsches Gesicht war von den vielen Schlägen der vergangenen Nacht angeschwollen, seine vollen Lippen aufgeplatzt, er hatte tatsächlich ein Veilchen. Mir wurde auf einmal vor Zuneigung ganz warm. „Es tut mir leid, dass du so schlimm verprügelt worden bist", versicherte ich ihm ehrlich. „Auch, wenn du es wahrscheinlich verdient hast, Clay", setzte ich neckend hinzu.
Aber der Mann war inzwischen zu stark erregt, um auf meine Worte noch eingehen zu können. Er erwiderte nur, dass er mich lieben würde und mich ficken wollte. In diesem Moment war beides für ihn allerdings exakt das selbe, das wusste ich nur zu gut. Während er mit mir intim war, setzte Herr Banton gerne mal die Liebe mit seiner Lust auf Sex gleich, und das amüsierte mich jedes Mal.
Ich guckte ihm intensiv in seine wunderbaren Augen, und plötzlich tat es mir wieder unendlich weh, wie sorglos er mit seinem wertvollen Leben umging. Ich bekam das schmerzende Gefühl, es nicht mehr länger ertragen zu können, dass er sich selbst so gedankenlos kaputtmachte. Dieser enorm attraktive, aber leider ziemlich dumme Mann war doch viel zu lieb! Er war so zauberhaft sensibel! Ich liebte ihn in dieser Situation so sehr! Er durfte sich selbst nicht länger Schritt für Schritt mit diesen hässlichen, harten Drogen zerstören! Er durfte sich auf keinen Fall noch tiefer in unberechenbare Gefahren begeben!
Diese traurigen Gedanken stürzten ungewollt auf mich ein, und ich wollte ihm das alles gerne sagen, ihm meine überschäumenden Gefühle sofort irgendwie mitteilen. Aber Clay Banton war zur Zeit ein sexuell erregter Mann. Ich hatte ihn selbst mit meinem Blowjob in diesen Zustand versetzt. Er war aufgeheizt und deshalb ungeduldig. Er erinnerte mich hastig und heftig daran, dass wir gerade Sex hatten, indem er kurzentschlossen stöhnend an mir herunterkroch. Überwältigt nach Luft schnappend spürte ich seine Finger, die zielstrebig in mich eindrangen und gleichzeitig meine Klitoris umspielten. Clay bewegte sich noch weiter hinunter. Sein Kopf tauchte zwischen meinen Beinen ab. Gleich darauf fühlte ich seine erfahrene Zunge überdeutlich an meinen intimsten Stellen.
Oh Gott, Clay Banton kannte meine empfindlichen erogenen Zonen so verdammt gut! Der Mann war ein wahrer Meister darin, mich so gezielt zu stimulieren, dass ich rasend schnell alles um mich herum vergessen konnte. Er war so wahnsinnig einfühlsam, so dermaßen zärtlich und fordernd zugleich, dass mir automatisch alle Sinne schwanden. Seine Finger fickten mich, streichelten mich von innen und außen, seine Zunge klopfte rhythmisch an meine Klitoris. Das ließ meine Erregungskurve förmlich explosionsartig nach oben schnellen. Ich winkelte meine Beine an und streckte ihm gierig meinen Unterleib entgegen. Seine Berührungen wurden schneller und druckvoller. Kurz bevor ich kam, spürte ich, dass Clay mir seinen nassen Finger vorsichtig in den Po steckte, und das brachte mein Fass dann endgültig zum überlaufen.
Mein Orgasmus kam wellenförmig, erfasste vom Unterleib ausgehend wohlig meinen gesamten Körper. Ich stöhnte wohl „Clay", versteifte mich, zuckte zusammen und wälzte mich entfesselt auf dem Bett herum. Diese unglaublichen Gefühle, die er mir schenkte, waren einfach zu überwältigend!
Nach meinem überaus geilen Höhepunkt lag ich eine Weile ganz ruhig mit geschlossenen Augen auf dem Bett. Diese paar Minuten brauchte ich dringend zur Erholung. Clay gewährte sie mir weise, indem er sich nicht bewegte und einfach still abwartete.
Längst nicht mit jeder seiner teils merkwürdigen Sex-Praktiken, die er mir im Laufe unserer Beziehung schrittweise schmackhaft machen wollte, konnte ich mich letztendlich anfreunden. Zum Beispiel mochte ich es nie, wenn er mich von hinten nahm, während Clay gerade von dieser Stellung hellauf begeistert war. Es gefiel mir aber nicht, dass ich den Mann weder ansehen noch berühren konnte, wenn ich mit dem Oberkörper über irgendeiner Tischkante oder so lag. Und wenn ich auf allen Vieren vor ihm kniete, dann kam ich mir dabei tatsächlich albern vor, irgendwie erniedrigt, wie ein Hund.
Auch wollte ich Clay beim Sex auf keinen Fall wehtun, und ich wollte auch selbst keine Schmerzen beigebracht kriegen. Okay, im Rausch der Gefühle passierte es mir schon mal, dass ich ihm aus Versehen den Rücken zerkratzte. Aber mit seinem Wunsch, ihn ganz bewusst zu beißen, zu kneifen oder zu kratzen, hatte er mich damals ganz schön vor den Kopf gestoßen.
Noch entsetzter war ich allerdings über seine Bitte gewesen, ihm beim Sex meinen Finger in den Po zu schieben. Um Himmels Willen, ich wollte ganz bestimmt nicht meinen Finger dort hineinstecken, bei niemandem, noch nicht mal bei mir selbst! Über seine, aufgrund meiner verstörten Reaktion hastig vorgebrachte Erklärung, dass auf diese Weise seine Prostata höchst erregend für ihn stimuliert werden würde, hatte ich nur beschämt lachen können. Wie bitte, Prostata? Von diesem seltsamen Organ hatte ich vorher höchstens mal in Witzen etwas gehört!
Mit dem gesamten Analbereich hatte ich sofort so meine Probleme. Mir wollte nicht einleuchten, warum dieser irgendwie tabuisierte Bereich beim Sex überhaupt mit einbezogen werden musste. Clay fand gerade diese Gegend enorm wichtig und hätte mich liebend gerne anal beglückt. Aber dazu war ich nie bereit gewesen. Allein der Gedanke schreckte mich schon ab. Und auch, wenn man ihm sein Bedauern anmerkte, so hatte Clay Banton doch meine Abneigungen immer respektiert – mit einer Ausnahme.
Während ich mit geschlossenen Augen ruhig auf dem Rücken lag und tief ein- und ausatmete, ärgerte ich mich über Clay. Er hatte es schon wieder getan! Er hatte mir seinen Finger in den Po gesteckt, kurz bevor ich gekommen war. Ich hatte das ganz genau gespürt, und – ja – es hatte mich zweifellos in dieser Sekunde extrem aufgegeilt. Vielleicht hatte es meinen Orgasmus sogar noch verstärkt. Insgeheim musste ich das zugeben. Trotzdem ärgerte es mich, dass Clay sich in diesen Momenten vor meinem sexuellen Höhepunkt so oft einfach nicht beherrschen konnte. Okay, es erregte ihn total, aber er wusste ganz genau, dass ich es trotzdem nicht wollte.
Ich öffnete meine Augen und schaute zu ihm hinunter. Er hockte zwischen meinen Beinen und lächelte mich an, sichtbar stolz auf seine Leistung. „Komm her, Clay, komm zu mir", forderte ich ihn auf und streckte meine Hand nach ihm aus. Er gehorchte, kroch an mir hinauf und schmiegte sich liebevoll an meine Seite. Der Mann fühlte sich wunderbar warm und muskulös an. Er roch so angenehm vertraut. Aber jetzt musste ich unbedingt mit ihm schimpfen! Es gefiel mir ganz und gar nicht, wenn er beim Sex meine Schwäche zu seinem Vergnügen ausnutzte.
Eine Weile schauten wir uns nur an, und mir wurde automatisch ganz warm bei seinem Anblick. Er war so hübsch, so sanft und zärtlich zu mir. Er hatte mir gerade unglaublich intensive Gefühle geschenkt. Verärgert merkte ich, wie es mir zunehmend schwerer fiel, meine berechtigte Beschwerde gegen ihn vorzubringen. Verwirrt sagte ich ihm erst mal, wie sehr es mir gefallen hatte, was hundertprozentig der Wahrheit entsprach. Natürlich wusste er das längst, er kannte meine körperlichen Reaktionen auf seine Zärtlichkeiten genau. Aber er lächelte geschmeichelt.
Die nächsten Worte brachte ich dann jedoch zu meiner Irritation kaum noch heraus. Es war mir unverändert peinlich, über anale Dinge zu reden. Was sollte ich ihm auch sagen? Hey, stecke mir bitte nicht ständig deinen Finger in den Popo?! Das war doch irgendwie blöd! Und er hatte mich mit seiner fragwürdigen Berührung ja auch gar nicht verletzt, sondern mich mit seinem feuchten, schlüpfrigen, vorsichtigen Finger in diesen intimen Sekunden ganz extrem aufgegeilt. Diese Tatsache konnte ich trotz der peinlichen Komponente nicht abstreiten. Dass er mich sehr beschämt hatte, damit brauchte ich Clay Banton gar nicht erst zu kommen. Das würde der Mann ohnehin nie begreifen.
Ich stotterte ein bisschen herum, und Clay lachte entschuldigend und küsste mich zart auf die Wange. Sein Lachen war zauberhaft, es ließ ihn von Innen erstrahlen. Und schon einen Moment später konnte ich ihm überhaupt nicht mehr böse sein. Anstatt, dass ich mit ihm schimpfte, küssten wir uns eine Weile sehr leidenschaftlich.
Später lag er auf dem Rücken, ich an seiner Seite, sein starker Arm um meiner Schulter. Ich fühlte mich bei ihm sehr wohl und beschützt. Neugierig fragte ich ihn nach seinem Albtraum und er erzählte mir, dass jemand ihm im Traum die Kehle durchgeschnitten hatte, was ich echt schrecklich fand. Sofort tat er mir leid, und ich streichelte ihn eine Zeit lang voller Mitgefühl. Ich fuhr behutsam mit meinen Fingern an seinen Wunden entlang, die vielen blauen Flecken, die Schnitte in seiner Haut und der schreckliche rote Striemen an seinem Hals. Er hat wirklich viel durchgemacht, dachte ich traurig, sie haben ihn mit aller Härte für seine Untaten betraft.
Clay wurde ungeduldig, weil er unverändert stark sexuell erregt war, deshalb fuhren wir schließlich mit unseren gegenseitigen Zärtlichkeiten fort. Seine unmittelbare Nähe gefiel mir, ich presste ihn gierig an mich, und schon bald hatte ich große Lust darauf, jetzt richtig mit ihm zu schlafen. Ich teilte ihm das mit, und natürlich hatte er nichts dagegen, zog sich rasch, routiniert ein Kondom über und kam zurück zu mir. Es beruhigte mich, dass er grundsätzlich nicht ohne Kondom mit jemandem schlief. Wenigstens in dieser wichtigen Sache war er erstaunlich verantwortungsvoll.
Der Mann legte sich vorsichtig auf mich. Mein Herz fing an zu klopfen, und ich konnte es kaum noch erwarten, dass er endlich in mich eindringen würde. Clay sagte nochmal, dass er mich lieben würde, aber er meinte damit auch diesmal nur, dass er mich ficken wollte. Und im nächsten Moment spürte ich überdeutlich, wie er mit seinem harten Schwanz vorsichtig in mich stach, mich schließlich ganz ausfüllte, und das erregte mich so stark, dass mir der Atem wegblieb.
Ich öffnete mich weit für ihn, bäumte mich ihm automatisch entgegen. Er lag mit geschlossenen Augen ganz ruhig auf mir. Unsere körperliche Verbundenheit zu spüren, überwältigte uns beide. Diesen wunderschönen Mann in mir drin zu wissen, raubte mir fast den Verstand. Ich liebe ihn so sehr, dachte ich unwillkürlich immer wieder, ich liebe dich so sehr, Clay Banton. Ich umklammerte ihn und wollte ihn nie mehr loslassen.
Eine ganze Weile verharrten wir bewegungslos. Ich forderte ihn auf, seine Augen zu öffnen. „Sag mir, dass du mich liebst!" verlangte ich keuchend von ihm. Er bestätigte das sofort. Er streichelte liebevoll meinen Kopf. Seine Finger fuhren ganz sacht durch mein Haar. Seine schönen Augen waren in ihrer Erregung voller Güte.
Plötzlich bekam ich eine riesengroße Angst davor, ihn bald zu verlieren. Ich glaubte, den Gedanken nicht ertragen zu können, dass Clay womöglich bald sterben würde. Wenn er weiter so viel Heroin nahm und sich weiter in so große Schwierigkeiten brachte, was bei ihm zweifellos zu erwarten war, dann war dieser Gedanke leider gar nicht so abwegig.
„Versprich mir, dass du mit den Drogen aufhörst!" drängte ich ihn verzweifelt. Er versuchte nervös, sich vor einer Antwort zu drücken, indem er spontan damit anfing, sich in mir zu bewegen, was sich äußerst gut anfühlte. „Clay..", tadelte ich ihn keuchend. Endlich rang er sich ein neutrales „Ich versuch's" ab. Danach schloss er abwehrend die Augen.
Ich wollte ihn eigentlich zur Rede stellen, aber ich war irgendwie nicht mehr in der Lage dazu. Das Gefühl seines harten Schwanzes in meiner Vagina wurde einfach zu überwältigend. Clay bewegte sein Becken gezielt und gekonnt. Er fuhr sacht auf und ab, um dann unvermittelt kräftig zuzustoßen. Diese intime Tätigkeit beherrschte er exzellent. Meine Erregung steigerte sich dadurch enorm. Ich gab mich schließlich ganz diesem wunderbaren Gefühl hin, denn ich konnte gar nichts anderes mehr tun. Wie jedes Mal, wenn wir miteinander schliefen, tat Herr Banton erst einmal alles, um mich umfassend zu befriedigen, was ihm dank seiner großen Erfahrung und seines unbestreitbar sensiblen Einfühlungsvermögens auch fast ohne Ausnahme gelang. Wir schliefen jetzt miteinander, und es war berauschend, beglückend, überwältigend. Ich klammerte mich an ihn, umschlang ihn mit meinen Armen und Beinen und wollte ihn nie wieder loslassen. Meine Gefühle steigerten sich, sammelten sich in meinem Unterleib, und mit jedem Stoß wurden sie noch ein bisschen intensiver.
Bis ich es kaum noch aushielt. Wahrscheinlich habe ich ziemlich laut gestöhnt, bestimmt habe ich ihm mit meinen Fingernägeln den Rücken zerkratzt. Mein Orgasmus war so heftig, dass ich förmlich innerlich explodierte und am ganzen Körper mehrmals heftig zusammenzuckte. Mein Unterleib schien Funken zu sprühen, mein Herz raste und mein Atem stockte. Für einige Sekunden war ich vollständig in einer anderen Welt. Selbstverständlich spürte Clay es, wenn ich kam. Er wusste auch immer, wann ich fast so weit war, und dann spielte er ein bisschen mit meiner Erregung und steigerte sie dadurch noch um einiges.
Als es vorbei war, stoppte er seine Bewegungen sofort. Ganz ruhig und schwer lag er auf mir, immer noch spürbar mit mir verbunden. Jetzt war ich so erschöpft, dass ich erst mal die Augen schließen musste. Mein Herzschlag beruhigte sich nur langsam.
Kurz darauf versicherte ich Clay, wie fantastisch er gewesen war. So etwas hörte er immer besonders gern von mir, und ich wollte ihm diese Freude gerne machen. Außerdem war es schlicht die Wahrheit. Ich war vollends zufrieden mit meinem Mann. Mein Lob schmeichelte ihm sichtbar. Er lächelte echt bezaubernd. In diesem Moment liebte ich ihn aus tiefstem Herzen. Ich wollte das wunderschöne, verbindende Gefühl, ihn auf diese innige Art in mir zu spüren, noch nicht aufgeben.
Jetzt wurde mir erst richtig bewusst, dass Clay Banton ein weiteres Mal seine eigene Ejakulation allein zu meinen Gunsten zurückgehalten hatte, denn er war spürbar immer noch hochgradig erregt. Eine warme Welle der Rührung erfasste mich. Meine Liebe zu ihm wurde so groß, dass ich es kaum aushalten konnte. „Du bist unglaublich, Clay Banton!" brach meine Dankbarkeit aus mir hervor. Es war ein vergeblicher Versuch, meine starken Emotionen ihm gegenüber in Worte zu fassen. Aber selbstverständlich war er im Moment gar nicht in der Lage, damit umzugehen. Er war auch ein triebgesteuerter Mann und sichtbar seinen Begierden ausgeliefert. Mir war klar, dass er nicht mehr lange durchhalten würde. Ich musste ihn jetzt bald erlösen, sonst würde er womöglich hier vor meinen Augen explodieren oder durchdrehen. Der Gedanke amüsierte mich irgendwie.
„Jetzt möchte ich oben sein", teilte ich ihm aufgeregt mit. Dieser Stellungswechsel bedeutete auch, dass ich ihn jetzt zum Orgasmus bringen wollte, denn oben hatte ich die totale Kontrolle über ihn. Er wusste das genau und hatte wirklich nichts dagegen. Voller Zuneigung klammerte ich mich an Clay fest und presste seinen knackigen, muskulösen Hintern gegen mein Becken. Wir küssten uns heiß und drehten uns dabei langsam herum. Wie fast immer gelang uns auch diese Drehung perfekt, ohne dass wir dabei getrennt wurden.
Dann lag er unter mir auf dem Rücken. Ich saß auf seinem Unterleib und spürte seinen harten, großen Penis überdeutlich in mir. Neben diesem extrem geilen Gefühl genoss ich es unendlich, mit diesem Mann körperlich verbunden zu sein. Clay Banton war mir sonst viel zu oft sehr fremd. Aber in dieser Situation war er mir so nah, wie es nur möglich war. Das hier sollte nie vorbei gehen, dachte ich schwärmerisch, ich möchte ihm für immer so nah sein.
Ich saß eine Weile ganz ruhig da und studierte ihn eingehend. Der Mann sah trotz seiner momentanen Verletzungen in seiner ungezügelten Erregung wunderschön aus. Er atmete schwer mit vor Lust verzerrtem Gesicht und offenem Mund. Seine unbehaarte Brust bewegte sich heftig mit jedem Atemzug. Seine Rippen spannten rhythmisch seine zerschnittene Haut. Seine Brustwarzen waren ganz steif. Seine Augen starrten gierig auf den Bereich zwischen meinen Beinen. Er konnte es offenbar kaum aushalten, dass ich mich nicht bewegte. Seine fortgeschrittene Geilheit drängte ihn jetzt ungestüm nach Befriedigung. Er fing vor lauter Anspannung am ganzen Körper an zu zittern. Sein Anblick erregte mich unglaublich. Es erregte mich stark, dass er sich hemmungslos seiner Libido und meinem Körper auslieferte. Indem er mir solche Macht über sich erlaubte, ihn nach meinem Ermessen bis zum Höhepunkt zu führen, bewies Clay Banton mir beim Sex das allergrößte Vertrauen.
Ich versuchte sanft, ihn zu beruhigen. Ich spannte meine Muskeln an, um seinen Schwanz so fest wie möglich zu umschließen, weil er das sehr mochte. Er spürte meine Enge sofort und ächzte überwältigt. Unbeholfen fing er damit an, meine Brüste anzufassen. Allerdings konnte er sich nicht mehr beherrschen, deshalb wurde seine Berührung nur noch ein gieriges Grapschen. „Liz...", stöhnte er ungeduldig. Ich stoppte seine hastigen, ungestümen Hände und sprach beruhigend auf ihn ein.
Später bewegte ich mich gleichbleibend langsam und genüsslich auf ihm, während ich den Mann unter mir intensiv beobachtete. Es gefiel mir enorm, ihn vollständig unter meiner Kontrolle zu wissen. Ich griff hinter mich und streichelte aufgeregt seine Hoden, den Bereich zwischen seinen Beinen und seine Oberschenkel. Ich kümmerte mich auch um seine Prostata, die man Gott sei Dank auch von Außen durch sanften Druck stimulieren konnte, genau wie er es mir beigebracht hatte.
Clay Banton war ebenfalls ein Voyeur, und er lechzte ständig nach sexuellen Impressionen. Er geilte sich sichtbar extrem daran auf, sich selbst beim Ficken zuzusehen. Sein Atem kam laut und stoßweise. „Ja, fick mich! Fick mich!" forderte er mich obszön auf. Insgeheim gefiel es mir, wenn er schmutzige Dinge zu mir sagte. Ich musterte ihn voller Zuneigung. Er krallte seine Finger nervös in seine Bettlaken. Seine pulsierende, sprühende Potenz unter meiner Kontrolle zu wissen, war für mich äußerst erotisch und anregend. Ich schwamm von einer Erregungswelle zur nächsten. Er war dazu nicht fähig, aber seine starke Libido nahm ihn nach kurzer Zeit umfassend in Besitz. Er erschauderte am ganzen Körper vor Anspannung.
Ich kannte ihn zu gut, um nicht zu merken, wann er kurz vorm Orgasmus angelangt war. Seine Augen wurden mit der Zeit immer größer. Beinahe ängstlich starrte er mich an. „Es ist okay, Schatz, alles ist gut", beruhigte ich ihn atemlos und gerührt. Der Mann war jetzt merkbar nicht mehr in der Lage, es noch länger zurückzuhalten. Ich ritt ihn bewusst gleichbleibend langsam und intensiv. Mit Sicherheit hätte es ihm schneller und härter besser gefallen, aber auf meine Art konnte ich aufgeregt miterleben und selbst steuern, wie er mit jedem Auf und Ab ein kleines Stückchen näher an den Gipfel kam. Diese umfassende Machtposition empfand ich als äußerst befriedigend.
Und dann war er auch schon so weit. Mit erstaunlicher Wucht erreichte Clay die Erfüllung seiner Begierden. Ich schaute mir neugierig und fasziniert ganz genau an, wie er kam. Er schloss ergeben die Augen, stöhnte laut auf und explodierte dann förmlich in mir. Sein Orgasmus war so stark, dass sein ganzer Körper, eingehüllt in eine Gänsehaut, rhythmisch zusammenzuckte, alle Muskeln bis zum Zerreißen gespannt. Ich beobachtete ihn, echt überwältigt von seinen körperlichen Reaktionen auf das Erreichen des sexuellen Höhepunkts. Dieser verletzte Mann unter mir war in diesen Sekunden so absolut faszinierend lebendig! Das pure Leben pulsierte sichtbar und spürbar in ihm, fühlbar kraftvoll und enorm mächtig. Er war definitiv noch jung und am Leben, und das Leben in ihm schrie nach Erfüllung.
Unvermittelt schossen mir bekannte Gedanken durch den Kopf, die mich in dieser intimen Situation kalt erwischten. Dieser wunderbar lebendige Mensch unter mir durfte sich nicht länger sinnlos betäuben, so achtlos sein wertvolles Leben vergeuden. Er war äußerst kreativ und in der Lage, so viel Wundervolles zu erschaffen. Auf keinen Fall wollte ich, dass all diese Kunstwerke durch seine Dummheit oder Sucht, oder was auch immer verloren gehen würden. Ich liebte Clay Banton doch so sehr! Und ich wollte ihn nicht verlieren. Plötzlich glaubte ich, meine anscheinend bedingungslose Liebe zu ihm nicht länger ertragen zu können.
Wie oft hast du dir diese Gedanken eigentlich schon gemacht, fragte ich mich erschlagen. Ständig machst du dir solche Sorgen um Herrn Banton. Das war doch alles total sinnlos! Meine durch den Sex mit ihm aufgewallten Gefühle für diesen Mann waren vollkommen fehl am Platz. Ich hatte mich schließlich längst von ihm getrennt, weil ich endgültig nicht mehr weiter gewusst hatte. Ich konnte ihm nicht helfen! Diese Tatsache schlug abermals bei mir ein, wie eine Bombe.
Darauf war ich nicht vorbereitet, war in diesem Augenblick noch randvoll mit Erregung und Liebe. Aber meine ungewollten Gedanken arbeiteten unverzüglich ganz enorm gegen mein Wohlbefinden. Vor lauter Verzweiflung und Verwirrung stiegen mir Tränen in die Augen, und ich weinte still vor mich hin.
Ich saß ganz ruhig auf seinem Unterleib und bewegte mich nicht. Er war immer noch spürbar in mir. Wir waren noch körperlich verbunden, aber emotional trennten uns auf einmal Welten. Ich betrachtete ausführlich seinen hübschen, durchtrainierten, jetzt wieder schweißnassen Körper mit den unzähligen Schnitten und Blutergüssen, sein vor Erschöpfung und Befriedigung verzehrtes Gesicht. Er hatte seine Augen müde geschlossen und atmete tief ein und aus.
Sean
Sonntag Morgen. Ich erwachte früh, noch vor Sonnenaufgang. Ich lag in meinem Bett, in meinem Dachboden, nackt, und starrte durch das Dachfenster auf den Nachthimmel, die beginnende Dämmerung. Voller Unbehagen spürte ich meinen Körper, und mir wurde klar, dass ich gestern definitiv zu viel Heroin genommen hatte. Alle Knochen taten mir einzeln weh. In meinen Achselhöhlen sammelte sich der kalte Schweiß. Ich war eindeutig auf Entzug, und das war äußerst unangenehm.
Ich ärgerte mich eine Weile über meine eigene Dummheit. Mein Kopf schmerzte und ich dachte wieder einmal, dass ich nicht so viel Alkohol saufen sollte. Dann langte ich hinunter auf den Boden und hob die Schachtel Marlboro auf. Ich zündete mir eine Zigarette an und starrte noch ein paar Minuten zum Dachfenster hinaus.
Schließlich drückte ich die Kippe in den Aschenbecher und stand auf. Der Entzug machte mir ein erneutes Einschlafen ohnehin unmöglich. Ich beschloss, an diesem Tag ausschließlich sinnvolle und erbauliche Dinge zu tun. Langsam horchend ging ich die Treppe hinunter ins Badezimmer. Die Wohnung war ganz still. Die anderen schliefen noch, und ich war froh, niemandem zu begegnen. Ich stellte mich vor das Klo und pinkelte mich leer. Danach kletterte ich die Treppe wieder hinauf.
Mindestens eine halbe Stunde lang trainierte ich intensiv am Sandsack und an den Hanteln. Ich tanzte ganz ohne Musik eine ziemlich anstrengende Choreographie. Mit voller Kraft verausgabte ich mich so sehr, dass ich richtig ins Schwitzen kam. Ich ging zum Schrank und holte mir frische Unterwäsche heraus. Ich atmete tief, lauschte in die Wohnung, die immer noch ruhig war, und dann ging ich vorsichtig die Treppe nochmal hinunter ins Bad.
Dort stellte ich mich nackt unter die Dusche und verharrte einige Minuten im warmen Wasserstrahl. Ich seifte mich gründlich ein, wusch erst meinen gesamten Körper, dann meine Haare, und holte mir zum Schluss einen runter. Danach drehte ich das Wasser ab, stieg aus der Dusche, trocknete mich ab und benutzte eine große Anzahl sehr hautfreundlicher Pflegeprodukte für mein Gesicht und meinen Körper. Mit großer Sorgfalt manikürte ich meine Finger- und Fußnägel. Dann rasierte ich mich äußerst gründlich, nahm mein teuerstes Rasierwasser und zog mir abschließend die saubere Unterwäsche an.
Inzwischen war es draußen vor dem Fenster ganz hell geworden. Ich betrachtete mich einige Zeit im Badezimmerspiegel. Meine Pupillen waren schwarz und riesig, und ich sprach mir leise Mut zu. Ich versuchte mit grimmigem Trotz, die Anzeichen des Entzuges zu ignorieren. Ich werde das nicht mit mir machen lassen, dachte ich verbissen, ich werde mich diesem scheiß Zeug nicht nochmal beugen. Diese Zeiten waren längst vorbei, und ich würde es nie wieder so weit kommen lassen. Meine Laune besserte sich aber kaum, denn der Schmerz in meinen Knochen ging mir gewaltig auf die Nerven.
Jemand klopfte plötzlich an die Badezimmertür. „Sean?" Ich fuhr erschrocken zusammen. „Was?" erwiderte ich gereizt. „Kann ich reinkommen?" fragte Vincent verschlafen. „Wenn es sein muss", sagte ich genervt und drehte mich zur Tür. Vince kam herein, grüßte und ging zum Klo, um zu pinkeln. Ich betrachtete ihn einen Moment verwirrt, dann verließ ich schnell das Bad. Ich wollte auf jeden Fall verhindern, dass ihm womöglich einfallen würde, mich wieder anzugreifen. Mir irgendwelchen Scheiß wegen Clay oder dem vorigen Abend an den Kopf zu werfen.
Glücklicherweise war er aber noch zu müde für Diskussionen und ließ mich wortlos verschwinden. Ich traf im Flur auf Marc, grüßte ihn und kletterte die Treppe in meinen Dachboden hinauf. Dort betrat ich meine Matten und trainierte etwa eine Stunde lang intensiv verschiedene Übungen des Yoga. Ich machte auch angespannt Thai Chi, was mir unglaublich gut tat.
Irgendwann ging ich zum Schrank und zog mir Jeans und Sweatshirt an. Ich war jetzt gewappnet für den neuen Tag. Meine Lebenskraft, mein Qì, war viel stärker als das Heroin.
Clay
Mein Schlafzimmer. Nachttischlampe brannte. Draußen dämmerte es. Ich lag auf dem Bett, auf dem Rücken. Eliza hockte auf meinem Unterleib. Mein Schwanz steckte immer noch in ihrer Muschi. Ich begann, mir deswegen Sorgen zu machen, denn er wurde unwillkürlich kleiner, erschlaffte stetig, und ich drohte dadurch früher oder später das Kondom zu verlieren. „Du musst jetzt aufstehen, Liz", seufzte ich erschlagen.
Ich fühlte mich unglaublich erschöpft. Meine Knochen fingen wie üblich an zu schmerzen, nach diesem zugegebener Maßen extrem geilen Abspritzen. Ich dachte, dass ich jetzt unbedingt einen Chinesen brauchte. „Ich liebe dich, Clay", sagte Eliza traurig und betrachtete mich reglos. „Bitte, Liz, ich kann nicht...", erwiderte ich befangen und schaute besorgt auf ihre Vagina und meinen Penis. Wenn ich das Kondom verliere, dann war alles umsonst, überlegte ich alarmiert, denn die Frau darf auf gar keinen Fall schwanger werden.
Eliza sah mich eine Weile traurig an. Dann folgte sie irritiert meinem Blick. Sie muss das doch merken, wie gefährlich das wird, dachte ich genervt. „Bitte steh auf", wiederholte ich ungeduldig. „Hast du mich nicht gehört?" fuhr sie verärgert hoch und starrte mich fassungslos an. Ich stöhnte unbehaglich und wich ihrem Blick aus. Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Das Kondom machte mir zu viele Sorgen.
Plötzlich seufzte Eliza und zog sich von mir zurück, indem sie abrupt aufstand. Mein schlaffer, weicher Penis flutschte sogleich aus ihr heraus. „Pass doch auf! Nicht so schnell!" rief ich voller Panik und hielt hastig den Rand des Kondoms fest.
Zum Glück steckte das Gummi noch relativ fest auf meinem Schwanz. Erleichtert schloss ich für einen Moment die Augen. Sämtliche Knochen meines Körpers und mein Kopf schmerzten jetzt. Ich konnte den Schmerz jeden Blutergusses und jeder Messerwunde an mir einzeln spüren. Unbehaglich stöhnte ich auf und öffnete die Augen. Es wird Zeit, dachte ich panisch, ich brauche jetzt unbedingt etwas Heroin.
Eliza kam gerade aus dem Bad zurück, wo sie ihre Unterwäsche geholt hatte. Am Rand des Bettes stehend zog sie sich langsam an und beobachtete mich mit einem dermaßen traurigen Blick, der mich beunruhigte. Hat es ihr vielleicht nicht gefallen, befürchtete ich verwirrt. War ich möglicherweise nicht einfühlsam genug zu ihr? Bin ich zu brutal gewesen?
„Warum willst du eigentlich keine Kinder haben?" fragte Liz mich auf einmal sehr ernst und betrachtete mich abschätzend. Ich fühlte mich sogleich angegriffen und ungeschützt. Ihre Frage irritierte mich extrem. Ich lag wie ein Idiot auf dem Rücken, auf meinem Bett, was eine ziemlich unterwürfige Position war. Das vollgespritzte Kondom steckte immer noch über meinem Schwanz. Man konnte die weiße Wichse im Reservoir genau sehen. Plötzlich war mir das entsetzlich peinlich. Ich richtete mich beschämt auf und hielt mir stöhnend den Kopf fest.
„Wie bitte?" fragte ich verwirrt nach, weil Liz offensichtlich immer noch auf eine Antwort wartete. „Kinder, Clay! Warum willst du zum Verrecken keine Kinder haben?" wiederholte sie ihre Frage schneidend und überdeutlich. Ich rutschte langsam zum Rand des Bettes, das Kondom festhaltend. „Ja, du hast recht, Liz. Ich möchte tatsächlich zum Verrecken keine Kinder haben!" stimmte ich ihr aus vollstem Herzen zu.
Verlegen zog ich das Kondom von meinem Schwanz. Ich knotete es zu und legte es auf den Nachttisch. Danach wischte ich mich hastig mit ein paar Kleenex-Tüchern ab. Nervös suchte ich mit den Augen nach meiner Unterhose. Es war mir sehr unangenehm, dass Eliza mich die ganze Zeit reglos dabei beobachtete. Ich empfand ihre Anwesenheit jetzt als großen Störfaktor und beinahe als Bedrohung. „Ich habe dich gefragt, warum das so ist!" seufzte sie ungeduldig.
Ich konnte im Zimmer keine Unterhose sehen, und das beunruhigte mich. Schließlich beschloss ich hastig, mir eine aus dem Schrank zu holen. Langsam bewegte ich mich darauf zu. Alles tat mir weh, mein Kopf dröhnte. Ich schwankte beim Aufstehen. Stöhnend zog ich mir eine Boxershorts an und guckte dann wieder zu der Frau hin. Ihr vorwurfsvoller, trauriger Blick ging mir tierisch auf die Nerven. „Ich glaube nicht, dass ich ein guter Vater wäre, Eliza", antwortete ich ihr gereizt. „Aber das weißt du doch gar nicht, Clay!" entgegnete sie sofort streitlustig.
Ich stand dort hilflos am Schrank und versuchte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Alles in mir drängte jetzt zum Badezimmer. Ich wollte mein Elend mit Heroin bekämpfen. Sofort. Wie so oft nach dem Sex mit ihr, fühlte ich mich verlegen und verletzlich. Ich hatte das umfassende Gefühl, ihr nicht gewachsen zu sein. „Wer weiß, vielleicht würde ein Kind dich sogar endlich von deinem Egotrip herunterholen!" meinte Eliza anklagend zu mir. Sie fixierte mich aggressiv und drängte damit auf eine Antwort.
Ich drehte mich ächzend von ihr weg. Ich fragte mich genervt, warum sie nicht einfach still sein konnte. „Tut mir leid, ich muss jetzt ganz dringend pissen", murmelte ich abwehrend und taumelte langsam zur Tür. Leider musste ich auf dem Weg zum Bad an ihr vorbei. Natürlich packte sie mich am Arm und hielt mich auf. Abschätzend betrachtete sie mich eine Weile. Ich konnte das kaum ertragen und war nahe daran, mich von ihr loszureißen.
„Du bist auf Entzug, Banton", stellte Eliza merkwürdig resigniert fest. „Natürlich bin ich das!" entfuhr es mir ungeduldig. Ich riss mich jetzt doch mit einem Ruck von ihr los und eilte zur Tür. „Warum tust du dir das an?" fragte sie betrübt. Aber zum Glück erwartete sie diesmal keine Antwort von mir.
Eliza
Clay Banton öffnete seine Augen, und alles wurde schlagartig ganz anders. Die enge Verbundenheit, die zärtliche Vertrautheit, die noch vor ein paar Minuten beim Sex zwischen uns geherrscht hatte, war mit nur einem Blick seiner gequälten, panischen Augen gänzlich verschwunden. Er war sofort nahezu besessen von dem blöden Kondom. Er hatte so große Angst davor, es möglicherweise zu verlieren, dass er nicht einmal meine Tränen bemerkte.
Ich saß auf ihm, er in mir, und ich war immer noch voller Emotionen, voller Liebe zu ihm. Ich sagte ihm, dass ich ihn liebte. Er erwiderte darauf nur, ich müsste jetzt aufstehen. Seine Worte waren für mich, wie ein Schlag vor den Kopf. Schmerzhaft wurde mir bewusst, dass meine starke Verbindung zu ihm nur ein Traum gewesen war, nur ein flüchtiger sexueller Akt. Die brutale Erkenntnis schlug in meinen Kopf ein, dass Clay Banton immer noch der selbe alte Junkie war, der jetzt wieder einmal auf Entzug kam.
Plötzlich konnte ich es nicht mehr ertragen, ihn in mir zu wissen. Ruckartig stand ich auf und rutschte hastig vom Bett herunter. Er schrie erschrocken auf und hielt hastig das Kondom fest. Ich holte mir aus dem Bad schnell meine Unterwäsche, stand dann am Bett, zog mich an und betrachtete ihn abschätzend. Ich bekam den Eindruck, dass er sich plötzlich vor mir schämte. Er sah verlegen und krank aus. Er wirkte wie ein gehetztes, gequältes Tier und wich meinem Blick unbehaglich aus.
Zum ersten Mal fragte ich mich, ob er wirklich der Mann war, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Dieser Gedanke kam mir ganz plötzlich, als ich dort neben seinem Bett stand und meine Kleidung anzog. Ich fragte mich ganz nüchtern, ob ich ihn ehrlich genug liebte, um diesen Scheiß noch länger mitzumachen. Der Sex mit ihm war zweifellos fantastisch gewesen, aber das Danach glich einem fürchterlichen Albtraum. Es war eine peinliche, verletzende Angelegenheit. Clay schämte sich offenbar auf einmal vor mir. Meine Anwesenheit machte ihn verlegen, und ich fragte mich gekränkt, warum zum Teufel das wohl so war. Die hemmungslose Offenheit, die er mir beim Sex gezeigt hatte, seine impulsive Geilheit, war wie ausgelöscht. Jetzt war der Mann nur noch peinlich berührt, irgendwie nervös und genervt von mir. Mein abschätzender Blick schüchterte ihn unglaublich ein.
Er liebt mich nicht genug, registrierte ich und fühlte dabei einen schmerzhaften Stich in meinem Innern. Clay Banton liebt mich nicht genug, um seine Gefühle für mich über den sexuellen Akt hinaus beizubehalten. Nochmal fragte ich mich ernsthaft, ob er der Mann war, mit dem ich zusammenleben wollte. Den ich heiraten wollte, mit dem ich vielleicht eine Familie gründen wollte. Ob ich bereit dazu war, mit diesem Mann ernsthaft mein restliches Leben zu teilen.
Und plötzlich schrie alles in mir auf: Nein! Nein! Nein! Dieser Mann ist er ganz bestimmt nicht! Clay Banton wird sich niemals ändern. Er wird niemals erwachsen werden. Er wird niemals echte Verantwortung übernehmen. Ich war selbst erst einmal erschrocken über dieses klare Ergebnis meiner Überlegungen. Ich versuchte, mir Clay in der Zukunft vorzustellen, als Ehemann und vielleicht als Vater. Aber obwohl ich es ernsthaft versuchte, wollte mir diese Vorstellung nicht gelingen.
„Warum willst du eigentlich keine Kinder haben?" fragte ich ihn traurig. Mir wurde in diesem Moment sonnenklar, dass meine Beziehung zu ihm endgültig an ihrem Ende angelangt war. Clay bewegte sich jetzt langsam zum Bettrand, nervös das Kondom festhaltend. „Du hast recht, Liz, ich möchte zum Verrecken keine Kinder haben!" erwiderte er irritiert.
Der Mann war mit seinen Gedanken eindeutig ganz woanders. Er zog sich verstohlen das Kondom ab, wischte sich verlegen trocken und suchte mit den Augen nach seiner Unterwäsche. Es war offensichtlich, dass es ihn dringend zum Heroin hinzog. Er war zu keinem anderen Gedanken mehr fähig. Plötzlich tat er mir nur noch leid. „Ich fragte, warum das so ist!" versuchte ich dennoch, eine Antwort von ihm zu bekommen. Er meinte genervt, dass er nicht glaubte, ein guter Vater zu sein. Ich gab ihm im Stillen absolut recht. Er wäre tatsächlich ein miserabler Vater in seinem Zustand.
Außerdem war er ein ausgesprochen miserabler Freund, wurde mir betrübt klar. Denn Clay Banton dachte bei all seinen Aktivitäten ausschließlich an sein eigenes Vergnügen. Dieser Mann war gar nicht dazu fähig, zu irgendjemandem eine ernsthafte Beziehung aufzubauen. Dazu war er viel zu egoistisch und außerdem viel zu abhängig vom Rauschgift.
Ich fragte mich vorwurfsvoll, warum ich so lange dafür gebraucht hatte, um das endlich zu akzeptieren. „Das weißt du doch gar nicht, Clay! Vielleicht würde ein Kind dich von deinem Egotrip herunterholen!" warf ich ihm verzweifelt an den Kopf. Aber er war auf Entzug und reagierte daher kaum noch auf mich. Er war aufgestanden und zog sich hastig eine Boxershorts an. Dann wollte er an mir vorbei zum Badezimmer, um noch mehr Heroin zu nehmen. „Tut mir leid, ich muss dringend pissen", murmelte er überfordert.
Ich hielt ihn auf, indem ich ihn fast beschwörend am Arm packte. Ich wollte ihm so gerne erklären, welche wichtigen Gedanken mir durch den Kopf gingen. Ich wollte so gerne irgendetwas tun, um ihm zu helfen. Clay wirkte so angeschlagen, er war verletzt und voller Panik.
Aber nur ein weiterer Blick seiner gehetzten Augen belehrte mich eines Besseren. Er stand hilflos vor mir, ungeduldig stöhnend, nahe daran, sich von mir loszureißen. Nur mit Mühe konnte er mir in die Augen sehen. Seine schwarzen Pupillen waren riesig und voller Angst. Seine Lider zuckten nervös, kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Diese harte Erkenntnis war schmerzhaft, aber unübersehbar: Ich konnte diesem Mann nicht helfen. Ich konnte nicht mal mit ihm reden. Er wollte nur noch Heroin und würde es nehmen. Ganz egal, ob ich da war, oder nicht. Ganz egal, ob ich mir um ihn Sorgen machte, oder ob ich ihn liebte.
„Du bist auf Entzug, Banton!" entfuhr es mir resigniert. Mein Schmerz über seine emotionale Kälte verwandelte sich in Wut. „Natürlich bin ich das!" fauchte er aggressiv. Er riss sich von mir los und beeilte sich auf unsicheren Beinen, mir zu entkommen. Wie ich es schon vermutet hatte, zog es ihn geradewegs zum Badezimmer. „Warum tust du dir das an?" rief ich ihm hinterher. Er antwortete mir nicht, denn er war schon in seinem Bad verschwunden.
Ich stand eine Weile allein in seinem Schlafzimmer, bis mir blitzartig klar wurde, dass ich mit dieser Frage gar nicht Clay gemeint hatte. Ich hatte eigentlich mich selbst gemeint. Warum tat ich mir das an?
Kurzentschlossen zog ich meine Jacke an und verließ sein Schlafzimmer. Nachdenklich stand ich im dunklen Flur herum. Ich wollte ihn wirklich nicht nochmal sehen, wenn er Heroin rauchte. Ich war mir nicht mal mehr sicher, ob ich ihn überhaupt je wiedersehen wollte. Ein riesiger, wütender Teil von mir wollte jetzt einfach sofort seine Wohnung verlassen und nie mehr zurückkehren. So abweisend, wie er mich gerade behandelt hatte, hatte er es verdient, wenn ich ihn jetzt eiskalt allein ließ. Wenn ich ohne ein einziges Wort aus seinem Leben verschwinden würde.
Andererseits war ich mit diesem Mann noch vor wenigen Minuten so intim gewesen, wie man es mit einem anderen Menschen nur sein konnte. Clay war immerhin fast zwei Jahre lang mein Freund gewesen. Wir hatten so viele Dinge miteinander geteilt, auch jede Menge Angenehmes, das war unbestreitbar. Vielleicht war ich es ihm doch schuldig, ihm zumindest zu erklären, welchen weitreichenden Entschluss ich gefasst hatte. Natürlich würde er mich sowieso nicht verstehen, das tat er ja nie. Aber ich wollte es nun doch noch ein letztes Mal versuchen.
Langsam ging ich durch den Flur zum Bad und wischte mir dabei über die Augen. Meine Tränen waren getrocknet. In mir herrschte jetzt eine umfassende Leere. Alle wichtigen Gedanken waren gedacht worden, meine Entscheidung war unabwendbar. Meine Gefühle für Clay Banton bestanden in diesem Moment nur noch aus Resignation und Mitleid.
Die Tür des Badezimmers war offen, und ich trat zögernd ein. Clay saß natürlich erneut auf dem Boden neben seinem Whirlpool und rauchte gierig Heroin auf einem Stück Alufolie. Ich ignorierte ihn, ging zu seinem Waschbecken, wusch mir die Hände und klappte den Spiegelschrank auf. Er hatte noch immer meine Zahnbürste dort. Ich nahm sie, bestrich sie mit Zahnpasta, füllte Wasser und Mundwasser in sein Zahnputzglas und fing damit an, mir die Zähne zu putzen. Ich tat alle diese Dinge ganz automatisch. Ich wollte ihn ehrlich total ignorieren.
Aber ich hörte ihn husten und konnte durch den Spiegel beobachteten, wie hastig, gierig, überstürzt er den giftigen Qualm in seine armen Lungen zog. Danach schloss er die Augen, saß eine Weile ganz still und hielt die Luft an. Schließlich öffnete er die Augen und atmete langsam aus. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. „Willst du dir das wirklich ansehen?" fragte er mich spöttisch. Seine Laune hatte sich entscheidend gebessert, denn die harte Droge wirkte sofort auf ihn. „Mir bleibt ja wohl keine Wahl!" entgegnete ich gereizt. Er lächelte gutmütig. „Es geht mir jetzt besser, Liz", teilte er mir überflüssiger Weise mit. „Und wie lange hält das diesmal an?" erwiderte ich traurig, nahm einen Schluck, gurgelte und spuckte Wasser in sein Waschbecken. Dann wusch ich mit seinem feuchten Handtuch mein Gesicht.
Clay schwieg. Anscheinend hatte er den Rest des Pulvers aufgeraucht, denn er leckte das Stück Papier ab, wo vorher noch Heroin drauf gewesen war. „Hast du eine Zigarette?" fragte er mich. Ich drehte mich herum und gab ihm eine. Ich packte meine Zahnbürste in seinen Schrank, setzte mich neben ihn und steckte mir auch eine an. Einige Zeit saßen wir schweigend nebeneinander und rauchten. Clay trug lediglich seine teure Boxershorts und hatte schon wieder dringend eine Wäsche nötig. Er roch intensiv nach Schweiß und Heroin. Ich merkte jedoch verwundert, dass mir das nicht allzu viel ausmachte. Dass ich seinen Geruch trotzdem noch mochte.
Ich saß dicht neben ihm und dachte über die richtigen Worte nach. Ich überlegte, was genau ich ihm überhaupt sagen wollte und wie ich es am besten sagen konnte. Ich muss ihm und mir selbst endlich begreiflich machen, dass es vorbei ist, drängte es in mir.
Während ich noch nach den richtigen Worten suchte, wandte Clay sich mir zögernd zu. Er betrachtete mich von der Seite und seufzte. „Es tut mir leid, wenn es dir nicht gefallen hat, Eliza. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben. Ich glaube, ich bin im Moment einfach kein guter Liebhaber", meinte er verunsichert. Fassungslos fixierte ich ihn. „Oh Clay! Nein!" stöhnte ich auf, extrem genervt davon, dass der Mann tatsächlich diese absolut lächerliche, total machohafte Bestätigung seiner sexuellen Fähigkeiten von mir verlangte. Er zuckte zurück und wich irritiert meinem Blick aus, wie ein gescholtenes Kind. Clay tat mir leid in seiner Dummheit, deshalb beschloss ich versöhnlich, ihm trotzdem diesen Gefallen zu tun. „Für mich bist du immer ein guter Liebhaber, Clay Banton", versicherte ich ihm und befriedigte damit sichtbar seine dumme, männliche Eitelkeit. Er lächelte auf der Stelle dankbar. „Das ist nett", seufzte er erleichtert und streichelte ganz sanft über meine Wange.
Ich guckte ihn direkt an. „Und wie bin ich so beim Sex?" fragte ich ihn ironisch und herausfordernd. Er sollte durch den spöttischen Tonfall meiner Stimme merken, wie lächerlich ich dieses Thema fand. Allerdings glaubte ich im Grunde nicht, dass ihm das je bewusst werden würde, denn für ihn war dieses Thema viel zu wichtig. Der Mann streichelte sanft über mein Gesicht und lächelte lüstern. „Du bist ganz fantastisch, Liz. Du raubst mir total den Verstand. Ich liebe es, mit dir zusammen zu sein", erklärte er mir liebevoll und küsste sacht meine Wange. Genervt wich ich ihm aus. „Sagst du das zu jeder Frau, die du fickst?" wollte ich hart von ihm wissen. Abwartend sah ich ihn an. Sein Lächeln starb augenblicklich, er betrachtete mich verwirrt. „Nein", antwortete er dann, drückte seine Kippe aus und starrte hilflos auf seine Knie.
Irgendwie tat er mir schon wieder sehr leid. Mir war klar, dass ich ihn an seinem wunden Punkt angriff. Aber andererseits fühlte ich mich völlig im Recht. „Und was ist mit Valmont? Sagst du dem auch, wie gut er war, nachdem er dich in den Arsch gefickt hat?" fuhr es grob aus mir heraus. Clay zuckte tatsächlich getroffen zusammen. Er verzog gequält das Gesicht, stöhnte genervt, wandte sich von mir ab und wollte aufstehen. Ich packte ihn spontan am Arm und hielt ihn zurück. „Nein, bleib hier!" forderte ich ihn energisch auf. „Ich habe nicht...", fing er an und brach dann konfus ab. Verwirrt und verletzt schaute er mich an.
„Ist schon gut", beruhigte ich ihn seufzend, „Setz dich wieder, Clay. Ich möchte mit dir reden." „Ich rede nicht mit dir über Valmont", entgegnete er sofort widerspenstig, riss sich heftig los und wich vor mir zurück. „Warum nicht?" fragte ich ihn ehrlich interessiert und drückte meine Kippe neben seine in den eingebauten Aschenbecher am Whirlpool. Er seufzte ungeduldig und holte tief Luft. „Weil du das niemals begreifen wirst! Ich habe es dir schon tausend Mal erklärt, Eliza!" Abwartend stand er vor mir und musterte mich lauernd. „Erkläre es mir nochmal!" forderte ich ihn resigniert auf.
Er stand verunsichert dort und dachte darüber nach, ob er erneut versuchen wollte, mir seine Beziehung zu Sean Valmont zu erklären. Ich betrachtete derweil seinen fast nackten Körper mit den unzähligen Wunden. Die breiten Verbände an seinem Oberarm und Oberschenkel. Sie waren so gut gewickelt und fixiert worden, dass sie sich trotz seiner heftigen Bewegungen beim Sex nicht gelöst hatten. Seine schöne, helle Haut war voller Schnittwunden und roter und blauer Flecken. Er hatte dunkelrote Striemen an seinem Hals und seinen Handgelenken, die von echter Grausamkeit zeugten. Diese verdammten, brutalen Schweine haben ihn echt gefesselt und zusammengetreten, stellte ich mitleidig fest.
Aber im nächsten Moment rief ich mir eilig ins Bewusstsein, dass er diese harte Strafe höchstwahrscheinlich verdient hatte. Womöglich hatte er dieser Frau ebenfalls unverzeihliche Gewalt angetan.
Ich wusste nur zu genau, was er mir gleich sagen würde. Viel zu oft hatten wir schon über Sean Valmont gesprochen. Clay seufzte irgendwann ergeben und setzte sich kurzerhand auf die Stufen seines Whirlpools. „Mit Sean ist das was ganz anderes. Ich liebe ihn doch nicht. Es geht nur um den Sex. Uns verbindet nur das Theater, die Musik und... Geilheit", behauptete er leise, ohne mich dabei anzusehen. Ich musterte ihn abschätzend. Mir wurde klar, dass er sich tatsächlich immer noch selbst etwas vormachte. Clay Banton hatte aus mir völlig unersichtlichen Gründen eine so große Angst davor, als schwul zu gelten, dass er sich nicht einmal selbst eingestand, für Sean Valmont viel mehr zu empfinden, als nur Geilheit. Und es war völlig sinnlos, ihn darauf hinzuweisen. Hör doch endlich damit auf, dich selbst zu belügen, hätte ich ihn am liebsten angeschrien.
Aber stattdessen erwiderte ich nur traurig: „Und mich liebst du?" Er wandte sich mir sofort zu. „Natürlich liebe ich dich, Liz! Du weißt doch, dass ich dich liebe! Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt!" versicherte er mir, und er meinte es in dieser Sekunde bestimmt ehrlich. Fast beschwörend starrte er mich an. Er kannte mich viel zu gut. Der Ausdruck meiner Augen alarmierte ihn auf der Stelle. „Du weißt doch, dass ich dich liebe!" wiederholte er verzweifelt. „Ich bin mir nicht mehr sicher, Clay", flüsterte ich resigniert.
Seine Augen weiteten sich augenblicklich entsetzt und ungläubig. Er rutschte näher zu mir und berührte meinen Arm. „Du musst doch wissen, wie sehr ich dich liebe, Liz. Ich habe doch..." „Du wirst brutal verprügelt, weil du fremde Frauen anfällst! Du nimmst so viele Drogen, dass du völlig die Kontrolle über dich verlierst! Viel zu oft kannst du dich nicht mal mehr daran erinnern, was vor einer Minute passiert ist! Außerdem vögelst du durch die Gegend mit jedem, der dir über den Weg läuft, Clay!" unterbrach ich ihn aggressiv. Anklagend taxierte ich ihn. Seine Unsicherheit verwandelte sich in pure Verzweiflung. „Warum sagst du so was?" jammerte er hilflos und schnappte aufgewühlt nach Luft. Der Mann wirkte auf mich, als hätte ich ihm soeben ein Messer zwischen die Rippen gestoßen. „Weil es die Wahrheit ist!" antwortete ich kühl und drehte mich von ihm weg.
Mein Herz klopfte unruhig. Ich merkte, dass meine Hände zitterten und steckte mir nervös eine neue Zigarette an. Ich muss das jetzt durchziehen, sprach ich mir selber Mut zu, es gibt jetzt kein Zurück mehr. „Das alles hat doch gar nichts mit dir zu tun. Du kannst mir doch nicht mein Leben vorwerfen", hörte ich Clay ganz leise klagen. Offenbar kämpfte er mit aufkommenden Tränen, was mich ungewollt rührte.
Fest entschlossen wandte ich mich ihm zu. „Du machst dich konsequent total kaputt, Clay! Und du verschwendest keinen einzigen Gedanken daran, wie es mir dabei geht! Ich habe einfach keine Lust mehr, mir weiter Sorgen um dich zu machen!" versuchte ich ihm klarzumachen. Er betrachtete mich verwirrt und gekränkt. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, wovon ich überhaupt sprach. „Ich möchte nicht, dass du dir Sorgen um mich machst", erklärte er zögernd, „Ich habe doch immer versucht..." Erneut unterbrach ich ihn. „Ja, ich weiß, Clay. Du hast immer versucht, mich von deinem Scheiß fernzuhalten. Aber das klappt schon lange nicht mehr, verstehst du? Du hast es viel zu weit getrieben. Du hast vollkommen die Kontrolle verloren und merkst es nicht mal", fuhr ich ihn verärgert an.
Er duckte sich förmlich unter meiner strengen Stimme und wandte sich stöhnend ab. Verstohlen wischte er sich über die Augen. „Liz...", seufzte er hilflos und atmete nervös ein. Ein paar Minuten war es still, dann schaute er mich entschlossen wieder an. „Ich merke das schon, glaub mir. Sieh mich an, dann weißt du es", erwiderte er gefasst. „Und was willst du dagegen machen?" fragte ich ihn scharf. Er schüttelte verärgert den Kopf und holte tief Luft. „Ich gehe morgen zum Methadon Arzt, verdammt!" fuhr er genervt auf, „Ich habe es dir schon gesagt, dass ich ab morgen wieder mit Metha anfange!" „Du hast schon einmal Methadon genommen, Clay! Und das hat auch nicht besonders viel gebracht!" warf ich ihm spöttisch an den Kopf und inhalierte tief.
Mein Herz klopfte nervös. Im Grunde tat es mir leid, ihn so anzugreifen. Er wirkte sehr wehrlos und verletzlich. Er war mir an diesem Morgen und in seinem Zustand, wie meistens, nicht gewachsen. Und außerdem war es ganz egal, was er noch sagen oder tun würde. Der Mann hätte meinen festen Entschluss, ihn endgültig zu verlassen, mit nichts mehr rückgängig machen können.
Allerdings war ihm sichtbar überhaupt nicht klar, worauf ich eigentlich hinauswollte, und das hatte ich auch gar nicht anders erwartet. Clay konnte natürlich auch diesmal mit meinen Vorwürfen nichts anfangen. Meine harten Worte verwirrten und verletzten ihn nur. Er fühlte sich angegriffen und ungerecht behandelt. Eine Träne lief aus seinem Auge. Er wischte sie hastig weg und schniefte verkrampft. „Es tut mir leid", seufzte er verwirrt, „Ich weiß gar nicht, was passiert ist." Ich lachte höhnisch auf. „Ja, ganz genau, das ist ja dein altes Problem, Clay. Du denkst niemals über etwas nach. Und dann stehst du wieder vor dem Scherbenhaufen und fragst dich, was denn eigentlich passiert ist." Clay guckte mich eine Weile ratlos an. Dann schloss er abwehrend die Augen und atmete tief. „Bitte...", flüsterte er, brach konfus ab und war still.
Ich beobachtete ihn gerührt. Er saß dicht neben mir auf den Stufen des Pools, die Augen hilflos geschlossen, tief atmend. Er trug nur seine Boxershorts. Sein schöner Körper war zerschnitten und voller dunkler Blutergüsse. Plötzlich überkam mich der starke Impuls, ihn tröstend und schützend in den Arm zu nehmen. Nur mit Mühe konnte ich mich zurückhalten.
Stattdessen gab ich mir einen Ruck. „Erinnerst du dich, was ich damals im Chaos-Tempel zu dir gesagt habe?" fragte ich ihn ruhig. Es dauerte eine Weile, bis er den Kopf schüttelte, die Augen immer noch fest zu. „Nein, was meinst du?" wollte er unsicher wissen. „Ich meine den Abend im Januar, Clay!" erinnerte ich ihn ungeduldig. Ich studierte ihn aufmerksam, um herauszufinden, ob er sich erinnerte. Aber es kam keine Reaktion von ihm. „Ich habe dir damals gesagt, dass ich keine Kraft mehr habe. Dass ich nicht mehr weiter kann, Clay", versuchte ich ihm schließlich behutsam auf die Sprünge zu helfen.
Seine unmittelbare Reaktion darauf überraschte mich. Blitzartig und sichtbar erinnerte er sich nur zu gut an diese Situation. Er öffnete erschrocken den Mund und schnappte irritiert nach Luft. Plötzlich sah er sehr gequält aus, als würde ihm unvermittelt klar werden, dass ich ihn verlassen würde. Entsetzt schüttelte er den Kopf und öffnete widerwillig seine schönen Augen. Er schaute mich ungläubig und traurig an. Erneut lief eine Träne über seine Wange. Unentwegt schüttelte er nun mit dem Kopf. Ich betrachtete ihn erstaunt, fasziniert von dieser starken, emotionalen Reaktion.
„Bitte verlass mich nicht", flüsterte Clay auf einmal heiser und schluchzte verkrampft auf. Ich spürte einen schmerzhaften Stich im Innern und hustete nervös. Betroffen wandte ich mich von ihm ab und drückte meine Zigarette aus. Ich muss das jetzt unbedingt durchziehen, ermahnte ich mich streng, ich darf auf keinen Fall wieder schwach werden. Dieser Mann wird sich niemals ändern, versuchte ich mir verbissen einzuhämmern.
Clay ächzte verzweifelt und wischte sich zitternd über die Augen. „Die haben mich... ausgezogen und... angestarrt... mich geschlagen... und sich über mich lustig gemacht...", stammelte er plötzlich verlegen. Verwirrt sah ich ihn an. Er starrte reglos auf den Boden. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass er mir gerade von dem brutalen Angriff auf ihn letzte Nacht erzählte. „Die haben mir alles... weggenommen... Geld... Zigaretten, Feuerzeug und... mein Handy..." Seine Stimme war brüchig, er war kaum zu verstehen. Dennoch hatten seine Worte eine erstaunlich große Wirkung auf mich. „Wie bitte? Die haben dich ausgezogen?" hakte ich erschüttert nach. Clay schloss beschämt die Augen und nickte.
Ungewollt erfasste mich eine mächtige Woge voller Mitleid und Entrüstung. Noch einmal musste ich dem immens starken Impuls widerstehen, ihn tröstend in meine Arme zu nehmen. „Die hatten echt Spaß an... meinem Schwanz...", schluchzte Clay mit geschlossenen Augen, aus denen ein paar Tränen stürzten und über seine Wangen liefen. Hastig wischte er sie weg. Ich schaute ihn an und kämpfte mit meinem Mitgefühl. Ich war mir nicht sicher, ob er mir diese Sache nicht nur erzählte, damit ich ihn genau deswegen nicht verließ. Ich fragte mich zweifelnd, ob er mich wohl anlog. Ob er sich dieses verstörende Detail vielleicht nur ausdachte, um mein Mitleid zu erregen. Ich versuchte mich zu erinnern, ob Clay Banton je so berechnend gewesen war.
„Fuck!" rief er plötzlich, riss die Augen auf und stand ruckartig auf. Erschrocken zuckte ich zusammen und beobachtete ihn alarmiert. Er lief zum Fenster und starrte hinaus. Der neue Tag war angebrochen, doch draußen wirkte alles grau. Das trübe Wetter passte hervorragend zu dieser Situation und meiner Stimmung. Eine Weile guckte ich auf Clays Rücken. Die Haut über seinen Nieren war dunkelblau verfärbt. Er trat nervös auf der Stelle. Es war ganz still im Badezimmer. Ich beobachtete ihn mit klopfendem Herzen. Ich versuchte beharrlich, gegen meine starke Zuneigung zu ihm anzukämpfen. Es wird jetzt Zeit zu gehen, dachte ich aufgewühlt.
Clay drehte mir den Rücken zu. Er starrte aus dem Fenster, aber scheinbar ohne etwas zu sehen. Seine Hände zitterten nervös. Er atmete krampfhaft tief ein und aus, um sich zu beruhigen. „Fuck! Fuck!" schrie er und schlug wütend ein paar mal gegen die Wand. Dann ging er plötzlich zur Toilette, nahm sich Klopapier und putzte sich die Nase. Er wischte sich fahrig über das verletzte Gesicht, warf das Papier ins Klo und wandte sich mir zögernd zu.
Eine Weile stand er ganz still und guckte mich an. Er hatte sich jetzt offenbar wieder im Griff. „Ich kann nicht mehr, Clay", versicherte ich ihm schnell. Er schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hände. „Nein.. warte..", seufzte er und atmete scharf ein. Er überlegte fieberhaft, um die richtigen Worte zu finden. Ich beobachtete seinen inneren Kampf reglos.
„Ich weiß doch genau, dass ich es dir nicht leicht mache, Eliza. Ich habe dich schlecht behandelt, das tut mir echt leid", fing er endlich an. Ich wollte ihm widersprechen, aber er bedeutete mir, ihm ruhig zuzuhören. „Warte.. warte... eine Minute...", bat er mich verzweifelt. Ich schaute in sein aufgewühltes Gesicht und mein Hals schnürte sich zu. Clay Banton wirkte so unglaublich hilflos. Er war ein verwirrtes, kleines Kind im geschundenen Körper eines erwachsenen Mannes. Und er war mit dieser unerwarteten Situation hoffnungslos überfordert. Es fehlte nicht viel, und ich hätte ihn aufgefordert, einfach zu mir zu kommen, damit ich ihn vor der bösen Welt beschützen konnte.
Er suchte eine Weile angestrengt nach den richtigen Worten. Ich betrachtete ihn mit einer Mischung aus warmer Zuneigung und unendlicher Traurigkeit. Schließlich hatte er sich für eine Formulierung entschieden. „Gib mir bitte noch eine Chance, Liz. Ich werde das ganz sicher auf die Reihe kriegen. Ich zieh das Methadonprogramm durch", redete er beschwörend auf mich ein. Er kam einen Schritt näher und streckte mir flehentlich die Hand entgegen. „Ich versuche, eine neue Ausstellung auf die Beine zu stellen. Ich werde ernsthaft daran arbeiten. Du wirst sehen, ich kann das schaffen, Liz!" Seine grünen Augen flehten um Verständnis und Vergebung.
Ich seufzte traurig, denn seine Worte erinnerten mich an jenen Tag im Januar, als wir das gleiche Gespräch schon einmal geführt hatten. Damals hatten mich seine Beteuerungen noch halbwegs beeindruckt. „Es wäre schön, wenn du das schaffst, Clay", erwiderte ich matt. Er kam noch näher und ließ sich vor mir auf die Knie sinken. Seine Augen weiteten sich verzweifelt. „Nein, nein, ich meine das wirklich ernst, Eliza!" versicherte er mir und griff nach meinen Schultern, „Du musst mir das glauben!"
Ich machte mich seufzend von ihm los und guckte ihn skeptisch an. „Ich habe das alles schon einmal gehört, Clay", erinnerte ich ihn deprimiert. Meine abwehrende Reaktion versetzte ihn sichtbar in Panik. Er stand wieder auf und lief nervös im Zimmer herum. Dann blieb er abrupt stehen und wandte sich mir zu. „Bitte gib mir noch eine Chance, Eliza! Ich verspreche dir, dass..." „Nein, Clay! Hör auf! Tu das nicht! Versprich mir nichts!" wies ich ihn sofort zurecht und stand ebenfalls auf. Ich wollte auf keinen Fall noch ein Versprechen von ihm hören, dass er ohnehin nicht einhalten würde.
Die übertrieben dramatische Szene, die er mir hier machte, begann an meinen Nerven zu zehren. Ich merkte deutlich, dass ich seine Hilflosigkeit und seinen Selbstbetrug nicht viel länger ertragen konnte. Es wurde jetzt dringend Zeit für mich, um nach Hause zu fahren. Es war vorbei und nichts würde daran noch etwas ändern.
Auch Clay schien das langsam zu begreifen. Er stand vor mir und starrte mich erschrocken an, die Augen vor Angst und Unglauben weit aufgerissen. Sein Körper zitterte vor Anspannung. „Aber was soll ich denn machen, Liz?! Sag mir doch bitte, was ich machen soll!" jammerte er spontan los. „Ich verstehe dich nicht!" klagte er konfus. „Ist schon gut, Clay", beruhigte ich ihn sanft, ging auf ihn zu und strich ihm leicht über den Kopf. Seine dunklen, kurzen Haare waren völlig verschwitzt, er schaute mich verwirrt an. „Was soll ich denn machen?" wiederholte er jämmerlich, „Sag es mir bitte, ich mache doch alles, was du willst, Liz!" Ich schüttelte den Kopf und zog meine Hand zurück. „Du brauchst überhaupt nichts für mich zu tun, Clay. Versuche einfach nur, dein Leben wieder in den Griff zu kriegen, okay?" sagte ich und versuchte, aufmunternd zu lächeln.
Clay fixierte mich erschüttert. Er war vollkommen durcheinander. Ich drehte mich entschlossen von ihm weg und ging langsam zur Tür. Ob er mich jetzt wohl endlich verstanden hat?, fragte ich mich und zweifelte im selben Moment stark daran. Wahrscheinlich würde er mich niemals verstehen. Seine Gedankenwelt war gänzlich anders als meine. Sie war viel primitiver und impulsiver. Er war irgendwie gar nicht dazu fähig, große Zusammenhänge zu begreifen.
Nun kam ich gerade mal bis zum Flur, da lief Clay mir auch schon hinterher und packte mich am Arm, um mich aufzuhalten. „Du kannst jetzt nicht gehen, Eliza! Du kannst jetzt nicht einfach so abhauen und mich allein lassen!" beschwerte er sich und drehte mich zu sich herum. Ich fauchte genervt. „Lass mich gehen, Clay!" knurrte ich streng und taxierte ihn drohend. Er schüttelte verzweifelt den Kopf. „Nein! Sieh mich doch an! Es geht mir beschissen! Du kannst mich jetzt nicht allein lassen! Ich brauche dich!" beklagte er sich lauthals. In seinen Augen standen schon wieder Tränen.
Einen Moment lang war ich so gerührt, dass ich fast bei ihm geblieben wäre. Aber dann erinnerte ich mich hastig daran, dass dieser Mann sich in der letzten Zeit doch kaum noch für mich interessiert hatte. Er war nur noch dem scheiß Heroin hinterhergerannt. Er kam doch immer nur zu mir, wenn ich ihn trösten sollte. Und darauf hatte ich nun echt keinen Bock mehr!
„Es ist vorbei, Clay! Versteh das doch endlich!" erklärte ich ihm ungeduldig und riss meinen Arm aus seinem Griff los. Er schüttelte unentwegt den Kopf. „Das kannst du doch nicht machen! Du kannst mich doch nicht im Stich lassen!" fuhr es fassungslos aus ihm heraus. Ich blies spöttisch die Luft aus und wandte mich von ihm ab. „Ich kann dir nicht helfen! Das musst du doch merken! Und ich habe keine Kraft mehr, es noch länger zu versuchen!" betonte ich ernsthaft und beeilte mich, zur Wohnungstür zu kommen. Mein Herz klopfte hart. Nervös und aufgewühlt öffnete ich die Tür und stolperte eilig die Treppen im Hausflur herunter. Verärgert registrierte ich, dass der Mann mir abermals hinterherkam. Hartnäckig hielt er mich nochmal am Arm fest.
Wir standen vor dem Haus auf dem Bürgersteig und sahen uns intensiv an. „Bitte geh nicht, Liz! Bitte nicht!" flehte er mich tatsächlich an. Ich versuchte mir einzuhämmern, dass er das nur aus reinem Egoismus tat. Er konnte ganz einfach nicht allein sein und brauchte immer jemanden in seiner Nähe. Allerdings war es völlig gleichgültig, wer dieser Jemand war. Clay Banton hatte schlicht große Angst vor dem Alleinsein, was wohl in seiner Kindheit begründet lag, von der er mir ja leider viel zu selten und nur widerwillig erzählt hatte.
Und jetzt geriet er deswegen beinahe wieder in Panik. "Hör zu, Liz, hör mir zu...", japste er aufgeregt und schnappte nach Luft. Er atmete tief und zitterte dabei vor Nervosität und Kälte. Er trug nur seine Designer-Boxershorts, und es war bitterkalt draußen. „Geh wieder rein, Clay!" stöhnte ich genervt. „Nein, nein... warte!" seufzte er und versuchte, sich zu beruhigen.
Auf einmal sah er mich verschwörerisch lächelnd an, als wäre ihm eine gute Idee gekommen. „Ich gehöre doch dir, Liz! Du weißt, dass ich nur dir allein gehöre! Ich tue alles, was du willst, hörst du? Du hast es doch gern, wenn du mit mir machen kannst, was du willst, nicht wahr?" Er lächelte zweideutig, packte energisch meine Hand und drückte sie gezielt gegen seine Unterhose. Diese Geste war sein irrer, verzweifelter Versuch mich umzustimmen, mich gewaltsam bei sich zu behalten. Der Mann setzte spontan auf meine, ihm nur zu gut bekannten, sexuellen Vorlieben. Und ich verachtete ihn plötzlich dafür, weil mir dadurch klar wurde, dass er nicht ein einziges Wort von dem verstanden hatte, was ich ihm zu erklären versucht hatte.
„Hör auf damit!" fuhr ich ihn wütend an und riss mich von ihm los, „Das ist total krank! Ich hätte dich gestern lieber doch in die Psychiatrie sperren sollen!" Der letzte Satz rutschte mir unbedacht heraus, und ich bereute das sofort. Clay zuckte zusammen und riss entsetzt die Augen auf. „Was meinst du damit?" fragte er höchst alarmiert nach. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, gar nichts...", versuchte ich, meinen Fehler auszubügeln. „Geh wieder rein!" forderte ich ihn nochmal auf. „Willst du etwa, dass ich in die Psychiatrie gehe?" wollte Clay konfus von mir wissen. Er konnte das sichtbar nicht fassen. Ich hob beschwichtigend die Hände. „Nein, Clay. Aber vielleicht wäre ein Psychiater eine Hilfe für dich. Denk doch mal darüber nach", schlug ich ihm ruhig vor. Er schüttelte entschieden den Kopf. „So ein scheiß Psychiater konnte mir noch nie helfen!" betonte er ein wenig zu laut.
Darauf wusste ich nichts zu sagen. Eine Zeit lang war es still, während wir uns gegenseitig belauerten. Schließlich atmete ich tief ein. „Bitte geh wieder rein, Clay. Und bitte komm nicht mehr zu mir nach Hause. Schreib mir nicht und ruf mich nicht an. Tust du das für mich?" Ich versuchte zu lächeln, aber es klappte irgendwie nicht. Er sah mich erschrocken an. „Aber du hast mich doch gern...", stammelte er verwirrt. Eine Weile standen wir dicht voreinander, und meine Kehle schnürte sich ungewollt zu. Ich musste mich tatsächlich richtig anstrengen, um nicht loszuheulen.
Spontan nahm ich ihn in den Arm und drückte ihn an mich. Er klammerte sich sofort hilfesuchend an mir fest. Er hatte eine Gänsehaut und zitterte vor Kälte. Ich versuchte hilflos, ihn zu wärmen, was mir aber nicht gelang. „Natürlich habe ich dich gern, Clay", flüsterte ich resigniert in sein Ohr. „Aber ich kann nichts mehr für dich tun. Bitte versuche doch, das alles wieder auf die Reihe zu kriegen. Versuch es nochmal mit dem Methadon. Reiß dich einfach ein bisschen zusammen, okay?" redete ich leise auf ihn ein und küsste ganz sacht sein schönes Ohr. Er atmete nervös ein. „Warum soll ich mich zusammenreißen, wenn du mich verlässt, Eliza? Für wen denn?!" erwiderte er eigensinnig und löste sich aus meinem Griff. „Für wen denn?!" wiederholte er anklagend.
Ich stöhnte resigniert auf und musste für einen Moment die Augen schließen. Es ist hoffnungslos, stellte ich verbittert fest, dieser Mann versteht mich einfach nicht. Und genau deshalb wird er sich auch niemals ändern. Diese Erkenntnis machte es mir leichter, endgültig einen Schlussstrich unter diese schmerzliche Unterredung zu ziehen.
„Wenn du es nicht für dich selbst tust, Clay, dann brauchst du es überhaupt nicht zu tun!" fuhr ich ihn ungeduldig an. Er ging abwehrend einen Schritt zurück und betrachtete mich ausgeliefert. „Ich liebe dich, Eliza!" rief er panisch, „Ich möchte dich nicht verlieren!" Hastig drehte ich mich von ihm weg, denn ich war nahe daran, die Fassung zu verlieren. Wir drehen uns total im Kreis, dachte ich überfordert, das hat alles überhaupt keinen Sinn mehr. Ich suchte in meiner Hose nach dem Schlüssel und ging stur zu meinem Auto, was am Straßenrand parkte.
„Lass mich nicht allein!" heulte Clay wahrhaftig auf, genau wie ein kleines Kind, und lief mir hinterher. Er wollte erneut meinen Arm greifen, aber ich fuhr zu ihm herum und wich ihm fauchend aus. „Jetzt beruhige dich endlich mal! Dreh doch nicht durch, Banton!" rief ich zornig. „Du bist überhaupt nicht allein! Geh doch einfach zu Valmont! Der tut alles für dich, der hat dir doch schon einmal geholfen! Der würde dich nie im Stich lassen, so wie ich!" schrie ich ihn an und merkte irritiert, dass Tränen aus meinen Augen stürzten. Aufgebracht wischte ich mir über die Augen.
Clay war stehengeblieben. Er musterte mich, wie ein verwundetes Tier, das nur sehr langsam ahnt, dass ihm gleich der Todesstoß versetzt wird. „Ich wollte nie...", setzte er an, brach ab und schaute sich im nächsten Moment alarmiert um. Ich schloss hektisch mein Auto auf und beobachtete ihn dann verwundert. Clay schaute mit zusammengezogenen Augenbrauen suchend die Straße entlang. „Wo ist mein Wagen?" fragte er mich auf einmal enorm beunruhigt.
Ich konnte es wirklich nicht fassen, wie sprunghaft einfach er von diesem für mich so schmerzhaft wichtigen Thema zur nächsten Lappalie übergehen konnte. Wie abrupt seine Emotionen wechselten, wie rasend schnell und leicht er seine Aufmerksamkeit von mir weg zu seinem scheiß Auto lenkte. „Frag doch Valmont!" brüllte ich ihn verletzt an, stieg überstürzt ein und startete sofort den Micra. Meine Finger zitterten so, dass ich mehrere Anläufe brauchte, bis das Auto ansprang. In meinem Kopf pochte es dumpf. Ich schluchzte haltlos.
Clay
An diesem Abend hatte sie genau in mein Beuteschema gepasst. Sie war mir aufgefallen, damals, im Old Daddy, vor etwa zwei Jahren. Eliza Laser fiel mir auf, weil sie so verloren wirkte, so schüchtern und irgendwie fehl am Platz zwischen all den ausgelassenen Feierwütigen. Sie traute sich nicht einmal zu tanzen, stand nur einsam am Rand herum. Sie hielt sich ständig an einem Getränk oder einer Zigarette fest und schaute ziemlich ratlos dem Treiben zu. Sie war auffallend hübsch, aber niemand schien sie zu beachten, und sie war viel zu schüchtern, um auf jemanden zuzugehen. Bestimmt eine Stunde lang hatte ich sie damals aus sicherer Entfernung beobachtet und währenddessen alle anderen Angebote abgelehnt.
Eliza war definitiv eine von den Frauen gewesen, die mein Jagdfieber durch ihre kühle Unnahbarkeit extrem ansteigen lassen. Wenn man bei diesen Frauen Erfolg haben will, dann darf man sie auf keinen Fall schon innerhalb der Diskothek ansprechen. Sie fühlen sich dort nämlich dermaßen unwohl, dass sie jede Annäherung als störendes, aufdringliches Eindringen in ihren erbauten Schutzpanzer empfinden.
Für mich war Eliza zuerst mal nur eine lohnende, immens aufregende Herausforderung gewesen. Und ich wusste von Anfang an, dass ich bei ihr viel mehr Zeit als ein paar Stunden investieren musste, um ans Ziel zu kommen. Aber sie gefiel mir, etwas Unsichtbares reizte mich enorm an ihr, und deshalb ließ ich mich nur zu gerne darauf ein.
Daniel, der echt einschüchternd war, ein typischer Bandenchef, war an diesem Abend mein Komplize bei diesem Spiel geworden. Daniel war es schon gewohnt, dass ich ihn ab und zu in Anspruch nahm, wenn ich eine Frau aufreißen wollte, die in mein Helden-Muster passte. Meine ungewöhnlichen Methoden und meine Hartnäckigkeit amüsierten ihn. Später malte ich ihm für seine Dienste ein weiteres geiles, gewalttätiges Bild an seine Zimmerwand, eins von denen, die ihm so sehr gefielen.
Als Eliza später am Abend allein und sichtbar enttäuscht das Old Daddy verließ, war endlich meine Chance gekommen. Wie verabredet pöbelte Daniel sie vor der Diskothek ein bisschen an, und ich ging sofort als strahlender Held dazwischen. Ich rettete und beschützte die ängstliche Eliza Laser vor diesem betrunkenen Rüpel. Das war eine mutige Tat, die ausnahmslos jeder Frau imponierte. Und auch die erschrockene Eliza war selbstverständlich zutiefst dankbar und echt beeindruckt. Ich lächelte sie charmant an und spulte routiniert meine gute Erziehung herunter.
Sie wollte eigentlich mit dem Taxi fahren, doch ich schlug ihr vor, sie zu Fuß bis zu ihr nach Hause zu begleiten, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie weit das sein würde. Ich erwähnte einen schönen Spaziergang an einem wunderbaren Abend. Sie lächelte verhalten, schaute mich eine Weile prüfend an und willigte dann kurzentschlossen ein. Sie war bei dieser Entscheidung mutig, vertrauensvoll, und ich hakte in Gedanken die erste Hürde ab.
Ich war ganz Gentleman und begleitete sie zu ihrer Sicherheit den ganzen weiten Weg bis zu ihr nach Hause, natürlich ohne ihr dabei zu nahe zu kommen. Die ersten hundert Meter liefen wir schweigend nebeneinander her, dann fragte ich sie nach ihrem Abend in der Disko. Sie erzählte mir, dass ihre Freundin sie gegen ihren Willen mit ins Old Daddy geschleppt hatte und dann plötzlich mit irgendeinem Typen verschwunden war. Sie war wütend auf ihre Freundin, weil die sie einfach hatte stehen lassen.
Eliza verriet mir, dass sie gar nicht so besonders auf Diskotheken stand und auch nicht gern tanzte. Ich erzählte ihr, dass ich jedes Wochenende im Old Daddy verbrachte und für mein Leben gern tanzte. Darüber musste sie lachen, wohl aus Nervosität, und ich erinnere mich ganz genau an ihr erstes Lachen. Eliza lachte schüchtern, zurückhaltend, als wäre sie selbst überrascht darüber und nicht sicher, ob ihr Lachen in dieser Situation überhaupt angebracht war. Ich war total gerührt, und ich wollte diesem Mädchen unbedingt beibringen zu lachen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.
Spontan beruhigte ich sie, indem ich einfach laut mitlachte. Das entspannte die Situation auf der Stelle und Eliza schaute mich zum ersten Mal interessiert an. Sie war jetzt deutlich weniger gehemmt, und irgendetwas passierte in diesen Sekunden mit mir, was ich nicht erklären kann. Irgendwie kamen wir uns näher, obwohl ich sie auf diesem Weg niemals berührte. Es war, als hätte ich einen kurzen Blick in ihr verschlossenes, sorgsam verstecktes Inneres erhascht, wo ein unentdecktes Zauberland auf mich wartete. Ich wurde neugierig auf diese Frau.
Wir sprachen noch über ihre Arbeit als Krankenschwester und über meine diversen kreativen Tätigkeiten. Dazwischen schwiegen wir auch eine lange Zeit, aber das Schweigen wurde nie unangenehm.
Selbstverständlich durfte ich am ersten Abend nicht mit hoch in ihre Wohnung kommen, das hatte ich nicht anders erwartet. An ihrer Haustür trennten wir uns freundschaftlich, aber sie wollte mich tatsächlich schon am nächsten Tag wiedersehen. Ihr einsames Herz trotz ihrer abweisenden Schüchternheit erobert zu haben, das war mir in diesem Moment Lohn genug gewesen. Ich fühlte mich unerwartet beschwingt und glücklich, nachdem ich sie nach Hause gebracht hatte.
Und dann geschah etwas, was mir noch nie vorher passiert war: In dieser Nacht ging ich nicht einmal zurück ins Old Daddy, um eine andere Bettpartnerin zu finden. Irgendetwas war in dieser kurzen Zeit geschehen. Ich freute mich wahrhaftig auf das Wiedersehen und war total motiviert.
Eliza Laser taute in der nächsten Zeit nur langsam auf. Aber sie hatte unerschöpfliches Vertrauen zu mir, und ich war echt geduldig mit ihr. Genau genommen war ich niemals vorher so duldsam mit einer Frau gewesen. Eliza gefiel mir überraschend und zunehmend gut. Sie war ganz anders als andere Frauen, viel gefühlvoller und verletzlicher. Sie erzählte mir von ihrer Einsamkeit und ihrer Traurigkeit. Und ich hörte ihr jedes Mal zu und spielte den Interessierten, den Verständnisvollen. Anscheinend war ich sogar irgendwie interessiert an ihrem Gefühlsleben, was noch eine irritierende Premiere für mich war.
In all diesen ersten Wochen passierte nie mehr zwischen uns, als ein paar zutrauliche, zarte Küsse. Es dauerte tatsächlich über zwei Monate, bis sie endlich, ganz behutsam zu mehr bereit war. Sie war zwar keine Jungfrau mehr, aber sie war erschreckend unerfahren. Ich konnte meine eigene Geduld nicht fassen, war echt verwirrt und merkte nur langsam, dass ich im Laufe der Zeit zu dieser Frau unbemerkt noch eine ganz andere Bindung aufgebaut hatte. Ich musste mir eingestehen, dass ich schon längst nicht mehr nur Sex mit ihr wollte.
Fast unbemerkt fing ich damit an, ihre pure Anwesenheit, ihre freundlichen Gespräche zu genießen, ihre harmlosen Zärtlichkeiten. Sie war wie ein Schmetterling, den man nur ganz vorsichtig, umsichtig behandeln durfte. Dafür wurde man dann aber mit unglaublicher Schönheit belohnt. Das Zusammensein mit Eliza war wie Urlaub für mich, wie Atemholen im Sonnenschein. Ich sprach mit ihr so viel, wie mit keiner anderen Frau zuvor. Ich verriet ihr Sachen von mir, die ich noch niemals jemandem erzählt hatte, höchstens einem Psychiater. Wir sprachen sogar über meine Vergangenheit.
Nur von meinem derzeitigen Leben erzählte ich ihr so gut wie gar nichts. Das Leben, das ich führte, wenn wir nicht zusammen waren, war nämlich ein gänzlich anderes. Es war zu dieser Zeit überhaupt nicht sanft, vorsichtig, schüchtern, liebevoll.
Die verdammte Kunsthochschule hatte mich gerade offiziell wegen Nichterscheinens rausgeworfen. Inoffiziell hatten sie mich blöderweise zu oft beim Kiffen im Umkleideraum erwischt, aber sie wollten meiner beruflichen Zukunft nicht mit so einer Begründung im Wege stehen. Trotzdem trieb ich danach unaufhörlich dem Abgrund entgegen und zog Sean Valmont gnadenlos mit mir mit. Sean und ich waren so scharf aufeinander, so geil auf jede Befriedigung und auf Drogen aller Art. Wir stellten zusammen Sexual Senseless auf die Bühne, traten als Duo auf und sammelten förmlich Skandale dabei. Falls Eliza etwas davon mitbekam, was ich bei dem allgemeinen Aufruhr eigentlich glaube, so hat sie mich zumindest nie darauf angesprochen. Ich schlief zu dieser Zeit fast jeden Tag mit Sean und beinahe jede Nacht mit einer beliebigen Frau.
Ich malte unzählige Bilder, vorzugsweise im Drogenrausch, und Sean überredete mich irgendwann dazu, damit eine Ausstellung zu organisieren. Irgendwie schafften wir das sogar zusammen, denn Sean hatte jede Menge nützlicher Kontakte. Meine erste Vernissage im KunsTraum wurde ein echt erstaunlicher Erfolg. Ich bekam für meine Bilder auf einmal so viel Aufmerksamkeit, wie ich es mir nie hätte erträumen können. Ganz plötzlich war ich ein vielversprechendes Talent, über das sogar in der Presse berichtet wurde. Und mit der Bekanntheit kam auch das Geld. Irgendjemand zahlte mir unbegreiflicherweise Unsummen für meine Bilder.
Ich hatte keine Ahnung, wie man mit Geld umging, denn ich hatte vorher nie viel davon besessen. Naturgemäß gab ich das meiste Geld erst mal für Drogen aus. Sean drängte mich, lieber eine Wohnung zu kaufen, womit er natürlich recht hatte. Ich kaufte mir außerdem ein geiles Auto, einige Elektrogeräte und ein paar Klamotten. Und dann war immer noch etwas Geld übrig, um es gewinnbringend anzulegen.
Eliza traf Sean das erste Mal auf meiner Vernissage, ohne auch nur zu ahnen, wer er für mich war. Trotzdem kam es sofort zu Eifersüchteleien zwischen den beiden. Ich hätte natürlich besser aufpassen sollen, mich zurückhalten, umsichtiger sein, aber dazu war ich nicht fähig. Ich verlor definitiv den Überblick, weil ich von diesen unerwarteten Ereignissen viel zu überwältigt war. So viel fremde Aufmerksamkeit und finanzielle Unabhängigkeit war ich wirklich nicht gewohnt.
Und dann dauerte es auch nicht mehr sehr lange, bis Eliza auf einmal in dieses andere Leben trat, obwohl ich das niemals gewollt hatte. Ich weiß wirklich nicht, woher sie von meinem Drogenkonsum erfuhr. Ich habe keine Ahnung, warum sie meine wahre Beziehung zu Valmont erriet. Wahrscheinlich waren wir nicht diskret genug und irgendwer hat Eliza wohl davon erzählt.
Jedenfalls wusste sie irgendwann plötzlich alles, und sie stellte mich unverzüglich zur Rede. Ab diesem Zeitpunkt waren unsere Gespräche meistens nicht mehr schön, denn ich wurde ständig von ihr angegriffen und musste mich andauernd verteidigen. Mein süßer Schmetterling verwandelte sich in eine stechende Hornisse. Sie degradierte mich erschreckend schnell von ihrem strahlenden Held zu nur noch einem Objekt ihrer versteckten Machtphantasien.
Aber inzwischen hatte ich mich an Liz gewöhnt. Ich wollte sie auf keinen Fall verlieren. Sie war doch mein Anker der Ruhe, auf den ich nicht verzichten wollte. Das war wohl der Hauptgrund, warum ich mir ausnahmslos alles von ihr gefallen ließ. Ich ordnete mich der Frau komplett unter, denn es gefiel ihr extrem, über mich Macht auszuüben. Wahrscheinlich fühlte sie sich in ihrem sonstigen Leben entschieden zu oft total machtlos. Eliza Laser durfte ihre merkwürdigen Kontrollgelüste fast immer gerne an mir ausleben, denn meistens fühlte ich mich dabei gar nicht so unwohl.
Trotzdem drohte sie mir in letzter Zeit immer öfter damit, dass sie mich verlassen wollte. Zuletzt hatte sie das konkret vor zwei Monaten gesagt, und gerade hatte sie schon wieder damit angefangen. Meine Liz ging weg und ließ mich allein. Nach zwei langen, gemeinsamen und echt intensiven Jahren wollte sie aus meinem Leben verschwinden, obwohl ich alles für sie getan hatte. Noch niemals vorher war ich so lange mit ein und derselben Frau zusammen gewesen. Noch nie hatte ich für eine einzige Frau so viel Energie aufgebracht.
Daran musste ich ständig denken, als sie an diesem frühen Morgen auf einmal in ihrem lila Nissan Micra davonfuhr. Sie fuhr tatsächlich weg, und deswegen war ich wirklich beunruhigt. Mir war überhaupt nicht klar, was eigentlich passiert war. Ich hatte doch alles getan, was sie von mir verlangt hatte. Vor ein paar Minuten hatten wir noch miteinander geschlafen, und jetzt erklärte sie mir plötzlich, dass unsere Beziehung vorbei wäre. Ich verstand überhaupt nicht, was sie mir hatte sagen wollen. Ihre Beweggründe für diesen echt drastischen Schritt waren mir absolut unklar.
Ich stand vor dem Haus in der verdammten Kälte, starrte ihr eine Weile hinterher und dachte darüber nach. Warum fühlte sie sich dazu verpflichtet, mir zu helfen? Ich hatte doch nie irgendwas von ihr verlangt. Für mich war es völlig rätselhaft, warum sie sich nach all dieser Zeit auf einmal überfordert fühlte. Ich hatte keine Ahnung, was ich falsch gemacht, wofür ich ihre gemeinen Anschuldigungen verdient hatte. Auf einmal fühlte ich mich so verlassen, wie ein ausgesetzter Hund. Ich heulte vielleicht zwei Minuten reglos vor mich hin. Dabei betrachtete ich die leere Straße, und irgendwas fehlte, und mir wurde nochmal schlagartig bewusst, dass mein MG verschwunden war. Ich geriet unvermittelt in Panik deswegen, weil ich fürchtete, dass jemand zurückgekommen war und mein Auto gestohlen hatte.
Später fiel mir endlich ein, dass Jill ihn gestern gefahren war. Ich hatte die Reporterin Jill Bennet ans Steuer meines Wagens gelassen, was ich echt nicht fassen konnte. Aber wo zum Teufel hatte diese Frau mein Auto geparkt? Wo konnte ich es abholen? Würde sie den MG womöglich einfach behalten? Ich verfluchte mich, weil ich dieser Frau den teuren Wagen überlassen hatte, obwohl ich sie überhaupt nicht kannte. Ich verfluchte Sean, weil er mich gestern dazu überredet hatte, nicht selbst zu fahren.
Dann dachte ich plötzlich an Valmont und verspürte augenblicklich eine extrem starke Sehnsucht nach ihm, nach seiner Wärme, seiner Nähe, seinem Verständnis. Eliza hat recht, Sean Valmont wird mich niemals verlassen, dachte ich grimmig. Seine Anschuldigungen waren fast immer einleuchtend. Wenn er mich tadelte, dann wusste ich beinahe immer, warum er das tat. Anders als Eliza warf Sean mir niemals vor, dass ich Sex mit anderen Menschen hatte.
Ich stand in der Boxershorts auf dem Bürgersteig und grübelte darüber nach, warum Frauen mir ein ewiges Rätsel bleiben würden. Die ganze Zeit zitterte ich dabei vor Kälte, bis ich es nicht mehr aushielt und zurück in meine Wohnung ging.
Noch eine andere Sache beunruhigte mich zunehmend. Ich hatte keine shore mehr, und es war verdammt nochmal noch viel zu früh, um Sergej anzurufen. Vor eins würde er mit Sicherheit nicht an sein Handy gehen. Vermutlich schlief er einfach lange, oder er hatte so früh noch nichts, ich war mir nicht sicher. Tatsache war aber, dass man ihn vor dreizehn oder vierzehn Uhr nicht erreichen konnte. Und jetzt war es vielleicht höchstens acht Uhr morgens! Und der winzige Rest shore, den ich heute Morgen geraucht hatte, würde absolut nicht ausreichen, um solange vorzuhalten. Er hatte ja nicht einmal gereicht, um den Affen völlig zu besänftigen. Fuck!
Ich war zwar nicht mehr richtig auf Entzug, fühlte mich aber auch nicht besonders wohl. Mir war arschkalt, als ich in meine Wohnung zurücktaumelte. Ich ging geradewegs ins Schlafzimmer und zog mir frische Klamotten an. Dann betrachtete ich eine Weile das benutzte Kondom, was immer noch auf meinem Nachttisch lag. Wütend kam mir in den Sinn, dass Eliza noch unbedingt vorher mit mir herumspielen und schlafen wollte, bevor sie mich verließ. Zuerst musste ich ihren willenlosen Sklaven spielen und sie später noch mal ficken. Ich hatte mir förmlich die Seele aus dem Leib gefickt, nur um sie zu befriedigen, obwohl mir dabei alles total weh getan hatte. Sie hatte mir versichert, dass es ihr gefallen hatte! Es hatte ihr gefallen! Und trotzdem fiel dieser blöden Kuh danach plötzlich ein, dass ich zu anstrengend für sie wäre. Dass sie mir nicht mehr helfen könnte, was immer sie auch damit meinte. Aber sie sollte mir doch gar nicht helfen! Liz hatte mit diesem Teil meines Lebens doch gar nichts zu tun!
War ich denn heute Morgen im Bett mit ihr wirklich so schlecht gewesen?, fragte ich mich plötzlich verunsichert. Angestrengt versuchte ich, mich genau an diesen Akt zu erinnern. Ich war mir sicher, dass sie gekommen war, höchstwahrscheinlich mehrmals. Was zur Hölle hatte ihr also an unserem Sex nicht gepasst? Warum wollte sie unbedingt noch diesen Abschiedsfick mit mir und warum hatte sie diese gemeinen, schmerzlichen Dinge zu mir gesagt?
Eine Weile dachte ich ernsthaft darüber nach. Aber diese Gedanken frustrierten mich zu sehr, deshalb schob ich sie schnell beiseite. Ich merkte verwirrt, wie sehr ich Eliza Laser offenbar liebte, wie heftig mir ihr Weggang weh tat. Schon wieder fühlte ich mich unglaublich einsam.
Verzweifelt nahm ich das scheiß Kondom vom Nachttisch und pfefferte es wütend in den Mülleimer in der Ecke. Dann versuchte ich konfus, einen Plan für den Tag aufzustellen. Ich versuchte mir einzureden, dass Liz mich nicht wirklich verlassen hatte. Vielleicht hatte sie das alles gar nicht so gemeint. Vielleicht war sie nur aus irgendeinem Grund frustriert, verärgert oder verwirrt gewesen. Womöglich spielten ihre Hormone mal wieder verrückt. Ganz sicher würde sie schon bald zu mir zurückkommen.
Ich glaubte zu wissen, dass sie mich liebte. Zumindest hatte sie mir das doch schon oft gesagt und auch gezeigt. Wir waren doch schon so unglaublich lange zusammen. Sie war zweifellos wichtig für mich. Bei anderen Menschen ging es doch immer nur um den Sex, nur um die kurzweilige Befriedigung. Mir wurde nicht klar, warum Frau Laser das partout nicht verstehen konnte. Ihre Eifersucht war mir ein ständiges Rätsel. Ihre Vorwürfe deswegen trafen mich immer hart. Ich heulte noch ein bisschen, weil ich mich so verdammt verwirrt und allein fühlte. Diese Gedanken taten weh.
Aber letzten Endes verbannte ich die Frau erfolgreich aus meinem Kopf. Zielstrebig ging ich ins Badezimmer und wusch mir notdürftig das schmerzende Gesicht ab. Dann putzte ich meine Zähne und schaute in den Spiegel. Ich sah immer noch absolut beschissen aus. Mein Gesicht wirkte angeschwollen. Die Haut um mein Auge färbte sich blau, und ich ärgerte mich tierisch deswegen. Spontan suchte ich hektisch nach der Ray Ban. Aufgescheucht rannte ich in meiner Wohnung herum, um die blöde Sonnenbrille zu finden. Irgendwann fand ich sie in einer Schublade und setzte sie auf.
Ich wollte Valmont anrufen, damit er mir sagte, wo mein MG stand. Bestimmt würde er es wissen, denn er war noch mit Jill zusammen gewesen, als ich gestern das Old Daddy verlassen hatte, erinnerte ich mich. Ich suchte tatsächlich nach meinem Smartphone, bis mir schlagartig einfiel, dass diese verdammten Schweine es mir gestern Nacht dreist geklaut hatten. Eine enorm schmerzhafte Erinnerung blitzte in meinem Hirn auf, an die ich auf keinen Fall denken wollte. Ich ärgerte mich sehr über diesen großen Verlust, denn ich hatte für mein Smartphone über sechshundert Euro bezahlt.
Plötzlich geriet ich in Panik, weil ich nicht mehr genau wusste, was ich alles auf dem Handy gespeichert hatte. Verzweifelt versuchte ich mich zu erinnern. Da waren unzählige Bilder, Musik und Videos gewesen, die nun verloren waren. Aber vor allem waren so verdammt viele Nummern vernichtet, auch echt wichtige Verbindungen, die ich für meine Arbeit dringend brauchte. Im nächsten Moment fiel mir erschrocken auf, dass ich noch nicht mal Seans Telefonnummer auswendig wusste. Ich hatte nämlich schon ewig im Smartphone lediglich auf seinen Namen getippt, und deshalb hatte ich keine Ahnung, wie seine scheiß Handynummer lautete. Verdammt, schrie es instinktiv in meinem Kopf los, ich habe überhaupt keine scheiß Telefonnummern mehr! Einen langen Moment war ich tierisch beunruhigt deswegen, denn es machte mich zweifellos noch viel einsamer. Und mit meinem alten Festnetzanschluss konnte ich ohne diese Zahlen auch nichts anfangen.
Heute ist Sonntag, dachte ich konfus, ich muss unbedingt Sean anrufen. Sonntags sprechen wir doch immer die Termine der nächsten Woche durch. Bestimmt haben wir demnächst ein paar Auftritte, die ich vergessen habe. Ich muss Valmont unbedingt danach fragen, was in der nächsten Woche alles so anliegt.
Verwirrt dachte ich darüber nach, was ich jetzt tun sollte. Ich fühlte mich wirklich nicht gut. Ich war verflucht allein und angeschlagen. Eine Weile hatte ich überhaupt keinen Plan mehr. Ich wollte unbedingt eine rauchen, aber ich hatte weder Zigaretten noch Geld in meiner Jacke. Dafür fand ich die Schmerztabletten von Siamak, von denen ich sofort noch eine herunterschluckte. Von den Antibiotika hast du schon eine genommen, mahnte ich mich gleich darauf, du darfst davon nur eine am Tag nehmen, das hat Siamak angeordnet. Ich erinnerte mich an den geilen Arzt und lächelte einen Augenblick lang.
Dann fiel mein Blick zurück auf meine Jacke. Meine sehr teure blaue Jeansjacke war voller getrocknetem Blut, und der linke Ärmel war aufgeschnitten, worüber ich mich ziemlich ärgerte. Ich wollte unbedingt einen Chinesen rauchen und fühlte mich völlig verloren. Schon wieder stürzten ungewollt Tränen aus meinen Augen, und ich musste die Sonnenbrille absetzen.
Mühsam kriegte ich mich letztendlich wieder ein. Ich ging zum Waschbecken und wusch abermals mein angeschlagenes, irgendwie verquollenes Gesicht. Entsetzt starrte ich einige Zeit in den Spiegel. Es ist vorbei, hämmerte es plötzlich in meinem Kopf, es ist alles endgültig vorbei. Ich bin so was von im Arsch! Diese Erkenntnis schlug unerwartet hart zu. Stöhnend wandte ich mich vom Spiegel ab.
Ich brauchte unbedingt noch ein bisschen Heroin, deshalb ging ich schnurstracks ins Wohnzimmer. Dort suchte ich alle meine gebastelten Zugrohre vom Tisch zusammen, setzte mich aufs Sofa und löste sie mühsam wieder auf. Innen im Rohr war Alufolie, und jedes Mal, wenn man einen Chinesen dadurch rauchte, setzte sich ein wenig von der shore auf der Folie ab. Wenn man nun das Silberpapier wieder aus dem Rohr herausholte, dann hatte man noch ein paar gute Chinesen davon. Erfreut registrierte ich, dass sich schon zwei Rohre definitiv lohnten, denn ich hatte in den letzten Tagen jede Menge Heroin dadurch geraucht. Gierig sog ich den besonders bitteren Qualm in meine Lungen und spürte augenblicklich die beruhigende Wirkung angenehm durch meinen Körper strömen. Dann saß ich einige Zeit einfach ruhig auf dem Sofa und genoss die warme, umfassende Ruhe in mir. Ich wollte gerne eine rauchen und ärgerte mich nochmal, dass ich keine Zigaretten mehr hatte.
Schließlich stand ich auf und ging zurück ins Badezimmer. Ich nahm die Ray Ban und setzte sie auf meine Nase. Einen Moment lang war ich froh, dass wenigstens meine Nase nicht gebrochen war. Ich lief hinüber zum Schrank und holte meine weinrote Jeansjacke heraus, um sie anzuziehen. Mein iPod schob ich in meine Jackentasche. Danach zog ich meine weißen Sneaker an. Ich hielt mich an dem Gedanken fest, unverzüglich hinaus zu Valmont zu fahren. Sean würde mit Sicherheit genau wissen, was jetzt zu tun war. Das wusste er doch immer! Bei Sean Valmont war fast immer alles ganz einfach und einleuchtend! Er würde mir meinen MG bestimmt zurückholen! Er würde ganz genau wissen, was überhaupt passiert war! Vielleicht hatte er sogar noch ein bisschen shore für mich übrig!
Plötzlich hatte ich aufs Neue eine solche Sehnsucht nach diesem Mann, dass es fast schmerzte. Überstürzt steckte ich meinen Schlüssel ein, zog die Tür zu, schloss zweimal ab und stolperte eilig die Treppen hinunter. Erst draußen wurde mir klar, wie verflucht weit es hinaus bis zu Valmont war. Ich würde einige Stunden brauchen, wenn ich laufen musste. Ich schrie verzweifelt: „Fuck! Fuck!" und trat eine Weile wütend gegen die Hauswand, bis mein Fuß schmerzte.
Dann fiel mir plötzlich Seans Fahrrad auf, was tatsächlich immer noch dort im Hausflur stand. Es war nicht abgeschlossen und erschien mir auf einmal wie ein Wink des Himmels. Umständlich und mühsam schob ich das teure Mountainbike aus dem Flur und kletterte auf den Sattel. Ich stöpselte mir die Kopfhörer in die Ohren und schaltete den iPod an. Saugute Musik von Genesis und Linkin Park ertönte.
Im nächsten Moment trat ich ziemlich angestrengt in die Pedalen. Es war extrem kalt an diesem frühen, grauen Morgen. Mein Atem dampfte in der kalten Luft. Ich spürte trotz der beruhigenden, wärmenden Wirkung der shore alle meine Muskeln schmerzlich. Trotzdem trat ich mit verzweifelter Verbissenheit in die Pedalen und fuhr so schnell mit dem Fahrrad, wie ich konnte. Die Straßen waren an diesem Sonntag wie ausgestorben. Ich hörte echt gute, echt laute Musik, während ich mit dem Mountainbike quer durch die noch schlafende Stadt zum anderen Ende fuhr, und ich bekam fast nichts um mich herum mit. Ich konzentrierte mich ganz auf diese anspruchsvolle Aufgabe, denn ich wollte so schnell wie möglich an meinem Ziel ankommen. Ich wollte unbedingt sofort zu Sean Valmont. Ich konnte keinen anderen Gedanken mehr ertragen.
Sean
Sonntagsfrühstück mit der Schwulen-Gang. Marc hatte sich wieder einmal selbst übertroffen und ein echt umfangreiches Meisterwerk aufgefahren, an dem absolut nichts fehlte, höchstens mein Hunger. Wir saßen alle drei in der Küche auf der Eckbank am Tisch und begannen den Tag mit diesem im höchsten Maße gesunden, vitaminreichen Mahl voller ökologisch angebauter Lebensmittel. Statt des üblichen Kaffees trank ich einen selbst gemixten, sehr gesunden Früchte-Smoothie und kaute an einer Vollkornschnitte mit Tomate, Salat und Käse herum. Ich spürte meinen Körper unangenehm aufbegehren, eindeutig nach Heroin verlangen, mein Kopf dröhnte dumpf. Aber ich bemühte mich redlich, diese Anzeichen zu ignorieren, und ich beteiligte mich an dem üblichen Gequatsche am Frühstückstisch.
Nachdem wir über sämtliche Bekannten hergezogen und ausgiebig gelästert hatten, wandte sich das Gespräch irgendwann dem Theater zu. Dieses Thema war nicht unbedingt angenehm, musste jedoch diskutiert werden. Meinen Mitbewohnern war natürlich nicht verborgen geblieben, dass die Anzeichen auf Sturm standen, dass sich das Ende von Psychotic Kühlschrank unmissverständlich angekündigt hatte. Ich bestätigte ihre Befürchtungen, indem ich ihnen mitteilte, dass Charlotte unsere kleine Theatergruppe verlassen würde. Die Einzelheiten meiner peinlichen Begegnung mit Charlotte vom vorigen Abend, in der verflixten Garderobe und später bei Clay im Flur, ließ ich wohlweislich weg. Ich erzählte ihnen nur das, was unvermeidlich war.
Erwartungsgemäß waren sie sofort beunruhigt, denn sie fürchteten um ihr Lieblingshobby. „Wenn Charlotte geht, ist das Stück gestorben!" brachte Vincent die Sache auf den Punkt, „Oder du müsstest schon eine neue weibliche Hauptrolle finden!" „Ach quatsch, du musst ein neues Stück schreiben, Sean!" forderte Marc mich auf und lächelte aufmunternd, „Das wolltest du doch sowieso schon lange tun, oder?" Ich nickte und versicherte ihnen, dass das neue Stück schon längst so gut wie fertig war, dass mir nur noch ein Titel fehlte.
Diese Behauptung war eine glatte Lüge, beruhigte die Jungs jedoch augenblicklich. Tatsächlich hatte ich schon unendlich viele Entwürfe für eine neue experimentelle Performance geschrieben, ohne dass sie jedoch zu einem konkreten Gebilde geworden wären. Ich muss mich zusammenreißen und endlich ernsthaft an dieser neuen Idee feilen, nahm ich mir verbissen vor. In meinem Kopf spukten massig verschwommene Fragmente herum. Ich brauchte nur noch den richtigen Zusammenhang zu finden, was mir jedoch ziemlich schwer fiel. Hatte ich mich aber an einer Idee fest gebissen, dann schrieb sich die Performance manchmal förmlich von allein. Ich beschloss, den heutigen Tag mit der gewissenhaften Arbeit an einem neuen Stück zu füllen.
„Und was hast du mit Clay vor?" fragte Vincent mich plötzlich. Marc zuckte richtiggehend zusammen und beobachtete vorsichtig meine Reaktion. Ich ließ mir nichts anmerken, hatte ich diese Frage doch insgeheim schon die ganze Zeit befürchtet. „Was meinst du damit, was ich mit Clay vorhabe?" erwiderte ich desinteressiert und biss von meiner Schnitte ab. „Ich meine, ob du ihm nochmal eine Rolle geben willst in deinem neuen Stück", erläuterte Vincent mit einem unüberhörbar aggressiven Unterton in der Stimme.
Ich kaute seelenruhig, nahm langsam einen Schluck Saft und sah ihn dann fest an. „Denkst du, ich möchte allein auf der Bühne stehen, Vince?" „Du solltest dir einen anderen Partner für die Bühne suchen, verdammt!" fuhr Vincent verärgert auf, „Ich bin doch nicht der einzige, der merkt, dass Banton uns nur Ärger einbringt! Denk doch nur mal an gestern Abend! Ab sofort wird jeder im Publikum ständig geworfene Steine erwarten, wenn wir Psychotic Kühlschrank spielen! Er hat unserer Performance mit seiner dummen Scheiße den Todesstoß versetzt, Sean!" prasselte sein Frust aus ihm heraus. „Außerdem kommt er viel zu selten zu den Proben!" setzte er trotzig hinzu.
Ich hörte mir das an und blieb ganz ruhig. „Wer weiß, vielleicht hat Clays Scheiße uns sogar endlich die nötige Publicity verschafft. Jedenfalls haben gestern Abend alle über uns geredet. Und im Internet gibt es auch diesmal jede Menge Videos und Kommentare über uns, sogar viel mehr als sonst. Wir sind damit ein echtes Reizthema geworden. Warte mal ab, wie voll das Theater nächste Woche sein wird", entgegnete ich cool, obwohl das gar nicht meine Überzeugung war. Vincent grinste schief. „Das meinst du doch nicht ernst!"
„Ich denke, Charlotte spielt nicht mehr mit?!" meldete sich Marc verwirrt. Ich lächelte ihn an. „Charlie wird natürlich noch so oft mitspielen, solange wir Psycho auf die Bühne bringen, Marc. Nur an einer weiteren Zusammenarbeit ist sie nicht mehr interessiert. Besonders am Samstag wird sie uns nicht hängen lassen. Immerhin haben wir für diese Vorstellung Freikarten verteilt", erklärte ich ihm hoffnungsvoll. Er nickte. „Ja, am nächsten Samstag werden zumindest die Leute von gestern bestimmt wiederkommen. Ich habe ihnen selbst gemalte Freikarten auf bunten Servietten ausgehändigt. Und bis dahin arbeiten wir vielleicht längst an einem neuen Stück, nicht wahr?" „Mit Sicherheit!" behauptete ich überzeugend.
Obwohl ich mir überhaupt nicht sicher war, was meine leider unberechenbare Kreativität anbelangte. In Wahrheit hatte ich keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis meine neue Performance fertig war. Ich konnte vorher nie abschätzen, wie sich meine Arbeit entwickeln würde, weil sie mich immer ganz spontan überkam. Oder eben nicht. Und bisher hatte ich nicht viel mehr als das grobe Grundgerüst der neuen Geschichte im Kopf. Ich war auch eigentlich im Moment überhaupt nicht in der Verfassung für große kreative Höhenflüge, dazu ging es mir viel zu schlecht.
„Du musst also sowieso einen Ersatz für Charlotte finden, Sean. Dann kannst du doch auch gleich nach einem männlichen Schauspieler suchen", schlug Vince vor. „Du wirst immer jemand besseren finden als Clay Banton, weißt du?!" stocherte er schon wieder in meiner Seele herum. Ich hustete nervös und trank noch einen Schluck. Dann schaute ich ihn an. „Lass das meine Sorge sein, okay? Ich weiß doch noch gar nicht, welche Rollen zu besetzen sein werden!" Der Ton meiner Stimme ließ ihn verstummen. Ich hoffte inständig, dass das Thema Clay damit endlich abgehakt sein würde.
Es entstand eine unangenehme Pause. Marc räusperte sich nach einer Weile. „Hört mal, Tatsache ist doch nun mal, dass wir unbedingt mehr Karten verkaufen müssen, oder sehe ich das falsch? Sonst werden wir vielleicht schon bald nicht mehr im Grenzland spielen dürfen, Mädels!" erinnerte er uns unnötiger Weise an unsere finanzielle Lage. „Das siehst du vollkommen richtig!" meinte Vincent und betrachtete mich mit einer eindeutigen Mischung aus Unverständnis, Verärgerung und Aufforderung. Ich schob meinen Teller weg. Damit war mir der Appetit endgültig vergangen. Die beiden starrten mich an, als läge unsere gesamte kreative Zukunft ausschließlich in meinen Händen. Als läge es nur an mir, unsere Lage zu verbessern. Und wahrscheinlich stimmte das sogar, zumindest was das Theater betraf.
„Keine Sorge, Jungs! Ich schreib uns einfach eine neue Performance, die alles bisher Dagewesene übertreffen wird! Darauf könnt ihr Gift nehmen!" tönte ich lauthals. Daraufhin fingen beide an zu lachen, und die Stimmung am Tisch schlug glücklicherweise wieder ins Angenehme um. Ich lachte mit, aber eigentlich fühlte ich mich miserabel. Der immense Druck, den sie mir gerade aufgehalst hatten, lastete schwer auf meinem Selbstbewusstsein. Ich war mir absolut nicht sicher, ob ich überhaupt noch einmal eine gute Performance würde schreiben können. Aber offensichtlich rechneten sie fest damit. Die Jungs trauen mir das ohne Weiteres zu, registrierte ich, sie vertrauen mir zweifellos. Deshalb durfte ich sie und mich auf keinen Fall enttäuschen.
In meine Überlegungen hinein ertönte Beethovens Neunte, die derzeitige Melodie unserer Türklingel. Vincent sprang sofort auf und lief zur Tür, und ich nutzte die Gelegenheit, um mich hastig an Marc zu wenden. „Gib mir ein paar Codein Tabletten!" forderte ich ihn ohne Umschweife auf. Marc verwahrte diese Schätze für mich, damit ich nicht in Versuchung kam, die Tabletten zu oft in Anspruch zu nehmen. Das war meine eigene Idee gewesen, um mich selbst unter Kontrolle zu behalten, und Marc war mir gerne behilflich. Codein ist ein recht wirksames Mittel gegen die Qualen des Heroinentzugs, deshalb hatte ich mir schon vor langer Zeit bei Travis für alle Fälle genug besorgt. Zum Glück sparte Marc sich blöde Vorwürfe. Er beließ es bei einem vorwurfsvollen Blick. Dann nickte er zögernd. „Ja, klar", antwortete er leise. „Gib mir erst mal zwei", bat ich ihn und stand auf. Mit einer Handbewegung bedeutete ich ihm, dass es eilig war. Vincent brauchte nämlich hiervon nichts mitzukriegen. Marc seufzte und stand ebenfalls auf.
Von der Tür her hörten wir Vincents extrem unfreundliche Stimme: „Was willst du denn hier? Und wie siehst du überhaupt aus?!" In diesem Moment wusste ich, dass Clay Banton vor der Tür stand. Mein Herz tat unwillkürlich einen Hüpfer. Marc betrachtete mich wissend lächelnd. Ich wurde blöderweise rot und schob ihn energisch vor mir her in sein Zimmer, damit er mir dort die Tabletten geben konnte.
Er gab mir zwei Codein Tabletten zu je 150 Milligramm, und ich würgte sie trocken hinunter. Dann rannte ich zurück in die Küche und spülte sie hastig mit Wasser herunter, denn sie schmeckten total bitter. Wohl wissend, dass ich damit höchstwahrscheinlich diesen Tag gut würde überstehen können, und in der Gewissheit, dass Clay mich aufgesucht hatte, ging ich langsam zur Haustür. In meinem Herz war es jetzt ganz warm. „Was ist denn dein verdammtes Problem?!" hörte ich Clay irritiert fragen. Ich wusste sofort, dass etwas passiert war, dass es ihm absolut nicht gut ging. Der Klang seiner Stimme alarmierte mich auf der Stelle.
Vince hatte ihn draußen vor der Tür in Brusthöhe an der Jacke gepackt, hielt ihn auf Armlänge von sich weg und betrachtete ihn eingehend. Ich machte ein paar Schritte auf die beiden zu. Marc folgte mir neugierig. Auf der Wiese vor dem Haus lag mein Fahrrad. Anscheinend war Clay damit hierher gefahren und hatte es dann einfach auf den Rasen gelegt.
Wir standen alle im Vorgarten auf dem Steinweg und schauten Clay an. Er trug hellblaue Jeans und sein graues Kapuzenshirt unter der weinroten Jeansjacke, die Kapuze auf dem Kopf, die schwarze Wayfarer auf der Nase. Offenbar wollte er sein Gesicht verstecken, was ihm recht gut gelang. Er atmete auffallend schwer. Anscheinend hatte die Fahrt mit dem Fahrrad hierher ihn sehr angestrengt. Vielleicht ist er sehr schnell zu mir gefahren, überlegte ich geschmeichelt.
„Was ist dein Problem, Vincent?!" fragte Clay nochmal und versuchte vergeblich, sich aus Vincents hartem Griff zu befreien. „Du bist mein Problem, Banton!" antwortete er unterkühlt und blies geringschätzig die Luft aus. „Aber warum denn? Ich hab doch überhaupt nichts getan!" erwiderte Clay hilflos und drehte seinen Kopf zu mir. Ich konnte wegen der Sonnenbrille seine Augen nicht sehen, aber ich wusste genau, dass er sich von mir Hilfe erhoffte. Vince lachte höhnisch auf. „Du hast gestern die ganze Aufführung kaputtgemacht, du Arsch! Erzähl mir also nicht, du wärst völlig unschuldig! Du machst doch sowieso immer alles kaputt, hörst du?!" Clay drehte seinen Kopf wieder zu Vincent und atmete tief ein. „Ich habe gar nichts kaputtgemacht, verdammt. Ich war gestern echt gut auf der Bühne. Ich habe alles richtig gemacht. Ich kann doch wohl nichts dafür, wenn irgendein Wichser diese scheiß Steine nach mir wirft", erklärte er uns bemüht eindringlich. Aber er war lange nicht so selbstsicher, wie er erscheinen wollte.
Abermals lachte Vince boshaft. „Du kannst nichts dafür? Das ich nicht lache, Clay! Du hast irgendeinen Mist gebaut, damit jemand sich an dir rächen musste. Das hat der nämlich nicht ohne Grund gemacht, das mit den scheiß Steinen!" „Lass mich los!" jammerte Clay lauthals. Wieder wandte er sein Gesicht zu mir. „Sean, ich habe nicht...", fing er an und brach dann verwirrt ab. Ich lächelte und ging langsam auf ihn zu. „Lass ihn los", befahl ich Vincent ruhig. „Du darfst ihm nicht ständig alles durchgehen lassen!" tadelte Vince mich genervt. „Lass ihn einfach los!" wiederholte ich, ohne ihn anzusehen.
Mein Blick lag jetzt interessiert auf Clays Gesicht, was durch die Sonnenbrille und die Kapuze kaum zu erkennen war. Dennoch fiel mir die Verfärbung an seinem Mund und seiner Wange auf. Clay ist verprügelt worden, fuhr es mir blitzartig durch den Kopf. Unwillkürlich fühlte ich einen heftigen Stich aus Mitleid und Verärgerung in mir.
Vincent gehorchte mir endlich knurrend und ließ ihn abrupt los, indem er ihn von sich wegschubste. Clay taumelte ein paar Schritte rückwärts. Ich ging nah zu ihm hin und zog ihm zögernd die Kapuze vom Kopf. Er rührte sich nicht. Er stand jetzt ganz still vor mir und guckte mich nur an. Er wehrte mich auch nicht ab, als ich ihm vorsichtig die Sonnenbrille von der Nase nahm. Wir standen ein paar Minuten dicht voreinander. Ich betrachtete völlig reglos sein angeschlagenes Gesicht, sein nahezu blaues Auge, die Blutergüsse an den Schläfen. Ich war so erschüttert, dass ich erstmal überhaupt nicht reagieren konnte. Vor Schreck war ich wie erstarrt.
„Um Himmels Willen, Clay! Was ist mit dir passiert? Wer hat dir das angetan, Schatz?!" rief Marc erschrocken vom Haus her. „Tut mir leid, Sean", flüsterte Clay hilflos. Er wich unbehaglich meinem durchdringenden Blick aus. Ich brauchte eine Weile, um mit dieser Erkenntnis fertig zu werden, dass jemand ihn dermaßen brutal zusammengeschlagen hatte. Seine sichtbaren Verletzungen gingen mir viel zu nahe. Es dauerte einige Zeit, bis ich mich soweit davon distanzieren konnte, dass ich ihm selbst die Schuld dafür geben konnte.
Glücklicherweise kam Marc besorgt angelaufen und packte Clay fürsorglich am Arm. „Komm doch rein, Clay. Komm doch rein und frühstücke mit uns, ja? Ruh dich erst mal ein bisschen aus, du armer Schatz." Er zog Clay am Arm hinter sich her ins Haus. Clay wehrte sich auch dagegen nicht. Er folgte Marc völlig willenlos. Vielleicht war er froh, meinem starren Blick zu entkommen.
Ich stand noch eine Weile reglos vor dem Haus, Clays teure Ray Ban in meiner Hand drehend, und kämpfte mit völlig wirren Emotionen. Es war plötzlich sehr kalt draußen. Vincent kam zu mir und grinste mich schief an. „Da hat wohl jemand seine Rache vollendet, was?" bemerkte er trocken. Ich nickte geistesabwesend.
Im nächsten Moment schaute ich ihn plötzlich streng an. „Ich will nicht, dass du ihn noch mehr fertig machst!" erklärte ich laut. Er nickte seufzend. „Ja, ja, Sean, schon gut." „Ich meine das ernst, Vincent! Hacke nicht dauernd auf ihm herum! Lass ihn in Ruhe!" befahl ich ihm drohend. Vincent hob abwehrend die Hände und nickte weiter. „Ich hab dich verstanden, Sean. Aber ich verstehe nicht, warum du ihm immer alles sofort verzeihen kannst", erwiderte er trotzig, drehte sich heftig herum und ging zurück ins Haus. Ich stand noch einige Zeit allein draußen. Dann wurde mir zu kalt, und ich folgte den anderen.
Clay
Sean Valmont wohnte zusammen mit seinen Community-Freunden Vincent Palm und Marc Hellberg am äußersten Rande der Stadt in diesem kleinen, uralten Häuschen, das mitten in diesem gut gepflegten Garten auf seinem großen Grundstück stand. Ich musste erst das Tor öffnen und das Fahrrad über den Steinweg schieben. Dann ließ ich das Rad auf den Rasen sinken und betrachtete das Haus. Es war ganz still und nicht zu erkennen, ob jemand zu Hause war.
Ich erinnerte mich plötzlich, dass Sean das Haus von seinen Großeltern geerbt hatte. Als Kind hatte er viel Zeit hier verbracht, weil seine Eltern ständig beruflich unterwegs gewesen waren. Zusammen mit Marc und Vincent hatte er viel Zeit und Geld investiert, um das steinalte Haus umfassend zu renovieren. Höchstwahrscheinlich hatte eine Bank ihnen dabei mit einem Kredit finanziell unter die Arme gegriffen. Marc hatte außerdem seine unerschöpfliche kreative Energie und Vincent sein allumfassendes handwerkliches Geschick mit in das Haus eingebracht. Ich hatte überhaupt nicht beim Renovieren geholfen. Ich versuchte mich zu erinnern, mit was ich stattdessen beschäftigt gewesen war, aber es gelang mir nicht.
Ich stand vor dem Haus und alles tat mir weh. Ich war so schnell geradelt, dass meine Lunge schmerzte, und ich jetzt erst einmal wieder zu Atem kommen musste. Meine Finger waren wie abgefroren. Die Luft fühlte sich unangenehm kalt an. Ich zwang mich, nicht in Tränen auszubrechen. Auf einmal hatte ich Angst vor Seans womöglich gewalttätiger Reaktion auf mein angeschlagenes Gesicht. Hastig zog ich mir die Kapuze tief über den Kopf, zog die Kopfhörer aus den Ohren und stopfte sie zum iPod in meine Jackentasche. Ich atmete tief durch, schob die Sonnenbrille fest auf die Nase und ging kurzentschlossen zur Haustür.
Als ich klingelte, ertönte irgendeine klassische Melodie. Vincent kam überraschend schnell als erster zur Tür. Er betrachtete mich einige Zeit merkwürdig grinsend. Dann packte er mich plötzlich in Brusthöhe an der Jeansjacke. „Was willst du denn hier? Und wie siehst du überhaupt aus?" fuhr er mich aggressiv an und zerrte an meiner Jacke herum. „Ist Sean da?" fragte ich ihn nervös. Warum zerrt er so heftig an mir herum, fragte ich mich genervt, warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich fühlte mich wieder einmal absolut nicht in der Lage, es mit scheiß Vincent oder Irgendjemandem aufzunehmen, und das frustrierte mich extrem. Ich sehnte mich plötzlich ganz erbärmlich nach Seans Zärtlichkeiten.
„Ob Sean da ist, willst du wissen? Ja, was willst du denn von Sean, hm?" verspottete Vincent mich äußerst gehässig. „Ich habe sein Fahrrad hergebracht", antwortete ich entnervt. Seine Hochnäsigkeit ärgerte mich gewaltig. Er lachte richtig grimmig. „So so, sein Fahrrad also." „Was ist denn dein verdammtes Problem?" entfuhr es mir ungeduldig. Daraufhin schüttelte Vince mich förmlich durch. Ich war nahe daran, einfach in Tränen auszubrechen, oder ihm eine reinzuhauen.
Aber dann kam zum Glück endlich Sean vor die Haustür. Ich war sehr erleichtert, ihn zu sehen. Jetzt wird alles gut, fuhr es mir unwillkürlich durch den Kopf. Sean kam einige Schritte auf uns zu und betrachtete mich neugierig, irgendwie reglos. Hinter ihm tauchte Marc auf, der die ganze Szene beunruhigt beobachtete.
Vince hielt mich auf Armlänge von sich weg. Ich versuchte vergeblich, mich aus seinem harten Griff zu befreien. „Was ist dein Problem, Vincent?!" fauchte ich ihn nochmal an. Daraufhin griff er mich verbal an. Er behauptete unfreundlich, dass ich sein Problem wäre, dass ich allein die ganze Aufführung gestern kaputtgemacht hätte, und dass ich überhaupt immer alles kaputtmachen würde. Seine gemeinen Worte trafen mich unerwartet hart. Ich war wirklich nicht in der Verfassung für weitere Vorwürfe. Außerdem fand ich seine Beschuldigungen in der Tat ungerecht. Ich versuchte, mich zu verteidigen und warf Sean nach Hilfe suchende Blicke zu. Aber er beobachtete mich nur die ganze Zeit regungslos. Vincent ließ meine Einwürfe natürlich nicht gelten. Durch die schwarze Sonnenbrille sah alles dunkel und bedrohlich aus. Ich fühlte mich von Vincent gedemütigt, ihre hochmütigen Blicke verletzten mich. „Lass mich los", jammerte ich schließlich überfordert.
Endlich kam Sean mir zu Hilfe. Er befahl Vince mich loszulassen, was der dann auch tat. Ich wollte Sean irgendwas sagen, aber mir fiel nichts ein. Plötzlich war ich ziemlich verwirrt. Seans unmittelbare Nähe verwirrte und beruhigte mich gleichzeitig. Ich konnte mich nicht rühren, als er mir vorsichtig die Kapuze vom Kopf und die Wayfarer von der Nase nahm. Jetzt schlägt er mich sicher gleich, erwartete ich angespannt. Wenn Sean meine Verletzungen im Gesicht sieht, dann wird er wütend auf mich werden, dachte ich alarmiert. Doch Sean Valmont wurde gar nicht wütend. Ich versicherte ihm nervös, dass es mir leid täte. Er schaute mich nur an, und ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Viel zu lange standen wir schweigend dicht voreinander, und Sean betrachtete intensiv mein Gesicht. Ich war zu verwirrt, um mich zu bewegen.
Erst der besorgte Aufschrei von Marc löste diesen Bann und erlöste mich von Seans durchdringenden Augen. „Um Himmels Willen, Clay, was ist mit dir passiert? Komm doch mit herein, frühstücke mit uns, du armer Schatz!" rief Marc äußerst schwul. Er packte mich behutsam am Arm und zog mich von Sean weg durch die Haustür hinein ins Haus. Ich wehrte mich nicht gegen ihn. In meinem Kopf lief alles durcheinander. Ich hatte auf einmal keine Ahnung mehr, warum ich überhaupt hierhergekommen war. Diese Situation überforderte mich maßlos.
Marc schob mich sanft aber bestimmt in die Küche und drückte mich auf die Eckbank. Auf dem Küchentisch waren sehr kunstvoll unzählige Speisen angerichtet. Es war ein so dermaßen umfangreiches Frühstück, dass ich es eine Weile überwältigt betrachtete. „Möchtest du einen Tee?" fragte Marc mich fürsorglich und goss mir im selben Moment eine dampfende Tasse ein. „Trink doch erst mal etwas heißen Tee, Clay, das wird dir gut tun." Ich war gerührt von seiner netten Mütterlichkeit, gleichzeitig verspürte ich merkwürdigerweise höchstens einen Hauch von Hunger. Mein Magen schmerzte, genau wieder ganze Rest meines angeschlagenen Körpers. Ich fragte mich, wann die blöden Schmerztabletten endlich wirken würden. Du hättest lieber noch ein shore Rohr mehr rauchen sollen, die zwei waren längst nicht genug, dachte ich unruhig.
Ich saß auf der antiken Eckbank vor dem extrem reich beladenen Tisch in dieser hübschen Küche und fühlte mich allein und hilflos. Zögernd nippte ich an der heißen Teetasse. Das angenehm würzige Getränk lief merkbar wärmend durch meine Speiseröhre bis in den Magen. Marc holte einen Teller aus dem Küchenschrank und stellte ihn vor mich auf den Tisch, dann setzte er sich auf einen Stuhl und betrachtete mich erschüttert. „Was ist denn bloß passiert?" fragte er mich leise, aber mit unverkennbar großer Neugier. „Was wohl? Er ist doch ganz offensichtlich zusammengeschlagen worden", rief Vincent geringschätzig, der gerade die Küche betrat. Vince rutschte vom anderen Ende her auf die Eckbank und guckte mich grinsend an. „Jemand hat seine Rache an dir vollendet, nicht wahr, Clay?" setzte er echt spöttisch hinzu. „Sieht so aus", erwiderte ich still und starrte in die Teetasse.
Ich wartete auf Sean und fragte mich nervös, warum er nicht endlich hereinkam. Ich erhoffte mir von Sean immer noch Hilfe, einen Rat, irgendwas, an dem ich mich würde festhalten können. „War das der gleiche Typ, der auch die Steine auf dich geworfen hat?" wollte Marc wissen. Beide Männer starrten mich die ganze Zeit wissbegierig an. Ich versuchte krampfhaft, ihren drängenden Blicken auszuweichen. „Ich weiß nicht", murmelte ich überfordert. „Hast du den Typen etwa nicht gesehen, der auf dich eingedroschen hat?" bemerkte Vincent zweifelnd. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, der war maskiert. Außerdem habe ich nicht gesehen, wer die scheiß Steine geworfen hat, verdammt", stellte ich genervt klar.
Dann drehte ich mich zur Tür, um zu überprüfen, ob Valmont nicht endlich kommen würde. Aber im Hausflur war niemand zu sehen. „Das ist ja wohl nicht schwer herauszufinden. Dazu musst du dir doch nur die vielen Aufnahmen der Attacke im Internet ansehen!" bemerkte Vincent geringschätzig. „Ich will mir die scheiß Aufnahmen aber nicht ansehen!" erwiderte ich trotzig. „Warum hat der das gemacht, Clay? Warum um alles in der Welt ist jemand so dermaßen wütend auf dich?" erkundigte sich Marc fassungslos. Vince fing an zu lachen. „Wundert dich das wirklich?" wandte er sich an Marc. Marc sah ihm direkt ins Gesicht. „Ja, allerdings wundert mich das! Clay ist doch ein richtig netter Kerl, der würde nie jemandem..." Vincents lautes Gelächter ließ ihn verstummen. Verunsichert warf er mir einen Blick zu. „Was hast du denn getan?" flüsterte er beinahe ängstlich. „Ich habe gar nichts getan!" fuhr ich ihn verärgert an, „Ich habe überhaupt nichts getan, was diese brutale Scheiße rechtfertigen würde!" Marc sah wirklich erleichtert aus. „Da hast du's!" wandte er sich triumphierend an Vincent, aber der lachte nur noch lauter.
Ich spürte eine Bewegung hinter mir. Hastig drehte ich mich herum und war unendlich erleichtert, als Sean endlich in die Küche kam. Hilfesuchend guckte ich ihn an. Er streifte mich jedoch nur mit einem flüchtigen Blick, legte meine Ray Ban vor mich auf den Tisch und wollte sich dann neben mich auf die Eckbank setzen. Ich rutschte nur zu gerne ein Stückchen, um ihm Platz zu machen. Er ließ sich nieder. Alles in mir drängte spontan zu Valmont hin. Ich wollte ihn anfassen, berühren, mich von ihm trösten lassen. Aber er wirkte abweisend, deshalb saß ich nur verkrampft und reglos neben ihm. Er nahm sich wortlos eine Scheibe Vollkornbrot, bestrich sie mit Butter und legte zwei Salatblätter, zwei Scheiben Tomate und etwas Wurst darauf. Dann biss er ab und kaute langsam. Marc und Vincent beobachteten ihn einen Moment unsicher, dann fuhren auch sie mit ihrem Frühstück fort. Eine ganze Weile aßen die Drei schweigend, als wäre ich gar nicht da.
Ich setzte meine Sonnenbrille wieder auf, saß verunsichert an ihrem Tisch und hielt mich an der Tasse Tee fest. „Nimm dir doch auch was, Clay! Bediene dich einfach!" forderte Marc mich irgendwann freundlich auf. Zögernd nahm ich mir eine Schnitte Vollkornbrot, bestrich sie mit Butter, wobei ich Seans Messer benutzte, und belegte sie wie er mit Salat, Tomate und Wurst. Ich kaute das Brot sehr sorgfältig, bevor ich es hinunterschluckte. Es schmeckte mir überraschend gut, sodass ich mir noch ein zweites genehmigte, diesmal mit Käse.
Sehr viel später hatten wir seltsam schweigend zu Ende gegessen. „Das war echt toll, Marc", lobte Sean seinen Bühnenbildner, anscheinend hatte der dieses umfangreiche Frühstück gezaubert. Marc wurde fast rot vor Verlegenheit und Freude. „Ach, das war doch nichts...", wiegelte er betont bescheiden ab. „Doch, das war wirklich lecker!" gab Vincent auch noch seinen Kommentar ab. Ich fragte mich irritiert, ob die beiden diesen Scheiß ehrlich meinten, oder ob das nur ihre extrem guten Umgangsformen waren, die sie dazu nötigten. Ich fand diese Männerrunde plötzlich unerträglich schwul.
Ich fühlte mich zunehmend unwohl auf der Eckbank zwischen Sean und Vincent. Am liebsten wäre ich sofort mit Valmont hinauf in sein Zimmer gegangen. Aber Sean blieb sitzen und ich wunderte mich, wie sehr die anderen beiden ihn offenbar als Chef akzeptierten. Nur weil Valmont an diesem Tisch sitzenblieb, rührten sie sich auch nicht. Sie sahen ihn nur geduldig an, als würden sie auf seine Erlaubnis warten, diesen Frühstückstisch verlassen zu dürfen. Mir wurde auf einmal irgendwie übel. Ich trank hastig den letzten Schluck Tee, der inzwischen nur noch lauwarm war.
Als ich das wirklich total blöde Schweigen nicht mehr ertragen konnte, sagte ich zu Sean gewandt: „Ich hab dir dein Fahrrad gebracht." Er lächelte, betrachtete mich abschätzend und hauchte: „Dankeschön." Ich versuchte verzweifelt, ihm irgendwie zu signalisieren, dass wir jetzt gehen könnten, hoch, in sein Zimmer, sofort. Vorsichtig rutschte ich näher zu ihm, um ihn anzufassen, aber er hob sofort die Hand wie eine Trennwand zwischen uns und schüttelte abwehrend den Kopf.
„Setz die Brille ab, Clay", befahl er mir ganz ruhig. Ich seufzte und gehorchte ihm. Ich nahm die Wayfarer von der Nase und steckte sie in meine Jeansjacke. „Warum?" fragte ich ihn erstaunt. „Ich möchte deine Augen sehen, wenn ich mit dir rede", meinte Sean lächelnd. Mir wurde abrupt klar, dass er jetzt wohl sein Hühnchen mit mir rupfen würde, dass ich nicht so schnell von diesem Tisch und Marc und Vincent wegkommen würde.
Auf einmal hatte ich das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette. Seufzend fragte ich ihn: „Hast du eine Kippe für mich?" Er fuhr mit den Händen suchend seine Kleidung ab. „Nein", erwiderte er bedauernd und warf Vincent einen fragenden Blick zu. „In der Schublade", bemerkte der daraufhin und zeigte zur Küchenzeile. Marc, der am nächsten dazu saß, stand hilfsbereit auf und holte eine Schachtel West und ein rotes Feuerzeug aus der Schublade. Er gab sie Vincent, der die Schachtel öffnete und mir hinhielt. Ich nahm mir eine und merkte verärgert, dass meine Finger zitterten. Vince gab mir Feuer und zündete sich dann auch eine an. Marc besorgte einen Aschenbecher und stellte ihn vor uns hin.
Danach fing er langsam damit an, den Tisch abzudecken. Ich rauchte tief und beobachtete Marc angespannt. Sean betrachtete mich lächelnd von der Seite. „Möchtest du noch länger mit uns Theater spielen, Clay?" wollte er dann plötzlich ganz ruhig von mir wissen. Ich sah ihn alarmiert an. „Selbstverständlich möchte ich das!" entfuhr es mir besorgt. Er lächelte beinahe mitleidig, deshalb setzte ich hastig hinzu: „Sean! Hör mal! Du weißt doch, dass ich alles für dich auf einer Bühne machen will!" Vincent lachte schon wieder viel zu amüsiert. Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Du willst alles für Sean auf einer Bühne machen?" spottete Vince. „Du weißt genau, wie ich das meine!" fauchte ich ihn an.
Dann wandte ich mich an Valmont. „Sean, ich würde doch alles für dich tun", beschwor ich ihn. Er hörte nicht auf zu lächeln. „Ja, aber willst du das auch?" hakte er nach. Seine Augen durchbohrten mich förmlich auf der Suche nach der Wahrheit. Mir war überhaupt nicht klar, worauf er hinauswollte, und das verunsicherte mich total. „Natürlich will ich das!" bekräftigte ich verwirrt. Beileibe wollte ich das. Auf einer Bühne zu stehen, besonders zusammen mit Sean Valmont, das war für mich doch viel zu oft der ultimative Kick. Darauf wollte ich auf keinen Fall verzichten.
Ich fixierte ihn fragend. Er seufzte und nahm sich eine West aus der Schachtel, die Vincent auf den Tisch gelegt hatte. Er zündete die Zigarette an und inhalierte tief. „Sean?" fragte ich leise angstvoll. Er drehte sich wieder zu mir. „Dann muss sich einiges ändern, Clay", meinte er plötzlich streng. Ich war mir mit einem Mal nicht mehr sicher, dieses Gespräch noch länger ertragen zu können, ging es mir doch ziemlich an die Substanz, wie mir schien.
„Was meinst du denn?" flüsterte ich alarmiert. Meine Finger zitterten jetzt stark, als ich die Zigarette zum Mund führte. Verdammte Scheiße, jaulte mein Verstand auf, die wollen mich wohl alle hier fertigmachen! „So was wie gestern darf nie wieder passieren, Clay. Verstehst du das?" redete Sean viel zu ernsthaft auf mich ein. Ich nickte überfordert. „Wenn irgendwer so extrem wütend auf dich ist, dass er während der Vorstellung mit Steinen nach dir wirft, dann zerstörst du damit unsere ganze Arbeit. Ist dir das klar, Clay?" fuhr Sean mit strenger Stimme fort. Ich nickte wieder automatisch. Sei doch still, hör auf damit, dachte ich verzweifelt, hacke doch nicht auch noch auf mir herum, Sean! Nimm mich lieber in den Arm und tröste mich endlich!
„Es tut mir leid", sagte ich leise. Vincent stöhnte genervt auf. „Das ist ja was ganz Neues, Banton!" fuhr es geringschätzig aus ihm heraus. Ich zuckte zusammen und duckte mich vor seiner echt schneidenden Stimme. „Es tut mir leid!" rief ich verzweifelt, „Was soll ich denn sonst sagen?!" „Du sollst dich endlich ändern! Du sollst unsere Arbeit endlich ernst nehmen!" verlangte Vincent abfällig und blies heftig Zigarettenqualm aus. Ich schaute Sean hilfesuchend an, aber er nickte nur zustimmend. „Vince hat völlig recht", bemerkte er trocken. Ich fühlte mich dadurch echt schutzlos von allen angegriffen. Nervös warf ich einen Blick zu Marc hin, der inzwischen den Tisch abgedeckt hatte und sich wieder zu uns auf den Stuhl setzte. Marc betrachtete mich mitleidig und nickte dann fast entschuldigend. Sogar Marc war also gegen mich, registrierte ich betroffen. Alle schwulen Männer an diesem Tisch waren offenbar meine Feinde.
Ihre gemeinschaftliche Front gegen mich weckte automatisch meinen Widerwillen. Mein Herz fing unwillkürlich damit an, verärgert und ängstlich zu klopfen. Ich holte verkrampft Luft. „Na klar, Leute! Jetzt habt ihr ja euren Sündenbock gefunden! Gebt ruhig mir die ganze Schuld an allem Unglück! Das ist ja so einfach!" knurrte ich widerspenstig. Beleidigt rauchte ich tief und starrte auf den Tisch. Ich hatte Mühe damit, nicht in Panik zu geraten. Eine Weile war es unangenehm still in der Küche.
Plötzlich spürte ich Seans Hand auf meinem Kopf und fuhr aufgeschreckt zu ihm herum. Er lächelte beruhigend und streichelte sanft durch mein Haar, was mir sogleich unglaublich gut tat. „Nein, Clay, es ist nicht allein deine Schuld. Ich habe auch Schuld daran. Charlotte wird uns sowieso bald verlassen. Psychotic Kühlschrank hat sich ganz von allein totgelaufen. Vielleicht haben wir es einfach viel zu lange aufgeführt. Ich werde ein neues Stück schreiben, und dann starten wir nochmal ganz neu", erklärte er mir geduldig. Seine merkbare Ruhe beruhigte mich augenblicklich. Es erleichterte mich immens, dass er mich jetzt freundlich ansah. Vincent murrte genervt. „Wenn er sich nicht ändert, dann ist sowieso alles umsonst!" behauptete er laut. „Keine Angst, Vince, er wird sich ändern!" erwiderte Sean und schaute mich auffordernd an. „Ja, ich werde mich ändern", versprach ich ihm schnell. Vincent blies spöttisch die Luft aus, schwieg aber zum Glück. Offensichtlich glaubte er mir kein Wort.
„An was für ein Stück hast du denn gedacht, Sean?" meldete sich Marc zum ersten Mal zu Wort. Sean zog zu meinem Bedauern seine Hand von meinem Kopf zurück und guckte ihn an. „Es wird eine neue experimentelle Performance sein. Ich möchte noch so viele Ausdrucksformen ausprobieren", eröffnete er uns in merkwürdiger Aufbruchstimmung. Ich drückte meine Kippe in den Aschenbecher und war unendlich froh, dass die allgemeine Aufmerksamkeit durch Marcs Themenwechsel von mir gewichen war.
„Ja, klar, ein neues Experiment!" rief Vincent begeistert, „Wie wäre es mit einer Neuauflage von Sexual Senseless! Dann kann das Publikum sich darüber totlachen, wie Banton sich einen runterholt! Was meinst du dazu, Clay?" Er warf mir einen herausfordernden Blick zu. Ich schüttelte spontan abwehrend den Kopf. „Nein! Ich werde es nie wieder auch nur versuchen, mir auf einer scheiß Bühne einen runterzuholen! Das eine Mal hat mir echt gereicht!" stellte ich entschlossen klar. Aber im nächsten Moment warf ich Sean einen fragenden Blick zu. Wenn er es tatsächlich nochmal von mir verlangt, dann werde ich es sowieso tun, dachte ich verwirrt. Sean lächelte breit, weil er meinen Blick richtig deutete. „Nein, du brauchst bestimmt nicht nochmal zu wichsen, Clay. Diese blöd-naiven Jugendsünden sind endgültig vorbei. Jetzt wenden wir uns der ernsthaften Schauspielerei zu", erklärte Sean mir feierlich. Marc und Vincent brachen einvernehmlich in erheitertes Gelächter aus.
Ich war unendlich erleichtert, dass die allgemeine Stimmung sich gebessert hatte, dass sie mir anscheinend jetzt nicht mehr feindlich gegenüberstanden. „Ich spiele jede Rolle, die du mir gibst, Sean!" versicherte ich ihm ehrlich. Er lächelte gerührt und strich sanft über mein verletztes Gesicht. Unwillkürlich rückte ich näher zu ihm hin, aber er zog seine Hand sofort zurück und schüttelte ablehnend den Kopf.
„Also, hört mal zu!" seufzte er, „Morgen will der Typ von ArtHouse mit uns reden. Bis dahin müssen wir uns irgendwas einfallen lassen, was wir ihm an Neuigkeiten präsentieren können. Sonst wird er sich auf diesen Vorfall von Psychotic Kühlschrank stürzen." „Schon morgen?" fragte Marc beunruhigt, „Wie sollen wir das schaffen?" „Ich überlege mir was", meinte Sean leichthin. „Und der Typ will mit uns allen reden, hörst du, Clay?" sagte er auffordernd zu mir gewandt. Ich nickte erneut automatisch. Mir war nicht klar, was das alles überhaupt bedeutete. Ich war gar nicht in der Lage, mich mit der Zukunft zu beschäftigen, dazu ging es mir viel zu schlecht. Aber ich zwang mich trotzdem, Seans Worten zu folgen. Irgendwie beeindruckte mich seine Entschlossenheit, seine Tatkraft und sein Optimismus.
„Charlotte weiß von dem Termin, sie wird mit Sicherheit auch da sein. Wir können diesem Reporter dann alle gemeinsam etwas über die Geschichte von Psychotic Kühlschrank erzählen. Aber hauptsächlich verrate ich ihm etwas über meine neue Performance. Ich lenke seine Aufmerksamkeit gezielt auf die Zukunft. Dann haben wir durch seine Berichterstattung im ArtHouse sofort eine super Publicity!" erklärte Sean uns unbeirrt und drückte seine Kippe in den Aschenbecher. Vincent, Marc und ich starrten ihn bewundernd an. Wenn er das so sagte, dann glaubte man ihm sofort. Sean Valmont hatte die wahrhaftig beeindruckende Gabe, alles ganz leicht erscheinen zu lassen. „Ich möchte euch alle morgen spätestens um zwei Uhr im Theater sehen. Um vier kommt dann der Typ von ArtHouse. Bis dahin müssen wir uns ganz genau abgesprochen haben, damit es bei dem folgenden Interview bloß keine peinlichen Unstimmigkeiten gibt!" erläuterte Sean uns ernsthaft. „Zwei wird bei mir knapp, ich muss länger arbeiten, aber ich versuch es. Um vier bin ich aber bestimmt dort", meinte Vincent. „Ich werde das auch schaffen", versprach Marc. „Natürlich komme ich", stimmte ich konfus zu.
Sean lächelte zufrieden und betrachtete uns amüsiert. Es schmeichelte ihm offenbar, dass wir uns ihm so fraglos unterordneten. Ich sah ihn an und hatte plötzlich erneut große Sehnsucht nach seiner Zärtlichkeit. Ich streckte meine Hand aus und streichelte seine Schulter. „Ich kann das, Sean. Ich kann das Theater ernst nehmen. Ab jetzt komme ich zu allen Proben, ich verspreche es dir. Du wirst sehen, wie gut ich auf der Bühne bin", stahlen sich die Worte irgendwie unbemerkt aus mir heraus.
Vincent und Marc warfen sich amüsierte Blicke zu, die ich hartnäckig ignorierte. Meine ganze Aufmerksamkeit lag jetzt auf Valmont. Alles in mir zog mich zu ihm hin. Er lächelte und schob meine Hand von seiner Schulter. „Ich weiß, wie gut du sein kannst, Clay", erwiderte er ruhig, „Und ich weiß auch, dass du aufhören wirst, zu viel shore zu nehmen." Sein Blick war plötzlich stechend. Ich schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Dann öffnete ich die Augen wieder und schaute ihn offen an. „Ja, ich höre auf mit der shore. Morgen geh ich zum Doc", versprach ich ihm. Er nickte. „Ja genau, ich weiß das", meinte er flüsternd. Wir sahen uns eine Weile direkt in die Augen. Meine Sehnsucht nach seiner Nähe wurde beinahe schmerzhaft intensiv.
„Na, dann ist ja alles in Butter!" unterbrach Marc fröhlich unseren Blickkontakt. Sean wandte sich ihm sofort zu. Marc stand auf und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Du wirst uns mit deinem außergewöhnlichen Talent aus diesem Tief herausholen, Sean! Ich bin sicher, dass du das zustande bringst! Und wenn Clay sich ab jetzt am Riemen reißt, dann kann ja nichts mehr schiefgehen!" „Ja, wenn Clay sich keine Feinde mehr schafft!" bremste Vincent Marcs Fröhlichkeit und rutschte von seinem Ende der Bank. Er stand auf und verließ die Küche. „Das muss Herr Banton uns erst noch beweisen", murmelte der Wichser dabei, ohne uns anzusehen.
Ich fühlte mich auf einmal leer und verloren. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Mein Körper schmerzte, und das Verlangen nach einem Chinesen drängte sich mir heftig auf. Mein Bedürfnis nach Ruhe, nach Valmonts Trost, wurde unerträglich stark. Hilflos taxierte ich ihn. Er lächelte immer noch. Marc beugte sich über den Tisch und berührte sanft meine Wange. „Du schaffst das schon, Clay. Du bist doch ein starker Mann, nicht wahr?" versuchte er mich aufzumuntern. „Ich versuche es", flüsterte ich heiser und hustete. Nervös griff ich nach der Schachtel West auf dem Tisch und zündete mir noch eine an. Marc seufzte, wandte sich von uns ab und fing damit an, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen.
Eine Weile war bis auf das Geklapper der Teller nichts zu hören. Ich starrte auf den Tisch, konnte aber Seans Blick auf meinem Gesicht spüren. „Was ist passiert, Clay?" fragte er mich nach einer Ewigkeit plötzlich ganz leise. Sofort schnürte sich mein Hals zu, eine riesige Woge von Selbstmitleid erfasste mich völlig unvorbereitet. Ich kämpfte damit, nicht in Tränen auszubrechen, und guckte ihn zögernd an. „Lass uns in dein Zimmer gehen, Sean, bitte, lass uns jetzt hochgehen...", beschwor ich ihn mit zugeschnürter Kehle. Er beobachtete mich eine Weile abschätzend. Dann stand er unvermittelt auf und sagte: „Na gut, dann komm." Maßlos erleichtert verließ ich hinter ihm die Küche.
Sean
Natürlich war ich nicht halb so optimistisch, wie ich den anderen vorzumachen versuchte. Aber sie vertrauten tatsächlich auf mein Talent, auf meine fragwürdige Fähigkeit, in vierundzwanzig Stunden eine neue Performance vorweisen zu können. Ihr Vertrauen ehrte mich. Ich versuchte mir selber einzureden, dass ich dazu fähig war. Ideen hatte ich schließlich genug, und in meinem Kopf entstanden unwillkürlich die ersten Konturen. Ich dachte an eine zweideutige Satire, eine geile Performance voller neuer Experimente, bei der dem Publikum das Lachen im Hals steckenbleiben sollte.
Clay saß wie ein Häufchen Elend mit uns am Küchentisch, während wir ihn verbal attackierten. Er war verletzt und verwirrt, trank aber von Marcs Tee und aß zwei Vollkornschnitten. Ich zwang mich die ganze Zeit, nicht zu viel Mitleid mit ihm zu haben, während ich versuchte, ernsthaft mit ihm zu reden. Natürlich kapierte er kein Wort, versprach mir aber das Blaue vom Himmel.
Schließlich wollte er unbedingt hoch in mein Zimmer gehen, um mir unter vier Augen zu erzählen, was ihm Schreckliches passiert war. Die anderen sollten seine Beichte wohl nicht mithören, was mir schmeichelte. Er behauptete plötzlich, er müsste pinkeln und verschwand im Bad. Ich nahm mir eine Flasche Mineralwasser mit und stieg die Treppe in meinen Dachboden hinauf. Ich fragte mich, ob Clay sich vielleicht shore mitgebracht hatte, die er jetzt in meinem Badezimmer rauchen wollte. Diese Möglichkeit ärgerte mich, weil er in diesem Fall seinen Heroinkonsum vor mir zu verbergen suchte.
Aber im nächsten Moment wurde mir klar, dass meine Befürchtung Schwachsinn war. Wenn Clay in unserem kleinen Bad Heroin rauchen würde, dann würde man das sofort in der ganzen Wohnung riechen. Und das musste sogar ihm klar sein, deshalb würde er es höchstwahrscheinlich nicht riskieren. Trotz meiner Überlegungen blieb ein Rest Zweifel in meinem Kopf, aber ich ließ es gut sein. Clay Banton war offensichtlich nicht zu knapp zusammengeschlagen worden. Sein schöner Körper war bestimmt voller Wunden, die ihm Schmerzen bereiteten. Mit dieser grausamen Tatsache fertig zu werden, fiel mir gar nicht so leicht. Deshalb gönnte ich ihm sein schmerzstillendes Mittel.
Als er aber nach einigen Minuten hinauf in mein Zimmer kam, war mir sofort klar, dass er kein Heroin genommen hatte. Er besaß wohl nichts mehr. Er hatte sicher alles längst bei sich zu Hause weggeraucht. Clay war nicht auf Entzug, aber er war auch nicht mehr allzu weit davon entfernt. Nun blieb er vor mir stehen und fixierte mich intensiv mit einem irgendwie vorwurfsvollen Blick, den ich nicht zu deuten wusste. Eine Weile beobachtete ich ihn reglos. Wir standen voreinander in meinem Zimmer und ließen uns nicht aus den Augen.
„Jetzt sag schon! Was ist passiert?" drängte ich ihn schließlich neugierig. „Bitte sag mir, dass du weißt, wo mein Auto ist", beschwor er mich ohne Zusammenhang. Ich konnte seinem Gedankengang nicht folgen. „Was meinst du?" fragte ich verwirrt nach. „Mein MG, Sean! Er ist weg! Er steht nicht vor meinem Haus! Sag mir, dass du weißt, wo Jill ihn geparkt hat!" jammerte er lauthals. „Bist du etwa nur deswegen hier?" erwiderte ich gelangweilt und gekränkt. Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin total am Ende, Sean", klagte er, hielt sich den Schädel und stöhnte schmerzerfüllt. „Die haben mich gestern Nacht total zusammengeknüppelt. Ich hatte keine Chance gegen sie. Es waren einfach zu Viele", berichtete er verletzt.
Seine Augen verengten sich, er sah gequält aus. Die Erinnerung an sein brutales Erlebnis machte ihm merkbar zu schaffen. Ich stoppte meinen spontanen Impuls, mich ihm sofort zu nähern und ihn tröstend in den Arm zu nehmen. „Wer denn, Clay? Und warum?" versuchte ich behutsam zu erfahren. Er brauchte eine Weile, um sich so weit zu beruhigen, dass er mir antworten konnte. „Es war alles nur wegen dem scheiß Junkiemädchen!" rief er verärgert, „Ich habe ihr nichts getan, aber sie musste trotzdem ihre scheiß Freunde auf mich hetzen!" „Du hast ihr nichts getan?" hakte ich zweifelnd nach. Clay taxierte mich wütend, seine Augen funkelten aufgebracht. Ganz plötzlich fand ich ihn wieder wahnsinnig attraktiv. „Ich kam doch gar nicht mehr dazu, ihr was zu tun. Sie hat mich doch vorher schon gestoppt, indem sie mir echt brutal in die Eier getreten hat. Ich dachte wirklich, dieser Scheiß wäre damit abgehakt", betonte er deutlich.
Einige Minuten starrten wir uns schweigend an. „Wolltest du sie vergewaltigen?" fragte ich ihn gefasst. Er stöhnte genervt auf. „Nein, ich wollte sie nicht vergewaltigen, Sean! Ich würde niemals irgend wen vergewaltigen, verdammt nochmal!" rief er verärgert. Seine Augen blitzten vor Wut. „Das weißt du doch genau, oder nicht?" flüsterte er beinahe erschrocken.
Ich betrachtete ihn eine Weile und dachte darüber nach. Dann schüttelte ich den Kopf. „Nein, das weiß ich nicht, Clay. Ich habe keine Ahnung, welche Vorlieben du bei Frauen hast", erklärte ich ihm ganz ruhig. Seine Augen weiteten sich fassungslos. „Du würdest mir so ein Verbrechen wirklich zutrauen?" wollte er besorgt von mir wissen. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich würde dir beinahe alles zutrauen, Clay", sagte ich aufrichtig und hielt seinem entgeisterten Blick stand.
Meine Meinung über ihn kränkte und beunruhigte ihn dermaßen, dass mir ganz warm ums Herz wurde. Ich lächelte amüsiert und Clay betrachtete mich lauernd. „Du verarschst mich, oder?" vermutete er irritiert. Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß wirklich nicht, was du dir in deinem wirren Gehirn alles vorstellst", versuchte ich ihm zu erklären. Ich beobachtete ihn mit zunehmend klopfendem Herzen. Je länger wir hier oben in meinem Zimmer so dicht voreinander standen, umso heftiger wurde mein Verlangen nach ihm. Das passierte ganz automatisch, merkte ich verwirrt, ich war nicht fähig, etwas dagegen zu tun.
Jetzt betrachtete er mich erschüttert. „Aber das ist doch was ganz anderes, Sean, ob man sich etwas vorstellt, oder ob man es dann auch wirklich tut!" erläuterte er mir verzweifelt. Ich lächelte ihn belustigt an. „Stellst du dir denn oft vor, eine Frau zu vergewaltigen?" fragte ich ihn geradeheraus. Er schnappte entsetzt nach Luft und hustete. „Nein! Nie!" betonte er sofort abwehrend. „Nein, absolut nicht! Dieses Verbrechen törnt mich wirklich nicht an!" versicherte er mir lauthals.
Ich lachte amüsiert über sein offenbar sehr starkes Bedürfnis, mich von seiner Rechtschaffenheit zu überzeugen. Er stöhnte gequält, offenbar gefiel ihm mein Lachen überhaupt nicht. Er griff nach der Flasche Mineralwasser, die ich neben mich auf den Boden gestellt hatte. Er schraubte die Flasche mit unruhigen Fingern auf. Während er einen Schluck nahm, musterte er mich mit nervösen Augen. Dann verschloss er die Flasche wieder und stellte sie zurück auf den Boden. Er stand dicht vor mir und erwiderte meinen Blick. Wir fixierten uns erneut einige Zeit schweigend. Es arbeitete sichtbar in ihm, und ich fragte mich, was in ihm vorging.
Plötzlich machte er einen Schritt auf mich zu und griff nach meinem Hals. Er zog mich brutal zu sich hin und küsste mich äußerst besitzergreifend. Sein heftiger Überfall kam für mich so überraschend, dass ich mich spontan verärgert von ihm wegdrehte. Ich fühlte mich von ihm unangenehm überrumpelt. „Hör auf!" tadelte ich ihn. Er versuchte sehr hartnäckig, mich weiter zu küssen, klammerte sich an meinen Hals, aber ich entzog mich ihm vehement. Seine Küsse hatten so gar nichts Liebevolles an sich. Sie waren nur ein spontaner Ausbruch seiner inneren Wut und Verzweiflung, womit ich nicht gut umgehen konnte. „Hör auf, Clay! Reiß dich zusammen!" fauchte ich ihn anklagend an und schubste ihn schließlich von mir weg. Er taumelte zwei Schritte rückwärts, bis er sein Gleichgewicht wiederfand.
Clay Banton starrte mich jetzt schwer atmend an, das Gesicht vor Wut verzerrt. „Frag mich doch mal, ob ich Männer vergewaltigen will!" rief er herausfordernd, „Wenn du mir alles zutraust, dann fang doch einfach mal damit an!" „Rede doch keinen Scheiß!" erwiderte ich verständnislos. „Ich mag es nicht, wenn du mich verarschst, Valmont! Ich hasse es total, wenn du dich über mich lustig machst!" schrie er wutentbrannt. Ich schüttelte den Kopf. „Kein Mensch macht sich über dich lustig!" versuchte ich ihn zu beruhigen. Er blies spöttisch die Luft aus. „Ihr macht den ganzen Tag nichts anderes!" warf er mir laut vor, „Wenn du mir etwas sagen willst, dann tu das gefälligst, wenn wir allein sind! Und hol dir nicht Vincent und Marc als Verstärkung!" Anklagend taxierte er mich, er atmete laut vor Wut. Ich seufzte und schüttelte erneut den Kopf. „Jetzt hör aber auf, Clay! Vincent und Marc gehören zu unserer Theatergruppe, deshalb geht es auch sie etwas an, wenn wir über das Theater reden!" „Wir haben aber die meiste Zeit nur über mich geredet und nicht über das scheiß Theater!" entgegnete Clay widerspenstig.
Ich schaute ihn an und fand ihn plötzlich wunderschön in seiner hilflosen Wut. Spontan machte ich einen Schritt auf ihn zu, um ihn schützend, tröstend in den Arm zu nehmen. Er bemerkte meine Bewegung und wich böse grinsend vor mir zurück. „Was willst du jetzt tun, Valmont?" fragte er mich herausfordernd, „Willst du mich jetzt ficken?" Ich stoppte meine Bewegung abrupt, denn seine spöttische, geringschätzige Frage verletzte mich enorm. Clay musterte mich abschätzend. „Oder willst du mich vielleicht doch lieber schlagen? Bei dir weiß ich das nämlich nie so genau!" spuckte er förmlich auf mich hinunter.
Mir war sofort klar, dass er mit seinen Worten instinktiv richtig lag, dass er ohne Zweifel völlig recht hatte. Denn ich wollte ja auch eigentlich immer beides, wenn ich mit ihm zusammen war, ihn ficken und ihn gleichzeitig schlagen. Aber gerade die Tatsache, dass er höchstwahrscheinlich ahnungslos die Wahrheit sagte, entfachte meinen Zorn nur umso mehr.
Mit zwei Schritten war ich bei ihm und verpasste ihm intuitiv eine Ohrfeige. Er war nicht schnell genug, um mir auszuweichen. „Rede nicht so mit mir, Banton!" beschwerte ich mich lauthals. Clay brauchte nur einen Moment, in dem er sich verblüfft die getroffene Wange hielt. Im nächsten Augenblick wandte er sich mir auch schon kampfbereit zu. „Ja genau, schlag mich ruhig, Valmont! Das kannst du doch so gut! Komm schon, schlag mich noch mehr!" sagte er aggressiv und klopfte sich auffordernd gegen die Brust. „Schlag mich! Schlag mich! Das machst du doch so gerne! Ich bin nämlich noch nicht genug geschlagen worden!" befahl er mir voller Abscheu.
Ich stand nur hilflos dort in meinem Zimmer und konnte mit seiner mächtigen Aggressivität nichts anfangen. Clay atmete stoßweise und fixierte mich lauernd mit weit aufgerissenen Augen. „Komm schon, Valmont, schlag mich doch! Ich bin nämlich noch nicht genug verletzt worden!" fauchte er mich an und zog sich demonstrativ sein Sweatshirt samt Unterhemd aus der Hose. Er hob den Stoff ruckartig hoch, sodass ich mir seinen nackten, echt erschreckend zerschnittenen Oberkörper anschauen musste, der obendrein übersät war mit blauen Flecken. Unwillkürlich entsetzt starrte ich auf seine mannigfach verletzte Haut und konnte mich schlagartig nicht mehr rühren. In mir krampfte sich vor Schreck völlig vegetativ alles schmerzhaft zusammen. Was haben diese brutalen Schweine nur mit ihm gemacht, fragte ich mich fassungslos, sie haben neben den vielen Schlägen auch noch mit Messern an ihm herumgeschnitten!
Clay bemerkte mein Entsetzen und genoss meinen erschrockenen Blick merkbar. Er lachte triumphierend, fast irre auf, wandte sich auf einmal von mir weg und fing plötzlich damit an, haltlos auf meinen Sandsack einzuprügeln. „Ich habe keine Lust mehr, immer euer Idiot zu sein, mit dem ihr alles machen könnt, was euch gerade einfällt! Ich bin kein scheiß Verlierer!" keuchte er hasserfüllt, während er mit voller Kraft seine Fäuste gegen den Sandsack hämmerte. Dann nahm er auch seine Füße hinzu und trat mit Wucht gegen den schaukelnden Sand. Schon nach wenigen Minuten wurde ihm so warm, dass er seine gefütterte, weinrote Jeansjacke auszog und wütend auf den Boden pfefferte. Er bearbeitete den großen Sandsack jetzt voller Zorn. Offenbar hatte er das übermächtige Bedürfnis sich abzureagieren.
Ich betrachtete ihn überfordert. Mit der Zeit erkannte ich viele Elemente des von ihm erlernten Kick-Boxens in seinen gezielten Bewegungen, mit denen er immer wieder sehr aggressiv auf den hängenden Sack eintrat und einschlug. Reglos beobachtete ich seinen explodierenden Wutanfall. Ich war plötzlich heilfroh, dass er seinen übermächtigen Zorn an meinem Sand abreagierte, und nicht an mir. Wenn er mich jetzt angreift, dann kann ich mich womöglich kaum noch gegen ihn wehren, fuhr es mir besorgt durch den Kopf. Dieser emotional total unbeherrschte, und deshalb im Moment extrem starke Mann kann mich in seinem Zustand bestimmt schwer verletzen, wenn er das plötzlich aus irgendeinem Grund will, fürchtete ich alarmiert. Aber im nächsten Moment tadelte ich mich auch schon für meine unbegründete Angst. Der wild gewordene Berserker dort war schließlich mein Freund, Partner und Mann Clay Banton, den ich über alles liebte, und der würde mich niemals ernsthaft verletzen wollen, redete ich mir energisch ein.
„Ich bin kein scheiß Verlierer! Ihr könnt mich nicht dauernd so behandeln, als wäre ich ein Idiot!" wiederholte Clay lautstark. Dann hielt er plötzlich im Tritt inne und taumelte um Gleichgewicht. Er schnappte aufgebracht nach Luft, während der Sandsack an seiner Kette wild hin und her schwang. „Ich muss die scheiß Schuhe ausziehen!" knurrte er mehr zu sich selbst und machte sich unverzüglich daran, sich seine weißen Sneaker von den Füßen zu streifen. Er pfefferte sie ebenfalls in eine Ecke auf den Boden und fuhr mit seinen Schlägen und Tritten unvermindert fort. Ohne Schuhe wurden seine Tritte noch viel gezielter und mächtiger. Absolut gebannt betrachtete ich seinen starken, muskulösen Körper.
„Du bist kein Verlierer und kein Idiot, Clay! Wie kommst du nur auf diesen Unsinn? Wer sagt denn sowas?" versuchte ich ihn hilflos zu beruhigen. „Das braucht mir niemand zu sagen, Valmont! Ich merke das daran, wie ihr ständig mit mir umgeht!" keuchte Clay, ohne mich anzusehen. Der zornige Mann reagierte sich noch eine ganze Weile an meinem Trainingsgerät ab. Seine Bewegungen wurden erst langsamer, als er mit seiner Kraft fast am Ende war. Als ich das merkte, ging ich kurzentschlossen auf ihn zu und umschlang ihn spontan von hinten mit meinen Armen. Er wehrte mich nur halbherzig ab. „Hör doch auf, Clay! Beruhige dich doch", flüsterte ich verzweifelt in sein Ohr, denn mir war klar, dass er mit seiner Empfindung nicht ganz falsch lag.
Sanft, aber bestimmt hielt ich seinen Körper von hinten umarmt, bis er sich endlich nicht mehr wehrte und ganz ruhig sehr dicht vor mir stand. Er rang erschöpft nach Luft, sein Brustkorb bewegte sich stark bei jedem tiefen Atemzug. „Niemand von uns hier hält dich für einen Versager! Ganz im Gegenteil, du hast Marc und Vincent mit deinen beiden erfolgreichen Ausstellungen wirklich total beeindruckt! Wenn sie dich für einen Idioten halten würden, dann würden sie gar nicht mit dir arbeiten wollen!" erklärte ich ihm eindringlich.
Mein Gesicht war sehr nah an seinem Nacken, der schweißnass war. Mit Entsetzen bemerkte ich den schmalen, dunkelroten Striemen, der ganz um seinen Hals herumführte. Seine Haut war zweifellos von einem Strick oder etwas Ähnlichem gequetscht und aufgerissen worden. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, wie jemand Clay Banton eine Schlinge um den Hals legte und brutal zuzog, aber offensichtlich war ihm genau das angetan worden. Mitleidig küsste ich die verletzte Stelle an seinem heißen, feuchten Nacken. „Du bist kein Verlierer, hörst du? Kein Mensch denkt das von dir", bekräftigte ich sanft. Ich war unendlich erleichtert, als Clay seinen gewaltigen Wutanfall scheinbar überstanden hatte.
Er hatte sich wohl genug abreagiert, seufzte und holte tief Luft. „Eliza hat irgendwo auf mich gelauert. Sie hat mich abgefangen und entführt, obwohl ich nur noch nach Hause wollte. Die Frau hat mich hinterhältig mit in ihr scheiß Christopherus-Krankenhaus geschleppt. Sie hat mich die ganze Zeit wie einen Idioten behandelt. Immer behandelt sie mich so respektlos", redete er ohne Zusammenhang los. Im ersten Moment war ich verwirrt und musste mir erst zusammenreimen, dass er wohl nach dem Angriff mit Eliza ins Krankenhaus gefahren war. Diese Information beruhigte mich sehr, denn Clay war offenbar tatsächlich ziemlich schwer verletzt worden. Da hat Frau Laser heute Nacht ja endlich mal etwas richtig gemacht, dachte ich spontan dankbar.
„Du warst mit Eliza im Krankenhaus? Bist du gründlich untersucht worden?" fragte ich ihn erstaunt. Obwohl ich hinter ihm stand, konnte ich spüren, dass er bei diesem Gedanken plötzlich lasziv grinste. „Mann, dieser Arzt ist vielleicht scharf, Sean! Der würde dir mit Sicherheit auch gefallen!" sagte er atemlos. „Welcher Arzt?" wollte ich irritiert wissen. „Doktor Siamak Tourani", hauchte Clay, wie ein erregtes Stöhnen, „Er hat meine Wunden genäht, und mir ist dabei fast einer abgegangen, so geil war das." Er atmete tief ein und seufzte genussvoll bei dieser Erinnerung. Zuerst konnte ich gar nicht fassen, was er mir da erzählte. Ein Arzt hatte ihn beim Nähen seiner Wunden aufgegeilt?! Aber als ich die Information kurz analysierte, wunderte ich mich schon nicht mehr und glaubte ihm. Wusste ich doch nur zu gut, dass Herr Banton in gewissen Augenblicken extrem auf wohl dosierte Schmerzen abfahren konnte. Und wer genau die Person war, die ihn sexuell erregte, war ihm ohnehin meistens ziemlich gleichgültig.
„Welche Wunden hat er dir genäht?" erkundigte ich mich besorgt. Clay zog sich den linken Ärmel seines grauen Kapuzenshirts hoch und zeigte mir den breiten Verband an seinem Oberarm. Er war professionell gewickelt und mit weißem Klebeband fixiert worden. Ich erschrak über diese offenbar lange, bestimmt tiefe Schnittwunde. Und Clay hatte also noch mehr von diesen gefährlichen Messerattacken davongetragen. Mein Mitgefühl mit ihm wuchs automatisch gewaltig an. Noch einmal küsste ich liebevoll seinen Nacken, den roten Striemen, bis seine Härchen sich aufstellten. Er seufzte zustimmend. „Wenn Eliza nicht dagewesen wäre, dann hätte ich diesen Arzt an Ort und Stelle vernascht", grinste Clay atemlos. Ich musste lachen. „Meinst du, der hätte das so einfach mitgemacht?" fragte ich eher neckend. Clay nickte entschieden. „Siamak hätte mir nicht lange widerstehen können", behauptete er kichernd.
Im nächsten Augenblick wurde er wieder ernst und beschwerte sich: „Aber Laser hat alles versaut! Das Weib hat mit ihrem scheiß Kontrollzwang alles kaputtgemacht! Sie will immer die absolute Kontrolle über mich haben. Sie spielt pausenlos ihre blöden Spielchen mit mir. Sie stellt mir andauernd ihre scheiß Fragen und erteilt Befehle." Es gefiel mir sehr, wie inbrünstig er sich über seine feste Freundin Eliza Laser aufregte. Gleichzeitig war ich aber auch neugierig auf seine leider viel zu enge Bindung zu dieser Frau. „Was für Fragen stellt sie dir denn andauernd?" wollte ich interessiert wissen. Er stöhnte aus tiefstem Herzen und holte tief Luft. „Laser will immer wieder allen möglichen erotischen Mist von mir wissen, und dann geilt sie sich an meinen Antworten auf", erklärte er mir ausweichend. Offenkundig war ihm dieses Thema aus irgendeinem Grund unangenehm. Das weckte sofort mein Interesse. „Was zum Beispiel?" hakte ich erwartungsvoll nach. Es gefiel mir, ihm zuzuhören, wenn er über sexuelle Dinge sprach. Mein Herz schlug unwillkürlich härter.
Er wand sich unbehaglich in meiner engen Umarmung. Ich streichelte beruhigend über den Verband an seinem Oberarm, der sich weich anfühlte. Widerwillig zählte Clay schließlich auf: „Frau Laser fragt mich gerne, ob ich eine Erektion habe. Ob mich irgendwas sexuell erregt. Wie genau und wie oft ich masturbiere, und was ich mir dabei vorstelle. Wie viele Orgasmen ich hatte. Oder ob ich gerade an Sex denke." Beinahe angewidert verzog er das Gesicht. Ich kicherte überrascht und irgendwie verlegen. „Solche intimen Sachen fragt sie dich!?" Clay nickte hilflos. „Und als Krönung muss ich mich ständig nackt vor ihr ausziehen. Das ist ihr absolutes Lieblingsspiel, Sean. Ich muss ihren willenlosen Sklaven spielen, und sie will meine uneingeschränkte Gebieterin sein, die alles mit mir machen darf, was ihr gerade Vergnügen bereitet."
Unwillkürlich zog ich Luft ein, denn seine intimen Informationen überraschten mich maßlos. Ich fühlte mich von seinen Worten angetörnt. Gleichzeitig fühlte ich aber auch einen eifersüchtigen Stich in meinem Innern, weil er mir gerade von seinem Sex mit Eliza erzählte. Und diese Einzelheiten wollte ich eigentlich gar nicht so genau wissen.
„Praktiziert ihr echt BDSM? Steht Eliza etwa darauf? Ist sie dominant?" entfuhr es mir entgeistert. Clay lachte freudlos auf und schielte zu mir nach hinten. „Aber nein, so ist das nicht, Sean. Sie weiß bestimmt nicht mal, was DS genau ist. Ihre Vorlieben sind höchstens die Kindergarten-Variante davon. Es geht ihr nur um das Machtgefühl. Und die Frau ist die einzige, die davon total aufgegeilt wird, glaube mir", beschwerte er sich aufgewühlt bei mir.
Ich fing damit an, gedankenversunken über seinen Brustkorb zu streicheln, während ich mich verständnislos fragte, warum er behauptete, dieses sexuelle Spiel nicht zu mögen, obwohl er es immer so bereitwillig mitspielte. Nicht nur mit Eliza, sondern gar nicht so selten auch mit mir. In Wahrheit hatte Clay beim Sex an einer unterwürfigen Position bisweilen sehr wohl Gefallen, das wusste ich aus Erfahrung. Erstaunt grübelte ich darüber nach, warum er mir diese intimen Details zwischen Eliza und ihm überhaupt verraten hatte. Redete er vielleicht so deutlich über Sex, weil er scharf auf mich war? Diesen Gedanken fand ich echt antörnend.
Clay seufzte leise, meine zarte Berührung schien ihm zu gefallen. Auch mir gefiel diese körperliche Situation zunehmend. Mit klopfendem Herzen intensivierte ich mein Streicheln, fuhr ganz zart über den weichen Stoff seines grauen Sweatshirts und drückte mich unwillkürlich von hinten an seinen Körper. Beinahe gierig zog ich seinen Geruch in mich auf, spürte überwältigt die feuchte Hitze, die von seinem nach dem heftigen Kick-Boxen stark erwärmten Körper ausging. Nach einer Weile griff er nach meiner Hand auf seiner Brust und schob sie an sich hinunter zu seinem Bauch hin. Ich mogelte mich unter sein Unterhemd und legte meine Hand vorsichtig auf seinen heißen, nackten Bauch. Ich küsste ganz zart seinen Nacken, den Hals, leckte über seine Verletzung, während meine andere Hand immer noch achtsam über den Verband an seinem Oberarm strich. Clay stöhnte leise und lehnte sich zärtlichkeitsbedürftig nach hinten gegen mich.
Einige Minuten war es ganz still, während meine Hand ruhig auf seinem Bauch lag und wir uns dicht aneinanderlehnten. Ich genoss seine unmittelbare Nähe unglaublich. Dieser Mann erregte mich ausnahmslos enorm. Clay spürte natürlich sofort an seinem Hinterteil, als ich nach kurzer Zeit unwillkürlich hart wurde. Ich konnte gar nicht mehr anders, als mich ein wenig an ihm zu reiben. Er drehte sich keuchend zu mir herum, und wir fingen automatisch damit an, uns intensiv zu küssen, zu lecken, zu umarmen, zu streicheln. Wir fielen wieder einmal übereinander her, gingen irgendwann erschöpft in die Knie und lagen letztendlich einander zugewandt auf meinen Yogamatten, ohne auch nur einen Moment mit der noch zarten Liebkosung aufzuhören.
Schließlich lagen wir ruhig dort, tief atmend, und schauten uns lange Zeit nur sehr intensiv an, wie wir es so oft taten, irgendwie überwältigt von der Nähe und der Schönheit des anderen. Ich streichelte sanft, fast ehrfürchtig über sein hübsches Gesicht, seine Nase, seine Ohren, die Verletzungen, die dunklen Augenbrauen. Er strich zart über meine Hüfte, die Taille, den Oberschenkel.
Später flüsterte er auf einmal tieftraurig: „Sie hat mich verlassen, Sean." Dieser kurze Satz stand schwer im Raum. Ich hatte große Mühe, die offene Dramatik, die Clay damit ausstrahlte, zu begreifen. „Wer? Eliza?" fragte ich verwirrt nach. Ich konnte nicht fassen, dass er an Eliza dachte, während er mit mir zusammen war, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen. „Wer denn sonst!?" erwiderte er ungeduldig. Er lag direkt vor mir auf der Seite und guckte mich traurig an. Er wirkte in diesem Moment so verlassen, so hilflos verloren, dass ich ungewollt lachen musste. „Eliza Laser hat dich schon vor drei Monaten verlassen, Clay!" kicherte ich verständnislos. Er seufzte echt dramatisch. „Nein, ich glaube, diesmal meint sie es wirklich ernst. Ich fürchte, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben will", flüsterte er beileibe betrübt.
Ich streichelte seine muskulöse Schulter und betrachtete ihn abschätzend. Seine kindliche Traurigkeit rührte mich stark. „Sie hat dich doch erst letzte Nacht ins Krankenhaus gebracht, weil sie sich Sorgen um dich gemacht hat. Wie kommst du also darauf, dass sie dich verlassen hat?" horchte ich ihn erstaunt aus. Er zuckte mit den Schultern und meinte: „Weil sie es heute morgen zu mir gesagt hat." „Dass sie dich verlässt?" hakte ich nach. Er nickte ratlos. „Sie will sich keine Sorgen mehr um mich machen", erklärte er mir merkbar verständnislos.
Anders als Clay, konnte ich Elizas Beweggründe, sich von ihm zu trennen, recht gut verstehen. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie diesen drastischen Schritt wirklich durchziehen würde. Dazu ging ihre Beziehung leider schon viel zu lange und war viel zu tief.
„Das ist Schwachsinn, Clay. Eliza wird sich immer Sorgen um dich machen, ganz egal was sie sagt!" versicherte ich ihm grinsend. Er stützte sich auf seinen Ellenbogen. „Aber das ist doch nicht meine Schuld! Sie wirft es mir ständig vor, dabei will ich doch gar nicht, dass sie sich Sorgen um mich macht!" erklärte er mir höchst verwirrt. Mir wurde angesichts seiner so extrem typischen, unbeschreiblichen Ignoranz automatisch ganz warm ums Herz. Ich lächelte ihn liebevoll an und streichelte ihn spontan unter seinem Kinn, eine seiner erogensten Stellen. Er hob sofort den Kopf, weil er diese Berührung sehr gern hatte, wie ich wusste. Sein schönes Kinn fühlte sich zart an. Kein einziger Bartstoppel war zu spüren, denn er hatte sich ausgesprochen gut rasiert.
Ich hätte ihm gerne erklärt, dass auch ich mir fast pausenlos Sorgen um ihn machte. Aber ich wusste nur zu gut, dass er so etwas absolut nicht hören wollte, was er schon im nächsten Moment bestätigte. „Ich hasse diesen Vorwurf! Sie gibt mir damit jedes mal das Gefühl, dass ich ständig alles falsch mache, weil sie sich immerzu Sorgen um mich macht!" „Du machst nicht ständig alles falsch, Clay!" beruhigte ich ihn lächelnd. Er guckte mich sofort sehr dankbar an. „Kannst du das bitte mal Eliza erklären?" bat er mich verschwörerisch.
Einen Moment schauten wir uns intensiv an. Dann griff er plötzlich an mir hinunter und legte seine Hand fest auf meine Jeans, auf meine Erektion, ertastete sie behutsam. Das fühlte sich so gut an, dass mir unwillkürlich ein leises Stöhnen entwich. Clay lächelte lasziv, rückte noch näher zu mir und schob sein Bein zwischen meine Oberschenkel. Er drängte sich gegen mich, lag halbwegs auf mir, bewegte sich vorsichtig, gezielt auf meinem Unterleib. Wir küssten uns wieder sehr zärtlich, und ich konnte an meiner Leiste genau fühlen, wie hart er wurde. Er schloss zeitgleich die Augen und stöhnte tief. Er erschauderte genüsslich, öffnete die Augen, lächelte immer noch dankbar, erregt. Ich beobachtete ihn und fand ihn einfach bezaubernd.
„Du törnst mich total an, Valmont", sagte er atemlos zu mir. „Dann brauchst du Eliza doch gar nicht mehr", erwiderte ich spontan, geil, völlig unüberlegt. Clay hielt sofort inne, hob den Kopf und betrachtete mich lauernd. Ich schüttelte den Kopf, weil ich meinen Satz gerne zurückgenommen hätte. Mir war klar, dass er auch das nicht hatte hören wollen. „Sie ist wichtig für mich", erklärte er irgendwie ratlos. Offenbar konnte er sich selbst nicht erklären, warum Eliza so wichtig für ihn war. „Ich möchte sie echt nicht verlieren", setzte er leise seufzend hinzu. Ich streichelte ihm beruhigend über den Kopf, wobei ich zwei dicke Beulen ertasten konnte. Sie haben ihn hart auf den Kopf geschlagen, registrierte ich verzweifelt. „Ist schon gut, Clay", versicherte ich ihm, obwohl meine Eifersucht auf Frau Laser sich zunehmend stechend in mir bemerkbar machte.
„Eliza hat echt böse Sachen zu mir gesagt. Sie hat mich schlecht behandelt. Sie war sauer, weil ich sie heute morgen eventuell nicht richtig befriedigen konnte", erzählte Clay mir äußerst freimütig. Unwillkürlich schloss ich für einen Moment abwehrend die Augen. Dies war nun wirklich zu viel Information, als dass ich es überhaupt wissen oder auch nur hören wollte. Laser war die ganze letzte Nacht bei ihm, pochte es auf der Stelle total eifersüchtig in mir, Clay hatte noch heute morgen Sex mit ihr. Er macht sich Sorgen, dass er sie nicht befriedigt hat, während er in meinen Armen liegt! Mit dieser Demütigung musste ich erst mal fertig werden.
Eine Weile war es ganz still. Unten in der Küche konnte ich Marc mit Geschirr und Besteck klappern hören. Ich hatte große Mühe, mich vor Clay zusammenzureißen. Er lag immer noch auf mir, ich konnte noch immer seinen harten Schwanz an meinem Körper fühlen. Er schaute mich traurig an, irgendwie gedankenversunken. Ich fragte mich wütend, warum er so verflucht viel ausgerechnet an scheiß Eliza Laser denken musste, während er mit mir in meinem Zimmer war. Während er liebevoll auf mir lag, und mich noch vor einer Sekunde zärtlich geküsst hatte.
„Es ist echt total gleichgültig, wie gut du sie befriedigt hast, Clay! Deswegen hat sie dich mit Sicherheit nicht verlassen!" seufzte ich erschlagen, sehr darum bemüht, mir meine Ungeduld und Eifersucht nicht anmerken zu lassen. Clay hörte mir zu und grinste erstaunt. Er küsste mich auf die Wange, wiederum irgendwie dankbar. Offenbar genoss er es sehr, mit mir über Eliza sprechen zu können. Er hatte wahrhaftig keine Ahnung, dass ich dieses Thema, insbesondere in intimen Momenten, schlicht verabscheute.
„Ich hatte wegen dem scheiß Messer-Angriff schon so viel Blut verloren, aber Frau Laser musste mir im Krankenhaus unbedingt noch mehr Blut abnehmen! Und dann warf sie mir auch noch vor, wie viel Promille ich hatte!" beschwerte er sich geringschätzig. „Und wie viel Promille hattest du?" fragte ich ihn mäßig interessiert. Er lächelte spitzbübisch und erwiderte mit der ihm eigenen Logik: „Ich habe keine Ahnung, Sean, den genauen Wert habe ich mir doch nicht gemerkt! Aber es können nicht allzu viele Promille gewesen sein, schließlich kann ich mich ja noch an fast alles erinnern!" „In der Tat", seufzte ich und griff hinunter, um sein wunderbares Hinterteil zu streicheln. Fest umfasste ich ihn, fuhr mit meinen Händen an ihm entlang. Er fühlte sich straff und muskulös an. Ich möchte jetzt mit ihm schlafen, fuhr es mir blitzartig durch den Sinn, er soll jetzt endlich still sein!
Gierig beugte ich mich zu ihm hoch, um ihn besitzergreifend zu küssen. Der Mann erwiderte meinen Kuss und bewegte sich abermals auf meinem Unterleib. Eine Weile liebkosten wir uns weiter auf meinen Yogamatten, was sich wirklich ausgesprochen gut anfühlte. Mein Herz hämmerte automatisch los, mein Atem wurde schwer, meine Erregung steigerte sich ganz langsam. Ich fuhr mit meinen Händen gierig an seinem wundervollen Körper entlang, küsste ihn besitzergreifend, leckte über sein schönes Gesicht. Er erwiderte meine Zärtlichkeiten, indem er sich gezielt auf mir bewegte, meinen Kopf streichelte und mich einnehmend küsste. Ich liebe ihn, dachte ich überwältigt, er fühlt sich so verdammt gut an!
Mittendrin sagte Clay plötzlich verwirrt: „Sie war heute morgen womöglich sexuell frustriert. Dabei bin ich mir doch so sicher, dass sie gekommen ist." Unwillkürlich stöhnte ich laut auf, eine ungesteuerte Mischung aus Geilheit und Fassungslosigkeit. Ich konnte es mit einem Mal nicht länger ertragen, dass er in dieser extrem intimen Situation offenkundig immer noch an seine beste Freundin dachte. Clay spürte und registrierte meine heftige Reaktion, verharrte bewegungslos und schaute mich irritiert, fast erschrocken an. „Hattest du einen Strick um den Hals?" fragte ich ihn viel heftiger, als ich es eigentlich gewollt hatte. Es war ein unwillkürlicher Ausbruch der Ungeduld, mein unbedingtes Verlangen, endlich das Thema zu wechseln. Ich streichelte gezielt über den roten Striemen an seinem Hals und taxierte ihn auffordernd.
Endlich dämmerte ihm wohl langsam, dass ich nicht länger mit ihm über Frau Laser reden wollte, schon gar nicht über ihre von Banton verursachten Orgasmen. Er atmete tief, um seine eigene Erregung in den Griff zu bekommen. Unschlüssig betrachtete er mich eine Weile, als müsste er erst überlegen, ob er mir überhaupt antworten wollte.
Plötzlich holte er tief Luft. „Na gut, Sean Valmont, wie du willst. Dann erzähle ich dir eben jetzt, was passiert ist", kündigte er dramatisch an. Clay rutschte langsam von mir herunter, was ich auf der Stelle bedauerte. Ich ärgerte mich, überhaupt nach dem Strick gefragt zu haben, denn ich war geil auf ihn und wollte ihn eigentlich viel lieber noch viel mehr spüren. Aber er war anscheinend wegen meiner Frage und dem dazugehörigen Thema plötzlich nicht länger in Stimmung, und das konnte ich leider nicht mehr ändern. Ich konnte mich nur mit Mühe zusammenreißen und ihn neugierig beobachten. Clay Banton legte sich neben mich, mir zugewandt, und atmete nervös ein und aus. Es fiel ihm offensichtlich sehr schwer, einen Anfang zu finden. Er hatte sichtbar große Last damit, überhaupt über sein brutales Erlebnis zu reden. Notgedrungen lag ich ruhig neben ihm und gab ihm die Zeit, die er brauchte. Meine Liebe zu ihm steigerte sich kontinuierlich, je länger ich seinen inneren Kampf miterlebte. Auf einmal war ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich das, was er mir gleich erzählen würde, überhaupt noch hören wollte. Es beunruhigte mich zu stark. Aber nun hatte ich ihn überstürzt danach gefragt, und ich konnte diese Frage blöderweise nicht mehr rückgängig machen. Ich konnte nur noch versuchen, mich auf seinen bestimmt erschütternden Bericht irgendwie innerlich vorzubereiten. Doch ich spürte, dass das gar nicht möglich war. Dazu waren seine Verletzungen viel zu schwer, die Auswirkungen der Gewalteinwirkung auf ihn zu umfangreich. Dabei hatte ich noch längst nicht alle seine Wunden gesehen.
Nach langer Zeit des nachdenklichen Schweigens sprudelten die Worte plötzlich nahezu ungebremst aus ihm heraus: „Ich habe das doch nicht mal ansatzweise ahnen können! Fuck! Dieses verfluchte Junkiemädchen hat mich im Old Daddy angequatscht, und deshalb bin ich mit ihr mitgegangen. Aber sie hat mich nur in diese einsame Gasse gelockt, die eine scheiß Falle war. Ihre vier verdammten Freunde haben dort auf mich gewartet. Die haben plötzlich alle auf mich eingeschlagen. Ich war total überrumpelt und wehrlos. Die haben mich getreten, mich beschimpft und mit ihren scheiß Bowie-Messern geschnitten. Die haben mir damit echt brutal weh getan. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so gedemütigt gefühlt. Ich hatte die ganze Zeit so eine scheiß Angst. Ich war wie gelähmt und dachte ständig, die würden mich jeden Moment umbringen. Ich war echt total erbärmlich, Sean, ich habe gekotzt und geheult, gejammert und sie angefleht. Nur einen von ihnen konnte ich zu Boden schlagen, dann haben die einfach ihre fiesen Waffen rausgeholt und da hatte ich dann überhaupt keine Chance mehr. Ich konnte mich nicht gegen sie wehren, Sean, ich konnte noch nicht mal vor ihnen weglaufen."
Erschöpft und aufgewühlt von den ungewohnt vielen Worten schnappte er nach Luft. Verkrampft schluchzte er auf. Ich lag neben ihm und beobachtete ihn völlig bewegungslos. Seine fürchterlichen Worte bewirkten etwas in mir, was sich automatisch wie ein eiserner Ring um meine Seele legte. Mein Hals schnürte sich vegetativ zu, ich rang nach Luft. Augenblicklich schwankte ich zwischen unbändiger Wut und schmerzhaftem Mitleid. So merkbar schwer es Clay fiel, mir von seinem schrecklichen Erlebnis zu erzählen, so schwer wurde mir das Zuhören. Ich hatte keine Chance, diesen entsetzlichen Tatsachen auszuweichen. Und ich zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass Clay Banton mir gerade tatsächlich die ganze Wahrheit sagte.
Er atmete tief ein und redete weiter drauflos: „Die verdammten Ärsche haben mir alle meine Sachen weggenommen! Sie haben mir mein teures Handy und mein gutes Zippo geklaut. Diese Wichser haben sich die ganze Zeit über mich lustig gemacht. Sie haben mich unentwegt beschimpft, getreten und geschlagen, mit ihren Messern gedroht und mir mit harten Stöcken auf den Kopf geschlagen. Und als ich mich schließlich schon fast befreit hatte, da haben die mir hinterhältig von hinten eine Schlinge um den Hals gezogen, bis ich überhaupt keine Luft mehr bekam. Das war total schlimm, ich bin echt in Panik geraten. Meine Hände haben die zum Schluss auch noch völlig zerschnitten und mit scheiß engen Kabelbindern hinter meinem Rücken gefesselt." Er zeigte mir seine schönen, schlanken Hände, die ich nun zum ersten mal genau anschaute. Und ich konnte nicht ertragen, wie verletzt sie aussahen. Geschockt wandte ich meinen Blick ab.
Clay zitterte aufgeregt und holte abermals tief Luft. Die nächsten Worte fielen ihm merkbar besonders schwer. „Dann haben die meine Hosen heruntergezogen und lauthals über mich gespottet. Der eine Typ drohte mir damit, mit seinem Messer meinen Schwanz abzuschneiden, wenn ich sie verraten würde. Das war das Schlimmste, was ich je erlebt habe, Sean. Ich dachte, ich könnte das nicht länger ertragen. Ich war so verdammt hilflos, so verflucht allein in dieser scheiß dunklen Straße. Ich war so beschissen jämmerlich! Trotz des ganzen Trainings habe ich es einfach nicht geschafft, mich gegen diese blöden Teenager zu wehren. Ach Fuck!" Er holte hörbar Luft und verstummte abrupt. Angestrengt starrte er auf seine böse zerschnittenen Hände. „Ich bin so ein dummer Versager", flüsterte Clay hilflos. Mir wurde automatisch ganz warm ums Herz. Spontan strich ich tröstend über seinen Kopf. „Niemand kann sich noch wehren, wenn ihm der Hals zugeschnürt wird", krächzte ich erschüttert, aber auch voller Liebe zu ihm. Der Mann hob die Augen und schaute mich traurig an. In seinem Blick lag offene Dankbarkeit, weil ich ihm ruhig zugehört hatte, weil ich nicht über ihn lachte und ihn nicht verurteilte. In diesem Moment lag mir nichts ferner, als ihn zu verspotten oder anzuklagen. Unbändiger Zorn wütete wie ein heißer Sturm in meiner Seele. Tief atmete ich durch.
„Wer war das, Clay? Von welchen Teenagern sprichst du?" fragte ich ihn überdeutlich. Er hob die Schultern und wich meinem Blick unbehaglich aus. „Ich weiß es nicht", meinte er unsicher. „Zeig mir nur, wer das war, und ich schlag denen so was von die Fresse ein!" ereiferte ich mich wütend. Clay lächelte überrascht, in seinen Augen erschien ein warmer Glanz. „Das ist nett von dir, Sean, aber..."
Kurzentschlossen sprang ich auf die Beine. Clay zuckte erschrocken zusammen und beobachtete mich alarmiert. Ich eilte zu meinem Schreibtisch und schaltete meinen PC ein. „Du guckst dir jetzt die gestrigen Aufnahmen aus dem Theater an! Vielleicht erkennst du da jemanden!" schlug ich ihm aufgeregt vor. Ich stand am Schreibtisch und warf ihm einen auffordernden Blick zu. Er richtete sich nur zögernd auf und schüttelte den Kopf. „Nein, Sean, ich will diese Aufnahmen nicht sehen", wehrte er mich nicht sehr überzeugend ab.
„Komm jetzt her!" befahl ich ihm ungeduldig und taxierte ihn so lange, bis er endlich aufstand und zu mir kam. Ich schob ihm einen Stuhl hin und zwang ihn, sich darauf zu setzen. Dann ließ ich mich neben ihm auf meinem Schreibtischsessel nieder. Fuck! Ich werde das nicht so einfach gut sein lassen, so etwas darf niemand ungestraft mit ihm machen, hämmerte es gewaltig in mir. Mein Herz schlug hart vor Wut. Ich hole ihm sein wertvolles Handy und sein teures, einmalig graviertes Zippo wieder zurück, entschied ich fest entschlossen.
„Warum zum Teufel bist du überhaupt mit diesem blöden Mädchen mitgegangen?" warf ich ihm aufgebracht vor, während der Computer hochfuhr, „Wer ist sie? Woher kennst du sie?" Er zuckte erneut nervös zusammen, wandte sich mir zögernd zu und betrachtete mich verwirrt. „Ich habe...", fing er konfus an. „Verdammt, Clay! Du hättest nicht allein aus dem Old Daddy verschwinden sollen! Wir waren doch schließlich zusammen dort! Und dann warst du plötzlich weg! Ich habe dich die ganze Zeit gesucht! Warum zur Hölle musstest du überhaupt mit dieser hinterhältigen Schlampe mitgehen?!" unterbrach ich ihn eifersüchtig.
„Sie wollte fünfzig Gramm von mir kaufen!" verteidigte er sich verstört. Ich riss die Augen auf und starrte ihn perplex an. „Fünfzig Gramm?! Wovon denn? Etwa Heroin?" Er nickte kleinlaut. „Was soll das, Clay? Bist du verrückt?" entfuhr es mir fassungslos. Er hob abwehrend die Hände. „Sean, ich dachte..." „Du kannst im Leben keine fünfzig Gramm besorgen, Clay! Für niemanden und schon gar nicht mitten in der Nacht! Und wenn überhaupt, dann müsstest du das ja wohl lange vorher anmelden!" erklärte ich ihm entgeistert. Er schloss müde, defensiv die Augen. „Ja, du hast ja recht", kapitulierte er hilflos, „Ich war betrunken und habe nicht richtig nachgedacht." „Du denkst ja nie richtig nach!" erwiderte ich spontan vorwurfsvoll. „Und warum dealst du überhaupt immer noch? Du hast mir versprochen, mit dem scheiß Dealen aufzuhören, Clay! Du wirst früher oder später sowieso verhaftet!" ließ ich meiner Wut und Sorge freien Lauf. Er zog getroffen den Kopf ein und stöhnte schmerzerfüllt auf. „Ja, ich weiß schon, ich bin der absolute Vollidiot!" seufzte er resigniert und drehte sich von mir weg.
Innerlich kämpfte ich enorm mit meinem Zorn auf dieses hinterhältige Miststück, das ihn in eine brutale Falle gelockt hatte, mit meiner Wut auf ihn und seine Dummheit, aber auch mit wachsendem Mitgefühl. Mein harter Vorwurf tat mir schon wieder leid. „Nein, du bist nicht dumm", flüsterte ich nach einer Weile liebevoll. Er drehte sich zu mir um und guckte mich erstaunt an. Ich lächelte beruhigend. „Jemand, der so viel wahrnimmt wie du, Clay, der alle seine Eindrücke so intensiv in Zeichnungen und mit seinem Schauspiel ausdrücken kann, der kann nicht dumm sein", erklärte ich ihm leise und meinte es ehrlich. Er lächelte sichtbar geschmeichelt. „Das ist nett, wie du das sagst", erwiderte er unsicher. „Das ist einfach so! Eine Tatsache!" bekräftigte ich meine Aussage. Clay lächelte mich dankbar an. Seine schönen Augen zogen mich wie magisch zu sich hin. Ich war trotz allem immer noch geil auf ihn und wich seinem intensiven Blick irritiert aus. „Du bist nur viel zu oft... zu impulsiv... zu gedankenlos", versuchte ich ihm ruhig klar zu machen.
Er schaute jetzt besorgt auf den Bildschirm, der endlich angesprungen war. Der Computer war vollständig hochgefahren. „Ich will mir diesen Scheiß echt nicht ansehen, Sean", wiederholte er unglücklich, „Die werfen Steine auf mich, während ich nackt auf der Bühne stehe, das will ich nicht nochmal erleben." Mir wurde bewusst, dass er nichts von dem verstanden hatte, was ich über seine Impulsivität und Gedankenlosigkeit gesagt hatte. Ihm war noch nicht einmal richtig klar, warum er sich diese Aufnahmen unbedingt angucken sollte. Resigniert seufzend wandte ich mich dem Bildschirm zu, nahm die Maus und öffnete die Internetseite, auf der Jedermann private Videos hochladen konnte. Es gab dort auch immerzu diverse Videos aus dem Grenzland-Theater, bevorzugt von unseren Vorstellungen, die die Zuschauer mit ihren Handys gedreht hatten. Ich musste diesmal nicht lange suchen. Unser Auftritt vom Samstagabend war schnell zu finden, denn er stand in der Beliebtheitsliste ganz oben.
Erstaunt registrierte ich, wie verdammt viele Menschen sich diese Aufnahmen schon angesehen hatten, und wie viele Kommentare dazu schon verfasst worden waren. Der Steine-Angriff auf Clay hatte offensichtlich im Internet weitaus mehr Interesse geweckt, als es sonst an unserer Performance von Psychotic Kühlschrank der Fall gewesen war. „Wir haben schon über fünftausend Klicks!" entfuhr es mir überaus fassungslos. Clay schaute desinteressiert auf den Bildschirm. Er sah betrübt aus. Diese unglaubliche Neuigkeit war ihm vollkommen egal. Neugierig überflog ich die Kommentare und fand eine extrem angeregte Diskussion über unser Schauspiel und den Angriff mit den Steinen, wobei so ziemlich alle Meinungen vertreten waren. Anscheinend überwogen aber zu meiner Überraschung die positiven Kommentare, die den Angriff auf Clay verurteilten und an seine Unschuld glaubten.
Schließlich startete ich das erste Amateurvideo. „Guck dir das genau an, Clay! Sag mir sofort, wenn du jemanden erkennst!" beschwor ich ihn. „Na gut. Wenn es sein muss", nickte er ergeben und richtete seine Aufmerksamkeit tatsächlich auf den Monitor. Gemeinsam schauten wir uns mehrmals unseren Auftritt vom Abend vorher an. Ich erkannte in meiner Performance ein paar unnötige Fehler, die mich sofort ärgerten. Das war ein blöder Flüchtigkeitsfehler, dachte ich wiederholt genervt, an dieser Stelle muss ich mich das nächste Mal unbedingt besser konzentrieren! Wie konnte mir das nur passieren?! Zum Glück waren dem Publikum meine Patzer aber scheinbar nicht aufgefallen. Die ganze Zeit staunte ich über die unglaubliche Präsenz von Clays Figur, die mir während des Spiels, innerhalb meiner eigenen Konzentration, noch nie in dieser Intensität aufgefallen war. An Clays Performance war nicht das Geringste auszusetzen, stellte ich neidisch, aber auch stolz fest. Im Gegenteil, mein Mann spielte absolut überwältigend!
Wir betrachteten die Amateurvideos genau. Immer wieder wurde Clay mittendrin von zwei Steinen getroffen, und im Theater brach der gleiche Tumult los. Auf den ersten Videos war der Angreifer aber kaum zu sehen. Wir schauten uns viele verschiedene Aufnahmen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven an, die aber in puncto Steine-Werfer alle nicht sonderlich gut waren. Es waren mehrere Videos nötig, und Clay war zunehmend ungeduldig und genervt, bis bei unserer Nachforschung plötzlich doch noch etwas herauskam. Letztendlich stand Clay auf dem Bildschirm wieder einmal blind und nackt am Bühnenrand. Er fing gerade seinen großen Monolog an, und plötzlich wurde er hart getroffen. Clay fiel nach der zweiten Attacke ohnmächtig um, und der hinterhältige Typ, der die Steine geworden hatte, tauchte unerwartet klar im Bild auf. „Kennst du den?" wollte ich sofort von Banton wissen und stoppte hastig das Video. Er fixierte widerwillig, aber angestrengt das Bild.
Im nächsten Moment schüttelte er den Kopf. „Keine Ahnung, Sean! Das ist doch total verwackelt! Außerdem war der maskiert!" beschwerte er sich seufzend. Ich startete die Aufnahme wieder. Als nächstes tauchte die Freundin des Typen im Bild auf. Auch sie war zum ersten Mal klar erkennbar. Clay zuckte abrupt erschrocken zusammen, stöhnte laut, angewidert, und zog instinktiv den Kopf ein. „Was ist los? Kennst du die?" rief ich aufgeregt und hämmerte eilig auf die Stopptaste. Das Gesicht der Frau war deutlich auf dem Bildschirm zu sehen. „Ja, das ist das scheiß Junkiemädchen", eröffnete Clay mir matt. „Die hat dich in diese Falle gelockt und ihre vier Freunde auf dich gehetzt?" hakte ich sicherheitshalber nach und beobachtete ihn aufmerksam. Er schaute mich unglücklich an. „Sie ist es", bestätigte er nickend. „Woher kennst du sie?" wollte ich von ihm wissen, während ich mir die brutale Bitch auf meinem Monitor hasserfüllt anschaute. Sie sah erstaunlich jung aus, stellte ich fest, sie konnte kaum älter als achtzehn Jahre sein.
Clay zögerte mit seiner Antwort, bis ich ihn wieder ansah. „Ich habe ihr Heroin verkauft. Sie ist eine Studentin", gab er endlich leise zu. Entgeistert starrte ich ihn an. „Fuck, Clay, dealst du etwa immer noch auf dem Campus? Da ist alles voller Überwachungskameras, das musst du doch wissen!" fuhr ich ihn fassungslos an. Er schüttelte den Kopf. „Ich stehe nicht dort, wo die Kameras sind!" erwiderte er trotzig. „Du hörst sofort auf damit, verdammt!" knurrte ich böse und schlug ihn fest gegen die Schulter. Er ächzte, rieb sich die getroffene Stelle und grinste plötzlich amüsiert. „Die Kleine ist so dumm. Sie hat nicht mal gemerkt, dass ich sie abgezogen habe", erzählte er mir frei heraus. Genervt stöhnte ich auf und schüttelte entgeistert den Kopf. Auch wenn ich es dieser hinterhältigen, brutalen und gemeinen Schlampe gönnte, dass Clay sie beim Dealen betrogen hatte, so war sein Leichtsinn doch nur schwer zu ertragen. „Und darauf bist du auch noch stolz, oder wie?" sagte ich sarkastisch. Clay zuckte mit den Achseln und meinte: „Ich finde es einfach lustig." Energisch schüttelte ich den Kopf. „Nein, Clay, das ist überhaupt nicht lustig! Das ist einfach nur verdammt gefährlich! Du wirst früher oder später erwischt und landest dann wegen Drogenhandel im Gefängnis! Willst du das etwa?" Beschwörend starrte ich ihn an.
Er grinste spöttisch und gab mir einen überraschend heftigen Schlag gegen den Kopf. „Ach Sean, selbstverständlich will ich das nicht! Frag doch nicht so blöd! Aber ich bin kein Anfänger, weißt du!?" betonte er angeberisch. „Mann, das ist ja das Schlimme! Du bist schon wegen BTM vorbestraft, Clay! Dass du kein Anfänger bist, das wissen die Bullen auch ganz genau!" beharrte ich ernsthaft. Er betrachtete mich lächelnd. Vielleicht gefiel es ihm, dass ich mich so inbrünstig für seine Zukunft interessierte, an die er selbst ja leider niemals denken wollte.
„Du bist richtig süß, wenn du dir solche Sorgen um mich machst, Valmont", flüsterte er auf einmal, streckte seine Hand aus und streichelte ganz zart über mein Gesicht. „Ach, halt doch die Klappe!" kam es spontan, irgendwie verlegen aus mir heraus. Seine unerwartete Berührung elektrisierte mich. „Ich denke, du magst es nicht, wenn man sich Sorgen um dich macht", fiel mir im nächsten Moment ein. Plötzlich war ich verwirrt. Seine Nähe und Zärtlichkeit verwirrten mich mehr, als mir lieb war. Er lächelte unglaublich attraktiv. „Ich mag es nicht, wenn Eliza es mir vorwirft. Wenn du es tust, dann ist es bezaubernd", erklärte er mir ganz sanft.
Einen Augenblick schauten wir uns intensiv an. Mein Herz klopfte ganz von alleine los. Er sieht trotz seiner Verletzungen so verdammt gut aus, dachte ich perplex, ich liebe ihn so sehr. Wie ferngelenkt stand ich auf und näherte mich ihm abermals. Ich setzte mich rittlings auf seinen Schoß und fing an, ihn zu küssen. Das passierte völlig automatisch, weil ich einfach nichts anderes mehr tun konnte. Clay hatte gegen meinen erotischen Überfall nichts einzuwenden. Er machte spürbar gerne mit, und so liebkosten wir uns nochmal eine Weile sehr zärtlich. Wir saßen zusammen auf dem kleinen Stuhl, der gefährlich anfing zu knarzen, als wir uns unwillkürlich gemeinsam bewegten. Offensichtlich war unser beider Gewicht zu schwer für den dünnen Holzstuhl. Aber wir beachteten diese Warnzeichen gar nicht. Wir konnten sie nicht mal wahrnehmen, denn wir waren ausnahmslos miteinander beschäftigt.
Wir küssten und streichelten uns voller Hingabe. Mein Erregung flammte erneut auf, sammelte sich automatisch in meinem Unterleib, den ich gierig gegen seinen Körper presste. Clay griff hinunter und betastete meine Erektion durch den Stoff meiner Jeans hindurch, was sich verflucht geil anfühlte. Mit der anderen Hand fuhr er gezielt über mein Hinterteil. Mir blieb die Luft weg, und ich stöhnte hingerissen auf. Begierig küsste ich meinen wunderschönen Mann, leckte abermals über sein glattrasiertes Gesicht, die vollen Lippen. Ich streichelte seine Augenbrauen, den verletzten Hals, seine muskulösen Schultern, die breite Brust. Wir küssten und streichelten uns automatisch mit der Zeit immer gieriger, gezielter, wir atmeten schwerer. Und ich wollte definitiv nie mehr damit aufhören.
Bis Clay Banton irgendwann urplötzlich erschrocken die Augen aufriss und spontan so heftig und ruckartig zurückwich, dass wir unwillkürlich mit dem Stuhl ins Wanken kamen. Durch Clays überstürzte Bewegung konnten wir unmöglich länger das Gleichgewicht halten. Laut polternd fielen wir mitsamt dem Stuhl rücklings um und knallten beide auf den harten Bretter-Boden. „Spinnst du? Was soll das denn?" beschwerte ich mich atemlos bei ihm und rieb mir die schmerzenden Knochen. Clay war auf einmal kreidebleich. Er lag neben mir auf dem Boden und deutete mit zitternden Fingern auf den Monitor. „Da ist das verfluchte Arschloch!" keuchte er angewidert. Erstaunt drehte ich mich um. Dieses Video war anscheinend von allein gestartet, weil wir zu lange die Pausenfunktion eingeschaltet gelassen hatten. Ich erblickte zum wiederholten Mal den Typen, der die beiden Steine auf Clay geworfen hatte. Der Scheißkerl beschuldigte Clay gerade lauthals der versuchten Vergewaltigung an seiner Freundin. Diesmal war er ganz groß und deutlich im Bild zu sehen. Seine überraschend junge Stimme war gut zu hören. Ich fragte mich trotzdem, warum Clay ihn nicht schon viel früher erkannt hatte.
Eliza
An diesem frühen Morgen fuhr ich erneut mit meinem Auto eine lange Zeit ziellos durch die Gegend, um mich einigermaßen zu beruhigen. Die Straßen waren wie ausgestorben, es war merkbar Sonntag. Ich brauchte eine ganze Weile, um das Chaos in meinem Kopf zu sortieren. Meine Tränen trockneten nur langsam. Ich hielt mich krampfhaft an dem Gedanken fest, dass meine Entscheidung, Clay endgültig zu verlassen, die einzig richtige gewesen war. Ich fuhr mit großer Geschwindigkeit über Landstraßen, bis auf einmal die Tanklampe im Wagen aufleuchtete. An einer Tankstelle in irgendeinem kleinen Dorf hielt ich an, um den Nissan Micra vollzutanken. Meine Hände zitterten nicht mehr, als ich tankte, wie ich befriedigt feststellte. All die wirren Emotionen, die sonst immer die Gedanken an Clay in mir weckten, wichen mit der Zeit einem traurigen Gefühl der Endgültigkeit. Ich wurde langsam ganz ruhig. In meinem Kopf herrschte jetzt eine gefasste Leere. Es war vorbei, und das war gut so, sagte ich mir immer wieder.
Verbissen zwang ich mich, nach vorne zu schauen, mir meine unmittelbare Zukunft als Single auszumalen. Ich konnte jetzt endlich richtig anfangen zu leben. Ich konnte nach dieser langen Zeit der bedingungslosen Aufopferung für Clay Banton endlich an mich selbst denken, mein Leben nach meinen eigenen Vorstellungen gestalten. Es war jetzt niemand mehr da, um den ich mich ständig bis zur Selbstaufgabe kümmern musste. Meine Co-Abhängigkeit war beendet.
Dieser Mann war außer Kontrolle, aber ich musste mir keine Sorgen mehr um ihn machen, denn ich war nicht mehr für ihn verantwortlich. Diese Gewissheit gefiel mir zunehmend. Endlich bin ich wieder frei, dachte ich zufrieden lächelnd, als ich meine Tankrechnung bezahlte. Danach stieg ich zurück ins Auto und lenkte den Wagen langsam nach Hause. Ich legte eine Mix-CD ein und sang mit den Pet Shop Boys mit, drehte glücklich die optimistische Musik lauter. Jetzt bin ich mit mir selbst wieder vollkommen im Reinen, merkte ich ehrlich erstaunt. Diese schmerzende Beklemmung um meine Seele war verschwunden. Zum ersten Mal nach langer Zeit konnte ich wieder frei durchatmen.
Clay
Endlich war ich mit Sean Valmont allein in seinem Zimmer, direkt unter dem Dach seines alten Hauses. Der Dachstuhl war komplett mit Holz verkleidet worden. Wir standen dicht voreinander und schauten uns lange Zeit nur an, mit klopfendem Herzen, genau wissend, dass noch viel mehr zwischen uns passieren würde. Es passierte immer mehr. Es wurde immer irgendwann geil mit ihm, aufregend, befriedigend, fast jedes Mal, wenn wir allein waren. Ich stand dort und war voller Erwartung, Vorfreude, gespannt auf die unmittelbare Zukunft. Ich wollte wirklich nicht an die Vergangenheit denken.
Aber Valmont fragte mich natürlich danach. Er wollte selbstverständlich wissen, was mit mir passiert war. Meine sichtbaren Verletzungen, die ich leider nicht verstecken konnte, machten ihn neugierig. Also erzählte ich ihm schweren Herzens vom verhängnisvollen Freitagabend, von der Junkiemädchen-Episode in meiner Wohnung. Ich berichtete Sean von dem wildfremden Mädchen, das mich rigoros gestoppt hatte, lange bevor noch mehr passieren konnte. Valmont kapierte das aber nicht, sondern warf mir diesen totalen Scheiß an den Kopf, dass mich Vergewaltigungen antörnen würden und dass er mir alles zutrauen würde. Diesen Mist wollte ich wirklich nicht von ihm hören, denn ich verachte dieses fiese, feige Verbrechen zutiefst. Valmont machte mich mit seiner bekloppten Meinung so verdammt wütend, dass ich fast durchdrehte.
Schließlich wusste ich gar nicht mehr wohin mit meiner tosenden Wut. Bestimmt zwanzig Minuten lang drosch ich pausenlos auf seinen Sandsack ein, nur um mich von ihm und seinen bösen Worten abzulenken. Eigentlich wollte ich lieber auf Sean einschlagen, aber der Sandsack war ein weit weniger gefährliches Opfer. Ich fürchtete, dass Valmont sich wehren würde, wenn ich ihn angriff, was er mit Sicherheit auch getan hätte. Wahrscheinlich hätte er mich im Gegenzug verprügelt und mir noch mehr weh getan. Darauf hatte ich keine Lust. Mein Pensum an Schmerz war reichlich aufgefüllt.
Also nahm ich mir stattdessen seinen großen, hängenden Sandsack vor und übte ein bisschen Kick-Boxen, was mir sogar recht gut gelang, obwohl ich so verletzt war. Aber die Schmerztabletten wirkten inzwischen ganz gut, sodass ich mich richtig in die erlernten Bewegungen reinhängen konnte. Die Anstrengung tat mir seltsamerweise gut und irgendwann war ich total müde und ausgepowert, aber auch irgendwie zufrieden. Sean Valmont kam dann verstohlen an mich heran, was ich ziemlich geil fand. Er umarmte mich von hinten, küsste mich auf den Nacken, hauchte auf meine heiße Haut, und ich bekam sofort eine wohlige Gänsehaut davon. Er legte auch seine warme Hand auf meinen nackten Bauch, was echt wundervoll war. Sean rieb sich an meinem Hinterteil und wurde spürbar hart, und das fand ich so geil, dass ich mich zu ihm herumdrehen musste und ihn echt besitzergreifend küsste.
Letztendlich fingen wir an zu knutschen, küssten und liebkosten uns ganz zärtlich, was mich total erregte. Dieser attraktive Mann roch so herrlich vertraut und küsste mich absolut überwältigend. Er fühlte sich wirklich verdammt gut an. Irgendwann sanken wir automatisch auf die Knie und lagen schließlich dicht beieinander auf seinen komischen Turnmatten auf dem Boden. Wir schauten uns lange in die Augen, echt liebevoll, und ich dachte dabei, wie wahnsinnig hübsch er war, wie lange ich ihn jetzt schon kannte, wie verdammt viel wir schon zusammen erlebt hatten, und dass ich tatsächlich alles für ihn tun würde. Ich streichelte und küsste Herrn Valmont gefühlvoll, er mich genauso, und die ganze Welt schien minutenlang stillzustehen und völlig in Ordnung zu sein.
Später vertraute ich ihm sogar das von Eliza an, dass sie mich plötzlich verlassen hatte und all das, was in meinem Hinterkopf die ganze Zeit ziemlich schwer auf mir lastete. Ich wollte diese störenden Gedanken unbedingt loswerden, deshalb packte ich sie spontan in Worte und ließ sie damit hinaus. Ich erzählte Sean davon, weil er in diesem Moment schlicht der einzige war, mit dem ich über mein Mädchen reden konnte. Aber leider wurde er davon mal wieder total sinnlos eifersüchtig und wechselte genervt das Thema, indem er mich erneut nach meinen scheiß Verletzungen fragte. Ich hatte überhaupt keinen Bock, über diesen niederschmetternden Überfall zu reden, zumal wir doch gerade so geile Zärtlichkeiten austauschten. Ich war gierig und wollte viel lieber mit diesem erregenden Mann noch sehr viel weiter gehen.
Doch Sean bestand merkbar auf einer Antwort. Offenbar wollte er mich auf einmal nicht mehr küssen und anfassen. Er hatte wohl plötzlich keine Lust mehr dazu, was ich echt bedauerte. Also gab ich mich geschlagen, gab mir einen Ruck und quatschte einfach drauflos. Ich ließ die bösen Erinnerungen heraus, genauso, wie sie in meinem Kopf auftauchten. Und dann konnte ich seltsamerweise gar nicht mehr aufhören zu reden. Ich weiß nicht mehr, warum ich dem Mann so dermaßen ausführlich von meiner schmerzhaften Niederlage erzählte, von dieser nächtlichen, gewaltigen Demütigung. Er hatte mich danach gefragt, und ich antwortete ihm lediglich. Womöglich erzählte ich ihm die Wahrheit so genau, weil diese vielen Psychologen, die mich in meinem Leben schon analysiert hatten, mich immer wieder dazu aufgefordert hatten, unbedingt über alles zu sprechen. Du musst einfach nur darüber reden, Clay, dann wird es dir sofort viel besser gehen, hatten diese studierten Menschen mir wiederholt eingeredet. Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden.
Aber so war das gar nicht, es funktionierte nicht an diesem Sonntagmorgen. Im Grunde funktionierte dieser Scheiß bei mir nie. Nachdem ich Sean ausgiebig von den verdammten Prügeln berichtet hatte, die ich einstecken musste, fühlte ich mich kein bisschen besser! Ich war absolut nicht erleichtert, ganz im Gegenteil! Die grausamen Bilder der letzten Nacht spukten nur noch viel deutlicher und unangenehmer in meinem Kopf herum. Mein verletzter Körper schmerzte, und ich sehnte mich ganz erbärmlich nach Zärtlichkeiten. Ich sehnte mich nach viel mehr Heroin, um meinen Kopf und meine Seele zum Schweigen zu bringen. Nach dem langen, mühsamen Bericht fühlte ich mich nur noch viel mehr wie ein verdammtes Weichei, wie ein totaler Versager, der es nicht geschafft hatte, dieser brutalen Willkür zu entkommen. Ich fühlte mich genau wie ein Mann, der sich trotz seiner körperlichen Stärke nicht gegen vier verfickte Halbwüchsige wehren konnte!
Ich erzählte Valmont tatsächlich die ganze Wahrheit und ließ keine intime Peinlichkeit aus. Die ganze Zeit rechnete ich dabei nervös mit noch mehr Vorwürfen, vielleicht sogar mit Spott wegen meiner verdammten Dummheit, Angst und Unfähigkeit. Aber Sean Valmont verurteilte mich zum Glück nicht länger. Er lachte mich noch nicht mal aus, wofür ich ihm echt dankbar war. Zu meinem Erstaunen war der Mann lediglich total erschüttert. Er war so derart wütend über die mir angetane Gewalt, dass er mich tatsächlich sofort rächen wollte! Ich beobachtete seine stark aufwallenden Gefühle für mich, konnte seine mächtigen Emotionen beinahe spüren, und ich fand ihn einfach nur zauberhaft. Ich erinnerte mich plötzlich daran, dass und warum ich diesen wunderschönen Mann so dermaßen liebte. Und ich wollte auf der Stelle mit ihm schlafen, sofort! Ich gierte augenblicklich danach, ihm die Kleider vom Leib zu reißen und seinen geilen Körper vollständig in mich aufzusaugen. Mein Herz klopfte hart bei diesem Gedanken. Ich war definitiv unvermindert geil auf ihn!
Aber Herr Valmont war von meinem allzu ausführlichen Bericht leider total abgelenkt worden. Er hatte jetzt erst recht keinen Bock mehr auf geile Zärtlichkeiten. Stattdessen wollte er unbedingt wissen, wer mir dieses Unrecht angetan hatte, obwohl ich ihm das nicht mit Sicherheit sagen konnte. Diese scheiß Wichser waren doch schließlich alle maskiert, und in dieser Straße war es stockfinster gewesen! Außer dem verdammten Junkiemädchen hatte ich überhaupt niemanden richtig erkennen können!
Und ich wollte mich auch gar nicht mehr so genau an diesen Mist erinnern. Das ständige Gerede darüber reichte mir schon längst. Fuck! Viel lieber wollte ich unverzüglich fantastischen Sex haben! Doch Sean kam stattdessen auf die äußerst blöde Idee, sich die Aufnahmen aus dem Theater anzusehen, um zu überprüfen, ob ich darauf jemanden erkennen würde. Er meinte diese vielen verwackelten Handy-Videos von unserem Samstagabend-Auftritt, die auch diesmal massenhaft im Internet kursierten, und anscheinend hatten irgendwelche merkwürdigen Leute Interesse daran, jedenfalls wurden sie wohl ziemlich oft angeklickt.
Auf diesen zahllosen Videos wurde ich jedes Mal von zwei verfluchten Steinen getroffen. Jedes Mal stand ich nackt auf der Bühne. Mein trainierter Körper war noch völlig unversehrt, was für mich schwer zu ertragen war. In diesen Filmen war ich jedes Mal absolut blind mit verbundenen Augen und fiel immer wieder bewusstlos um. Sean war mega aufgeregt und zwang mich, mir das alles pausenlos konzentriert anzusehen, was wirklich eine Qual für mich war. Wir saßen vor seinem Multimedia-PC, ich auf einem kleinen Stuhl, er auf seinem bequemen Sessel, und wir schauten uns gemeinsam auf dem großen Monitor diese blöden Amateuraufnahmen an, die ich mir sonst niemals ansehe, denn der Scheiß interessiert mich normalerweise nicht die Bohne. Sean stoppte das Bild manchmal und fragte mich, ob ich jemanden erkennen würde, was aber bei diesen überwiegend miserablen Filmen gar nicht so einfach war.
Außerdem hatte ich insgeheim schon längst beschlossen, auf gar keinen Fall irgendwen zu erkennen. Seans mächtiger Rachedurst war mir unheimlich und ich wollte nicht, dass er wegen mir in irgendwelche Schwierigkeiten geraten würde. Wenn ich ihm meine Peiniger zeigte, dann würde er womöglich sofort losgehen und mich rächen, und davor hatte ich tatsächlich Angst. Diese brutalen Teenager benutzten gefährliche Waffen. Ich war deshalb mit ihnen nicht allein fertig geworden, und ich hätte es nicht ertragen, wenn Sean wegen mir verletzt worden wäre. Deshalb wollte ich ihm auf keinen Fall jemanden auf diesen Videos zeigen, ganz egal, wen auch immer ich vielleicht erkennen würde.
Das hatte ich mir zumindest fest vorgenommen. Aber als ich dann urplötzlich das verfluchte Junkiemädchen in dem Film wiedersah, das sich im Theater lautstark über mich beschwerte, da konnte ich meinen unmittelbaren Schrecken irgendwie nicht richtig verbergen. Shit! Ich zuckte wohl unbewusst zusammen, und Sean bemerkte mein Erkennen sofort. Ich starrte auf den Monitor, wo die kleine Schlampe ernsthaft und beleidigt behauptete, dass ich versucht hätte, sie zu vergewaltigen. Sean pausierte das Video und fragte natürlich nach ihr. Der Wichser ließ mir keine fucking Wahl, also erzählte ich Valmont von dem Mädchen und wie ich sie kennengelernt hatte. Auch diesmal sagte ich ihm die Wahrheit, denn ich hatte keine Kraft mehr für Lügen. Diese Bitch auf dem Bildschirm und die ganzen niederschmetternden Aufnahmen hatten mich echt fertig gemacht. Shit! Ich hatte definitiv genug davon gesehen!
Der enorm ansehnliche Mann war sofort total aufgebracht, als er hörte, dass ich noch immer auf dem Campus dealte. Sean Valmont war wirklich unglaublich süß, als er mir ernsthaft ins Gewissen redete und mich aufforderte, sofort mit dem Dealen aufzuhören. In seinen Worten schwang so viel Sorge um mich mit, dass mir unvermittelt ganz warm ums Herz wurde. Er ist so atemraubend attraktiv, dachte ich überwältigt, er sieht so verdammt gut aus und er sorgt sich so sehr um mich. Ich liebe ihn so grenzenlos, schoss es mir irritierend intensiv ins Gehirn.
Wir hatten ausgeprägten Blickkontakt und mein Herz klopfte spürbar los. Valmont setzte sich unerwartet rittlings auf meinen Schoß, und wir fingen auf dem kleinen Stuhl aufs Neue an zu knutschen. Endlich! Ich genoss auch diesmal seine absolut einnehmenden Zärtlichkeiten, die ganz sanft und liebevoll waren. Ich küsste ihn, leckte über sein wahnsinnig schönes Gesicht, streichelte seinen muskulösen Körper. Er malte mit seinen Fingern Linien auf meinen Körper und fand natürlich all die versteckten Stellen, auf die ich so abfahre. Er drückte sich gegen mich, sein harter Unterleib drängte gegen meinen, was sich echt verflucht geil anfühlte. Ich griff hinunter und strich drängend über seinen steifen Schwanz, und er tat das gleiche bei mir. Der Stuhl knarrte überfordert, als wir uns unwillkürlich rhythmisch bewegten.
Sean Valmonts unmittelbare Nähe war atemberaubend. Dieser Mann erregte mich enorm! Ungesteuert fing ich an zu keuchen und drückte ihn gierig gegen mich. Meine Gedanken verstummten endlich. Und ich wollte wirklich nie mehr damit aufhören, diesen faszinierenden, extrem geilen Typen absolut in Besitz zu nehmen.
Aber irgendwann öffnete ich dummerweise meine Augen. Nur einen schmalen Spalt breit und eher unbewusst. Mein Blick fiel automatisch auf den Monitor, auf dem von allein irgendein neues Video gestartet war. Ein ziemlich junger Typ war gerade groß und überdeutlich im Bild, der sich lautstark über mich beschwerte, mich wütend dieser verdammten Vergewaltigung bezichtigte. Und ich erkannte diese verfluchte, kalte, scheiß Stimme auf der Stelle! Es war ganz genau die selbe Stimme, die mich in der Nacht zuvor lautstark verspottet und beschimpft hatte. Die mir eiskalt angedroht hatte, meinen Penis abzuschneiden, wenn ich es wagen würde, ihn anzuzeigen.
Schlagartig und vollkommen vegetativ krampfte sich alles in mir überaus schmerzhaft zusammen. Ich zuckte erschrocken und wich instinktiv panisch vor dem Typen zurück, obwohl der Penner ja nur den verfluchten Monitor ausfüllte. Clay Banton war noch immer ein Feigling! Leider saß ich gerade auf diesem kleinen, unstabilen Holzstuhl. Sean saß schwer auf mir drauf, und wir verloren durch meine hektische, ruckartige Bewegung abrupt das Gleichgewicht. Mitsamt dem Stuhl fielen wir nach hinten um, obwohl ich noch versuchte, uns irgendwie abzufangen. Laut polternd stürzten wir gemeinsam zu Boden, der zum Glück ein federnder Holzboden war. Valmont fiel schwer auf mich drauf, dem Stuhl knickten beim Sturz glatt die hinteren Holzbeine weg. Im nächsten Moment lagen wir übereinander auf den Dielen. Valmont schimpfte und kroch langsam von mir herunter, bis er neben mir lag. „Spinnst du? Was soll das denn?" keuchte er atemlos, ziemlich erregt von unseren intimen Zärtlichkeiten. Meine eigene Erregung war dagegen auf einmal wie weggeblasen. Mir war plötzlich eiskalt und ich deutete mit zitternden Fingern auf den Bildschirm. „Da ist das verfluchte Arschloch!" brachte ich nur mühsam hervor. Es wäre sinnlos gewesen, jetzt noch zu leugnen, dass ich jemanden nur allzu gut erkannt hatte. Fuck!
Sean drehte sich irritiert um und schaute auf seinen großen Monitor. „Das ist doch wieder der Kerl, der die beiden Steine auf dich geworfen hat", meinte er verwundert, „Der war doch schon ganz oft im Bild." „Aber ich habe erst jetzt seine verfluchte Stimme erkannt!" erklärte ich ihm ungeduldig. Anscheinend hatte Valmont noch immer nicht begriffen, dass meine vier Angreifer schwarze Sturmmasken getragen hatten, sodass ich ihre Gesichter nicht hatte sehen können. Ich hatte aber keine Lust, ihn nochmal darauf hinzuweisen. Ich wollte mit dieser ganzen scheiß Geschichte jetzt nichts mehr zu tun haben. Diese verdammte, ätzende Stimme nochmal zu hören, hatte mir definitiv den Rest gegeben. Und der bekloppte Scheißtyp schimpfte immer noch lautstark über mich, nannte mich böse einen gefährlichen, kranken Psychopathen. Diese Worte gingen mir sehr viel näher, als mir lieb war!
„Mach das bitte aus!" flehte ich Sean förmlich an und kroch überfordert rückwärts von ihm und dem PC weg. Zu meiner Erleichterung stand er sogleich auf und schaltete den Internetbrowser aus. Auf seinem Monitor erschien ein Bild von einem anmutigen Balletttänzer in Aktion. Endlich war es wieder still in seinem Zimmer. Ich versuchte durchzuatmen, aber ich war total verkrampft und fühlte mich beschissen.
Dann stand der enorm gut aussehende Sean Valmont dort und schaute merkbar mitleidig zu mir herunter. Das gefiel mit nicht, denn ich wollte nicht von ihm bemitleidet werden. Ich legte mich auf seine Matten und erwiderte seinen Blick echt verzweifelt. Ich war beunruhigt, weil dieser Scheißtyp im Theater diesen Mist über mich erzählte, und weil alle ihm das irgendwie zu glauben schienen. Ich war auch wütend, weil sich das blöde Internetvideo unerwartet brutal in die geile Zärtlichkeit mit Sean gedrängt und sie damit schlagartig beendet hatte. Es ärgerte mich, dass ich meine Augen geöffnet hatte, und mir dadurch die Lust auf Valmont irgendwie blitzartig abhanden gekommen war. Das fühlte sich beschissen an! Mein geschockter Schwanz und meine Eier schmerzten dumpf. Ich konnte mir das alles selbst nicht erklären und war total verwirrt.
Sean näherte sich mir ganz langsam, studierte mich dabei eingehend und ließ sich schließlich neben mir auf der Matte nieder. „Ich hab es schon wieder versaut, Sean, das tut mir echt leid", sagte ich hilflos, weil mir klar wurde, dass er unverändert höchst erregt war, und ich plötzlich nicht mehr fähig, seine drängende Geilheit mit ihm zu teilen. „Das ist nicht schlimm, Clay", erwiderte er in seiner so typischen, total verständnisvollen Art, die ich manchmal nur schwer ertragen konnte. „Vielleicht solltest du dich ein wenig ausruhen", schlug er echt heldenhaft vor. „Sean... tut mir leid... mir geht es nicht gut...", stammelte ich echt konfus. Er lächelte mitfühlend, aber auch sichtbar amüsiert. Ich hielt mir stöhnend den Schädel, der unangenehm pochte. „Mein Kopf tut so weh. Siamak meinte, dass ich eine Gehirnerschütterung habe", versuchte ich mich ziemlich blöd zu rechtfertigen.
Ich wollte ihn so gerne noch viel mehr spüren, merkte aber zu meiner Irritation, dass mein Körper sich panisch verkrampft hatte. Es gefiel mir überhaupt nicht, dass dieser scheiß Teenager mit dem Messer eine solche Macht über mich hatte. Ich war total besorgt, weil Sean jetzt das Gesicht des Typen kannte, und ich nicht abschätzen konnte, was nun passieren würde, was Sean mit seinem Wissen anstellen würde. Plötzlich fühlte ich mich unglaublich erschöpft. Ich war wie erschlagen. Du hast heute Nacht definitiv nicht genug geschlafen, registrierte ich genervt. Mein Schädel dröhnte dumpf. Ich hatte viel zu große Mühe damit, das Bild von diesem brutalen Scheißkerl und die damit verbundenen Assoziationen aus meinem Kopf zu verbannen, und das ging mir gehörig auf den Sack.
„Ist schon gut, Clay. Schlaf ein bisschen. Ich bleibe bei dir", flüsterte Sean unglaublich liebevoll. Ich schaute ihn dankbar an und konnte es nicht fassen, wie gut er mich kannte, wie sensibel er war, wie einfach er meine Verfassung hinnehmen konnte, obwohl er doch so geil auf mich war. Ich selbst hatte ihn geil gemacht, und jetzt ließ ich ihn einfach im Regen stehen, und das tat mir echt leid. Sean setzte sich neben mich, schob mein Sweatshirt samt Unterhemd hoch. Der fantastische Mann legte mir sanft seine Hand auf den Bauch, weil er mich so gut kannte, was mich auf der Stelle überwältigte. Automatisch seufzte ich behaglich auf, legte mich auf den Rücken und schloss untergeben die Augen. Ich möchte mit ihm schlafen, dachte ich wirr, ich liebe ihn so sehr, ich möchte ihm jetzt auf der Stelle das Gehirn rausvögeln!
Sean
Clay schlief erschöpft auf meinen Yogamatten ein. Vorher hatte er im Internet einen seiner Angreifer anhand dessen Stimme identifiziert, was ihn dermaßen erschreckt und verstört hatte, dass er vorerst zu keinen intimen Zärtlichkeiten mehr fähig war. Ich merkte das sofort und schickte ihn schlafen. Seine heftige Reaktion auf das Erkennen seines Peinigers erstaunte mich nicht, aber sie ging mir verdammt nah. Sie haben ihn diesmal wirklich schwer verletzt, dachte ich wütend, das war keine von den üblichen Prügeln, die er ab und zu von jemandem kassierte. Diese brutalen Teenager sind definitiv zu weit gegangen!
Ich war gerührt, weil Clay sich viel zu oft für Dinge entschuldigte, für die er überhaupt nichts konnte, so auch dieses Mal. Es war schlicht sein gutes Recht, keine Lust mehr auf Sex zu haben, und diesmal waren seine Gründe sogar nachvollziehbar. Trotzdem hatte er ständig das Bedürfnis, sich dafür bei mir zu entschuldigen, was mir echt tief rein ging und mich von innen angenehm erwärmte. Klar war ich enorm geil auf ihn, aber ich war kein triebgesteuertes Monster!
Clay erwähnte konfus, dass er eine Gehirnerschütterung hätte, und das beunruhigte mich, denn mit dieser Verletzung sollte er sich unbedingt schonen, und ich wusste, dass er das von allein sowieso nicht tun würde. Ich legte ihm meine Hand auf seinen nackten, muskulösen Bauch, weil dies die Berührung ist, die ihn grundsätzlich beruhigt. Und auch diesmal funktionierte das natürlich. Er schaute mich dankbar an und schlief innerhalb von Minuten ein.
Von Anfang an habe ich ihn darum beneidet, fast überall und zu jeder Zeit kinderleicht einschlafen zu können. Er hatte anscheinend niemals mein nerviges Problem, ungewollt durch dumme Grübeleien wachgehalten zu werden. Ich konnte mir denken, dass er wohl in der Nacht zuvor nicht besonders viel Schlaf bekommen hatte, dazu hatte er zu viel erlebt. Erst dieser brutale Überfall auf ihn, dann der nächtliche Besuch im Krankenhaus mit Eliza und danach auch noch Sex, wieder mit Eliza, von dem er mir ja so bereitwillig erzählt hatte. Womöglich hatte der Mann sich seit gestern Abend überhaupt noch nicht ausgeruht. Na toll! Und das mit einer Gehirnerschütterung!
Nun lag er auf dem Rücken und atmete ruhig und gleichmäßig, die Augen geschlossen, das hübsche Gesicht in seliger Umnachtung entspannt. Er schlief tief und fest auf meinen harten Yogamatten und brauchte dazu weder eine Decke noch ein Kopfkissen. Ich fuhr mit meiner Hand sacht über seinen muskulösen, von Schnittwunden, Hämatomen und zwei kleinen Brandwunden entstellten, aber immer noch wunderbaren Bauch. Ich verfluchte diese gewalttätigen Menschen, die ihn auf diese hinterhältige Art verletzt hatten. Jill Bennet mit ihrem scheiß Elektroschocker und der überraschend junge Kerl, der erst Steine auf Clay warf und ihn dann auch noch brutal zusammenschlug. Mit den Steinen hatte der Arsch obendrein unsere wichtige Samstagabendvorstellung zerstört. Ich schwor mir wiederholt, das auf keinen Fall einfach so zu vergessen. So einen brutalen Scheiß konnte ich nicht tatenlos akzeptieren! Ich würde Clay seine dreist geklauten Sachen zurückholen und ihn angemessen rächen. Bestimmt würde mir bald die richtige Strategie dazu einfallen.
Lange Zeit saß ich ganz still und schaute Clay Banton einfach nur an, meinen über alles geliebten Mann, während ich unentwegt seinen wunderschönen Bauch streichelte, dann seine Hüfte, seinen Oberschenkel. Mir war ganz warm, meine riesige Zuneigung zu ihm war ungebrochen. Ich war immer noch erregt, aber es war eine sanfte, unterschwellige Erregung, die nicht unbedingt auf Erfüllung pochte.
Als ich Clay Banton in der Kunsthochschule kennenlernte, hatte er keine Ahnung vom Theaterspielen gehabt. Er interessierte sich lediglich für sein Gitarrenspiel und seine Malerei. Nur mir zuliebe hatte er zusätzlich Kurse in Schauspiel und Tanz belegt, die wir gemeinsam besuchten. Mir war schon in der ersten Stunde aufgefallen, dass er aufgrund seiner unglaublichen, extremen Unbefangenheit automatisch eine große Bühnenpräsenz entwickelte. Sein fehlendes theoretisches Wissen machte er tausendfach mit seiner Experimentierfreude wett. Ich hatte aus diesem zauberhaften Mann einen psychotischen Kühlschrank gemacht, und mir war sonnenklar, wie oft er auf der Straße und im Internet deswegen gehänselt wurde. Doch Clay spielte diese Rolle mit unverminderter Leidenschaft. Er stellte sich pausenlos nackt auf die Bühne und lieferte sich all diesem Spott aus. Mir war bewusst, dass er das nur für mich tat. Er tat es, weil ich es von ihm verlangte! Es war sein Liebesdienst für mich, ein ganz besonderer, persönlicher Gefallen.
Klar, auf einer Bühne zu stehen machte ihm auch selbst viel Spaß. Er hatte Freude daran, das Publikum zu schockieren und es vor den Kopf zu stoßen. Brisante Rollen hatten ihn immer ganz besonders gereizt, sich nackt zu zeigen gab ihm jedes Mal einen geilen Kick. Aber der Kühlschrank zu werden, das war definitiv etwas, was er ausschließlich für mich tat.
Ich schaute mir diesen tief schlafenden Mann an, den ich so sehr liebte, dem ich so dankbar dafür war, und plötzlich wollte ich nicht mehr, dass unsere Performance endete. Clay Banton sollte noch viel länger der psychotische Kühlschrank für mich sein! Ich wollte diese persönliche Liebestat von ihm noch nicht aufgeben. Plötzlich wusste ich ganz genau, was ich zu tun hatte. Meine neue Performance sollte eine Fortsetzung der alten werden. Die dramatische Geschichte des Kühlschranks, die im Laufe der Monate, die wir sie nun spielten, trotz allem schon so viele Menschen erreicht hatte, mit dem so viele Leute mitgefiebert hatten, durfte einfach nicht so schnell zu Ende gehen. Schlagartig aufgeregt, tatendurstig stand ich auf und setzte mich an meinen PC.
Clay
Ich lief diesen endlosen, unebenen, gewundenen Waldweg entlang. Es war stockfinster, wahrscheinlich Nacht. Nur der Vollmond beleuchtete meinen Weg. Ich stolperte und rief nach Eliza, die ich irgendwo vor mir vermutete. Aber ich konnte sie nicht sehen und sie antwortete mir nicht. Ich versuchte, schneller zu laufen. Irgendwo riefen Vögel, knurrten Wölfe in der Dunkelheit. Als ich Eliza endlich entdeckte, stand sie vielleicht hundert Meter von mir entfernt. Sie drehte mir den Rücken zu. Ich rief sie und fing an zu rennen, aber sie beschleunigte ebenfalls ihren Schritt und war bald wieder im Dunkeln verschwunden. Der Waldweg nahm kein Ende und ich fühlte mich unglaublich einsam. Ich bekam beinahe panische Angst, als ich hinter mir die Meute hörte, die schnell näher zu kommen schien. Sie waren hinter mir her und wollten mich töten. Ihre Stimmen riefen nach mir und wurden lauter.
Ich rannte stolpernd den Weg entlang und war ganz allein. Meine Angst steigerte sich unaufhörlich. „Eliza!" schrie ich verzweifelt, „Hilf mir doch bitte!" Aber sie war längst nicht mehr da, und die Menge hinter mir kam in Sichtweite. Es war eine gesichtslose Gruppe von Menschen. Alle hatten Waffen in der Hand, blitzende Messer und Stöcke, mit denen sie mich lauthals bedrohten. Sie beschimpften und verspotteten mich. Sie warfen pausenlos Steine nach mir. Ich versuchte, noch schneller zu rennen, um ihnen zu entkommen. Der Waldweg wurde immer schmaler, er war voller Wurzeln und Unebenheiten. Ich stolperte zunehmend und hatte Mühe, vorwärts zu kommen. Mir war glasklar bewusst, dass diese Gruppe mich einholen würde. Dass sie mich töten würde, und dass ich keine Chance hatte, dem zu entgehen. Dennoch versuchte ich es weiter, indem ich mich mühsam vorwärts kämpfte.
Plötzlich trat hinter einem Baum Sean hervor. Er hatte sein Bühnenoutfit aus Psychotic Kühlschrank an, ganz in schwarz, seine Augen waren mit Kajalstift schwarz umrandet. Ich war unendlich erleichtert und erfreut, ihn zu sehen. Sofort rannte ich zu ihm hin und wollte mich hilfesuchend in seine Arme werfen. Aber er schlug mich völlig unerwartet ins Gesicht, sodass ich rückwärts taumelte und auf dem harten Waldboden hinfiel. „Sean!" flehte ich ihn an, „Bitte hilf mir, Sean!" Ich lag auf dem Rücken und sah unterwürfig zu ihm hoch. Er stand jetzt über mir und lachte spöttisch. „Hör doch endlich auf damit, Clay!" erwiderte er kalt, „Hör doch endlich auf damit, verdammt nochmal!" „Womit soll ich aufhören?" fragte ich ihn kleinlaut und verwirrt.
In diesem Moment hatte die Bande mich eingeholt. Sie stellten sich alle um mich herum auf. Sie starrten feindselig auf mich herab und hielten ihre Waffen hoch, bereit zuzuschlagen. „Hör doch endlich auf!" brüllten sie äußerst aggressiv auf mich runter. „Sean!" schrie ich entsetzt, „Womit soll ich aufhören?!" Sean stand auf einmal zwischen ihnen. Er hatte plötzlich einen Schlagstock in der Hand, den er drohend hochhielt. „Hör endlich auf zu leben, Banton!" zischte er mich böse an.
In diesem Moment wurde mir schlagartig bewusst, dass ich völlig nackt war. Das Geschrei der Menge wurde immer lauter. Sie steigerten sich in eine irre Litanei: „Hör endlich auf zu leben, Banton!" Zehn Sekunden später fingen sie alle wie auf Kommando an, mich zu schlagen. Die zornigen Menschen schlugen und traten brutal auf mich ein, ritzten pausenlos mit ihren Messern in meine Haut. Ich versuchte vergeblich, sie mir vom Hals zu halten, mich irgendwie zu schützen. Jeden Schlag konnte ich einzeln spüren, der brutal auf meinem Körper landete und mich grün, blau und rot verfärbte. Ich spürte jeden einzelnen Schnitt, der meine Haut so schwer verletzte, dass ich anfing zu bluten. „Nein, hört auf! Ich will leben!" schrie ich verzweifelt, „Hört auf! Hört auf!"
Jemand packte mich am Arm. Ich wand mich abwehrend herum und brüllte irgendwas. Jemand schlug mich ins Gesicht und rief ein paarmal: „Hör auf damit, Clay, verdammt nochmal!" Diese Stimme drang irgendwie langsam in mein verstörtes Bewusstsein. Absolut panisch und echt verwirrt schlug ich die Augen auf und sah Sean Valmont. Er hockte dicht neben mir und hielt mich am Arm fest. „Jetzt krieg dich mal wieder ein!" verlangte er vorwurfsvoll und ließ meinen Arm los. Fuck! Valmont machte mir Angst, weil ich noch halb in diesem scheiß Traum gefangen war. Intuitiv kroch ich überstürzt rückwärts von ihm weg, bis ich mir den Kopf hart an irgendwas stieß. Es war die schräge Decke aus Holz. Erschöpft beendete ich meine Flucht. Ich schnappte nach Luft und versuchte, mich zu orientieren. Erleichtert stellte ich fest, dass ich nicht nackt war. Ich saß in Valmonts Zimmer auf dem Boden. Er hockte in einiger Entfernung und betrachtete mich fassungslos. Hilflos starrte ich ihn an. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich war in Schweiß gebadet, meine Klamotten klebten förmlich auf meiner Haut, was extrem unangenehm war. Ich brauchte eine Weile, um wieder zu Atem zu kommen.
Dieses Erwachen war eines der schlimmsten in meinem Leben. Es dauerte verdammt lange, bis ich mich von diesem neuerlichen Albtraum distanzieren konnte. Außerdem taten mir alle Knochen einzeln weh, sobald ich die Augen aufgeschlagen hatte. Mein ganzer Körper und mein Kopf schmerzten und pochten. Ich konnte kaum atmen. Meine Hände zitterten nervös. Ich hatte das entsetzliche Gefühl, die Schmerzen und die verfluchte Hilflosigkeit aus meinem Traum mit in die Wirklichkeit genommen zu haben.
„Was war das denn?!" fragte Sean mich verständnislos und musterte mich interessiert. „Ich habe... geträumt...", stammelte ich heiser. Mein Hals war ganz trocken. Sean hielt mir eine Flasche Mineralwasser hin, die ich mit zitternden Fingern entgegennahm. Ich trank einen großen Schluck. Das Schlucken schmerzte. Alles an mir und in mir tat weh. „Ich hab mir schon gedacht, dass du träumst, das war ja offensichtlich. Aber was hast du geträumt, um Himmels Willen?!" grinste Sean amüsiert, „Du hast um dich geschlagen und geschrien, als wollte dich jemand umbringen!"
Es ärgerte mich sehr, dass er sich über mich lustig machte. Dieser Traum war schlicht zu erniedrigend. Er war viel zu real gewesen, um ihn amüsant zu finden oder ihn jemandem mitzuteilen. Ich hatte noch immer Angst. Ich fühlte mich so dermaßen verletzt, so hilflos ausgeliefert diesem Schmerz, dass ich Seans Grinsen kaum ertragen konnte. Shore, dachte ich unwillkürlich gierig, ich brauche jetzt unbedingt Heroin!
„Hast du noch shore?" fragte ich Sean spontan und legte meine ganze Verzweiflung in diese Frage. Er sollte unbedingt merken, wie verflucht dringend ich diese Linderung meines Schmerzes jetzt brauchte. Aber der Arsch merkte es nicht. Sein Grinsen starb augenblicklich. Er betrachtete mich eine Weile abschätzend. Dann schüttelte er den Kopf. Diese Antwort konnte ich nicht ertragen, geschweige denn akzeptieren. Sofort zog sich alles in mir zusammen. Er lügt, hämmerte es heftig in mir, diese verdammte Schwuchtel will mich tatsächlich verrecken lassen!
„Hör doch auf, du hast noch was, Valmont!" knurrte ich ihn drohend an. Er schüttelte nochmal seinen hübschen Kopf. „Nein", behauptete er schlicht. Ich atmete gequält ein. „Du hast gestern zweieinhalb Gramm gekauft! Die kannst du unmöglich schon weggeraucht haben, du Arsch!" schrie ich verzweifelt. Er hob beschwichtigend die Arme. „Doch, Clay, ich habe wirklich keine shore mehr", versicherte er mir ruhig, „Das kannst du mir ruhig glauben." „Du lügst!" brüllte ich entsetzt. Ich versuchte, ihn zu schlagen, aber ich konnte kaum meine Arme heben. Mühsam kroch ich zu ihm hin. Er wich mir mühelos aus, indem er einfach aufstand. „Mann, Banton, krieg dich wieder ein!" zischte er abwertend auf mich runter, „Ich habe keine scheiß shore mehr. Ich kann dir nichts geben, kapiert?!" „Du willst mir nichts geben, du Wichser!" erwiderte ich erbost und starrte ihn feindselig an. Er betrachtete mich mitleidig, was mich unwahrscheinlich nervte.
Ich wich seinem Blick stöhnend aus und sah mich hilflos im Zimmer um. Ich hatte einige Mühe, nicht in Panik zu geraten. Mein Atem ging viel zu schnell und ich versuchte nervös, mich zu beruhigen. Ich fragte mich, wo er die shore wohl versteckt hatte. Nicht eine Sekunde lang kam mir in den Sinn, dass Sean vielleicht die Wahrheit gesagt hatte. Ich hielt mich krampfhaft an dem Gedanken fest, dass er mir früher oder später seine shore geben würde. Sein blödes Spielchen ärgerte mich maßlos, aber es wunderte mich nicht. Es war Sean Valmonts typische Art, mir seine ständige Überlegenheit zu demonstrieren.
Nervös wischte ich mir mit den zitternden Fingern über mein schweißnasses Gesicht. Planlos betrachtete ich Seans Dachzimmer, konnte aber kein Versteck ausmachen. Ich hatte keine Ahnung, wo er seine Drogen normaler Weise aufbewahrte, wurde mir genervt bewusst. Mein Körper schmerzte und ich hatte absolut keine Lust auf eine sinnlose Suchaktion. Aber Sean stand nur dort und guckte mich an. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Er hat nicht die Absicht mir zu helfen, registrierte ich enttäuscht. Es macht ihm Spaß, mich leiden zu sehen, dem blöden Arsch!
Gequält stöhnte ich auf und setzte mich mühsam in Bewegung. Ich musste meine ganze Kraft und Konzentration in dieses Vorhaben legen. Ich versuchte, Valmont zu ignorieren, der mich immer noch reglos beobachtete. Ich versuchte, meinen Schmerz zu ignorieren. Vorsichtig kroch ich über den Boden zu Seans Kleiderschrank, in der Absicht, dort mit dem Suchen anzufangen. Aufmerksam studierte ich die Holzbalken, den Boden und die Wände, um irgendwo eine Unebenheit, ein geheimes Versteck zu finden. Jede Bewegung schmerzte. Mein Körper und meine Seele verlangten jetzt heftig nach Linderung. Ich erreichte seinen Schrank und stand langsam auf, um ihn zu öffnen. Mein Kreislauf versagte für einen Moment. Mir wurde schwarz vor Augen und ich hielt mich an dem Möbelstück fest. Dann öffnete ich die beiden Schranktüren. Sein Schrank war natürlich tadellos aufgeräumt. Seine Kleidung war gewaschen und gebügelt in spießiger Ordnung gestapelt worden.
„Was hast du vor, Clay? Was willst du an meinem Schrank?" fragte Sean mich plötzlich und kam zu mir hin. Er stellte sich dicht neben mich und blickte mich irritiert an. „Lass mich in Ruhe!" zischte ich zu ihm hin, ohne ihn anzusehen. Seine gnadenlose Heuchelei war für mich unerträglich, denn schließlich wusste er genau, wonach ich auf der Suche war. Kurzentschlossen fuhr ich mit meiner Hand zwischen die Anziehsachen. „Hör auf damit!" beschwerte Sean sich sofort. Er versuchte, meinen Arm aus seinem Stapel T-Shirts zu ziehen. Ich knurrte und wehrte ihn ab. Dann nahm ich voller Wut den ganzen Packen und zog ihn aus dem Schrank. Die T-Shirts fielen auf den Boden. „Spinnst du?!" Sean fixierte mich alarmiert. „Was soll denn der Scheiß?!" rief er verärgert. Ich grinste böse und riss noch ein paar andere Klamotten aus seinem Schrank.
Bis er mich stoppte, indem er mich an der Schulter packte und von seinem Schrank wegschubste. Ich hatte Mühe, nicht mein Gleichgewicht zu verlieren und taumelte rückwärts. „Du verdammtes Arschloch!" schrie ich Valmont ungeduldig an, „Jetzt gib mir endlich die scheiß shore! Lass mich nicht länger suchen, du blöder Wichser!" Sean starrte mich fassungslos an. „Was?! Du suchst ernsthaft nach der shore, von der ich dir gesagt habe, dass ich sie nicht mehr habe?!" wollte er ungläubig wissen. Ich stöhnte laut auf. „Jetzt hör endlich auf mit diesem verdammten scheiß Spiel, Valmont!" brüllte ich verzweifelt. Ich war dermaßen aufgewühlt und angeschlagen, dass ich kaum noch einen klaren Gedanken zustande brachte. Ich hatte nur Mister Sean Valmont vor Augen, der ganz offensichtlich keinen Affen schob, obwohl er gestern jede Menge konsumiert hatte. Er hatte das mit mir zusammen getan. Und deshalb war es für mich selbstverständlich, dass er noch Heroin haben musste. Dafür gab es keine andere Erklärung!
Sean kam jetzt auf mich zu. Ich wich aufgeregt vor ihm zurück, aber er breitete seine Arme aus. Völlig verwirrt ließ ich es zu, dass der attraktive Mann mich umarmte. Er strich mir über den Kopf und betrachtete mich traurig. „Beruhige dich doch, Clay", bat er mich leise.
Einige Sekunden war es still, in denen ich versuchte, mich zu beruhigen. Ich atmete verkrampft ein. „Warum lässt du Arsch mich hier verrecken? Warum bist du so verdammt... gemein zu mir?" fragte ich ihn heiser. Mein Hals tat weh. Ich spürte heiße Tränen in meine Augen steigen und drehte mich hilflos von ihm weg. Er seufzte betrübt und betrachtete mich mitleidig. Ich stand blöd in der Gegend herum und starrte konfus auf das Plakat von Psychotic Kühlschrank an der Wand. Das ist so ein blödes scheiß Gemälde, fiel mir deprimiert auf, dieses scheiß Plakat ist mir total misslungen! In meinem Kopf drehte sich alles. Hinter meinen Schläfen pochte es schmerzvoll.
Viel zu lange war es ganz still in diesem Zimmer. „Traust du mir das wirklich zu?" hörte ich Sean plötzlich leise fragen. Ich wandte mich ihm wieder zu. Er stand dort und wirkte, wie vor den Kopf geschlagen. Ich hatte keine Ahnung warum und es war mir auch scheißegal. Mein Körper und meine Seele schmerzten. Ich hatte keine Lust mehr, dieses Elend auch nur noch einen Moment länger auszuhalten. Ich muss hier raus, dachte ich verzweifelt. Fuck! Ich halte das nicht mehr aus!
„Was meinst du?" erkundigte ich mich dennoch genervt. „Traust du mir echt zu, dich eiskalt in diesem Zustand hängen zu lassen, wenn ich noch Heroin hier hätte?" wollte Sean gekränkt von mir wissen. Alarmiert betrachtete er mich und wartete angespannt auf meine Antwort. In diesem Moment war es mir scheißegal, ob ich womöglich seine Gefühle verletzte. Es ging mir definitiv viel zu dreckig für Höflichkeiten! „Natürlich traue ich dir das zu, Valmont! Ich traue dir alles zu, wenn du nur deinen Spaß daran hast!" warf ich ihm böse an den Kopf, weil ich gerade fest davon überzeugt war. Seans Augen verengten sich auf der Stelle. Sein Blick veränderte sich. Er hatte sichtbar große Mühe, meine schlechte Meinung über ihn zu verdauen. Blödes Arschloch, dachte ich nur. Ich war immer noch fest davon überzeugt, dass er seine shore vor mir verbarg, aus welchem scheiß Grund auch immer.
„Du weißt, dass das nicht stimmt, dass ich so etwas nie tun würde!" meinte Sean beinahe beschwörend zu mir. „Herrgott, Sean!" heulte ich ungeduldig auf. Ich fühlte mich absolut überfordert von dieser Situation. Meine Gedanken hatten plötzlich nichts mehr, woran sie sich festhalten konnten. Denn ganz unvermittelt wurde mir bewusst, dass er tatsächlich keine shore mehr hatte. Meine mühsam aufrecht erhaltene Fassung drohte völlig in sich zusammenzubrechen.
„Tu doch irgendwas, Sean! Hilf mir doch!" jammerte ich ohne zu überlegen los. Hilfesuchend taxierte ich ihn. Er lächelte erleichtert und kam wieder auf mich zu. Ich hatte Mühe, nicht vor ihm zurückzuweichen. Er nahm mich spontan liebevoll in den Arm und streichelte sanft meinen Kopf, mein angeschlagenes Gesicht, was meinen Schmerz kaum linderte. Ich stand nur starr dort und ließ seine Berührung über mich ergehen. Im Grunde wollte ich in diesem Moment nicht, dass er mich anfasste. „Es geht mir beschissen, Sean!" seufzte ich hilflos.
Warum tut er nichts, dachte ich enttäuscht, warum zur Hölle hilft er mir denn nicht? Fuck! Ich fragte mich verwirrt, warum ich überhaupt hierher gekommen war, wo doch scheiß Sean Valmont offensichtlich nichts für mich tun wollte. Ich hätte lieber zu Sergej fahren sollen, überlegte ich ernsthaft, das wäre wahrhaftig klüger gewesen! Ich sollte sofort zu Sergej fahren und ihn aus dem Bett klingeln, beschloss ich konfus. Aber dann fiel mir ein, dass ich keine Ahnung hatte, wo Sergej wohnte.
Ich sah Sean an, der jetzt dicht vor meinem Gesicht war. Er streichelte meine nasse Stirn, meine Wangen, mein geschwollenes Auge. „Die haben dich ganz schön verprügelt, was?" bemerkte er überflüssiger Weise. Seine Stimme war jetzt weich und liebevoll. Ungeduldig seufzte ich. „Ja", brachte ich nur hervor. „Warum hast du keinen Affen?" wollte ich dann von ihm wissen. Er lächelte breit. Seine schönen, hellblauen Augen blitzten amüsiert. „Weil ich Thai Chi praktiziere", flüsterte er und küsste meinen Hals. „Schwachsinn!" stöhnte ich angewidert. Ich war nahe daran, mich von ihm wegzudrehen, mich seiner Nähe irgendwie zu entziehen. Seine spürbar wachsende Erregung ging mir unglaublich auf den Geist. Ich fühlte mich wie ausgekotzt, und dreister Valmont geilte sich langsam aber sicher an mir auf!
Er vergrub sein Gesicht zwischen meinem Hals und meiner Schulter und fuhr mit seiner Zunge zart über meinen Hals. Er atmete tief. Seine Hände wanderten sanft über meinen Rücken. Ich stand nur wie erstarrt und schloss hilflos die Augen. Alles zog sich in mir zusammen vor Widerwillen. Mein Herz klopfte nervös. Ich dachte daran, ihn einfach wegzuschubsen. „Du brauchst ganz dringend eine Dusche, Clay", flüsterte er mir ins Ohr. Ich lachte spontan gehässig auf. „Ja, klar, Valmont! Stell dich nackt unter die Dusche, Clay, ich möchte dich gerne in den Arsch ficken!" schoss es völlig unüberlegt extrem spöttisch aus mir heraus.
Sean zuckte richtiggehend zusammen und machte einen Schritt zurück. Fassungslos starrte er mich an. Ich hielt seinem tödlichen Blick konfus stand. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich grinste ihn verachtend an. Im nächsten Moment schlug Sean Valmont mich plötzlich brutal ins Gesicht. Darauf war ich nicht gefasst und fiel durch den Schlag wie ein nasser Sack zu Boden. Verdammt hart schlug ich rückwärts auf dem Holzboden auf. Völlig benommen blieb ich auf dem Rücken liegen. Verwirrt schaute ich zu Sean hoch. Er beugte sich zu mir. Sein hübsches Gesicht war vor Wut verzerrt. Seine schönen Augen schossen Giftpfeile auf mich ab. Er atmete ein paar Mal laut durch. „Sprich nie wieder so mit mir, Banton! Nie wieder!" brüllte er mich erbost an. Dann drehte er sich beleidigt herum und verließ hastig über die Treppe seine Dachkammer. Besiegt lag ich auf dem harten Dielenboden und hielt mir stöhnend den Kopf fest.
Sean
Seit ein paar Wochen schon hatte ich die unzähligen Kommentare über Psychotic Kühlschrank nicht mehr gelesen. Es gab immer welche. Sie standen auf der Internetseite des Grenzland-Theaters und der Video-Plattform, unter den verschiedenen Zuschauer-Videos. Auch auf der Seite unserer Theatergruppe und meiner persönlichen Seite konnten die User sich verewigen, und sie taten es überraschenderweise mit Begeisterung. Nach der Premiere der Performance hatten sich die Leute beinahe überschlagen, um ihre Meinung im Internet kundzutun. Inzwischen waren die Beiträge weniger geworden, aber es gab immer mal wieder etwas Neues zu lesen. Das war bei weitem nicht immer Positives, weswegen ich schon in der richtigen Stimmung sein musste, um mich überhaupt damit zu beschäftigen. Ich wollte nicht zu sehr durch niederschmetternde Kritiken deprimiert werden.
Aber nun war ich in der richtigen Verfassung dafür. Ich war erstaunlich optimistisch, in Aufbruchstimmung, fühlte mich stark und kreativ. Und es überraschte mich ehrlich ganz extrem, wie überwiegend positiv die vielen verschiedenen Bemerkungen ausfielen, wie eifrig und interessiert sich die fremden Menschen da draußen immer noch mit meiner Performance auseinandersetzten. Aus den vielen neugierigen, übermütigen Mutmaßungen konnte ich eindeutig herauslesen, dass eine Fortsetzung der Geschichte auf jeden Fall gewünscht wurde. Die Leute fragten sich tatsächlich, wie es mit dem traurigen Kühlschrank wohl weiterging, was mich echt positiv überwältigte.
Diese unerwartet angenehme Entdeckung bestärkte mich nicht unwesentlich in meinem Entschluss, eine Fortsetzung zu schreiben. Ich hatte das Ende der Geschichte absichtlich offen gelassen. Die Zuschauer sollten die Story selber weiterspinnen, und das taten sie erfreulicherweise tatsächlich. Das Leben des psychotischen Kühlschranks war noch lange nicht vorbei. Es gab noch so viel Neues zu entdecken, so viele Wendungen, Liebe und Wut, neue Ausdrucksformen, seltene Choreographien, Tänze und Akrobatik, die ich einbauen wollte. Meine Ideen sprudelten aus meinem Kopf und beflügelten mich. Natürlich würde Clay auch neue Musik dazu schreiben, worauf ich ehrlich gespannt war. Herr Banton hatte ein echt erstaunliches Talent dafür bewiesen, meine Bühnen-Experimente mit den richtigen, passenden Melodien und musikalischen, tiefgreifenden Texten zu füllen.
Voller Vorfreude machte ich mich daran, der neuen Performance ihr Gerüst zu verpassen. Ich verfasste Dialoge und Bühnenbilder, brachte Gefühle und Ereignisse schriftlich auf den Monitor. Ich hatte mein Thema gefunden, deshalb schrieb sich Psychotic Kühlschrank 2 - Supernova Soul im Endeffekt fast wie von selbst. Im Laufe letzten Monate hatte ich mir schon unzählige Notizen für eine neue Performance gemacht. Aber jetzt sprang mich die Geschichte förmlich an. Es war unglaublich, absolut verblüffend, wie logisch plötzlich alles war, wie viele Ideen aus meinem Gehirn sprudelten, in welch kurzer Zeit ich eine komplette, etwa zweistündige experimentelle Performance in meinem Computer erschaffen hatte.
Es mögen vielleicht insgesamt drei Stunden gewesen sein, die ich für die Rohfassung benötigte. Ich benutzte dabei meine unzähligen Notizen und auch die überraschend vielen konstruktiven Verbesserungsvorschläge der Zuschauer aus dem Internet und schrieb das ganze Stück in einem einzigen kreativen Schwall herunter. Ich machte dabei keine Pausen, höchstens, um einen großen Schluck Mineralwasser zu trinken oder mir eine Zigarette anzuzünden.
Später hatte ich plötzlich das äußerst dramatische Ende geschrieben und starrte erstaunt auf die letzten Zeilen auf dem Bildschirm. Ich saß immer noch auf meinem bequemen Schreibtischsessel, den großen Monitor vor mir auf dem Schreibtisch. Das Ende des Stücks überraschte mich selbst. Es schrieb sich genauso autonom, wie die ganze experimentelle Performance. Es floss selbständig aus mir heraus. Als wäre es schon immer in mir drin gewesen, und ich hätte nur den Hahn aufgedreht und es herausgelassen. Die Geschichte floss förmlich über meine Finger auf die Tastatur und damit auf die Festplatte des PCs. Dort stand sie jetzt schwarz auf weiß. Ich speicherte sie mehrmals in verschiedenen Ordnern ab und schickte danach die Dateien an Marc, Vincent und Clay. Beinahe auf die gleiche Art waren auch Sexual Senseless und Psychotic Kühlschrank entstanden.
Nur langsam wurde mir richtig bewusst, was genau gerade passiert war. Ich konnte kaum fassen, dass ich unsere kleine Theatergruppe womöglich gerade völlig unerwartet gerettet hatte, weil Psychotic Kühlschrank 2 - Supernova Soul durch mich entstanden war. Unglaublich dankbar schaute ich zu Clay Banton hin, der immer noch auf den Yogamatten lag und schlief, weil nur er allein mir diese unglaubliche Inspiration geschickt hatte. Dieser Mann war eindeutig magisch! Davon war ich felsenfest überzeugt!
Inzwischen hatte Clay sich im Schlaf unbewusst auf die Seite gedreht und lag nun in einer embryonalen Stellung dort. Mir fiel auf, dass mein Mann sehr unruhig atmete. Er bewegte sich im Schlaf, offensichtlich träumte er irgendwas. Ich beobachtete ihn eine Weile mit wachsender Zuneigung. Ich wollte zu ihm hingehen und ihm von dem neuen Stück erzählen, und dass er darin erneut die Hauptrolle spielen würde. Aber im nächsten Moment wollte ich ihn doch lieber nicht aufwecken. Mir fiel wieder ein, wie stark angeschlagen Clay zur Zeit war, weil ihn dieser verdammte Arsch in der letzten Nacht zusammen mit seinen drei Freunden mächtig verprügelt hatte. Ich war immer noch extrem wütend über diese Art von brutaler Rache, die mit Sicherheit so nicht gerechtfertigt werden konnte.
Mit der Zeit wurden Clays unbewusste Bewegungen zunehmend heftiger. Er stöhnte lauter vor Unbehagen. Es wurde offensichtlich, dass er einen ziemlich bösen Albtraum hatte. Neugierig stand ich auf und ging langsam zu ihm hin. Er wälzte sich jetzt förmlich auf dem Boden herum und versuchte, sich irgendwas vom Leib zu halten. Seine Augen flatterten heftig unter den geschlossenen Lidern. Sein Gesicht war schweißnass, seine Kleidung schien ihm nass am Körper zu kleben. Ich beobachtete ihn eine Weile. Dann ließ ich mich spontan auf die Knie sinken und packte ihn vorsichtig am Arm. Er murmelte etwas, das wie „Hilf mir" klang. Ich rüttelte ihn sacht am Arm gepackt. „Hey, Clay, wach auf!" rief ich ihm zu. Er hörte nicht damit auf, unwillentlich um sich zu schlagen und fing an zu treten, die Augen noch immer fest geschlossen. Sein Atem kam jetzt stoßweise. „Hör auf! Hör auf!" schrie er in merkbarer Panik.
Zuerst war ich einigermaßen amüsiert von seinem Albtraum, obwohl der anscheinend äußerst unangenehm für ihn war. Bis mir schließlich der Grund seines unruhigen Schlafes einfiel, und sofort fand ich die Situation überhaupt nicht mehr lustig. Clay Banton hatte Albträume, weil brutale Teenager ihm echt übel mitgespielt hatten, und das hatte er ganz sicher nicht verdient!
Es schien mir schließlich angebracht, Clay aufzuwecken, um ihn damit von diesem bösen Traum zu erlösen. Ich hatte den Eindruck, er erlebte die Prügelei aus der Nacht noch einmal, oder etwas Ähnliches. Völlig panisch schlug und trat er um sich und traf mich dabei einige Male. Ich hatte große Mühe, ihn zu bändigen. Ich hielt ihn fest am Arm und rüttelte ihn hart durch. „Wach auf!" rief ich ungeduldig. „Hör auf damit, verdammt nochmal!" fuhr ich ihn an, als er weiterhin um sich schlug. Nur mühsam konnte Clay sich endlich von seinem Traum losreißen. Er schlug die Augen auf und starrte mich entsetzt an. „Krieg dich mal wieder ein!" forderte ich ihn auf und ließ seinen Arm los. Zu meinem Erstaunen kroch er auf der Stelle überstürzt, ängstlich, rückwärts von mir weg, bis er sich den Kopf abrupt hart an dem schrägen Dachbalken anschlug. Nach Luft schnappend blieb er schließlich sitzen. Mit vor Panik weit aufgerissenen Augen fixierte er mich, als wäre ich eine Bedrohung.
„Was war das denn?" fragte ich ihn mitfühlend und neugierig. Aber der verstörte Mann war nicht gewillt, mir von seinem Albtraum zu erzählen. Im Gegenteil, er war sichtbar auf Entzug. Clay Banton hatte jetzt keine Zeit mehr für andere Dinge. Das wurde mir mit einem weiteren Blick seiner irren Augen sofort schmerzlich bewusst. Ich seufzte enttäuscht, denn Banton würde im Moment nichts weniger interessieren, als unsere neuen Bühnen-Experimente. Ich dachte darüber nach, ob ich zu Marc gehen könnte, um ihn um Codein für Clay zu bitten.
„Hast du noch shore?" fragte Clay mich prompt gierig, was mich überhaupt nicht überraschte. Sein Blick und seine Panik sprachen Bände. Ich bekam den traurigen Eindruck, er wäre von seinem Albtraum übergangslos in einen neuen Albtraum geraten, was mein Mitleid mit ihm ziemlich verstärkte. Ich erklärte ihm, dass ich keine shore mehr hatte. Das war die Wahrheit, aber er konnte das in seinem Leid nicht akzeptieren. Er warf mir heftig vor, ihn eiskalt anzulügen.
Er stand zielstrebig auf und taumelte zu meinem Schrank. Alarmiert beobachtete ich ihn. Ich fühlte mich hilflos, denn ich konnte ihm seinen offensichtlichen Schmerz nicht abnehmen. Clay war jetzt sehr angeschlagen, er sah krank und gehetzt aus. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Die Schmerzen des Entzugs mischten sich offenbar mit den Schmerzen seiner Wunden. Ich hatte deswegen großes Mitleid mit ihm. Andererseits ging es mir unglaublich auf die Nerven, wie verbissen er sich an der Hoffnung festhielt, dass ich doch noch irgendwo Heroin versteckt haben könnte. Wie verachtend er mich der Lüge beschuldigte. Es kränkte mich, dass er mir ernsthaft zutraute, ihn in so einer schlimmen Situation anzulügen, um meine Drogen vor ihm zu verbergen. Das würde ich doch niemals tun!
Clay öffnete meinen Kleiderschrank und durchsuchte ihn. Das begriff ich erst richtig, als er schon verbissen damit beschäftigt war. Ich konnte es nicht fassen, dass er mir nicht glaubte, dass er mir eine solche Gemeinheit wahrhaftig zutraute. Genervt sprang ich auf und riss ihn energisch vom Schrank weg, weil er damit anfing, meine frischen Sachen herauszureißen und auf den Boden zu werfen. „Hör auf damit!" wies ich ihn verärgert zurecht. Er taumelte rückwärts und starrte mich entsetzt an. „Du verdammter Wichser!" beschimpfte er mich gehetzt, „Jetzt gib mir endlich die scheiß shore!" Er stand völlig hilflos dort, atemlos, rang um sein Gleichgewicht und war nahe daran, die Nerven zu verlieren. Ich betrachtete ihn erschrocken. Die Intensität seines Entzuges wurde mir erst jetzt richtig bewusst. Ich werde zu Marc gehen, nahm ich mir spontan vor, ganz egal, ob Marc sich aufregt, er muss mir Codein für Clay geben.
Es verletzte mich ziemlich, dass Clay mich beschimpfte und mich der kalten Lüge beschuldigte. Aber ich entschuldigte sein wirres Verhalten, wie so oft, mit seinem akuten Entzug. Clay Banton war wieder einmal affig und verlor deshalb auch diesmal völlig die Kontrolle über sich. Spontan ging ich zu ihm hin und nahm ihn in den Arm. Ich wollte ihn damit trösten, ihm irgendwie helfen. Seine offensichtliche Verletzbarkeit rührte mich zutiefst. Es schmeichelte mir, dass er zu mir gekommen war, um sich von mir trösten zu lassen. „Beruhige dich doch", redete ich leise auf ihn ein und streichelte ihn sanft. Sein schönes Gesicht war geschwollen und nass vom Albtraum und dem kalten Schweiß des Entzugs. Er stand wie erstarrt und bewegte sich nicht. Er erwiderte meine Zärtlichkeiten nicht, schien sie aber zu genießen.
Letzten Endes wurde ihm klar, dass ich die Wahrheit gesagt hatte, dass ich tatsächlich kein Heroin mehr hatte. „Hilf mir doch!" stöhnte er daraufhin verzweifelt, „Tu doch irgendwas, Sean!" Ich lächelte und küsste seine Wange. Seine unmittelbare Nähe gefiel mir außerordentlich. Sein Körper erregte mich automatisch, obwohl er jetzt intensiv nach Schweiß roch. Ich küsste seinen Hals. Ich wollte ihm so gerne alle Schmerzen wegküssen, aber das funktionierte ja leider nicht.
„Es geht mir beschissen!" beschrieb Clay hilflos seine Situation. Ich besorge dir das Codein, beschloss ich insgeheim liebevoll, ich gehe jetzt gleich runter zu Marc. Nur noch ein ganz kleiner Moment der Nähe, gierte es in mir. Ich konnte mich noch nicht sofort von ihm losreißen, mein Körper begehrte ihn unvermindert ganz von allein. Ich streichelte seinen Rücken und küsste mich zu seinem Ohr hin. „Du brauchst ganz dringend eine Dusche, Clay", flüsterte ich lüstern hinein. Die Vorstellung, jetzt gleich mit ihm zusammen zu duschen, erregte mich unwillkürlich stark.
Aber Clays gehässige Reaktion auf meine liebevoll gemeinten Worte war schlimmer als alles, was er mir bisher schon an den Kopf geworfen hatte. Sie war viel schlimmer als jede andere Beleidigung! Er lachte total irre auf und warf mir höhnisch und gemein vor, dass ich ihn ja nur in den Arsch ficken wollte. Mein Mann hätte mir genauso gut mit einem harten Gegenstand auf den Kopf schlagen können. Alles in mir krampfte sich schmerzhaft zusammen. Entsetzt wich ich einige Schritte vor ihm zurück. Er grinste mich mit einer so offenen Verachtung an, dass ich ihn blitzartig nicht länger ertragen konnte. Spontan, völlig unüberlegt schlug ich ihn hart ins Gesicht. Zu meiner Überraschung fiel er auf der Stelle, absolut wehrlos rückwärts zu Boden. „Sprich nie wieder so mit mir, Banton! Nie wieder!" fuhr ich ihn fassungslos an.
Im nächsten Moment konnte ich seinen wirren, gehetzten Anblick, sein offen und unverhüllt nach Heroin schreiendes Wesen auf einmal nicht mehr aushalten. Ich konnte ihn nicht mehr ertragen, konnte mich nur noch hastig herumdrehen und so schnell wie möglich die Treppe hinunterstolpern. Mir stiegen unwillkürlich Tränen in die Augen. Ich ärgerte mich darüber und wischte sie eilig weg. Es ärgerte mich am meisten, dass Clay Banton mich mit so einer blöden scheiß Bemerkung so sehr verletzen konnte.
Verwirrt und verwundet flüchtete ich ins Badezimmer und schob die Tür hinter mir zu. Ich stand eine Weile vor dem Spiegel und zwang mich ernsthaft, nicht in Tränen auszubrechen. Ich versuchte entschieden, mich zu beruhigen. Ich entschuldigte Clays gemeine Gehässigkeit natürlich erneut mit seinem verdammten Entzug, obwohl mir das ziemlich auf den Geist ging, weil es beinahe alles entschuldigte. Ich überlegte verbittert, ob er diesmal womöglich zu weit gegangen war, ob ich ihm diesmal vielleicht nicht verzeihen konnte. Aber natürlich würde ich ihm früher oder später verzeihen, wurde mir schnell klar. Ich fragte mich irritiert, ob ich nicht deswegen ein riesengroßer Dummkopf war. Ob Vincent nicht vielleicht doch recht hatte mit seiner ständigen Aufforderung, Clay Banton rigoros aus meinem Leben zu werfen.
Ich wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser, damit niemand meine Tränen bemerken konnte. Dann atmete ich tief durch und verließ das Badezimmer. Entschlossen ging ich hinüber zu Marcs Zimmer und klopfte gegen die geschlossene Tür. Er rief mich sofort herein. Ich betrat sein Zimmer und setzte ein Lächeln auf. Ich wollte mir nichts anmerken lassen. Aber Marc kannte mich viel zu gut, um meine Traurigkeit nicht sofort zu bemerken. Er betrachtete mich alarmiert, sagte jedoch nichts. „Supernova Soul ist so gut wie fertig!" informierte ich ihn schnell, um seinen bestimmt unangenehmen Fragen zuvorzukommen. Er lächelte amüsiert. „Supernova Soul?" fragte er verständnislos. „Unsere neue Performance. Die Fortsetzung von Psychotic Kühlschrank", erklärte ich bemüht fröhlich und ging zu ihm hin. Er saß vor seinem PC und programmierte irgendeine neue Software. Marc Hellberg konnte sich als Software-Entwickler stundenlang mit dem Austüfteln neuer Programme beschäftigen, wenn er einen Auftrag dazu bekam, was eigentlich pausenlos der Fall war. Er verdiente mit dieser Arbeit, die zusätzlich sein Hobby war, überraschend viel Geld.
Ich linste ihm über die Schulter auf den Bildschirm, wo sich endlose Zahlen, Zeichen und Buchstaben dicht aneinanderreihten. „Ich habe es dir geschickt", erklärte ich Marc, „Bitte druck zwei Exemplare aus, okay? Dann kannst du es dir ja mal ansehen." Er warf einen Blick auf die Uhr und betrachtete mich ehrlich erstaunt. „Soll das heißen, du hast in knapp drei Stunden tatsächlich ein komplettes Stück geschrieben?" wollte er beeindruckt wissen. Ich nickte und lächelte bescheiden. „Ich habe es euch doch gesagt. Es ist ja nur eine Fortsetzung und war schon vorher fast fertig", log ich ihn an. Er lächelte erfreut und berührte meinen Arm. „Du bist ein echtes Genie, Sean!" meinte er anerkennend. Ich winkte verlegen ab, aber seine Schmeichelei tat mir ziemlich gut. Marc speicherte spontan sein Programm ab und drehte sich zu mir herum. „Ich werde es mir sofort ansehen", versprach er aufgeregt. „Mach dir bitte Gedanken über die Kulissen und die Kostüme", bat ich ihn, „Ich habe meine Ideen schon dazu geschrieben, aber vielleicht fällt dir ja noch was Besseres ein." „Das mach ich unverzüglich", nickte er und betrachtete mich dann aufmerksam. Sein Blick verunsicherte mich, und ich drehte mich nervös von ihm weg.
Eine Weile war es ganz still in Marcs Zimmer. Ich starrte verwirrt auf die großen Bilder an seiner Wand. Es waren höchst romantische Fotografien mit Landschaftsaufnahmen. „Was ist los?" fragte Marc mich unvermittelt. Ich seufzte und konnte ihn nicht ansehen. „Nichts! Was soll denn los sein?" „Du bist nicht halb so glücklich, wie du sein solltest, Sean!" stellte Marc scharfsinnig fest und fixierte mich beunruhigt. Ich schloss für einen Moment die Augen. „Es ist nichts. Ich bin nur müde", versuchte ich ihm auszuweichen. Aber er kannte mich zu gut, um mir das so ohne weiteres abzunehmen. „Flippt der da oben wieder aus?" fragte Marc mich vorsichtig. Es war direkt klar, dass er von Clay sprach. „Nein!" wehrte ich verärgert ab und drehte mich kampfbereit zu ihm hin. Er lächelte traurig. Sein Blick versicherte mir, dass ich ihm nichts vormachen konnte, und dass das auch gar nicht nötig war. „Ja", gab ich also still zu. „Was ist passiert? Was war das für ein lautes Poltern vorhin?" wollte er sogleich neugierig wissen.
Ich seufzte deprimiert und setzte mich auf sein Sofa. Ich wusste nicht, wie ich mich ausdrücken sollte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Gefühle beschreiben sollte, da ich sie selbst kaum verstand. „Er ist auf Entzug", teilte ich Marc schließlich leise mit, „Er hat mich beschuldigt, dass ich mein Heroin vor ihm verstecken würde." Marcs Blick wurde spontan schärfer. „Und tust du das?" fragte er mich alarmiert. „Nein!" versicherte ich ihm sofort beleidigt, „Ich habe kein scheiß Heroin mehr!" „Und kaufst du dir nochmal welches?" wollte Marc geradeheraus wissen. Er schaute mich nun ganz offen an. Bei ihm war kein Platz für Lügen oder Ausflüchte, signalisierte sein nüchterner Blick. Ich schüttelte überzeugt den Kopf. „Nein, damit bin ich fertig, Marc! Das weißt du doch!" „Ich weiß auch, dass du mich heute um Codein gebeten hast", bemerkte er trocken. „Ja, und das war das letzte Mal!" entgegnete ich leicht genervt. Er seufzte leise: „Das hoffe ich für dich, Sean."
Ich schwieg aufgewühlt und starrte an die gegenüberliegende Wand auf sein Bücherregal. Warum lenkt er das Gespräch auf mich? Ich bin wirklich nicht das Problem, dachte ich trotzig. Es ging mir ziemlich auf die Nerven, dass Marc mir wegen der Drogen Vorwürfe machte. Andererseits hatte ich das starke Bedürfnis, mich jemandem mitzuteilen. Sein Interesse an meinen Problemen tat mir jedes Mal gut. Marc ist ein echt guter Freund, rief ich mir ins Bewusstsein, ich kann immer ehrlich zu ihm sein. Er wird mich nie verurteilen.
Vorsichtig guckte ich wieder zu ihm hin. Er saß immer noch ganz ruhig auf seinem Schreibtischstuhl. Er hatte sich zu mir gedreht und lächelte mich aufmunternd an. „Und deswegen bist du so durch den Wind? Weil Clay dich nach Drogen gefragt hat? Das glaube ich dir nicht, Sean. Das tut Herr Banton schließlich jeden Tag!" nahm Marc unser Thema leichthin wieder auf. Ich zögerte und griff nervös nach den Zigaretten, die auf seinem Tisch lagen, obwohl Marc gar nicht rauchte. Vincent hat vielleicht seine Schachtel Marlboro hier vergessen, überlegte ich einen Moment verwirrt. Ich zündete mir eine an und dachte eine Weile darüber nach, wie ich mich ausdrücken sollte. Marc bewies seine unendliche Geduld ein weiteres Mal, indem er einfach nur still abwartete.
Schließlich gab ich mir einen Ruck. „Ich habe ihm gesagt, dass er eine Dusche braucht...", erzählte ich leise. Marc lächelte sofort wissend. Das irritierte mich und ich starrte verlegen auf den Tisch. „Und er hat das falsch verstanden?" half Marc mir vorsichtig weiter. Ich sah ihn verzweifelt an. „Er hat mich beschuldigt, dass ich ihn nur in den Arsch ficken wollte!" schoss es plötzlich aus mir heraus. „Verstehst du das, Marc? Clay sagt mir, ich wollte ihn ja nur in den Arsch ficken!" rief ich spontan voller Verdruss. Dann wischte ich mir hastig mit den Fingern über die Augen, weil dieser Scheiß mich so sehr verletzte.
Eine Weile war es still, in der ich eilig versuchte, mich wieder zu beruhigen. Marc saß ganz ruhig dort und bewegte sich nicht. Ich spürte seinen Blick, konnte ihn jedoch nicht ansehen. „Und wolltest du das tun?" fragte er mich endlich sanft. Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Ich hatte plötzlich das Gefühl, Marc würde bis auf den Grund meiner Seele schauen und ich hätte keine Chance mehr, mich seinem Blick zu entziehen. Deswegen versuchte ich es erst gar nicht und musterte ihn kurzentschlossen.
„Natürlich will ich das tun!" gab ich offen zu und ignorierte Marcs frivoles Grinsen. "Aber meine Bemerkung zielte doch nicht darauf ab! Er stinkt nach Schweiß. Er ist ungepflegt. Er hat wie wild auf meinen Sandsack eingedroschen. Er schiebt einen verdammten Affen, verflucht, deshalb sollte er duschen! Und darum geht es doch auch gar nicht!" versuchte ich verbissen zu erklären. Mein Herz klopfte jetzt aufgewühlt. Ich schnappte nach Luft. Marc betrachtete mich ehrlich interessiert. „Worum geht es dann, Sean?" hakte er ruhig nach. Ich nahm einen tiefen Zug von der Zigarette und blies den Rauch in seine Richtung. „Es geht darum, wie er es gesagt hat! Es geht darum, dass in seinem Vorwurf eine so große Verachtung steckte, dass er mir genauso gut mit einem Messer das Herz hätte herausschneiden können!" erklärte ich ihm traurig.
Danach war es erneut still. Ich fühlte mich auf eine merkwürdige Art befreit. Dadurch, dass ich sie ausgesprochen hatte, schien diese Tatsache ein wenig von ihrem Schrecken verloren zu haben. Ich warf Marc einen Blick zu, um seine Reaktion zu erfassen. In seinen Augen steckte ein Hauch von Mitleid, was mir überhaupt nicht gefiel. „Wie hast du reagiert?" wollte er jetzt neugierig wissen. Ich lächelte gequält. „Ich hab ihm eine reingehauen!" teilte ich Marc mit und drückte die Kippe in den Aschenbecher. Dann lehnte ich mich zurück und schaute ihn offen an. „Ich habe Clay echt brutal ins Gesicht geschlagen und er ist sofort wehrlos zu Boden gegangen. Ich habe ihm klar gemacht, dass er so nicht mit mir reden darf." „Dann ist doch alles okay", meinte Marc achselzuckend. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, gar nichts ist okay", seufzte ich, „Clay ist echt heftig auf Entzug. Und ich bin mir nicht sicher, ob er seine Sucht in den Griff kriegen wird." Marc horchte irritiert auf. „Aber heute morgen warst du dir doch noch total sicher deswegen!" Ich lächelte betrübt und nickte. „Ja, ich wünschte, ich wäre mir jetzt so sicher wie heute morgen", erwiderte ich traurig. „Ich wünschte, ich könnte ihm einfach seine Sucht wegküssen", flüsterte ich mehr zu mir selbst.
Herr Hellberg lachte amüsiert. „Das wäre zu einfach,Sean. Und eigentlich suchst du doch auch genau diese Herausforderung!" erklärte er ruhig. „Wie meinst du das?" wollte ich verwirrt wissen. Er lächelte offen. „Du liebst Clay Banton doch gerade deshalb, weil er so kompliziert ist, nicht wahr? Weil er immer wieder in Schwierigkeiten gerät. Du liebst es, ihm zu helfen! Du liebst es, wenn er dich um Hilfe bittet! Und zwar immer wieder und jedes Mal!" warf er lächelnd in den Raum. Ich schüttelte spontan abwehrend den Kopf, aber Marc wusste es besser. „Ich bin überzeugt davon, dass es so ist!" setzte er eindringlich hinzu.
Ich dachte einen Moment über seine tiefgreifenden Worte nach. „Meinst du, ich mache einen Fehler?" fragte ich ihn zögernd. Er hob ratlos die Schultern. „Das kannst nur du beantworten, Sean", wich er meiner Frage geschickt aus. „Meinst du auch, wir sollten Clay aus dem Theater werfen?" wollte ich nervös von ihm wissen. Er antwortete nicht gleich, was mich enorm verunsicherte. Er hatte sichtbar Mühe, die richtigen Worte zu finden. „Ich denke, wir sollten Mister Banton noch eine Chance geben", antwortete er endlich zögernd, „Aber wenn er sich nicht ändert..." „Er ist ein verflucht guter Schauspieler!" unterbrach ich ihn verärgert, „Er spielt die verdammte Hauptrolle in Supernova Soul!"
Zornig funkelte ich Marc an. Mein nüchterner Freund hob beschwichtigend die Arme und nickte. „Ja, Clay Banton ist ein guter Schauspieler, Sean. Aber nur, wenn er nicht gerade auf Entzug ist oder verprügelt wird!" machte er mir gnadenlos klar. Marc hatte natürlich recht, auch wenn es mir schwerfiel, das zu akzeptieren. Ich seufzte tief und gab mir erneut einen Ruck. „Bitte gib mir noch zwei Tabletten für Clay", bat ich ihn dringlich und taxierte ihn beschwörend. Sofort schloss er widerwillig die Augen. „Ich frage dich nicht nochmal danach, Marc", versicherte ich ihm, „Aber heute brauche ich das Codein unbedingt!" Marc öffnete seine Augen und schaute mich resigniert an.
Dann stand er spürbar widerwillig auf und ging zu seinem Schrank. Er zog die Schublade auf und holte die Tabletten heraus. „Aber sag ihm auf gar keinen Fall, von wem du die bekommen hast!" verlangte er todernst von mir, als er mir zwei Tabletten in die Hand drückte. „Nein, schon klar", versprach ich leicht genervt. Ich steckte die Codein Tabletten hinten in meine Hosentasche. Marc packte mich fest am Arm und fixierte mich streng. „Ich meine das total ernst, Sean! Ich will auf gar keinen Fall, dass Clay mich ständig deswegen deswegen anhaut und mich nach den scheiß Tabletten fragt, verstehst du?!" wiederholte er beschwörend. „Ich sage ihm nichts, keine Angst, Marc!" Verärgert über seine arrogante Überheblichkeit, wandte ich mich von ihm ab.
Clay
Es fiel mir wahrhaftig schwer, mit dieser Enttäuschung fertig zu werden. Es fiel mir schwer zu begreifen, dass Sean Valmont mir nicht helfen würde, sondern nur blöde Spielchen mit mir spielte. Dass er mich brutal zu Boden geschlagen hatte, anstatt mich zu trösten. Ich lag noch eine Weile in seinem Zimmer auf der Erde und bewegte mich nicht. Ich fürchtete, jede Regung würde meinen Kopf zum Platzen bringen. Ich versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Ich dachte mir viele Schimpfwörter für Valmont aus, viele verachtende Beschreibungen und Beleidigungen für den schwulen Arsch. Das besserte meine Laune aber nur wenig.
Schließlich erinnerten mich meine Knochen daran, dass ich unbedingt etwas gegen den Affen tun musste. Ich kroch ganz vorsichtig zu meiner Jeansjacke und holte mir eine Schmerztablette aus der Packung, die sich immer noch dort befand. Ich stopfte die Packung zurück in die Jacke, zog sie an und kroch zu der Flasche Mineralwasser, die noch immer auf der Erde stand. Es war nur noch ein winziger Schluck drin und ich hatte Mühe, damit die Tablette hinunterzuwürgen.
Danach sah ich mich eine Weile in Seans Zimmer um, unvermindert auf der Suche nach irgendeinem Geheimversteck, was es mit absoluter Sicherheit dort gab. Leider konnte ich es aber nicht ausfindig machen. Stattdessen entdeckte ich Valmonts Handy, was auf seinem Nachttisch lag. Das Ladekabel war angeschlossen und steckte in der Steckdose. Ganz vorsichtig bewegte ich mich darauf zu. Mein Schädel dröhnte entsetzlich, mein Körper schmerzte mit jeder Faser. Ich nahm das Handy und tippte ohne zu zögern Sergejs Nummer ein. Es war die einzige Nummer, die ich immer auswendig wusste, weil ich sie sicherheitshalber nie abgespeichert hatte. Ich hörte dem Tuten in der Leitung zu und betete, dass er abnehmen würde. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, denn ich hatte die Uhrzeit in Vamonts Handy nicht überprüft. Es schellte einige Male, in denen ich kaum zu atmen wagte. Dann ging unvermittelt Sergejs Mailbox an. Eine Frauenstimme informierte mich, dass der Teilnehmer im Moment nicht zu erreichen war. Shit! Ich verfluchte Sergej inbrünstig, drückte die scheiß Stimme weg und legte das Handy zurück auf den Nachttisch.
Entsetzt, konfus versuchte ich, irgendeinen Plan aufzustellen, für die nächsten Stunden, die nächsten Minuten. Fuck! Es schien mir unerträglich, noch länger in diesem scheiß Zimmer zu bleiben. Ich konnte es in diesem Haus voller homosexueller Männer einfach nicht mehr aushalten. Mit diesen Menschen arbeitete ich schon ewig zusammen. Wir verbrachten so verflucht viel Zeit miteinander! Aber sie lachten nur alle über mich, wollten mich loswerden, griffen mich nur ständig an. Keiner von ihnen würde mir helfen, dessen war ich mir plötzlich vollkommen sicher. Es war ihnen eiskalt scheißegal, dass ich in der letzten Nacht beinahe totgeprügelt worden war! Es interessierte die Schwuchteln nicht nur nicht, sie gaben dafür auch noch ganz allein mir selbst die Schuld dafür. Fuck!
Wenn nicht einmal der göttliche Sean Valmont noch mein Freund war, dann war sowieso alles total egal, hämmerte es schneidend in meinem verwirrten Kopf und in meiner sensiblen Seele. Ich versuchte stöhnend, irgendwie aufzustehen. Aber mir tat alles verfickt weh, und ich brauchte eine ganze Weile, um genug Kraft zu sammeln, damit ich auf die Füße kam. Dann wollte ich noch einen Schluck aus der Mineralwasserflasche nehmen, aber die verdammte Flasche war leer.
Schließlich schmiedete ich den tollkühnen Plan, eins der Autos der schwulen Jungs auszuleihen, am liebsten Valmonts robusten Jeep Cherokee, um damit geradewegs zur Bank zu fahren. Ich würde nämlich erst einmal Geld benötigen, und dann würde Sergej sicher bald an sein Handy gehen. Dieser beruhigende Gedanke baute mich unverzüglich innerlich auf. Herr Valmont hatte sich ja nicht mal die Mühe gemacht, mir zu verraten, wo ich meinen MG finden konnte! Deshalb hatte ich jetzt auch das unbedingte Recht dazu, mir seinen Wagen auszuleihen, dachte ich grimmig. Der Arsch konnte sich nicht alles mit mir erlauben, schon gar nicht durfte er mich ständig schlagen.
Ich wandte mich seinem Schreibtisch zu und wühlte ein bisschen darin herum, um die Autoschlüssel zu finden. Ich fand aber nur ein paar Papiere und blöden, langweiligen Computerkram. Ich stieß wohl unabsichtlich gegen die Maus, denn Seans Monitor, der vorher völlig schwarz gewesen war, sprang plötzlich an. Der PC war offenbar noch eingeschaltet. Ich erkannte einen langen Text und warf einen flüchtigen Blick darauf. Es waren offensichtlich Dialoge und Anweisungen für Valmonts neue experimentelle Performance.
Aber meine Gedanken waren viel zu verwirrt, ich war viel zu abgelenkt von anderen Wichtigkeiten, um mich ernsthaft dafür zu interessieren. Ich war definitiv zu enttäuscht von Valmont, um seine Arbeit oder ihn noch länger in meiner Nähe ertragen zu können. Aus irgendeinem Grund guckte ich mich nochmal in Seans Zimmer um, als würde ich die Dachkammer zum letzten Mal sehen. Vielleicht suchte ich auch nur nochmal das Geheimversteck oder den verdammten Autoschlüssel. Dann taumelte ich zur Treppe. Ich wollte nur noch hier weg.
Sean
Plötzlich hörten wir jemanden laut polternd die Treppe herunterfallen und unten hart gegen die Wand schlagen. Jemand fluchte lauthals. Marc und ich sahen uns einen Moment erschrocken an, dann liefen wir gemeinsam neugierig in den Flur. Clay Banton lag auf dem Boden am Fuß der Treppe und hielt sich stöhnend den Knöchel fest, den er sich anscheinend bei seinem Sturz verletzt hatte. Er war so dermaßen geräuschvoll die Treppe heruntergepoltert, dass Vincent ihn ebenfalls gehört hatte. Vince kam aufgeschreckt aus seinem Zimmer, entdeckte Clay auf dem Boden liegen und fing lauthals an, schadenfroh zu lachen. Clay warf ihm einen vernichtenden Blick zu, dann uns allen dreien, und versuchte aufzustehen. Er konnte jedoch nicht auftreten, ächzte nur schmerzerfüllt und fiel gleich wieder hin.
Ich ging zu ihm und hockte mich vor ihn hin. „Was ist passiert, Clay? Was zur Hölle machst du denn?" wollte ich verständnislos von ihm wissen. Er schenkte mir einen tödlichen Blick. „Ich wollte mich selbst in den Arsch ficken, Valmont!" fauchte er mich giftig an, „Und dabei habe ich das Gleichgewicht verloren!" Instinktiv schloss ich die Augen und versuchte, nicht gekränkt zu sein, was mir jedoch nicht gelang. Der scharfe Hass in seinen Worten, der offen gegen mich gerichtet war, verletzte mich enorm. Ich konnte mir Clays Feindseligkeit nicht erklären und fand dafür auch keine Entschuldigung.
Ich atmete einmal tief, um mich zu sammeln, öffnete die Augen wieder und schaute ihn an. Er fixierte gerade Vincent, der nähergekommen war und immer noch spöttisch lachte. Auch Marc stand jetzt neben ihm und guckte mitfühlend. „Würdet ihr mich bitte nicht alle anstarren!?" beschwerte Clay sich genervt und startete einen neuen Versuch, um aufzustehen. Ich wollte ihm dabei helfen, aber er wich meiner Hand knurrend aus.
Endlich stand er, unsicher gegen die Wand gelehnt. Ich stand ebenfalls auf. „Was hast du vor?" fragte ich ihn kühl. Er verzog spöttisch das Gesicht. „Ich gehe", informierte er mich knapp und machte einige Schritte zur Tür. Ich warf einen alarmierten Blick auf Vince und Marc, die beide mit dem Kopf schüttelten und ratlos die Schultern hoben. Er darf jetzt nicht gehen, dachte ich spontan verärgert. Ich habe heute jede Menge Arbeit für ihn! Er spielt die wichtigste Hauptrolle, verdammt nochmal! Ich kann ihn jetzt nicht einfach so gehen lassen!
„Du kannst nicht gehen, wir müssen arbeiten!" rief ich ihm streng nach. Er lachte gehässig auf und drehte sich schwankend zu mir um. „Du meinst wohl, wir müssen noch ficken!" höhnte er mit blitzenden Augen. An genau diesem Punkt war meine Geduld restlos erschöpft. Mit zwei Schritten war ich bei ihm und packte ihn hart am Revers der Jeansjacke. „Hör zu, Banton, wenn du jetzt gehst, dann bist du raus aus dem Stück, klar?!" versuchte ich ihn einzuschüchtern, was mir auch gelang, wie ich triumphierend feststellte. Er musterte mich eine Weile verunsichert. Ich konnte ihm förmlich ansehen, wie lange es dauerte, bis der Sinn meiner Worte richtig in sein Gehirn vordrang.
„Wie meinst du das?" fragte er mich schließlich beunruhigt. „Willst du noch mit uns Theater spielen, Clay?" meldete sich Marc und kam näher zu uns hin. Vincent hörte endlich auf zu lachen und betrachtete die Szene interessiert. Clay warf mir einen alarmierten Blick zu. Auf seiner Stirn stand der kalte Schweiß. Seine Augen waren beinahe schwarz, so riesig waren seine Pupillen. „Natürlich will ich...", setzte er verwirrt an, was mich insgeheim unglaublich erleichterte. „Sean hat unser neues Stück fertig. Und es ist zwingend erforderlich, dass du dich heute damit beschäftigst, Herr Banton!" erklärte Marc ihm eindringlich. Clay stöhnte gequält und taxierte mich. Sein Blick flehte mich förmlich an, ihm doch bitte endlich zu helfen. All seine hilflose Verzweiflung stand in seinen wunderschönen Augen. Vorsichtig ließ ich ihn los. Sofort sank er kraftlos mit dem Rücken an der Wand hinunter auf den Boden. „Sean...", seufzte er komplett überfordert.
„Was höre ich da? Ein neues Stück?" horchte Vincent überrascht auf und schaute mich fragend an. Ich nickte stolz. „Ich habe es dir geschickt, Vince. Bitte druck es zweimal aus. Lese es sorgfältig durch und sag mir dann, was du davon hältst. Mach dir bitte schon mal die ersten Gedanken über die Musik und die Beleuchtung, okay?" ordnete ich chefmäßig an. Vincent nickte sofort gehorsam und sichtlich erfreut. Zu meiner Erleichterung drehte er sich herum und ging geradewegs zurück in sein Zimmer. Vince wollte Supernova Soul offenbar auf der Stelle lesen, was mich plötzlich einen Moment lang nervös machte. Schnell wandte ich mich erneut Clay zu und ließ mich vor ihm auf die Knie nieder. All die böse Verachtung war plötzlich aus seinem Blick verschwunden. Der süchtige Mann sah jetzt nur noch hilflos und krank aus. Er saß auf dem Boden und rieb schmerzverzerrt seinen angeschlagenen Knöchel. Mir fiel auf, dass er keine Schuhe anhatte. Er hatte offenbar vergessen, sie wieder anzuziehen, bevor er die Treppe hinunterfiel.
„Sean...", seufzte Clay müde, „Ich kann nicht..." „Du hast doch vorhin noch gesagt, du würdest alles für mich auf einer Bühne tun!" setzte ich ihm lächelnd auseinander. Sein offensichtliches Elend stillte mein Bedürfnis, mich für seine Gemeinheiten zu rächen, wie ich voller Schadenfreude feststellte. Seine ratlose Hilflosigkeit tat mir de facto unglaublich gut. Wieder einmal war ich ihm gnadenlos überlegen und genoss diese Tatsache, ohne schlechtes Gewissen und in vollen Zügen. Du bist ein Teufel, Sean Valmont, tadelte mich eine vorwurfsvolle Stimme in meinem Kopf, die ich stur ignorierte.
Clay nickte schwankend mit geschlossenen Augen. „Herrgott, was erwartest du denn jetzt von Sean?" hörte ich plötzlich Marc verärgert rufen. Er stand neben uns und schaute verständnislos auf Clay hinunter. Clay öffnete zögernd seine Augen und blickte konfus zu ihm hoch. „Was soll Sean denn jetzt für dich tun, Clay?" wollte Marc streng von ihm wissen. „Ist schon gut, Marc", versuchte ich schnell, ihn zu beruhigen. „Nein, warte mal!" rief er entschlossen und wandte sich an Clay. „Erkläre mir das mal!" forderte er ihn energisch auf. Clay seufzte und guckte mich hilfesuchend an. „Willst du Drogen von ihm haben? Sean hat aber keine Drogen mehr für dich!" meinte Marc verärgert zu Clay, „Und wenn du nicht endlich diese Dinge auf die Reihe kriegst, Clay, dann können wir nicht mehr länger mit dir arbeiten, verstehst du?!" „Ich kriege diese Dinge auf die Reihe!" erwiderte Clay aufmüpfig und sah ihn wieder an.
Eine Weile fixierten die beiden sich feindselig. Dann ächzte Clay geschlagen. „Ich werde das hinkriegen, Marc!" versicherte er ihm ruhiger. „Hoffentlich!" murmelte Marc zweifelnd. Er warf mir einen resignierten Blick zu, drehte sich herum und ging zurück in sein Zimmer. Clay knurrte angepisst und lehnte seinen Kopf erschöpft gegen die Wand. „Warum lässt er mich nicht einfach in Ruhe!" beschwerte er sich bei mir. „Er macht sich Sorgen um dich", versuchte ich, Marc zu verteidigen. „Genau wie ich", setzte ich nach einer Pause leise hinzu. Clay schnaufte höhnisch. „Ich will jetzt nicht, dass du dir scheiß Sorgen machst, Valmont! Das nützt mir nämlich überhaupt nichts! Ich will, dass du mir endlich hilfst, verdammt!" erklärte er mir ungeduldig. Dann schaute er mich müde an. „Ich kann nicht mehr, Sean", seufzte er resigniert.
Mein bezaubernder Mann tat mir in seinem Elend zunehmend leid und es freute mich, dass ich ihm tatsächlich helfen konnte. Ich lächelte geheimnisvoll, griff hinten in meine Tasche und holte die Tabletten hervor. Triumphierend hielt ich sie Clay vor die Nase. Er betrachtete sie eine Weile irritiert, konnte sie aber zu meinem Erstaunen nicht sofort identifizieren. „Was ist das? Methadon?" fragte er hoffnungsvoll. Ich schüttelte den Kopf. „Codein", informierte ich ihn genüsslich. Clay schaute mich verblüfft an. Überaus gierig wollte er nach den Tabletten greifen, aber ich zog meine Hand kopfschüttelnd zurück und stand auf. Banton stöhnte sofort extrem genervt auf. „Was soll das, Sean Valmont! Was spielst du schon wieder für scheiß Spiele mit mir?!" fauchte er enorm verärgert und tötete mich mit seinem Blick. „Komm mit in die Küche!" forderte ich ihn auf. „Warum?" wollte er verständnislos wissen. „Weil ich da was zu trinken habe", erklärte ich ihm gutmütig und ging einige Schritte vor. Dort drehte ich mich wieder zu ihm und beobachtete seine Bemühungen, aufzustehen. Der angeschlagene Mann hatte wahrhaftig große Schwierigkeiten damit, die volle Kontrolle über seinen Körper zu erlangen. Offensichtlich tat ihm jede Bewegung weh. Er stöhnte schmerzerfüllt beim Auftreten.
Im nächsten Moment würgte er urplötzlich und erbrach sich eruptiv auf den Teppich im Flur. Angewidert sprang ich reflexmäßig einige Schritte zurück. Vielleicht wurde mir erst in diesem Moment richtig bewusst, wie krank Clay Banton wirklich war, wie schlimm sein Affe, wie schmerzhaft seine Verletzungen. Der enorm süchtige Mann sackte hilflos in sich zusammen und kotzte ohne Kontrolle auf meinen Fußboden. Glücklicherweise hatte er anscheinend noch nicht allzu viel gegessen, denn er erbrach hauptsächlich einen Schwall Tee und Mineralwasser.
Danach saß er sichtbar erschöpft auf dem Boden und fing unvermittelt an zu heulen. „Fuck, Sean! Das tut mir leid", wimmerte er, ohne mich anzusehen. Haltlos rang er nach Luft und wischte sich die Tränen weg. Reglos beobachtete ich den Menschen, den ich am allermeisten auf der ganzen Welt liebte. Ich fühlte mich auf einmal merkwürdig entrückt, als würde mich das eigentlich alles gar nichts angehen. Wie ferngelenkt ging ich in die Küche und holte einen Aufnehmer, einen Eimer und ein Glas mit Wasser für Clay.
Zwei Minuten später kam ich zurück in den Flur, wo er noch immer auf dem Boden saß. Er zitterte jetzt stark und schwitzte wie Sau. Das hässliche Gesicht des Heroinentzugs. Sein Anblick zerriss mein Herz. Voller Mitleid gab ich ihm die zwei Codein Tabletten, die er hastig, extrem gierig mit dem Glas Wasser hinunterspülte. Hoffentlich kotzt er die nicht auch gleich wieder aus, dachte ich besorgt. Danach wischte ich gewissenhaft den Flur sauber. Die dunklen Tee-Flecken auf dem Teppich würden nicht so einfach wieder rausgehen, merkte ich leicht verärgert. Herr Banton saß währenddessen gegen die Wand gelehnt und hatte die Augen erschöpft geschlossen. Offenbar hatte er sich halbwegs wieder beruhigt. Er atmete tief und wartete augenscheinlich auf die erlösende Wirkung des Codeins. Ich betrachtete ihn und war trotz allem plötzlich aufs Neue voller grenzenloser Liebe für ihn.
Nachdem ich den Flur gewischt und den Putzeimer zurück in die Küche gebracht hatte, ging ich zurück zu meinem Mann. Er saß noch genauso dort, völlig reglos und unverändert. Ich ließ mich dicht neben ihm nieder und lehnte meinen Rücken gegen die Wand. Ich berührte sanft seinen Arm. Daraufhin öffnete er zögernd seine wunderschönen Augen. „Geht's besser?" fragte ich ihn mitfühlend. Er lächelte dankbar, aber es wirkte gequält. „Das geht leider bei den scheiß Pillen nicht so schnell. Das dauert doch jedes Mal ewig, bis die endlich mal wirken! Ich hab ja keinen Chinesen geraucht, oder mir einen Knaller gemacht", seufzte er hörbar frustriert. „Willst du dir denn lieber einen Knaller machen?" fragte ich ihn lauernd. Clay verdrehte genervt die Augen. „Nein", versicherte er mir heftig, „Ich benutze keine Spritzen mehr. Das war nur ein scheiß Vergleich, Sean!"
Eine lange Zeit sahen wir uns nur reglos an. „Tut mir leid", flüsterte Clay endlich. „Ich weiß", flüsterte ich automatisch zurück. Verunsichert fragte ich mich, ob ich ihm nicht vielleicht viel zu schnell verzieh. Ob ich nicht stattdessen viel wütender auf ihn sein sollte. Er hatte mich schließlich mit seinem Hass, seiner Feindseligkeit und seinen bösen Worten so sehr beleidigt und verletzt. Aber in diesem Moment schien irgendwie alles wieder gut zu sein. Mein fantastischer Mann saß so dicht neben mir, und er war wunderschön. Er lächelte mich bezaubernd an. Er war mir dankbar. Es tat ihm leid. Mehr konnte ich ohnehin nicht von ihm verlangen.
Liebevoll lehnte ich mich gegen ihn. Er schloss die Augen und atmete tief. Meine Hand tastete sich wie von allein sanft an seinem Bein hinauf. Er bewegte sich nicht, hielt aber erwartungsvoll den Atem an. Langsam zog ich sein Shirt und Unterhemd hoch und legte meine Hand flach auf seinen nackten Bauch, der sich warm und muskulös anfühlte. Clay seufzte höchst genussvoll und suchte instinktiv meine Nähe. Ich küsste seine schweißnasse Stirn. Dann saßen wir eine ganze Weile einfach nur so dort im Flur.
Eliza
Als ich endlich zu Hause ankam, fing es gerade an zu schneien. Es war sehr kalt geworden, zu kalt für März, aber das störte mich nicht. Ich stellte das Auto vor dem Haus ab und stieg aus. Tief atmete ich die kalte Morgenluft ein. Dann lief ich über die Straße zum Haus, schloss die Haustür auf und stieg die Treppen hinauf. Einen kurzen Moment fragte ich mich beunruhigt, ob Rowina wohl zu Hause war. Ich versuchte nervös, mich auf ihre unvermeidlichen Fragen vorzubereiten, was mir aber nicht gelang. Dann stand ich vor der Wohnungstür und lauschte angespannt. Ich konnte leise Stimmen hören und wunderte mich ein wenig. Aber dann wurde mir klar, dass Rowina gestern Abend bestimmt jemanden mit nach Hause gebracht hatte. Und das bedeutete, dass sie eine erfolgreiche Nacht gehabt hatte.
Energisch schloss ich die Wohnungstür auf und betrat den Flur. Rowina kam sofort aus der Küche zu mir hingelaufen. „Mensch, Liz, wo warst du denn bloß?" rief sie vorwurfsvoll und umarmte mich erleichtert. Ihre offene Anteilnahme tat mir ziemlich gut. „Bin nur ein wenig herumgefahren", antwortete ich vage. „Die ganze Nacht?" erwiderte sie zweifelnd. Ich nickte und schaute neugierig zur Küche. An unserem Küchentisch saß ein Typ in Unterwäsche, den ich noch nie gesehen hatte. „Lars hat die Nacht hier verbracht", flüsterte Rowina verschwörerisch und verzog zweideutig das Gesicht. Ich lächelte, obwohl ich ihr Bedürfnis nach wechselnden Bettpartnern nicht verstehen konnte. Es reizte mich überhaupt nicht, mit jemandem zu schlafen, den ich kaum kannte und erst recht nicht liebte. Rowina war da ganz anders als ich. Sie nahm so gut wie jede Gelegenheit wahr, die sich ihr bot.
Ich zog meine Jacke aus und hängte sie an die Garderobe. Dann folgte ich Rowina in die Küche. Lars grüßte mich träge mit einer Handbewegung. „Hi, ich bin Liz", stellte ich mich vor. Er nickte. „Ja, ich bin Lars. Rowina hat mir schon von dir erzählt." Ich warf ihr einen fragenden Blick zu. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht", beteuerte sie lächelnd.
Ich setzte mich zu Lars an den Tisch. Rowina stellte vor jeden eine Tasse Kaffee und ließ sich dann zu uns auf einen Stuhl nieder. „Also, erzähl!" forderte sie mich neugierig auf. Lars betrachtete mich abschätzend. Ich zögerte nur kurz, dann gab ich mir einen Ruck. „Ich war bei Clay", sagte ich vorsichtig. Rowina stöhnte spontan auf. „Ich hab's befürchtet!" entfuhr es ihr, „Liz, wie konntest du nur?" Anklagend taxierte sie mich. Ihre Reaktion überraschte mich überhaupt nicht. „Er ist wirklich schlimm verprügelt worden. Ich habe ihn förmlich von der Straße aufgelesen", erzählte ich ihr ernsthaft, „Ich konnte nicht einfach an ihm vorbeifahren, Rowina, er brauchte dringend meine Hilfe." Sie stöhnte nochmal. „Ja, dieser Typ braucht tatsächlich dringend Hilfe, aber nicht deine!" warf sie mir ungeduldig an den Kopf. „Es war sonst niemand dort", erwiderte ich trotzig und trank einen Schluck Kaffee. Ich schaute zu Lars. Er lächelte und drehte sich eine Zigarette. Er sagte nichts, beobachtete uns nur interessiert.
Eine Weile war es still. Dann seufzte Rowina hörbar. „Und wie weit ging deine Hilfe diesmal, Eliza? Hast du dich gut mit Toni amüsiert?" fragte sie spöttisch, schwankend zwischen Neugier und Verachtung. Ich lächelte unwillkürlich bei der Erinnerung an den überaus intensiven, befriedigenden und fantastischen Sex mit Clay Banton. Aber schon im nächsten Moment fiel mir ein, wie schrecklich albtraumhaft es direkt nach dem Sex mit ihm gewesen war, und mein versonnenes Lächeln starb augenblicklich.
„Es ist vorbei, Rowina", eröffnete ich ihr traurig. „Was heißt das?" horchte sie auf. „Ich habe endgültig mit ihm Schluss gemacht. Ich werde nicht zu ihm zurückgehen, keine Angst", versicherte ich ihr trotzig, als ich ihren zweifelnden Blick bemerkte. „Das hoffe ich", seufzte sie resigniert.
„Warum wurde dieser Typ verprügelt?" meldete sich Lars zum ersten Mal zu Wort. „Weil er es verdient hat", meinte Rowina sofort vorlaut. Lars warf ihr einen überraschten Blick zu. „Er hat es verdient? Von wem ist denn hier überhaupt die Rede?" wollte er erstaunt wissen. Rowina blies spöttisch, verachtend die Luft aus. Ich bedachte sie mit einem verärgerten Blick und wandte mich an Lars. „Clay Banton", sagte ich schlicht zu ihm. Es irritierte mich, dass allein das Aussprechen seines Namens noch immer einen Stich in meinem Inneren verursachte. Ich bin noch lange nicht über ihn hinweg, merkte ich verzweifelt, es wird noch viel länger dauern, bis ich es schaffe, ihn restlos zu ignorieren.
Lars zuckte mit den Achseln. „Muss ich den kennen?" fragte er uns. „Nein!" rief Rowina wieder dazwischen, noch bevor ich antworten konnte. Ich starrte sie strafend an, bis sie den Blick senkte. „Er ist nur ein Typ aus dem Theater", seufzte sie. Dann guckte sie Lars an. „Psychotic Kühlschrank!" zischte sie voller Hohn. Lars ging sichtbar ein Licht auf. Er musterte mich verwundert. „Ich kenne diese Performance! Ich habe sie gesehen und fand sie gar nicht so schlecht!" teilte er mir aufgeregt mit. „Aber ich dachte, diese Grenzland-Theater-Typen wären alle schwul!" setzte er irritiert hinzu. Rowina lachte lauthals auf. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, die sind nicht alle schwul...", versuchte ich zu erklären. „Aber so gut wie!" unterbrach Rowina mich spöttisch. Dann wandte sie sich an Lars. „Eliza war beinahe zwei Jahre lang mit einem Typen zusammen, der auch mit Männern schläft! Stell dir das mal vor!" erzählte sie Lars verständnislos. Er kicherte amüsiert und grinste mich zweideutig an.
Ich ärgerte mich maßlos über Rowina. Es ärgerte mich, wie verachtend sie schon wieder über Clay sprach. Es war mir peinlich, wie unbefangen sie diesem fremden Mann an unserem Küchentisch von meiner intimen Beziehung zu Clay erzählte.
„Dafür habe ich die letzten zwei Jahre nur mit einem Mann geschlafen!" giftete ich Rowina an. Doch leider konnte ich sie damit überhaupt nicht in Verlegenheit bringen. „Traurig genug", zuckte sie nur mit den Achseln und lächelte Lars frivol an. Aber dessen Aufmerksamkeit lag nun ganz auf mir. Sein Interesse war definitiv geweckt.
„Sag mal, Liz, hat dich das denn überhaupt nicht gestört?" wandte er sich neugierig an mich. „Was meinst du?" Ich guckte ihn fragend an. Irgendwie war er mir plötzlich sympathisch. „Dass dein Freund auch mit anderen geschlafen hat." Lars blickte mich schüchtern an. Offenbar war er unsicher, ob er mit seiner persönlichen Frage nicht vielleicht zu weit ging. „Du meinst mit anderen Männern!" spottete Rowina laut.
Aber Lars und ich ignorierten sie jetzt, denn dieses Detail war für Lars' Frage völlig unerheblich. Außerdem hatte Rowina unrecht. Ich wusste nur zu gut, dass Clay auch während unserer gemeinsamen Zeit nicht nur mit anderen Männern Sex gehabt hatte. Frauen waren ihm immer mindestens genauso willkommen gewesen. Und in dieser Hinsicht hatte Herr Banton sich leider kein bisschen verändert. Es verdutzte mich ein wenig, dass Rowina das anscheinend nicht wusste.
„Natürlich hat es mich gestört", antwortete ich Lars ehrlich. „Und du warst trotzdem zwei Jahre mit ihm zusammen?" wunderte er sich. „Ich habe ihn geliebt", sagte ich traurig, als würde das alles erklären. Irgendwie tat es mir gut, mit diesem fremden Mann an unserem Tisch über Clay zu reden, merkte ich erstaunt. Lars schüttelte den Kopf. „Offenbar hat er dich aber nicht so sehr geliebt, oder? Ich meine, wenn er auch mit anderen..." „Unsere Beziehung ging weit über Sex hinaus!" versuchte ich zu erklären.
Rowina brach unvermittelt in spöttisches Gelächter aus, was mich extrem ärgerte. Böse fixierte ich sie. Sie hob beschwichtigend die Arme. „Aber von der Bettkante geschubst hast du Toni auch nicht gerade, oder, Eliza?" neckte sie mich, „Ich hatte immer den Eindruck, der Sex mit ihm wäre total atemberaubend." Ich wurde rot und wich ihrem funkelnden Blick aus. Es war mir unglaublich peinlich, über meine intimsten Momente mit Clay zu reden. „Sein Name ist nicht Toni", erwiderte ich nur genervt.
„Was hat dich also so sehr an diesem Mann fasziniert, dass du es so lange mit ihm ausgehalten hast, obwohl er dich offen betrogen hat?" wollte Lars lächelnd von mir wissen. Ich sah ihn verblüfft an. Seine Frage kam unerwartet. Erstaunt merkte ich, dass mir nicht auf Anhieb eine Antwort einfiel. „Ja, das würde mich auch mal interessieren!" schnaufte Rowina verständnislos. Sie trank Kaffee und zündete sich eine Zigarette an. Beide betrachteten mich abwartend.
Ich dachte eine Weile darüber nach, dann stand ich abrupt vom Tisch auf. „Clay Banton ist einfach etwas Besonderes!" behauptete ich verwirrt. Lars lächelte immer noch. „Und warum hast du dann mit ihm Schluss gemacht?" horchte er mich weiter aus. Ich guckte ihn irritiert an. Mein Herz fing unvermittelt an, nervös zu klopfen. Ich konnte mir nicht erklären, warum mich diese Frage auf einmal so aufwühlte. Heute Morgen war ich mir meiner Entscheidung, Clay Banton endgültig zu verlassen, doch noch vollkommen sicher gewesen! Warum konnte ich also Lars jetzt keine klare Antwort geben? Warum konnte ich meinen Entschluss, selbst für mich allein, nicht definitiv begründen?
Ich schaute verwirrt, hilfesuchend zu Rowina, die mich jetzt lauernd beobachtete. Ihre Augen verlangten beinahe drohend von mir, es mir bloß nicht nochmal anders zu überlegen und erneut zu Clay zurückzugehen. Rowinas Blick machte mich intuitiv wütend. Ihre indiskrete Einmischung in mein Leben ärgerte mich maßlos. Ich blickte Lars verunsichert an und fühlte mich plötzlich von ihm bedroht. Dieser fremde Mann drang mit seinen Fragen eindeutig viel zu tief in meine innersten Gefühle ein, mit denen ich anscheinend selbst noch nicht klar kam.
„Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht!" entzog ich mich seiner Neugier heftig. Er hob entschuldigend die Schultern. „Das war ja nur eine Frage", wollte er mich beruhigen. Aber ich konnte es auf einmal nicht länger in dieser Küche aushalten. Diese beiden Menschen hatten überhaupt keine Ahnung von Clay! Sie wussten nicht mal ansatzweise, wie es in mir aussah! Ich wusste es ja noch nicht einmal selbst genau! Es gab doch so unendlich viele Kleinigkeiten, die ich an Clay geliebt hatte. Er hatte doch so viele wunderbare Eigenschaften und Fähigkeiten, die ich ganz bestimmt bei niemand anderem je wiederfinden würde.
Meine mühsam erworbene Ruhe und Selbstsicherheit fielen einfach in sich zusammen, ohne dass ich es hätte verhindern können. Ich beeilte mich hastig, in mein Zimmer zu kommen, ohne Rowina oder Lars noch eines Blickes zu würdigen.
Clay
Sean gab mir zwei Schmerztabletten mit Codein, die entgegen meiner Befürchtung erstaunlich gut wirkten. Schon innerhalb einer halben Stunde verflüchtigte sich mein Schmerz in ein nur noch dumpfes Gefühl des Unbehagens. Der tobende Affe in mir beruhigte sich merklich.
Ich saß dicht neben ihm in seinem dämmrigen, schmalen Flur, auf diesem altmodischen Teppich, den Rücken an die Wand gelehnt. Ich fühlte seine Hand so verdammt angenehm auf meinem nackten Bauch, seinen schönen Körper so nah neben meinem. Es ging mir zunehmend besser. Seine liebevolle Nähe gefiel mir außerordentlich. Ich fühlte mich sicher, absolut geborgen durch die Berührung seiner Hand. Ich fragte mich wissbegierig, von wem Sean wohl die sauguten Tabletten hatte, die anscheinend massig Codein enthielten. Es wunderte mich kaum, dass dieser Mann, obwohl er fast nie Heroin nahm, trotzdem diese perfekten Nothelfer parat hatte. Selbstverständlich war Sean Valmont immer auf alle Unwägbarkeiten des Lebens vorbereitet. Etwas anderes hätte gar nicht zu ihm gepasst. Ich überlegte, ob er vielleicht doch viel mehr harte Drogen nahm, als ich ahnte.
Ich öffnete die Augen und fixierte feindselig die schmale Treppe, die ich so unvermittelt hinuntergefallen war, wie ein kompletter Idiot. Mein Knöchel schmerzte noch immer, vielleicht hatte ich ihn mir beim Sturz verrenkt. Ich umfasste ihn vorsichtig mit meiner Hand und fragte mich besorgt, ob er eventuell sogar gebrochen war.
Sean richtete sich ein wenig auf und sah zu mir hin. Er lächelte. „Geht es dir besser?" fragte er mich leise. Ich berührte dankbar seine hübsche, natürlich perfekt rasierte Wange. „Gib mir noch zwei und ich kann vielleicht aufstehen", versuchte ich es spontan gierig. Er fing amüsiert an zu lachen und schüttelte den Kopf. „Du kannst den Hals aber auch nie vollkriegen!" bemerkte er leicht vorwurfsvoll. Er zog seine Hand von meinem Bauch zurück, was ich sehr bedauerte. Ich hätte noch ewig so mit ihm hier sitzen können.
Aber Herr Valmont hatte jetzt andere Pläne mit mir. Er war zu sehr Arbeitstier, um auch nur einen einzigen Tag einfach tatenlos zu verschwenden. „Hör zu, das ist jetzt sehr wichtig", sagte er eindringlich und betrachtete mich abschätzend. Ich schloss für einen Moment die Augen und verabschiedete mich innerlich von seiner beruhigenden Nähe. „Okay, Sean", signalisierte ich ihm notgedrungen meine Aufmerksamkeit. „Du hast jetzt nur noch zwei Möglichkeiten, Clay. Entweder, du machst einfach genauso weiter, wie in den letzten Monaten. Aber dann kann dir niemand mehr helfen." Widerwillig zog ich die Luft ein. Seine Worte gefielen mir überhaupt nicht. Er hob die Hand, um meine Entgegnung abzuwürgen. „Oder du schlägst einen ganz anderen Weg ein", schlug Sean vor und taxierte mich ernsthaft.
Ich fühlte mich seiner Entschlossenheit nicht gewachsen. Seine überaus strengen Augen schüchterten mich ein, und das ärgerte mich. „Was soll ich tun?" fragte ich ihn ratlos. Er lächelte und streichelte meine Wange. „Nimm wieder Methadon und hör mit der shore auf!" verlangte er ruhig, „Spiel mit uns Theater und fange endlich ernsthaft an zu arbeiten. Das ist deine einzige Chance, Clay." Er zog seine Hand ein und studierte mich lauernd. Ich seufzte und drehte mich verwirrt von ihm weg.
Eine Weile kämpfte ich mit konfusen Gedanken und Gefühlen, mit hoch aufschäumendem Widerwillen gegen diese Einmischung in mein Leben, mit zornigem Trotz gegen diese Beschneidung meiner persönlichen Freiheiten. Aber dann wurde mir langsam bewusst, dass ich überhaupt keine Wahl hatte, wenn ich ihn nicht verlieren wollte. Fuck!
„Ich krieg das hin, Sean", versicherte ich ihm so entschlossen, wie es mir möglich war, „Ich krieg das verdammt nochmal hin, hörst du?!" Er lachte amüsiert und schlug mich leicht gegen den Oberarm. „Ja, ich weiß, denn etwas anderes würde ich gar nicht zulassen", meinte er überheblich. Ich schaute ihn überfordert an. „Sag mir, was ich tun soll", bat ich ihn hilflos. Er betrachtete mich einige Zeit eingehend. Sein Blick schwankte zwischen Gefühl und Vernunft, als er mir erklärte: „Du spielst die wichtigste Hauptrolle in Supernova Soul, Clay, denn es ist die direkte Fortsetzung von Psychotic Kühlschrank. Ich möchte, dass du dich auch diesmal absolut damit identifizierst, hörst du! Das ist total wichtig für mich. Und das ist verdammt viel Arbeit, die da auf dich zukommt!" Er guckte mich zögernd an. Seine Augen spiegelten seine Unsicherheit. „Willst du das für mich tun, Clay?" fragte er mich beinahe ängstlich.
Ihm liegt schon wieder so viel daran, dass ich mitspiele, dachte ich unwillkürlich geschmeichelt. Als würde sein ganzes kleines Leben an dieser scheiß Performance hängen. Ich erinnerte mich gut, dass Sean Valmont sich in seine früheren Werke Sexual Senseless und Psychotic Kühlschrank ganz genauso hereingesteigert hatte. Alle seine Experimente auf der Bühne waren, obwohl sie eigentlich nur seine Freizeit ausfüllten, extrem wichtige Teile von ihm, auf die er unglaublich sensibel reagierte. Lehnte man seine Arbeit ab, dann lehnte man auch ihn ab, das war mir schon seit langer Zeit bewusst. Zumindest empfand Sensibelchen Valmont das so.
Plötzlich fühlte ich mich irgendwie gebraucht. Es ehrte mich auf eine merkwürdige Art, dass der große, kluge und studierte Sean Valmont ausgerechnet mir die tragende Rolle seiner neuen Performance anvertraute. Dass er mir noch einmal die verdammte Hauptrolle darin gab. In einem intuitiven Anfall von Dankbarkeit umarmte ich ihn. „Natürlich, Sean, selbstverständlich tue ich das für dich!" flüsterte ich in sein Ohr und setzte leise hinzu: "Ich spiele doch jede Rolle für dich!" Ich steckte ihm sanft meine Zunge in seine wohlgeformte Ohrmuschel. Wenn ich nochmal für ihn diese Hauptrolle spiele, dann steht Valmont endgültig in meiner Schuld, kam es mir hinterhältig in den Sinn.
In diesem Moment dachte ich überhaupt nicht daran, wie verflucht viel Arbeit es mich damals gekostet hatte, Psychotic Kühlschrank restlos zu verinnerlichen. Wie lange ich gebraucht hatte, um diesen ellenlangen Text auswendig zu lernen und die verschiedenen Choreografien zu beherrschen. Ich dachte auch nicht daran, dass Supernova Soul mit Sicherheit nicht einfacher zu spielen sein würde, wohl eher noch viel komplizierter. Aber in diesem Augenblick fühlte ich nur noch Seans Nähe. Er erwiderte dankbar meine Umarmung und streichelte liebevoll über meinen Rücken. Offenbar war er über meine Antwort sehr erleichtert. Dabei hatte er mir ja wohl kaum eine andere Wahl gelassen, als meine bedingungslose Zustimmung.
Und dann küssten wir uns plötzlich. Mit aufkommender Gier leckte ich über seine Lippen und steckte ihm meine Zunge in den Mund. Ich drängte mich verlangend gegen ihn. Er fiel zurück auf den Boden. Ich lag halb auf ihm und küsste ihn ziemlich hart. Er erwiderte meinen Kuss mit seiner erfahrenen Zunge, was mich echt antörnte. Meine Hände fuhren an seinem Körper hinab zu den Knöpfen seiner Jeans. Ich zog ihm das Unterhemd aus der Hose und strich über seinen nackten, muskulösen Bauch. Er umfasste mit beiden Händen gezielt meinen Hintern. Wir wälzten uns hungrig über den Boden, als wollten wir uns gegenseitig verschlingen. Mein Herz fing merkbar an zu klopfen. Er seufzte jetzt und drückte mich begierig an sich. Er hatte die Augen geschlossen und war einfach wunderschön. Ich liebe ihn tatsächlich, blitzte ganz kurz ein Gedanke in meinem Kopf auf. Verwirrt machte ich mich daran, seine Jeans aufzuknöpfen. Ich will ihn ficken, jetzt, gierte es in mir.
Bis seine Hand mich völlig unerwartet stoppte. Er hielt abrupt mein Handgelenk fest, bis ich ihn fragend ansah. Er schüttelte tatsächlich den Kopf, hatte die Augen geöffnet und betrachtete mich. „Sean...", protestierte ich atemlos. Widerwillig zog ich mich zurück und richtete mich auf. Sean lächelte amüsiert und streichelte kurz meinen Hals. „Du brauchst dringend eine Dusche, Clay", warf er mir grinsend an den Kopf. „So ein Scheiß!" entfuhr es mir gekränkt. Verunsichert roch ich an meinem Shirt. Es war ganz frisch gewaschen gewesen, aber nun war es irgendwie verschwitzt. Tatsächlich klebte mir meine Unterwäsche unangenehm feucht am Körper. Der verdammte Albtraum und der scheiß Affe sind schuld daran, dachte ich genervt. „Du brauchst eine Dusche! Nicht deine Klamotten!" erklärte Sean mir belustigt. Mein Herz klopfte unverändert schnell. Ich atmete tief und rieb mir über die Augen. Dann schaute ich ihn lüstern an. „Also gut, Sean. Du möchtest gerne mit mir zusammen duschen, nicht wahr?" glaubte ich verstanden zu haben. Der Gedanke gefiel mir.
Aber scheiß Valmont lachte nur viel zu spöttisch und stand auf. Er schüttelte zu meiner grenzenlosen Enttäuschung den Kopf. Völlig verwirrt starrte ich zu ihm hoch. Er spielt schon wieder blöd mit mir herum, registrierte ich verärgert, dieser Arsch hat mich völlig in seiner Hand und genießt es. „Stell dich einfach unter die Dusche, Clay. Sei aber bloß vorsichtig mit deinen Verletzungen. Danach komm bitte ins Wohnzimmer. Wir haben heute jede Menge Arbeit!" befahl Sean mir grinsend. Ich sah ihn an und wollte ihn gerne schlagen. Ich konnte nicht fassen, wie verdammt cool er war, wie wenig beeindruckt von meinen Zärtlichkeiten. Ich hatte das dringende Verlangen, ihn zu ficken oder ihn zu verprügeln. „Sean...hör mal... ich möchte gerne... mit dir...", fing ich hilflos an, brach konfus ab und rieb mir nochmal über die Augen. Nicht zu fassen, dass ich ihn anbetteln muss, mich anzufassen, dachte ich verbittert.
Wütend blickte ich zu ihm hoch. „Ich spiele deine verdammte Hauptrolle, Valmont!" warf ich ihm heftig vor. Sein Grinsen verebbte. Eine Weile musterte er mich ungläubig. Dann hockte er sich plötzlich vor mir hin und guckte mich lauernd an. „Was soll das heißen, Clay?" fragte er mich ernsthaft. Verwirrt wich ich seinem Blick aus. Ich musste darüber nachdenken, was ich ihm eigentlich damit sagen wollte. Mir war meine Absicht selbst nicht so ganz klar. Aber Sean verstand mich, wie so oft, besser, als ich mich selbst.
„Willst du, dass ich mit dir dusche, als Gegenleistung, weil du die Hauptrolle in Supernova Soul spielst?" drang Seans Stimme fassungslos zu mir durch. „Als Bezahlung sozusagen? Meinst du das damit, Clay?" verlangte er gnadenlos nach einer Antwort. „Ich will dich einfach", erwiderte ich trotzig. Ich möchte nicht allein sein, dachte ich deprimiert, ich will ihn spüren, diesen blöden Wichser. Ich warf ihm einen nervösen Blick zu. Er lächelte nicht mehr. Seine Augen waren völlig ausdruckslos. Er stand auf, ohne mich aus den Augen zu lassen. „So einfach funktioniert das aber nicht, Clay", seufzte er merkwürdig betrübt.
Ich hatte wirklich keine blasse Ahnung, warum er mich überhaupt abwies, wo er doch ansonsten immer scharf auf mich war. Meine eigene Erregung drängte nach mehr, und Valmont wollte mich nicht, das fühlte sich total scheiße an! Ich wurde aus ihm nicht schlau, und das ärgerte mich sehr. Es nervte mich unglaublich, dass er mich so überheblich ansah, dass er mich schon wieder so gnadenlos in seiner Hand hatte. „Bitte dusche einfach und komm dann ins Wohnzimmer", wiederholte Sean ruhig und drehte sich von mir weg. „Warum?" rief ich ihm irritiert nach. Er drehte sich nochmal zu mir um. „Denk mal drüber nach", forderte er mich kühl auf.
Sean
Er küsste mich auf die ihm eigene, schlicht überwältigende Art. Er streichelte mich, und es fiel mir enorm schwer, seine Gemeinheiten, früher an diesem Morgen, nicht sofort zu vergessen, mich ihm bedingungslos hinzugeben, seinen äußerst geschickten Fingern komplett auszuliefern. Er versprach mir, die Hauptrolle in Supernova Soul zu spielen, und eigentlich hätte alles gut sein sollen.
Aber der Mann roch unangenehm nach Schweiß. Clay Banton war extrem gierig und merkbar triebgesteuert, als er heftig über mich herfiel. Und ich bekam den deprimierenden Eindruck, nicht wirklich das Ziel seiner Begierden zu sein. Wie so oft schien mein Körper vollkommen austauschbar zu sein. Damit konnte ich nicht gut umgehen. Es frustrierte mich und törnte mich kontinuierlich ab.
Also entzog ich mich ihm und befahl ihm streng, endlich unter die Dusche zu gehen. Clay wollte sofort, dass ich ihn ins Bad begleite. Er wollte mit mir zusammen duschen und drängte mich geil dazu, mit der blöden Bemerkung, dass er ja schließlich die Hauptrolle für mich spielen würde. Der Dummkopf wollte mich wahrhaftig erpressen. Wie immer hatte er keine Ahnung, wie es in mir aussah, wie sehr ich innerlich kämpfen musste, um nicht die Fassung zu verlieren. Für mich war es völlig unakzeptabel, jetzt mit ihm intim zu werden. Nicht, nachdem er mir vorgeworfen hatte, ich wollte ihn ja nur in den Arsch ficken. Nicht, nachdem er mich so sehr herabgesetzt und verletzt hatte. Nicht, wenn er mir das beleidigende Gefühl gab, nur ein austauschbarer Körper für ihn zu sein, an dem er sich wahllos aufgeilte. Und obwohl es mir wahrhaftig schwerfiel, wies ich ihn zurück.
Clay war natürlich uneinsichtig und dumm. Wie immer verstand der ignorante Mann gar nichts. Er war merkbar frustriert, beugte sich jedoch schließlich meinem Willen und verschwand folgsam in meinem Badezimmer. Mir war klar, dass er nicht darüber nachdenken würde, warum ich ihn abgewiesen hatte, obwohl ich ihn darum gebeten hatte. Er würde nicht mal eine Sekunde lang darüber nachdenken! Clay Banton war überhaupt nicht dazu fähig, über so etwas ernsthaft nachzudenken. Sein Einfühlungsvermögen in andere Menschen reichte dafür bei weitem nicht aus. Aber er würde sich zweifellos Mühe geben, um mich nicht zu enttäuschen. Er würde seine tragende Rolle in Supernova Soul genauso perfekt spielen, wie es mir vorschwebte, da war ich mir sicher. Das versöhnte mich mit meinem Mann.
Die Gewissheit, dass Clay weiterhin für mich den Kühlschrank spielen würde, war tröstlich. Und deshalb ging es mir nach einiger Zeit wieder besser. Ich rauchte eine einsame Zigarette in meinem Zimmer. Danach fühlte ich mich den anderen gewachsen, für die kommende Aufgabe gewappnet. Es gab zu viel Arbeit, als dass mich meine wirren Emotionen noch länger davon abhalten durften, mahnte ich mich selbst. Ich musste mich endlich zusammenreißen. Ich konnte mich nicht länger durch meine Gefühle für Clay Banton behindern lassen. Er war für diese Rolle absolut unersetzlich, denn er war der psychotische Kühlschrank und mittlerweile sogar relativ bekannt dafür. Dabei war es völlig gleichgültig, ob er ein Idiot war. Es war schlicht egal, ob er mich verstand. Ich brauchte ihn unbedingt für meine experimentelle Performance, und zwar dingend. Das Publikum hätte einen anderen Schauspieler in dieser Rolle nämlich inzwischen mit Sicherheit nur schwer akzeptiert.
Dieses unbestreitbare Faktum machte ich auch Vincent und Marc klar, die ich im Wohnzimmer antraf. Die beiden hatten vor sich, neben ihren Tablets, ausgedruckte und zusammengetackerte Exemplare von Supernova Soul liegen. Es machte mich ein bisschen nervös, als mir klar wurde, dass sie mein neues Stück gerade zum ersten Mal lasen, weil ich damit ihrem Urteil ausgeliefert war. Einen Moment lang war ich mir nicht mehr sicher, ob ich tatsächlich etwas Gutes geschrieben hatte, ob sie es überhaupt verstehen konnten. Reglos stand ich an der Tür und beobachtete mit klopfendem Herzen ihre Reaktionen. Sie waren offenbar beide vom Text gefesselt. Sie waren voll konzentriert, arbeiteten an ihren Anmerkungen und Vorschlägen, beide einen Bleistift in der Hand. Ich sah sie an und war meinen Mitbewohnern spontan dankbar, dass sie sich so bedingungslos in diese Arbeit stürzten. Ohne sie wäre ich total aufgeschmissen, dachte ich gerührt.
Als sie mich schließlich bemerkten, erwartete ich atemlos ihr erstes Urteil. Marc und Vincent hielten sich aber auffallend zurück. Mein nervöser Eindruck war, dass ihnen Supernova Soul im ersten Anlauf zu konfus erschien. Die neue Geschichte war zu abstrakt und skurril, als dass sie sich sofort endgültig dazu äußern wollten. Marc und Vincent würden viel länger brauchen, um in das Stück eintauchen zu können. Etwas anderes hatte ich aber gar nicht erwartet. Wie könnte ich auch eine einfache, geradlinige Geschichte schreiben, wo doch mein eigenes Innenleben das reinste Durcheinander war? Wie könnten die Beweggründe des psychotischen Kühlschranks sofort einleuchten, wo doch Clay Banton ihn verkörperte, der schlicht das personifizierte Chaos war? Jedenfalls war ich heilfroh, dass meine Mitbewohner meine Arbeit nicht von vornherein ablehnten. Vielleicht spüren die beiden irgendwie das Potential hinter den Zeilen. Das hoffte ich jedenfalls inständig. Die Feinheiten würden wir ohnehin im Laufe der Zeit gemeinsam ausarbeiten.
Ich erklärte ihnen ernsthaft, wie immens wichtig Clay für das Stück war. Streng befahl ich ihnen, meinen Mann gefälligst gut zu behandeln. Zu meinem Ärgernis versprachen sie mir das nur widerwillig. Sie waren unverändert genervt von Clays Unzuverlässigkeit. Anscheinend war ihnen aber im Grunde klar, dass Herr Banton als Kühlschrank auch diesmal förmlich die ganze Geschichte verkörperte. Clay war die verdammte Hauptperson, um die sich alles drehte! Das war doch wohl sonnenklar! Marc und Vincent ahnten instinktiv, dass ich auch das neue Stück für und über Clay geschrieben hatte, und das wir deshalb nur schwerlich auf ihn verzichten konnten.
„Hoffentlich packt der das!" bemerkte Vincent skeptisch, was mir sofort die Nackenhaare aufstellte. „Er wird", versicherte ich ihm knapp, obwohl ich Vince wegen seiner scheiß Zweifel am liebsten die Fresse poliert hätte. Ich mahnte mich innerlich zur Ruhe, nahm mir ein Exemplar vom Tisch und setzte mich zu ihnen auf das Sofa. „Er wird fantastisch sein!" stellte ich meinen Freunden optimistisch in Aussicht. Sie schauten beschissen zweifelnd, sagten jedoch nichts mehr. Wahrscheinlich wollten sie mir meine Illusionen nicht kaputtmachen. In diesem Moment hätten sie das aber auch gar nicht geschafft.
Denn in diesem Moment war ich mir völlig sicher, dass Clay Banton mich nicht enttäuschen würde. Ich zweifelte nicht daran, dass nur mein höchst begabter, absolut bezaubernder Mann allein Supernova Soul zum Leben erwecken konnte. Mit meiner einzigen Liebe zusammen auf der Bühne zu stehen und meine neue Performance zu präsentieren, würde schlicht berauschend werden! Ich konnte die Premiere schon jetzt kaum noch erwarten.
Endlich fingen wir konzentriert zu arbeiten an. Mit der Zeit verstummte mein Kopf und fokussierte sich automatisch auf diese neue, wichtige und erfüllende Aufgabe. Marc und Vincent hatten unendlich viele Fragen und Anmerkungen, mit denen ich mich auseinandersetzen musste. Und schon sehr bald war in meinem Kopf gar kein Platz mehr für andere Gedanken.
Clay
Ich stand in Valmonts kleinem Badezimmer vor dem Spiegel und betrachtete mein angeschlagenes Gesicht. Es war ziemlich hässlich geschwollen, die Haut rund um mein Auge war tatsächlich dunkelgrün. Fuck! Ich ärgerte mich über meine Entstellungen und über Valmont. Warum hat er das gemacht, fragte ich mich verbittert, warum hat Sean mich dermaßen in den Arsch getreten? Warum tut der Wichser mir das an? Was zur Hölle habe ich ihm getan? Ich fühlte mich unbefriedigt und grübelte darüber nach, was wohl mit dem perfekten Sean Valmont los war. Warum um alles in der Welt hatte er dieses eindeutige Angebot von mir abgelehnt, eine verwirrende Tatsache, die sonst niemals vorkam. Jedenfalls konnte ich mich nicht daran erinnern, dass Valmont mich jemals abgewiesen hatte, wenn ich mich ihm dermaßen anbot. Warum wollte er keine geile Zeit mit mir unter seiner scheiß Dusche? Was war denn sein verdammtes Problem?
Ich konnte keine Antwort finden und verfluchte ihn stattdessen inbrünstig, was aber kaum half. Ich fühlte mich ziemlich verletzt, innen wie außen, auch wenn die scheiß Schmerzen jetzt dank des Codeins erträglich waren. Die ganze verwirrende Situation deprimierte mich, deshalb wollte ich nicht länger nachdenken.
Eigentlich hatte ich gar keinen Bock zu duschen. Die mühsame Prozedur schreckte mich ab, weil sie enorm anstrengend war. Außerdem wollte ich Herrn Valmont nicht willenlos gehorchen, weil er so ein Arsch gewesen war. Andererseits fühlte ich mich durchgeschwitzt und klebrig, was ein ziemlich ätzendes Gefühl war. Ich war eindeutig schmutzig, und das gefiel mir nicht.
Nach einigem Überlegen beschloss ich, das Waschen auf mich zu nehmen. Langsam fing ich damit an, mich auszuziehen. Erst die Jacke, dann das Kapuzenshirt und das Unterhemd. Ich ließ meine Klamotten auf den Boden sinken. Jede kleinste Bewegung war ein Kraftakt, denn ich spürte meine Verletzungen trotz der lindernden Wirkung der Tabletten, wenn ich mich zu stark bewegte. Die haben mich gestern echt zusammengeknüppelt, dachte ich wütend, und scheiß Valmont gönnt mir noch nicht mal einen geilen Fick, die blöde Schwuchtel! Ich verfluchte ihn nochmal und zog mich dabei weiter aus.
Es war verflucht schwierig, aus meiner engen Jeans zu steigen. Mit meinem linken Fuß konnte ich nicht auftreten, denn mein Knöchel schmerzte enorm vom verfluchten Treppensturz. Ständig entdeckte ich neue Verletzungen an meinem Körper, blaue und grüne Flecken, Schnitte, Schrammen und Blutergüsse. Es war schlimm, die mannigfachen Schäden an meinem mühsam durchtrainierten Körper richtig zu registrieren. Plötzlich tat ich mir selbst so sehr leid, dass mir ungewollt Tränen in die Augen stiegen. Mühsam unterdrückte ich sie, aber ein paar liefen trotzdem über meine Wangen, denn manchmal war ich ein verdammter, fucking sensibler Schwächling. Eine Weile kämpfte ich mit der Jeans, den Strümpfen und meiner Unterhose. Zwischendurch musste ich mich zum Ausziehen auf den geschlossenen Klodeckel setzen, sonst wäre ich auf meine angeschlagene Fresse gefallen.
Später war ich endlich komplett nackt. Mir war kalt und ich drehte die Heizung bis zum Anschlag auf, die merkwürdig zu gluckern anfing. Danach wandte ich mich der winzigen Dusche zu. Ich stieg hinein, schloss die Glastür hinter mir und drehte das Wasser auf. Es war eiskalt, als es abrupt meine nackte Haut traf. Ich fluchte erschrocken und drehte hektisch an den altmodischen Kränen herum, bis die Temperatur endlich angenehm wurde.
Dann ließ ich mich erschöpft auf den harten Boden der Dusche sinken und saß einfach nur dort. Das warme Wasser prasselte auf meinen geschundenen Körper. Meine breiten, schneeweißen Verbände an meinem linken Oberarm und am rechten Oberschenkel waren innerhalb von Sekunden klatschnass. Mir fiel plötzlich ein, dass Eliza mir genau deswegen das Duschen streng verboten hatte. Aber dieser Mist war mir jetzt echt total egal. Scheiß doch mal was auf die verfickten Verbände!
Ich weinte noch ein bisschen, weil ich ein Loser und voller Selbstmitleid war, und meine Tränen vermischten sich mit dem Wasser und verschwanden im Abfluss. Nach einiger Zeit beruhigte ich mich und betrachtete gelangweilt Valmonts Badezimmer durch die Glasscheiben der Dusche. Der Raum war ziemlich klein, nicht halb so groß wie mein eigenes Bad. Es gab nur eine blöde Schiebetür, die man noch nicht mal abschließen konnte. Ungestörte Privatsphäre war hier anscheinend ein Fremdwort. Es gab nur ein winziges Fenster, durch das ich draußen tatsächlich Schnee fallen sehen konnte.
In diesen Raum passte gerade mal eine kleine Dusche, ein Waschbecken und ein Klo rein. Eine Badewanne hätte hier drin niemals Platz gehabt, geschweige denn ein geiler Whirlpool. Seans Badezimmer war, genau wie das restliche Haus, uralt. Und obwohl es neu renoviert worden war, frisch gekachelt in schwulem Flieder-Pastell, wirkte es auf mich doch völlig antiquiert. In jeder freien Ecke, auf jeder Ablage standen irgendwelche Pflegeprodukte, unzählige Tuben und Flaschen, Flakons mit teurem Zeug drin. Ich verachtete Valmont und seine Mitbewohner für ihren Schönheitswahn und ihre schwule Eitelkeit. Ich verachtete Sean Valmont dafür, dass er sich von mir abhängig machte, nicht nur mit seinen blöden Performances.
Ich saß allein unter dem warmen, sanften Wasserstrahl und fühlte mich beschissen einsam. Unvermittelt kam mir Eliza nochmal in den Sinn. Plötzlich musste ich lachen bei der Vorstellung, wie die Frau total ausklinken würde, wenn sie mich hier unter der Dusche sehen könnte, mit den beiden klatschnassen Verbänden. Meine süße Liz würde echt einen üblen Anfall kriegen! Sie würde lauthals schimpfen und mich mit Gewalt aus der Dusche zerren. Das wäre bestimmt total amüsant!
Ohne Vorwarnung bekam ich eine unglaubliche Sehnsucht nach meinem Schmetterling. Ich versuchte zu begreifen, was überhaupt passiert war, warum sie mich so plötzlich verlassen hatte. Der Sex mit ihr heute Morgen war doch echt geil gewesen, für uns beide, oder etwa nicht? Ich versuchte zu verstehen, was daran Eliza dermaßen zur Verzweiflung gebracht haben könnte, dass sie sich so überstürzt von mir getrennt hatte. Aber ich konnte es nicht verstehen, so sehr ich mich auch bemühte. Ich kapierte überhaupt nichts daran! Stattdessen liebte und vermisste ich Liz plötzlich dermaßen, dass mir schon wieder scheiß Tränen in die Augen stiegen. Eine Weile heulte ich ungehemmt vor mich hin. Ich lehnte mich zurück und ließ das warme Wasser auf meinen Bauch prasseln. Das fühlte sich recht gut an.
Sean
„Wo ist er denn nun, unser mega wichtiger Hauptdarsteller?" fragte Marc ungeduldig und nicht ganz ohne Hohn, nachdem wir Supernova Soul zweimal vollständig mit all seinen Schwierigkeiten und Besonderheiten durchgesprochen hatten. Vincent sah zur Tür, dann vielsagend mich an. „Ja genau, wo ist der Wunderknabe eigentlich?" erkundigte er sich spöttisch bei mir. „Ich habe ihn unter die Dusche geschickt", informierte ich beide und schaute auf die Standuhr. Es war schon fast eine Stunde vergangen und Clay war noch nicht wieder aus dem Badezimmer aufgetaucht.
„So lange unter der Dusche? Was macht der denn da?" lächelte Vincent zweideutig. Marc stieß ihn albern an, dann wandte er sich an mich: „Wir brauchen ihn jetzt! Er muss sich endlich seine Rolle ansehen!" „Wir müssen wissen, ob er überhaupt bereit ist, diese Rolle zu spielen!" gab Vincent zu bedenken. „Er wird sie spielen!" versicherte ich ihm. Dann guckte ich zum Flur in Richtung Badezimmer. Ich fragte mich besorgt, ob Clay vielleicht einfach heimlich abgehauen war. Wir waren nämlich so vertieft in die Performance gewesen, dass wir es sicherlich gar nicht bemerkt hätten, wenn er sich herausgeschlichen hätte.
Kurzentschlossen stand ich auf. „Ich gehe ihn holen", informierte ich Marc und Vincent. Genervt ignorierte ich es, dass die beiden sich sofort alberne, offen lüsterne Blicke zuwarfen. „Aber nicht, dass du auch noch unter der Dusche verschwindest, Sean!" rief Vincent mir spöttisch hinterher. Ich bedachte ihn mit einer unfreundlichen Handbewegung und ging geradewegs in den Flur. Von hier aus konnte ich die Dusche rauschen hören, was mich auf der Stelle erleichterte. Der zornige Mann ist also doch nicht heimlich abgehauen, freute ich mich spontan. Aber schon im nächsten Moment kamen mir diesbezüglich Zweifel. Was, wenn Clay nur die Dusche angedreht hatte, ohne sie zu betreten? So blöde Tricks würde ich ihm durchaus zutrauen. Was, wenn er längst über alle Berge war?
Beinahe ängstlich zog ich die Schiebetür auf, betrat das kleine Badezimmer und zog die Tür hinter mir zu. Der Raum war voller Wasserdampf und es war sehr warm. Clay hatte offenbar die Heizung bis zum Anschlag aufgedreht. Verärgert drehte ich sie sofort kleiner. Die Glasscheiben der Dusche waren total beschlagen. Trotzdem konnte ich seinen Körper auf dem Boden der Dusche ahnen. Ich war erleichtert und sehr froh, dass er nicht eiskalt gegangen war. Mein zauberhafter Mann hatte mir wahrhaftig brav gehorcht, und meine unwillkürliche Liebe zu ihm wärmte mich von Innen. Dann wunderte ich mich, warum er so reglos auf dem Boden der Dusche saß. Er hätte doch längst fertig sein müssen. Ich fragte mich erstaunt, ob er tatsächlich schon seit fast einer Stunde dort unten in der harten Dusche hockte. Es ärgerte mich, dass er das teure Wasser anscheinend so maßlos verschwendete.
Zögernd näherte ich mich der Duschkabine und öffnete vorsichtig die Glastür. Clay Banton saß tatsächlich dort unter dem Wasserstrahl und ließ sich das warme Wasser auf den Bauch prasseln. Beim Öffnen der Tür schaute er erschrocken zu mir hoch. Scheinbar hatte er nicht mit meinem Auftauchen gerechnet. Der attraktive Mann war völlig nass, nackt und verzweifelt, was ich ihm sofort anmerkte. Offensichtlich hatte er geweint.
Einen langen Moment hatte ich große Mühe damit, die vielen Verletzungen an seinem nackten Körper zu verdauen, seinen nackten Körper zu verdauen. Seine so offene Verzweiflung rührte mich augenblicklich. Eine Weile starrte ich ihn nur verwirrt an. Er trug weiße, jetzt völlig durchnässte Verbände an seinem Oberarm und Oberschenkel. Mit den Verbänden hätte er gar nicht duschen dürfen, dachte ich beunruhigt und ärgerte mich, dass ich daran nicht gedacht hatte. Clay, dem das natürlich völlig gleichgültig war, zog jetzt verlegen die Beine heran, um sich irgendwie meinem Blick zu entziehen. Seine vom Weinen rot verquollenen Augen guckten genervt.
„Was?" fragte er mich schließlich unfreundlich durch das Rauschen des Wassers hindurch. Ich beugte mich über ihn und drehte das Wasser ab. Er protestierte nicht. „Wo bleibst du denn, Mann? Wir warten auf dich!" sagte ich vorwurfsvoll zu ihm. Er drehte sich bockig von mir weg und schwieg. Ich hockte mich vor die Kabine und berührte seinen Fuß, den er sofort wegzog. „Was ist denn los?" fragte ich ihn sanft, „Warum heulst du, Clay?" Er seufzte und schaute mich zögernd an. Er brauchte einige Zeit, um zu entscheiden, ob er sich mir anvertrauen wollte. Aber dann sprudelte sein Elend auch schon autonom aus ihm heraus, ganz wie es seine Art war. „Sie soll zu mir zurückkommen, Sean! Ich will, dass sie zu mir zurückkommt", rief er voller Verzweiflung. Danach schloss er stöhnend die Augen. Ich sah ihn an und wusste sofort, wen er meinte. Ich konnte es nicht fassen, dass er ausgerechnet von mir verlangte, ihn wieder mit seiner Lieblingsfrau Eliza Laser zusammenzubringen. Sein egoistisches Anliegen ärgerte mich enorm. Eine Weile war ich nahe daran, einfach geradewegs beleidigt aus dem Zimmer zu gehen. Aber dann riss ich mich doch zusammen. Clay versprach sich Hilfe von mir, und das schmeichelte mir. Auch wenn der Grund seiner Traurigkeit eine Frau war, auf die ich scheinbar schon mein ganzes Leben lang extrem eifersüchtig war.
„Bist du dir sicher, dass sie dich verlassen hat?" fragte ich ihn endlich spöttisch. Er öffnete sofort die Augen und fixierte mich eindringlich. „Sie ist gegangen, Sean! Und ich weiß nicht warum!" seufzte er betrübt. Angestrengt dachte er darüber nach. Ich betrachtete währenddessen verstohlen seinen verwundeten Körper und hatte zunehmend Mühe damit, seine einladende Nacktheit zu ignorieren. Aber seine scheiß Gedanken waren schon wieder ausschließlich bei Eliza, was mich extrem kränkte. „Ich habe... sie gefickt... und danach hat sie mich verlassen. Ich war wohl nicht gut heute Morgen... es hat ihr nicht gefallen... ich weiß nicht...", vermutete er überfordert. Abschätzend schaute ich in seine traurigen Augen und konnte seine grenzenlose Dummheit kaum fassen. Seine Ignoranz war in der Tat beispiellos! Clay dachte tatsächlich, Elizas Entschluss, ihn zu verlassen, hätte etwas mit seinen Qualitäten als Liebhaber zu tun. So unglaublich beschränkt war seine Weltsicht.
Mir war sofort sonnenklar, dass Eliza Laser ganz sicher tausend Gründe gefunden hatte, um ihre Beziehung mit Clay Banton zu beenden. Und dass Clays Potenz mit Sicherheit keiner dieser vielen guten Gründe war. Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief ein. Clays kindlich naive Verwirrung rührte mich sehr viel mehr, als mir lieb war. Augenblicklich war ich voller Liebe für ihn, sogar für seine grenzenlose Blödheit. Ich wünschte, ich könnte die Dinge auch so einfach interpretieren wie dieser Mann, dachte ich bewegt.
Dann streichelte ich spontan seinen Knöchel, der dick angeschwollen war. Ich berührte ihn, bevor ich mich bremsen konnte. Besorgt versuchte ich zu ertasten, ob seine Knochen gebrochen waren. Clay ließ diese Berührung jetzt reglos zu. „Ich glaube nicht, dass sie dich deswegen verlassen hat, Clay", versuchte ich ihm gutmütig zu erklären. „Sie soll zu mir zurückkommen!" stöhnte er verzweifelt, trotzig wie ein Kleinkind, „Ich habe ihr doch überhaupt nichts getan! Ich verstehe sie nicht!" Hilfesuchend streckte er mir seine Hand entgegen. „Bitte, hilf mir, Sean!" flehte er mich wahrhaftig an. Sein Blick war dem eines geschundenen Tieres, das auf Rettung hofft, sehr ähnlich. Ich streichelte seinen Unterschenkel. Seine Haut fühlte sich nass und heiß an. Es schmeichelte mir, dass Clay sich von mir Hilfe erhoffte, obwohl es hierbei ausgerechnet um Eliza ging. Er sollte eigentlich langsam wissen, dass seine Lieblingsfrau die größte Konkurrenz für mich ist, dachte ich genervt, dass es mir immer noch schwerfällt, seine viel zu enge Beziehung zu ihr zu tolerieren. Dass ich eigentlich vor Freude Luftsprünge machen möchte, weil das Weib ihn endlich verlassen hat.
Aber in dieser Situation fühlte ich merkwürdigerweise keine Schadenfreude in mir. Ich spürte nur grenzenlose Liebe und Mitgefühl für Clay. „Ausgerechnet ich soll dir dabei helfen?" gab ich lächelnd zu bedenken. Er rutschte vertrauensvoll zu mir und sah mir direkt in die Augen. „Ja, denn du bist der Einzige, der das kann, Sean! Auf dich hört sie bestimmt! Sie hat doch immer auf dich gehört!" „So ein Unsinn! Die Frau verachtet mich total!" erwiderte ich abwehrend. Clay schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, ganz bestimmt nicht, Sean! Liz bewundert dich und deine Arbeit! Sie kann das nur nicht so zeigen!" behauptete er felsenfest.
Auf einmal fing er an zu zittern und schlang sich schützend die Arme um die Knie. Auf seinem nackten Körper bildete sich eine Gänsehaut. Anscheinend wurde ihm langsam bitterkalt. Er war ja völlig nass, und ich hatte die Heizung heruntergedreht. „Bitte hilf mir", flüsterte er nochmal beschwörend. Verwirrt schloss ich die Augen und atmete tief. Ich hatte plötzlich den dringenden Wunsch, ihn anzufassen. „Bitte rede mit ihr! Sag ihr, sie soll zu mir zurückkommen!" drängte Clay mich hartnäckig und legte mir die Hand auf die Schulter. Ich öffnete die Augen und schaute ihn an. „Okay, ich versuche es", versprach ich ihm leise. Ich log ihm offen ins Gesicht, und er merkte es nicht mal ansatzweise. Er glaubte mir meine Lüge sofort, obwohl er es besser hätte wissen müssen. Denn ich würde ganz sicher nicht dafür sorgen, dass Eliza zu ihm zurückkam. Lieber wäre ich gestorben, als ihn wieder mit seiner Dauerfreundin zusammenzubringen! Ich wäre heilfroh, wenn sie tatsächlich aus seinem Leben verschwinden würde, was ich allerdings stark bezweifelte. Ich war mir sicher, dass Eliza ihn in Wahrheit niemals verlassen würde, denn diese Frau war restlos entflammt für meinen Mann. Abgesehen davon war ich mir vollkommen bewusst darüber, dass Frau Laser mit Sicherheit niemals auf mich hören würde. Diese enorm selbstbewusste Frau traf ihre Entscheidungen doch immer ganz allein. Und ich war bestimmt der Allerletzte, den sie in Bezug auf Clay um Rat fragen würde.
Der einzige Grund meines falschen Versprechens war nur der, Herrn Banton zu beruhigen. Den verwirrten Mann endlich dazu zu bringen, sich mit Supernova Soul beschäftigen zu können. Seine Dankbarkeit sollte mir den Erfolg meiner Performance sichern. Und meine intuitive Rechnung ging natürlich auf. Dazu kannte ich Clay Banton viel zu gut. Der dumme Mann war mir augenblicklich immens dankbar. Er glaubte meine Lüge, ohne auch nur einmal darüber nachzudenken, was er da eigentlich von mir verlangt hatte!
Clay bewegte sich spontan auf mich zu. Er umarmte mich, hielt mich fest, zog mich gierig zu sich in die nasse Dusche und küsste mich einnehmend. Instinktiv überwältigt schoss ich meine Augen. Eine Weile ließ ich seine unmittelbare Nähe zu und genoss seine tastende Zunge in meinem Mund. Das Wasser auf dem Boden der Dusche kroch mir durch die Jeans bis auf die Haut. Es wäre so leicht, ihn jetzt zu nehmen, seinen wundervollen Körper zu genießen, fuhr es mir sehnsüchtig durch den Sinn. Es tut so verdammt gut, seine Zärtlichkeiten zu spüren. Ich liebe ihn so sehr.
Aber dann erinnerte ich mich plötzlich an seine Grausamkeiten, und das törnte mich auf der Stelle enorm ab. In Gedanken sah ich Marc und Vincent, die ungeduldig, spöttisch, schlüpfrig grinsend im Wohnzimmer auf uns warteten. Unwillkürlich, aber dennoch insgeheim widerwillig, machte ich mich energisch von ihm los. „Hast du dich gewaschen?" fragte ich ihn streng. Ich zwang mich, ganz ruhig zu atmen. Er stöhnte und atmete schwer. „Sean...", protestierte er leise genervt. Im nächsten Augenblick beugte er sich hastig an mein Ohr. „Fick mich", atmete er lüstern hinein und fuhr mit seiner Zunge fordernd über die Stelle hinter meinem Ohr, die mich total erregte. Es fiel mir extrem schwer, aber ich stieß ihn hart weg. Noch immer war ich viel zu verletzt, um ihn wirklich auf diese Art und in letzter Konsequenz ertragen zu können. Obwohl ich das, wenn ich ehrlich zu mir war, tief drinnen entsetzlich bedauerte. Denn sein nasser, nackter, fantastisch wunderschöner Körper schien lauthals nach mir zu rufen.
Clay lag jetzt auf dem Rücken. Er war an die Wand der Dusche gelehnt und betrachtete mich verwirrt. Er konnte mein ablehnendes Verhalten nicht deuten. Meine strikte Weigerung zu Intimitäten war ihm ein einziges Rätsel. Genau wie es seine Art war, hatte er seine verbalen Gemeinheiten mir gegenüber natürlich längst vergessen, obwohl sie kaum eine Stunde her waren.
„Was ist eigentlich los mit dir, Valmont?" wollte er nun ungehalten von mir wissen, „Warum schubst du mich weg? Seit wann willst du mich nicht mehr?" Fragend fixierte er mich. Seine Stimme klang nicht halb so verletzt, wie es mir gefallen hätte. Clay war stattdessen hauptsächlich geil und von meiner deutlichen Abfuhr ziemlich frustriert. „Seit du mir vorgeworfen hast, dass ich dich ja nur in den Arsch ficken will!" erwiderte ich spontan heftig. Clay zuckte beim harten Klang meiner Stimme verschreckt zusammen. Irritiert musterte er mich. Seine grün-braunen Augen wirkten sehr dunkel. „Hör mal... Ich... hatte doch einen Affen...", versuchte er hilflos eine Rechtfertigung. Verärgert schüttelte ich den Kopf. „Und das soll immer alles entschuldigen, was?! So läuft das nicht, Clay!" Meine Stimme überschlug sich beinahe vor aufgekochter Wut. Mein Herz klopfte jetzt aufgewühlt. Ich schwankte stark zwischen unglaublichem Zorn und maßloser Lust auf ihn.
Mein zauberhafter, trotz seiner Verletzungen enorm ansehnlicher Mann lag nackt in meiner Dusche und war mit meinem Verhalten vollkommen überfordert. Natürlich hatte er nicht die geringste Ahnung davon, wie stark er mich verletzt hatte, wie extrem ich ihn liebte, wie sehr mir das alles an die Nieren ging. Clay Banton bedauerte wahrscheinlich höchstens die schwindende Chance auf einen geilen Abgang.
„Es tut mir leid, Sean", seufzte er nun und strich sich herausfordernd über die Oberschenkel. Er lehnte sich aufreizend zurück und sah hinunter zu seinem Schwanz. Dann blickte er mich lüstern lächelnd an, als er meinen Blick bemerkte, der ihm automatisch zu seinem Penis gefolgt war. Selbstverständlich begehrte ich ihn. Er war wunderschön. Und meine Dusche war für zwei Leute definitiv viel zu klein, als das ich ihm wirklich effektiv hätte ausweichen können. Wir saßen beide dicht beieinander in der engen Kabine auf der nassen Emaille und sahen uns an. „Du hast mir weh getan", flüsterte ich verwirrt. Die Lust drohte meine Wut zu übertrumpfen und Clay merkte mir das sogleich an. Er streckte seine Hand aus und streichelte meinen Unterschenkel. „Ich wollte dir nicht wehtun, Sean." „Ja, das willst du ja nie. Und du tust es trotzdem", seufzte ich resigniert. Er lächelte erwartungsvoll und bewegte sich auf mich zu. „Es geht mir schlecht, Sean. Ich möchte, dass du mich anfasst...", eröffnete er mir atemlos.
Spontan drehte ich mich hastig von ihm weg. „Ich kann nicht", presste ich mühsam hervor und beeilte mich, aus der engen Dusche zu kriechen, bevor mir meine eigene Geilheit einen Strich durch die Rechnung machen würde. Ich spürte nur zu genau, dass ich verflucht nahe daran war, drängend über ihn herzufallen und damit meine eigenen Prinzipien schändlich zu verraten. Clay wollte mich genervt fauchend festhalten, aber ich schüttelte ihn energisch ab. Im nächsten Moment saß ich auf dem Boden vor der Dusche und musste mich schwer zusammenreißen, um nicht auf der Stelle umzukehren. Krampfhaft zwang ich mich, an Supernova Soul zu denken, an Vincent und Marc, die im Wohnzimmer ungeduldig auf uns warteten. Wenn ich nicht bald zurückgehe, dann können sie sich denken, was ich hier in der Dusche mit Clay treibe, hämmerte es beschämt in meinem verwirrten Kopf. Der Gedanke an den frivolen Spott meiner Freunde tötete meine Lust aber nur ansatzweise.
„Du bist so unfair, Valmont!" beschwerte Clay sich jetzt lauthals. Ich stand auf und drehte mich zu ihm um. Er lag immer noch in der Dusche, aufreizend nach hinten gebeugt, und starrte mich enttäuscht und verärgert an. Ich holte tief Luft. „Rede du nicht über Fairness, Clay! Nicht ausgerechnet du!" hielt ich ihm verbissen vor. Dann drehte ich mich wieder um. „Wasch dich endlich, verdammt! Wir warten auf dich, hörst du!? Ich möchte dich in fünf Minuten im Wohnzimmer sehen, verstanden? Und mach die nassen Verbände ab! Ich werde dich im Wohnzimmer neu verbinden!" Mein strenger Ton duldete keinen Widerspruch.
Clay sagte nichts mehr, und ich brachte es nicht über mich, mich noch einmal zu ihm umzudrehen. Betont langsam verließ ich das Badezimmer und zog hinter mir die Schiebetür zu. Draußen lehnte ich mich erschöpft gegen die Tür. Ich atmete ein paar Mal tief durch und versuchte, mich zu beruhigen. Ich redete mir hilflos ein, dass ich verdammt stolz auf mich sein konnte, weil ich meine berechtigte Wut auf ihn nicht mit Sex verraten hatte. Weil ich diesem überirdisch gut aussehenden Mann widerstanden hatte. Dann klammerte ich mich hartnäckig an die Vorstellung, welchen durchschlagenden Erfolg wir mit Supernova Soul haben würden. Ich war mir meines Erfolges in diesem Augenblick ganz sicher, und die Gewissheit baute mich innerlich mächtig auf. Augenblicklich sprühte ich vor frischem Tatendrang.
Kurzerhand ging ich zurück ins Wohnzimmer. Marc und Vincent grinsten mich fragend an. „Und?" erkundigten sie sich beide gleichzeitig. „Keine Ahnung", seufzte ich, setzte mich auf das Sofa und zündete mir eine Zigarette an. „Was heißt das? Kommt der jetzt oder nicht?" hakte Marc ungeduldig nach. Ich hob die Schultern und sah ihn an. „Clay hat sich noch nicht mal gewaschen. Er sitzt einfach nur unter der Dusche und heult", erzählte ich ziemlich abfällig. Nochmal hob ich die Schultern, blickte zu Vincent und behauptete: „Ich weiß nicht, was mit ihm los ist." Vincent stöhnte genervt auf. „Mit dem ist gar nichts los! Der ist einfach nur ein Spinner!" „Der Süße muss doch inzwischen schon total aufgeweicht sein!" bemerkte Marc frivol und fing albern an zu lachen. „Ja, und er verschwendet jede Menge Wasser, das wir für ihn bezahlen dürfen!" rief Vincent erbost. Er knallte sein ausgedrucktes Exemplar von Supernova Soul auf den Tisch und stand energisch auf. „Wir können jetzt nicht noch länger auf den Blödmann warten, Leute. Wir kommen ohne ihn nicht weiter. Und ich habe keinen Bock, wegen dem Idioten den ganzen Tag zu vertrödeln. Es gibt noch jede Menge Arbeit bis zur ersten Probe!" Er sprach mir aus der Seele, deshalb guckte ich ihn dankbar an. Vincent lächelte mir aufmunternd zu und wandte sich dann an Marc. „Komm mit, Marc, wir holen unseren Hauptdarsteller jetzt, ob er will oder nicht!" kündigte er fest entschlossen an. Marc kicherte kindisch und stand erwartungsvoll auf. Die Neugier stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Clay
Scheiß Valmont wies mich erneut ab, was mich unglaublich ärgerte und wofür ich ihm am liebsten die Eier abgebissen hätte. Ich war total geil auf ihn, und er spielte das beschissene Seanchen Rühr-mich-nicht-an. Der Herr Professor war anscheinend beleidigt wegen etwas, wollte sich rächen für eine Sache, die früher an diesem Tag passiert war. Aber das interessierte mich nicht, denn ich konnte mich kaum an so was Unwichtiges erinnern. Diese Dinge hatte ich längst abgehakt und ich hatte keine Ahnung, was der Blödmann meinte.
Ich saß allein in seiner winzigen Dusche und fühlte mich gedemütigt wie ein Idiot. Plötzlich wurde mir die ganze Situation einfach zu lächerlich. Meine mädchenhafte Heulerei war unentschuldbar, schimpfte ich mit mir. Ich sollte mich lieber mal zusammenreißen. Und vor allem sollte ich Sean Valmont nicht eine solche Macht über mich geben. Ich sollte ihm nie wieder auch nur die kleinste Chance geben, mich dermaßen eiskalt abzuservieren. Tatsächlich sollte ich nicht nackt in seiner blöden Dusche liegen und heulen wie eine Schwuchtel.
Das scheiß Wasser war abgestellt, deshalb war mir saukalt, und mein nasser Körper schmerzte immer noch. Kurzerhand stand ich auf, taumelte aus der Dusche und griff mir Valmonts überaus teures Duschgel for men, das dort auf einer Ablage stand. Ich kannte seine exklusive Marke und roch sie ausgesprochen gerne an ihm. Sein geiles, unbezahlbares Duschgel war für Haut und Haar gleichermaßen geeignet, mit einem unwiderstehlichen Duft voller herber Männlichkeit. Hektisch fing ich an, mich überall einzuseifen. Es war schwierig, weil ich kaum auftreten konnte. Mein Knöchel tat weh, und ich hatte Mühe, das Gleichgewicht zu wahren. Ich wusch mir den ganzen Körper mitsamt der Verbände und dann den Kopf und die Haare. Total eingeseift drehte ich danach das Wasser wieder an, um mich gründlich abzuspülen. Es war angenehm, meinen verschwitzten Leib zu säubern. Ich ertrug das schmerzhafte Brennen des scharfen Duschgels auf meinen Schnittwunden und das viel zu kalte Wasser auf meiner Haut, ohne einen einzigen Ton von mir zu geben. Die eisige Kälte war tatsächlich ein hervorragendes Mittel gegen meine unbefriedigte Geilheit, stellte ich grimmig fest.
Später drehte ich das Wasser ab und schaute mich suchend nach einem Handtuch um. Erst jetzt fiel mir auf, wie viel von dem kalten Wasser bei meiner hastigen Säuberungsaktion im ganzen Badezimmer gelandet war. Ich hatte vor dem Abspülen des Duschgels schlicht vergessen, die Glastür der Dusche wieder zu schließen. Deshalb war jetzt der gesamte kleine Raum ziemlich nass geworden. Das gibt Ärger, wusste ich sofort echt schadenfroh, die lächerlichen Tunten werden sich darüber tierisch aufregen. Diese Vorstellung heiterte mich enorm auf.
Noch bevor ich ein Handtuch entdecken konnte, ging auf einmal die verdammte Schiebetür auf. Vincent und Marc kamen schwul kichernd herein. Neugierig checkten sie mich ab. Ihre viel zu lüsternen und indiskreten Augen wanderten ausführlich über meinen nackten Körper und jede meiner Verletzungen. Dann bemerkten sie langsam, dass ihr Badezimmer unter Wasser stand. „Du hast die Tür der Dusche offen gelassen, Clay, das glaub ich ja jetzt nicht!" fuhr Vince mich fassungslos an. „Wir warten schon auf dich, Schatz!" meinte Marc schnell und kam einige Schritte auf mich zu. Er betrachtete sichtbar erschrocken meine geschundene Haut, war aber offenbar auch angetan von meiner Nacktheit, was mich eine Weile ziemlich amüsierte.
Aber nach ein paar Minuten wurde mir sein verschlingender, faszinierter Blick irgendwie peinlich, und außerdem wurde mir immer kälter. „Gib mir ein Handtuch, Mann!" befahl ich ihm ungeduldig. Er löste sich verwirrt vom Anblick meines Schwanzes und meiner blauen Flecken und sah in mein Gesicht. „Wie geht es dir?" flüsterte er fast. Sein Blick war dermaßen besorgt, dass er mir auf den Geist ging. „Handtuch, Marc!" wiederholte ich laut. „Du blöder Penner, Clay! Du hast tatsächlich das ganze Bad geflutet! Das wischt du sofort auf!" rief Vincent wütend und drehte sich zur Tür. „Guck dir das mal an, Sean!" brüllte er den Flur hinunter. Es stresste mich extrem, dass Vincent wegen diesem unwichtigen Scheiß so einen Aufstand machte, und dass er auch noch Valmont rief, um das durchnässte Badezimmer zu begutachten. Irgendwie war der Ärger wegen meiner unabsichtlichen Überschwemmung nicht halb so lustig, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Diese hysterischen Schwuchteln waren definitiv viel zu verspannt!
Ich kletterte aus der engen Dusche und hielt mich dabei an Marc fest. Mal wieder war ich nackt, nass, verletzt und fühlte mich beschissen ungeschützt. Marc studierte meinen Körper immer noch erschrocken und geil. Und ich suchte hastig weiter mit den Augen nach einem doofen Handtuch. Inzwischen war mir so entsetzlich kalt, dass ich wie verrückt zitterte. Nervös schaute ich zur Tür, wo Sean gerade auftauchte. Er warf mir einen diffusen Blick zu, der alles bedeuten konnte. Der Anblick seines überschwemmten Badezimmers überraschte ihn kein bisschen. Wahrscheinlich ging er davon aus, dass ich seine blöde Dusche extra offen stehen gelassen hätte, um mich für seine unfaire Abfuhr zu rächen, was absoluter Blödsinn war. Ich drehte mich von ihm weg und versuchte, mich irgendwie zu schützen, was aber gar nicht möglich war.
Marc umarmte mich plötzlich halbwegs, was ich in dieser unangenehmen Situation nur mühsam ertragen konnte, obwohl er mich mit seinem Körper angenehm wärmte. „Es tut mir so leid", flüsterte er erschüttert in mein Ohr, „Es ist so schlimm, was mit dir passiert ist." Sean lachte spöttisch auf. Er ging geradewegs zum Waschbecken und holte aus dem Schrank darunter ein Handtuch hervor, was er mir zum Glück unverzüglich reichte. Ich nahm es dankbar an und schlang es mir schützend um die Hüften. Energisch taxierte ich ihn und verlangte: „Darf ich mich jetzt bitte ungestört anziehen?" Meine Stimme klang blöderweise nicht so souverän, wie ich es beabsichtigt hatte.
„Der verdammte Penner hat unser ganzes Bad geflutet!" meinte Vincent verärgert, der sich noch immer nicht deswegen einkriegte. Er merkte nicht mal, dass Sean das nasse Bad offenbar nur mäßig interessierte. Sean betrachtete unverändert mich. Er lächelte mit schmalen Augen, was niemals etwas Gutes ahnen ließ. Mister Arrogant mahnte mich damit stumm, mich endlich zusammenzureißen, was mich echt sauer machte. Ich schloss hilflos die Augen, um mich seinem unangenehmen Blick zu entziehen. Endlich ließ Marc mich los. „Fünf Minuten, Clay!" drang Valmonts Stimme drohend nach einer Minute des eisigen Schweigens an mein Ohr. Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Sean schob Marc und Vincent vor sich her aus dem Badezimmer, was mich ziemlich erleichterte. „Du findest einen Aufnehmer im Schrank in der Ecke!" rief Vincent mir noch auffordernd zu, bevor Sean die Schiebetür hinter ihnen zuzog.
Erschöpft lehnte ich mich an die blass lila gekachelte Wand. Langsam fing ich an, mich abzutrocknen. Mir war kalt und schwindelig. Ich hatte das dringende Bedürfnis nach mindestens einem Chinesen. Ich erinnerte mich daran, dass unter Sergejs Nummer nur die verfluchte Mailbox geantwortet hatte. Meine Verbände waren klatschnass geworden und hatten sich beim unvorsichtigen Waschen halbwegs gelöst, sodass ich sie ungeduldig von meinem Arm und Bein zerrte. Die Stoffbahnen verhedderten sich dabei irgendwie an den Nähten, was ziemlich weh tat.
Vor Wut trat ich mit meinem unverletzten Fuß ein paar Mal gegen den unteren Rand der Dusche. Es ärgerte mich extrem, dass Valmont sich schon wieder so aufspielte, und dass er mir so unerwartet diese verflucht umfangreiche Arbeit aufzwang. Von einer neuen Performance war doch vorher nie die Rede gewesen und ich war ganz bestimmt nicht deswegen hier! Ich wollte shore rauchen und vielleicht Sex haben, aber ganz bestimmt wollte ich jetzt nicht arbeiten! Hätte das kreative Genie nicht zu einem anderen Zeitpunkt seinen verfickten scheiß Geistesblitz kriegen können, und nicht gerade in dem Moment, wenn ich in seiner Reichweite war?! Fuck!
Aber mir war sonnenklar, dass ich aus dieser verzwickten Situation nicht mehr rauskam, ohne zumindest eine Weile meinen guten Willen zu zeigen. Daran führte kein Weg vorbei, denn Sean Valmont würde mir mit Sicherheit nicht verzeihen, wenn ich ihn jetzt im Stich ließ. Außerdem hatte ich ja blöderweise voreilig groß herumgetönt, dass ich für ihn jede Rolle spielen würde und so. Einfach so schnell wie möglich abzuhauen war also leider keine Option, obwohl mich das mächtig anpisste.
Nach dieser niederschmetternden Erkenntnis zog ich mir meine irgendwie feuchten Klamotten wieder an. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass Sergej früher oder später an sein Handy gehen würde. Bis dahin galt es nur zu überleben. Und ich hatte definitiv schon viel schlimmere Stunden überlebt! Das Codein und die Schmerztabletten wirkten einigermaßen gut. Ich fühlte mich jetzt auf eine vage Art erfrischt und sauber. In meiner Jacke suchte ich nach Zigaretten, aber ich hatte keine einzige mehr.
Eine Weile saß ich auf dem nassen Boden des Badezimmers und atmete tief durch. Ich versuchte, mich innerlich auf die erneute Begegnung mit Sean, Marc und Vincent vorzubereiten. Ich versuchte, mich mit Seans neuer Performance anzufreunden und mit der immensen Arbeit, die zweifellos für mich damit verbunden war. Das fiel mir schwer, denn mein Kopf war so voll mit scheiß schmerzhaften Gedanken, total dummen Vorwürfen und lächerlich ängstlichen Erwartungen. Ich verachtete mich selbst für diese wirren Gedanken und Gefühle, aber ich konnte sie viel zu lange nicht abstellen. Beschissen allein saß ich auf dem Boden in diesem kleinen Raum. Mir war sehr kalt und ich bekam das starke Bedürfnis, meinen schmerzenden Kopf an der nächsten Wand kaputt zu schlagen. Die Gewissheit, dass ich diesem Elend mit nur einigen Chinesen sofort würde entkommen können, lastete schwer auf mir.
Später gab ich mir plötzlich einen Ruck und stand kurzerhand auf. Ich wollte auf keinen Fall riskieren, dass der große Meister Valmont nochmal seine unterwürfigen Sklaven schicken würde, um nach mir zu sehen, mich womöglich gewaltsam zu holen, weil ich nicht freiwillig ins Wohnzimmer kam. Mein linker Knöchel schmerzte immer noch, mein zerschnittener rechter Oberschenkel tat weh. Deshalb humpelte ich zur Schiebetür und zog sie mühsam auf. Ich setzte die Wayfarer auf und atmete ein paar Mal tief durch. Mit wenigen Schritten war ich im Wohnzimmer, wo Sean, Vincent und Marc in ihre Manuskripte vertieft auf dem alten Sofa saßen. Mir war sofort klar, dass die Arbeit an Supernova Soul schon längst begonnen hatte.
Sean
„Nein, warte, bleib da stehen!" rief Vincent plötzlich laut zur Tür gewandt. Erst da bemerkte ich, dass Clay an der Tür war und sich auf uns zu bewegte. Irritiert blieb er stehen. Ich betrachtete meinen Mann prüfend. Er sah frisch aus, wenn auch immer noch angeschlagen, und warf mir einen fragenden Blick zu. Ich gab den Blick weiter an Vincent, der mich jetzt hinterhältig anlächelte. „Ich will vorab wissen, ob er überhaupt noch in der Lage ist, die Hauptrolle in Supernova Soul zu übernehmen. Diese extrem wichtige Grundsatzfrage muss jetzt dringend mal geklärt werden. Sonst brauchen wir nämlich gar nicht erst mit ihm anzufangen!" meinte er überheblich. „Mensch, Vincent...", beschwerte ich mich genervt. Für mich stand völlig außer Frage, dass Clay Banton die Hauptrolle spielte. Das war von Anfang an selbstverständlich gewesen, ja, es gab schlicht keine Alternative. Ich brauchte keine seltsamen Tests und fand den sinnlosen Vorschlag absolut überflüssig.
Aber Vince schüttelte entschieden den Kopf. „Ich bestehe darauf! Ich habe nämlich keine Lust auf die ganze Arbeit, wenn sich dann womöglich am Ende herausstellt, dass wir gar keinen Hauptdarsteller haben!" „Was soll das heißen, ob ich in der Lage bin?" meldete sich Clay hörbar verärgert von der Tür her. Ich schaute ihn beschwichtigend an. „Das ist doch Schwachsinn!" versuchte ich Vincent umzustimmen, „Clay hat schon bewiesen, dass..." „Dass er Psychotic Kühlschrank beherrscht, das bezweifelt ja auch keiner. Aber hier liegen die Dinge doch ein wenig anders!" unterbrach Vincent mich und deutete auf sein Manuskript vor sich auf dem Tisch.
Ich seufzte, schloss kurz die Augen und atmete ein. Mit diesen unvorhersehbaren Zweifeln an Clay hatte ich nicht gerechnet, und ich teilte sie auch nicht. Aber insgeheim musste ich zugeben, dass Vincent Palm eventuell nicht ganz unrecht hatte. Denn Supernova Soul stellte eine ganze Menge neuer und extrem schwieriger Anforderungen an die Darsteller, insbesondere an Clay, die es im ersten Teil von Psychotic Kühlschrank noch nicht gegeben hatte.
Eine Weile war es ganz still, als würde niemand mehr wagen zu atmen. Seufzend öffnete ich die Augen und wandte mich an Marc Hellberg. „Und was meinst du dazu?" Marc fühlte sich sichtlich unwohl. Es widerstrebte ihm grundsätzlich, jemanden zu kränken. Er guckte Clay an und hob bedauernd die Schultern, wie um sich schon im vornherein zu entschuldigen. „Ich muss Vincent leider recht geben. Es tut mir leid, aber diese Rolle..." „Was ist mit meiner scheiß Rolle?!" fuhr Clay ungeduldig dazwischen. Er kam einige Schritte auf mich zu. „Was bedeutet das, Sean?" fragte er mich, schwankend zwischen Misstrauen, Furcht und Wut. „Warte, bis du Supernova Soul gelesen hast, dann wirst du es verstehen, Schatz", versuchte Marc hilflos, sich zu rechtfertigen.
Aber Clay ignorierte ihn. Seine ganze Aufmerksamkeit lag jetzt auf mir. Er stand vor dem Tisch und taxierte mich argwöhnisch. „Wozu muss ich in der Lage sein, Valmont?" drängte er verärgert nach einer Antwort. Ich konnte seine Augen nicht sehen, denn er trug wieder seine dunkle Wayfarer, aber ich stellte mir vor, dass sie angriffslustig blitzten. Seine nassen Haare standen ihm nach allen Seiten vom Kopf ab, offenbar hatte er sie gewaschen, aber nicht gekämmt. Ganz sicher duftet er jetzt absolut verführerisch nach meinem guten Duschgel, und seine Haut fühlt sich seidenweich an, dachte ich sehnsuchtsvoll.
Dann riss ich mich von seinem faszinierenden Anblick los und wandte mich wieder an Vincent, der neben mir saß. „Hör zu, Vince, im Prinzip hast du recht. Aber heute ist echt nicht der beste Tag, um Clay auf seine Tauglichkeit zu testen. Er ist gestern brutal zusammengeschlagen worden, vergiss das nicht. In einer Woche sieht das schon wieder anders aus, dann..." „Es ist mir ehrlich gesagt scheißegal, ob er zusammengeschlagen wurde! Ich möchte wissen, ob dieser Mann überhaupt in der Lage ist...", unterbrach Vincent mich ruppig, ohne das geringste Mitgefühl. „Wenn er es heute nicht schafft, dann liegt das nur an seinen schweren Verletzungen!" beharrte ich kühl, denn ich fand Vincents Arroganz zum Kotzen. „Wenn ich was nicht schaffe?" heulte Clay verständnislos auf, „Verdammt, würdet ihr bitte nicht ständig über mich reden, als wäre ich nicht da?!"
Wir verstummten und sahen ihn gemeinschaftlich an. Er stand immer noch vor dem Tisch, sichtbar nervös, zornig laut ein- und ausatmend. Sein fragender Blick wanderte verärgert von einem zum anderen. „Was soll ich tun, hä?" rief er herausfordernd. „Was hast du für mich vorgesehen, Valmont? Soll ich wichsen, oder was?" schrie er mich an. Seine rechte Hand fuhr sofort provozierend zu den Knöpfen seiner Jeans, wo er voreilig damit begann, sie aufzuknöpfen. „Denkst du ernsthaft, dazu bin ich nicht mehr in der Lage?" fauchte er Vincent an, der gequält aufstöhnte und sich angewidert abwandte.
Hektisch stand ich auf und stieß mir dabei schmerzhaft meine Knie an der Tischkante. Clay Banton griff sich verärgert, herausfordernd in seine Boxershorts. Mein bezaubernd unbefangener Mann wollte uns wahrhaftig auf der Stelle beweisen, dass er noch wichsen konnte! Ich stürzte förmlich zu ihm hin, um ihn schnellstmöglich aufzuhalten. „Nein, hör auf damit!" fuhr ich ihn wütend an, „Ich habe dir schon gesagt, dass wir über dieses Niveau hinaus sind!" Clay zog langsam seine Hand aus seiner Shorts und guckte mich konfus an. Ich stand jetzt dicht vor ihm. „Banton wird doch niemals über dieses Niveau hinaus sein!" bemerkte Vincent leise abfällig, aber nicht leise genug, dass Clay ihn nicht genau hören konnte. „Fick dich, Palm!" fauchte er wütend, „Fickt euch doch alle!" Er atmete schwer und war nahe daran, einfach beleidigt aus dem Zimmer zu stürmen. Instinktiv versuchte ich, ihn zu beruhigen, indem ich schützend meine Arme um ihn schlang. „Ist schon gut", flüsterte ich in sein Ohr. Er stand ganz starr und rührte sich nicht. Er erwiderte meine Umarmung nicht. Das dumme Kind war verunsichert und enorm frustriert.
„Es ist schon gut", wiederholte ich ruhig und nahm ihm sanft die Sonnenbrille von der Nase, damit ich seine Augen sehen konnte. Ich wollte unbedingt seine wundervollen, grün-braunen Augen mit den langen Wimpern sehen. Clay hatte keine Ahnung, was überhaupt los war, was genau wir von ihm wollten, und das irritierte ihn immens. Beruhigend strich ich ihm über das geschwollene Gesicht. Sein vertrauter Geruch stieg mir in den Nase. Die Liebe meines Lebens roch tatsächlich extrem gut nach meinem herben Duschgel. In diesen unwiderstehlichen Duft mischte sich ein Hauch von Schweiß aus seinen Klamotten, und diese geile Mischung wirkte unwillkürlich auf mich, wie ein extrem starkes Aphrodisiakum. Überwältigt atmete ich tief ein und wurde prompt ungewollt hart. Nervös warf ich einen schnellen Blick auf Marc und Vincent und hoffte peinlich berührt, dass sie davon nichts merken würden. Verstohlen rückte ich meinen wachsenden Schwanz in der Jeans zurecht. Mist! Die ganze Zeit mit Clay allein im Badezimmer war es mir irgendwie gelungen, mich halbwegs abzulenken. Aber jetzt war ich total überrumpelt und musste mich schwer zusammenreißen, um mich nicht automatisch an ihm zu reiben.
„Ich will mich nicht länger von euch verarschen lassen", beschwerte Clay sich wütend. „Das hat auch niemand vor!" versicherte ich ihm ruhig. Genervt drehte ich mich zu Vincent um. „Nicht wahr, Vincent?!" sprach ich Herrn Palm vielsagend an. Beschwörend fixierte ich Vince, der immer noch auf der Couch saß und uns überheblich grinsend musterte. Provoziere Clay bloß nicht noch stärker, als du es ohnehin schon getan hast, signalisierte ich ihm zornig ohne Worte. Aber mein Mitbewohner war sich keiner Schuld bewusst. „Meine Güte, woher soll ich denn ahnen, dass Banton sich gleich so künstlich aufregt!? Ich habe doch völlig recht mit meiner Forderung! Erkläre ihm doch mal, auf was er sich da überhaupt einlässt. Das ist dem doch gar nicht klar! Er muss doch erst einmal begreifen, wie schwierig seine Rolle in Supernova Soul ist!"
Clay ging einen Schritt zurück und entzog sich damit meiner Umarmung. Alarmiert fixierte er mich. „Was soll das heißen, schwierig?" wollte er lauernd von mir wissen. Ungeduldig schüttelte ich den Kopf und drehte mich genervt zur Couch. „Das ist alles nicht zu schwer für Clay!" behauptete ich laut, „Was ist denn plötzlich los mit euch, verdammt nochmal?" Anklagend taxierte ich Marc und Vincent. Marc wich unbehaglich meinem Blick aus, denn war extrem friedliebend und verabscheute jede Auseinandersetzung. Vincent hatte damit weit weniger Probleme. Er zündete sich cool eine Zigarette an und lehnte sich bequem zurück. „Okay, Sean, wenn du das sagst. Dann machen wir jetzt Nägel mit Köpfen", kündigte er arrogant an.
Mein hinterhältiger Wohngenosse studierte unseren Hauptdarsteller eine Weile abschätzend, bis dem das zu bedrohlich wurde. „Was zur Hölle willst du von mir, Palm?" zischte er Vince feindselig an. Vincent lächelte nachsichtig. „Okay, hör gut zu, Clay. Mach einen perfekten Handstand. Und dann lauf auf deinen Händen durch das Zimmer", forderte er meinen schwer verletzten Mann selbstbewusst grinsend auf. Offenbar war Vincent Palm sich vollkommen sicher, dass Clay Banton bei dieser körperlich anstrengenden Aufgabe auf ganzer Linie versagen würde. Und er freute sich schon auf Clays Niederlage, der Wichser!
Clay glotzte ihn irritiert an, dann mich. Er fragte mich wortlos, ob diese seltsame Turnübung wirklich zu seiner Rolle in Supernova Soul gehörte. Ich seufzte tief, nickte ihm zu und hob bedauernd die Schultern. Tatsächlich hatte ich in die neue Performance unzählige mehr oder weniger anspruchsvolle Akrobatik-Elemente eingebaut. Auf einmal war ich mir aber gar nicht mehr sicher, ob Clay in diesem Moment körperlich fit genug sein würde, um diese kraftraubende Aufgabe zu meistern. „Nein, verdammt, wir gehen erstmal den Text durch!" rief ich deshalb abwehrend und warf Vincent einen vernichtenden Blick zu, den er cool grinsend erwiderte. Ich verachtete Vince aus ganzer Seele dafür, dass er offensichtlich nur auf Clays Scheitern wartete, dass er förmlich gehässig danach lechzte, Bantons Unfähigkeit zu beweisen.
Eine lange Zeit war es unangenehm still in meinem Wohnzimmer. Niemand sagte etwas, alle belauerten sich nur abwartend. Ich stand hilflos mitten im Raum und wusste nicht, was ich tun sollte. Mein harter Schwanz drückte in meiner Jeans, und ich zog unruhig mein Sweatshirt herunter. Ich hatte Clays schwarze Ray Ban in der Hand, die ich nervös hin und her drehte.
Schließlich guckte ich prüfend zu Clay hin, der immer noch dort stand und mich eingehend beobachtete. Ich konnte den Ausdruck seiner Augen nicht recht deuten, er schwankte zwischen Vorwurf, Wut, Widerwillen und Amüsement. Seine Augen schienen belustigt zu glitzern. Er weiß es, fuhr es mir erschrocken in den Sinn, Clay hat gemerkt, wie unmittelbar ich gerade auf ihn reagiert habe. Clay spürt es immer irgendwie, wenn er mich aufgeilt. Er amüsiert sich über meine Erektion, vermutete ich nervös. Shit! Hoffentlich macht er jetzt keine spöttische Bemerkung, sondern hält einfach die Klappe! Clay fixierte mich noch eine Weile und lächelte irgendwie versonnen.
Dann überlegte er es sich plötzlich anders, knöpfte entschlossen seine Jeans zu und atmete tief. „Du musst das jetzt nicht tun, Clay!" versicherte ich ihm leise. Ich war heilfroh, dass er anscheinend nicht vorhatte, mich zu blamieren. „Doch, er muss das jetzt tun!" beharrte Vincent gehässig. Wütend drehte ich mich zu ihm um, da schnappte Marc erschrocken nach Luft und rief: „Sei vorsichtig, Schatz! Nicht, dass du dich noch mehr verletzt!" Marc war wegen Clays mannigfacher Verletzungen, die er zu seinem Schrecken im Badezimmer gesehen hatte, immer noch erschüttert und ehrlich besorgt.
Als ich mich wieder zu Clay umwandte, hatte der seine weinrote Jeansjacke ausgezogen und über die Lehne des Sessels gehängt, der ihm am nächsten stand. Mein bezaubernder Mann ging einige Schritte zurück und maß mit den Augen den Platz im Zimmer, der ihm zur Verfügung stand. Dann schloss er die Augen, als würde er innerlich Kraft aufbauen. Er atmete tief, aber ganz ruhig. Höchst konzentriert beugte er sich hinunter, erreichte mit seinen Händen mühelos den Boden und drückte sich langsam in den Handstand hoch. Verblüfft und aufgeregt hielt ich den Atem an. Im Zimmer war es totenstill. Im nächsten Moment stand Clay Banton tatsächlich auf seinen wunderschönen Künstlerhänden, nur minimal schwankend, aber ganz gerade, den gesamten, fantastischen, höchst attraktiven, muskulösen Körper sichtbar angespannt, kaum zitternd von der großen Anstrengung. Clay atmete laut, warf einen kurzen Blick nach vorne und machte zögernd einige Schritte.
Obwohl ich eigentlich genau gewusst hatte, dass er aufgrund seines Trainings sehr wohl dazu in der Lage war, auf seinen Händen zu laufen, überraschte mich seine sichtbare Kraft und wunderschöne Anmut in diesem Moment enorm. Insgeheim hatte ich nicht damit gerechnet, dass er es jetzt schaffen würde, denn Clay Banton war immer noch halbwegs auf Entzug und außerdem schwer verletzt. Aber mein überirdischer Mann lief total mühelos auf seinen Händen über den Teppich, und augenblicklich war ich erneut voller grenzenloser Liebe und Anerkennung für ihn. Sein Shirt und sein Unterhemd rutschten herunter und entblößten seine zerschnittene Haut. Automatisch schaute ich auf seinen schönen, nackten Bauchnabel, auf seinen sichtbar kräftigen, perfekt durchtrainierten Körper, seine angespannten Bauchmuskeln, und eine starke Woge der Erregung erfasste mich völlig unvermittelt. Ich wollte überwältigt die Augen schließen, denn sein Anblick fuhr mir geradewegs in den Schwanz. Aber ich konnte mich nicht abwenden, denn viel zu erhebend war dieser fantastische Anblick. Allein der Triumph machte mich total glücklich.
Denn in diesem Moment war Clay Banton über alle dummen Zweifel von Vincent oder Marc restlos erhaben. Nichts konnte ihm etwas anhaben. Dieser Mensch war dazu in der Lage, schlicht alles zu schaffen. Und dafür war ich ihm spontan unglaublich dankbar. Mein Mann bestätigte alle Hoffnungen, die ich in ihn gesetzt hatte. In diesem Moment liebte ich ihn so sehr, dass ich es kaum ertragen konnte. Mein Herz schlug mir ungewohnt hart bis zum Hals. Ich war extrem erregt, als ich mich verwirrt in den Sessel neben der Couch fallen ließ und seine Ray Ban auf den Tisch legte. Von der Wucht meiner Gefühle für Clay war ich wie erschlagen. Mein steinharter Penis schien förmlich meine Jeans zu sprengen. Und ich wollte auf gar keinen Fall, dass die anderen davon etwas mitbekamen. Deshalb setzte ich mich in den Sessel, schloss mühsam die Augen und atmete tief durch. Es fiel mir extrem schwer, mich wieder halbwegs zu beruhigen.
„Schon gut! Ich habe es jetzt gesehen!" hörte ich Vincent nach einiger Zeit knurren. Ich öffnete meine Augen und guckte Clay an. Er hatte wahrhaftig kehrtgemacht und lief auf seinen Händen quer durch das Wohnzimmer zurück zur Wand, von der aus er gestartet war. „Das ist unglaublich!" meinte Marc anerkennend und stieß Vincent an, „Das macht er richtig toll, oder?" Vincent nickte zustimmend. Er war kein schlechter Verlierer, das musste man ihm lassen. „Ja, das ist cool", gab er ohne Umschweife zu.
Clay kicherte amüsiert, triumphierend, atemlos, verlor dadurch seine konzentrierte Körperspannung und damit das Gleichgewicht. Total unerwartet fiel er einfach um. Sein Körper schlug hart auf den Teppich und blieb erschöpft liegen. Clay lag auf dem Rücken, rieb sich schmerzverzerrt, aber kichernd die stark beanspruchten Handgelenke und den verletzten Oberarm und schnappte nach Luft. Ich wollte zu gerne sofort zu ihm hingehen und ihn anfassen. Alles in mir drängte danach, meinem Liebsten auf der Stelle die Seele aus dem ansprechenden Leib zu vögeln. Aber ich hielt mich mühsam zurück und blieb auf meinem Sessel sitzen.
„Na? Alle Zweifel ausgeräumt?" wandte ich mich überheblich an Vincent Palm. Ich machte mir nicht die Mühe, meinen großen Triumph zu verbergen. Vince nickte und hob beschwichtigend die Hände. „Ja, ich gebe mich geschlagen. Aber für die Bühne muss das noch besser werden!" rief er spöttisch zu Clay. Marc knuffte ihn protestierend in die Seite. „Das war höchstens eine Drei minus!" meinte Vincent grinsend. „Mann, halt' doch einfach dein Maul!" fauchte ich ihn an, weil ich seinen bösen Spott nicht mehr ertragen konnte. Vincent schaute mich aufhorchend an, betrachtete mich abschätzend und war still.
Nervös schaute ich zu Clay hin, der sich langsam aufrichtete. Er atmete schwer, brauchte aber nur einen Moment, um sich von der Anstrengung zu erholen. Dann stand er plötzlich ruckartig auf. Mit zwei schnellen Schritten war er vor dem Tisch und beugte sich zu Vincent hin. „Ich will, dass du nie wieder an mir zweifelst, Palm!" forderte er lauthals. Vincent betrachtete ihn irritiert. „Ist ja schon gut...", seufzte er. Aber Clay schüttelte den Kopf und kam fest entschlossen um den Tisch herum. Er zwängte sich zwischen dem Sessel, auf dem ich saß, und dem Tisch hindurch zu Vincent und packte ihn abrupt heftig am Pullover. „Hör auf an mir zu zweifeln, verdammt!" zischte er wütend auf Vincent herunter.
Der konnte sich diesem zornigen Angriff kaum entziehen, viel zu überraschend kam er. Vincents Augen weiteten sich angriffslustig. Er versuchte, Clay von sich wegzuschieben, was ihm aber nicht gelang. Clay kniete nun förmlich über ihm auf dem Rand der Couch und hatte ihn fest gepackt. Er zog an Vincents Pullover und schrie wutentbrannt: „Du wirst verfickt nochmal aufhören, ständig an mir zu zweifeln, Arschloch!" „Ja, wenn du aufhörst, in meiner Gegenwart an deinem Schwanz zu spielen, dann höre ich auf, an dir zu zweifeln!" erwiderte Vincent spöttisch kalt und riss Clays Arme mit einem Ruck von seinem Pullover los. Aber Clay hatte ihn sofort wieder fest gepackt. Außer sich vor Zorn brüllte er: „Ich will, dass du mich endlich ernst nimmst, verdammt!" „Na klar, Banton! Wenn du aufhörst, eine Stunde lang heulend in meiner Dusche zu sitzen, dann kann ich dich vielleicht ernst nehmen!" meinte Vincent ungerührt.
Einen Augenblick lang starrte Clay ihn ungläubig an, seine Pupillen erweiteten sich zornig. „Du blödes Arschloch! Verfluchte Schwuchel!" beschimpfte er Vincent gepresst und hob spontan den Arm, um ihn zu schlagen. Clay Baton war völlig außer sich vor Wut. Vincent war ihm an Kraft mindestens ebenbürtig, vielleicht zögerte Clay deshalb einen Moment. Aber da hatte Vincent ihn schon hart in den Unterleib geboxt. „Jetzt krieg dich mal wieder ein, Banton!" fauchte er geringschätzig. Clay stöhnte getroffen auf. Der Schmerz schien seine Wut aber nur noch mehr zu steigern. Mein zorniger Mann ging jetzt blindlings auf Vince los, und Vincent hatte alle Mühe damit, ihn abzuwehren.
„Um Himmels Willen, hört doch auf!" kreischte Marc entsetzt und brachte sich schnell in Sicherheit, indem er hastig von der Couch aufstand. Fassungslos stand er dort und betrachtete verstört den brutalen Kampf auf dem Sofa. Diese gewalttätige Situation war so schnell und unerwartet entstanden, dass ich zuerst gar nicht reagieren konnte. Tosende Wut und gegenseitiger Hass schienen den Raum aufzuladen. Die Luft knisterte förmlich. Ich war wie erstarrt.
Aber dann stand ich kurzerhand schnell auf und stürzte mich intuitiv auf Clay, der mir den Rücken zuwandte und gerade vollends damit beschäftigt war, Vincent zornentbrannt zu verprügeln. Ich schlang meine Arme fest um seinen Körper und versuchte, ihn rücklings von Vincent weg zu mir hinzuziehen. Clay hatte damit nicht gerechnet, ich überrumpelte ihn, deshalb gelang es mir relativ problemlos, die beiden Kampfhähne zu trennen. „Ist ja gut, beruhige dich doch, Clay!" rief ich eindringlich. Clay wand sich widerwillig in meinen Armen und strebte verbissen zurück zu Vincent, der ihn nun verachtend fixierte und sichtbar genervt vor ihm zurückwich. Mit aller Kraft hielt ich Clays Arme fest und ließ mich mit ihm zusammen rücklings zurück auf den Sessel fallen, weil ich ihn anders nicht bändigen konnte. „Hör auf! Hör auf damit! Das bringt doch nichts!" versuchte ich laut, ihn zu beruhigen. Er zappelte unwillig und wollte sich hartnäckig von mir befreien. „Was ist denn los mit dir?" fragte ich ihn dicht an seinem Ohr.
Clay Banton lag nun rückwärts auf mir, während ich auf dem Sessel saß. Ich hatte meine Arme um ihn geschlungen und hielt seine Handgelenke felsenfest, damit er nicht weiter auf Vincent einschlagen konnte. Mein Mann atmete laut vor Zorn und Anstrengung. Seine ganze Aufmerksamkeit lag auf Vincent. Mit vernichtendem Blick taxierte er ihn feindselig und wollte sich meinem Griff entwinden, um die Prügelei fortsetzen zu können. „Lass mich los, Valmont!" forderte er mich keuchend auf. „Nein! Sag mir lieber, was in dich gefahren ist!" erwiderte ich streng. „Fuck!" schrie Clay resignierend. Endlich wurden seine Bewegungen langsamer. Seine Gegenwehr schwand zögernd. Er hörte auf zu zappeln und lag schließlich nur noch keuchend auf mir. Ich hielt ihn immer noch ganz fest an den Handgelenken, seinen Rücken gegen meine Brust gepresst. Seine unmittelbare Nähe machte mir zu schaffen. Ich vergrub mein Gesicht in seinem heißen Nacken und atmete tief seinen unwiderstehlichen Duft ein. Ich konnte gar nicht anders. „Was ist denn nur los?" flüsterte ich überwältigt.
Clay stöhnte genervt auf. Seine ganze Aufmerksamkeit lag unverändert auf Vincent Palm, der nun in einigem Abstand auf der Couch saß und uns irritiert musterte. Clay holte tief Luft und tötete Vincent wahrscheinlich mit seinen funkelnden Augen. „Er zweifelt ständig an mir! Er nimmt mich überhaupt nicht ernst! Er hat ein Problem mit mir, verdammt! Ich kann nicht mit ihm arbeiten, wenn er ein Problem mit mir hat!" versuchte er verärgert zu erklären. Sein Einwand war berechtigt und einleuchtend. Aber Vincent lachte laut auf. „Ich wusste ja noch gar nicht, dass Herr Banton so eine Mimose ist!" spottete er lauthals. Daraufhin fing Clay erneut damit an, unwillig in meinem harten Griff zu zappeln. „Lass mich los!" forderte er mich drängend auf, „Lass mich los, Valmont, ich poliere ihm die Fresse!"
Clay lag schwer auf mir und es wurde zunehmend schwieriger, ihn zu bändigen, ihn so dicht auf mir zu ertragen. Ich konnte seinen starken, wütend angespannten Körper so nah fühlen, dass mir ganz schwindelig wurde. Ich atmete tief und zwang mich verkrampft, mich auf diese beschissene Auseinandersetzung zwischen Vincent und Clay zu konzentrieren. Mühsam löste ich mein Gesicht aus Clays weichem, warmem Nacken und sah an ihm vorbei zu Vincent, der immer noch auf der Couch saß, amüsiert grinste und sich eine neue Zigarette anzündete. Ich versuchte, in seinem Blick nicht den Spott zu sehen, der unmissverständlich darin lag, und der offensichtlich auch mir galt. Vincent merkt mir meine sexuelle Erregung an, dachte ich peinlich berührt.
Dann zwang ich mich energisch, mich zusammenzureißen. „Halt's Maul, Vince, und entschuldige dich bei Clay, aber sofort!" fauchte ich ihn wütend an. Vincent lächelte beinahe mitleidig. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Seine Ignoranz machte mich wahnsinnig. Clay lag nun wieder ruhig auf mir und legte seinen Kopf erschöpft gegen meine Schulter. Ich atmete tief durch. „Hör zu, Vincent, das ist jetzt kein Spaß mehr! Wenn du ein Problem mit Clay hast, dann sag es jetzt!" forderte ich ihn streng auf. Vincent verdrehte genervt die Augen. „Mann, seid ihr heute alle empfindlich! Ich habe kein verdammtes Problem mit Clay Banton!" murrte er aufmüpfig. „Dann entschuldige dich! Jetzt! Sofort! Sonst bist du raus aus Supernova Soul!" ereiferte ich mich verbissen. Verärgert taxierte ich ihn und meinte es todernst. Vincent betrachtete mich verunsichert. Vielleicht wurde ihm erst jetzt bewusst, dass er gegen Clay nur verlieren konnte, weil es schlicht meine Performance war, an der er mitarbeiten wollte. Vincent Palm war schlau genug, um nachzugeben, als er das begriffen hatte.
Beschwichtigend hob er die Hände. „Okay, ich entschuldige mich!" seufzte er einlenkend. Mein Blick mahnte ihn, es lieber ernst zu meinen. Er lächelte unsicher und streckte Clay die Hand hin. „Es tut mir leid, Clay. Ich habe kein Problem mit dir. Du bist ein guter Schauspieler. Ich möchte gerne weiter mit dir zusammenarbeiten", sagte er versöhnlich. Erleichtert atmete ich aus. Dann ließ ich vorsichtig Clays Handgelenke los, als ich merkte, wie er sich entspannte. Clay ging glücklicherweise auf dieses Friedensangebot ein und gab Vincent die Hand. „Blöder Wichser!" flüsterte er dabei. Er meinte es aber nicht mehr böse, hoffte ich zumindest. Vincent überhörte wohlweislich dieses Schimpfwort und lächelte amüsiert in sich hinein.
Plötzlich war es ganz still im Wohnzimmer. Clay lag nun schwer auf mir. Er lehnte sich gegen meine Brust und legte seinen Hinterkopf gegen mein Schlüsselbein. Ich umfasste zögernd, vorsichtig seinen Bauch und drückte ihn leicht an mich, sodass er auf meinem Schoß zu sitzen kam. Mein Herz klopfte hart. Mein Blut rauschte mir in den Ohren. Ich war unverändert stark erregt und mir wurde bewusst, dass Clay meine Erektion gerade genau spüren musste. Unwillkürlich drückte ich mich an ihn, presste mein Becken gegen seinen Hintern und schloss überwältigt die Augen. Die Erotik seiner unmittelbaren Nähe drohte mich völlig in Beschlag zu nehmen. Ich konnte mich dieser Situation nicht entziehen. Ich war nicht fähig, meiner drängenden Geilheit Herr zu werden. Hilflos vergrub ich mein Gesicht in der Nähe seines Ohrs und zwang mich dazu, ganz ruhig zu sitzen. Ich atmete tief seinen verführerischen Geruch in mich hinein. Er duftete fantastisch. Seine nassen Haare kühlten mein heißes Gesicht auf unglaublich angenehme Art. In dieser Situation hätte ich liebend gerne alles um mich herum vergessen. Ich war sogar bereit, Clays Gemeinheiten zu verzeihen. Er war bei mir, und darum war alles andere völlig gleichgültig! Aber Vincent hustete pikiert, und damit war der verzauberte Augenblick auch schon vorbei.
„Habt ihr euch endlich alle beruhigt?!" hörte ich Marc fassungslos fragen, „Können wir jetzt endlich anfangen zu arbeiten, Mädels?" Clay lächelte und bewegte sich gezielt auf meinem Schwanz. Er rieb sich provozierend an mir, was mir enorm zu schaffen machte. Er merkt es, war mir sofort klar, natürlich merkt er es mir an. Er kann meine Erektion ganz deutlich an seinem geilen Hintern spüren. Ich möchte ihn jetzt gerne ficken, dachte ich voller Gier.
„Wir sind nicht alle beruhigt", sagte Clay lächelnd. Und dann stand er plötzlich mit einem Ruck auf. Er riss sich förmlich blitzartig aus meinen Armen los. Darauf war ich wirklich nicht gefasst gewesen. Plötzlich saß ich allein im Sessel und fühlte mich unangenehm entblößt. Clay ging nur einen einzigen Schritt vor und drehte sich danach zu mir um. „Nicht wahr, Sean?" neckte er mich spöttisch. Ich saß hilflos dort und schlug hastig meine Beine übereinander. Vincent und Marc sahen mich nun erstaunt an, ein gemeinschaftlicher Blick, der bis hinab auf meine Seele zu zielen schien. Ich glaubte beschämt, in Vincents Augen eine höhnische, frivole Ahnung zu entdecken und wich seinem Blick eilig aus.
Nur Marc Hellberg allein hatte keinen blassen Schimmer, was überhaupt gerade vor sich ging. „Was meinst du denn damit?" wandte er sich ungeduldig an Clay, „Sean ist doch wohl von uns allen am vernünftigsten geblieben, während du dich wie ein Berserker herumprügelst!" Der Vorwurf in seiner Stimme war unüberhörbar. Clay lachte amüsiert und ließ mich nicht aus den Augen. „Ja, Sean Valmont ist immer ganz vernünftig", lächelte er mich an. Marc kam nun einen Schritt auf mich zu. „Was soll das, was meint er denn damit?" wollte er ungehalten von mir wissen. Er fühlte sich instinktiv ausgeschlossen, und das gefiel ihm nicht. Ich warf ihm einen Blick zu. „Ich habe keine Ahnung!" behauptete ich kurz und setzte mich gerade hin.
Eine Weile war es wieder ganz still. Niemand sagte etwas. Clay beobachtete mich. Seine Augen waren voller Hohn. Mir wurde bewusst, dass mein Mann sich auf diese Art dafür rächte, dass ich ihn an diesem Morgen schon zweimal abgewiesen hatte. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu beruhigen. Nochmal war es einige Minuten lang ganz leise im Zimmer, bis Marc seufzend bemerkte: „Also, wenn wir so weitermachen, dann wird das wohl nichts mit Supernova Soul!" Womit er ohne Zweifel völlig recht hatte. Mühsam riss ich mich zusammen und öffnete meine Augen. Entschlossen sah ich Clay an und deutete auf den Tisch. „Nimm dir dein Buch und lies dir das Stück durch. Und dann sagst du mir, was du davon hältst!" forderte ich ihn nervös auf. Er lächelte noch eine Weile zweideutig, aber dann nickte er brav. „Okay. Wie du willst", stimmte er zu und wandte sich zum Tisch. Er nahm sein Manuskript und setzte sich in den zweiten Sessel, weit von mir entfernt am anderen Ende des Tisches.
Clay
Als ich Psychotic Kühlschrank 2 - Supernova Soul zum ersten Mal las, passierte gar nichts. Es haute mich nicht um, riss mich nicht vom Hocker. Ich erkannte nicht die Spur von der Genialität, die in diesen Zeilen steckte. Ich fand mich in diesen Zeilen nicht wieder. Sean hatte mir befohlen, das Stück zu lesen, obwohl wir vorher nichts dergleichen abgesprochen hatten. Ich wurde nicht mal vorgewarnt. Anscheinend hatte er diese neue experimentelle Performance gerade erst vollendet und überfiel mich jetzt förmlich mit dem Scheiß.
Verbissener Valmont ließ mir keine fucking Wahl, deshalb nahm ich mir eher widerwillig das einzige Exemplar, was noch auf dem Tisch lag, und setzte mich in den einzig freien Sessel. Ich nahm die amateurhaft zusammengetackerten, ausgedruckten Seiten und versuchte, mich auf den erschreckend umfangreichen Text zu konzentrieren. Das fiel mir echt schwer, denn ich war in der Nacht zuvor brutal zusammengeschlagen worden, war kurz vorher eine scheiß schmale Treppe heruntergefallen, und deshalb tat mir alles weh. Ich hatte keine shore mehr, und obwohl das Codein in den Schmerztabletten einigermaßen wirkte, fühlte ich mich unwohl.
Ich saß in dem bequemen, uralten Sessel und versuchte, aus den merkwürdig kurzen Dialogpassagen schlau zu werden. Ich versuchte, mir das ellenlang genau beschriebene Bühnenbild mitsamt der Beleuchtung und der Soundkulisse vorzustellen. Ich wunderte mich über Valmonts merkwürdige Experimente, die verschiedenen Kostüme, diese vielen akrobatischen Turnübungen, dessen extrem präzise formulierten, extrem langen Choreografien mir sofort ein Gräuel waren.
Es war absolut totenstill in dem Zimmer, während ich Supernova Soul zum ersten Mal las. Als würden Sean, Marc und Vincent gemeinschaftlich die Luft anhalten oder sich unsichtbar machen. Man hätte eine Stecknadel auf den dicken Teppich fallen hören können. Trotzdem war ich nicht in der Lage, den wahren Zusammenhang dieser wirren Geschichte zu erfassen. Mir wurde noch nicht einmal klar, ob es sich nun um eine Komödie oder eine Tragödie handelte. Fuck! Vielleicht war es eine bitterböse Satire?
Mühsam las ich den langen Text herunter, dessen Handlung sich nahtlos an den ersten Teil von Psychotic Kühlschrank anschloss. Der Cliffhanger des ersten Teils wurde klugerweise zuerst aufgeklärt. Der traurige Kühlschrank hatte also seinen Selbstmordversuch überlebt, aber er war unverändert psychotisch, himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt. Anscheinend wechselten seine Begierden noch immer beinahe minütlich. Es kristallisierten sich jetzt aber offenbar zunehmend seine schwulen Tendenzen bei ihm heraus.
Charlottes gesamte, umfangreiche Rolle war von Sean tatsächlich komplett gestrichen worden. Sie verließ uns also tatsächlich, wollte nicht länger mit uns Theater spielen, was mich irgendwie traurig stimmte. Charlotte war immer ziemlich nett zu mir gewesen. Sie hatte mich vor den anderen verteidigt, obwohl sie mich nie näher an sich herangelassen hatte. Unsere Beziehung hatte sich ausschließlich auf das Theater beschränkt, aber ich wusste genau, dass ich sie vermissen würde. Ich hatte gern mit ihr gearbeitet, weil sie meine Arbeit immer zu schätzen gewusst hatte.
Aber nun gab es nur noch zwei Personen in Supernova Soul, Mister Sean Valmont und meine Wenigkeit. Valmont wollte wohl auch diesmal mehrere Rollen spielen, wobei ich abermals einzig den scheiß Kühlschrank verkörpern sollte. Trotzdem war meine Aufgabe auch in dieser neuen Performance bei weitem die umfangreichere. Die ganze verdammte Geschichte war höchst verwirrend und forderte meine ganze Konzentration. Es gab mehrere echt schwierige Spezialeffekte, bei denen ich mich sofort fragte, wie Sean sie wohl letztendlich wirklich auf der Bühne realisieren wollte. Allem voran das drastische Ende des Kühlschranks, dessen reichlich überforderte Seele zum Schluss wahrhaftig in einer Supernova explodieren sollte. What the hell...?
Trotz der akribischen Anweisungen im Text fiel es mir schwer, mir diesen Effekt bildlich auf der Bühne vorzustellen. Ich sollte in einer explodierenden Rauchsäule verschwinden? Wie sollte ich das denn anstellen, verflucht nochmal? Das war doch schon wieder so ein scheiß Sekunden-Ding, bei dem, wenn nur eine einzige Sekunde lang meine Konzentration nachließ, der ganze Effekt im Arsch war! Diese Stellen in Seans Performances waren wahrhaftig nervenaufreibend. Sean liebte diese Herausforderungen total, und ich verabscheute sie. Wie sollte ich bitteschön auf der Bühne explodieren? Allein die Vorstellung stresste mich schon. Aber das war hauptsächlich Seans Problem, und vielleicht noch Marcs, der für das Bühnenbild verantwortlich war, redete ich mir ein.
Als ich endlich die letzte Seite des Papierstapels geschafft hatte, schaute ich sofort intuitiv zu Sean, der immer noch in dem anderen Sessel, am anderen Ende des Tisches saß und mich ansah, als hätte er mich die ganze Zeit reglos beobachtet. Er war immer noch mega geil auf mich und das amüsierte mich und schmeichelte mir total. Frivol lächelte ich ihn an. „Und?" fragte er atemlos. Er hatte echt ein Problem mit seiner unterdrückten Geilheit, wie ich befriedigt feststellte. Ich schmunzelte belustigt und guckte zum Sofa, wo Marc und Vincent ebenfalls gespannt mein Urteil erwarteten. Einen Moment lang genoss ich dieses Gefühl der unbeschränkten Macht über meine Arbeitskollegen. In diesem Augenblick hatte ich tatsächlich unsere gemeinsame Zukunft auf der Bühne allein in der Hand.
„Es ist okay", erlöste ich sie schließlich mit Bedacht. Sean lächelte erleichtert. „Ich wusste es", bemerkte er leise, wobei offen blieb, was genau er damit meinte. „Was soll das heißen, es ist okay?" meckerte scheiß Vincent schon wieder los, als wäre das spontane Meckern eine Zwangsneurose von ihm. Sean fuhr auf der Stelle erzürnt zu ihm herum. „Das hörst du doch! Es ist o k a y!" Beschwörend starrte er Vincent an, der daraufhin endlich still war. Es gefiel mir sehr, wie eindeutig Sean für mich Partei ergriff, wie leidenschaftlich er mich verteidigte. Ich schaute ihn an und bekam ein ganz warmes Gefühl im Leib. Ich wünschte, er würde seine Hand auf meinen Bauch legen, dachte ich sehnsüchtig.
„Traust du dir diese schwierige Rolle wirklich zu?" wollte Marc besorgt von mir wissen. Wahrscheinlich meinte er es nur gut, aber seine verfluchten Zweifel gingen mir gehörig auf den Geist. „Ich traue mir alles zu, verdammt!" erwiderte ich gereizt und warf ihm einen strafenden Blick zu. „Na gut", sagte er seufzend, „Dann können wir also jetzt endlich anfangen?" Wir schauten alle zu Sean Valmont hin, als müsste er das scheiß Startsignal geben, was wohl auch irgendwie der Fall war. Sean betrachtete uns eine Weile wohlwollend, als würde er seine unumstrittene Machtposition genießen, wie ein Schäfer vielleicht seine ihm lieb gewordene Herde betrachtet. Es gefiel ihm sichtlich sehr, dass wir bereit waren, uns bedingungslos auf seine komplizierte Gedankenwelt einzulassen, seine neue experimentelle Performance. Dabei hatte der Arsch mir ja wohl kaum eine andere Wahl gelassen!
Aber mir fiel es zunehmend schwerer, die nötige Aufmerksamkeit dafür aufzubringen. Mein Interesse schwand langsam und machte anderen, weil wichtigeren Gedanken platz. Während Sean, Vincent und Marc sich in die Arbeit stürzten wie hungrige Wölfe, während sie unsere zweite experimentelle Performance sezierten, neue Vorschläge machten und Anmerkungen, diskutierten und stritten, saß ich nur dort und versuchte nervös, die schwindende Wirkung des Codeins zu ignorieren. Ich war darum bemüht, mir bloß nichts anmerken zu lassen. Ich stimmte zu oder lehnte ab, wenn ich gefragt wurde. Ich versprach ihnen neue, passende Lieder für Supernova Soul zu schreiben und aufzuführen, wobei Valmont die Themen auch diesmal genau vorgegeben hatte. Ich versicherte, dass ich mir diese ellenlangen Choreografien bestimmt einprägen konnte.
Doch meine Gedanken waren insgeheim die ganze Zeit woanders, und daran merkte ich den lauernden Affen in meinem Hinterkopf. Er schickte mir gnadenlos unzählige Gedanken an Eliza. Ich litt erstaunlich heftig, weil mein Mädchen mich verlassen hatte, was ich mir selbst nicht recht erklären konnte. Ich dachte auch oft an Sergej, sah verstohlen auf die Uhr am Receiver, als könnte ich mit meinem Blick die Zahlen dazu veranlassen, sich schneller zu erhöhen. Ich malte mir ausführlich den ersten Chinesen aus, wenn ich erst wieder zu Hause wäre. Ich versuchte auch, mir geilen Sex mit Sean vorzustellen, während ich den wunderschönen Mann heimlich betrachtete. Aber jetzt gelang mir das irgendwie nicht mehr richtig. Denn Sean Valmont war inzwischen in einer ganz anderen Welt angekommen, in einer Realität, fern von meiner eigenen. Sean war mittlerweile ausschließlich der voll engagierte Regisseur in seinem selbst gewählten Element. Mich nahm er nur noch als scheiß verdammten Hauptdarsteller seines liebsten Hobbys wahr.
Kim
Es war ein Sonntag. Ich lag allein in meinem Zimmer im Studentenwohnheim und versuchte zu lernen. In der Nacht zuvor hatte ich mir, nach dem erfolgreichen Rachefeldzug zusammen mit Ben, das geklaute Gramm Heroin verabreicht. Danach hatten wir uns verabschiedet, und ich war so schnell wie möglich nach Hause gegangen. Dort war ich ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen, denn Clays Stoff war echt gut gewesen.
Nach einigen Stunden Schlaf wachte ich wieder auf, nahm routinemäßig meine Tagesdosis Methadon, und es blitzte unerwartet in meinem Kopf auf. Ich sah in Gedanken Clay Banton. Ich erfasste die ganze Wucht seiner Gefühle in einem einzigen Blick seiner dunklen Augen. Nur ein kurzer Augenblick, dann war dieses mächtige Bild wieder verschwunden. Ich schüttelte verärgert den Kopf, nahm mein Handtuch und betrat das Badezimmer. Ich hatte an diesem Tag nichts besonderes geplant, wollte nur lernen. Vielleicht würde später Ben vorbeikommen, vermutete ich.
Im Bad putzte ich mir die Zähne und nahm eine Dusche. Danach ging ich zurück in mein Zimmer. Zum Glück hatte ich meine Ruhe, denn meine Zimmergenossin verbrachte jedes Wochenende bei ihren Eltern. Ich legte mich aufs Bett, nahm das Buch über Rockstar-Biografien, was meine Hausaufgabe war, und vertiefte mich darin.
Doch nach einer Weile ereilten mich schon wieder merkwürdige Gedankenblitze. Clay Banton stand nackt auf der Bühne und offenbarte uns seine Seele, als ihn plötzlich ein Stein hart am Kopf traf, und er rücklings zu Boden fiel. Clay Banton sagte zu Ben, dass ich Bens Hilfe gar nicht nötig hätte, weil ich allein mit ihm fertigwerden könnte, während Ben ihm unablässig Schläge verabreichte, gegen die Clay sich nicht wehrte. Ich versuchte verärgert, diese verstörenden Gedanken zu verscheuchen, indem ich angestrengt auf das Buch starrte. Aber die Buchstaben verschwammen zunehmend, und dieser Mann mogelte sich immer stärker in mein Gehirn hinein. Ich sah ihn deutlich in der dunklen Gasse stehen. Ein dünnes Seil war so eng um seinen Hals geschnürt, dass es sich tief in seine Haut eingrub und ihm die Luft zum Atmen nahm. Seine Handgelenke waren hinter seinem Rücken gefesselt, die Hosen hingen in seinen Kniekehlen und seine Augen waren voller Scham und Angst.
Plötzlich spürte ich ungewollt Mitleid mit diesem Menschen, und zwar viel stärker, als jemals zuvor. Verdammt, er hatte es doch reichlich verdient, versuchte ich mir irritiert einzureden. Wütend, energisch, wollte ich die hartnäckigen Gedanken an Banton vertreiben. Aber sie ließen sich nicht auslöschen, ganz im Gegenteil. Inzwischen pausenlos tauchten die brutalen Bilder unvermittelt in meinem Gehirn auf. Immer wieder sah ich den mächtigen Ausdruck seiner Augen, als wollte er mir noch im Nachhinein irgendetwas mitteilen. Ich war völlig verwirrt und echt erschüttert. War es etwa mein schlechtes Gewissen, was mir diese unzähligen, grausamen Bilder schickte? Und warum konnte ich auf einmal meine eigenen Gedanken nicht besser kontrollieren, warum wurden sie, im Gegenteil, immer eigensinniger und intensiver? Schließlich klappte ich kapitulierend mein Buch zu. Es hatte keinen Sinn mehr, lernen zu wollen, denn ich konnte mich auf meine Hausaufgabe nicht mehr konzentrieren.
Stattdessen versuchte ich zögernd, mich zu erinnern, wie es überhaupt zu diesen hässlichen Szenen in meinem Kopf gekommen war. Was war passiert? Wie war ich überhaupt in der einsamen Gasse gelandet, um diesen unbekannten Menschen viel zu schwer von Ben und seinen Freunden verletzen zu lassen? Wie war dieser unglückselige Freitagabend in Clays Wohnung eigentlich zustandegekommen? Warum war ich so unglaublich wütend auf diesen fremden Typen gewesen? Und warum war ich diesem Menschen überhaupt nicht nur flüchtig begegnet, wie es eigentlich hätte sein sollen, sondern ihm auch noch in seine Wohnung gefolgt? Automatisch wanderten meine Gedanken suchend zurück in die Vergangenheit, um den verhängnisvollen Moment aufzuspüren, der alles in einer Katastrophe hatte enden lassen.
Als ich das erste Mal von Clay Banton hörte, war er für mich nur ein unbekannter Dealer namens Tino. Irgendjemand hatte mir in der Uni von Tino erzählt, der sich öfter mal auf dem Campus blicken ließ, um Drogengeschäfte aller Art zu vermitteln. Einige meiner Bekannten hatten sich schon dope oder Ecstasy bei ihm gekauft. Tino stand allgemein in dem Ruf, fair zu sein und ausnahmslos alles besorgen zu können. Deshalb probierte ich ihn mal aus. Ich hatte vorher schon einige schlechte und äußerst kostspielige Erfahrungen mit unzuverlässigen Dealern gemacht und war deshalb skeptisch und vorsichtig. Das einzige, was mich an Tino interessierte, waren seine Kontakte und das Heroin, das er mir besorgen sollte. Ich gebrauchte diese harte Droge nur selten, deshalb war jeder Kauf etwas ganz Besonderes für mich.
Ich sprach ihn also auf dem Campus darauf an, und wir wurden uns sofort einig. Tino nahm mich mit zu diesem Friedhof in der Nähe der Uni, wo wir eine viel zu lange Zeit warten mussten, bis ich schon dachte, dieser Kerl würde mich hinhalten, weil er mich betrügen wollte. Auf mein Drängen hin telefonierte er nochmal mit seinem Dealer und versicherte mir wiederholt seine Aufrichtigkeit. Aber ich war die ganze Zeit äußerst misstrauisch gewesen.
Später kam sein Kontakt endlich doch noch, und der ganze Deal ging letztendlich überraschend schnell über die Bühne. Daraufhin war ich nur noch erleichtert gewesen, restlos zufrieden mit Tinos Diensten, und augenblicklich geil auf einen Schuss. Als ich mein Heroin endlich hatte, war diese kurze Begegnung mit Tino eigentlich für mich erledigt. Ich hatte bekommen, was ich wollte, und nun wollte ich sofort ins Gebüsch gehen, um das Heroin zu konsumieren, denn ich kannte keinen anderen Platz dafür. Ben, in dessen Wohnung es vielleicht möglich gewesen wäre, war noch auf der Arbeit, und das Studentenwohnheim war dafür absolut tabu.
Schon öfter hatte ich mir in einem Gebüsch eine Spritze gesetzt, das war normalerweise nur eine Sache von Minuten. Aber Tino schlug plötzlich vor, zu ihm nach Hause zu fahren, was gar nicht so ungewöhnlich war. Ich konnte mir schon denken, dass er auch selbst konsumieren wollte, und Junkies tun nichts auf der Welt lieber, als gemeinsam mit anderen Junkies ihrem Laster zu frönen. In einer privaten Wohnung ist diese Sache natürlich viel gemütlicher und vor allem sicherer, als in einem Gebüsch auf der Straße. Deshalb zögerte ich nicht, sein freundliches Angebot anzunehmen. Es gab keine weiteren Gedanken dabei, keine Zweifel oder Befürchtungen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der ruhige, höfliche Mann in seiner Wohnung irgendetwas anderes tun wollte, als mit mir zusammen das eben erstandene Heroin zu nehmen. Tino / Clay Banton war mir sofort sympathisch gewesen. Er war die ganze Zeit entspannt, freundlich und zurückhaltend, nicht so laut und arrogant wie manch anderer Dealer, der sich merkbar für den Größten hält. Das hatte mir von Anfang an an ihm gefallen. Und ich hatte auch noch nie etwas Schlechtes über ihn gehört.
Also ging ich mit ihm mit. Er hatte zu meiner Überraschung einen echt coolen Sportwagen, was mir sehr imponierte. Ich fragte mich unwillkürlich, ob dieser Mann mit dem Dealen tatsächlich so viel Geld verdiente, um sich dieses schicke Auto leisten zu können. Oder ob er den Wagen wohl nur von jemandem geliehen hatte. Ich saß dicht neben ihm im engen Auto und schaute ihn zum ersten Mal richtig an. Er war um einiges älter als ich und sah zweifellos erwachsen aus. Ein zwar noch junger Mann, der aber schon viel erlebt hatte. Aber er lächelte unentwegt charmant, und das machte ihn ungefährlich für mich. Ich fragte ihn, wie lange er schon Heroin nehmen würde, und er antwortete, dass er sich daran nicht erinnern konnte, was mich ziemlich amüsierte.
Er fuhr geradewegs hinaus aus der Stadt zu seinem Haus. Dort betraten wir seine riesige Wohnung, die mich ebenfalls sehr überraschte. Denn sie sah überhaupt nicht aus wie eine typische Junkie-Wohnung, sondern war erstaunlich sauber, ordentlich und überaus wertvoll eingerichtet. Allerdings hatte ich inzwischen zu viel Bock auf das Heroin, um mir die Wohnung genauer anzusehen. Wir setzten uns ins große Wohnzimmer, auf eine Couch an einem niedrigen Tisch. Ich bereitete mir aufgeregt und erwartungsvoll meinen ersten Schuss nach bestimmt vier Wochen Abstinenz vor, und Clay fing zu meinem Erstaunen damit an, ziemlich gut auf seiner Gitarre zu spielen. Während ich auf dem Sofa beschäftigt war, saß er ganz ruhig auf seinem Sessel und spielte traurige Lieder. Er sang ergreifende Texte mit seiner ruhigen, dunklen Stimme, die mir nebenbei bis unter die Haut fuhren. Der kann das richtig gut, dachte ich verblüfft, während ich in meinem Arm nach einer passenden Ader suchte.
Ich bot ihm von meinem Heroin an und fragte ihn, warum er es nur rauchen wollte. Er antwortete, er wäre ein Schauspieler und könnte sich deshalb keine Einstiche leisten. Ich bezweifelte seine Behauptung nicht, obwohl ich noch nie im Theater gewesen war. Denn der Mann hatte offensichtlich etwas äußerst Kreatives an sich. Er war ein hörbar begabter Musiker. Und für seine Kreativität sprachen auch die unzähligen, von ihm selbst gemalten Bilder an den Wänden seines Wohnzimmers. Kurz darauf rauchte er neben mir auf der Couch einige Chinesen. Ich fand endlich eine gute Ader, spürte augenblicklich die hervorragende Qualität der Droge, und von diesem Moment an verschwamm meine Erinnerung, merkte ich irritiert.
Was war bloß passiert?, überlegte ich verzweifelt. Ich lag auf meinem Bett und versuchte angestrengt, mich ganz genau zu erinnern. Bis zu diesem Zeitpunkt war doch noch alles wunderbar gewesen. Clay hatte sich mir mit keiner Geste genähert. Sein Lächeln war gleichbleibend freundlich und interessiert, aber nie aufdringlich gewesen. Ich mochte ihn gern, an diesem Abend, allein mit ihm in seiner Wohnung. Ich war ihm dankbar, dass er mir so extrem gute shore zu einem echt günstigen Preis besorgt hatte. Durch das gemeinsame Konsumieren befanden wir uns automatisch auf einer gemeinsamen Ebene, das war alles. Mit keinem Gedanken hatte ich irgendetwas anderes von diesem fremden, erwachsenen Mann gewollt! Sein Heroin war wirklich sehr gut gewesen. Ich genoss die starke Wirkung und nickte wahrscheinlich davon ein, vermutete ich grübelnd. Hatte Clay vielleicht genau diesen Umstand ausgenutzt, um sich mir auf diese gemeine Art zu nähern? Dachte er womöglich, ich wäre zu zugeknallt, um mich gegen ihn zu wehren? Warum um alles in der Welt hatte er sich plötzlich so verändert?
Ich stand auf und holte aus meiner Jackentasche meine Zigaretten hervor. Dabei fand ich das Zippo, was wir Clay in der Nacht weggenommen hatten. Ich betrachtete das Feuerzeug eine Weile und wog es in meiner Hand. Es war wunderschön, ganz silbern, völlig glatt mit einer merkwürdigen, verschlungenen Prägung und ziemlich schwer. Ich nahm es mit zum Bett, setzte mich und zündete mir eine Zigarette an. Dabei musste ich das Feuerzeug aufklappen und an einem kleinen Rädchen drehen. Es war ein Sturmfeuerzeug, denn die Flamme erlosch erst, wenn man das Zippo wieder zuklappte. Einige Male klappte ich das Feuerzeug nachdenklich auf und zu, während meine Gedanken aufs Neue zurück zu jenem Abend in Clays Wohnung wanderten, zu genau dem Augenblick, an dem sich die Stimmung drastisch geändert hatte. Ich versuchte, mich genau zu erinnern.
Aber meine Erinnerung war verschwommen, zu stark hatte das Heroin auf mich gewirkt. Ich glaubte zu wissen, dass Clay sein Wohnzimmer kurz verlassen hatte, um auf die Toilette zu gehen. Und als er zurückkam, war er völlig anders gewesen. Irgendetwas hatte ihn verändert. Der fremde Mann setzte sich neben mich auf das Sofa und wurde zunehmend unverschämter. Er wurde auf einmal zudringlich, versuchte unentwegt mich anzufassen. Ich erinnerte mich an seinen drängenden Blick, seinen stürmischen Versuch, meinen Hals zu küssen, seine gierigen Finger, die über meinen Kopf streichelten. Irgendeine unbekannte, merkwürdige Musik spielte währenddessen im Hintergrund, fiel mir ein. Die Erinnerung an diese bedrohliche Situation machte mir plötzlich zu schaffen. Ich stellte mir die Frage, ob ich vielleicht falsch reagiert hatte. Warum war ich nicht sofort aufgestanden und hatte diese Wohnung verlassen?
Stattdessen hatte ich versucht, mit ihm zu reden. Ich hatte ihm von meinem Freund Ben erzählt. Clay hatte erwidert, er wollte ein bisschen Nähe, erinnerte ich mich plötzlich. Dieser fremde Mensch wollte Nähe zu mir. Hatte dieses Wort mich davon abgehalten, einfach auf der Stelle zu gehen? War es dieses eine Wort gewesen, weswegen ich es schließlich sogar zuließ, dass er mich auf dem Sofa küsste?
Ich erinnerte mich vage, dass Clay halbwegs auf mir gelegen und mich geküsst hatte, und dass er sich nicht unangenehm angefühlt hatte. Dieser Mann konnte recht gut küssen, dachte ich irritiert. Clay Banton küsste ganz anders als Ben, viel zurückhaltender und emotionaler, aber dennoch mit einer spürbaren Leidenschaft, entsann ich mich plötzlich beunruhigt. Irgendetwas hatte mir wohl an seinem Kuss gefallen, sonst hätte ich diesen fremden Typen doch nicht so lange gewähren lassen, verdammt! Warum hatte ich es überhaupt zugelassen, dass er sich mir auf diese Weise näherte? Ich fand jetzt, im Nachhinein, keine Erklärung für mein dummes Verhalten. Mir wurde erst in der Erinnerung klar, dass ich definitiv viel zu spät damit angefangen hatte, mich gegen ihn zu wehren. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon längst Feuer gefangen und war nicht mehr zu bremsen gewesen, was natürlich keine Entschuldigung für ihn war.
Dort, in seiner mir völlig unbekannten, riesengroßen Wohnung, hatte ich es schließlich mit der Angst zu tun bekommen. Verzweifelt hatte ich versucht, den Ausgang zu finden. Warum hatte ich mir nicht einfach die Wohnungstür beim Reinkommen gemerkt? Das war ein echt blöder und verhängnisvoller Fehler von mir gewesen! So war ich nämlich hilflos in den vielen Zimmern und Fluren herumgeirrt, und er war ständig hinter mir hergelaufen und wollte mich hartnäckig aufhalten. Ich war in Panik geraten und hatte ihn heftig von mir weggeschubst. Er war rückwärts getaumelt, und ich hatte endlich den Ausgang entdeckt. Als ich erleichtert darauf zugeeilt war, hatte der brutale Mann mich unerwartet von hinten angegriffen und mich gewaltsam zu Boden gerissen. An diesen schrecklichen Moment erinnerte ich mich merkwürdigerweise ganz deutlich. In diesem Augenblick hatte ich nur noch Angst empfunden, ich fühlte nur noch Abscheu gegen ihn. Dieser Scheißkerl war ein grausames Monster mit gefährlich ungezügelten Trieben geworden!
Auf einmal hatte er schwer auf mir gelegen. Er hatte mich mit seinem starken Männerkörper fast erdrückt. In dieser Lage konnte ich seinen steifen Schwanz durch unsere Kleidung hindurch an meinem Oberschenkel fühlen. Clay Banton hatte mich jetzt nur noch angeekelt. Gegen seine entschlossene Kraft konnte ich mich nicht zur Wehr setzen. Ich hatte ganz einfach keine Chance gegen ihn! Als mir das ziemlich bald klargeworden war, hatte ich verzweifelt zu einer List gegriffen, nachdem alle gewaltsamen Versuche der Gegenwehr fehlgeschlagen waren. Zum Glück war mir dieser Trick eingefallen! Noch im Nachhinein war ich unglaublich froh über meine unverhoffte Schläue. Ich war zu recht richtig stolz auf mich selbst!
Widerwillig hatte ich so getan, als würde ich seine ätzende, erdrückende Nähe und seine widerlichen, plumpen Zärtlichkeiten genießen. Und er war so unglaublich dumm gewesen, mir das sofort bedingungslos abzukaufen! Der Kerl hatte nicht einmal gemerkt, dass mir das Herz vor Angst bis zum Hals geschlagen hatte. Er war beschäftigt gewesen, hatte blind seine zügellose Geilheit an mir befriedigt, und ich hatte ihn angeekelt am Schwanz gepackt, um ihn noch mehr aufzugeilen. Überraschend deutlich erinnerte ich mich an das Gefühl seines harten Gliedes in meiner Hand, und wie er es sichtbar genossen hatte, als ich ihn hastig und heftig stimulierte. Er hatte sofort überwältigt seine Augen geschlossen und nichts anderes mehr wahrgenommen. Wie dumm und triebgesteuert er doch gewesen war!
Dadurch hatte ich ein relativ leichtes Spiel gehabt. Es war so merkwürdig gewesen, wie übergangslos sich dieser fremde Mann von der brutal aktiven in eine völlig unterwürfige, passive Rolle in diesem unglückseligen Spiel gefügt hatte. Es verblüffte mich noch im Nachhinein, wie einfach es für mich gewesen war, ihm etwas vorzumachen. Langsam aber sicher hatte ich ihn neben mich gedrängt. Ich hatte seinen schweren Körper vorsichtig von mir heruntergeschoben, bis er schließlich fast unter mir lag. Und der Dummkopf hatte das nicht einmal gemerkt, denn er hatte sich mir mit geschlossenen Augen vollkommen hingegeben! Kurz darauf hatte ich endlich allen Mut zusammengenommen. Abrupt war ich aufgestanden und hatte ihn gewollt und gezielt heftigst zwischen seine Beine getreten, worauf er gequält aufgeschrien und sich schützend zur Seite gerollt hatte. Mühelos war ich danach aufgesprungen und hatte ihn siegesbewusst verhöhnt. Mein Gefühl des Triumphs hatte mich in diesem Moment nahezu berauscht!
Clay Banton hatte schmerzverzerrt dort gelegen und mich hilflos angestarrt. Als wäre seine Welt soeben vollständig in sich zusammengebrochen! Der große, starke, erwachsene Mann war sichtbar vollends verwirrt gewesen! Hatte er denn tatsächlich geglaubt, ich hätte meine ablehnende Meinung geändert, nur weil er nicht lockergelassen hatte? Dachte er wahrhaftig, er könnte mich gegen meinen Willen zum Sex zwingen? So ein bekloppter Vollidiot!
Ja, genau so war es gewesen! Dieser blöde Mensch hatte mich mit dem Wort Nähe geködert, aber in Wahrheit hatte er selbstverständlich nur Sex gemeint! Das hättest du dir eigentlich auch denken können, schalt ich mich in der Erinnerung daran. Im Grunde ihres Herzens sind doch alle Männer so drauf!
Letzten Endes hatte ich überstürzt seine Wohnung verlassen und nicht einmal zurückgeschaut. Ich erinnerte mich noch genau an das mächtige Hochgefühl des Triumphs, als ich über die dunklen Stufen durch seinen Treppenflur geeilt war. Ich war mit Recht so stolz auf mich gewesen, weil ich diesen hinterhältigen Angriff erfolgreich abgewehrt hatte! Gleichzeitig war ich aber auch ziemlich wütend auf diesen perversen Schweinehund gewesen, der es gewagt hatte, mich gegen meinen Willen gewaltsam anzufassen!
Plötzlich wurde die Erinnerung an Clay Bantons ungläubige Augen, nachdem ich ihm den gezielten Tritt verpasst hatte, beinahe greifbar. Dieser seltsame Mann hatte so dermaßen enttäuscht ausgesehen, so schwer verletzt, maßlos verwirrt und völlig hilflos. Es war der gleiche Blick gewesen, der mich später auch in der dunklen Gasse erreicht hatte, als Ben ihn mit Hilfe seiner Kumpels zusammengeschlagen hatte. Es war ein Blick aus dem tiefsten Grund einer menschlichen Seele. Clay Bantons erstaunlich intensiver Blick, der so unfassbar ausdrucksstark war, dass ich ihn vielleicht nie wieder vergessen konnte, befürchtete ich plötzlich beunruhigt. Auf einmal schwankte ich innerlich ungewollt zwischen großer Wut, Triumph, Reue und Mitleid. Was Clay Banton mir in seiner Wohnung angetan hatte, war zweifellos sehr schlimm gewesen. Für sein zügelloses Verhalten gab es keine Entschuldigung. Aber ich hatte ihm dafür recht bald den brutalen Tritt in seine Weichteile verpasst, den er absolut verdient hatte. Und er hatte sich daraufhin sofort ergeben. Er war mir nicht gefolgt, als ich seine Wohnung verließ. Er hatte mich widerstandslos gehenlassen und mir nichts nachgerufen. Er hatte mich nicht einmal beschimpft.
Nach diesem aufwühlenden Ereignis hatte ich noch einige Zeit draußen vor dem Haus gestanden und eine Weile gebraucht, um mich wieder zu beruhigen. Währenddessen hatte ich überlegt, was ich jetzt tun sollte, wie ich dort wieder wegkommen konnte. Sein Haus stand so weit außerhalb der Stadt. Es war ein Gefühl gewesen, als wäre ich am Ende der Welt gefangen. In diesem Moment hatte sich all mein Zorn auf Clays brutale Unverschämtheit entladen. Ich hasste diesen Mann so leidenschaftlich, wie noch nie einen Menschen zuvor. Ich verachtete ihn dafür, dass er meinen arglosen Besuch bei ihm dermaßen gemein ausgenutzt hatte!
Schließlich hatte ich mit meinem Handy Ben angerufen, der mich bald darauf abgeholt hatte. Natürlich hatte ich meinem Freund erklären müssen, warum ich so weit draußen vor der Stadt war. Und ich erzählte ihm spontan, unüberlegt, aufgeregt die ganze ungeheuerliche Geschichte haarklein. Ich ließ kein intimes Detail weg. Clay Banton wurde in meiner Erzählung ein perverses, gefährliches Sex-Monster, dem ich hilflos ausgeliefert gewesen war! Ben war auf der Stelle extrem wütend gewesen und hatte fürchterliche Rache geschworen, was mir in diesem Moment unglaublich gut getan hatte. Nur zu gerne hatte ich mich auf seine Kraft verlassen! Ich hatte ihm mit Freuden erlaubt, meine angegriffene Ehre wiederherzustellen! Nicht im Traum hatte ich erwartet, dass Bens Rache dermaßen brutal und gnadenlos ausfallen würde.
Der Rest ist Geschichte, dachte ich betrübt, nachdem all diese traurigen Erinnerungen auf mich eingestürmt waren. Wie ferngelenkt stand ich auf, setzte mich an meinen Schreibtisch und schaltete den PC ein. Mühelos fand ich die Internetseite vom Grenzland-Theater, die Beschreibung der dort zur Zeit aufgeführten Stücke. „Psychotic Kühlschrank", murmelte ich matt vor mich hin. Ich ließ den merkwürdigen Titel auf mich wirken. Dann klickte ich gedankenlos weiter, bis zu Clays Foto. Es war ein hübsches Bild von Clay im schwarzen Bühnenoutfit, mit schwarz geschminkten Augen, weißem Gesicht und verhaltenem Lächeln. Lange starrte ich ihm reglos in die Augen. Ich bemerkte meine Tränen erst, als sie schon auf die Tastatur tropften.
Clay
Diese vertraute Arbeit war in der Tat anstrengend. Zu viele Möglichkeiten, verschiedene Meinungen, Vorschläge und Gegenargumente. Es gab Streitgespräche, Diskussionen, vage Proben, Einigung und Verwerfung. Vieles wurde korrigiert, neu formuliert, angemerkt. Gewohnt verbissen stürzte sich Sean in sein neues Projekt und nahm Vincent und Marc mühelos mit auf diesen arbeitsreichen Trip. Und ich bemühte mich die ganze Zeit, bloß nicht aufzufallen. Ich war ehrlich darum bemüht, dieselbe Euphorie zu zeigen, genau das gleiche kraftvolle Engagement.
Aber es fiel mir zunehmend schwerer, den Faden nicht zu verlieren. Irgendwann konnte ich ihnen nicht mehr recht folgen, denn mir ging es langsam schlechter. Ich war verletzt, und mein heutiges Heroin-Defizit machte sich schmerzlich bemerkbar. Obwohl diese Ersatzstoffe die lobenswerte Eigenschaft haben, weitaus länger zu wirken als Heroin, so lauerte der Affe doch unentwegt in meinem verletzten Kopf.
Als ich es schließlich nicht mehr aushielt, hatten wir tatsächlich schon seit Stunden ununterbrochen an Supernova Soul gearbeitet. Ich hatte zu viel geraucht, zu viel Tee getrunken, zu viele von Marcs selbst gebackenen Keksen gegessen, sodass mir leicht übel war. Nervös schaute ich immer öfter auf die antike Standuhr in der Ecke des Zimmers. Sergej würde schon längst an sein Handy gehen, fuhr es mir gierig durch den Kopf. Die viele Arbeit hatte mich tatsächlich von diesen dringenden Überlegungen abgelenkt. Aber jetzt ließen sie sich definitiv nicht mehr wegschieben. Ich war entsetzlich müde, total fertig mit der Welt, mein Kopf dröhnte, und es wurde wirklich Zeit.
Spontan stand ich auf. Sofort schauten Sean, Marc und Vincent mich alarmiert an. Ich hatte das unangenehme Gefühl, sie könnten meine Gedanken lesen, die schon seit einiger Zeit bei dem nächsten Chinesen verweilten. „Ich brauche jetzt dringend mal eine Pause", seufzte ich so bedauernd wie möglich. Bemüht langsam drehte ich mich zur Tür. „Wohin?" wollte Sean sofort lauernd wissen. „Ich geh aufs Klo", informierte ich ihn genervt, ohne ihn anzusehen. Mit zwei Schritten war ich aus dem Wohnzimmer raus und im Flur, weitere drei Schritte brachten mich in das winzige Badezimmer. Ich stand eine Weile in der offenen Schiebetür und sah mir das nasse Badezimmer an. Es war eisig kalt in diesem Raum. Das Fenster stand offen, und auf dem Fußboden hatten sich tatsächlich kleine Eisflächen gebildet.
„Du hast das Fenster aufgemacht", stellte Sean fest, der hinter mir auftauchte, was mich überhaupt nicht überraschte. „Und du hast hier nicht aufgewischt", setzte er mit einem Blick über meine Schulter in sein vereistes Badezimmer hinzu. Ich konnte mich nicht daran erinnern, das blöde Fenster aufgemacht zu haben. „Sieht so aus", erwiderte ich leise und bewegte mich langsam von ihm weg, in das Zimmer hinein. Ich machte das Fenster zu und drehte mich zu ihm um. Er stand unverändert in der Schiebetür und beobachtete mich lauernd. „Ich muss pinkeln", informierte ich ihn, aber ich rechnete gar nicht damit, dass Sean mich diskret allein lassen würde. Natürlich blieb er einfach reglos in der Tür stehen. Seine Augen gingen mir unglaublich auf die Nerven, weil sie mir jedes kleinste Geheimnis auszusaugen schienen.
Ich ging zum Klo, klappte es auf, knöpfte meine Jeans auf und pinkelte Blut. Ich spürte Seans Blick unangenehm in meinem Rücken. „Geht es nicht mehr?" fragte er mich schließlich und kam auf mich zu. Ich holte tief Luft. „Wir arbeiten jetzt schon seit Stunden, Sean! Und dafür, dass ich von dieser Arbeit gar nichts wusste, weil wir nämlich gar nichts abgemacht hatten, habe ich mich wirklich angestrengt!" erklärte ich ihm vorwurfsvoll. „Ja, du hast recht", meinte er versöhnlich und kam noch näher. Ich wollte auf keinen Fall, dass er das Blut in seinem Klo bemerkte, deshalb drehte ich mich eilig dazwischen und zeigte ihm meinen breiten Rücken. „Verdammt, Sean, ich bin verletzt! Ich habe eine scheiß Gehirnerschütterung!" knurrte ich verzweifelt, um ihn irgendwie abzuwehren. „Du hast einen Affen, Clay!" erwiderte er überheblich. „Wo ist mein Auto?" fragte ich ihn ausweichend. Ich hatte keine Lust, mich vor ihm zu rechtfertigen. Ich wollte nicht schon wieder diesen elenden Zustand des Entzugs mit ihm diskutieren. Meine Niere schmerzte.
Sean stand nun dicht hinter mir. Ich knöpfte meine Hose zu und zog hastig die Toilette ab. „Verdammt, Banton!" schrie Vincent entsetzt auf, der gerade ebenfalls ins Bad kam. Ich schloss die Augen und dachte ermüdet, dass ich eine erneute Konfrontation jetzt nicht ertragen konnte. Ich spürte, wie Sean hinter mir sich von mir wegdrehte. „Ist schon gut, Vince", sagte er beschwörend. „Nein, das ist nicht gut! Das ist auf keinen Fall gut! Er setzt einfach unser Badezimmer unter Wasser und wischt die Sauerei dann noch nicht mal auf! Und jetzt ist auch noch alles vereist!" protestierte Vincent laut. Aber seine Stimme wurde leiser. Anscheinend schob Sean ihn aus dem Zimmer, wofür ich ihm echt dankbar war.
Mit geschlossenen Augen stand ich dort und atmete tief ein und aus. Ich zwang mich verbissen, den drängenden Schmerz in meinem Inneren zu ignorieren. Aber das würde nicht mehr lange funktionieren, wusste ich nervös. Ich musste mir jetzt sehr bald etwas einfallen lassen.
„Willst du ihn anrufen?" wollte Sean von mir wissen, der unbemerkt zurückgekommen war. Ich zuckte verschreckt zusammen, öffnete die Augen und sah ihn an. Mir war sofort klar, wen er meinte, und dass es keinen Zweck hatte zu lügen, weil Valmont mich viel zu gut kannte. „Ja, ich werde ihn anrufen", sagte ich viel trotziger, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte, „Aber zuerst will ich mein Auto zurück!" Sean lächelte gutmütig und betrachtete mich interessiert. „Wo ist es?" fragte ich ihn ungeduldig ein weiteres Mal. Er hob bedauernd die Schultern. „Gestern Abend stand dein MG noch vorm Old Daddy, falls du dich erinnerst. Jill hat ihn dort geparkt", teilte er mir amüsiert mit. „Das ist nicht lustig, Sean!" protestierte ich aufgeregt, „Wo hat diese blöde Schlampe mein Auto hingefahren? Ich will es zurückhaben!"
Aufgewühlt rang ich nach Luft. Der Gedanke, dass Jill Bennet mit meinem MG durch die Gegend fuhr, mein Getriebe beanspruchte und meinen Tank leerte, gefiel mir überhaupt nicht. Ich brauchte das Auto jetzt unbedingt, damit ich endlich zu Sergej fahren konnte. Natürlich wusste Sean genau, warum ich meinen Wagen unbedingt jetzt zurückhaben wollte. Sein Lächeln machte einer traurigen Besorgnis Platz. „Ich weiß nicht, wo Jill ist", meinte er still. „Fuck!" Verzweifelt stöhnte ich auf. „Aber ich kann sie anrufen", schlug er ruhig vor. „Ruf sie an!" forderte ich ihn sofort auf. Ich war erleichtert, aber nicht verwundert, dass Sean längst Jills Telefonnummer kannte. Die Frau wollte über ihn schreiben, und der Presse-Profi sicherte sich selbstverständlich vorher nach allen Seiten ab. „Sie soll auf der Stelle mein Auto hierherbringen!" verlangte ich fiebrig. „Okay", sagte Sean, rührte sich jedoch nicht. Er musterte mich weiter abschätzend, bis ich seinem Blick unbehaglich auswich. „Ja, ich weiß schon, Sean!" stöhnte ich überfordert, „Ich sollte nicht..." „Ist schon gut", flüsterte Sean, kam zu mir und strich mir leicht über das heiße Gesicht. „Ich werde mir mit Supernova Soul wirklich Mühe geben", bemerkte ich, wie zur Entschuldigung, „Ich werde auch im zweiten Teil für dich auf der Bühne stehen und mich ausziehen." „Ja, du bist toll", stimmte Sean mir zu. Er lächelte jetzt wieder und berührte zart den Striemen an meinem Hals, dann meine verletzte Wange.
Eine Weile standen wir so dort und sahen uns an. Mir war sehr kalt, obwohl mir langsam der Schweiß ausbrach. Man konnte in diesem winzigen Zimmer tatsächlich in der Kälte unseren Atem sehen, der als weiße Dampfwolken aus unseren Mündern strömte. In meinem Magen rumorte es. „Bitte ruf sie an", flüsterte ich drängend. Sean Valmont schloss für einen Moment die Augen. Dann schaute er mich wieder an, als wollte er mich am liebsten verschlingen. „Ich kann dir nochmal Codein besorgen", erwiderte er beschwörend. „Du könntest heute einfach... hierbleiben", stellte er mir leise zögernd in Aussicht. Fast ängstlich beobachtete er meine Reaktion. Augenblicklich sah ich die Möglichkeit auf den Chinesen schwinden, an dem ich mich schon die ganze Zeit mental festgehalten hatte, was ich kaum ertragen konnte. Hilflos schüttelte ich den Kopf. „Das geht nicht... es wirkt nicht...", behauptete meine Sucht schneller, als mein Verstand denken konnte. „Doch, es wirkt. Sieh mich an", behauptete Sean drängend und ging einen Schritt zurück. „Du willst es nur nicht", stellte er total enttäuscht fest. Ich stöhnte unbehaglich. „Nein... okay... ich will es nicht...", musste ich stotternd zugeben. Dann stand ich dort und fühlte mich absolut erbärmlich. Selbstverständlich würde das scheiß Codein wirken, solange ich nur genug davon nehmen würde! Aber meine emotionale Abhängigkeit vom Heroin machte mir einen dicken Strich durch die Rechnung. Mein übermenschliches Bedürfnis nach einer geilen Zuckerwattenfestung ließ keinerlei Alternativen zu.
„Gib mir das Codein!" forderte ich Valmont automatisch gierig auf, „Ich nehme es trotzdem!" Er lachte verbittert und ging zur Tür. „Vergiss es, Clay. So läuft das nicht", schmetterte er mich resigniert ab. „Dann ruf sie endlich an!" rief ich verzweifelt. Meine Ungeduld wuchs schnell. Mein Unbehagen machte mir weitere Überlegungen unmöglich. „Ruf sie an, Sean! Sie soll auf der Stelle mein Auto hierherbringen!" verlangte ich nochmal drängend.
Der Professor drehte sich seufzend herum und verließ das Bad. Aufgeregt eilte ich ihm nach. Er lief die Treppe hinauf und holte zu meiner Erleichterung sein Handy aus seinem Zimmer, während ich unten an der scheiß Treppe wartete. Danach ging er zu meinem Schrecken zurück ins Wohnzimmer, wo Vincent und Marc mich mit ihren Blicken abschätzten. Ich zwang mich, sie zu ignorieren und lenkte meine ganze Aufmerksamkeit auf Valmont. Er ging zum Tisch, auf dem meine Wayfarer lag. Ich nahm die Ray Ban und setzte sie wie zum Schutz wieder auf. „Was ist los?" fragte Marc irritiert. „Ich rufe Jill an", informierte Sean ihn und guckte auf sein Handy. „Wer ist Jill?" wollte Marc wissen und warf Vincent einen fragenden Blick zu, der ratlos die Schultern hob. „Sie hat einen Internet-Blog. Und sie bringt uns auf die Titelseite vom Kult", erklärte Sean und tippte zwei Tasten. Anscheinend hat er Jills Nummer sogar schon in seinem Kurzwahlspeicher, stellte ich verblüfft fest.
Im nächsten Moment war mir das völlig egal. Sean hob sein Handy an sein Ohr und lauschte. Ich hielt den Atem an. Mein Herz fing an, nervös zu klopfen. Ich malte mir erneut in allen Einzelheiten aus, wie ich gleich nach Hause fahren und meinen ersten Chinesen rauchen würde. Ich überlegte, wie viel shore ich kaufen sollte, und ob ich dafür noch genug Geld auf meinem Konto hatte. Ich sah auf die Uhr und war sicher, wenn ich jetzt anrufen würde, dass Sergej am anderen Ende der Leitung längst auf meinen Anruf wartete.
Jill
Sean Valmont hatte mir den Weg am Telefon genau beschrieben, deshalb fand ich das kleine, alte Haus auf Anhieb, sogar ohne Navi. Sein unerwarteter Anruf hatte mich sehr gefreut. Ich war gespannt auf die exklusiven Infos über seine neue Performance, die er erwähnt hatte, und unsere zweite Begegnung. Sean Valmont faszinierte mich. Dieser Mann war unglaublich attraktiv und strahlte eine bemerkenswerte Stärke aus, die mich wie magisch in ihren Bann zog. Ich war ganz versessen darauf, noch mehr über ihn zu erfahren, und ich wollte unbedingt sehen, wie dieser fantastische Mann wohnte. Den Vormittag hatte ich dazu genutzt, einen ausführlichen, reich bebilderten Blog über Clay Banton zu verfassen, den ich anschließend online gestellt hatte. Nun war ich auf der Suche nach neuen Inspirationen.
Das kleine Haus war von der Straße aus kaum zu sehen. Es stand in einem großen Vorgarten, der von einer hohen Hecke umrahmt war. Ich parkte vor dem Gartentor und stieg aus. Es war eine Freude für mich, Clays tollen Wagen zur Verfügung zu haben. Ich hatte diesen Umstand reichlich ausgenutzt und war eine ganze Zeit lang ziellos herumgefahren, was richtig Spaß gemacht hatte. Nun war der Tank fast leer, was mich nicht kümmerte. Es schien mir eine gerechte Strafe dafür zu sein, dass die beiden Männer mich am Abend zuvor einfach total unhöflich im Old Daddy hatten sitzenlassen. Sie waren alle beide plötzlich ohne ein einziges Wort verschwunden gewesen, worüber ich mich total geärgert hatte.
Es war kalt geworden und schneite leicht, als ich das Gartentor öffnete und über den schmalen Steinweg zum Haus ging. Auf der Wiese vor dem Haus lag ein Fahrrad. Der Garten schien gut gepflegt zu werden, auch wenn er bei dieser Kälte etwas trostlos wirkte. Das Haus war in hellgrün frisch gestrichen worden, die Fensterrahmen waren rot, das Dach war mit blauen Ziegeln neu gedeckt worden. Es sah sehr nett und einladend aus. Ich war erstaunt, auf dem Briefkasten und dem Türschild drei verschiedene Namen zu lesen. Meine Neugier auf die Bewohner dieses freundlichen Hauses wuchs. Als ich meinen Finger auf die Türklingel drückte, ertönte ein berühmter Ausschnitt aus Beethovens neunter Sinfonie, die Ode an die Freude, was mich ziemlich amüsierte.
Kaum hatte ich meinen Finger von der Klingel genommen, als die Tür auch schon hastig aufgerissen wurde und Clay Banton vor mir stand. „Wo ist mein Auto?" fuhr er mich unfreundlich und ungeduldig an. Nach dem ersten Schreck betrachtete ich ihn neugierig. Er wirkte eindeutig gehetzt. Er trug eine schwarze Sonnenbrille, die seine Augen verdeckte. Dennoch konnte ich erkennen, dass sein Gesicht verletzt war. „Hallo Clay", begrüßte ich ihn freundlich, „Was ist denn mit dir passiert?" „Wo ist mein Auto, Jill!" wiederholte er nur überdeutlich und drängte sichtbar auf Antwort. Seine feindselige Unhöflichkeit weckte augenblicklich meinen Widerwillen. „Ich weiß nicht", behauptete ich grinsend. Clay schnappte entsetzt nach Luft und stierte suchend an mir vorbei zur Straße hin. Aber er konnte seinen Wagen von hier aus nicht sehen, wie ich mit einem Blick über die Schulter feststellte. Was ist denn in den gefahren, fragte ich mich erstaunt. Der ist ja schon wieder ganz schön aufgeregt. Was macht der überhaupt hier, der wohnt doch ganz woanders. Das kann ja interessant werden, triumphierte ich innerlich.
In diesem Moment erschien Sean Valmont hinter Clay und schob ihn sanft zur Seite. „Hi, Jill, komm doch rein", bot er mir freundlich an und deutete in den Flur. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich schaute Sean dankbar an und war augenblicklich aufs Neue ganz hingerissen von seiner großen Attraktivität. Sean war, im Gegensatz zu Clay, vollkommen ruhig. „Geh bitte nach hinten durch ins Wohnzimmer, dann stell ich dir mein Team vor", sagte er einladend zu mir. Er deutete mit einer Hand in die angegebene Richtung und packte mit der anderen Hand plötzlich hastig nach Clay, der anscheinend gerade auf mich losgehen wollte.
„Was soll der Scheiß!?" regte Clay sich lauthals auf, „Warum weiß sie nicht, wo mein Auto ist?!" Er schien nahe daran, in Panik zu geraten. Sean beugte sich dicht zu ihm und versuchte ihn zu beruhigen, indem er ihm etwas ins Ohr flüsterte. „Ich habe keine Zeit für diese scheiß Spielchen!" knurrte Clay daraufhin und starrte mich vernichtend an. „Du hast mein Auto geklaut!" behauptete er laut und kam drohend auf mich zu. Aber Sean zerrte ihn energisch wieder zurück. „Jetzt hör endlich auf, krieg dich wieder ein, Banton! Wir werden schon noch über dein Auto reden!" zischte er ungehalten. „Ich will nicht darüber reden! Ich will es sofort zurückhaben!" heulte Clay ungeduldig auf, drehte sich von mir weg und lehnte sich erschöpft an die Wand. Fahrig wischte er sich mit den Fingern über das Gesicht. Mir fiel mit einem Mal auf, dass seine Hände zitterten. Er ist auf Entzug, dämmerte mir plötzlich. Clay Banton hat offenbar zu lange kein Heroin mehr zu sich genommen, bemerkte ich nicht ohne Schadenfreude.
Sean warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Seine hellblauen Augen waren unvermindert fantastisch. Ich lächelte spontan sehr verständnisvoll. „Was ist denn mit Clay?" erkundigte ich mich sanft, „Hat er einen Entzug?" Clay fuhr sofort wütend zu mir herum und äffte mich äußerst gehässig nach: „Hat er einen Entzug?" „Sei still!" befahl Sean ihm böse und Clay gehorchte zu meinem Erstaunen auf Anhieb. Er lehnte nun an der Wand und schaute mich müde an. Dass ich seine Augen wegen der Sonnenbrille nicht sehen konnte, störte mich. Ich betrachtete ihn äußerst interessiert. „Clay geht es nicht gut. Er ist heute Nacht zusammengeschlagen worden", informierte Sean mich traurig und strich Clay tröstend über den Arm. Doch der entzog sich dieser Berührung genervt. „Toll, dass du ihr das sofort erzählen musst, Valmont!" beschwerte er sich beleidigt. Sean drehte sich zu ihm hin. „Du führst dich auf, wie ein Irrer, Clay! Sie sieht doch sowieso deine Verletzungen! Ich muss ihr das doch erklären!" meinte er bewundernswert geduldig. Clay stöhnte überfordert.
„Was? Echt? Das ist ja furchtbar!" entfuhr es mir. Ich war wirklich erschrocken, als ich von diesem brutalen Überfall auf Clay hörte. Ich glaubte, ihn inzwischen gut genug zu kennen, um sicher zu sein, dass er niemandem etwas zuleide tun konnte. Im Gegenteil, Clay Banton schien mir immer derjenige zu sein, der unentwegt einstecken musste und nie in der Lage war, sich dagegen zu wehren. Der ganze letzte Abend mit ihm war doch nach diesem Schema verlaufen. Clay hatte nicht eine Sekunde lang das Ruder in der Hand gehabt, er hatte ziemlich wehrlos alles mit sich machen lassen, erinnerte ich mich nur zu gut.
Ich fühlte sogleich Mitleid mit diesem Mann, der da so hilflos und angeschlagen stand und mich böse fixierte. Ich machte zwei Schritte auf ihn zu und nahm ihm neugierig die Sonnenbrille von der Nase. Er drehte den Kopf unwillig weg, wehrte sich aber letztendlich nicht dagegen. Mit Schrecken registrierte ich nun sein blaues Auge und sein geschwollenes Gesicht. „Was ist passiert?" wollte ich besorgt von ihm wissen und berührte leicht seine Wange. Abermals drehte er ungehalten den Kopf weg. „Gib mir mein Auto zurück, Jill", wiederholte er fordernd, „Ich will es zurückhaben. Du hast es lange genug gehabt. Es gehört mir!" Offenbar war in seinem Kopf im Moment kein Platz mehr für andere Gedanken. „Verdammt, Clay!" stöhnte Sean auf und schüttelte fassungslos den Kopf. „Sie ist gerade nett zu dir, merkst du das nicht?" warf er Clay verständnislos vor. Daraufhin war Clay wieder still. Er rieb sich nervös über die Augen und sah verwirrt zu Boden.
„Was ist denn passiert?" wollte ich wissbegierig von Sean wissen. Er hob die Schultern. „Ich denke, es waren die gleichen Typen, die vorher im Theater die Steine auf ihn geworfen haben. Ich glaube, ihre offene Rechnung mit Clay war wohl doch viel größer, als wir dachten." „Wegen der Vergewaltigung?" fragte ich geradeheraus und guckte Clay vorwurfsvoll an. Der stöhnte gequält und schloss abwehrend die Augen. Er wirkte, als wäre er im Moment gerne unsichtbar. „Warum haben die das getan, Clay?" fragte ich ihn erschüttert. Sean drehte sich zu ihm und betrachtete ihn ratlos.
Eine Weile war es ganz still in diesem Flur, während wir auf Clays Antwort warteten. Aber der lehnte nur an der Wand und ignorierte uns mit geschlossenen Augen, bis Sean ihn leicht anstieß. „Was meinst du dazu?" fragte Sean ihn leise. Clay öffnete die Augen und holte tief Luft. „Ich habe keine Ahnung!" brüllte er uns plötzlich an, stieß sich von der Wand ab und war mit zwei Schritten an der Haustür. Er öffnete ohne ein weiteres Wort die Tür und verließ hastig das Haus. Überrascht sahen Sean und ich ihm einen Moment lang nach. Dann zischte Sean genervt: „So ein Idiot!" und eilte ihm hinterher. Ich stand noch eine Weile allein im Flur. Instinktiv hatte ich das Gefühl, die beiden Männer in Ruhe lassen zu müssen. Sean würde, wie anscheinend immer, Clay in den Griff kriegen und ihn wieder ins Haus zurückholen, dessen war ich mir sicher.
Langsam ging ich ins Wohnzimmer, wo auf einer Couch zwei weitere Männer saßen. Es waren Seans Mitbewohner Vincent Palm und Marc Hellberg, die ich sofort aus dem Theater zu kennen glaubte. Wir machten uns bekannt und sie bestätigten meinen Verdacht, sie aus dem Theater zu kennen. Dann setzte ich mich auf einen der beiden Sessel. Marc bot mir sofort sehr gastfreundlich Tee an, den ich dankend annahm. Eine Weile betrachteten die beiden mich neugierig, aber nicht unfreundlich. Sie fragten mich schließlich, ob ich für Kult arbeiten würde und ob ich eine Story über sie plante, was ich wahrheitsgemäß bestätigen konnte. Sie erzählten mir von Supernova Soul, und dass sie größte Hoffnungen in Seans neues Stück setzten. „Wenn Clay sich nicht endlich in den Griff kriegt, dann wird das allerdings alles nichts. Der dreht doch schon wieder total durch", seufzte Vincent verärgert mit Blick zur Tür. „Heizen wir hier eigentlich für die Affen?" regte er sich im nächsten Moment entnervt auf. Er stand auf und ging in den Flur, um die Haustür zu schließen, die anscheinend immer noch offen stand.
Während Vincent weg war, wandte Marc sich vertrauensvoll an mich. „Es ist so schade", meinte er traurig, „Clay ist so ein toller Performer. Du hättest ihn vorhin sehen sollen. Er läuft wahrhaftig mühelosauf seinen Händen durchs Zimmer, wenn er will. Er könnte alles schaffen, wenn er es nur wollte. Er ist definitiv die ideale Besetzung für Supernova Soul. Es ist so verflucht traurig, dass er sich selbst dermaßen kaputtmacht und niemand es schafft ihn aufzuhalten." „Nicht mal Sean?" fragte ich besorgt. Marc schüttelte betrübt den Kopf. „Nein, ich fürchte nicht. Herr Banton ist auf dem Weg geradewegs in die Hölle und nicht mal Sean Valmont kann ihn noch davon abhalten, dort bald anzukommen." In diesem Moment kam Vincent zurück. Er verdrehte genervt die Augen und deutete hinter sich in den Flur. „Jetzt geht der Tanz wieder los", sagte er trocken. Anscheinend waren Sean und Clay zurückgekommen, noch bevor Vincent die Haustür schließen konnte.
Sean
Er lief einfach weg, wie er es viel zu oft tat. Er entzog sich unseren stummen Vorwürfen durch Flucht aus meinem Haus in den Vorgarten. Er trug noch immer keine Schuhe, keine Jacke und rannte auf Strümpfen über den Steinweg zum Gartentor. Ich eilte ihm nach und erwischte ihn kurz vor dem Tor. Ich packte ihn am Sweatshirt und zwang ihn gewaltsam anzuhalten. „Hör endlich auf!" schrie ich ihn an, „Bleib stehen und krieg dich wieder ein, Banton!" Er wehrte mich verbissen ab und es war schwer, ihn festzuhalten. Clay hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu wahren. Er atmete stoßweise. „Ich habe keinen Bock auf diesen Scheiß!" brüllte er mich an, „Ich fahre jetzt zu Sergej!" Seine Stimme war voller grimmigem Trotz.
Es überraschte mich kein bisschen, dass er sich so dringend Heroin kaufen wollte. Clay hatte sich lange nichts anmerken lassen. Er hatte ernsthaft und ruhig mit uns gearbeitet, was ich ihm hoch anrechnete. Aber nun gewann seine Sucht wieder die Oberhand. Leider lag das in der Natur der hinterhältigen Sache. Es war ja immer nur eine Frage der Zeit. Offensichtlich drohte das Codein bei ihm jede Wirkung zu verlieren.
„Ist ja gut!" versuchte ich, ihn zu beruhigen, „Ich verstehe dich ja!" „Du verstehst gar nichts!" warf er mir heftig vor, was mich ziemlich kränkte. Eine Weile taxierten wir uns feindselig. Dann wich er meinem Blick hilflos aus. „Ich fühle mich beschissen", seufzte Clay und stand endlich ganz still. Ich ließ sein Sweatshirt los. Er drehte sich sofort um und öffnete das kleine Gartentor. Gehetzt stolperte er hinaus und stand unvermittelt vor seinem anthrazitfarbenen MG, den Jill wohl dort abgestellt hatte. Clay rang erleichtert nach Luft und inspizierte instinktiv sein Auto von allen Seiten. Dass er sich trotz allem die Zeit für diesen Kontrollgang nahm, amüsierte mich nur kurz. Sein Auto sah okay aus, und er wollte gleich einsteigen. Doch der Wagen war abgeschlossen. Clay sah mich konfus an und suchte tatsächlich in seinen Jeanstaschen nach dem Schlüssel, bis ihm klarwurde, dass Jill den Schlüssel hatte. „Fuck!" fluchte er ungeduldig und guckte mich hilflos an. „Hol den Schlüssel, Sean!" bat er mich dann. Ich lächelte, aber eigentlich war mir in diesem Moment zum Heulen zumute. Mir wurde plötzlich richtig bewusst, wie verflucht süchtig Banton nach dem verdammten Heroin war. Dass er jetzt nichts anderes mehr wahrnahm, nichts anderes als wichtiger empfand. Dass Clay Banton wirklich und tatsächlich schon wieder hoffnungslos seiner Lieblingsdroge verfallen war. Und dass er deswegen beinahe durchdrehte, obwohl er genug Codein von mir bekommen hatte. Sein körperlicher Entzug konnte unmöglich dermaßen schlimm sein. Was er mir hier vorführte, das war das hässliche Gesicht seiner riesigen psychischen Abhängigkeit.
Diese Erkenntnis tat mir verdammt weh. Ich brauchte eine Weile, um mit dieser harten Tatsache klarzukommen. Clay kam schließlich ungeduldig um das Auto herum auf mich zu. „Bitte hol mir den scheiß Schlüssel!" forderte er mich erneut auf. Er zitterte vor Kälte und Unbehagen. Ich hatte das starke Bedürfnis, ihn in den Arm zunehmen. Gleichzeitig wollte ich ihn am liebsten schlagen, damit er endlich mit diesem kranken Mist aufhörte. „Nein, warte doch mal, Clay", bat ich ihn sanft, „Bitte warte noch. Beruhige dich erstmal. Atme tief durch. Ignoriere Jill doch einfach. Gib ihr nicht diese Macht über dich." „Fick dich, Valmont!" fauchte er enttäuscht.
Im nächsten Moment hetzte er schon den Steinweg zurück zum Haus. Ich stand machtlos dort und fühlte mich erbärmlich. Ich hatte keine Ahnung, was ich für ihn tun, wie ich ihn aufhalten konnte. Fuck, dachte ich nur, dieses Spiel ist so dermaßen krank, ich kann das alles nicht noch einmal mitmachen! Eine Weile stand ich einfach dort am Gartentor. In meinem Kopf lief einiges durcheinander. Ich fühlte mich leer und hilflos. Meine Euphorie wegen Supernova Soul und der gelungenen ersten Bestandsaufnahme war wie ausgelöscht.
Mir wurde bitterkalt, deshalb ging ich langsam zurück zum Haus. Die Haustür stand immer noch offen. Ich konnte schon vor der Tür hören, wie Clay sich drinnen lauthals aufregte. Offenbar wollte Jill ihm seinen Autoschlüssel, nach dem er verlangte, nicht so ohne Weiteres geben. Eigentlich hätte ich Jill Bennet lieber gar nicht anrufen sollen, dachte ich ermattet. Ich wollte dieser dicken Frau nicht gerade heute erneut begegnen. Ich fühlte mich nicht hundertprozentig fit. Der letzte Abend steckte noch in meinen Knochen. Der Entzug krallte sich in meine Seele. Ich hatte vor allem keine Lust auf Jill, weil sie so hartnäckig mit mir flirtete, was mir unglaublich auf den Geist ging. Andererseits war sie eine Journalistin von Kult und die Verfasserin von Bennet's Blog. Selbstverständlich war ich scharf auf eine gute Story über mich in einer der bekanntesten Szene-Magazine, und im Internet sowieso. Mein Ehrgeiz und meine Eitelkeiten ließen mich dieses Opfer bringen. An Banton und sein Auto hatte ich dabei überhaupt nicht gedacht. Im Gegenteil, ich wollte unbedingt, dass er hierblieb, er sollte bei mir bleiben. Ich wollte ihn anfassen. Ich wollte, dass er sich mit mir in mein Bett legte und seinen scheiß Affen einfach wegfickte. Aber das funktionierte leider so nicht, und das wusste ich auch nur allzu gut aus eigener Erfahrung.
Ich hatte kaum Zeit die Haustür hinter mir zu schließen, als Clay auch schon durch den Wohnungsflur auf mich zukam. Er war völlig außer sich. „Verdammt, Sean! Diese blöde Fotze will mir meinen Autoschlüssel nicht geben!" keuchte er aufgeregt und schaute mich panisch an, „Du musst sofort mit ihr reden! Sie muss mir den Schlüssel zurückgeben!" „Beruhige dich doch erst mal", forderte ich ihn abermals auf, aber er schüttelte ungeduldig den Kopf. „Du musst mir helfen, Sean! Diese Bitch treibt mich in den Wahnsinn!" Er rang nach Luft und starrte mich beschwörend an. Ich betrachtete ihn eine Weile eingehend. Es zerriss mein Herz aufs Neue, wie verflucht abhängig er war, wie kopflos der harten Droge ausgeliefert. Dass er mich um Hilfe bat, konnte meinen Schmerz kaum noch lindern. „Bitte beruhige dich, Clay", wiederholte ich leise und strich ihm leicht über die Wange, „Wir werden das schon regeln. Aber du musst dich erst mal beruhigen. Deine Panik hilft dir überhaupt nicht weiter." Er stöhnte gequält auf, versuchte aber endlich, sich zu beruhigen, indem er tief ein- und ausatmete. Er lehnte sich erschöpft gegen die Wand und schloss die Augen. „Verfluchte Scheiße", seufzte er überfordert.
Ich schaute ihn an und bekam große Sehnsucht nach seiner Zärtlichkeit. Spontan machte ich einen Schritt auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Er stand unruhig dort, atmete heftig ein und aus. Sein Körper war widerwillig angespannt und ganz heiß. Ich beugte mich zu seinem Ohr hin. „Sei ganz ruhig, Clay. Gib der shore nicht diese Macht über dich. Es ist nicht so schlimm, wie du denkst. Es kann gar nicht so schlimm sein. Du hast genug Codein genommen. Das ist nur deine Psyche, die dich so quält", flüsterte ich ihm beschwörend zu. Er widersprach mir nicht. Erleichtert spürte ich, dass er tatsächlich ruhiger wurde. Seine Augen waren immer noch geschlossen. Er wehrte mich nicht ab. Ich küsste zärtlich die kleine Wunde zwischen seinen Augen, wo ihn ein Stein getroffen hatte. „Atme ganz tief durch", flüsterte ich und machte es ihm intuitiv vor. Er gehorchte mir mit geschlossenen Augen. Einige Zeit atmeten wir tief in gleichmäßigem Einklang.
Schließlich öffnete Clay seine Augen, ohne mit dem tiefen Atmen aufzuhören. Zu meiner Freude lächelte er mich amüsiert an, was ihn sofort viel schöner machte. „Ist das einer deiner Yoga-Tricks?" fragte er mich grinsend. „Hauptsache ist doch, dass es funktioniert, oder?" erwiderte ich und küsste sein blaues Auge, seine Wange, seinen verletzten Hals, was er reglos geschehen ließ. Seine unmittelbare Nähe erregte mich jetzt unglaublich. Mein Herz hämmerte los und ich hatte Mühe, meinen Atem ruhig zu halten. Bald hielt ich es nicht mehr aus und musste ihn loslassen. Ich ging nur einen Schritt rückwärts. „Lass mich dich neu verbinden, Clay", schlug ich ihm hoffnungsvoll vor. Seine Augen verengten sich irritiert. „Was meinst du damit?" wollte er lauernd wissen. Ich packte ihn am Ärmel seines Sweatshirts und zog ihn hinter mir her ins kleine Badezimmer. Er folgte mir ohne Gegenwehr. Das Fenster im Bad war inzwischen geschlossen, die Heizung aufgedreht. Aus den Eisflächen auf dem Boden waren wieder Wasserlachen geworden. In einer dieser Pfützen lagen Clays nasse, weiße Verbände, die er wohl nach seiner Dusche achtlos abgewickelt und zu Boden geworfen hatte. Ich erinnerte mich, diese Verbände vorher an seinem linken Oberarm und seinem rechten Oberschenkel gesehen zu haben.
„Ich kümmere mich um deine Wunden", erklärte ich ihm, woraufhin er belustigt, beinahe frivol lächelte. „Das willst du unbedingt, was?" meinte er gutmütig. Selbstverständlich merkte er mir meine Erregung und mein Verlangen an, denn er kannte mich viel zu gut. Sein Verstehen war mir aber überhaupt nicht peinlich. „Ja, ich möchte das für dich tun", gab ich unumwunden zu. „Bitte, Clay", flüsterte ich dann atemlos. Er musterte mich eine Weile eingehend. Ich war erleichtert, ihn mit meiner Bitte vom Heroin und von Jill abgelenkt zu haben. Ich war unglaublich froh, dass er sich auf meine unbeholfene Ablenkung einließ. „Dann tu das für mich", hauchte Clay in mein Ohr und leckte einmal zart über meine Ohrmuschel, was mir augenblicklich durch den ganzen Körper fuhr und eine wohlige Gänsehaut verursachte. Hastig beugte ich mich hinunter und hob seine alten Verbände auf. Dann holte ich aus dem Schrank unter dem Waschbecken den großen Erste-Hilfe-Kasten heraus und drückte ihn Clay in die Hand. „Komm mit in mein Zimmer", forderte ich ihn auf, und er folgte mir ohne Widerrede.
Hintereinander liefen wir schnell die Treppe hinauf und betraten mein Dachzimmer. Ich zwang mich, nicht an die drei Menschen unten im Wohnzimmer zu denken, die dort zweifellos auf uns warteten. Ich fühlte mich jetzt aufgeregt, erwartungsfroh. Mein Herz hämmerte, ich war erregt und wollte ihn unbedingt spüren, so nah wie nur irgend möglich. Er setzte sich auf den Boden, stellte den Kasten neben sich und zog sich unverzüglich sein Sweatshirt samt Unterhemd über den Kopf. Ich warf seine alten, nassen Verbände in meinen Papierkorb und ließ mich dann dicht neben ihm auf den Boden nieder. Lange betrachtete ich seinen nackten Oberkörper, die vielen blauen Flecken und Schnitte. Clay ließ mich schmunzelnd gewähren. Zum ersten Mal erblickte ich die mit schwarzem Faden genähte Schnittwunde, die sich an seinem linken Oberarm entlangzog. Sie war über zehn Zentimeter lang, gut genäht mit engen, gleichmäßigen Stichen.
Plötzlich hatte ich eine Vision davon, wie jemand Clay Banton ein Messer durchs Fleisch stach, und ich schüttelte schnell den Kopf, um diese grausige Vorstellung loszuwerden. Um mich abzulenken, öffnete ich den Erste-Hilfe-Kasten und holte neue, weiße Verbände und weißes Klebeband heraus. Clay saß ruhig neben mir auf den Yogamatten und beobachtete mich lächelnd. „Weißt du auch, was du tust?" wollte er zögerlich von mir wissen. Ich schaute ihn vorwurfsvoll an. „Es ist keine große Kunst, einen Verband anzulegen, Clay. Dabei kann ich wirklich nichts verkehrt machen", versicherte ich ihm. Er lachte und küsste mich plötzlich auf den Mund, und da wusste ich, dass er mich nur necken wollte.
Schon hatte er sich wieder von mir zurückgezogen und hielt mir seinen Arm hin. „Na, dann leg mal los, Valmont", forderte er mich auf. Ich nahm den Verband, öffnete die Packung und fing damit an, den weichen Stoff vorsichtig, aber fest um seinen Oberarm zu wickeln. Dabei achtete ich darauf, nicht an den schwarzen Nähten zu zerren. Trotzdem zuckte Clay einige Male zusammen. Schnell hatte ich seinen Arm verbunden und klebte das Ende des Verbands mit einem Stück Klebeband fest. Clay begutachtete mein Werk und schien zufrieden zu sein. „Siamak hat mich andauernd ermahnt, bloß nicht die Fäden herauszureißen. Als wäre ich ein bisschen blöd", erzählte er mir plötzlich. Dann sah er mich an. „Jetzt sind die Fäden wieder gut verpackt, was? Siamak wäre bestimmt zufrieden mit dir." „Und bist du zufrieden mit mir?" wollte ich spontan von ihm wissen, wobei ich nicht nur mein Werk meinte. Clay begriff das auf der Stelle. Er lächelte und taxierte mich eine Weile. „Der Verband ist dir gut gelungen", antwortete er schließlich ausweichend.
Ich nickte geistesabwesend und schaute auf seinen Oberschenkel. Mein Herz klopfte unwillkürlich härter. Clay folgte langsam meinem Blick. Einen ewigen Moment war es ganz still in meinem Zimmer. „Möchtest du, dass ich mich nackt ausziehe?" flüsterte Clay auf einmal. Mein Blick wanderte in sein Gesicht. Er lächelte eindeutig frivol, erwartungsvoll. Seine Augen blitzten amüsiert. Es war überhaupt nicht nötig, dass er sich nackt auszog, nur die Jeans hätte vollkommen gereicht. Aber die Vorstellung gefiel mir ungemein. „Willst du das denn?" erwiderte ich heiser, obwohl ich genau wusste, wie gern er sich auszog. Sein Lächeln wurde breiter. Statt einer Antwort fing er langsam, genüsslich damit an, seine Jeans aufzuknöpfen. Er erhob sich betont zögernd und schob die Jeans mitsamt der Unterhose äußerst sexy hinunter. Dabei zerrte er wohl unbeabsichtigt an den Nähten an seinem Oberschenkel, denn er verzog schmerzvoll das Gesicht, lachte aber im nächsten Moment darüber. Schließlich saß er nackt dicht neben mir und legte seine Hosen zu dem Sweatshirt und Unterhemd beiseite. Er streckte sein verletztes Bein zu mir aus. Er trug jetzt nur noch seine grauen Socken.
Eine Weile saßen wir so dort, während ich die Gewissheit seiner erregenden Nacktheit genoss und mich bemühte, mich ganz auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Auch sein Unterkörper war voller Hämatome. Ich war erschüttert über die Länge seiner Schnittwunde am Bein, die sicher zwanzig Zentimeter überschritt. Ganz zart berührte ich mit den Fingern den schwarzen Faden, der nicht minder professionell mit gleichmäßigen, engen Stichen in seiner Haut steckte. „Hat das wehgetan?" flüsterte ich ziemlich blöd aus einem inneren Mitgefühl heraus. Clay lachte freudlos auf. „Was meinst du denn? Meinst du den tiefen Schnitt mit dem Messer oder das Nähen danach?" fragte er mich herausfordernd. Ich sah ihn verwirrt an. „Entschuldige, Clay, natürlich hat das wehgetan", versuchte ich, meinen Fehler auszubügeln. „Ja, Sean, das hat sogar verdammt wehgetan", zischte er aufgebracht und atmete tief ein.
Ich beugte mich vor und küsste zart die Naht an seinem Oberschenkel. Ganz sacht fuhr meine Zunge zwischen dem harten Faden herum auf seine heiße Haut. Er roch ganz fantastisch nach meinem teuren Duschgel. Clay bewegte sich nicht. Ich konnte ihn leise atmen hören. „Als sie mich geschnitten haben, und als Siamak mich nähte, da tat es verflucht weh. Aber nach der örtlichen Betäubung war das Nähen nur noch geil", erzählte er mir auf einmal atemlos. Ich hob den Kopf und schaute in sein schönes Gesicht. Er beobachtete mich reglos, doch seine Augen funkelten aufmerksam. „Ist es jetzt auch geil?" fragte ich ihn behutsam und berührte nochmal mit meiner Zunge sein Bein, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Seine nackte Nähe erregte mich, sein schöner, so muskulöser Oberschenkel in meinen Händen, seine genähte Wunde erregte mich sogar. „Das kommt darauf an, was du noch vorhast", kicherte Clay verwegen. Ich umfasste seinen Schenkel und fuhr mit meinen Händen sanft an ihm hinauf und hinab, während meine Zunge weiter mit dem Faden herumspielte, der ganz hart war und irgendwie in meine Zunge pikste, was merkwürdig erregend war. Nach einiger Zeit seufzte Clay auf. „Willst du mich neu verbinden oder lieber aufessen?" fragte er mich schmerzerfüllt, weil meine Zunge gar zu vorwitzig wurde und zunehmend an der Naht zerrte. Im nächsten Augenblick mussten wir beide darüber lachen. Er streckte seine Hand nach mir aus und fuhr mit gespreizten Fingern sanft über meinen Kopf, durch meine Haare, dann an meinem Hals hinab. Ich hatte den Eindruck, als wollte er mich zu sich hinziehen. Er atmete jetzt lauter. Seine merkbare Begierde entfachte meine eigene Erregung immens.
Aber ich zwang mich, zunächst meine Arbeit zu vollenden. Ich richtete mich auf und holte aus dem Erste-Hilfe-Kasten einen zweiten Verband, schnitt die Packung auf und wickelte den Stoff behutsam fest um seinen verletzten Oberschenkel. Clay saß auch diesmal ganz still. Sein Bein lag dicht bei mir auf meinen Knien, während ich den weißen Stoff herumwickelte. „Du bist echt geschickt, Valmont", bemerkte Clay nach einer Weile anerkennend. „Ach, halt's Maul!" erwiderte ich grinsend, weil er mich damit abermals necken wollte. „Nein, das kannst du wirklich gut", bekräftige Clay. Prüfend sah ich zu ihm hin und merkte, dass es ihm mit seinem Lob tatsächlich ernst war. Sofort erfasste mich eine warme Woge der Rührung. Ich streckte spontan meine Hand nach ihm aus und streichelte sein verletztes Gesicht, er saugte zart an meinen Fingern, was mich unglaublich erregte. Nur mit Mühe konnte ich danach den Rest des Verbandes um sein Bein wickeln und ihn mit Klebeband fixieren.
Letztendlich hatte ich ihn fertig verarztet und wir schauten uns mein gelungenes Werk eine Weile an, bis sich unsere Blicke wieder trafen. „Danke, Sean", hauchte Clay auf seine unnachahmliche Art. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, beugte mich hinunter und streichelte mich an seinem Bein hinauf, fuhr mit meiner Zunge weiter über seine Haut, bis ich seinen nackten Unterleib erreichte. „Das ist geil", seufzte Clay behaglich, als ich mit meinem Mund zart seinen Schwanz liebkoste, bis er ganz langsam hart wurde. „Das ist geil", wiederholte er noch öfter, obwohl das gar nicht nötig war, denn ich wusste ja ganz genau, wie er es am liebsten mochte. Er atmete lauter und lehnte sich überwältigt zurück. „Komm her, Sean", stöhnte er nach einiger Zeit. Ich tat ihm den Gefallen, richtete mich auf und legte mich vorsichtig zu ihm. Er lag nun auf der Seite neben mir. Wir fingen an, uns intensiv zu küssen und zu streicheln. Endlich, dachte ich selig, endlich spüre ich ihn, endlich gehört er wieder ganz mir. Ich liebe ihn so sehr, dachte ich verwirrt und ließ es nur zu gerne zu, dass Clay Banton mich gierig, ungeduldig meiner Kleidung entledigte. Seine Finger waren so zärtlich zu mir, so liebevoll und doch verlangend. Seine Küsse fuhren mir auch diesmal bis tief in meine Seele hinein, so voller Sehnsucht und Begierde, seine Zunge vollbrachte wahre Wunder. Ziemlich bald hatte ich einen freien Oberkörper. Clay küsste meine Brustwarzen ganz wundervoll und wandte sich gerade meiner Jeans zu, als wir plötzlich irgendwo in der Wohnung gerufen wurden. „Clay? Sean? Wo bleibt ihr denn?" rief jemand ziemlich vorwurfsvoll.
Ich erkannte Jills Stimme, die uns penetrant voneinander trennen wollte. Nur widerwillig gehorchte ich ihrem stummen Befehl und richtete mich auf. Clay ließ mich erst nach sanfter Gewalt los, er keuchte und schaute mich unglücklich an. Meine Jeans war mir verdammt eng geworden und ich wollte gerade wahrlich nichts lieber, als sie endlich auszuziehen! Fuck! Aber mit einem Schlag brachten sich die anderen drei Menschen in diesem Haus unangenehm in meine Erinnerung. Plötzlich war es mir total peinlich, und daher schlicht unmöglich, in ihrer Anwesenheit Sex mit Clay zu haben. Ich geriet unvermittelt in Panik, dass einer von ihnen vielleicht jeden Moment einfach dreist die Treppe hinaufkommen würde, um uns beide dann peinlich und eindeutig nackt vorzufinden, womöglich ausgerechnet Jill Bennet! Verdammter Mist!
Hastig, panisch kroch ich von Clay weg und griff nach meinem Sweatshirt, um es eilig anzuziehen. Clay stöhnte ungehalten auf. „Ach, komm schon, Valmont!" beschwerte er sich verärgert. „Ignoriere die doch einfach!" verlangte er und griff sich herausfordernd in den Schritt. Er umfasste seinen steifen Penis und richtete ihn provozierend auf mich. „Du kannst doch jetzt nicht aufhören!" meinte er fassungslos. Aber ich war einfach nicht in der Lage, diese Situation so unbefangen zu empfinden, wie er es tat. Clay Banton war es natürlich vollkommen egal, ob vielleicht jemand ungebeten in mein Zimmer kommen und uns erwischen würde. Der Mann schämte sich so gut wie nie seiner sexuellen Lust!
„Das geht nicht, Clay. Ich habe keine Tür, erinnerst du dich!?" erklärte ich ihm und zeigte zur Treppe hin, die ganz offen hinunterführte. Jeder konnte ungehindert in meinen Dachboden kommen. Ich muss endlich eine abschließbare Klappe einbauen, verdammt, nahm ich mir zum wiederholten Mal verärgert vor. „Und das fällt dir erst jetzt ein? Dass du keine verdammte Tür hast?" fauchte Clay wütend und richtete sich ächzend auf. „Tut mir leid, ich konnte nicht...", fing ich verlegen an, als er mich auch schon unterbrach. „Du konntest dich nicht zurückhalten? Und jetzt kannst du das auf einmal wieder? Was ist das für ein verfickter Scheiß, Valmont!?" knurrte Clay atemlos und suchte mit den Augen nach seiner Kleidung.
Im Stillen musste ich ihm recht geben. Schließlich war da schon die ganze Zeit keine Tür gewesen, und das hatte mich trotzdem nicht davon abgehalten, mich ihm auf diese Art zu nähern. Aber es ging mir eigentlich auch gar nicht nur um die Tür, merkte ich irritiert. Es war vielmehr die Tatsache, dass sich in diesem Haus noch andere Menschen aufhielten, auch völlig fremde, wie Jill Bennet. Obwohl ich es versucht hatte, war ich offenbar nicht fähig dazu, ihre Anwesenheit zu ignorieren, so wie Clay Banton es ohne Probleme konnte. Ihm waren die anderen und ihre Gedanken herzlich gleichgültig. Ich dagegen war durch die pure Gewissheit, dass die anderen von unserer sexuellen Betätigung etwas ahnen oder merken könnten, schon unglaublich gehemmt. Allein die vage Möglichkeit, dass uns vielleicht jemand hören könnte, war mir unerträglich. Ich ärgerte mich selbst über meine Skrupel, meine verfluchten, anerzogenen Hemmungen, konnte sie jedoch nicht beiseite schieben. Obwohl es mir echt sehr schwer fiel. Obwohl ich mich selbst für meine Dummheit verdammte. Obwohl ich in diesem Moment wahrlich nichts lieber wollte, als sofort mit meinem Mann zu schlafen!
„Wo bleibt ihr denn?" rief Jill schon wieder drängend. Die skrupellose Frau war anscheinend jetzt am Fuß der Treppe, und ich zog mir überstürzt mein Unterhemd und das Sweatshirt an. „Nein, bleib hier unten!" hörte ich plötzlich Marc, der sie offenbar daran hinderte, die Treppe hinaufzusteigen, wofür ich ihm spontan extrem dankbar war. Denn Banton war immer noch nackt. Er beeilte sich überhaupt nicht, sich wieder anzuziehen, warf mir nur ständig vernichtende Blicke zu. Der sichtbar sexuell erregte Mann war zu recht wütend auf mich! „Wieso denn? Ist da oben Seans Zimmer?" hörte ich Jill allzu neugierig fragen. „Ja, aber komm mit, wir warten im Wohnzimmer", erwiderte Marc. Im nächsten Moment rief er: „Sean? Kommt ihr gleich?" die Treppe hinauf. Ich atmete hastig tief durch. „Ja, nur noch einen Moment. Ich verbinde Clays Wunden neu. Wir kommen in zwei Minuten", antwortete ich ihm so neutral wie möglich, nervös darum bemüht, bloß nicht atemlos zu klingen und eine harmlose Erklärung für unser peinliches Fehlen zu liefern. „Du hast ihn gehört. Sie werden gleich hinunterkommen", meinte Marc zu Jill und schob sie hoffentlich mit sich zurück ins Wohnzimmer, denn ich konnte danach nichts mehr hören. Ich war wirklich erleichtert, die beiden vorerst los zu sein!
Vorsichtig warf ich einen Blick auf Clay. Mein zauberhafter Mann hockte dort und tötete mich mit seinen Augen. „Du bist so ein Arsch!" warf er mir nach Luft ringend vor, was ich ihm nicht mal verdenken konnte. „Tut mir leid, Clay", versuchte ich eine ziemlich lahme Entschuldigung. Er grinste böse und erwiderte: „Ja, das glaube ich dir sogar, Sean." Im nächsten Moment holte er tief Luft und brüllte plötzlich: „Aber das befriedigt mich jetzt überhaupt nicht!" Seine Stimme war so laut, dass man diesen Satz mit Sicherheit im ganzen Haus gut hören konnte. Und genau das hatte er ja auch beabsichtigt. Erschrocken zuckte ich zusammen, stürzte entsetzt zu ihm hin und hielt ihm den Mund zu, damit er nicht noch mehr intime Details hinausposaunte, was mit Sicherheit in seiner Absicht lag. Clay kicherte atemlos, eindeutig belustigt, und drehte seinen Kopf weg, versuchte sich mir zu entwinden, sodass wir irgendwie auf dem Boden herumkämpften. „Hör auf damit, sei leise!" ermahnte ich ihn verzweifelt. „Ich bin wirklich nicht befriedigt!" schrie mein Mann gehässig los, worauf ich ihm eine spontane, hilflose Ohrfeige verpasste, die mir schon im nächsten Augenblick leidtat. Er schloss die Augen, lag ruhig unter mir und atmete krampfhaft tief ein und aus.
„Entschuldige, Clay! Bitte verzeihe mir!" jammerte ich, über ihn gebeugt, wirklich verzweifelt, und ich küsste sein Gesicht, um ihn irgendwie zu besänftigen. Er ließ mich eine Weile gewähren, dann schlug er seine schönen Augen auf. „Bleib doch bitte hier. Fass mich an", bat er mich ganz leise. Ich schüttelte bedauernd den Kopf, richtete mich auf und rutschte von ihm herunter. „Ich kann nicht, Clay. Du weißt doch, dass ich das nicht kann, wenn andere Menschen in der Nähe sind", versuchte ich ihm zu erklären. Selbstverständlich wusste er um meine Hemmungen. Er kannte mich wahrlich gut genug. Er war auch gar nicht überrascht, nur maßlos frustriert von meinem Verhalten. „Deshalb habe ich dich ja auch gefragt, ob ich mich ausziehen soll. Ich habe dich vorher gefragt, Valmont!" betonte er verächtlich, richtete sich auf und wandte sich endlich widerwillig seinen Klamotten zu, um sie anzuziehen, was ich gleichzeitig bedauerlich und erleichternd fand. „Ich wollte dich damit ablenken. Du warst so verdammt besessen von deinem imaginären Affen und von deinem scheiß Autoschlüssel. Du wolltest sogar, dass ich Jill hierherhole", erwiderte ich spontan, ohne vorher darüber nachzudenken. Clays Augen verengten sich auf der Stelle. Er zog sich jetzt langsam die Unterhose und die Jeans an, und ich beobachtete ihn dabei. Mein Mann war immer noch wunderschön, aber mit Schrecken musste ich mit ansehen, dass meine Worte ihn schmerzlich daran erinnerten, wie und aus welchem Grund unser intimes Beisammensein angefangen hatte. Schlagartig, sichtbar erinnerte er sich an das Heroin und an seinen Autoschlüssel. „Du wolltest mich ablenken? Du geilst mich auf, nur um mich abzulenken?" knurrte Clay fassungslos und taxierte mich wütend. „Nein, so war das gar nicht. Ich will dich ehrlich...", versuchte ich hastig, meine Worte zurückzunehmen.
Aber es war zu spät, denn Clay Banton erinnerte sich an seinen Entzug, und fast gleichzeitig erweiterten sich seine Pupillen automatisch zu pechschwarzen, riesigen, unergründlichen Tiefen. Ein erneutes Paradebeispiel für die Macht seiner psychischen Abhängigkeit. „Weißt du, das hast du wirklich gut gemacht, Sean Valmont. Ich war tatsächlich abgelenkt. Aber jetzt hast du es total versaut! Jetzt fahre ich nämlich zu Sergej und kaufe mir jede Menge Heroin", erklärte Clay mir eiskalt, während er sein Unterhemd und sein Kapuzenshirt anzog. Es brach mir das Herz, ihn so zu sehen. Ich wollte ihn dringend in den Arm nehmen und vor sich selbst beschützen. Aber mir war sonnenklar, dass ich ihn jetzt nicht mehr stoppen konnte. Niemand hätte das noch gekonnt!
„Kommst du zurück?" fragte ich ihn nach einer Weile zögernd. Er riss die Augen auf und fixierte mich, die schwarzen Pupillen jetzt voller Ungeduld. Er war noch immer sexuell erregt. „Was?" stieß er irritiert hervor. „Kommst du zurück, nachdem du bei Sergej warst?" wollte ich ängstlich von ihm wissen. Er lächelte tatsächlich, was ihn gleich viel schöner machte. „Wie stellst du dir das vor, Sean? Soll ich die shore etwa hier bei euch nehmen? Vincent und Marc erzählen mir was anderes!" gab er spöttisch zu bedenken. „In meinem Zimmer", schlug ich hastig vor und wusste gleichzeitig, wie idiotisch und gefährlich dieser Vorschlag war. Der unverwechselbare Geruch des Heroinrauchens würde durch das ganze Haus ziehen, sodass alle ihn sofort bemerken würden. Außerdem wäre es mehr als fatal, wenn ich heute schon wieder Heroin rauchen würde, warnte mich mein Verstand scharf. Du solltest dich von Clay Banton so fern wie möglich halten, wenn er seiner Heroinsucht frönt, sonst zieht er dich nur unweigerlich mit in die Tiefe, schrie die Vernunft in mir. Aber meine Sehnsucht nach ihm war verdammt groß. Es tat mir ziemlich weh, meinem Verstand zu gehorchen.
Hoffnungsvoll starrte ich Clay an. Bitte bleib bei mir, ich brauche dich, komm schnell zurück zu mir, flehten meine Augen völlig autonom, lange bevor ich mich bremsen konnte. Er lachte frustriert auf. „Erst mal muss ich die shore haben, Sean! Erst dann kann ich mir überlegen, wo ich sie nehmen will!" erklärte er mir voller Ungeduld, „Und damit ich zu Sergej fahren kann, brauche ich jetzt sofort den verfluchten Autoschlüssel!" Wie immer machte er nur einen Schritt nach dem anderen. Es war so typisch für ihn, niemals zu weit in die Zukunft zu blicken! Verbissen versuchte ich mir einzureden, dass es wahrhaftig am besten wäre, wenn er nicht mit dem Heroin wieder zu mir zurückkäme, aber ich hatte verdammt hart daran zu knabbern. Ich war fast unvermindert geil auf ihn, und ihm ging es ganz genauso. Ich konnte meine enorm drängende Sehnsucht nicht so leicht unterdrücken, geschweige denn abstellen.
Plötzlich rief Jill ihn von weiter weg, wohl aus dem Wohnzimmer. Er zuckte tatsächlich intuitiv erschrocken zusammen und blickte nervös zur Treppe. „Komm doch mal her, Clay!" flötete Jill zuckersüß. Clay warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. Mir wurde blitzartig klar, dass er inzwischen Angst vor Jill Bennet hatte. Er erinnerte sich wohl an seine abgelehnte Bitte um den Autoschlüssel und fürchtete eine erneute Konfrontation mit ihr. Wenn das hier noch viel länger dauert, dann wird er sein eigenes Auto aufbrechen und kurzschließen, befürchtete ich alarmiert. Kurzentschlossen stand ich auf und packte Banton am Arm. Er wehrte sich nicht gegen mich. Ich zog ihn auf die Beine und mit mir die Treppe hinunter zum Wohnzimmer, wo drei Menschen uns schon die ganze Zeit erwarteten. Vincent sah gelangweilt aus, Marc traurig, und Jill wirkte, wie die Herrin der Welt. Es schien ihr sehr zu gefallen, dass sie Clay mit dem blöden Schlüssel wieder einmal in ihrer Hand hatte. „Also, was ist hier los?" fragte ich neutral in die Runde. Vincent verdrehte genervt die Augen. „Unsere kostbare Zeit geht zum Teufel", zischte er ohne jedes Verständnis für die Situation, worauf ich ihm einen strafenden Blick zuwarf. „Komm doch mal her, Clay!" flötete Jill nochmal und streckte die Hand nach ihm aus. Aber Clay rührte sich nicht. Er fixierte sie nur böse. Ich hatte den Eindruck, er wäre am liebsten ängstlich hinter mir in Deckung gegangen, was mich emotional unerwartet stark bewegte.
„Gib ihm den Schlüssel", forderte ich Jill spontan auf. Sie lächelte mich strahlend an. „Selbstverständlich kriegt Clay sein Auto zurück, das ist doch gar keine Frage! Aber ich habe den starken Verdacht, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist", erklärte sie mir freundlich. Clay schnappte hörbar empört nach Luft. „Und den richtigen Zeitpunkt bestimmst du?!" rief er fassungslos. Jill betrachtete ihn fast mütterlich. Sie hatte seine teure Designer-Sonnenbrille in der einen Hand und streckte die andere nach ihm aus. „Sieh mal, Clay, ich merke doch, was mit dir los ist", meinte sie verschwörerisch lächelnd. „Was zur Hölle ist denn mit mir los?!" erwiderte Clay automatisch, was ein großer Fehler war, den er aber nicht schnell genug registrierte. Als es ihm klarwurde, war es schon zu spät. Nervös ging er zum Tisch. Er nahm sich aus der Schachtel Marlboro, die dort lag, eine Zigarette und zündete sie an. Er vermied es jetzt auffallend, Jill anzusehen, die tatsächlich nur auf dieses Stichwort gewartet hatte. „Du bist eindeutig auf Entzug, und ich wette, dass du dein Auto jetzt nur dazu benutzen willst, um zu deinem Dealer zu fahren", stellte Jill hart in den Raum. „Und dazu möchte ich dir nicht verhelfen", setzte sie ernsthaft hinzu. Vincent stöhnte genervt auf und erhob sich vom Sofa. „Nein, Leute, das tu ich mir jetzt nicht an. Ich habe echt genug von diesem elenden Tanz. Wenn wir weiterarbeiten können, dann kannst du mir ja Bescheid sagen", seufzte er mir resigniert zu. Vincent verließ das Wohnzimmer nicht, ohne noch einen vernichtenden Blick auf Clay zu werfen.
Herr Banton stand nun mitten im Raum und schloss abwehrend die Augen. Viel zu lange war es totenstill in meinem Wohnzimmer. Ich fühlte mich mindestens so hilflos wie Clay. „Auch wenn es mir leidtut, aber sie hat recht", bemerkte Marc schließlich leise. „Halt du dich da raus!" fauchte Clay ihn wütend an. „Ich habe auch keine Lust, dabei zuzusehen, wie du dich kaputtmachst!" erwiderte Marc beleidigt. Er stand ebenfalls auf und verließ das Zimmer beinahe fluchtartig.
Clay rauchte tief, gierig, und guckte mich flehentlich an. Dem armen Kerl stand kalter Schweiß auf der Stirn. Tu doch irgendwas, flehten seine wirren Augen mit den viel zu schwarzen Pupillen, bitte hilf mir doch, Sean! Ich wandte mich an Jill, die ihren Blick neugierig auf Clay gerichtet hielt. „So funktioniert das aber nicht, Jill. Du kannst ihn nicht davon abhalten, Drogen zu nehmen, nur weil du ihm den Autoschlüssel nicht zurückgibst", setzte ich ihr ernsthaft auseinander. Ihr wissbegieriger Blick wanderte sofort zu mir. Er erforschte mein Gesicht und blieb dann viel zu lange wohlwollend auf meinem Körper kleben. „Ich möchte ihm nicht helfen, sich jetzt Drogen zu beschaffen", betonte sie hartnäckig, „Mir ist schon klar, dass ich nicht..." „Ganz genau, du kannst nicht!" unterbrach Clay sie viel zu laut, „Du hast kein Recht..." Verwirrt brach er ab. Ich ging zu ihm hin und wollte ihn eigentlich in den Arm nehmen. Aber stattdessen berührte ich ihn nur kurz im Nacken. Er bemerkte mich jedoch gar nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit lag jetzt uneingeschränkt auf Jill Bennet. Ich konnte ihm förmlich anmerken, wie er sich innerlich für diesen Kampf bereit machte.
Im nächsten Moment ging er plötzlich vier Schritte auf sie zu und erhob drohend seinen Arm. „Du weißt hoffentlich, dass ich ihn dir einfach wegnehmen könnte, wenn ich wollte! Und du könntest überhaupt nichts dagegen tun!" behauptete er gefährlich leise und starrte sie bedrohlich an. Aber natürlich konnte er Jill damit nicht einschüchtern. Sie lächelte nur gutmütig und erwiderte: „Bist du dir da ganz sicher, Clay?" „Ja, ich bin mir total sicher! Ich bin viel stärker als du, Jill! Du hast keine Chance gegen mich!" fauchte er wütend. Er war nahe daran, sich auf sie zu stürzen. Jills Hand wanderte langsam in ihre Jackentasche, während sie den Blickkontakt mit Clay aufrecht hielt. Ich wusste sofort, dass sie noch immer diese scheiß Waffe bei sich trug, ihren fiesen Elektroschocker, mit dem sie Clay schon einmal brutal ausgeschaltet hatte. „Überlege dir das lieber gut, Clay", warnte sie ihn lächelnd. Aber Banton hatte diese reale Bedrohung, die von der Frau ausging, anscheinend vergessen. Er wich nicht zurück, sondern näherte sich ihr weiter. „Gib mir sofort meinen Autoschlüssel!" forderte er Jill drohend auf, „Sonst hol ich ihn mir!"
Hastig ging ich zu ihm hin und packte ihn am Arm. „Hör auf!" sagte ich streng zu ihm. Er atmete laut vor Wut. „Sie hat keine Chance gegen mich!" zischte er in meine Richtung, ohne mich anzusehen. „Sie hat aber eine Waffe!" erinnerte ich ihn ungeduldig. Im nächsten Augenblick kehrte die Erinnerung sichtbar in Clays Gedächtnis zurück. Seine Augen weiteten sich verschreckt und er taumelte kopflos einige Schritte rückwärts. Dabei verlor er die Zigarette in seiner Hand, die ich schnell aufhob und in den Aschenbecher drückte. „Du hinterhältiges Biest!" betitelte er Jill fassungslos, „Du willst mich schon wieder verletzen!" „Nur wenn du mich angreifst, Clay", entgegnete sie ungerührt. Er hob sein Shirt samt Unterhemd hoch und zeigte ihr seinen nackten Bauch. „Du hast mich verletzt! Das tut verflucht weh! Du hast mich verbrannt mit diesem gemeinen Scheiß!" beschwerte er sich lauthals und präsentierte ihr seine kleinen Brandwunden, die zweifellos vom Elektroschocker stammten.
Aber Jill war überhaupt nicht beeindruckt, noch hatte sie auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens. Sie schaute reglos auf Clays Bauch und meinte entrüstet: „Diese Schnittwunden und blauen Flecken sind aber nicht von mir!" Clay sah sichtbar seine Felle davon schwimmen. Seine Hände sanken resigniert an seinem Körper hinab. Völlig verwirrt, ratlos und hilflos fiel er in den zweiten Sessel im Raum und hielt sich stöhnend den Kopf fest. Ich guckte Jill strafend an, aber sie lächelte nur mit vor Amüsement strahlenden Augen.
Eine ganze Zeit lang war es nochmal völlig still in meinem Wohnzimmer. Nur Banton atmete hörbar ein und aus, bis er sich endlich ein wenig beruhigt hatte. „Hör mal, Clay", unterbrach Jill schließlich leise die angespannte Stille, „Vielleicht kann ich ja etwas anderes für dich tun, damit du dich besser fühlst." Sie zwinkerte mir tatsächlich verschwörerisch zu, als ich sie alarmiert anstarrte. Angewidert wandte ich mich von ihr ab und schaute zu Clay hin. Mein Mann hob müde seinen Blick. „Du kannst gar nichts für mich tun." Seine Stimme war jetzt ganz matt. Ich hatte den Eindruck, er suchte fieberhaft nach einem Ausweg, konnte jedoch keinen finden, und das erschöpfte und frustrierte ihn maßlos.
„Überlege doch mal, vielleicht fällt dir ja noch was ein", zwitscherte Jill herausfordernd. Diese ganze traurige Situation machte ihr offensichtlich einen Heidenspaß. Clay guckte sie fragend an. Sie lächelte zuckersüß. „Lass ihn in Ruhe!" forderte ich sie verärgert auf. „Ich will ihm ja nur helfen!" beteuerte sie unschuldig. Der Blick ihrer großen, dunklen Augen lag eine Weile abschätzend auf mir, bis ich mich unbehaglich abwandte. Sie lachte amüsiert. „Ach, komm schon, Clay, denk doch mal scharf nach! Was würde dir denn jetzt wirklich guttun?" reizte sie ihn überheblich. „Hör auf, Jill! Treib es nicht zu weit!" entfuhr es mir eifersüchtig, als mir klarwurde, was sie mit diesem Spiel bezweckte. Ich konnte es nicht ertragen, als sie damit anfing, sich über Clay lustig zu machen. Das Weib sah mich an, als wäre sie sich keiner Schuld bewusst. In diesem Moment bereute ich es zutiefst, diese verfluchte Frau in mein Haus eingeladen zu haben. Aber jetzt war es zu spät. Sie saß in meinem Sessel und verschlang meinen Mann mit ihrem beißenden Spott, den er gar nicht bemerkte. Clay Banton war viel zu angeschlagen, definitiv zu affig, um sie durchschauen zu können. Er war ihr hilflos ausgeliefert, und ich hatte keine Ahnung, was ich dagegen tun konnte.
„Wenn du etwas für mich tun willst, dann gib mir meinen Autoschlüssel zurück", seufzte Clay resigniert und schaute sie müde an. Sie lachte belustigt auf und schüttelte den Kopf. „Ach nein, das würde dir gar nicht gut tun, Clay", kicherte sie kokett. Ihre Wangen färbten sich leicht rosa. Sie flirtete eindeutig mit ihm, was mich extrem verärgerte. Clay warf mir einen verständnislosen Blick zu. „Lass ihn in Ruhe!" zischte ich nochmal zu Jill hin, aber nun ignorierte sie mich einfach. Ihre ganze Aufmerksamkeit lag auf Clay, während sie langsam aufstand. „Fällt es dir wirklich nicht ein? Denk doch nochmal nach, Clay!" stocherte sie weiter auf ihn ein. Banton holte nervös Luft. „Was denn, um Himmels Willen?!" entfuhr es ihm spontan ungeduldig. Er hatte wirklich keinen blassen Schimmer, was in dieser verschlagenen Frau vorging. Ihr albernes Spielchen irritierte ihn nur uferlos.
Eine Weile starrte er sie verwirrt an. „Ich könnte dir einen runterholen. Das würde dich garantiert entspannen, Herr Banton", rückte Jill endlich lüstern mit der Sprache heraus. Ihre Augen blitzten abenteuerlustig. Amüsiert beobachtete sie seine Reaktion. Clay zuckte zusammen und fuhr aus seinem Sessel hoch. Dann hielt er sich stöhnend den Kopf fest und schwankte. Anscheinend wurde ihm schwarz vor Augen, denn er sackte zurück in die Polster. „Ich wusste es!" entfuhr es ihm entrüstet, „Ich wusste, dass sie mir das jetzt ständig vorhält!" „Ich weiß aber, dass dir das großen Spaß macht, Clay. Das würde dich mit Sicherheit von deinem Entzug ablenken", meinte Jill und ging langsam auf ihn zu. Seine Augen weiteten sich vor Furcht und ungläubigem Unbehagen. „Sean!" schrie er völlig überfordert und nach Hilfe suchend, „Halt sie mir vom Hals! Sie ist total verrückt!"
Jill Bennet lachte laut auf und guckte mich vergnügt an. Ich konnte ihre hinterhältige Freude nicht teilen, und das merkte sie auch sofort am Ausdruck meiner Augen. Sie hob entschuldigend die Schultern. „Ich bin sicher, es würde ihm gefallen und enorm guttun", beharrte sie lammfromm. „Das ist überhaupt nicht lustig!" sagte ich zu ihr. Langsam fühlte ich mich ziemlich überfordert. Ich hatte diese merkwürdige Situation nicht im Griff, und das behagte mir gar nicht. Es gefiel mir nicht, daran erinnert zu werden, dass Jill sehr wohl schon mit Clays intimsten Körperteilen Kontakt gehabt hatte, und zwar weitaus intensiver, als ich mir ausmalen wollte.
„Ach, komm schon, Clay. Versuch es doch wenigstens", forderte Jill ihn fröhlich heraus und ging unbeirrt weiter auf ihn zu. „Ich bin auch ganz lieb zu dir", kicherte sie amüsiert. Clay stöhnte entsetzt auf. Hastig nahm er all seine Kraft zusammen, um aus dem Sessel aufzustehen. Dann stand er auf unsicheren Beinen und brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Zwei Sekunden später drehte er sich plötzlich um und rannte überstürzt aus dem Zimmer, ohne uns noch einmal anzusehen. „Fuck!" schrie er verzweifelt und wütend im Flur. Im nächsten Moment hörte ich, wie er die Haustür aufriss und verschwand. Ich warf Jill einen strafenden Blick zu. Sie lachte königlich belustigt. Ihre dunklen Augen blitzten siegesgewiss. Mit einem Mal verstand ich, dass es ihr nie darum gegangen war, Clay tatsächlich nochmal intim anzufassen. Die einzige Absicht, die sie mit ihrem charakterlosen Spiel verfolgt hatte, war die, Clay Banton mit ihren Provokationen aus der Fassung zu bringen. Und damit hatte sie natürlich auf ganzer Linie Erfolg gehabt!
Schlagartig verachtete ich Jill Bennet aus tiefstem Herzen. „Verdammt! Nun gib ihm endlich den Schlüssel! Es ist jetzt echt nicht die Zeit für deine Spielchen, Jill!" tadelte ich sie mit fester Stimme. Sie sah mich verblüfft an und hörte sofort auf zu lachen. Unvermittelt war jeder Spaß aus ihrem Blick verschwunden. „Es tut mir leid. Ich wusste ja nicht, wie schlecht es ihm geht", versuchte sie eine Entschuldigung, die ich aber nicht gelten lassen konnte, denn ich war stinksauer auf sie. Ich taxierte sie nur auffordernd. Daraufhin griff sie in ihre Hosentasche, holte Clays Schlüssel hervor und übergab ihn mir ohne weiteren Widerstand. „Clay ist wirklich krank, oder?" fragte sie mich traurig. „Er geht morgen ins Methadonprogramm", berichtete ich ihr aus irgendeinem Grund. Ich nahm Clays Textbuch von Supernova Soul vom Tisch. Danach beeilte ich mich, ihn einzuholen. Vorher ging ich aber noch ins Badezimmer und holte seine Jacke, die dort auf dem Boden lag. Dann rannte ich die Stufen zu meinem Zimmer hinauf und schnappte mir seine Schuhe.
Mit seinen Sachen verließ ich erneut das Haus. Ich traf Clay Banton an seinem MG, wo er gerade ernsthaft versuchte, die Fahrertür aufzubrechen. Er kniete neben der Tür und fummelte ziemlich sinnlos an dem Schloss herum. Er blies stoßweise weiße Atemwolken in die kalte Luft und zitterte vor Kälte und Unbehagen. Ungeduldig und genervt fluchte er vor sich hin. Eine Weile stand ich hinter ihm und beobachtete ihn machtlos. Er war so in seine Tätigkeit vertieft, dass er mich tatsächlich nicht bemerkte. „Zieh lieber deine Schuhe und deine Jacke an, Clay. Es ist kalt", forderte ich ihn schließlich auf und hielt ihm die Sachen hin. Erschrocken fuhr er zu mir herum. Sein Blick bat mich hilflos um Vergebung. „Sean", sagte er nervös, nahm aber gehorsam seine Jacke und die Schuhe und zog sich an. „Wirklich nett von dir." Er lächelte dankbar und entschuldigend. „Das ist doch schwieriger, als es aussieht", erklärte er sein Versagen beim Aufbrechen seiner eigenen Autotür. Ich war mir sicher, dass er es früher oder später sehr wohl geschafft hätte, die Tür zu öffnen, sowie auch das Kurzschließen seines Wagens ihm auf Dauer keine Schwierigkeiten bereitet hätte. Es rührte mich ziemlich, dass Clay offenbar verlegen war, weil Jill ihm angeboten hatte, ihm einen runterzuholen. Er guckte mich unsicher an. „Sie ist echt total gemeingefährlich", flüsterte er irritiert. Ich hatte aber keine Lust, mit ihm über Jill Bennet zu reden. „Mach das nicht, Clay. Morgen tut dir das leid", sagte ich resigniert und meinte damit die bald sichtbaren Spuren seiner gewaltsam geöffneten Autotür, zumal sein wertvolles Auto ihm so viel bedeutete. Clay wusste sofort, was ich meinte. „Dann leih mir bitte deinen Jeep!" fuhr er widerspenstig auf, „Diese blöde Kuh gibt mir..."
Ich hielt ihm seinen Autoschlüssel hin und fühlte nichts dabei. Denn ich konnte seine spontane Freude, die augenblicklich in seinen Augen aufblitzte, wahrhaftig nicht teilen. Er verstummte sofort und starrte mich überrascht an. Im nächsten Moment stand er auf, griff sich den Schlüssel und küsste mich intuitiv dankbar auf den Mund. Ich wollte ihn gerne festhalten, irgendwas tun, um ihn aufzuhalten. Ich wollte ihn gerne noch viel mehr spüren. Seine ehrliche Dankbarkeit tat mir nur vage gut, denn seine Sucht wog viel zu schwer. Der Mann nahm mich jetzt nur noch am Rande wahr. Er schloss hastig sein Auto auf und setzte sich auf den Fahrersitz. „Gib mir dein Handy!" forderte er mich gierig auf. „Ich habe mein Handy nicht hier", erwiderte ich wahrheitsgemäß. Ich wollte auch gar nicht, dass er ausgerechnet mit meinem Telefon jetzt Sergej anrief. Ich stand daneben und wollte am liebsten heulen oder kotzen. Mein eigenes Heroindefizit schien sich hinterhältig in mein Gehirn zu schleichen.
Clay blinzelte mich fröhlich an. Seine Laune hatte sich schlagartig verbessert. Mit der Gewissheit auf baldige Linderung konnte er seinen Affen gleich viel besser ertragen. „Dann fahre ich jetzt erst nach Hause und rufe ihn von dort an", sagte er lächelnd zu mir. „Kommst du heute noch mal zurück?" fragte ich ihn, aber ich hatte nur wenig Hoffnung, die er auch sogleich zunichte machte. Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein... hör mal... ich...", druckste er unbehaglich herum. „Schon gut", erwiderte ich gekränkt. Clay strich entschuldigend über meine Hand. „Ich glaube, ich kann die da drin heute nicht mehr ertragen", erklärte er leise und deutete mit seinen Augen zum Haus hin. „Versteh ich", flüsterte ich enttäuscht, obwohl ich es überhaupt nicht verstand. Ich hätte mir gewünscht, dass meine zärtliche Gesellschaft ihm weit wichtiger wäre, als seine Angst vor den anderen.
Eine Weile war es still. Clay wartete darauf, dass ich von seinem Auto zurücktrat, damit er endlich losfahren konnte. Ich hielt ihm sein Textbuch hin. „Sieh es dir an! Versprich es mir!" bat ich ihn eindringlich. Er nickte lächelnd, nahm das Buch und legte es neben sich auf den Beifahrersitz. „Kann ich mich auf dich verlassen, Clay?" wollte ich bekümmert wissen. Er nickte erneut und hörte nicht auf zu lächeln. „Ich verspreche es dir, Sean", flüsterte er und berührte nochmal meine Hand. In diesem Moment war er wunderschön, und es brach mir das Herz, dass er mich verließ. Schweren Herzens trat ich zurück, und er schloss sofort die Autotür. Dann startete er den Wagen. Clay Banton warf mir noch einen dankbaren Blick zu und fuhr davon. Das war es jetzt, dachte ich in einem Anfall von völlig irrationaler Panik, jetzt habe ich ihn für immer verloren!
Clay
Die notwendigen Schritte erwiesen sich als viel schwieriger, als ich es erwartet hatte. Denn Sergej lehnte meine Bitte um ein Treffen mit der Begründung ab, dass er erst heute Abend für mich Zeit hätte. Wütend knallte ich den Hörer der Telefonzelle zurück auf die Gabel. Sergej hatte keine Zeit für mich! Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass er im Moment noch keine shore hatte, aber später neu beliefert werden würde. Fuck! Es gab also verdammte Lieferschwierigkeiten, und heute Abend konnte alles bedeuten, jede Uhrzeit war möglich. Während ich zurück zu meinem Auto ging und einstieg, grübelte ich darüber nach, was wohl auf diesem langen Weg des Heroins passiert war. Vielleicht hatte jemand einen Termin vergessen oder verpasst, jemand hatte einen Koffer verloren, womöglich war jemand verhaftet worden oder ein Flugzeug war abgestürzt. Es gab unzählige Erklärungen für diese Verzögerung.
Jedenfalls musste ich mich richtig anstrengen, um an mein Zeug zu kommen. Ich musste alte Kontakte auffrischen und Orte aufsuchen, an denen ich schon ewig nicht mehr gewesen war. Das Ganze kostete echt viel Zeit und viele Nerven. Aber es lohnte sich letztendlich für mich, sodass ich relativ zufrieden und inzwischen extrem shoregeil nach Hause fahren konnte.
Sadakos Besuch fiel mir sofort auf, als ich endlich zurück in meine Wohnung kam. Sie kümmerte sich regelmäßig um mein Heim, meistens wie ein unsichtbares Heinzelmännchen. Sadako war ein echter Glücksfall für mich. Unser Arrangement hatte ich noch nie bereut.
Ich hatte sie auf meiner zweiten Vernissage kennengelernt. Sie hatte mich gefragt, ob sie ihre außergewöhnlichen, selbst gemalten Mangas, die echt fantastisch waren, kostenlos bei mir ausstellen durfte. Ich gab ihr gerne einen festen Platz in meiner Galerie, und sie hielt dafür meine Wohnung und meine Kleidung in Ordnung. Außerdem bezahlte ich ihr nicht wenig Geld für ihre Dienste, die niemals einen Grund zur Klage lieferten. Sadako Ogami war Japanerin. Sie war in Deutschland aufgewachsen, aber japanisch erzogen worden. Für sie stand Sex mit mir niemals zur Debatte. Das hatte sie mir gleich am Anfang klar gemacht, als ich sie nach der Vernissage mit in meine Wohnung nahm, und sie wie beiläufig erwähnte, dass ich dringend eine Haushaltshilfe benötigen würde. Aber ich hatte ihre Ablehnung nur schweren Herzens akzeptiert, denn diese japanische Frau war so was von heiß! Ehrlich gesagt versuchte ich es immer wieder mal bei ihr. Und es war durchaus möglich, dass sie mir deswegen aus dem Weg ging, indem sie ihre Arbeit am liebsten verrichtete, wenn ich nicht zu Hause war, wofür sie einen erstaunlichen Riecher hatte. Damit musste ich mich wohl abfinden, aber Sadako war definitiv noch ein offener Posten in meinem Leben.
Nachdem ich den Affen ausgiebig gefüttert hatte, wobei ich enttäuscht merkte, dass die shore zwar okay, aber bei Weitem nicht so gut wie Sergejs war, machte ich mich daran, meine Wohnung zu inspizieren. Sadako hatte auch diesmal perfekt gearbeitet. Sie war wohl der einzige Mensch der Welt, der genau wusste, womit man den äußerst empfindlichen Marmor in meinem Badezimmer pflegen durfte. Sie hatte auch die Waschmaschine angeschaltet, die voller schmutziger Wäsche war. Sadako hatte den Tisch im Wohnzimmer aufgeräumt, was schon überfällig gewesen war.
Ich sah mir meine ordentliche, blitzsaubere Wohnung an und war absolut zufrieden. Schade, dass sie schon weg ist, dachte ich, ich würde mich jetzt echt gerne ausführlich bei Sadako für ihre tolle Arbeit bedanken. Obwohl ich kaum Hunger verspürte, ging ich in die Küche, wo ich mich ein wenig ratlos umsah. Sadako hatte meine Obstschale aufgefüllt. Sie war immer so unaufdringlich aufmerksam. Das törnte mich total an.
Dann machte ich den Fehler meinen antiken Anrufbeantworter abzuhören, den ich schon viel zu lange ignoriert hatte. Ich war dankbar für das Gerät, denn ohne Handy war der Festnetzanschluss neben dem Internet meine einzige Verbindung zur Außenwelt. Aber ich hätte den AB trotzdem nicht abhören sollen, denn wütende Stimmen erinnerten mich an meine Verpflichtungen und riefen mir überfällige Termine zurück ins Gedächtnis, die ich nur beinahe vergessen hatte. Zwangsläufig führte ich per Rückruf einige unerfreuliche Telefongespräche, bei denen mir mehr als ein Tritt in den Hintern prophezeit wurde, wenn ich die neuen Abgabetermine nicht einhalten würde. Der Rest meines Sonntages war also noch einmal unerwartet mit Arbeit gefüllt worden. Ich nahm eine Flasche Wasser und etwas Obst mit und ging hinauf in mein Atelier, wo angefangene Zeichnungen auf ihre Vollendung warteten. Ich war recht gut zugedröhnt, und in diesem Zustand konnte ich sowieso am besten zeichnen. Ich konzentrierte mich auf die gestellten Aufgaben und beschäftigte mich überwiegend mit Papier und verschiedenen Kohlestiften für einige Konzepte.
Ich hatte vor, am nächsten Tag, wie gerade am Telefon vereinbart, die Zeichnungen in der Agentur und beim Label abzuliefern, deshalb musste ich mich wohl oder übel in diese Arbeit vertiefen. Die guten, alten Pink Floyd garantierten mir eine leise, extrem anregende Soundkulisse für meine Hand und mein Gehirn, sodass ich mit der Arbeit recht gut vorankam. Ich war echt konzentriert und verlor jegliches Zeitgefühl. Gerade summte ich Shine on you crazy diamond vor mich hin, als es plötzlich ziemlich laut an meine Tür klopfte. Ich ließ den Stift sinken und lauschte. Es klopfte nochmal, noch lauter und anhaltend diesmal. Ich fragte mich erstaunt, wer mich wohl an diesem Sonntag Nachmittag besuchen kam. Ich dachte genervt, dass ich keine Zeit für Besucher hatte, weil diese wichtigen Zeichnungen vollendet werden wollten.
Aber andererseits hatte ich gegen Gesellschaft eigentlich nichts einzuwenden. Denn eine leere Wohnung machte mich, trotz aller kreativer Ablenkung, immer unterschwellig nervös. Also stand ich schließlich auf und ging die Treppe hinunter. Noch bevor ich an der Wohnungstür angelangt war, klopfte es erneut, ungeduldig und fordernd. Ich ging zur Tür und öffnete sie. Draußen stand das Junkiemädchen. Ihr Anblick irritierte mich dermaßen, dass ich sie eine Minute lang nur paralysiert anstarren konnte. Sie lächelte mich unsicher an und sagte nichts.
Einen Augenblick später wurde mir blitzartig die Tragweite ihrer Anwesenheit bewusst. Ich bekam den größten Schreck meines Lebens, mein ganzer Körper zuckte zusammen. Instinktiv schlug ich ihr überstürzt die Tür vor der Nase zu. Dann stand ich wie erstarrt dort und fixierte die geschlossene Tür, das Plakat von Psychotic Kühlschrank, was auf der Innenseite angeheftet war, ohne es wirklich zu sehen. In meinem Kopf lief einiges durcheinander, es schrillte mega laut und sämtliche Alarmlampen blinkten grell rot. Fuck! dachte ich entsetzt, sie sind zurückgekommen, sie waren noch nicht fertig mit mir, ich habe sie auf diesem Video identifiziert, und jetzt sind sie zurückgekommen und wollen mich töten oder kastrieren oder sie wollen meine Wohnung verwüsten und mir alles klauen, womöglich haben sie längst meinen MG zerstört oder gestohlen oder sie wollen mich weiter schlagen und aufschlitzen.
Du musst schnell die Polizei anrufen, riet mir jemand in meinem Kopf, du bist in großer Gefahr, und die Polizei kann dir helfen und deine Angreifer verjagen oder festnehmen. So ein Quatsch, hielt eine zweite Stimme sofort dagegen, du hast jede Menge Heroin hier, du kannst auf gar keinen Fall ausgerechnet die Bullen anrufen!
Die Tür wird halten, wenn sie versuchen sie aufzubrechen, du hast diese Tür extra verstärken lassen, sie können hier nicht rein, du bist hier drin sicher, versuchte ich mich zu beruhigen. Ob die verdammte Tür auch wirklich halten wird? Ganz bestimmt versuchen sie gleich hier einzubrechen! Vielleicht steigen sie auch durch die Fenster ein, befürchtete ich panisch und warf einen gehetzten Blick zu den Fenstern hin. Du kannst hier jedenfalls nicht weg, es gibt keinen zweiten Ausgang, du bist schon wieder in einer verfluchten Falle gelandet! resümierte ich verzweifelt.
„Clay?" rief das Mädchen vor der Tür. Noch einmal zuckte ich vor Schreck zusammen. „Ich bin alleine gekommen, Clay!" informierte das Junkiemädchen mich, und ihre von der Tür gedämpfte Stimme hörte sich kläglich an. Und ich dachte nur Fuck! Warum habe ich nicht schon längst eine Überwachungskamera draußen angebracht, dann könnte ich ganz bequem von hier aus sehen, ob sie wirklich allein ist, wie sie behauptet. Dann hätte ich schon vorher gesehen, wer da draußen vor meiner Tür steht, und dann hätte ich die verdammte Tür mit Sicherheit gar nicht aufgemacht. Aber ich hatte ja noch nicht mal einen blöden Türspion in meiner Wohnungstür!
Die Bitch kann mir ja alles erzählen, dachte ich wütend, das weiß ich ja schon längst, dass die rachsüchtige Furie eine Meisterin im Lügen ist! Selbstverständlich erzählt sie mir diesen Scheiß, dass sie alleine wäre, nur damit ich arglos meine Tür aufmache, und im nächsten Moment kriege ich dann wieder voll in die Fresse von ihren verfluchten Teenager-Freunden! Das Mädchen ist genauso allein, wie sie gestern fünfzig Gramm Heroin von mir kaufen wollte, war ich mir hundertprozentig sicher. Unschlüssig, was jetzt zu tun war, und total panisch stand ich dort und starrte unentwegt die blöde Tür an, als könnte ich die Frau davor allein durch Gedankenkraft dazu bewegen, einfach zu verschwinden.
„Clay? Bitte mach doch mal auf, Clay! Das ist wichtig! Ich möchte nur ganz kurz mit dir reden!" jammerte sie in meinem Hausflur herum. „Nein... geh weg... ich will nicht mit dir reden...", kam es irgendwie aus mir heraus. Meine Stimme hörte sich ziemlich kurzatmig an und lange nicht so souverän, wie es mir gefallen hätte. „Bitte, Clay! Ich bin alleine! Ich schwöre es dir! Ich möchte nur ganz kurz mit dir sprechen! Bitte mach auf, ich möchte dir etwas Wichtiges sagen! Ich verspreche dir, dass ich dir nichts zuleide tun will! Bitte, Clay, bitte! Nur ganz kurz!" flehte sie mich an. Ihre Stimme war unvermindert gedämpft, aber trotzdem hatte sie eine eigenartige Intensität, die mich irgendwo berührte. „Nein... nein... das...", stotterte ich verwirrt. „Hör mal! Keine Angst! Hab doch keine Angst, Clay! Bitte habe keine Angst vor mir! Ich tu dir nichts, ich schwöre es dir! Bitte mach mir auf, ja? Lass mich rein!"
Ihre Stimme war lauter geworden, anscheinend war sie jetzt direkt auf der anderen Seite der Tür, womöglich lehnte sie ihren Kopf gegen das Holz. Ihre Worte ärgerten mich total, denn ich wollte auf keinen Fall ein Mann sein, der Angst vor einem kleinen Mädchen hatte. Wie kam sie überhaupt auf so eine lächerliche Idee?! Ich und Angst vor ihr? Was fiel der blöden Kuh überhaupt ein, so etwas Absurdes auch nur anzunehmen!?
Spontan extrem verärgert und ohne Nachzudenken riss ich die Tür auf, und das Mädchen zuckte erschrocken zusammen und ging hastig zwei Schritte rückwärts, bis sie mit dem Rücken an die Wand stieß. Mit großen Augen starrte sie mich stumm und gespannt an. Ich ging energisch einen Schritt auf sie zu und warf einen prüfenden Blick in den Hausflur. „Bleibt bloß von meinem Auto weg!" schrie ich drohend die Treppe hinunter, denn mein MG, der echt schutzlos vor dem Haus stand, machte mir Sorgen. Ich erwartete, dass dort irgendwo ihre Freunde waren, die bestimmt gerade mein Auto aufbrachen oder zerstörten und sowieso nur zurückgekommen waren, um mich erneut fertigzumachen. Ich war mir absolut sicher, dass das Junkiemädchen irgendeine neue, bestimmt schmerzhafte Gemeinheit im Schilde führte.
Aber zu meiner Irritation war der Flur bis auf die Frau leer. Niemand lauerte auf den Treppenstufen, aber ich konnte von hier aus nicht genau sehen, was auf der Straße los war. „Lasst mein Auto in Ruhe!" schrie ich deshalb noch einmal in Richtung Ausgang und zog mich dann eilig zurück. Sie kommen jetzt, erwartete ich angespannt, jeden Moment tauchen sie unten an der Treppe auf! Alarmiert und verunsichert ging ich einige Schritte rückwärts, zurück in meine Wohnung, ohne dabei das Mädchen aus den Augen zu lassen, die sich überhaupt nicht bewegte. Ich griff nach der Tür, um sie im Notfall sofort zuschlagen zu können. Das Atmen fiel mir schwer, denn mein Herz hämmerte viel zu schnell. Ich war innerlich auf jeden hinterhältigen Angriff vorbereitet, obwohl das Heroin mich ein wenig träge machte, wie ich nervös registrierte.
Das Junkiemädchen stand jetzt drei Schritte von mir entfernt, unverändert vor der Wand. Eine Weile taxierten wir uns schweigend. Sie trug Jeans und einen merkwürdigen Wintermantel, Winterstiefel und einen blau-grau-schwarz karierten Schal mit passender Mütze, unter der nur ein paar lange Strähnen ihres dunkelroten Haares hervorschauten. Sie sah angespannt, verschreckt und zerknirscht aus, aber immer noch hübsch.
„Hallo Clay", sagte sie schließlich leise, „Deinem Auto passiert nichts." „Nein... ich habe nicht...", erwiderte ich verwirrt. Fieberhaft überlegte ich, was ich ihr diesmal angetan hatte, damit sie nochmal auf Rache aus war, aber mir fiel nichts dazu ein. „Es ist schon gut, Clay, beruhige dich bitte. Ich will dir doch gar nichts tun", redete das Mädchen auf mich ein. Ich schüttelte den Kopf, weil ich ihr kein Wort glaubte. Sie hob beschwichtigend die Hände und ich wich intuitiv vor ihr zurück, weil ich fest damit rechnete, dass sie anfangen würde mich zu schlagen. Sie registrierte mein Zurückweichen erstaunt und ließ ihre Hände langsam sinken. „Ich tu dir nichts, Clay", versicherte sie mir nochmal, „Ich möchte mich nur bei dir entschuldigen."
Restlos konfus stand ich dort in meiner Wohnungstür, einen Schritt im Wohnzimmer, die Klinke in der Hand. Der Impuls war sehr stark, ihr auf der Stelle endgültig die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Aber sie war offenkundig ganz allein dort im Flur. Sie sah mich bittend und schuldbewusst an und rührte sich nicht. Ich zwang mich, ganz ruhig zu atmen und nicht noch mehr in Panik zu geraten. Verstohlen schielte ich zu den Fenstern, um erkennen zu können, ob ihre Freunde vielleicht auf der Straße auf mich warteten. Ob meine Feinde womöglich das Haus umstellt hatten, womit ich jetzt fest rechnete. Ich war aber zu weit von den Fenstern weg, als hätte ich dort unten etwas sehen können. „Nein, Clay, ich bin ehrlich allein gekommen", sagte das Mädchen zu mir. „Und ich schwöre dir, dass ich dir nichts zuleide tun will", fügte sie eindringlich hinzu.
Ich schaute sie irritiert an und fragte mich plötzlich, warum ich überhaupt eine solche Furcht vor ihr hatte. Sie war doch nur irgendein fremdes Mädchen, nur irgendeine von unzähligen, neugierigen Studentinnen, die Drogen bei mir gekauft hatten. Sie war mindestens zehn Jahre jünger als ich und augenscheinlich nicht besonders stark. Ich habe mit Sicherheit keine Schwierigkeiten sie zu besiegen, wenn sie mich angreift, dachte ich bei mir. Aber ihr bloßer Anblick weckte in mir gleichzeitig zu viele und viel zu schmerzhafte Erinnerungen. Von diesen grausamen Bildern in meinem Kopf wurde mir ganz schwindelig.
„Was willst du von mir?" brachte ich schließlich mühsam heraus. Sie schüttelte bestürzt den Kopf. „Nein, Clay, bitte habe keine Angst vor mir! Ich tu dir nichts! Hab doch keine Angst!" betonte sie sanft und machte vorsichtig einen Schritt auf mich zu. Diese Unterstellung ging mir jetzt langsam echt total auf die Nüsse! „Hör auf damit!" schnauzte ich sie spontan an, „Wiederhole das nicht immer! Ich habe keine verfickte Angst vor dir! Ich habe vor gar nichts Angst, kapiert?!" Sie zuckte verschreckt und rettete sich hastig zurück an die Wand. Beschwichtigend hob sie die Hände, während sie mich achtsam musterte. „Ist gut, Clay, ich hör auf damit!" lenkte sie leise ein. „Ich kenne das Wort Angst nicht mal!" behauptete ich großspurig, obwohl das absolut gelogen war. Aber das Mädchen nickte zustimmend. „Tut mir leid", sagte sie leise.
Danach schauten wir uns nochmal eine Weile an. Sie wirkte jetzt so klein, so jung und schuldbewusst auf mich, dass ich irgendwie davon berührt wurde. „Was willst du von mir?" fragte ich sie zum zweiten Mal. Sie lächelte vorsichtig. „Ich möchte mich bei dir für gestern entschuldigen, Clay. Und ich möchte dir das hier zurückgeben." Sie holte etwas aus ihrer Manteltasche und hielt es mir hin, was wie mein Zippo aussah. Ich stand drei Meter von ihr entfernt und konnte es nicht über mich bringen, das Feuerzeug zu nehmen. Wenn ich mich ihr nähere, dann schlägt sie bestimmt zu, oder irgendjemand greift mich von hinten an, hämmerte es warnend in meinem Hinterkopf.
Andererseits wollte ich mein wertvolles Zippo unbedingt zurückhaben. Ich hatte es nämlich extra mit meinem Zeichen gravieren lassen, sodass es einmalig war. „Leg es dahin", forderte ich sie mit rauer Kehle auf und deutete auf den Boden zwischen uns. Sie gehorchte und guckte dabei neugierig in meine Wohnung, betrat sie jedoch nicht, sondern ging folgsam zurück an ihre Wand.
„Dein Feuerzeug ist leider leer. Und man kann es nicht auffüllen", berichtete sie mir traurig. Diese Information verwirrte mich. „Wie kommst du darauf?" fragte ich sie perplex, während ich die Klinke losließ und mich hastig nach dem Feuerzeug bückte, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Ich wollte es mit neuem Gas auffüllen, aber es gibt keine Vorrichtung dafür. Das Feuerzeug ist wunderschön. Ich habe es ein bisschen zu oft angemacht", meinte sie entschuldigend. Ich fragte mich, warum sie wohl dachte, dass man ein Zippo mit Gas auffüllen konnte. Ihre Ahnungslosigkeit rührte mich. „Das ist ein Benzin-Feuerzeug", erklärte ich ihr amüsiert. Sie schaute mich verblüfft an und warf einen Blick auf mein Zippo in meiner Hand. „Ach so", murmelte sie, aber ich war mir nicht sicher, ob sie mit dieser Tatsache überhaupt etwas anfangen konnte. Offenbar kannte sie sich mit Zippos nicht aus.
Ich steckte mein Feuerzeug ein und fühlte eindeutig Freude darüber, dass ich es tatsächlich wieder hatte, denn damit hatte ich nie im Leben gerechnet. Warum hat sie es mir zurückgebracht, fragte ich mich ehrlich erstaunt und dankbar, sie hätte es doch für viel Geld verkaufen können?! Ich konnte nicht umhin, dem Mädchen diese freundliche Geste hoch anzurechnen.
Nochmal war es viel zu lange ganz still, während ich sie angespannt belauerte und sie sich an mir vorbei das Wohnzimmer ansah. „Du hast aufgeräumt", bemerkte sie endlich leise und schaute wieder mich an. Ich stand immer noch wie angewurzelt dort in der Tür. Ich konnte es nicht fassen, dass von allen möglichen Besuchern ausgerechnet dieses Mädchen in meinem Hausflur stand. Alles, was ich an diesem Tag und jemals nicht mehr erleben wollte, bündelte sich in ihrer Gestalt. Eine beinahe greifbare Bedrohung ging von ihr aus. Ich hatte ungewollt eine dermaßen große Angst vor ihr, dass ich mich am liebsten nur noch selber in den Arsch treten wollte. Ich konnte mir ihre Anwesenheit nicht erklären, und das machte mich total verrückt.
Wir sahen uns noch eine lange Zeit schweigend an, bis ich die Stille fast nicht mehr ertragen konnte. „Es tut mir leid, Clay. Bitte sieh mich nicht so an", sagte das Mädchen endlich betrübt. „Was willst du? Willst du was kaufen?" erwiderte ich völlig verwirrt, nur um einfach irgendwas zu sagen. Sie lächelte. „Hast du denn was?" fragte sie amüsiert.
In meinem Gehirn sprang prompt wieder die Gedankenmaschine an. Ich fragte mich ernsthaft, ob es klug wäre, diesem gewaltbereiten Junkiemädchen noch einmal Heroin zu verkaufen. Alles krampfte sich in mir zusammen bei der niederschmetternden Erinnerung, wohin mich dieses Arrangement beim letzten Mal geführt hatte. Auf gar keinen Fall darf ich noch einen Deal mit dieser Rachegöttin machen, beschloss ich.
„Du bist hierhergekommen, um shore von mir zu kaufen?" fragte ich sie ungläubig und bewunderte gleichzeitig ihren unglaublichen Mut und ihre Dreistigkeit. Noch niemals hatte ich jemandem in meiner Wohnung etwas verkauft und ich hatte auch bestimmt nicht vor, damit ausgerechnet für sie anzufangen.
Aber nun schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich bin nicht deswegen hier. Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Clay", sagte sie traurig. Ständig wiederholt sie das gleiche, registrierte ich genervt. Was sollte das bloß bedeuten? Hatte sie das gestern Nacht nicht auch schon gesagt? Hatte sie mir nicht die Handfesseln durchgeschnitten, mich dadurch befreit und sich dabei bei mir entschuldigt? Ich erinnerte mich nicht genau, und das beunruhigte mich. Sie wollte sich jetzt anscheinend nochmal bei mir entschuldigen. Nur langsam sickerte die Ungeheuerlichkeit dieser Tatsache zu mir durch.
„Darf ich reinkommen?" fragte das Mädchen mich plötzlich schüchtern. Vor Schreck setzte ich ein paar Atemzüge aus. „Nein!" rief ich sofort abwehrend, „Nein, das geht nicht! Du kannst auf keinen Fall..." Meine Worte bewirkten bei ihr einen Ausdruck, als hätte ich sie geschlagen, deshalb brach ich irritiert ab. „Du kannst nicht reinkommen. Du musst jetzt gehen", betonte ich leiser.
Im gleichen Moment merkte ich verwirrt, dass ich gar nicht mehr so unbedingt wollte, dass sie wieder ging. Diese unerwartete Begegnung war trotz oder wegen meiner Panik und dem Herzklopfen total aufregend, und ich spürte echt erstaunt, wie sehr mich das Gefühl innerlich antörnte.
„Du musst jetzt gehen", krächzte ich konfus noch einmal. Sie schloss für einen Moment die Augen und seufzte. Dann schaute sie mich flehend an. „Ach, Clay. Bitte... gib mir doch eine Chance", flüsterte sie beinahe. Mir lag spontan auf der Zunge, dass sie mir schließlich in der Nacht zuvor, in dieser elenden Straße mit ihren vier brutalen Freunden auch keine Chance gegeben hatte, aber dieser Vergleich hinkte irgendwie, deshalb sagte ich gar nichts. „Bitte, Clay! Bitte lass mich rein und hör mir kurz zu. Bitte gib mir eine Minute", jammerte sie verzweifelt, „Ich möchte mich ehrlich entschuldigen. Ich muss das unbedingt tun, hörst du?!"
Ich schüttelte genervt den Kopf. „Nein, das musst du nicht tun, du musst dich nicht andauernd entschuldigen, das ist total überflüssig", erklärte ich ihr und empfand es wirklich so. Was sollte dieser Scheiß überhaupt? Was versprach sie sich von ihrer verspäteten Reumütigkeit? Damit konnte sie doch rein gar nichts mehr ändern! Und außerdem hatte ich mich ihr gegenüber auch beschissen verhalten, deshalb wollte ich diesen ganzen Mist am liebsten komplett vergessen. Es frustrierte mich enorm, dass sie mich mit diesem unangenehmen Thema konfrontierte.
Schon wieder entstand eine lange Pause, in der wir uns gegenseitig stumm erforschten. Ich versuchte, ihre wahren Gründe zu erraten, aber ich hatte echt keine Idee, warum sie hier war.
Sie stand immer noch allein im kargen Hausflur mit seinen nackten Steinwänden, die ich nur selten putzte und nicht mal angestrichen hatte. Es war draußen sehr kalt geworden. Die eisige Kälte strömte ungehindert von der Straße durch den Flur in mein Wohnzimmer und erreichte mich wabernd. Ich war vom Heroin gut eingeheizt, deshalb machte mir die Kälte eigentlich nichts aus. Aber dann fiel mir ein, dass es schon ohne offene Tür teuer genug war, meine große Wohnung warm zu halten.
„Kommen deine Freunde auch noch?" wollte ich drohend von ihr wissen, als die Stille unerträglich wurde. Sie zuckte schuldbewusst zusammen. Ihr Blick wurde dermaßen traurig, dass es mich beunruhigte. Energisch schüttelte sie den Kopf. „Nein! Ich verspreche dir, dass niemand kommt. Ich bin und bleibe allein", behauptete sie leise. Ich studierte sie aufmerksam und versuchte ernsthaft abzuschätzen, ob sie wohl diesmal die Wahrheit sagte. Aber ich hatte keine Ahnung. Ich war nicht in der Lage, hinter ihre grünen Augen zu blicken.
„Bitte lass mich rein, Clay. Nur ganz kurz. Es ist total kalt hier draußen", bat das Junkiemädchen mich kleinlaut. Das ist alles Schwachsinn, entschied ich in diesem Moment, die verarscht mich doch nur wieder! Das mit dem Entschuldigen ergibt überhaupt keinen Sinn! Die hinterhältige Braut führt etwas ganz anderes im Schilde! Und außerdem ist sie so dick angezogen, dass ihr unmöglich kalt sein kann! Es wurmte mich, dass ich nicht hinter ihr Geheimnis kam.
Nervös schaute ich nochmal zu den Fenstern hin, um zu überprüfen, ob sich draußen irgendetwas tat, ob da vielleicht ihre zornigen Freunde darauf warteten, dass sie ihnen ein geheimes Zeichen oder so gab. Aber ich war noch immer zu weit von den Fenstern entfernt, und die erneute angespannte Stille wurde immer unerträglicher. Die ganze verquere Situation ging mir zunehmend auf den Geist. Die offene Tür war definitiv gefährlich und außerdem wurde mein Wohnzimmer langsam merkbar kalt.
Sie stand allein draußen und wollte unbedingt zu mir rein, und ich wollte nicht mehr, dass sie wieder ging, und beides konnte ich mir nicht erklären. Sie einfach so hereinzubitten widerstrebte mir enorm. Trotzdem musste jetzt ganz dringend irgendwas passieren.
„Ich habe dir noch etwas mitgebracht!" fiel dem Junkiemädchen plötzlich ein. Sie kramte in ihrer Manteltasche. Ich fixierte sie misstrauisch und erwartete angespannt, dass sie jetzt eine fiese Waffe oder so etwas herausholen würde, um sich gewaltsam Zutritt zu meiner Wohnung zu verschaffen. Mein Herz hämmerte wieder los, aber da hatte sie schon ein Handy herausgeholt, was sie mir mit einem verhaltenen Lächeln hinhielt. Ich konnte nicht reagieren, dazu war ich viel zu nervös.
„Das ist deins", erklärte das Mädchen lächelnd und bedeutete mir mit einer Handbewegung, das Handy zu nehmen. Skeptisch sah ich mir das Smartphone eine Weile an, bis ich es richtig identifiziert hatte. Im nächsten Moment griff ich hastig danach, aber nicht, ohne nochmal einen Rundumblick in meinen Flur zu werfen. Es war noch niemand zu sehen, aber ich war mir sicher, dass ihre Freunde irgendwo dort draußen auf mich lauerten.
Sie bringt mir mein Handy zurück, registrierte ich echt konfus, warum um alles in der Welt tut sie das bloß, sie hätte es für verdammt viel Geld verkaufen können?! Auch diesmal fühlte ich eindeutig Freude darüber, mein wertvolles Smartphone mit all diesen Nummern wieder zu haben. Ich warf dem Mädchen einen dankbaren Blick zu, bevor ich mich bremsen konnte. Sie kam nun einen Schritt näher, lächelte immer noch, und irgendwie hatte ich gar nichts mehr dagegen. „Ich wollte dir nie etwas stehlen, Clay!" betonte sie voller merkbarer Reue.
Plötzlich fiel mir ein, dass die Wichser mein Smartphone womöglich kaputtgemacht oder alles gelöscht hatten, was echt ätzend gewesen wäre. Der Bildschirm war schwarz, und als ich es anschalten wollte, passierte rein gar nichts. Vorwurfsvoll schaute ich das Mädchen an. Sie schüttelte den Kopf und hob bedauernd die Hände. „Der Akku ist leer, aber wir haben es nicht kaputtgemacht, Clay. Wir haben auch nichts gelöscht, ich schwöre es dir!" versicherte sie mir leise. Ich nickte und schob mein Handy in meine Hosentasche. Echt große Freude, Dankbarkeit, Nervosität und Angst hielten sich inzwischen in mir die Waage.
Jetzt muss ich aber langsam dringend irgendwas tun, überlegte ich ungeduldig, wir können hier nicht den ganzen Tag so rumstehen. Das Mädchen beobachtete mich, trat auf der Stelle und rieb nervös ihre Hände aneinander. Sie wird auch ungeduldig, bemerkte ich, und dieser Umstand amüsierte mich tatsächlich. Wenn ich mich jetzt von ihr abwende, dann kommt sie garantiert einfach rein, dachte ich bei mir, die bleibt nicht noch länger draußen stehen, wenn ich ihr die Möglichkeit zum Eintreten gebe.
Und dann fasste ich, des Grübelns und der angespannten Situation total überdrüssig, einen völlig überstürzten Entschluss. Kurzerhand drehte ich mich um und lief zu meinen Fenstern, damit ich ungestört hinausschauen konnte.
Ich stand an den langen Fenstern, die fast bis zum Boden und zur Decke reichten, und blickte durch einen Spalt der silbernen Jalousien nach unten. Draußen hatte es inzwischen noch mehr geschneit, jetzt aber scheinbar damit aufgehört. Die Straße sah ganz weiß und grau, leer und trostlos aus, kein Mensch war weit und breit zu sehen. Im Umkreis von zwei Kilometern hielt sich sonntags hier niemand anderes auf. Mist, ich kann den MG ja gar nicht sehen, merkte ich genervt, er steht vor dem Haus, und diese Fenster gehen zur Seite raus.
Mein Herz hämmerte wie wild, denn was ich hier bewusst tat, war ein großes Risiko. Falls das Mädchen doch nicht allein zu mir gekommen war, falls ich ihre Freunde nur übersehen hatte, dann würden sie mit Sicherheit jetzt alle hereinkommen.
Ungefähr eine Minute lang starrte ich reglos nach unten auf die leere Straße und atmete tief, um mich zu kontrollieren. Ich lauschte angespannt, konnte aber rein gar nichts hören.
Als ich mich schließlich zögernd wieder umdrehte, hatte das Junkiemädchen tatsächlich einen Schritt in mein Wohnzimmer gewagt. Sie stand vor der offenen Tür und beobachtete mich merkbar angespannt. Sie sah aus, als würde sie erwarten, dass ich jeden Moment ausrasten, sie anbrüllen oder womöglich sogar schlagen würde, was mich ganz schön rührte. „Was... du kannst nicht...", knurrte ich empört, aber der Triumph, dass sie wahrhaftig genau das getan hatte, was ich erwartet und insgeheim vielleicht sogar gehofft hatte, ließ mich automatisch breit grinsen.
Sie hob schon wieder beschwichtigend ihre Hände. „Bitte, Clay, lass mich doch rein! Ich möchte doch nur ganz kurz mit dir reden! Ich brauche nur eine Minute, und es ist sehr wichtig für mich!" redete sie sanft auf mich ein. Sie nahm mein Grinsen erleichtert zur Kenntnis und wagte ein vorsichtiges Lächeln.
Ich stand an den Fenstern und taxierte sie düster. Ich fand sie ganz schön dreist, dass sie einfach ungefragt in mein Wohnzimmer kam, aber ich fand sie deshalb auch enorm mutig, und außerdem sah sie hübsch aus in ihrem Winterlook. „Okay, dann mach aber die Tür zu!" befahl ich ihr betont ungehalten. Sie gehorchte sofort, schloss die Tür, blieb dort stehen und lächelte erleichtert und erfreut. „Danke, Clay, du bist so lieb", hauchte sie überwältigt.
Die geschlossene Tür beruhigte mich, denn sie schirmte mich vor den potentiellen Gefahren da draußen ab. Das Mädchen nahm ihre Mütze ab und steckte sie in ihren Mantel. Ihr dunkelrotes Haar war ganz verstrubbelt und reichte ihr bis weit über die Schultern. Eine Weile lächelten wir uns freundlich an, bis mir einfiel, dass ich echt nicht lächeln sollte, bevor die Sache hier geklärt war.
„Also... was ist nun...?" durchbrach ich hastig die merkwürdige Stille. Ihr erfreutes Lächeln machte sofort einem ernsten, traurigen Gesichtsausdruck platz. „Es tut mir leid", versicherte sie mir, „Ich wollte nicht, dass es so weit geht." Ich lachte spöttisch auf. „Wie weit sollte es denn gehen? Nur ein Tritt in die Eingeweide? Oder ein Schlag in die Fresse?" entfuhr es mir entrüstet. Sie seufzte wahrhaftig betrübt. „Ich wollte ehrlich nicht, dass sie dich dermaßen zusammenschlagen", flüsterte sie bedauernd.
Ich zog scharf die Luft ein, ging zum Tisch, holte mir eine Marlboro und zündete sie an. Ihre direkte Anwesenheit machte mich nervös. Ich war mir noch nicht sicher, ob hinter ihrem unerwarteten Auftauchen nicht doch eine neue Bedrohung steckte. Sie war augenscheinlich zwar allein, aber das musste ja nicht so bleiben.
„Was meinst du damit? Wie doll durften sie mich denn zusammenschlagen?" rief ich voller Hohn. Ich rauchte tief und durchbohrte sie mit meinem Blick. Sie wirkte jetzt sehr jung, total klein und hilflos.
Diese Bitch ist so verdammt dumm, dachte ich plötzlich. Sie kommt tatsächlich ganz allein hierher und stellt sich meiner unglaublichen Wut. Und ich bin doch tatsächlich so ungeheuer wütend auf sie, dass ich sie am liebsten auf der Stelle bis zum Hals in den Boden rammen würde. Wenn du willst, dann kannst du dich jetzt ganz einfach an ihr rächen, jubilierte der Teufel in mir, zahle es ihr doch einfach mit gleicher Münze heim! Sorge dafür, dass das Mädchen hinterher genauso bunt aussieht wie du und ganz genau die gleichen Schmerzen spürt! Das dürfte im Moment echt nicht besonders schwer sein, denn sie bietet sich dir ja förmlich dafür an!
Ich stellte mir automatisch vor, sie heftigst zu verprügeln, und einen Moment lang genoss ich diese Vorstellung in vollen Zügen. Aber dann verwarf ich diesen teuflischen Gedanken schlechten Gewissens, denn es schien mir wahrhaftig nicht sehr ehrenhaft zu sein, ein wehrloses, kleines Weibchen zu schlagen. Jeder dermaßen ungleiche Kampf widerstrebte mir von Grund auf, denn er versprach keinen triumphalen Sieg.
„Es tut mir so leid, Clay. Du hast keine Ahnung, wie sehr", wiederholte sie betrübt, „Es tut mir ganz ehrlich sehr, sehr leid, was passiert ist." Es fehlte wohl nicht viel und sie wäre vor lauter Reue vor mir auf die Knie gefallen. Ihre offensichtliche Unterwürfigkeit und ihre zunehmende Traurigkeit verunsicherten mich. Nervös zog ich an der Zigarette und beobachtete sie angespannt. „Kannst du mir das jemals verzeihen?" wollte sie kleinlaut von mir wissen und schluchzte unterdrückt. Ein paar Tränen liefen aus ihren Augen, die sie hastig mit den Fingern wegwischte.
Ich fühlte mich durch die immense Wucht ihrer von Schuld belasteten Gefühle, die inzwischen meine ganze Wohnung spürbar aufzuladen schienen, wie erschlagen. Ihre Tränen rührten mich ungewollt so stark, dass ich sie kaum aushalten konnte. Und obwohl mir trotz der Tabletten und der shore noch immer alles irgendwie weh tat, trotz der verdammten Albträume und der bösen Erinnerungen, die sie mir beschert hatte, dachte ich letztendlich, dass es nun langsam mal genug war. Wollte das kleine Junkiemädchen vielleicht den ganzen Tag so weitermachen? Das konnte ich mit Sicherheit nicht ertragen!
„Ist schon gut", wehrte ich sie ab, obwohl ich diese ganzen Ereignisse mit ihr überhaupt nicht gut fand. Rein gar nichts an ihr oder an dem, was ich mit ihr erlebt hatte, war gut. Aber ich wollte keine Tränen mehr sehen und kein Wort der Reue mehr hören. Es war genug und reichte definitiv. Ich hatte das dringende Bedürfnis, die viel zu traurige, bedrückende Stimmung in meiner Wohnung schnellstmöglich aufzuhellen.
Sie schaute mich auf Anhieb hoffnungsvoll an. „Verzeihst du mir?" wollte sie auf der Stelle wissen. Ich überlegte eine Weile, aber eigentlich konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. „Du warst es ja nicht, die mich geschlagen hat", erwiderte ich endlich ziemlich lahm. „Ich habe dich zwischen die Beine getreten", erinnerte sie mich zerknirscht. „Und ich bin über dich hergefallen", entfuhr es mir ganz automatisch.
Im nächsten Augenblick biss ich mir erschrocken auf die Lippen. Aber das Mädchen lächelte jetzt erleichtert. „Dann sind wir also quitt?" schlug sie voller Hoffnung vor. Ich hustete nervös und drückte meine Kippe in den Aschenbecher, um für einen Moment ihrem Blick zu entkommen. „Na gut", stimmte ich dann entnervt zu. Verunsichert guckte ich sie wieder an. Dieser äußerst merkwürdige Besuch ging weit über meinen Verstand hinaus.
„Jetzt fühle ich mich besser", seufzte das Mädchen befreit, nahm ihren Schal ab, steckte ihn in ihre Manteltasche und machte einen Schritt auf mich zu. „Ich mich nicht", erwiderte ich wahrheitsgemäß und wich unauffällig vor ihr zurück. Ich war fast unverändert angespannt, total auf der Hut, erwartete irgendeine hinterhältige Gemeinheit. Noch immer war ihr unerwartetes Auftauchen für mich ein einziges großes Rätsel.
Doch ihre Anwesenheit war gleichzeitig auch enorm aufregend, und das gefiel mir auf eine verquere Art. Ich war eindeutig neugierig darauf, was wohl noch so alles mit ihr passieren würde, solange es nur nichts Gewalttätiges war.
Nun kam sie unbeirrt weiter auf mich zu und ich wich weiter zurück. Schließlich machte die Wand in meinem Rücken meiner Flucht vor ihr ein Ende. Sie stand nun dicht vor mir und streckte zögernd die Hand nach meinem Gesicht aus. Ganz sanft streichelte sie über meinen Hals, meine Wange, meine Augenbrauen, meine Schläfen, meine Lippen. Sie ertastete vorsichtig und sichtbar erschüttert all meine Verletzungen in meinem Gesicht. Und ich spürte ihre Fingerspitzen so intensiv, dass mein Herz förmlich stehenblieb. „Es tut mir so leid", flüsterte sie schon wieder. „Ist schon gut", wiederholte ich überfordert und drehte mich hastig von ihr weg.
Ihre zarte Berührung war mehr, als ich ertragen konnte. Die ganze Situation erschien mir beunruhigend surreal. Ich flüchtete ans andere Ende des Zimmers und drehte mich erst dort zu ihr um. Sie war stehengeblieben und beobachtete mich irritiert. Dann war es wieder einige Zeit still und plötzlich fühlte ich mich idiotisch.
„Du willst also was kaufen?" fragte ich sie, denn dieser Gedanke fühlte sich zwischen all dem Chaos in meinem Kopf beruhigend vertraut und real an. Sie lächelte gutmütig und nickte dann. „Ja, wenn du was Schönes hier hast, dann sag ich nicht nein", erwiderte sie fröhlich. „Okay, dann setz dich doch. Ich bin gleich wieder da", erklärte ich ihr hastig und verließ fluchtartig mein Wohnzimmer.
Ich ging hinüber ins Badezimmer, wo ich immer noch meine shore im Whirlpool-Kasten lagerte, was völlig bekloppt war. Eilig schloss ich die Tür hinter mir ab und atmete dann tief durch. Was passiert denn hier eigentlich, dachte ich überfordert, was um Himmels Willen geht denn hier gerade ab? Hat sie mich wirklich angefasst? Ihre Berührung war so unglaublich sanft gewesen, so zart und überwältigend - zärtlich? Warum um alles in der Welt hatte das Junkiemädchen mich auf diese Art angefasst?
Ich stellte mich vor den Spiegel und betrachtete verwirrt mein angeschlagenes Gesicht. Vorsichtig fuhr ich mit meinen Fingern an meinen Verletzungen entlang, genau wie sie es gerade getan hatte. Was zur Hölle will sie eigentlich von mir, war die vorherrschende Frage in meinem Gehirn. Was hat dieses Mädchen noch mit mir vor? Warum ist sie zu mir zurückgekommen? Was verspricht sie sich davon?
Ich hatte fast unverändert große Angst vor dem Junkiemädchen. Sie hatte zu viele brutale Freunde und strahlte zu viele erniedrigende Grausamkeiten aus. Aber andererseits törnte dieses Gefühl der drohenden Gefahr mich jetzt zweifellos an. Warte nur, bis sie dich das nächste mal zusammenschlagen, dann bist du garantiert nicht mehr angetörnt, du blöder Volltrottel, knurrte eine Stimme in meinem Kopf mich höhnisch an.
Ich fragte mich erschüttert, warum zum Teufel ich sie überhaupt hereingelassen hatte. Wie war es nur dazu gekommen? Warum hatte ich die Rachegöttin nicht einfach draußen stehen lassen und komplett ignoriert?
Und jetzt? Was sollte ich jetzt tun? Du bist so entsetzlich dumm, schrie plötzlich die Stimme in meinem Innern los, du hast die Frau tatsächlich allein in deinem Wohnzimmer zurückgelassen! Natürlich wird sie spätestens jetzt ihre Freunde hereinholen, und dann gibt's gleich nochmal ordentlich was auf die Schnauze! Wenn du jetzt zu ihr zurückgehst, dann werden ihre Freunde längst im Wohnzimmer auf dich warten, und dann hast du keine Chance mehr! Sie werden dich total und endgültig fertigmachen!
Entsetzt und panisch sah ich mich im Badezimmer nach einer Waffe um, aber es gab keine verdammten Waffen in meiner Wohnung, und im Bad schon gar nicht. Kurz erwog ich die Möglichkeit, schnell ein Messer aus der Küche zu holen. Aber dann fürchtete ich zu Recht, dass sie es mir nur wegnehmen und gegen mich verwenden würden, also war ein Scheiß Messer bestimmt keine gute Idee.
Die vielen Gedanken und all die Befürchtungen verwirrten und belasteten mich immens. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus dieser gefährlichen Situation heil wieder herauskommen sollte. Wie erschlagen ließ ich mich vor dem Whirlpool nieder, holte mein Zeug heraus und genehmigte mir erst mal ein paar dicke Chinesen, um meinen Kopf und meine Seele zu beruhigen.
Und das funktionierte mit der Zeit auch recht gut. Das Heroin machte mich träge und genügsam und ich beschloss, jetzt einfach mit dem Nachdenken aufzuhören. Es würde ohnehin alles genau so passieren, wie es wollte. Ich hatte sowieso keinen richtigen Einfluss darauf, das hatte ich doch nie!
Während ich noch ein paar Chinesen rauchte stellte ich mir vor, wie das Mädchen ihre kleine, warme Hand auf meinen Bauch legen würde, und wie verdammt gut sich das anfühlen würde. Diese Vorstellung gefiel mir sehr.
Ich war nicht allein. Diese seltsame Studentin war zu mir gekommen, sie saß in meiner Wohnung, aus welchem verdammten Grund auch immer. Und ich würde jetzt das beste daraus machen. Ich würde einfach nett zu ihr sein und abwarten, was passiert. Vielleicht konnte ich drüben im Wohnzimmer noch mehr shore mit ihr rauchen. Gesellschaft beim Konsumieren von Drogen war mir schon immer sehr willkommen gewesen. Und sie war doch zweifellos ein Junkie, sie würde gerne mit mir zusammen Heroin nehmen. Dieser Gedanke gefiel mir ungemein.
Aber schon bald darauf schalt ich mich erneut einen dummen Idioten, weil dieses undurchschaubare, enorm nachtragende Mädchen ganz bestimmt eine neue, brutale Gemeinheit im Schilde führte. Bestimmt wollte sie mich nur in Sicherheit wiegen, um dann umso brutaler zuschlagen zu können. Du musst unbedingt aufpassen, schwor ich mir bestürzt.
Diese Gedanken verwirrten und beunruhigten mich, denn ich kam zu keinem befriedigenden Ergebnis. Außerdem waren sie total überflüssig, aber es fiel mir schwer sie abzustellen.
Ich packte spontan etwas Heroin und Silberpapier zusammen, nahm das kleine Messer, das Zugrohr und ein wenig Zeichenpapier, den Rest verstaute ich zurück im Kasten. Ich atmete nochmal tief durch, um ganz ruhig zu werden. Ich hatte tatsächlich Angst, mein sicheres Badezimmer zu verlassen, und das nervte mich enorm. Was sollte ich tun? Ich konnte mich ja schlecht den ganzen Tag hier drin verstecken!
Kurzerhand nahm ich all meinen Mut zusammen, schloss die Tür auf, verließ das Bad und tastete mich vorsichtig zurück ins Wohnzimmer. Auf alles gefasst schaute ich in den großen Raum und erwartete mit klopfendem Herzen, dass er inzwischen voller gewaltbereiter Leute sein würde, die nur noch auf ihr Opfer lauerten.
Aber mein Wohnzimmer war unverändert, und ich konnte mein Glück im ersten Moment kaum fassen. Da waren keine verfluchten Teenager-Sadisten! Das Mädchen war wahrhaftig immer noch allein. Kimberly, fiel mir plötzlich ein, während ich sie zutiefst dankbar mit einem warmen Gefühl betrachtete, dieses bezaubernde Wesen dort heißt Kimberly!
Sie saß jetzt auf der Couch. Ihren Mantel hatte sie ausgezogen und neben sich gelegt. Ich stand dort, war ganz still und schaute sie eine Weile nur an. Unwillkürlich hatte ich ein ziemlich beunruhigendes Déjà vu, als ich sie dort allein sitzen sah. Das Bild erinnerte mich unerwartet heftig an diesen verhängnisvollen letzten Abend. Meine Eier schmerzten plötzlich, mir wurde schlecht und ich hatte das Gefühl, ich müsste mich gleich übergeben.
Die Frau guckte abrupt zu mir hin. „Ist alles in Ordnung?" erkundigte sie sich besorgt. „Ja, geht schon", hustete ich nervös, bewegte mich auf sie zu und setzte mich in einigem Abstand neben sie auf mein Sofa. Ich packte das Heroin aus, schüttete es auf das gefaltete Papier und machte mir einen Chinesen zurecht, den ich sofort gierig weg rauchte. Sie beobachtete mich geduldig dabei. Die wirkt ja überhaupt nicht so, als wäre sie geil auf das Heroin, fiel mir plötzlich alarmiert auf. Verstohlen musterte ich sie genauer, prüfte ihren körperlichen Zustand. Nein, sie hatte definitiv keinen Affen, nicht mal einen Hauch davon, sie musste jetzt keine shore nehmen. Sie verarscht mich möglicherweise, hämmerte es in meinem Hinterkopf.
„Ich habe leider nur zwanzig Euro", bemerkte das Mädchen bedauernd und hielt mir einen Schein hin. Dieser Zwanziger ist wahrscheinlich genau der selbe, den sie mir gestern Nacht geklaut hat, vermutete ich verärgert. Spontan wollte ich ihr deswegen Vorwürfe machen. Aber dann riss ich mich zusammen, nahm den Schein stumm und steckte ihn ein. Ich schob ihr das pack zu und sagte so cool wie möglich: „Bedien dich." Du hast ihr jetzt eigentlich nichts verkauft, versuchte ich mich dabei zu beruhigen, du gibst ihr lediglich von deiner shore etwas ab. Dieser Zwanziger war sowieso meiner, redete ich mir ein.
Zu meiner Überraschung machte Kimberly sich mit meinem kleinen Messer umständlich einen Chinesen zurecht. Ich hatte fest damit gerechnet, dass sie sich die Spritze geben würde, wie beim letzten Mal. „Keine gun heute?" fragte ich sie sofort erstaunt. Sie lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe heute nichts dabei."
Mit dieser Aussage war für mich endgültig geklärt, dass sie ganz und gar nicht zu mir gekommen war, um Heroin zu kaufen. Sie war aus einem ganz anderen Grund hier. Wollte sie sich tatsächlich nur bei mir entschuldigen? Wollte sie ihre Rache fortführen? Sei vorsichtig, mahnte ich mich erneut, sie hat möglicherweise noch irgendwas vor. Verstohlen betrachtete ich sie, versuchte ernsthaft, sie richtig einzuschätzen, während sie recht unbeholfen ihre Chinesen rauchte und dabei mein Zugrohr benutzte. Zwischendurch nahm ich ihr das Rohr weg und rauchte selbst noch etliche Milligramm. In dieser Zeit wartete sie still ab, beobachtete mich und lächelte mich freundlich an.
Später gelang es mir endlich, alle störenden Gedanken zur Seite zu schieben. Wir saßen gemeinsam auf der Couch und frönten einvernehmlich unserer Sucht. Mit der Zeit wurde ich automatisch immer ruhiger und zufriedener mit dieser Situation. Das Heroin war zwar leider nicht so gut wie Sergejs, aber dafür rauchte ich mehr davon. Bis es mich langsam ziemlich gleichgültig machte und meinen Kopf zum Schweigen brachte, was ich erleichtert zur Kenntnis nahm.
Später hatte ich nichts mehr gegen die Bitch in meiner Wohnung einzuwenden. Solange sie allein blieb, konnte sie mir sowieso nichts tun. Ich grübelte nicht mehr über ihre zu erwartenden Gemeinheiten nach. Ich fragte mich nicht mehr nach dem Grund ihrer Anwesenheit. Denn die kleine Kimberly war absolut still neben mir. Sie plapperte nicht ununterbrochen irgendwelchen Unsinn, wie so viele andere Frauen es ständig tun. Sie stellte mir keine einzige nervige Frage. Sie lächelte mich nur pausenlos überaus freundlich an.
Und sie hatte überhaupt nichts dagegen, dass ich zu viel Heroin nahm. Im Gegenteil, sie wollte diesen geilen Trip sogar mit mir teilen. Später hatte ich plötzlich das behagliche Gefühl, dass dies hier meiner Vorstellung von einem angenehmen Sonntagnachmittag verdammt nah kam.
Kim
Bis heute kann ich nicht erklären, was an diesem Sonntagvormittag in meinem Zimmer im Studentenwohnheim mit mir passierte. Wurde ich von meinem schlechten Gewissen überrannt? War mir langweilig und suchte ich eine neue Herausforderung? Hatte ich das Gefühl, diese böse Geschichte zumindest zu einem guten Abschluss bringen zu müssen? Ich weiß es nicht genau. Vielleicht kam alles zusammen, vielleicht war es aber auch wirklich nur mein Gewissen, dass mir überraschend und überwältigend heftig zu schaffen machte.
Die Gedanken an Clay Banton kamen völlig unwillkürlich, ohne dass ich sie hätte steuern oder beeinflussen können. Das Bild von Clay wurde immer deutlicher in meinem Kopf, und mit ihm die Frage, was wohl mit ihm passiert war, nachdem wir ihn am Abend zuvor in dieser einsamen Gasse, in dieser dunklen, bitterkalten Nacht liegengelassen hatten. Wir hatten ihn zu Fünft schwer verletzt und dann allein gelassen.
Hendrik hatte uns mit seinem Verantwortungsgefühl zum Glück dazu gedrängt, wenigstens einen Krankenwagen zu rufen. Wäre Clay sonst wirklich gestorben? Wäre er an seinen tiefen Schnittwunden verblutet? Das wollte ich mir gar nicht ausmalen. Mir war absolut unklar, wieso diese ganze Aktion dermaßen aus dem Ruder laufen konnte. Sicher, ich war enorm wütend auf diesen Mann gewesen. Aber wollte ich ihn deswegen wirklich so schwer verletzen, ihn mit Messern und Schlagstöcken, Fäusten und Tritten dermaßen zusammenschlagen lassen, wie es passiert war?
Clay hatte mich an diesem Freitagabend in seiner Wohnung nicht wirklich verletzt, nur mein Stolz hatte durch seinen Überfall eine schmerzende Wunde davongetragen. Ich dagegen hatte dabei zugesehen, wie meine Freunde diesen Mann körperlich und seelisch fertiggemacht hatten. Ich hatte einfach dort gestanden und zugesehen. Und am Anfang hatte mir die ganze brutale Aktion auch noch total gefallen! Ich war meinem Freund Ben dankbar für seine Hilfe gewesen. Bens Wut auf Clay hatte mir geschmeichelt, weil er damit meine Ehre und meinen Stolz verteidigt hatte.
Aber nun fühlte sich das alles völlig falsch an. Was war mit Clay passiert, nachdem wir ihn dort liegengelassen hatten? Hatte er tatsächlich auf den Krankenwagen gewartet? War er jetzt also in einem Krankenhaus? Und konnte ich ihn dort so einfach besuchen? Ganz bestimmt wollte Clay Banton mich nie wiedersehen, und das konnte ich ihm nicht mal verdenken.
Seufzend und schluchzend saß ich vor meinem PC und studierte im Internet alle Seiten, die irgendwas mit Clay zu tun hatten. Zuerst schaute ich mir die Seite des Grenzland-Theaters über Psychotic Kühlschrank an. Das ganze Ensemble wurde dort vorgestellt. „Unser Kühlschrank ist in Wahrheit ein robuster Wikinger aus Island, den so leicht nichts aus der Fassung bringen kann", stand dort lediglich unter Clays Bühnenoutfit-Foto. Was sollte das bedeuten? Kam Clay tatsächlich aus Island, oder sollte das ein Witz sein?
Unter Seans Bühnen-Foto stand viel mehr, jede Menge Infos über seine Ausbildung. Sogar die Preise wurden aufgezählt, die Sean offenbar schon für andere Choreographien erhalten hatte, und seine Beweggründe für die Performance wurden erläutert.
Ich gab in die Suchmaschine Clays Namen ein und surfte zu allen Seiten, die mir angezeigt wurden. Es gab überraschend viele Fotos von ihm und seinen Gemälden, erstaunlich viele Seiten mit Artikeln über seine Ausstellungen, die er anscheinend organisiert hatte. „Malen ist für mich Therapie", sagte der junge Künstler in einem Interview, und „Ich zeichne grundsätzlich nur Bilder, die ich vorher mit meinem inneren Auge sehen kann." Seine Gemälde wurden von den Kritikern überwiegend positiv bewertet, es gab aber auch einige echt krasse Verrisse.
Private Infos über Clay Banton suchte ich allerdings im Internet vergeblich. Nicht mal sein Geburtsdatum tauchte irgendwo auf. Der Hinweis mit Island von der Theaterseite ist wohl schon das Persönlichste gewesen, dachte ich enttäuscht. Aber vielleicht entsprach das auch gar nicht der Wahrheit, sondern war sarkastisch gemeint.
Clay hatte sogar eine eigene Seite im Internet, auf der er seine Dienste als Maler und Grafiker anpries, gekoppelt mit seinen Kontaktdaten und vielen Beispielen seiner kreativen Fähigkeiten. Seine Bilder hatten zweifellos was, das war mir schon am Freitagabend in seiner Wohnung aufgefallen. Die Zeichnungen waren eigenartig intensiv, wenn man sie genauer betrachtete.
Später wechselte ich auf die Videoplattform, auf der man sich unter anderem jede Menge heimlich gedrehter Handy-Videos von Psychotic Kühlschrank anschauen konnte. Mir fiel auf, das Clay auf der Bühne eine beeindruckende Präsenz entwickelte, die mich sogar auf diesen schlechten Videos in ihren Bann zog.
Aber als er zum dritten Mal von den Steinen getroffen wurde, die mein Freund Ben auf ihn geworfen hatte, klickte ich die Seite entsetzt weg. Ich konnte es nicht länger ertragen, Clay verletzt werden und umfallen zu sehen, seinen geschockten und verwirrten Gesichtsausdruck, den man trotz seiner verbundenen Augen nicht übersehen konnte. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, diesen Mann derart anzugreifen, ihn auf der Bühne mit Steinen bewerfen zu lassen und ihn danach auch noch quasi öffentlich der Vergewaltigung zu bezichtigen! Das konnte doch alles gar nicht wahr sein!
Kurzerhand suchte ich mir die Nummer heraus und rief mit dem Handy im Christopherus-Krankenhaus an, um zu erfahren, ob Clay sich noch dort aufhielt. Wir hatten ihn schwer verletzt, ganz bestimmt lag er noch in einem Krankenhausbett. Hoffentlich hatte er keine ernsthaften inneren Verletzungen davongetragen! Das Christopherus war das einzige Krankenhaus in dieser Gegend, es lag also auf der Hand, dass sie ihn Freitagnacht dorthin gebracht hatten.
Aber die Frau an der Auskunft versicherte mir, dass es im Christopherus keinen stationären Patienten diesen Namens gab. Besorgt legte ich auf. Was bedeutete das? Hatten sie Clay schon wieder entlassen, oder war er womöglich gar nicht ins Krankenhaus gefahren worden? Hatte er den Krankenwagen vielleicht gar nicht abgewartet, so wie ich es ihm nahegelegt hatte?
Plötzlich war ich sehr beunruhigt. Wenn Clay sich am Freitag irgendwie nach Hause geschleppt hatte, ohne von einem Arzt untersucht worden zu sein, dann befand er sich womöglich noch immer in großer Gefahr! Ich musste unbedingt zu ihm nach Hause fahren, um selbst nachzusehen, ob dieser Mann in Ordnung war! Der Gedanke, die vage Möglichkeit, dass Clay womöglich durch meine Schuld sterben könnte, ließ mir spätestens an diesem Punkt keine Ruhe mehr.
Merkwürdigerweise kam ich gar nicht auf die Idee, ihn einfach auf seinem Festnetzanschluss anzurufen, was viel einfacher gewesen wäre. Ich wollte ihm jetzt unbedingt persönlich gegenüberstehen. Ich musste mich bei ihm entschuldigen. Das alles war zu schlimm, als dass ich einfach so darüber hinwegsehen und zur Tagesordnung übergehen konnte. Ich musste Clay Banton persönlich sagen, wie leid mir das alles inzwischen tat. Meine ehrliche Entschuldigung und meine Sorge um ihn waren mir inzwischen ein so großes inneres Bedürfnis geworden, dass es keine anderen Gedanken mehr gab.
Ich kann nicht erklären, warum dieser fremde Mann, dieser Drogendealer mir auf einmal so wichtig wurde. Vielleicht ging es irgendwie um meine Selbstachtung. Ich hatte nach dieser großen Schuld, die ich zweifellos auf mich geladen hatte, Schwierigkeiten, mich länger im Spiegel anzusehen.
Abgesehen von der Entschuldigung musste ich ihm außerdem unbedingt sein Eigentum zurückgeben! Dass Ben ihm das teure Handy geklaut hatte, hatte mir von Anfang an überhaupt nicht gefallen. Wir waren keine Diebe, ganz sicher nicht! Ich musste also persönlich zu Clay und diese Sache irgendwie bereinigen! Aber - war das überhaupt noch möglich?
Kurzerhand suchte ich seine Adresse im Internet und gab sie zusammen mit seinen beiden Telefonnummern in mein Handy ein. Dann suchte ich konzentriert die passenden Busverbindungen heraus und gab Clays Adresse in mein Handy-Navi ein. Der blöde Bus fuhr sonntags nur alle zwei Stunden in die Nähe dieses Gewerbegebietes, in dem Clay wohnte! Das bedeutete noch eine gefühlt ellenlange Wartezeit für mich.
Während ich wartete, lief ich nervös in meinem Zimmer herum. An Lernen war sowieso nicht mehr zu denken. Stattdessen versuchte ich, mich irgendwie auf diese erneute Begegnung mit Herrn Banton vorzubereiten. Ich verdrängte erfolgreich die nahe liegende Befürchtung, das Clay womöglich gar nicht zu Hause war oder mich nicht anhören würde, und ich den weiten Weg ganz umsonst auf mich nahm. Die Idee, ihn vorher sicherheitshalber anzurufen, widerstrebte mir aber enorm. Ganz sicher würde er mich abwimmeln oder beschimpfen, und danach würde ich mich mit Sicherheit nicht mehr trauen, ihn einfach so zu besuchen. Denn dass Clay Banon unglaublich wütend auf mich war, das war mir mehr als sonnenklar.
Später steckte ich Clays Zippo und sein Smartphone ein, zog mich an, verließ mein Zimmer und machte mich kurzentschlossen auf den Weg. Es kostete mich einige Überwindung, allein mit dem Bus bis zu Bantons Haus zu fahren. Ich fürchtete seine riesige Wut und meine Unfähigkeit, ihm mein Anliegen richtig zu erklären. Ich konnte seine Reaktion auf mein unerwartetes Auftauchen nicht abschätzen, glaubte aber zu wissen, dass Clay mir nichts zuleide tun würde. Zumindest redete ich mir das immer wieder energisch ein.
Nach einer Himmelfahrt von anderthalb Stunden in einem leeren Bus und einem Fußmarsch von zwanzig Minuten stand ich endlich vor seinem Haus und registrierte erleichtert seinen schwarzen Sportwagen, der am Straßenrand parkte. Clay schien also zum Glück tatsächlich zu Hause zu sein. Spontan hoffte ich, dass er vielleicht doch nicht so schwer verletzt worden war, wie es in der Nacht zuvor den Anschein gehabt hatte.
Mit vor Aufregung rasendem Herzen lief ich die Steintreppen hinauf und klopfte an seine Tür, denn eine Klingel konnte ich nicht finden. Zuerst tat sich nichts, und ich musste echt lange gegen das Holz klopfen, ja nahezu hämmern.
Urplötzlich riss der Mann die Tür auf, sodass ich vor Schreck zusammenzuckte. Er starrte mich bewegungslos an und sagte gar nichts. Er trug eine graue Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt. Der Anblick seines verletzten Gesichtes ließ mich gefrieren. Alles in mir zog sich vor Schuldgefühl zusammen. Dort stand der selbe Mann, den ich noch vor wenigen Stunden allein gelassen hatte. Den ich schwer verletzt auf dem Boden zurückgelassen hatte. Ich wusste doch, wie verletzt er war, und doch entsetzten mich seine sichtbaren Wunden viel mehr, als ich geahnt hatte.
Aber bevor ich irgendwie reagieren konnte, schlug Clay die Tür auch schon mit einem lauten Knall zu. Ich war trotz meines Schocks erleichtert, ihn hier anzutreffen. Ich war erleichtert, dass er noch lebte, dass er relativ okay zu sein schien und nicht komatös in einem Krankenhausbett lag. Und ich war überhaupt nicht gekränkt wegen seines unhöflichen Benehmens. Er durfte sich benehmen, wie er wollte, solange er mich nicht schlug. Er hatte das Recht dazu, wütend zu sein, denn ich war hier die Schuldige!
Während meiner folgenden, recht langwierigen Überredungsarbeit mir zu öffnen, bei der ich gegen die geschlossene Tür sprach, wurde mir schnell klar, dass der Mann wahrhaftig viel mehr Angst vor mir hatte, als ich vor ihm, und das rührte mich total. Natürlich stritt er seine Furcht ab, um seine männliche Ehre zu verteidigen, aber seine große Panik war allein durch den Klang seiner Stimme unverkennbar.
Der erwachsene Mann war extrem nervös und unsicher. Er rechnete offenbar mit Schlägen, oder dass meine Freunde auftauchen würden, um erneut auf ihn los zu gehen. Ich konnte ihn nur mit großer Mühe davon überzeugen, dass ich ganz allein gekommen war, um mich bei ihm zu entschuldigen.
Nachdem ich mit einer Engelsgeduld auf ihn eingeredet hatte, öffnete er endlich nochmal seine Wohnungstür. Er blieb im Spalt stehen, sodass ich ihm sein Handy und sein Feuerzeug zurückgeben konnte. Ganz offensichtlich freute er sich sehr darüber, seine geklauten Sachen wieder zu haben, und seine merkbare Freude rührte mich schon wieder unwillkürlich tief in meinem Herzen.
Seine offen sichtbaren Verletzungen in seinem Gesicht, die Schwellungen, Kratzer, Hämatome und das blaue Auge schockierten mich mehr, als ich mir hätte vorstellen können. Die grausamen Spuren unseres Überfalls in der vorherigen Nacht waren definitiv viel schlimmer, als mir bewusst gewesen war. Ich brauchte enorm lange, um mit seinem Anblick fertig zu werden, während ich verkrampft versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Ja, wir hatten ihn definitiv schwer verletzt, aber offenbar auch wieder nicht so schwer, dass er im Krankenhaus hatte bleiben müssen. Offenbar waren seine Wunden professionell versorgt worden, denn seinen linken Oberarm zierte ein breiter, weißer Verband. Darüber war ich total erleichtert.
Ich konnte ihm sein Misstrauen und seine Vorsicht mir gegenüber nicht verdenken. Er war merkbar verwirrt und irritiert, aber letztendlich ließ er meine Entschuldigung tatsächlich gelten. Er bewegte sich von mir weg zu seinen Fenstern hin, schaute betont konzentriert hinaus und ließ dabei die Tür offen stehen, und das war anscheinend seine Version von einer Einladung.
Also trat ich nach einer Ewigkeit endlich aus dem kalten, ungemütlichen Hausflur in sein luxuriöses, warmes Wohnzimmer, und als er mein Eintreten registrierte, hatte er zu meinem Glück nichts mehr dagegen einzuwenden. Im Gegenteil, er schien sich sogar darüber zu freuen, denn er lächelte so bezaubernd, dass sein ganzes Gesicht strahlte.
Clay Banton konnte sich mein unerwartetes Erscheinen offenbar so gar nicht erklären. Deshalb suchte er nach dem einzigen Grund, der ihm dazu einfiel: Dass ich hierher gekommen war, um Heroin von ihm zu kaufen. Ich wollte ihn nicht noch mehr verwirren und ließ ihn deshalb in dem Glauben. Außerdem hatte ich gegen ein bisschen shore nichts einzuwenden.
Er verschwand in seinem Badezimmer, um das Heroin zu holen, und ich zog mir derweil den Mantel aus und setzte mich auf seine Couch. Hier hatte ich am Freitagabend schon einmal gesessen, und die unangenehme Erinnerung daran drängte sich mir automatisch auf. Ich muss gut aufpassen, dass sich dieses Drama nicht wiederholt, dachte ich bei mir und wurde ein bisschen nervös.
Irgendwie war diese ganze Begegnung mit Clay Banton merkwürdig unwirklich. Passierte das alles tatsächlich? Wie war ich hierher gekommen?
Ich fühlte mich jedoch zu keiner Zeit von ihm bedroht. Im Gegenteil, er war bewundernswert freundlich zu mir, was mich erstaunte und wofür ich ihm echt dankbar war. Und als er meine Entschuldigung tatsächlich annahm, fühlte ich mich unvermittelt wie erlöst. Es war ein Gefühl, als wäre eine zentnerschwere Last von meinen Schultern gefallen. Dieses Gefühl war echt unglaublich befreiend! Dass meine Rehabilitation im Endeffekt so leicht werden würde, damit hatte ich wirklich überhaupt nicht gerechnet.
Als Clay aus dem Bad zurückkam, rauchten wir in seinem Wohnzimmer gemeinsam Heroin, für das ich ihm zwanzig Euro gab. Zwar hatte ich mehr Geld dabei, wollte aber nicht noch mehr dafür ausgeben, denn dieser Kauf war ohnehin schon ungeplant. Ich war total überrascht, wie viel shore er mir für diese zwanzig Euro überließ. Das Anzünden von Chinesen machte mir einige Schwierigkeiten, denn ich war es nicht gewöhnt. Normalerweise machte ich mir nur etwa einmal im Monat einen Knaller. Beim Rauchen stellte ich mich wohl etwas ungeschickt an, aber irgendwie schaffte ich es, und die shore war echt gut.
Es war erstaunlich, wie viel spontane Sicherheit ihm das Ritual des Heroinrauchens gab. Dies war sichtbar eine Tätigkeit, mit der er sich endlich hervorragend auskannte, an der er sich mental festhalten konnte. Er wurde spürbar ruhiger. Seine Panik verflüchtigte sich merkbar zusammen mit dem Qualm, der in zunehmender Menge zur Zimmerdecke emporstieg.
Irgendwann war das pack leer, und wir saßen still und zufrieden nebeneinander auf der bequemen Couch. Wir genossen eine Weile die sanfte Wirkung der harten Droge. Dann schaute ich ihn behaglich an. „Und? Was hast du so gemacht, bevor ich aufgetaucht bin?" wollte ich neugierig von ihm wissen.
Ich merkte erstaunt, wie sehr dieser seltsame Mann mich auf einmal interessierte. Es berührte mich unerwartet tief, dass er so offensichtlich Angst vor mir hatte. Dass er mir so schnell verzeihen konnte. Und dass er nun so friedlich neben mir auf dem Sofa saß. Dass er die ganze Zeit kaum eine Spur von Wut auf mich erkennen ließ, was ich eigentlich gar nicht begreifen konnte. Er hatte doch das unbedingte Recht dazu, mega wütend auf mich zu sein!
Clay dagegen hatte die Augen halb geschlossen. Er hatte sich wohlig zurückgelehnt und war jetzt ganz ruhig. Ich beobachtete ihn gebannt. Tief in mir regte sich so etwas wie Zuneigung. Ich fühlte grenzenlose Dankbarkeit, dass er nicht wütend auf mich losging, obwohl er die ganze Zeit die Chance dazu hatte. Grund genug dafür hatte er zweifellos.
„Gezeichnet", antwortete er ganz leise, ohne mich anzusehen. Ich drehte mich interessiert zu ihm hin. „Was hast du gezeichnet?" „Skizzen", sagte er einsilbig und schloss seufzend die Augen. Eine Weile war es ganz still. Ich konnte hören, wie nebenan eine Waschmaschine anfing zu schleudern. Ich versuchte abzuschätzen, ob seine gelangweilte Reaktion aus Desinteresse oder Ablehnung bestand, oder ob er einfach nur zugeknallt war. „Was für Skizzen?" hakte ich vorsichtig nach und beobachtete ihn eingehend. Er lächelte amüsiert in sich hinein, was mich erstaunte und zugleich ermutigte.
Dann war es nochmal eine Weile still. Clay wirkte nicht so, als wollte er mir antworten. Seine Augen waren immer noch geschlossen. „Was sind das für Skizzen, die du gezeichnet hast?" fragte ich ihn schließlich noch einmal. Er blies die Luft aus, öffnete die Augen und drehte sich langsam zu mir hin. Er betrachtete mich einige Zeit abschätzend. „Warum interessiert dich das plötzlich?" wollte er von mir wissen. Der abwehrende Klang seiner Stimme verunsicherte mich. „Es interessiert mich einfach", erwiderte ich hilflos. Er lächelte, aber in seinem Lächeln steckte jetzt eine gehörige Portion Spott. „Ach, komm schon!" rief er geringschätzig, „Noch vor Kurzem wolltest du mir doch am liebsten jeden Finger einzeln brechen, nicht wahr?"
Er hielt mir anklagend seine hübschen Hände hin, die voller Schnittwunden waren. Ich betrachtete beunruhigt seine schlanken, langen Finger mit den sauber kurz geschnittenen Nägeln, an denen ich schwarze Flecken erkannte. Er hat wirklich gezeichnet, vermutete ich. „Und jetzt auf einmal interessiert es dich, was ich damit zeichne?" höhnte Clay laut. „Ich wollte dir nie die Finger brechen!" widersprach ich ihm erschrocken. Er lachte bitter auf. „Nur alles andere, was?" Er blinzelte mich spöttisch an. Seine dunklen Augen funkelten plötzlich angriffslustig. Mir fiel so schnell keine passende Antwort ein.
„Komm schon! Hör doch auf!" meinte er schließlich abwehrend und zog seine Hände zurück. Er griff stattdessen auf den Tisch nach einer Schachtel Marlboro. Nervös zündete er sich eine Zigarette an. „Du musst wirklich nicht nett zu mir sein", bemerkte er still, ohne mich anzusehen. Ich schaute ihn ratlos an und fühlte mich plötzlich unglaublich schuldig. „Es tut mir leid", versicherte ich ihm verzweifelt, „Clay, es tut mir ehrlich sehr leid, dass wir dir gestern Nacht so weh getan haben."
Hilflos rutschte ich ein Stückchen in seine Richtung. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, aber Clay schüttelte missbilligend den Kopf und drehte sich von mir weg. „Das hatten wir doch schon", seufzte er widerwillig. „Es ist aber die Wahrheit!" beharrte ich. Er stöhnte überfordert, rauchte tief und sah mich nicht an. Verschlossen starrte er von mir weg in die andere Richtung.
Es entstand eine neue Pause, die ich als sehr unangenehm empfand. Ich war jetzt extrem unglücklich. Obwohl das Heroin sehr gut war, mich innerlich wärmte und meine Empfindungen in Watte packte, so fühlte ich doch das wachsend dringende Bedürfnis, meine Schuld an diesem Mann zu begleichen. Ich konnte schon lange nicht mehr verstehen, warum ich gestern so dermaßen wütend auf ihn gewesen war. Warum ich ihm sogar Ben und seine Freunde auf den Hals gehetzt hatte. Wie er jetzt so neben mir auf seinem Sofa saß, wirkte er alles andere als gefährlich. Absolut nichts an ihm war auch nur annähernd aggressiv. Er wirkte höchstens verwirrt, hilflos und überfordert mit dieser Situation.
Ich streckte zögernd meine Hand aus und berührte ihn leicht an der Schulter. Er zuckte zusammen und drehte sich erschrocken zu mir um. Irritiert guckte er mich an. Mit meiner sanften Berührung hat er wahrhaftig nicht gerechnet, höchstens mit meinen brutalen Schlägen, wurde mir schuldbewusst klar. Ich zog meine Hand verunsichert wieder zurück.
Eine Weile sahen wir uns reglos an. „Du solltest jetzt gehen", erklärte Clay mir auf einmal und drückte seine Kippe in den Aschenbecher auf dem Tisch. „Nein, ich...", wehrte ich erschrocken ab. Ich konnte nicht gehen, bevor diese Sache zwischen uns nicht restlos geklärt war. Ich hatte das dringende Verlangen, mich mit ihm zu versöhnen, mein Unrecht irgendwie wieder gut zu machen. Außerdem kam der nächste Bus in frühestens anderthalb Stunden!
„Clay, ich möchte doch nur...", fing ich nochmal verzweifelt an und streckte spontan abermals meine Hand nach ihm aus, um ihm beruhigend über das angeschlagene Gesicht zu streicheln. Aber seine Augen weiteten sich sofort ängstlich. Er wich vor mir zurück ans andere Ende des Sofas. Ich rutschte hartnäckig zu ihm hin, also stand er hastig auf, um meiner Berührung zu entkommen. Er flüchtete erneut vor mir in die Ecke des Zimmers. Dort drehte er sich um und taxierte mich ungläubig. Ich saß immer noch auf dem Sofa und beobachtete ihn verwundert. Clay versuchte offenbar erfolglos, diese Situation zu erfassen. Meine hilflosen Ambitionen ihn anzufassen verwirrten und beunruhigten ihn sichtbar ganz erheblich.
„Ich versteh dich nicht!" rief er plötzlich anklagend aus. „Warum bist du hierhergekommen?" verlangte er entgeistert nach einer Erklärung. Ich lächelte, gerührt über seine Angst und Verwirrung, die nun beinahe greifbar waren. „Ich möchte mich ehrlich bei dir entschuldigen, Clay!" versicherte ich ihm eindringlich. Er schüttelte genervt den Kopf. „Das hast du ja jetzt wohl zur Genüge getan, oder?!"
Ich stand auf und wollte zu ihm hingehen. Aber er wirkte sofort so dermaßen alarmiert, dass ich mich vorsichtshalber wieder hinsetzte. Anscheinend brauchte er diesen räumlichen Abstand zwischen uns, um sich überhaupt mit mir auseinandersetzen zu können. Ich hatte noch nie einen Mann in seinem Alter erlebt, der sich mir so eindeutig unterlegen fühlte. Der seine Angst vor mir so wenig verbergen konnte. Eine Weile war ich ganz hingerissen von dieser unerwarteten Erkenntnis, dass ich Clay Banton haushoch überlegen war.
„Oder...?" hakte er nach einer Weile irritiert nach und betrachtete mich lauernd. In seinem Kopf ratterte es fast hörbar. „Oder schwebt dir noch eine andere Entschuldigung vor?" fragte er mich verunsichert. Ich brauchte nur eine halbe Minute, um zu begreifen, worauf er anspielte. Er sah mich derweil sehr aufmerksam an, als wäre er auf jede Reaktion von mir gefasst.
Als mir sein Anliegen dämmerte, war ich völlig überrumpelt davon, dass er tatsächlich meine harmlosen Versuche, ihn zu berühren, auf diese Weise gedeutet hatte. „Du meinst, ob ich mit dir schlafen will?" entfuhr es mir fassungslos. Er duckte sich förmlich und schüttelte hastig abwehrend den Kopf. „Nein... ich mein gar nichts...", versicherte er mir nervös. Aufgeregt schaute er sich im Zimmer um. Sein flatternder Blick wanderte zur Wohnungstür. Ich bekam den Eindruck, er überlegte ernsthaft vor mir davonzulaufen. Dieser Mann ist so voller Angst und Selbstzweifel, wurde mir klar, und irgendwie rührte mich diese Tatsache ganz außerordentlich.
„Clay! Beruhige dich doch!" rief ich spontan, „Es ist doch nichts passiert!" Er blies spöttisch die Luft aus. „Du hast mich fast zu Tode geprügelt!" warf er mir heftig vor. Ich betrachtete ihn traurig. Seine wahren Worte schmerzten unerwartet stark. Er hätte diese Worte offenbar am liebsten sofort wieder zurückgenommen. Aber jetzt standen sie eine Weile schwer im Raum.
„Es tut mir so unendlich leid", flüsterte ich schließlich. Clay stand hilflos dort, atmete tief und versuchte sich zu beruhigen. „Schon gut", seufzte er leise, „Ist schon gut, ich..." Er brach ab und sah mich verwirrt an. „Verzeihst du mir?" fragte ich ihn noch einmal. Er stöhnte auf, blickte erneut nervös zur Tür und murmelte: „Weißt du, ich dachte, das hätten wir inzwischen geklärt." „Ich fühle mich sehr schuldig!" versuchte ich ihm zu erklären. Er lachte verbittert auf und betrachtete mich zum ersten Mal mit so etwas wie erwachtem Interesse. „Es ehrt dich, dass du ein schlechtes Gewissen hast", lächelte er.
In diesem Moment fand ich ihn plötzlich nahezu begehrenswert hübsch. Dieses unerwartete Gefühl irritierte mich total. Clay hustete nervös und deutete auffordernd zur Tür. „Du solltest jetzt wirklich gehen!" drängte er mich. „Nein, ich...", versuchte ich zu protestieren. Aber er unterbrach mich sofort. „Ich habe keine Zeit für stundenlange Entschuldigungen!" sagte er ziemlich schroff. Der verführerische Zauber, der ihn noch vor einem Moment umgeben hatte, war mit einem Schlag verflogen. Auf einmal sah der Mann nur noch genervt aus.
Plötzlich hatte er es eilig. „Ich möchte, dass du jetzt gehst!" wiederholte er drängend und deutete weiter zur Tür. Auffordernd taxierte er mich. Ich fühlte mich, wie vor den Kopf geschlagen. Er wird mir niemals verzeihen, wurde mir mit einem Schlag bewusst. Er wirft mich aus seiner Wohnung, weil er mir nicht verzeihen kann. Diese Schuld wird für immer und ewig auf mir lasten, hämmerte es unwillkürlich in meinem Kopf. Ich saß auf seinem Sofa und rührte mich nicht. Ich war nicht dazu fähig, mich zu bewegen. Mein großes Verlangen nach Vergebung erlaubte es mir nicht.
Als ihm klar wurde, dass ich nicht die Absicht hatte zu gehen, stöhnte er ungeduldig auf, sagte aber nichts mehr. Er stand nur ratlos dort und wich meinem Blick aus, indem er den Boden fixierte. Es wurde erneut ziemlich belastend still in diesem teuren Wohnzimmer. Nebenan schleuderte die Waschmaschine zum zweiten Mal.
„Ich verstehe nicht, was du eigentlich von mir willst", unterbrach Clay nach einiger Zeit die unangenehme Ruhe. Dann sah er mich entschlossen an. „Und ich glaube, das weißt du selber auch nicht so genau", warf er mir spöttisch vor. Ich dachte darüber nach und bekam das unangenehme Gefühl, durchschaut worden zu sein. „Das stimmt wohl", gab ich kleinlaut zu. Clay betrachtete mich interessiert. Er war jetzt offensichtlich amüsiert, was mich sogleich erleichterte.
„Ja... und...?" grinste er, „Was willst du nun tun, Kim-ber-ly?" Zum ersten Mal überhaupt sprach er mich mit meinem Namen an, den er sogar extra deutlich betonte. Und obwohl der Name, den er nannte, eigentlich falsch war, fühlte ich mich spontan enorm geschmeichelt. Weil dieser Mann meinen Namen überhaupt noch wusste, weil er ihn trotz der widrigen Umstände gestern Nacht wahrhaftig behalten hatte. „Ähm - das ist nicht mein Name", erklärte ich ihm vorsichtig. Seine Augen verengten sich, er war verwirrt. „Was?!" „Ich heiße nicht Kimberly. Nur Kim allein reicht", erläuterte ich und musste auf einmal vor Nervosität lachen.
Clay belauerte mich aufmerksam. Dann machte er einen Schritt auf mich zu. „Was willst du nun tun, Kim-ber-ly?" flüsterte er beinahe, als hätte er meinen Hinweis gar nicht gehört, und näherte sich mir zögernd. Ich kicherte nervös und beobachtete gebannt, wie er sich dem Sofa näherte. Betont langsam blieb er am Rand des Tisches stehen. Er fixierte mich jetzt intensiv und ich hatte den Eindruck, als würde er auf einmal mit mir flirten. Verunsichert musste ich den Blick abwenden. „Ich möchte, dass du mir verzeihst", bat ich ihn noch einmal mit rauer Stimme. „Ich verzeihe dir", erwiderte er sofort.
Prüfend schaute ich ihn an. Seine Antwort war entschieden zu schnell gekommen, und doch hatte ich den Eindruck, als meinte er es wirklich ernst. Obwohl ich ihn dermaßen verletzt hatte und die Spuren meiner brutalen Rache ihm eindeutig ins Gesicht geprügelt worden waren, und mit Sicherheit nicht nur ins Gesicht, verzieh er mir. Er war blau und grün geschlagen und mit Messern geschnitten worden, und doch war er dazu fähig, mir einfach so zu verzeihen.
Diese unerwartete Erkenntnis schlug bei mir ein, wie eine Bombe. Ich saß wie angewurzelt auf seinem Sofa und studierte ihn besorgt. Ich fragte mich erschüttert, wie schlimm wir diesen Mann wohl in Wahrheit verletzt hatten. Neben den sichtbaren körperlichen Schäden hatten wir ihm sicherlich auch tiefe seelische Wunden zugefügt, ging es mir strafend durch den Kopf. Wir hatten ihn gestern Nacht dermaßen brutal verprügelt und grausam gedemütigt. Aber er zeigte mir gegenüber trotzdem keinerlei Feindseligkeit.
Mir wurde völlig schleierhaft, warum ich noch vor so kurzer Zeit fest davon überzeugt gewesen war, dass dieser Mann diese barbarische Strafe verdient hatte. Ich versuchte verbissen mich daran zu erinnern, was er mit mir gemacht hatte, was mich so kopflos zornig werden ließ. Obwohl ich mich ganz genau an seinen sexuell motivierten Angriff erinnerte, erschien mir seine Schuld nicht halb so schlimm zu sein, wie meine eigene. Das geht nicht, merkte ich verzweifelt, das kann ich so nicht stehenlassen. Dieser Mann muss unbedingt begreifen, wie leid mir die ganze Sache tut!
„Ich werde einfach nicht schlau aus dir, Kim-ber-ly", flüsterte Clay plötzlich machtlos. Er ignorierte meinen Namens-Hinweis, und ich merkte, das mir das merkwürdigerweise sehr gefiel. In seinem Blick lag auf einmal echtes Interesse oder vielleicht auch nur Neugier. Erfreut darüber klopfte ich neben mich auf das Sofa. „Komm doch her, Clay. Lass uns ein bisschen reden, ja?" schlug ich hoffnungsvoll vor. „Erklärst du mir, was du hier eigentlich machst?" erwiderte er grinsend. Ich nickte eifrig. „Na klar, ich erkläre dir alles, was du von mir wissen willst, versprochen!"
Clay Banton zögerte nur kurz. Vielleicht wog er seine Möglichkeiten und die Konsequenzen seines Handelns ab, vielleicht musste er auch nur seine Angst vor mir überwinden. Endlich kam er langsam zurück zum Sofa und setzte sich. Er war auffallend darum bemüht, zwischen uns einen großen Abstand zu wahren. Ich beschloss, mich ihm vorläufig nicht mehr körperlich zu nähern.
Ich war jetzt voller Zuneigung für diesem Mann, was ich einfach nicht einordnen, geschweige denn verstehen konnte. Noch vor kurzer Zeit hatte ich ihn mit ganzer Seele gehasst. Nun wollte ich ihn nur noch trösten. Er wirkte auf mich so ängstlich, so verletzt. Und er war trotz der merkbaren Trägheit durch seinen Heroinkonsum ständig wachsam. Es war nicht zu übersehen, dass er Schwierigkeiten damit hatte, mir zu trauen, was ich ihm nicht übel nehmen konnte.
Clay betrachtete mich einige Zeit aufmerksam. „Warum hast du das bloß gemacht?" fuhr es dann plötzlich heftig aus ihm heraus. Ich war darüber so überrascht, dass mir spontan ein „Was denn?" herausrutschte. Clay blies geringschätzig die Luft aus. „Du hast mir deine verdammten Freunde auf den Hals gehetzt! Du hast mich in der Nacht in eine Scheiß Falle gelockt! Warum zum Teufel hast du das getan?!" warf er mir verbittert laut vor.
Seine Anklage war zweifellos berechtigt. Ich war froh darüber, dass seine Worte so wenig aggressiv klangen, nur verzweifelt, verwirrt und verletzt. „Es tut mir leid!" erwiderte ich automatisch, aber Clay verdrehte genervt die Augen. „Inzwischen weiß ich, dass es dir leid tut! Ich möchte wissen, warum du es getan hast!" drängte er auf eine Erklärung. Ich konnte ihm so schnell keine Antwort geben. Ich wusste in diesem Moment keine Antwort, denn sein offen emotionaler Ausbruch und seine Anklage schüchterten mich ein.
Als er merkte, dass von mir so schnell keine Erklärung kommen würde, redete Clay einfach weiter: „Ich habe dich angegriffen, und du hast mich dafür echt schmerzhaft in die Weichteile getreten, und ich dachte, damit wäre ich genug bestraft", erzählte er mir aufgewühlt, „Aber du hast es für nötig gehalten mich verprügeln zu lassen, und vorher hast du auch noch meinen Auftritt im Theater kaputtgemacht. War das nicht vielleicht ein bisschen zu viel des Guten?!" Er schnappte aufgeregt nach Luft und wich konfus meinem Blick aus. „Ihr hättet auf keinen Fall ins Theater kommen dürfen", warf er mir bitter vor, „Das war doch eine Sache nur zwischen uns beiden, Kim-ber-ly!"
Clay starrte nun an die gegenüberliegende Wand, offenbar ohne wirklich etwas zu sehen. Er schien von seinem eigenen emotionalen Ausbruch überrascht worden zu sein. Ich beobachtete ihn traurig und fühlte mich so schuldig, dass ich es kaum ertragen konnte. Die Steine im Theater waren für ihn tatsächlich schlimmer als die Prügel, registrierte ich erschüttert und konnte es kaum glauben. Er hat recht damit, dass diese Sache zwischen uns beiden hätte bleiben müssen, warf ich mir deprimiert vor.
Ich hatte seinen berechtigten Anklagen nichts entgegenzusetzen, trotzdem versuchte ich es. „Du hast mich gegen meinen Willen angefasst und hier festgehalten", probierte ich eine Erklärung, die er mit einem verzweifelten Schnaufen quittierte. „Ich habe sehr große Angst vor dir gehabt, Clay!" hielt ich ihm wahrheitsgemäß vor. Er drehte sich erstaunt zu mir hin und schaute mich interessiert an. „Und jetzt hast du keine Angst mehr vor mir?" wollte er irritiert von mir wissen. Ich schüttelte den Kopf. Er lachte spöttisch auf. „Warum nicht? Was ist denn heute anders als gestern? Warum glaubst du, dass ich dir heute nicht wieder an die Wäsche gehen werde?" fragte er mich leicht herausfordernd.
Der Mann schaute mich neugierig an und verstand es wirklich nicht. Für ihn hatte sich seit gestern tatsächlich nichts geändert. „Ich weiß es einfach", erwiderte ich betrübt. Clay blies höhnisch die Luft aus. Er griff aufgewühlt nach den Zigaretten und zündete sich mit nervösen Fingern eine an. Dann rauchte er tief und sah mich wieder an. „Weißt du was? Du hast Recht! Ich werde dich nicht anfassen, nie wieder!" stellte er trotzig in den Raum. Ich glaubte ihm auf Anhieb. Er würde mir nicht mehr zu nahe kommen, weil er jetzt Angst vor meiner Rache hatte. Wahrscheinlich hatte er noch größere Angst vor Bens Rache. Ich fragte mich plötzlich erschrocken, ob Clay Banton mich nicht im Innern total verabscheute. Diesen Gedanken fand ich aus irgendeinem Grund unerträglich.
„Bist du mir sehr böse?" wagte ich mich leise vor. Er lachte schon wieder und schloss dann die Augen. „Was für eine Frage!" seufzte er müde. „Es tut mir so unendlich leid, Clay!" wollte ich ihm versichern, aber er schüttelte genervt den Kopf und hob abwehrend die Hände. „Hör auf damit, um Himmels Willen!" verlangte er ungeduldig. „Aber ich meine es doch ehrlich!" erwiderte ich verzweifelt.
Er atmete tief ein und drehte sich dann entschlossen zu mir hin. Er musterte mich eine Weile eindringlich. In seinen braun-grünen Augen lag all sein Schmerz unverhüllt, sodass sein Blick mir beinahe das Herz zerriss. Er suchte lange nach den richtigen Worten. „Hör zu...", seufzte er endlich, „Ich glaube dir, dass es dir leid tut. Du musst mir das nicht immer wieder versichern, okay?!" „Und lässt du meine Entschuldigung auch gelten?" fragte ich ihn hartnäckig. Er lächelte traurig. „Ich habe dir doch schon verziehen. Das kannst du mir ruhig glauben. Was hätte ich denn auch davon, wenn ich es nicht täte?" flüsterte er hilflos und zog gierig an seiner Zigarette.
Seine Worte waren so schwerwiegend, wie ich es ihm nie zugetraut hätte, und ich musste lange darüber nachdenken. Ich fand ihn plötzlich unglaublich klug, er strahlte eine innere Ausgeglichenheit und Stärke aus, die mich unwillkürlich in ihren Bann zog. Dieser Mann war in keinster Weise nachtragend. Er hatte verstanden, wahrhaftig verstanden, dass Gelüste nach Rache nur belastend und so gut wie nie befriedigend waren. So etwas hatte ich noch nie erlebt und es überwältigte mich vollkommen.
Wir schauten uns noch eine Weile an. Ich versuchte, in meinen Blick so intensiv wie möglich all meine Reue zu legen. Ich bat ihn stumm um Verzeihung, bis Clay meinem Blick unbehaglich auswich. „Es ist schon gut, Kim-ber-ly. Es ist ja jetzt vorbei, oder?" fragte er ganz leise. „Ja", versicherte ich ihm, „Jetzt ist es vorbei."
Und das glaubte ich in diesem Moment wirklich. Ich verdrängte jeden Gedanken daran, wie Ben wohl reagieren würde, wenn er wüsste, dass ich zu dem „perversen Wichser" gegangen war, um mich persönlich bei ihm zu entschuldigen und ihm sogar seine Sachen zurückzugeben. Dass ich an diesem Nachmittag auf seinem Sofa neben dem „ gefährlichen Psychopathen" saß, als wäre gar nichts passiert. Ich unterhielt mich demütig mit dem selben Mann, der mich noch vor wenigen Stunden vergewaltigen wollte. Ich bat ihn sogar um Verzeihung, ja, ich kroch regelrecht zu Kreuze!
Ben würde ausklinken, wenn er von dieser Situation wüsste, ganz ohne Frage. Ben würde die Welt nicht mehr verstehen. Ben würde ohne zu zögern wieder brutal auf Clay einschlagen, ihn treten und mit seinem Messer traktieren. Höchstwahrscheinlich wäre Ben heute noch um ein Vielfaches wütender als gestern. Denn heute wäre Ben mit Sicherheit zusätzlich zu seiner Wut auch noch total eifersüchtig auf Clay, weil ich ihm überhaupt so viel Aufmerksamkeit schenkte. Und vielleicht wäre Bens Eifersucht auch gar nicht so grundlos.
Aber ich verbot mir jeden Gedanken an meinen Freund. Ich war mir plötzlich nicht einmal mehr sicher, ob ich Ben nach der grausamen Gewaltorgie der gestrigen Nacht noch genauso liebte, wie ich es vorher getan hatte. Ich wollte ganz einfach nicht über Ben nachdenken.
Sean
Schon lange vor meiner Geburt war mein Leben vorherbestimmt, meine berufliche Laufbahn exakt festgelegt. Als stolzer Besitzer einer führenden Firma für Baumaschinen war mein Vater ehrenhalber dazu verpflichtet, einen Erben zu fabrizieren. Denn die Leitung der Firma, die sein Großvater mit so viel Ehrgeiz und Herzblut gegründet und aufgebaut hatte, musste selbstverständlich innerhalb der Familie bleiben.
Zehn Jahre lang versuchten meine Eltern erfolglos, ihrer auferlegten Pflicht nachzukommen. Als ich dann endlich geboren wurde, feierten sie vor Freude ein riesiges Fest, zu dem sämtliche Vertreter der höchsten Kreise des Landes eingeladen wurden. Auf meinem ersten Geburtstagsfest wurde ich pausenlos stolz herumgezeigt, und die Presse veröffentlichte unzählige Fotos und seitenlange Berichte über meine Ankunft. Der damalige Herr Oberbürgermeister und die Frau Oberstaatsanwältin wurden mit strahlenden Gesichtern meine Paten. In dieser Nacht gab es mir zu Ehren auf dem Grundstück meiner Eltern ein riesiges Feuerwerk zu bestaunen.
Obwohl ich die erste Party meines Lebens nur aus Zeitungsausschnitten und von Berichten meiner Eltern kannte, musste ich seltsamerweise die ganze Zeit daran denken, während ich mit Jill Bennet in meinem Wohnzimmer saß. Clay war nicht mehr da, und das machte mir enorm zu schaffen. Die dicke Jill ging mir zunehmend auf die Nerven. Es stellte sich heraus, dass sie noch kein einziges Wort über mich geschrieben hatte. Stattdessen hatte sie einen ellenlangen Blog über Clay veröffentlicht, den sie mir auf ihrem Laptop zeigte, und den ich entschieden zu persönlich fand. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Clay mit der Veröffentlichung dieser sensiblen Tatsachen und Fotos einverstanden war, aber sie versicherte mir das entschieden. Höchstwahrscheinlich hatte sie ihn aber gar nicht vorher gefragt.
Jill flirtete immer offensichtlicher mit mir, sodass ich schließlich Marc und Vincent zu Hilfe rief, die sich prächtig darüber amüsierten. Sie waren aber auch scharf auf einen Bericht über sich in der nächsten Kult oder in Bennet's Blog, sodass ich die drei kurze Zeit später guten Gewissens allein lassen konnte. Ich verabschiedete mich mit dem Hinweis, noch einen wichtigen Termin zu haben, ohne näher darauf einzugehen. Marcs fragenden, nervig besorgten Blick übersah ich geflissentlich, denn ich wusste plötzlich ganz genau, was zu tun war.
Ich ging in mein Zimmer, nahm meine Sachen, zog meine Jacke und Schuhe an und verließ das Haus. Draußen hob ich mein Fahrrad auf, was noch im Vorgarten auf dem Rasen lag, und schob es über den Steinweg in die Garage. Ich parkte das Rad auf seinem Platz, öffnete meinen Jeep und stieg ein. Der Jeep sprang mit einem wunderbaren Geräusch an.
Langsam verließ ich mein Grundstück und schlug den Weg zu meinem Ziel ein. Diesen Weg kannte ich blind, denn ich war ihn schon unzählige Male gefahren. Auf halber Strecke hielt ich am Straßenrand an und holte mein Handy heraus, um eine SMS zu schreiben: Bist du zu Hause? Die Antwort kam nur eine Minute später: Für dich doch immer. Dieser Satz wärmte mir das Herz, und ich saß fünf Minuten still im Auto und lächelte vor mich hin.
Sehr kurz nach meiner allerersten Geburtstagsparty begann meine Ausbildung mit dem zwingenden und einzigen Ziel, aus mir den allerbesten Doktor der Ingenieurwissenschaften zu machen, den die Welt je gesehen hatte. Für dieses Ziel scheuten meine Eltern keine Kosten und Mühen. Ich bekam die qualifiziertesten Erzieher/innen und später die am höchsten dotierten Privatlehrer/innen. Ständig hatten meine Eltern Angst, dass ich krank oder entführt werden könnte, sodass unentwegt studierte Ärzte und gut ausgebildete Bodyguards um mich herum waren.
Alle paar Jahre gab es offizielle Pressetermine, bei denen dem Landkreis meine Fortschritte präsentiert wurden. Von dem normalen Leben wurde ich weitestgehend ferngehalten, denn ich war auserwählt, der zukünftige Erbe einer großen Firma für Baumaschinen. Und obwohl ständig Menschen um mich herum waren, hatte ich während meiner gesamten Kindheit doch nicht einen einzigen Freund. Mit den Kindern der wohlhabenden Bekannten meiner Eltern, die uns ab und zu besuchten, oder zu denen wir eingeladen wurden, konnte ich nie viel anfangen. Sie erschienen mir alle von der ersten Begegnung an wie entsetzlich arrogante, kleine Erwachsene, die schon im Kinderzimmer damit prahlten, wie viel Geld ihre Familie hatte.
Ich war zwölf Jahre alt, als ein großer Wunsch meines Vaters in Erfüllung ging. Schon seit Jahren hatte er heimlich darauf hingearbeitet und bestimmt seine Kontakte spielen lassen. Endlich wurden wir auf einem Fest dem Oberhaupt der Familie vorgestellt, die mit Abstand die reichste in unserer Gegend war und dessen Vorfahren unsere Stadt gegründet hatten. Ich war inzwischen an Feste dieser Art gewöhnt, und sie langweilten mich immer.
Ich stand herausgeputzt mit meinen Eltern dort, machte einen Diener und lächelte brav und höflich, genau wie ich es gelernt hatte. „Und hier ist mein ältester Sohn Louis!" sagte dieser fremde und einnehmend freundliche Herr zu uns, und Louis trat zum ersten Mal in mein Blickfeld. Er war vier Jahre älter als ich und genauso gut erzogen worden. Auch er war enorm fein und teuer gekleidet, machte seinen Diener und lächelte selbstbewusst.
Als sein Vater bemerkte, er sollte sich doch ein wenig um mich kümmern, da nickte er fröhlich und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Ich war verwirrt, denn Louis brachte vom ersten Augenblick an mein Herz zum klopfen, wie ich es vorher noch nie erlebt hatte.
Auf diesem Fest nahm Louis mich mit in den riesigen Garten, wo ich hinter einer Hecke gemeinsam mit ihm meine allererste Zigarette rauchte. Und dann stellte Louis mir eine Frage, die mich vollkommen aus der Fassung brachte: „Was willst du denn mal werden, wenn du erwachsen bist?" Vollkommen verblüfft habe ich ihn angestarrt, bis er aus dem Lachen nicht mehr herauskam. Noch nie in meinem Leben hatte mir jemand diese Frage gestellt, denn es war einfach selbstverständlich, was ich mal werden würde. Darüber gab es nie eine Diskussion und ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dagegen zu rebellieren. Ich würde natürlich die Firma meines Vaters übernehmen, und dafür musste ich alles lernen, was mit der Entwicklung, dem Bau und dem Vertrieb von Baumaschinen zusammenhing. Louis hörte mir sehr genau zu, studierte mich förmlich, und dann fragte er: „Würde dir das denn Spaß machen?"
Als ich an dem schmiedeeisernen Tor vorfuhr, musste ich nur einmal aus dem Seitenfenster in die Kamera winken, und schon öffnete sich das Tor, wie von Geisterhand. Louis hatte also schon mit dem Finger auf dem Öffner auf mich gewartet. Ich fuhr die ellenlange Einfahrt durch die Allee, und die kahlen Bäume rechts und links wirkten überhaupt nicht deprimierend auf mich. Im Gegenteil, ich war voller Vorfreude auf diese Begegnung, obwohl mein Anliegen mir auch einiges an Nervosität verursachte.
Ich parkte den Jeep auf dem großen Vorplatz und überschritt die hölzerne Zugbrücke, die zu dem wunderschönen Wasserschloss führte, das unserer Stadt ihren Namen gegeben hatte. Ich winkte noch in drei Kameras, bevor ich die Freitreppe hinaufstieg und an dem riesigen Portal ankam, das sich gleich bei meiner Ankunft öffnete.
Als ich in die große Vorhalle trat, kam Louis gerade die barocke Treppe hinunter auf mich zu. Er lächelt noch genauso selbstbewusst wie damals, dachte ich bei mir, während ich die Hand zum Gruß hob. Louis kam zu mir und begrüßte mich mit zwei flüchtigen Küssen auf meine Wangen, wie es unter Bohemians wie ihm üblich war.
Dann betrachtete er mich prüfend von oben bis unten. „Dir geht's nicht gut", stellte er gleich darauf fest. „Wie kommst du darauf?" fragte ich ihn verblüfft und ärgerte mich, dass ich immer noch nichts vor ihm verbergen konnte, obwohl ich mir so große Mühe gegeben hatte, glücklich zu erscheinen. „Ich sehe es dir an!" behauptete Louis grinsend und umarmte mich tröstend. Ich erwiderte die Umarmung nicht und machte mich recht schnell wieder von ihm los.
„Ich will mit dir reden...", begann ich ziemlich lahm, aber Louis schüttelte den Kopf und strich mir mit breiten Fingern durch die Haare. „Nein, Sean, jetzt gehen wir erst einmal hinauf in mein Musikzimmer", entschied er, packte mich am Arm und zog mich mit sich die Treppe hinauf. Ich hatte überhaupt nichts dagegen, mich einfach seinem Willen zu beugen, mich vertrauensvoll in seine Hände zu begeben. Es fühlte sich gut an, für eine kurze Zeit jede Entscheidungslast abzugeben.
Wir mussten einen langen Weg durch das Schloss zurücklegen, bis wir an seinem Musikzimmer angelangt waren. Wir schritten durch lange, wunderschön geschmückte Gänge, an Rüstungen und antiken Waffen vorbei und durch die ellenlange Ahnengalerie, die mich schon immer tief beeindruckt hatte. Louis Frédéric von Ravenhorst konnte seine Vorfahren bis weit ins Mittelalter hinein nachverfolgen, und anscheinend war seine Familie schon immer adelig gewesen. Anders als meine hatten seine Eltern auch keine Schwierigkeiten damit gehabt, jede Menge kleiner Adeliger zu produzieren.
Während wir durch die Flure liefen, kamen wir an mindestens fünf Bediensteten vorbei, die offenbar mit dem Putzen des Schlosses beschäftigt waren, und die Louis komplett ignorierte. „Ich bin zur Zeit ganz alleine hier", erzählte er mir in diesem Moment, und ich musste beinahe darüber lachen. „Die Anderen sind noch in unserer Winterresidenz in Süditalien. Sie kommen erst Anfang Mai wieder zurück", berichtete er gut gelaunt, denn ein sturmfreies Schloss war so recht nach seinem Geschmack.
Endlich öffnete er die Tür zum Musikzimmer, in dem seine Familie ihre sämtlichen, sehr wertvollen Instrumente aufbewahrte. Louis schob mich in den Raum, den ich auch früher schon sehr gemocht hatte. Er hatte große Fenster, beruhigende Farben und strahlte für mich Kreativität, Wärme und Geborgenheit aus.
Louis deutete auf den wunderschönen, glänzend schwarzen Flügel in der Mitte des Zimmers. „Los, setz dich hin! Spiel etwas für mich!" forderte er mich auf, und es hörte sich eindeutig wie ein Befehl an. Also ging ich zum Flügel, setzte mich zögernd auf die gepolsterte Bank und klappte den Deckel der Klaviatur auf. Louis ließ sich auf den großen, barocken Ohrensessel fallen, während er mich die ganze Zeit eingehend beobachtete.
Ich saß vor dem Instrument und es fühlte sich an, als hätte ich einen Knoten in meiner Brust und Blei in meinen Fingern. „Was soll ich spielen?" fragte ich ihn schließlich ratlos. „Spiel was du willst, Sean Valmont!" antwortete er leichthin. Als ich ihm einen unglücklichen Blick zuwarf, lächelte er aufmunternd und deutete auffordernd mit dem Kinn auf den Flügel.
Der Anfang fiel mir schwer, ich klimperte ein wenig hilflos auf der Tastatur herum, aber mit der Zeit wurde daraus automatisch Frédéric Chopin, und dann Wolfgang Amadeus Mozart und später Ludwig van Beethoven. Je länger ich spielte, umso sicherer fühlte ich mich, bis ich langsam alles um mich herum vergaß. Das Spielen fühlte sich an, als würde ich eine Last loswerden, als könnte ich durch das Hämmern meiner Finger auf die einzelnen Tasten, durch das Treten meiner Füße auf die Pedalen meinen Frust und meine Traurigkeit loswerden. Die wundervolle Musik nahm meine deprimierenden Gefühle mit sich in die Luft, und mit jedem Klang lösten sie sich vollständiger auf.
Irgendwann fühlte ich mich befreit genug, um mit dem Spielen aufzuhören. Als der letzte Ton verklungen war, schaute ich irritiert zu Louis hin, der laut klatschte. Er hatte sich die ganze Zeit so still verhalten, dass ich seine Anwesenheit komplett ausgeblendet hatte.
„Fühlst du dich jetzt besser?" wollte er grinsend wissen. „Ja", musste ich erstaunt zugeben. „Das Klavierspielen ist viel gesünder als Heroin zu nehmen, aber es wirkt fast genauso gut, nicht wahr?" bemerkte Louis amüsiert. Maßlos entsetzt starrte ich ihn an. Wusste er etwa von meinem gestrigen Absturz? Wusste er, dass ich wider besseres Wissen Heroin genommen hatte? Und wenn ja, woher denn bloß? Wussten noch mehr Menschen davon?
Louis schaute mich an und lachte lauthals. „Reg dich ab, Sean, ich weiß gar nichts! Ich vermute doch bloß!" beruhigte er mich kichernd. Ich blies unwillkürlich erleichtert Luft aus. „Aber jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass ich richtig liege", setzte er ernster hinzu und betrachtete mich ausführlich. „Du kannst dich so schlecht verstellen, Sean. Es ist ein echtes Wunder, dass du ausgerechnet Schauspieler geworden bist!" grinste er. Ich war froh und dankbar darüber, dass seine Worte so wenig vorwurfsvoll klangen. Aber das hat er ja eigentlich nie getan, mir Vorwürfe gemacht, erinnerte ich mich lächelnd.
„Was hat er diesmal zerstört?" fragte Louis mich unvermittelt. Abrupt dachte ich an Clay und alles zog sich in mir zusammen. Ich schloss die Augen und atmete zweimal tief durch. Es wunderte mich überhaupt nicht, dass Louis den Grund meines Besuchs wusste, denn in der letzten Zeit hatte ich niemals einen anderen Grund dafür gehabt, ihn aufzusuchen.
„Hast du noch nichts von unserem Samstagabendauftritt gehört?" erkundigte ich mich leise. Louis antwortete nicht, deshalb guckte ich zu ihm hin. Er hatte sich aufgesetzt und betrachtete mich abschätzend. Nun schüttelte er den Kopf. „Ich meide diese scheiß sozialen Netzwerke. Die sind total asozial", bemerkte er trocken. „Warum findest du das?" fragte ich ihn erstaunt. Er grinste böse. „Weil jeder alles behaupten kann und niemand sieht dem anderen ins Gesicht dabei", erklärte er abfällig. Ich nickte langsam, denn zweifellos hatte er recht.
„Clay wurde gestern auf der Bühne mit Steinen beworfen. Er war sofort bewusstlos. Wir mussten die Vorstellung abbrechen", berichtete ich Louis. Er zog hörbar die Luft ein. „Warum haben die das getan?" fragte er ruhig. „Weil Clay Banton eine Frau vergewaltigen wollte", sagte ich hart und fixierte Louis mit aufkommender Wut, „Weil er sich nie beherrschen kann! Weil er ein verfluchter Arsch ist!" Louis grinste und schüttelte den Kopf. „Aber trotzdem möchtest du ihm nochmal helfen", stellte er nüchtern in den Raum.
Eine Weile war es still, während wir uns nur ansahen. „Ja", gab ich zu. „Ich kann einfach nicht anders", versuchte ich eine Erklärung, aber Louis winkte ab. „Keine Rechtfertigungen, Sean. Du musst das tun, was dich glücklich macht. Das habe ich dir doch schon immer gesagt!" Mir wurde ganz warm, und ich lächelte ihn dankbar an.
Ja, das hatte er mir schon immer gesagt. Die Begegnung mit Louis Frédéric von Ravenhorst schubste mein Leben unerwartet in eine völlig neue Richtung. Ohne ihn hätte ich mit Sicherheit, genau wie erwartet, meinen Doktor in Ingenieurwissenschaften gemacht und mich den Rest meines Daseins mit Baumaschinen beschäftigt. Vielleicht wäre es mir sogar gelungen, die Firma meines Vaters als neuer Direktor erfolgreich weiterzuführen.
Aber in dieser Nacht nach dem Fest, auf dem ich Louis kennengelernt hatte, lag ich in meinem Bett und dachte zum ersten Mal darüber nach, was ich eigentlich selbst mit meinem Leben anfangen wollte. Bisher hatten immer andere über mich bestimmt, und ich hatte das niemals in Frage gestellt. Doch jetzt wurde mir immer klarer, dass Baumaschinen mich im Grunde nicht die Bohne interessierten. Die für mein Ziel enorm wichtigen Fächer wie Mathematik, Physik, Betriebswirtschaft und Rechnungswesen waren mir immer verhasst gewesen.
Stattdessen beschäftigte ich mich schon seit einiger Zeit heimlich mit den Ballettaufführungen in unserem städtischen Theater. Seit meine Eltern mich einmal mit in die Oper genommen hatten, gingen mir die Tanzszenen nicht mehr aus dem Kopf. Es faszinierte mich enorm, wie anmutig die Tänzer sich bewegten, wie federleicht es aussah, wenn ihre attraktiven Körper der herrlichen Musik gehorchten.
In dieser schlaflosen Nacht zog ich zum ersten Mal in Erwägung, dass es vielleicht gar nicht so schlimm war, dass ich mich für das Ballett viel mehr interessierte, als für die väterliche Firma. Womöglich war das gar nicht so eine riesige Katastrophe, wie ich befürchtet hatte. Eventuell hatte ich sogar das Recht dazu, meinen späteren Beruf selbst auszuwählen. Hatte ich bisher immer geglaubt, dass irgendwas mit mir nicht stimmen konnte, so dachte ich nun, dass meine heimlichen, sich immer stärker bemerkbar machenden Vorlieben vielleicht gar kein Zeichen für eine Krankheit, sondern einfach meine Natur und vollkommen in Ordnung waren.
Selbstverständlich konnte ich niemandem etwas davon erzählen, was in mir vorging. Ich wollte ja kein unfähiger Versager sein. Und ich wusste nur zu gut, dass mein Vater mir vor Enttäuschung den Kopf abgerissen hätte, wenn ich nicht exakt genau so funktionierte, wie er es haben wollte. Also war mein Privatunterricht noch jahrelang unverändert darauf aufgebaut, mich zum besten Ingenieur auszubilden.
„Und jetzt dreht er wieder mal durch, oder was?" fragte Louis mich und holte mich damit aus meinen Gedanken. „Clay ist in der letzten Nacht echt übel zusammengeschlagen worden", berichtete ich ihm traurig und spürte dabei einen Kloß im Hals, „Er ist total schwer verletzt worden. Sie haben ihn mit einem Seil gewürgt und mit Messern zerschnitten." Louis atmete erschrocken ein, betrachtete mich mit zusammengezogenen Augenbrauen und fragte: „Aus welchem Grund?" Ich schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Es war wohl der gleiche Typ dabei, der vorher im Theater auch die Steine geworfen hat. Also ging es wohl immer noch um diese verdammte Vergewaltigung." Ich atmete schwer und schaute ihn unglücklich an. „Clay hat total die Kontrolle über sich verloren", fasste ich deprimiert zusammen. Louis grinste freudlos. „Ist es also wieder so weit", stellte er nüchtern fest.
Er hatte recht. Es war nicht das erste Mal, dass ich Louis um Hilfe bat. Schon zweimal hatten wir zusammen versucht, Clay Banton auf Umwegen mit unserem Geld zurück auf den rechten Pfad zu führen. Und beide Male hatte es uns ein kleines Vermögen gekostet, ohne dass Clay auch nur einen Hauch davon ahnte, und ohne langfristigen Erfolg. Clay kannte Louis nur als reichen Kunstinteressenten, der für viel Geld seine Bilder kaufte und ihm eine Wohnung verkauft hatte, und so sollte es auch für immer und ewig bleiben. Niemals durfte Clay erfahren, welches Arrangement hinter seinem großen Erfolg als Maler steckte, denn das hätte ihn mit Sicherheit enorm frustriert.
Zum Glück lebte Herr Banton noch nicht lange genug in dieser Gegend und interessierte sich definitiv zu wenig für dessen Geschichte, um Louis zu erkennen. Natürlich kannte Clay das berühmte Wasserschloss, aber er hatte keine Ahnung davon, wer dort wohnte, und dass einer der Bewohner mein ältester und jahrelang einziger Freund war.
„Eine dritte Ausstellung? Bringt das denn noch was?" fragte Louis mich zweifelnd. Ich schaute ihn unglücklich an. „Ja klar! Was sollte ihm schon sonst helfen? Er braucht diese Aufgabe. Es lenkt ihn von seiner Langeweile ab", behauptete ich und zwang mich mit aller Macht, selbst daran zu glauben. „Der arme Junge ist so entsetzlich gelangweilt. Vielleicht sollte ich ihn mal zu mir einladen", grinste Louis zweideutig.
Mit einem Mal erinnerte ich mich daran, welches Opfer ich auch diesmal bereit war, für Clay zu bringen. Mein Magen zog sich zusammen und ich stand nervös auf. Ich bekam das starke Bedürfnis nach einer Zigarette, aber wegen der unbezahlbaren Kunstschätze war das Rauchen im gesamten Schloss streng verboten. Lediglich in den Ballsälen und Raucherzimmern durfte manchmal geraucht werden.
Also ging ich zu der breiten Flügeltür, öffnete sie und trat hinaus auf den Balkon. Draußen war es überraschend kalt, und ich zündete mir mit zitternden Fingern eine an. Von hier aus hatte ich eine herrliche Aussicht auf den überaus weitläufigen Park, der das Schloss umgab. Allerdings wirkte das Anwesen im Frühjahr oder Sommer weitaus einladender. Jetzt, im Winter, waren fast alle Bäume und Sträucher kahl, nur hier und da entdeckte ich erste, zarte Knospen, die den lang ersehnten Frühling ankündigten.
Unvermittelt trat Louis hinter mich und legte mir beruhigend seine Hände auf die Schultern. „Keine Angst, Sean. Das wird ganz entspannt. Du kennst das doch inzwischen", raunte er mir von hinten ins Ohr, und ich war wie erschlagen davon, dass Louis Frédéric von Ravenhost anscheinend ständig meine Gedanken lesen konnte.
„Können wir dieses.... Detail nicht diesmal weglassen?" wisperte ich mit krächzender Stimme, obwohl mir schon klar war, dass das nicht passieren würde. Louis seufzte auf und zog seine Hände zurück. Er kam um mich herum, legte seine Hände von vorn auf meine Schultern und guckte mich mit schmalen Augen an. „Ach, komm schon, Sean Valmont! Hast du dich noch nie im Spiegel betrachtet? Ausnahmslos alle sind absolut verrückt nach dir! Ich wäre ein Idiot, wenn ich mir dieses lukrative Geschäft entgehen lassen würde! Wir wären beide Idioten!" grinste er, aber sein Gesicht hatte einen harten Ausdruck dabei. Louis war ein hervorragender Geschäftsmann und er verschenkte gar nichts. Er hatte höchstwahrscheinlich mein Leben gerettet, mich vor einem langweiligen, unbefriedigenden und verlogenen Dahinvegetieren bewahrt, aber er hatte das niemals umsonst getan. Allerdings hatte es etliche Jahre gedauert, bis ich gemerkt hatte, dass er für jede seiner Hilfen eine Gegenleistung einforderte. Etwas zu verschenken wäre ihm nie in den Sinn gekommen, denn so war er einfach nicht erzogen worden. Nicht umsonst war seine Familie seit Jahrhunderten steinreich.
„Also Sean – hast du heute Abend Zeit?" fragte er nun, ließ mich los und holte sein Smartphone aus der Tasche seiner maßgeschneiderten Designerhose. Ich verschluckte mich am Rauch und hustete haltlos, bis mir Tränen in die Augen stiegen. „Was?! Schon heute Abend?!" krächzte ich entsetzt. Louis grinste überheblich, schüttelte langsam den Kopf und fixierte mich mit schmalen Augen, bis mein Hustenanfall vorbei war.
„Was ist los mit dir, Sean? Was um Himmels Willen erschreckt dich denn jetzt so daran? Du willst doch, dass ich deinem Mann noch mehr von seinen merkwürdigen Bildern abkaufe, oder?" Ich nickte kläglich, zog nochmal an der Kippe, drückte sie auf dem steinernen Geländer aus und warf sie energisch hinunter in den breiten Wassergraben. Louis lachte. „Na also. Du weißt doch ganz genau, worauf du dich hier einlässt. Es ist deine eigene Entscheidung", betonte er und musterte mich prüfend. „Wo liegt also das Problem? Warum willst du noch warten? Und worauf? Wenn ich den Jungs schreibe, dass du heute Abend anwesend bist, dann rennen sie mir die Bude ein und ich habe in fünf Minuten das ganze Haus voll!" meinte er ein bisschen arrogant. Dieser Satz war von ihm als Kompliment gemeint, aber ich empfand das überhaupt nicht so. Deprimiert schaute ich ihn an. Natürlich hatte er recht, mir war von Anfang an sonnenklar gewesen, was auf mich zukam. Aber aus irgendeinem Grund spürte ich auf einmal den Wunsch, um diese zwingende Verpflichtung herumzukommen. „Ich dachte, ich könnte dir diesmal stattdessen mehr Geld geben", schlug ich hoffnungsvoll vor.
Louis brach in lautes Gelächter aus, was mich so kränkte, dass ich mich spontan von ihm abwandte und zurück in das Musikzimmer ging. Er steckte sein Smartphone wieder ein und folgte mir auf der Stelle. „Du kannst mir nicht mehr Geld geben, Sean, denn du hast nicht mehr Geld!" erklärte er mir überflüssiger Weise. Trotzig warf ich ihm einen Blick zu, und er nickte lächelnd. „Ja, du bekommst deinen monatlichen Scheck und verdienst auch nicht schlecht, aber..." „Ja, ist gut, Louis, schon klar!" unterbrach ich ihn genervt, denn auch damit hatte er leider recht. Ich konnte nicht noch mehr Geld für Clay opfern, das war unmöglich, wenn ich mich nicht total ruinieren wollte. Ich hatte für Clays Karriere als Maler schon weitaus mehr Geld ausgegeben, als gut für mich war.
Eine Zeit lang war es ganz still, während ich irgendwie nervös in dem Zimmer herum tigerte und mir die einzelnen Musikinstrumente anschaute, die ich alle schon hundertmal gesehen hatte. Louis stand reglos im Raum und beobachtete mich irritiert.
„Was ist denn los?" fragte er nach einiger Zeit, und seine Stimme hörte sich jetzt besorgt an. Ich blieb stehen und schaute ihn an. „Ich habe so große Angst um ihn. Ich muss irgendwas tun, Louis. Er gerät total außer Kontrolle, wenn er schon fremde Frauen anfällt und dafür dermaßen verprügelt wird. Er nimmt entschieden zu viele Drogen und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn noch stoppen kann", sprach ich meine Befürchtungen leise aus. Louis' Gesicht bekam einen mitfühlenden Glanz, als er langsam auf mich zukam. „Wir machen das!" entschied er entschlossen, „Ich rufe ihn gleich an und bestehe auf einer dritten Ausstellung. Er wird sich auch diesmal begeistert darauf einlassen, du wirst sehen. Dann ist er in der nächsten Zeit mit konstruktiven Dingen beschäftigt, und nicht länger mit destruktiven." Ich musste über seine Ausdrucksweise lachen, und Louis lächelte sanft und strich mir tröstend über die Wange.
„Das ist doch gar nicht so schlimm, Sean. Du bist so ein wunderschöner Mann. Ich beneide dich. Das habe ich immer getan. Du wirst einfach ein bisschen für sie tanzen und sie werden dir reihenweise zu Füßen liegen", flüsterte Louis, beugte sich zu mir und küsste mich ganz zart auf die Lippen. Aus einem inneren Impuls heraus umarmte ich ihn plötzlich, und er ließ sich das gerne gefallen, erwiderte meine Umarmung ganz vorsichtig. Dann küssten wir uns eine Weile, bis meine Gedanken ruhiger wurden und mein Herz von allein damit anfing, härter zu schlagen.
An diesem Abend würde ich zum dritten Mal für ihn tanzen, nackt, während seine zahlenden Freunde, Geschäftspartner und Bekannten mich staunend beobachten und schon mal mit ihren Blicken ficken würden, bis dann später der Gruppensex losging. Und diese Vorstellung machte mir jetzt fast nichts mehr aus. Im Gegenteil, sie machte mich sogar an. Ich hatte dabei schon zweimal mitgemacht, und beide Male war es im Grunde ziemlich erregend gewesen.
Den unangenehmen Gedanken, dass ich mich mit diesem Arrangement für Clay und Louis prostituierte, schob ich erfolgreich beiseite. Es war nur ein geiler Spaß, mehr nicht, und es wurde immer Safer-Sex praktiziert. Auf diese Weise konnte ich Louis einen Teil des vielen Geldes zurückzahlen, was er auf meinen Wunsch hin für Clays Gemälde ausgab. Und er verdiente mit seinen Partys so viel Geld, dass er alle seine Tänzer, von denen es jedes Mal mehrere gab, großzügig entlohnen konnte. Außer mich natürlich, denn ich arbeitete ja für ihn meine Schulden ab. Ich opferte meinen attraktiven Körper dafür, damit Louis dem großen Künstler Clay Banton kräftig Honig ums Maul schmierte. Damit Louis durch den Kauf seiner Gemälde Clays viel zu geringes Selbstbewusstsein stärkte und ihn davon abhielt, sich weiter zu zerstören.
Zusätzlich zu den Einnahmen aus den geheimen Sex-Treffen, die unter den Wohlhabenden der Umgebung überaus beliebt waren, zahlte ich ihm aber immer auch ungefähr dreißig Prozent des Gesamtbetrages der Bilder zurück. Mehr konnte ich mir einfach nicht leisten, und Louis wusste das nur zu gut und gab sich damit zufrieden. Inzwischen hatte er im Schloss schon ein ganzes Zimmer eingerichtet, dass ausschließlich für Clays Bilder reserviert war, und es hingen schon jede Menge bizarrer Banton-Kunstwerke dort. Louis fand Clays Gemälde in Wahrheit recht seltsam, aber meistens auch sehr schön, doch von sich aus hätte er wohl kaum so viel Geld für einen unbekannten Künstler hingeblättert.
Als ich ihn vor etwa anderthalb Jahren das erste Mal darum bat, Clay ein paar Bilder abzukaufen und ihm eine Wohnung zu besorgen, hatte er mich sofort auf seine Bedingungen hingewiesen. Und die beinhalteten nun einmal meine Mitwirkung bei den absolut diskreten Partys. Ich hatte zugestimmt, denn ich sah keinen anderen Weg, um Clay wirksam zu helfen. Und es hatte ja auch so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt hatte. Clay hatte sich mit Feuereifer in seine beiden Ausstellungen gestürzt und darüber seine Selbstzerstörung fast vergessen. Der unerwartete Erfolg hatte ihm einen enormen Aufschub gegeben. Leider war mein Erfolg schon zweimal nicht von endgültiger Dauer gewesen. Diesmal klappt es bestimmt, redete ich mir ein, diesmal wird Clay sein Leben von Grund auf ändern.
Und während ich Louis Frédéric immer einnehmender küsste, dachte ich völlig unwillkürlich an Clay. Herr von Ravenhost fühlte sich sehr gut an, er war mir unverändert angenehm vertraut. Aber ich stellte mir insgeheim sehnsüchtig vor, dass es Clay Banton wäre, der so fordernd meinen empfindlichen Nacken, meinen breiten Rücken und muskulösen Hintern streichelte, und bei dem ich mit wachsender Hingabe genau das gleiche tat.
Clay
Erst als sie trotz meiner eindeutigen Aufforderungen partout nicht gehen wollte wurde mir klar, dass sie es mit ihren unentwegten Entschuldigungen tatsächlich ernst meinte. Sie hatte aus irgendeinem Grund scheinbar das dringende Bedürfnis, meine Absolution zu erhalten, was mir ein absolutes Rätsel war. Ich fing irgendwann an, sie nicht mehr als Bedrohung anzusehen. Und ich konnte nicht umhin, ihren grenzenlosen Mut, sich meiner Gunst so derart auszuliefern, zu bewundern. Ich stellte mir vor sie kräftig ins Gesicht zu schlagen, weil sie selbst erfahren sollte, wie sich so etwas anfühlte.
Aber dann hatte das Heroin mich zu müde gemacht, ich war träge und hatte keine Lust auf derartige Auseinandersetzungen. Es widerstrebte mir innerlich enorm, ein schwaches Mädchen zu verprügeln. Eigentlich wollte ich überhaupt keine Gewalt mehr um mich haben. Ich wollte nicht mal mehr an Gewalt denken.
Es fiel mir deshalb nicht schwer, den Scheiß abzuhaken und es gut sein zu lassen. Außerdem sah das junge Junkiemädchen sehr hübsch aus. Sie war offenbar ziemlich unglücklich und so dermaßen voller Reue, dass sie mir beinahe leid tat. Es war ihr aus irgendeinem merkwürdigen Grund enorm wichtig, dass ich ihr verzieh, also tat ich das und setzte mich zu ihr auf mein graues Sofa, auf dem sie die ganze Zeit verweilte.
Ich versuchte abzuschätzen, was wohl noch so alles passieren könnte mit ihr, aber das war schwierig, weil ich sie nicht einschätzen konnte. Sie war mir ein einziges Rätsel. Also warf ich ihr spontan vor, mir ihre brutalen Freunde auf den Hals gehetzt zu haben, und ich fragte sie auch nach dem Grund dafür. Aber sie wiederholte nur pausenlos, wie leid ihr das alles täte, bis mir dieser Satz total zum Hals raus hing.
Ich dachte darüber nach sie anzufassen, obwohl ich ihr in einem kurzen Wutanfall versicherte, genau das nie wieder zu tun. Ich hatte große Lust auf Sex mit ihr, aber sie wollte natürlich stattdessen lieber reden, ganz genau wie fast alle Frauen es viel zu oft tun wollen. Das Heroin hatte mich angenehm in Watte gepackt, also war es mir egal und ich redete mit ihr, war aber nicht richtig bei der Sache, weil mich der ganze Scheiß eigentlich längst nicht mehr interessierte.
Sie hatte mir mein Feuerzeug und mein Handy zurückgebracht, wofür ich ihr wirklich dankbar war, obwohl sie in der kurzen Zeit in ihrem Besitz beides komplett leer gemacht hatte. Ich schaute sie genau an, während sie mir bestätigte, dass unser Streit nun vorbei wäre, und ich glaubte ihr und fand sie immer begehrenswerter.
„Legst du deine Hand auf meinen Bauch?" konnte ich mich später nicht mehr zurückhalten zu fragen. Ich studierte ihre Reaktion, und die fiel längst nicht so entsetzt aus, wie ich es erwartet hatte. „Was?" fragte sie nur irritiert nach. Ich lächelte mein schönstes Lächeln für sie. „Legst du bitte deine Hand auf meinen Bauch, Kim-ber-ly?" fragte ich sie noch einmal. Ich spürte genau, dass mein Lächeln ihr gefiel, dass sie langsam ein Interesse an mir entwickelte, das über das langweilige Austauschen von Informationen hinausging.
Nun schaute sie mich prüfend an. „Warum soll ich das tun?" wollte sie vorsichtig wissen. Ich zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Es gefällt mir eben." Sie guckte zweifelnd, und ich wurde ungeduldig bei der Vorstellung, deshalb drängte ich sie: „Bitte, tu das doch einfach für mich!"
Inzwischen hatte ich verstanden, dass dieses seltsame Mädchen ein enorm schlechtes Gewissen hatte, dass sie sich so richtig schlecht fühlte, weil ihre blöden Freunde mich in der Nacht zuvor verprügelt hatten. Ich konnte mir zwar nicht erklären, warum sie auf einmal so empfand, aber mir war sonnenklar, dass ich diesen Umstand mit Sicherheit für mich ausnutzen konnte.
Und so war es auch, Kimberly gab sich einen Ruck und rutschte über das Sofa auf mich zu. Ich lehnte mich erwartungsvoll zurück und entblößte für sie meinen Bauch, indem ich mein schwarzes T-Shirt hoch schob. Sie saß neben mir und sah sich eine Weile mit traurigem Gesicht meinen zerschnittenen Bauch an. „Es tut mir so leid", flüsterte sie ein weiteres Mal, und ich hätte ihr dafür am liebsten eine gescheuert. „Ist okay.... bitte.... leg einfach deine Hand dort hin", forderte ich sie ungeduldig auf. Tatsächlich legte sie zögernd ihre Hand auf meinen Bauch, ganz behutsam, sodass sie mich kaum berührte, und ich konnte nicht anders, als ihre winzige Hand zu greifen und fest gegen meinen nackten Bauch zu drücken. Kimberly zuckte zusammen und wollte ihre Hand zurückziehen, aber ich ließ sie schnell los und schüttelte den Kopf. „Nein... warte... lass sie einfach da liegen... bitte...", stammelte ich, absolut überwältigt von diesem Gefühl ihrer warmen Hand direkt auf meiner weichsten Stelle.
Ich stöhnte automatisch behaglich auf und schloss die Augen, und die allzu vertraute Wärme erfüllte mich unwillkürlich. Dieses fantastische Gefühl der allumfassenden Sicherheit, Geborgenheit, Liebe, irgendwas. Es war ganz ruhig in meinem Wohnzimmer, während ich in meinem zweitliebsten Gefühl schwelgte und alles um mich herum vergessen konnte. Scheiß was auf irgendein verrücktes Weib, das mich erst von ihrem Teenager-Freund und seinen Kumpanen halb tot prügeln ließ, nur um mich dann am nächsten Tag dafür um Vergebung zu bitten. So ein Verhalten war mir entschieden zu abgedreht, damit konnte ich definitiv nichts anfangen. Und es war mir eigentlich auch scheißegal, solange das Weib mich jetzt in Ruhe ließ. Solange sie jetzt nur ihre kleine Hand ganz genau dort liegen ließ, sodass ich sie überdeutlich spüren und mir einbilden konnte, dass alles absolut gut, richtig und völlig in Ordnung war.
„Du erweist mir ein riesiges Vertrauen damit, Clay, vielen Dank dafür", hörte ich sie nach langer Stille plötzlich ergriffen flüstern. Verwundert öffnete ich meine Augen einen Spalt und drehte meine Pupillen zu ihr hin. Sie schaute mich an, und Tränen standen in ihren grünen Augen. Heulte sie etwa? Warum denn nur um Himmels Willen? Was stimmte nicht mit ihr? „Was meinst du damit?" fragte ich sie träge. Sie guckte auf meinen Bauch und fing damit an, ihre kleine Hand ganz behutsam zu bewegen, bis sie schließlich sanft über meine Haut streichelte, was sich recht gut anfühlte.
„Dein nackter Bauch ist so ziemlich die wehrloseste Stelle an dir. Wenn du mir erlaubst, deinen schutzlosen Bauch zu berühren, dann musst du großes Vertrauen zu mir haben", versuchte sie eine Erklärung, aber ich verstand nur Bahnhof. „Was?" stöhnte ich und öffnete widerwillig meine Augen. Ich war auf der Couch automatisch tiefer gerutscht, ohne es zu merken, und nun lag ich förmlich neben dem Junkiemädchen. Ihre Hand auf mir streichelte mich immer weiter, und ich spürte sie echt intensiv.
„Man erlaubt doch nur Menschen, denen man absolut vertraut, einen an dieser äußerst empfindlichen Stelle zu berühren", meinte das Mädchen geschmeichelt, die keine Ahnung davon hatte, dass es mir schnurzegal war, wer mich dort berührte. Es fühlte sich nämlich schlicht jedes Mal fantastisch an!
„Ja, klar...", stimmte ich ihr verwirrt zu. „Du vertraust mir, obwohl ich dir so viel Schlimmes angetan habe!" seufzte Kimberly fassungslos und wischte sich mit ihrer anderen Hand verlegen über die Augen. „Das finde ich so unglaublich lieb von dir!" setzte sie noch überwältigt hinzu.
„Ist es ein Fehler, dir zu vertrauen?" fragte ich sie geradeheraus und betrachtete sie prüfend. Sie schüttelte entschieden den Kopf und lächelte kläglich. „Nein, ganz bestimmt nicht, Clay. Ich werde dir nie wieder etwas antun!" versicherte sie mir hastig. „Trittst du mich nochmal in die Eier?" rutschte mir irgendwie unbedacht heraus, weil ich mich gerade daran erinnerte, dass sie das recht erfolgreich und überaus schmerzhaft für mich getan hatte. Noch einmal schüttelte sie den Kopf, aber jetzt lachte sie amüsiert dabei. „Bestimmt nicht! Versprochen!" versprach sie mir kichernd.
Danach war es nochmal ein paar Minuten ruhig, aber jetzt schauten wir uns dabei an, und irgendwie törnte sie mich plötzlich richtig an. Ihr Streicheln wurde immer geiler, und ich lechzte automatisch danach, einfach ihre kleine Hand zu packen und in meine Jogginghose zu schieben. Aber ich hielt mich zurück, denn ich hatte echt keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde.
„Ich habe mich total gewundert, wie einfach es am Freitag für mich war, dich zu überlisten", gestand sie mir schüchtern. Nur ungern erinnerte ich mich an diesen verhängnisvollen Freitagabend mit ihr. „Was meinst du?" fragte ich sie atemlos. Sie lächelte mich seltsam an, fast verschwörerisch. „Naja, zuerst warst du so aggressiv zu mir, aber dann hast du dich mir auf einmal sofort total hingegeben, als ich dich dort.... angefasst habe." Verlegen deutete sie mit ihren Augen auf meinen Schwanz in meiner Hose und wurde tatsächlich rot.
Ihre Hand lag nun wieder unbeweglich auf meinem nackten Bauch. Ich hatte keinen blassen Schimmer, worauf sie eigentlich hinauswollte und glotzte sie nur blöde an, aber ihr Rotwerden fand ich ganz schön süß. Das kleine Mädchen kicherte amüsiert. „Ach, Clay, hast du denn wirklich geglaubt, dass ich meine Meinung plötzlich geändert hätte? Ich habe dir doch wiederholt und deutlich gesagt, dass ich keinen Sex mit dir wollte, warum also hätte ich meine Meinung auf einmal so plötzlich ändern sollen?" wollte sie grinsend von mir wissen.
Ich erinnerte mich daran, wie sie mich angefasst hatte, und wie geil sich das angefühlt hatte, und mein Bedürfnis danach, dass sie mich sofort nochmal genau dort anfassen sollte, wurde mega stark. Ich wollte mich ihr auf der Stelle umfassend hingeben.
Aber stattdessen atmete ich tief durch und richtete mich auf, wobei ich ihre Hand gegen meinen Bauch presste. „Weißt du, Kim-ber-ly... Wenn eine Frau meinen Schwanz anfasst, dann gehe ich immer davon aus, dass sie gerade genau das tun will...", versuchte ich verwirrt, eine Erklärung für mein Verhalten am Freitagabend zu finden. Sie lachte spontan laut los, und ich guckte sie irritiert an, weil ich das Gefühl hatte, dass sie mich auslachte. „Das ist total süß!" kicherte sie ausgelassen, aber auch unverkennbar verlegen, „Das Frauen dich so leicht täuschen können!" Ich grinste ein wenig gezwungen und stimmte dann in ihr Lachen ein, obwohl ich hinterhältige Frauen überhaupt nicht lustig fand. „Ach, Clay, du bist so...", keuchte das Junkiemädchen lachend. Sie ließ den Satz unvollendet, deshalb erfuhr ich nicht, was sie sagen wollte.
Im nächsten Moment hob sie plötzlich ihre andere Hand und streichelte mir ganz zart über das Gesicht. Sie war mir nun sehr nah, sie saß direkt neben mir, und ich hielt ihre rechte Hand immer noch gegen meinen Bauch gedrückt. Mit links erkundete sie nun noch einmal mein verletztes Gesicht, fuhr ganz sanft mit ihren Fingerspitzen über die blauen Flecken und Schrammen, über meine Lippen und Augenbrauen, und ihre zärtliche Berührung kam so unerwartet, dass sie mich völlig elektrisierte. Ich spürte überdeutlich, dass ich hart wurde, deshalb ließ ich ihre Hand erschrocken los und schob sie von mir weg, weil sie meinem wachsenden Schwanz erschreckend nah kam. Du darfst jetzt keinen Fehler machen, dachte ich alarmiert bei mir, du darfst dieses Mädchen auf keinen Fall erschrecken oder vor den Kopf stoßen. Sonst ändert sie womöglich ihre Meinung nochmal und wird wieder wütend und rachsüchtig.
Nervös setzte ich mich gerade hin und zog mein T-Shirt so weit es ging herunter. Kimberly beobachtete mich aufmerksam, sichtbar verwundert darüber, dass ich ihre Hand plötzlich weggeschoben hatte. „Was ist los?" fragte sie leise. Mein Herz hämmerte, denn ich hatte keine Ahnung, wie ich ihr diese Sache erklären sollte, ohne dass sie wütend auf mich werden würde. Diese Frau wollte keinen Sex mit mir, das hatte sie mir am Freitag allerdings wiederholt versichert. Am Freitag hatte es mich trotzdem nicht davon abgehalten, mich ihr zu nähern, ihre Weigerung hatte mich sogar angespornt, und das war ein riesengroßer Fehler gewesen, den ich bitter bereut hatte. Dieser Fehler würde mir mit Sicherheit nicht nochmal passieren!
„Tja... ähm... das erregt mich ganz schön, was du da machst...", stammelte ich zögernd, nervös darum bemüht, mich bloß nicht zu derbe auszudrücken. „Was meinst du?" fragte sie tatsächlich verwundert und zog ihre Hand irritiert von meinem Gesicht zurück, was ich total bedauerte. Ich lächelte atemlos und holte tief Luft. „Deine Berührung, Kim-ber-ly. Es gefällt mir, wie du mich streichelst", gestand ich ihr und war gerührt über ihre offensichtliche Irritation. „Oh", machte sie ratlos. Ihr Blick wanderte wahrhaftig neugierig zu meinem Schoß hin, und ich setzte mich hastig noch weiter zurück und zog das T-Shirt herunter. „Es ist sehr schön, wenn du mich anfasst!" betonte ich eilig. Es drängte mich sie zu berühren, aber ich hielt mich bewusst davon ab. Ich durfte sie nicht anfassen, denn das wollte sie nicht, und ich hatte ihr versichert, es nie wieder zu tun.
„Ich habe dein Gesicht gestreichelt, und deinen Bauch", erinnerte sie sich nun irgendwie verträumt. Dann schaute sie mich an und lächelte schüchtern. „Das hat mir auch sehr gefallen, Clay", flüsterte sie und wurde schon wieder rot. Mein Herz schlug schneller und ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte oder durfte. Deshalb saß ich nur reglos neben ihr und spürte meine Erektion intensiver, als mir lieb war. Durch die bequeme, lockere Jogginghose wurde sie überhaupt nicht eingeengt, und das gefiel mir eigentlich. Andererseits war sie irgendwie unangebracht und machte mich deshalb nervös. Kimberly darf davon nichts merken, mahnte ich mich angespannt, sonst hält sie mich wieder für ein gefährliches Sex-Monster.
Eine Weile schwiegen wir uns an und guckten beide in eine andere Richtung. „Warum hast du eigentlich keinen Wikingernamen?" fragte das Junkiemädchen mich plötzlich und beendete damit zum Glück die peinliche Pause. Sie richtete sich auf und drehte sich interessiert zu mir hin. Ich konnte ihrem Gedankensprung nicht folgen. „Was?" entfuhr es mir verwirrt. Sie lachte amüsiert. „Na, du bist doch ein robuster Wikinger aus Island, den so leicht nichts aus der Fassung bringen kann, oder?" neckte sie mich, und ich erkannte die blöde Beschreibung über mich unter meinem Bild auf der Seite des Grenzland-Theaters. Der Satz war aus einer alkoholgeschwängerten Laune heraus entstanden, und Sean fand diese Behauptung immer noch so unheimlich witzig, dass ich ihn nicht dazu bewegen konnte, den Quatsch endlich zu löschen.
„Da hat aber jemand gründlich recherchiert", bemerkte ich und war geschmeichelt, weil das Junkiemädchen sich offenbar im Internet über mich erkundigt hatte. Warum hatte sie das getan? War sie etwa interessiert an mir? Der Gedanke verwirrte mich ungemein.
„Na, und als echter Wikinger brauchst du doch auch einen richtigen Namen, der zu dir passt, so wie zum Beispiel..." Sie überlegte angestrengt und schaute dabei zur Decke. „So was wie Wickie, Halvar, Snorre, Faxe, Ulme oder Tjure..." Während sie die einzelnen Namen aus Wickie und die starken Männer aufzählte, fing sie immer ausgelassener an zu lachen, sodass ich bald gar nicht mehr anders konnte, als mitzulachen, während ich mich wunderte, dass sie so viele Namen aus dem Film oder der Serie kannte. Das kleine Mädchen war offenbar ein echter Wickie-Fan, und das fand ich ziemlich amüsant. Obwohl sie sich damit irgendwie über mich lustig machte, vermutete ich verwirrt.
Aber eigentlich war mir das egal, denn sie sah echt bezaubernd aus, wenn sie so fröhlich war. So ansteckend glücklich hatte ich diese Frau noch nie erlebt, und ich studierte sie überrascht mit einem angenehm warmen Gefühl im Bauch.
„In Wahrheit bin ich aber nur ein halber Wikinger. Deshalb bin ich vielleicht nur halb so robust", bemerkte ich kichernd, bevor mein Gehirn mich bremsen konnte. Das Mädchen schaute mich interessiert an. „Ist dein Vater ein Wikinger?" wollte sie wissen. Ich nickte und konnte im selben Moment nicht fassen, dass ich ausgerechnet mit ihr über meinen Vater sprach. „Seine Vorfahren waren es", erklärte ich knapp. Ich wollte am liebsten sofort wieder zurück, so schnell es ging weg von diesem Thema. Aber das war nicht mehr möglich, denn Kimberlys Wissbegier war erstaunlich groß.
„Ist dein Vater Isländer? Wie heißt er?" fragte sie neugierig. Ich atmete einmal tief durch und nickte nochmal. Dann gab ich mir einen Ruck und sprach seinen Namen aus, und es wunderte mich enorm, dass ich dabei nicht in tausend Scherben zersprang. „Der Name meines Vaters ist Alvar Ljúfurson." Mein Herz hämmerte plötzlich wie verrückt und ich schnappte aufgewühlt nach Luft. Kimberly betrachtete mich aufmerksam. Dann lachte sie anerkennend: „Na siehst du! Das ist mal ein richtiger Name für einen echten Wikinger! Das hört sich wunderschön an. Weißt du, was der Name bedeutet?" Freundlich blickte sie mich an.
Ich musste tief durchatmen, um nicht in Panik zu geraten, und ich merkte erstaunt dabei, wie sehr dieses kleine Mädchen neben mir mich zu beruhigen vermochte. Allein ihre offensichtliche Jugend, ihre spürbare Unbedarftheit und ihre ansteckende Fröhlichkeit schienen weitaus stärker zu sein, als meine inneren Dämonen. Das Junkiemädchen hatte keine Ahnung von meiner Lebensgeschichte. Sie verurteilte mich nicht, horchte mich nicht aus, analysierte mich nicht, sondern sie wollte nur freundlich sein. Von dieser unerwarteten Erkenntnis wurde ich fast erschlagen.
Natürlich kannte ich die Bedeutung des Namens von meinem Dad. Für ihn hatte schon früher alles eine tiefere Bedeutung gehabt. Und es fiel mir bei weitem nicht so schwer, wie ich befürchtet hatte, mit dem fremden Mädchen darüber zu sprechen.
„Alvar bedeutet Elf, Naturgeist und Krieger. Ljúfur, der Name meines Großvaters, bedeutet lieb und sanft", erklärte ich ihr leise und atmete ganz tief. Das Mädchen studierte mich mit glänzenden Augen, und ich glaubte erstaunt, darin so etwas wie Zuneigung zu entdecken. „Also stimmt es, dass in Island der Vorname des Vater einfach der Nachname des Sohnes wird, nur das ein -son angehängt wird?" erkundigte sie sich bei mir. Ich nickte noch einmal. „So ist es. Jeder Mann ist der Sohn seines Vaters." „Ganz schön praktisch", grinste sie und lächelte mich dankbar an.
Das verblüffte mich. War sie dankbar, weil ich ihr geantwortet hatte? Freute sie sich, weil ich ihr den Namen meines Vaters verraten und erklärt hatte? Warum um alles in der Welt hatte ich das nur getan? Und warum interessierte sie sich überhaupt auf einmal so sehr für mich? Was wollte sie eigentlich von mir? Welche Motive hatten sie wirklich zurück zu mir getrieben? Meine Gedankenmaschine sprang ungewollt erneut an, verwirrte mich, machte mich nervös, und das gefiel mir nicht. Ich wollte auf keinen Fall nochmal von Vorne herum grübeln, denn das brachte mir rein gar nichts. Sehr viel lieber wollte ich jetzt sofort dieses Mädchen anfassen. Ich wollte diese Frau unbedingt auf der Stelle vögeln. Schon allein deswegen, damit sie nicht weiter sprach. Aber ich verbot es mir vehement und presste stattdessen nervös meine Hände in meinen Schoß. Ich drückte meine Hände unauffällig gegen meine Erektion, um mich zu beruhigen, und das fühlte sich ganz gut an und funktionierte auch irgendwie.
„Aber wenn dein Vater Alvar heißt, warum heißt du denn dann nicht mit Nachnamen Alvarson?" wollte das Mädchen wissen, und diese Frage war so naheliegend, dass ich sie schon erwartet hatte. „Meine Eltern waren nie verheiratet. Ich habe den Nachnamen meiner Mutter verpasst bekommen", verriet ich dem Mädchen. Dann schloss ich die Augen und konzentrierte mich ein paar Sekunden auf meinen Schwanz, bis ich sie wieder ansah. Sie fixierte mich eingehend. Ihre Augen blitzten vor Vergnügen, und ich bekam den peinlichen Verdacht, dass sie von meiner Erektion längst wusste. Nervös legte ich meine Hände neben meine Oberschenkel auf das Sofa und streichelte ein wenig über den grauen Stoffbezug. Eine Minute später griff ich mir plötzlich hastig eine Zigarette aus der Schachtel vom Tisch und zündete sie an.
Ich fühlte mich von Kimberly genauestens beobachtet, als würde sie tief in meine Seele blicken, aber merkwürdigerweise störte mich das gar nicht so sehr. Irgendwie fand ich sie inzwischen ziemlich lustig und vor allen Dingen enorm geil. Ich war total angetörnt davon, wie sehr sie mich jetzt innerlich beruhigte, wie wenig es mir wahrhaftig ausmachte, mit ihr ausgerechnet über meine Eltern zu reden.
„Aber warum haben sie dich Clay genannt? Ich meine, du bist ein halber Isländer, da wäre ein nordischer Name doch viel passender gewesen. Und Clay... das ist doch... englisch...?!" bemerkte sie nachdenklich.
Ich lächelte sie an und inhalierte tief. „Das ist er wirklich, weißt du?" flüsterte ich, total hingerissen davon, dass das Gespräch über meinen Vater mich in diesem Moment wahrhaftig kaum schmerzte. Sie verstand nicht und sah mich fragend an. „Mein Vater. Er ist tatsächlich lieb und sanft. Er ist ein sanfter, lieber Naturgeist. Das ist er immer gewesen", gestand ich ihr leise. „Also ist Alvar Ljúfurson der richtige Name für ihn?" lächelte das Junkiemädchen eindeutig liebevoll. „Absolut", stimmte ich ihr zu und war beeindruckt davon, dass sie den Namen völlig richtig aussprach. Normalerweise hatten die Menschen, die in meiner Gegenwart jemals versucht hatten, etwas auf isländisch zu sagen, enorme Schwierigkeiten mit der Aussprache.
Ich inhalierte nochmal und spürte erstaunt, dass ich fast unbemerkt ganz ruhig geworden war. Dieses bezaubernde Wesen neben mir besänftigte mich. Diese noch so gut wie unbekannte Frau strahlte so viel freundliches Interesse aus, so viel aufmerksame Hinwendung zu mir, dass ich es kaum fassen konnte. Noch nie in meinem Leben war es mir so leicht gefallen, über meinen Vater zu sprechen. Niemand hatte jemals etwas über meinen Vater erfahren, noch nicht mal Eliza, obwohl sie mich viel zu oft damit gelöchert hatte.
Aber so nah bei dem Junkiemädchen kamen mir diese schwierigen Worte überraschend leicht über die Lippen, und sie taten fast gar nicht mehr weh. Diese Frau kann zaubern, dachte ich überwältigt, die kleine Kimberly ist eine heilkundige Zauberin! Womöglich ist sie innerlich ebenfalls ein sanfter Elf!
Die immense Wucht meiner positiven Emotionen strömte warm durch meinen gesamten Körper und sammelte sich überaus angenehm zwischen meinen Beinen. Ich wurde davon unwillkürlich richtig hart. Das Junkiemädchen törnte mich jetzt ganz enorm an! Ich konnte einfach nicht begreifen, welch mächtige Gefühle sie pausenlos in mir auslöste, schon seit dem Moment, als sie plötzlich vor meiner Wohnungstür aufgetaucht war. Bei ihrer überraschenden Ankunft hatte ich echte Panik und auch Wut über ihre Anwesenheit empfunden, aber beides hatte sich inzwischen fast unbemerkt in staunendes Wohlbehagen verwandelt. Ich vermutete, dass das Heroin wohl seinen Beitrag dazu lieferte. Trotzdem waren die Gefühle scheinbar zu stark, um durch die shore komplett gekillt zu werden. In mir tobte noch immer ein emotionaler Wirbelsturm, und trotzdem war ich gleichzeitig total entspannt, und das war extrem aufregend und anregend.
„Ist dein isländischer Großvater auch lieb und sanft?" wollte das Mädchen neugierig wissen, der mein Schweigen wohl zu lange gedauert hatte. Ich seufzte auf und atmete tief ein. „Mein Großvater ist gestorben, bevor ich zwei Jahre alt war", informierte ich sie. „Das tut mir leid", kam sofort von ihr, und ich schüttelte grinsend den Kopf, weil ich nicht mehr zählen konnte, wie oft sie diesen Satz schon von sich gegeben hatte. „Ich habe ihn leider nicht kennengelernt, aber er war wohl auch ein guter Mensch", sagte ich zu ihr. Zumindest hatte mein Vater mir immer nur Gutes von ihm erzählt, erinnerte ich mich.
„Du hast sehr viel von ihm und von deinem Vater, Clay", wisperte das Mädchen und beugte sich vertrauensvoll zu mir hin. Irritiert schaute ich sie an. „Warum sagst du das?" Sie lachte und wurde rot, und das fand ich echt bezaubernd. „Ich meine nur.... ich finde... du bist sehr lieb...", stotterte sie verlegen und hob die Hand, um abermals mein Gesicht zu streicheln. Ich war mir nicht sicher, ob ich noch so eine zarte Berührung von ihr reglos hinnehmen konnte, deshalb wich ich ihr eilig aus, indem ich mich aufrichtete.
„Mein Dad hat mir den Namen Clay gegeben. Er ist ein Bildhauer und arbeitet am liebsten mit Lehm. Clay bedeutet Lehm oder Ton. Die Bodenart. Deshalb hat er mich Clay genannt", erzählte ich hastig ganz leise und riss damit in mir spürbar eine mächtige, jahrzehntelang gewachsene Mauer ein.
Nach diesen Worten saß ich echt erschlagen, total fertig und reglos neben dem Mädchen und wartete mit komplett leer gefegtem Kopf auf ihre Reaktion. Ich hatte ihr gerade wahrhaftig mein intimstes Geheimnis offenbart, eine persönliche Tatsache, die ich noch nie jemandem auch nur angedeutet hatte. Wie von allein war plötzlich diese für mich so immens wichtige Information, diese mächtige Wahrheit, die mir so unendlich viel bedeutete, aus meinem Mund gekommen.
Und ausgerechnet das Junkiemädchen allein kannte nun das einzig Tröstende, was mir letztendlich von meinem Vater geblieben war, nachdem meine Mutter ihn am schwarzen Tag überstürzt verlassen und meine Schwestern und mich gnadenlos mitgeschleift hatte. Nein, ich wollte ihn damals nicht verlassen. Ich wollte ihn niemals verlassen. Ich konnte es nicht ertragen, ihn zu verlassen. Er war doch mein einziger Vertrauter und Freund gegen die feindliche, weibliche Übermacht. Aber ich war zu diesem Zeitpunkt erst acht Jahre alt und hatte keinerlei Einfluss auf mein Leben. Meine Mutter entschied auch diesmal stur über meinen und über unser aller Köpfe hinweg.
Nach meinen für mich enorm schwerwiegenden Sätzen war es gefühlt totenstill in meinem Wohnzimmer. Die Stille dröhnte und war bleischwer. Ich saß einfach nur total bewegungslos dort. Ich fühlte mich zweifellos befreit und gleichzeitig irgendwie belastet von meiner eigenen Offenheit, fixierte eingefroren den großen Flatscreen gegenüber der Couch, aber ohne ihn zu sehen. Der Fernseher war ausgeschaltet.
Mein Kopf war leer gefegt, aber mit zunehmender Stille kristallisierte sich von alleine ein einziger Gedanke heraus: Wenn sie jetzt anfängt zu lachen, dann bin ich endgültig erledigt. Wenn das Mädchen sich jetzt über mich oder meinen Vater lustig macht, dann zerspringe ich hier vor ihr in tausend Scherben und niemand wird es jemals schaffen, mich wieder zusammen zu setzten. Wenn sie mich jetzt auslacht, dann reißt sie mir damit die Seele raus und zerfetzt sie vor meinen Augen in der Luft.
Ich rührte mich nicht und wagte kaum noch zu atmen. Mein Körper war zur Salzsäule erstarrt. Wie konnte das nur passieren, dachte ich plötzlich bestürzt, warum um alles in der Welt hast du ausgerechnet dieser fremden Frau dein bestgehütetes Geheimnis verraten? Warum hast du dich überhaupt auf dieses Gespräch über deinen Vater eingelassen? Du hättest ihr niemals die Tür öffnen dürfen! Sie wird dich komplett zerstören und es nicht mal merken. Die Zeit blieb stehen.
„Das ist wunderschön", flüsterte das Junkiemädchen nach dieser tödlichen Ewigkeit ergriffen und erlöste mich damit aus dem zentnerschweren Vakuum. Ganz vorsichtig drehte ich mich zu ihr hin und schaute sie zögernd an. Sie erwiderte meinen Blick, und in ihren grünen Augen standen wahrhaftig kleine Tränchen der Rührung. „Dein Vater muss dich über alles lieben", seufzte Kimberly schwärmerisch, hob die Hand und streichelte mein Gesicht. Ich konnte ihr diesmal nicht ausweichen. Ich wollte ihr nicht ausweichen. Ich wollte unbedingt, dass sie mich anfasste. Diese Frau elektrisierte und überwältigte mich total. Und bevor mein innerer Impuls bei meinem Gehirn angekommen war, hatte ich mich schon zu ihr hin gebeugt und ihren kleinen, dünnen Körper in meine Arme geschlossen.
Behutsam drückte ich sie an mich. Zu meiner Überraschung wehrte sie mich nicht ab, sondern lehnte sich leicht gegen meine Brust, während die Finger ihrer rechten Hand weiter zärtlich über mein Gesicht fuhren. Sie fühlte sich sehr zerbrechlich an, als würde sie nur aus Knochen bestehen, deshalb musste ich ganz vorsichtig sein. Sie roch nach diesem billigen Deodorant, dass mich an irgendwas Böses erinnerte, sodass ich schnell meinen Kopf zur Seite drehte.
Ich wollte sie unbedingt streicheln, ihren verheißungsvollen Körper erkunden, den meine Finger unter ihrer Kleidung nur ahnten. Aber das durfte ich nicht, auf keinen Fall, deshalb bewegte ich meine Hände auf ihrem weichen Sweatshirt keinen Millimeter. Die Zauberfee hielt in meinen Armen ganz still. Sie hat nicht gelacht, dachte ich pausenlos, während ich ihre sanfte Berührung gierig in mich aufzog, Kimberly hat mich tatsächlich nicht ausgelacht.
Unvermittelt fiel mir mein liebstes Erlebnis mit meinem Vater ein, eine im Rückblick enorm schmerzhafte Erinnerung, die seit Jahren tief in mir vergraben gewesen war. Ich hatte diese Begebenheit vollständig in mir weggeschlossen, weil sie mich von allen Kindheitserinnerungen am meisten daran erinnerte, was ich verloren hatte.
„Woher weißt du eigentlich immer so genau, was du basteln sollst, pabbi?" hatte ich meinen Vater gefragt, während ich in seiner Werkstatt auf der großen Werkbank saß, die nackten Füße baumeln ließ und ihm beim Arbeiten zusah. Ich trug nur meinen Schlafanzug, aber mein Vater hatte mir eine dünne Decke um die Schultern gelegt.
Das war in der Nacht vor meiner Einschulung gewesen. Ich war sechs Jahre alt und wegen dem Schulbeginn so aufgeregt, dass ich nicht schlafen konnte. Deshalb hatte ich mich in seine Werkstatt geschlichen, dem Platz, an dem ich mich am allerliebsten aufhielt, und an dem ich immer willkommen war. Mein pabbi war meistens hier, oft die ganze Nacht hindurch. Hier brannte fast pausenlos ein Feuer im Brennofen, deshalb war es ständig warm. Es war immer hell, denn draußen brummte der Stromgenerator, der die Glühbirnen speiste. In der Werkstatt roch es aufregend nach verschiedenen Materialien wie Lehm, Sand, Erde, gebranntem Ton oder Steinen.
Nach meiner kindlichen Frage hatte mein Vater von dem großen Steinblock, an dem er gerade meißelte, aufgesehen und mich freundlich angelächelt. Er lächelte mich immer freundlich an, aber diesmal lag in seinem Blick noch etwas anderes, Intensiveres. Ich war erst sechs und kannte kein Wort dafür, was er dort eigentlich aus diesen formlosen Zutaten für wundersame Dinge erschuf, deshalb nannte ich es einfach basteln.
„Die Figuren sind alle schon da, Clay", erklärte er mir nun mit seiner tiefen, sanften Stimme, „Ich helfe nur dabei, sie zu befreien." „Da soll was drin sein?" erwiderte ich skeptisch und deutete auf den formlosen Stein, an dem er beschäftigt war. Mein Vater nickte, legte seinen Meißel weg und kam auf mich zu. „Natürlich ist da was drin, Clay. In diesem Stein steckt sogar ein wunderschönes Kunstwerk. Ich hole es nur heraus. Und wenn ich damit fertig bin, dann können alle Menschen es auch sehen."
Ich musterte den Stein prüfend und stellte verwundert fest, dass ich tatsächlich eine Form darin zu erkennen glaubte. „Überall und in Jedem gibt es noch etwas Inneres, was man nicht auf den ersten Blick entdecken kann. Aber es lohnt sich immer, danach zu suchen, Clay", sagte mein Vater zu mir.
Dann tippte er mir zärtlich auf die Brust. „Auch in dir steckt ein fantastisches Kunstwerk, mein Sohn. Du bist sogar mein Meisterstück, Clay. Du bist absolut einzigartig. Und ich möchte nichts auf der Welt lieber tun, als das Kunstwerk in dir zu befreien." Er betrachtete mich mit einem warmen Glanz in den braun-grünen Augen. „Möchtest du das, Clay? Soll ich dir helfen, dein inneres Kunstwerk sichtbar zu machen?" fragte er mich sanft.
Obwohl ich nicht hundertprozentig verstand, was er mir damit sagen wollte, so fühlte ich mich doch enorm geschmeichelt. Mir war klar, dass er mir gerade etwas sehr Nettes gesagt hatte, deshalb nickte ich eifrig und deutete auf die unzähligen Skulpturen, die in Regalen an der Wand standen. „Oh ja, pabbi, bitte befreie mich! Mach aus mir auch so etwas Wunderschönes, ja?"
Daraufhin lachte er und umarmte mich. Sofort fühlte ich mich glücklich und so sicher, wie ich mich nur in seinen starken Armen fühlte. „Du bist doch längst etwas Wunderschönes, Clay", kicherte er gerührt, „Aber ich werde dir dabei helfen, aus dir das Allerbeste herauszuholen, was noch verborgen in dir steckt." „Wie lange dauert das denn?" fragte ich ihn ungeduldig. Sein Lachen verebbte. Er betrachtete mich ein wenig betrübt und seufzte: „Ich hoffe, dass wir zusammen dafür noch ein ganzes Leben lang Zeit haben werden."
Diese enorm kostbare Erinnerung war unverändert lebendig in mir, obwohl ich sie jahrelang versteckt und niemals hervorgeholt hatte. Nun kam sie ganz von allein hervor, während ich auf meinem Sofa saß und das fremde Junkiemädchen umarmte. Während sie ganz zart mein Gesicht liebkoste merkte ich, dass diese Erinnerung längst nicht mehr so stark schmerzte wie früher.
Und im nächsten Moment erfasste mich diese Woge von übermächtigen Gefühlen wie Dankbarkeit, Sehnsucht, Erleichterung, Nostalgie, Zuneigung, irgendwas dermaßen stark, dass mir echte Tränen in die Augen stiegen. Ich war ein verdammtes kleines Mädchen.
Kim
Nein, so hatte ich mir diesen Sonntagabend mit Sicherheit nicht vorgestellt, nicht mal in meinen kühnsten Träumen. Zwar hatte ich es vermieden, mir die möglichen Szenarien meiner erneuten Begegnung mit Clay Banton genauer vorzustellen, denn angefangen bei zornigen Wutausbrüchen, übelsten Beschimpfungen und rachsüchtigen Schlägen bis zum kompletten Ignorieren seinerseits war schließlich alles denkbar gewesen. Mit all diesen Eventualitäten hatte ich sogar insgeheim in irgendeiner Form gerechnet, wobei ich vor den Schlägen am meisten Angst gehabt hatte.
Aber nichts davon war passiert. Nicht mal ansatzweise. Clay war nicht einmal besonders wütend auf mich, eine überraschende Tatsache, die ich im Grunde gar nicht verstand.
Wir hatten zusammen Heroin geraucht und waren uns darüber automatisch näher gekommen, als wäre nie etwas Schlimmes zwischen uns passiert. Der Mann erlaubte mir ihn anzufassen, er bat mich sogar darum und gab mir damit das überaus befreiende Gefühl, als könnte ich meine vorherige, eigentlich unverzeihliche Brutalität ihm gegenüber jetzt ganz einfach mit Streicheleinheiten wieder gut machen.
Und das tat ich dann auch liebend gerne. Ich streichelte seinen nackten Bauch mit den oberflächlichen Schnittwunden, der sich sehr warm und muskulös anfühlte. Ich fuhr sanft mit meinen Fingern über die vielen Verletzungen in seinem hübschen Gesicht, und er versicherte mir, wie sehr ihm das gefiel. Tatsächlich hatten diese relativ harmlosen Berührungen mich überraschenderweise weitaus mehr sexuell erregt, als mir lieb war, und die Stille danach wurde ein bisschen peinlich. Deshalb wechselte ich schnell das Thema, indem ich ihn ein bisschen mit dieser Wikinger-Geschichte neckte.
Es stellte sich heraus, dass Clay Banton tatsächlich ein halber Isländer war, zumindest behauptete er das. Er erzählte mir von seinem liebevollen, isländischen Vater, der ihm aus einem zauberhaften Grund seinen Namen gegeben hatte, was mich unvermittelt so stark rührte, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Diese bewegende Geschichte war einfach wunderschön. Sie beschrieb eine perfekte Vater-Sohn-Beziehung, obwohl ich vermutete, dass Clay sie sich nur ausgedacht hatte.
Über Herrn Bantons gelassene Offenheit war ich sehr erfreut und enorm überrascht. Niemals hätte ich erwartet, dass dieser Mann mir so freundlich gesonnen war, dass er mir so viel aus seinem Privatleben anvertrauen würde. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass dieser seltsame Mann mich dabei urplötzlich zärtlich in seine starken Arme schließen würde, in denen ich mich merkwürdigerweise auf der Stelle so sicher fühlte, wie noch nie in meinem Leben.
Seine abrupte Annäherung erschreckte mich überhaupt nicht, als hätte ich insgeheim schon die ganze Zeit darauf gehofft, dass Clay mich liebevoll umarmen würde. Ich legte meinen Kopf vertrauensvoll an seine breite Brust und fühlte sein Herz überraschend schnell und hart schlagen. Seine unmittelbare Nähe hatte sofort eine starke Wirkung auf mich. Er roch ganz fantastisch nach irgendeinem betörenden Parfüm oder so etwas. Sein T-Shirt war sehr weich an meiner Wange, und seine Haut fühlte sich trotz der Verletzungen angenehm glatt an.
Wir saßen ganz ruhig dort, während ich zart sein Gesicht streichelte. Clay Banton erregte mich durch seine direkte Nähe viel mehr, als ich mir je hätte träumen lassen. Es drängte mich unwillkürlich, ihn noch viel mehr zu streicheln. Doch wir bewegten uns beide die ganze Zeit überhaupt nicht. Seine Arme und Hände lagen ganz ruhig auf meiner Schulter und meinem Rücken. Ich sah ihn nicht an, hörte und spürte nur seinen kräftigen Herzschlag, berührte nur zärtlich seine Wangen, bis ich zu meinem Erstaunen plötzlich Feuchtigkeit an meinen Fingern spürte. Irritiert richtete ich mich auf, und Clay ließ mich sofort los. Ich schaute in sein sanftes Gesicht und musste feststellen, dass Tränen aus seinen Augen tropften.
„Warum weinst du?" fragte ich ihn besorgt. Er schüttelte den Kopf, wischte sich verlegen mit den Fingern über die Augen und drehte den Kopf weg. „Nein... ich...habe nur an etwas gedacht...", stammelte er abwehrend. Intuitiv war mir klar, dass ich an diesem Punkt nicht weiter fragen durfte. Clay wirkte merkwürdig aufgewühlt. Seine eigene Traurigkeit beschämte ihn offenbar. Das Thema seiner Kindheit war an diesem Punkt definitiv beendet.
Nun saßen wir wieder nebeneinander auf diesem Sofa, ohne uns zu berühren. Wir waren beide irgendwie befangen. Er sah mich zögernd an, und wir betrachteten uns eine Weile ziemlich intensiv, bis mein Herz noch mehr anfing zu klopfen. Ich konnte überhaupt nicht begreifen, wie enorm lieb dieser Mann da neben mir zu mir war. Seine Freundlichkeit und ganz eindeutig auch sein starker Körper schienen mich mit der Zeit wie von allein magisch anzuziehen. Ich war erregt und es zog mich eindeutig zu diesem fremden Mann hin, den ich noch vor so kurzer Zeit abgrundtief gehasst hatte. Außerdem hatte er mir inzwischen so viel aus seiner Kindheit erzählt, dass er mir gar nicht mehr fremd vorkam. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, ihn schon längst zu kennen.
„Kannst du isländisch?" fragte ich ihn lächelnd, nur um irgendwas zu sagen, was mich von meinem Herzklopfen ablenken konnte. Er grinste amüsiert und nickte. „Ich habe mit meinem Vater nur isländisch geredet", informierte er mich, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. „Allerdings habe ich es seit Jahren nicht mehr gesprochen", setzte er nachdenklich hinzu. „Dann sag doch jetzt mal was auf isländisch!" forderte ich ihn neugierig auf. Clay musterte mich prüfend, dann überlegte er eine Weile, als wäre er sich nicht sicher, ob er dazu bereit war. Als ich schon dachte, er würde meinen Wunsch nicht erfüllen, grinste er plötzlich eindeutig frivol und sagte: „Þúgerir mig brjálaðan."
Dieser Satz hörte sich total fremdländisch an. Der merkwürdige, nordische Klang war für mich absolut ungewohnt. Und doch fand ich diese Worte aus seinem Mund so sexy, dass ich unwillkürlich aufseufzte. Clay hörte mein Seufzen und lachte spontan laut auf. Seine grün-braunen Augen blitzten mich belustigt an und ich konnte nicht anders, als ausgelassen mitzulachen. Natürlich hatte ich keine Ahnung, was genau er da gerade zu mir gesagt hatte. Aber ich ahnte, dass es etwas Schmeichelhaftes gewesen war. Mich drängte es, ihn nach der Bedeutung zu fragen, aber andererseits musste ich das vielleicht auch gar nicht wissen. Ich sollte ihm dieses Geheimnis lassen, dachte ich instinktiv.
Im nächsten Moment lehnte Clay sich plötzlich auf dem Sofa zurück, fesselte mich mit seinen tiefgründigen Augen und flüsterte: „Vinsamlegast snerta mig."
Ich seufzte nochmal. Die fremden Worte schienen mir aufregend durch den ganzen Körper bis zwischen meine Beine zu wandern. Diese nordgermanische Sprache hörte sich aus Clays Mund mega sexy an! Ganz bestimmt hatte er etwas Erotisches zu mir gesagt! Ich guckte ihn bewundernd an. „Das hört sich total sexy an", gestand ich ihm schüchtern und spürte Hitze in meinen Kopf steigen. Ich wurde schon wieder rot, was mir sonst eigentlich nur selten passierte. Aber hier mit Clay passierte es mir viel zu oft.
Er lachte jetzt atemlos und deutete zögernd mit seinen Augen an seinem Körper hinunter. Mein Herz klopfte los, noch bevor ich automatisch seinem Blick folgte. Clay räkelte sich ein bisschen auf dem Sofa, streckte sich aus und hob mir sein Becken ein Stückchen entgegen. Unter der weichen, grauen Baumwolle seiner Jogginghose zeichnete sich eindeutig seine Erektion ab. Ich konnte sie gar nicht übersehen, und sie überraschte und erregte mich aus irgendeinem Grund so sehr, dass ich ungewollt aufstöhnte. „Oh... Clay...", stotterte ich irgendwie blöd.
Er lachte schon wieder, meine Reaktion amüsierte ihn. Dann streckte er langsam seine Hand nach meinem Gesicht aus und strich mir sanft eine Haarsträhne hinters Ohr. Er berührte mich kaum, aber die Bewegung elektrisierte mich förmlich. „Magst du mich anfassen, Kim-ber-ly?" fragte Clay mich ganz leise. Es war sonnenklar, dass er diesmal nicht nur seinen nackten Bauch damit meinte. Merkbar nervös wartete er auf meine Antwort. Ich fühlte mich plötzlich wie versteinert, starrte völlig verdattert auf die Umrisse seines Schwanzes und musste erst mal damit fertig werden, wie groß er unter dem Stoff wirkte. Clays Penis war zweifellos in diesem Zustand viel größer als Bens. Und irgendwie törnte mich das ganz schön an.
Unwillkürlich tauchten klare Bilder in meinem Kopf auf, die mich total verwirrten. Ich dachte an den Freitagabend, als ich diesen Schwanz schon einmal in meiner Hand gehabt und hastig stimuliert hatte. War er da auch schon so groß gewesen? Ich erinnerte mich nicht. Denn vor zwei Tagen hatte ich zweifellos ganz andere Sorgen gehabt, als auf die Größe von Clays Erektion zu achten. Panische Angst hatte ich vor diesem Mann und seiner ungezügelten Geilheit gehabt, nur widerwillig und angewidert hatte ich ihn dort angefasst. Daran erinnerte ich mich in aller Deutlichkeit.
Und jetzt? Warum waren meine Gefühle jetzt, in diesem Moment so völlig anders? Clay Banton erregte mich ganz enorm, geile Feuchtigkeit sammelte sich zwischen meinen Beinen, und eigentlich konnte ich es kaum noch erwarten ihn anzufassen.
Aber meine eigenen Gefühle und meine direkte körperliche Reaktion verwirrten mich auch. Ich brauchte einige Minuten, um das entstandene Chaos in mir zu ordnen. Seltsamerweise war ich in diesem Augenblick über die Tatsache, dass der Mann mich so freizügig auf seine sichtbare sexuelle Erregung aufmerksam machte nicht so erstaunt, wie über die erahnbare Größe seines steifen Geschlechtsteils. Zu keiner Reaktion fähig guckte ich perplex in Clays Gesicht. Er erwiderte angespannt meinen Blick.
Zwei Minuten später richtete er sich hastig auf und zog sein T-Shirt herunter. „Tut mir leid... das war blöd... ich weiß auch nicht...", stotterte er abwehrend und setzte sich aufrecht hin. Er deutete meine Erstarrung und fehlende Antwort als Ablehnung, und das rührte mich auf der Stelle. Ich schüttelte den Kopf und wollte ihm tröstend über den Kopf streicheln, aber Clay zuckte erschrocken zurück und hob instinktiv schützend die Arme. „Nein! Schlag mich nicht! Tu mir bitte nicht weh!" rief er ängstlich und duckte sich in Erwartung von Schlägen. Mit aufgerissenen Augen starrte er mich furchtsam an, und das rührte mich so sehr, dass ich für einen Augenblick die Augen schließen und tief durchatmen musste.
Dann schaute ich ihn liebevoll an, denn meine Liebe für diesen sensiblen, ängstlichen Mann erwachte in diesem Moment in all ihrer Pracht. „Nein, Clay, warte! Ich will dich doch nicht schlagen! Ich möchte dir nicht wehtun!" beruhigte ich ihn hastig, aber sein Blick blieb misstrauisch. Vorsichtshalber verkreuzte er schützend die Hände in seinem Schoß. Er ist es gewohnt, geschlagen zu werden, vermutete ich bestürzt. „Ich möchte dich viel lieber jetzt auf der Stelle küssen", gestand ich ihm mit klopfendem Herzen. Eine gefühlte Ewigkeit war es totenstill in diesem Wohnzimmer. Es dauerte, bis meine Worte richtig zu Clay durchdrangen und bis er ihnen Glauben schenken konnte. Die ganze Zeit belauerte er mich verunsichert.
Dann lächelte er überrascht und eindeutig erfreut. „Ehrlich?" vergewisserte er sich verblüfft mit rauer Stimme. Ich nickte entschieden. „Ich mag dich unheimlich gerne, Clay Banton. Du bist so lieb und... du... erregst mich...enorm...", eröffnete ich ihm beschämt, wobei mir in derselben Sekunde klar war, dass ich so etwas noch niemals zu einem Mann gesagt hatte, schon gar nicht zu einem wildfremden. Aber durch seine vertrauliche Offenheit mir gegenüber fiel mir dieses intime Geständnis erstaunlich leicht.
„Das geht mir auch so", kicherte Clay belustigt. Sein Lachen war einfach berauschend, sodass ich mich nicht mehr zurückhalten konnte. Hastig beugte ich mich vor und küsste ihn kurzerhand auf den Mund, bevor mich irgendein Gedanke oder Skrupel davon abhalten konnten. Ich war geil und wollte diesen Mann, und daran konnte nichts verkehrt sein, redete ich mir rigoros ein.
Es schien so, als hätte Herr Banton schon die ganze Zeit nur auf das Startzeichen von mir gewartet. Noch bevor ich bei ihm angekommen war, kam er mir auch schon erwartungsvoll entgegen. Unsere Münder trafen sich und ich spürte überdeutlich, wie er mit seiner Zunge sanft zwischen meine Lippen fuhr. Seine Zunge tastete sich in meinen Mund und umkreiste meine Zunge zärtlich. Diesmal küsst er ganz anders als am Freitag, dachte ich sofort, er ist viel vorsichtiger und zurückhaltender, längst nicht so stürmisch und rücksichtslos. Er überlässt mir die Führung bei diesem Kuss. Er reagiert nur auf mich, aber auf die schönste Art. Das ist total erregend, was der da mit seiner Zunge macht, merkte ich überwältigt.
Ist doch egal, dachte ich bei mir, dieser Mann ist total attraktiv, er ist unwahrscheinlich lieb zu mir, warum sollten wir nicht einfach Spaß miteinander haben. Ich habe mich jetzt wahrlich genug bei ihm entschuldigt und er hat mir ehrlich verziehen. Nun soll nur noch mein Körper zu ihm sprechen, beschloss ich, versuchte meinen Kopf abzuschalten und gab mich diesem prickelnden Gefühl am ganzen Körper und besonders zwischen meinen Beinen hin.
Clay küsste mich tatsächlich erstaunlich einfühlsam, ganz anders als Ben, mit entschieden mehr Geduld, Gefühl und Hingabe. Er schmeckte nach Nikotin und Heroin, und beides törnte mich an. Meine Hände fuhren automatisch verlangend über seinen gut gebauten Körper. Ich fühlte all seine wunderbaren, starken Muskeln, die ich bei Ben höchstens erahnen konnte. Meine Hand fuhr neugierig an ihm hinunter. Als ich seinen Schwanz unter seiner Jogginghose fühlte, der unglaublich hart zu sein schien, erfasste mich eine woge der Erregung, sodass ich unterdrückt aufstöhnte.
Clay streichelte mich zärtlich und behutsam, fast ehrfürchtig. Er gab leise, eindeutige Geräusche von sich, die mich unglaublich antörnten. Obwohl Clays Hände sich ausschließlich über meiner Kleidung aufhielten, ließ seine Berührung meine Sinne fast schwinden. Ich gierte augenblicklich nach mehr, unbedingt wollte ich diesen Mann auf meiner nackten Haut spüren, jetzt sofort.
Schließlich zog ich ihm hastig, ungeduldig das T-Shirt über den Kopf und küsste all die Schnitte und blauen Flecken auf seiner breiten, völlig unbehaarten Brust und seine hellbraunen Brustwarzen, die sofort reagierten. Verlangend fuhren meine Hände über seinen nackten Oberkörper. Clay Bantons fremder, aber zweifellos verheißungsvoller, erwachsener und spürbar durchtrainierter Männerkörper erregte mich jetzt stark. Stürmisch fiel ich über ihn her, drückte ihn zurück auf die Couch, sodass er auf seinem Rücken zu liegen kam. Schon war ich über ihm, liebkoste ihn mit meinen Händen, meinem Mund und meiner Zunge. Ich presste meine Nase auf seine warme Haut und sog gierig seinen fantastischen Duft in mich ein. Was war das nur? War das ein Parfüm? Ein Körperspray? Dieser Mann roch einfach unglaublich betörend!
Clay verhielt sich die ganze Zeit merkwürdig defensiv. Er wehrte mich nicht ab, ließ mir völlig freie Hand, aber seine eigenen Zärtlichkeiten blieben sanft und zurückhaltend. „Das ist schön", seufzte er leise, und „Das fühlt sich gut an, Kim-ber-ly." Damit signalisierte er mir, dass ihm meine Behandlung gefiel, und er spornte mich damit ganz schön an.
Neugierig arbeitete ich mich an ihm hinunter, bis ich schließlich neben seinen Oberschenkeln kniete. Die eindeutige Beule in seiner Jogginghose reizte mich beträchtlich. Aber ich war auch unsicher, weil dieser Mann mir eigentlich völlig fremd war. Wie würde er reagieren, wenn ich ihm jetzt dreist die Hose auszog? Fragend schaute ich in sein Gesicht. Er lächelte atemlos, ahnte meine Begehrlichkeit, nickte kaum merklich, doch seine Augen blickten auffordernd.
Noch eine Erlaubnis brauchte ich nicht, denn die Erregung in mir war stark. Kurzentschlossen packte ich Clays Jogginghose am Bund und auch gleich den Bund seiner Boxershorts. Bemüht vorsichtig und langsam zog ich beide Hosen herunter und freute mich dabei, dass der Mann so eine praktische Jogginghose mit Gummiband trug. Es war deshalb gar nicht schwierig, ihn seiner Hosen zu entledigen. Clay half mir sogar, indem er sein Becken und seine Beine anhob, als ich ihm die Hosen ganz auszog und achtlos am Rand des Sofas auf den Boden warf. Irgendwas klapperte dabei, wahrscheinlich das Feuerzeug und sein Handy in seinen Hosentaschen.
Dann lag der Mann tatsächlich komplett entblößt vor mir. Er trug jetzt lediglich seine grauen Socken, die ich ihm gleich auch noch auszog, als ich es bemerkte. Auch seine Fußnägel waren sorgfältig kurz geschnitten, seine Füße ganz sauber. Clay kicherte amüsiert, irgendwie angetörnt, und ich schaute nochmal in sein Gesicht. Seine Augen lagen freundlich auf mir, gütig, geduldig und wohlwollend, aber auch unverkennbar erregt. Er atmete tief ein und aus und lächelte erwartungsvoll. Offensichtlich schämte er sich nicht im Geringsten vor mir. Im Gegenteil, meine Neugierde auf seinen Körper gefiel ihm, er fand sie merkbar amüsant, was meine eigene Befangenheit verringerte.
Ich saß mit hämmerndem Herzen neben seinen Beinen. Mein Blick wanderte überaus aufgeregt an seinem wunderbaren Körper entlang. Seine glatte, reine Haut hatte eine sehr helle, fast elfenbeinähnliche Farbe. Er war gänzlich unbehaart, offenbar sorgfältig rasiert, denn auch an seinen Beinen fand sich kein einziges Haar. Sein dunkelblondes Schamhaar war sehr kurz geschnitten und in gerader Form abrasiert.
Ich studierte ihn intensiv und musste mich plötzlich enorm anstrengen, um nicht noch einmal von übermenschlicher Reue gepackt zu werden. Clay Bantons gesamter, eigentlich wunderschöner Körper war mit unzähligen Wunden übersät. Seine Haut war voller bunter Hämatome und dunkelroter Schnittwunden, an der Brust, dem Bauch, den Lenden, dem Unterleib und den Beinen. Auf seinem Bauch entdeckte ich zwei kleine Brandwunden, bei denen ich mich fragte, woher sie wohl stammten. Hatten die Jungs etwa ihre Zigaretten auf ihm ausgedrückt? Daran konnte ich mich nicht erinnern. Wenn das passiert war, dann hatte ich es nicht gemerkt. Schuld und Reue überfluteten mich.
Clays Hals und seine Handgelenke zierten dunkelrote Striemen, die vom zu engen Seil und den Kabelbindern verursacht worden waren. An seinem rechten Oberschenkel war ein breiter, weißer Verband. Dort, genau wie an seinem linken Oberarm, hatten wir ihm eine tiefe, schockierend lange Schnittwunde zugefügt, die anscheinend fachmännisch versorgt worden war.
Plötzlich hatte ich das Bild deutlich vor Augen, als die scharfen Messer kinderleicht durch seine Kleidung tief in seinen Arm und sein Bein geschnitten hatten. Clay hatte vor Schmerz aufgeschrien und sich überrascht, entsetzt und panisch die Wunden angesehen. Schuldbewusst seufzte ich auf. Natürlich hätte mir klar sein müssen, dass dieser Mann überall schwer verletzt war, denn wir hatten ihn ja in der Nacht zuvor mehr als grün und blau geprügelt, ihn mit einem Seil gewürgt und mit Messern bearbeitet. Aber die grausamen Spuren unserer entfesselten Brutalität so nah vor mir zu sehen, auf diesem wunderbar lieben und zärtlichen Menschen, ging mir ganz fürchterlich nahe.
Ich öffnete den Mund, aber Clay hob sofort abwehrend die Hand und rief warnend: „Ekki segja það!" Er sprach isländisch, deshalb konnte ich ihn nicht verstehen. Irritiert sah ich ihn an, da schüttelte er grinsend den Kopf und meinte: „Sag es nicht, Kim-ber-ly! Bitte, sag es nicht! Nicht nochmal! Kein einziges Mal mehr!"
In diesem Moment wurde mir bewusst, wie oft ich an diesem Abend schon den Satz „Es tut mir leid" zu ihm gesagt hatte, offenbar entschieden zu oft. Und tatsächlich hatte mir genau dieser Satz beim Anblick seiner mannigfachen Verletzungen unwillkürlich auf der Zunge gelegen.
Ich nickte lächelnd zum Zeichen, dass ich ihn verstanden hatte. Ich war überwältigt davon, dass Clay mich inzwischen schon so gut kannte, um ahnen zu können, was ich ihm hatte sagen wollen. „Es hört sich geil an, wenn du isländisch redest, Clay. Das törnt mich total an", gestand ich ihm atemlos lächelnd. Er lachte belustigt und richtete sich auf. Seine Hand fuhr zärtlich über mein Gesicht und an meinen Lippen entlang. „Weißt du, Kim-ber-ly... Ich habe diese Sprache seit etlichen Jahren nicht mehr gesprochen. Ich wollte sie eigentlich nie wieder sprechen. Aber du hast sie mir wahrhaftig entlockt. Und sie ist mir immer noch vertraut... irgendwie...", erklärte er mir nachdenklich.
„Þú getur töfra", flüsterte er sanft. Erneut schienen seine Worte überaus angenehm bis zwischen meine Beine zu zischen, was recht merkwürdig, aber höchst erregend war. Ich seufzte und drückte die Schenkel zusammen. „Was heißt das?" fragte ich ihn hingerissen. Er lächelte absolut betörend. „Du kannst zaubern", übersetzte er für mich. Gerührt streichelte ich über seine geschwungenen Augenbrauen.
Danach beugte ich mich nochmal zu ihm, und wir fingen aufs Neue an uns zu küssen. Meine Hand wanderte dabei vorwitzig zwischen Clays Beine, wo ich überwältigt seinen Penis umfasste, der sich warm und hart anfühlte. Sein Schwanz war schwer und groß in meiner Hand. Automatisch rieb ich an ihm auf und ab, und Clay reagierte unvermittelt darauf. Er stöhnte auf und ließ sich nach hinten sinken, wobei er mich umarmte und dadurch mit sich zog.
Ich kam auf dem Mann zu liegen, und wir küssten uns eine Zeit lang mit fühlbar wachsender Leidenschaft. Es faszinierte mich, wie unmittelbar und ungehemmt, wie direkt spürbar Clay auf meine Berührung und Bewegung an seinem Penis reagierte. Sein Atem wurde schwer, seine Augen fielen zu, er wurde von wohligen Schauern erfasst, die seinen ganzen Körper erzittern ließen. „Ja... das ist geil...", seufzte er zustimmend, was mich anspornte, noch mehr Druck auszuüben und mein Tempo zu steigern.
Clays rechte Hand lag ganz zart auf meinem Nacken, aber nun wurde auch seine Berührung härter. Er packte fester zu und fuhr mit seiner Hand entlang an meiner Wirbelsäule, langsam hinunter, über meine Schultern, meine Taille, bis zu meinem Hintern, den er schließlich gierig packte. Seine linke Hand krallte sich zunehmend an die Sofakante. Den Mann in seiner steigenden sexuellen Erregung zu beobachten geilte mich enorm auf. Eine höchst angenehme Spannung entstand zwischen meinen Beinen, sodass ich mein Knie zwischen seine Schenkel schob und mich unwillkürlich, fast ohne es zu merken an seinem Oberschenkel rieb. Hmmmm... Das fühlte sich guuuuut an....
Clay stöhnte lauter, er ächzte, und ich war so gefesselt, überwältigt von ihm und meinen Gefühlen, von der Gewissheit, dem Mann etwas Gutes zu tun, dass ich vielleicht einfach bis zum Höhepunkt weitergemacht hätte. Ich genoss es unglaublich, so nah auf ihm zu liegen, seinen kräftigen Körper zu fühlen, sein schnell schlagendes Herz, mich gezielt an ihm zu reiben und ihn in meiner Hand zu wissen, völlig unter meiner Kontrolle.
Erst als Clay abrupt, überstürzt nach meiner Hand an seinem Schwanz griff merkte ich, dass irgendwas nicht stimmte. „Wow... warte... das... Moment... ich...", ächzte er abgehakt, packte energisch meine Hand und zwang sie, ihre intensive Bewegung zu stoppen. Der Mann war überraschend stark und hielt mich mühelos auf. Sofort fragte ich mich, warum er sich gestern Nacht in der einsamen Straße nicht stärker gegen uns gewehrt hatte. Bestimmt konnte er Ben mühelos besiegen! Clay war zweifellos viel stärker als Ben! Aber es waren eben vier durchgeknallte, gewalttätige Jungs gegen ihn gewesen, und sie waren alle schwer bewaffnet, fiel mir schuldbewusst ein.
Fragend schaute ich in Clays aufgewühltes Gesicht. Warum hielt er mich plötzlich fest? Warum stoppte er mich mittendrin? Es war doch gerade total geil, oder?! Ich brauchte einen Moment, um meine Sinne zu ordnen.
„Was ist denn?" fragte ich ihn schüchtern, verunsichert, und zog meine Hand unter seiner hervor. Sofort ließ er mich los. Er schnappte nach Luft und lächelte mich beruhigend an. Seine grün-braunen Augen hatten sich in faszinierende Saugnäpfe voller Lust verwandelt. Er zitterte und brauchte mindestens zwei Minuten, bis er mir antworten konnte.
„Habe ich etwas falsch gemacht? Gefällt es dir nicht?" wollte ich betroffen von ihm wissen. Er lachte atemlos und schüttelte den Kopf. „Nein... Kim-ber-ly... das..." Tief atmete er ein und aus, um sich in seine Gewalt zu kriegen. „Weißt du... ich will... das hier... gerne... noch viel länger... genießen...", erklärte er mir schließlich ein wenig verlegen. Seine Antwort irritierte mich. Mir war nicht sofort klar, was genau er damit meinte, und ich richtete mich verwirrt auf. Dabei stützte ich mich an seinem Bein ab, und Clay stöhnte unwillkürlich schmerzerfüllt auf.
Erschrocken wurde mir bewusst, dass ich meine Klitoris die ganze Zeit gezielt an seinem verletzten Oberschenkel gerieben hatte, genau an dem breiten Verband. Ich riss entsetzt die Augen auf und starrte ihn schuldbewusst an. „Oh Clay! Ich habe dir weh getan! Das wollte ich nicht! Das tut mir so leid! Ich habe gar nicht gemerkt, das..." Maßlos beschämt brach ich ab.
Nun war ich wirklich erschrocken und voller Schuldgefühle. Hatte ich diesem Mann doch noch vor Kurzem hoch und heilig versprochen, ihm nie wieder weh zu tun, und kaum in Wallung geraten, brach ich mein Versprechen auch schon! Die Sache war mir entsetzlich peinlich! Ich war völlig aus dem Häuschen und streichelte entschuldigend über seinen Verband. „Das tut mir leid, Clay! Das tut mir so unendlich leid!" versicherte ich ihm wiederholt und überprüfte besorgt den Verband, ob ich ihn vielleicht beschädigt hatte, oder ob womöglich Blut durchsickerte.
Clay schloss für einen Moment die Augen, atmete tief ein, öffnete die Augen, schüttelte den Kopf und hob beschwichtigend seine Hände. „Nein, Kimberly, das... darum geht's nicht...", versuchte er zu erklären, aber ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen. „Ich wollte dir nicht wehtun! Das tut mir leid!" jammerte ich pausenlos. Clay zog die Augenbrauen zusammen und richtete sich ruckartig auf. Seine Bauchmuskeln waren so stark, dass er sich völlig mühelos auf dem weichen Sofa aufrichten konnte. Er legte mir hastig seinen Zeigefinger auf den Mund, sodass ich irritiert verstummte. „Nein! Das ist es nicht! Hör doch mal zu!" keuchte er eindringlich.
Endlich beruhigte ich mich ein wenig und schaute ihn traurig an. Er lächelte gerührt und streichelte ganz zart über mein Gesicht. „Hör auf dich zu entschuldigen! Ich möchte nicht, dass du dich ständig bei mir entschuldigst!" verlangte er streng. Kleinlaut und schuldbewusst blinzelte ich ihn an.
Er grinste amüsiert. „Du hast mir nicht wehgetan", log er mich an und spürte auf der Stelle, dass ich ihm das nicht glaubte. „Es gefällt mir, wenn es wehtut", setzte er im nächsten Moment hinzu. Perplex riss ich die Augen auf. Was sagte er da? Es gefiel ihm, wenn es weh tat?! Was sollte das denn jetzt heißen? Geilten Schmerzen ihn etwa auf? Holte er gleich die Peitsche raus und verlangte von mir, ihn zu schlagen? War er etwa so einer? Aber er hatte doch die ganze Zeit Angst vor meinen Schlägen gehabt! Ich war wie vor den Kopf geschlagen, völlig verwirrt, und Clay merkte mir das an, denn er konkretisierte eilig: „...ein wenig. Ich... mag es, wenn es ein bisschen wehtut. Das macht mir nichts aus, im Gegenteil!" Ich fühlte große Reue und Schuld und konnte mir nicht vorstellen, dass ich ihm nur ein bisschen weh getan hatte. Besorgt taxierte ich seinen weißen Verband, der zum Glück okay aussah.
Clay seufzte und hob meinen Kopf, indem er mich unter dem Kinn anfasste. Er zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Sein Blick war eindeutig sexuell erregt, tief drinnen gierig, und doch immer noch voller Geduld und Güte. „Hör mal, Kim-ber-ly. Es ist total geil, was du machst. Ich meinte doch nur, dass ich nicht mehr lange durchhalte, wenn du mich so weiter wichst. Ich werde... in einer Minute komme ich und spritze hier alles voll", sagte er völlig ernsthaft, aber mit einem belustigten Zwinkern in den Augen. Unwillkürlich hatte ich dieses Bild vor Augen, dass er seinen Höhepunkt hatte und gleichzeitig alles vollspritzte. Diese Vorstellung erregte mich ganz außerordentlich, sodass ich ungewollt aufstöhnte. Dieser Mann sprach über seine Sexualität so direkt, fast dreist, und das fand ich ziemlich ungewohnt, aber irgendwie auch ganz schön geil.
Clay lachte und streichelte mir über den Kopf, dann küsste er zart meine Wange. „Du bist wunderschön", flüsterte er in mein Ohr. Diesen Satz kannte ich. Männer sagten so etwas immer, wenn sie scharf waren. Es bedeutete nichts weiter, als dass sie mit einem schlafen wollten. Auch Ben hatte diesen Satz bei ähnlichen Gelegenheiten schon zu mir gesagt. Aber aus Clays Mund klang er irgendwie anders, gefühlvoller, ehrlicher. Jedoch vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. „Du bist auch wunderschön, Clay", sagte ich atemlos zu ihm.
Und schon küssten wir uns abermals. Seine Hände fuhren jetzt verlangender über meinen Körper, tasteten meine Kleidung ab, als würde er eine Möglichkeit suchen, um auf meine nackte Haut zu gelangen. Ich streichelte seinen Nacken, seinen Rücken und seine Taille, machte um seinen Schwanz aber einen großen Bogen.
Clay wurde stürmischer, schob mich zurück, sodass ich nach hinten sank, er kam halb über mich, stützte sein Gewicht jedoch mit seinem Ellenbogen ab. Ich fühlte seine Erektion an meiner Hüfte, die er seufzend an mich drückte. „vinsamlegast", hauchte er wiederholt, und das hörte sich für mich an, wie ein erregtes Stöhnen, bis daraus mit der Zeit ein forderndes „bitte" wurde.
Er leckte mein Ohrläppchen, knabberte ein wenig daran und flüsterte zwischen tiefen Atemzügen: „Ich möchte dich gerne nackt sehen... Ich möchte so gerne... dass du dich jetzt ausziehst, bitte... Magst du das tun, Kim-ber-ly?... Ziehst du dich aus, ja? Bitte... tust du das für mich, ja?" Seine Stimme war sehr drängend, fast ungeduldig, aber eine große Portion Unsicherheit klang mit. Clay konnte mich dabei nicht ansehen. Er lag jetzt bewegungslos und ruhig über mir, hielt den Kopf neben meinem Ohr und wartete mit angehaltenem Atem auf meine Reaktion.
Es rührte mich, seine Furcht vor einer Absage zu spüren, seine große Angst, dass ich eventuell wieder wütend auf ihn werden könnte. Aber was verlangte er denn schon?! Selbstverständlich wollte ich mich für ihn ausziehen! Aber in erster Linie wollte ich das auch für mich selbst. Mir war in meinen Klamotten sowieso inzwischen viel zu warm geworden, und ich war mega scharf auf diesen attraktiven Mann! Genau genommen konnte ich es kaum noch erwarten, seine Zärtlichkeiten auf meiner nackten Haut zu fühlen und ihn endlich in mir zu spüren!
Statt einer Antwort schob ich ihn rigoros von mir herunter, was er sofort ohne Widerstand geschehen ließ. Energisch richtete ich mich hoch und stand von der Couch auf. Erschrocken fixierte er mich, aber ich lächelte beruhigend.
Inzwischen war es allerdings so dunkel geworden, dass ich ihn kaum noch erkennen konnte. In diesem Moment sprangen plötzlich die beiden Deckenfluter in den Zimmerecken hinter dem Sofa an. Das Licht blieb gedämpft, aber sofort fiel mir Clays enorm besorgter Gesichtsausdruck auf. Er hatte sich auf dem Sofa aufgerichtet, die Beine herangezogen und mit seinen Armen umschlungen. Offenbar hatte er das vorsichtshalber getan, um seine empfindlichen Weichteile vor meinen Schlägen oder Tritten zu schützen. Der erwachsene Mann hatte wieder einmal Angst vor mir, fürchtete meinen Zorn und meine Brutalität. Er wirkte so hilflos und ausgeliefert, dass mir vor Rührung ganz warm wurde.
Ich beschloss amüsiert, ihn ein wenig zappeln zu lassen. „Warum geht das Licht auf einmal von alleine an?" fragte ich ihn betont unschuldig. Er zog die Augenbrauen zusammen. „Weil ich es so einprogrammiert habe", antwortete er zögernd und studierte mich irritiert. „Gibt es eine Zeitschaltuhr?" erkundigte ich mich. Clay atmete tief und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist ein Lichtsensor", erklärte er mir sichtbar angespannt. Er saß noch immer nackt auf dem Sofa und betrachtete mich verunsichert. Er wartete ratlos und abwehrbereit auf meine Antwort. Clay versuchte merkbar irritiert, meine Reaktion einzuschätzen, aber es gelang ihm nicht, was mich insgeheim belustigte.
Einen Moment genoss ich noch seine Unsicherheit, die prickelnde Anspannung in diesem Raum. Dann wandte ich mich ab, beugte mich hinunter und zog langsam meine Schuhe aus, dann die Strümpfe. Ich zog mir das Sweatshirt über den Kopf, dann das Unterhemd. Ich hakte meinen schwarzen BH auf und zog ihn aus. Dabei hörte ich amüsiert, dass Clay beim Anblick meiner Brüste erleichtert, erwartungsvoll, überwältigt nach Luft schnappte. Offenbar beobachtete er mich die ganze Zeit, und ihm gefiel sehr, was er da sah.
Ich beachtete ihn aber nicht und tat so, als würde ich ihn gar nicht bemerken. Betont aufreizend zippte ich den Reißverschluss meiner Jeans auf. Ich zog die Hose und gleich danach auch die Unterhose herunter. Dann zog ich beides aus. Nur am Rande meines Bewusstseins merkte ich erstaunt, dass es mir überhaupt nicht peinlich war, mich vor diesem fremden Mann nackt auszuziehen. Meine sexuelle Erregung hatte sich so schnell gesteigert, dass ich ihn jetzt nur noch spüren wollte. In meinem Kopf war kein anderer Gedanke mehr. Clay Banton zeigte mir seine eigenen Begierden so offen, so unverklemmt und vertrauensvoll, dass für Peinlichkeiten in diesem Zimmer überhaupt kein Platz blieb. Es gab einfach keinen Grund dafür.
Der erstaunlich unbefangen sexuell erregte Mann atmete jetzt schwer, er keuchte und seufzte: „Du bist echt der Wahnsinn... du machst mich total verrückt, Kim-ber-ly..." Seine Worte bewirkten in mir einen wohligen Schauer nach dem anderen. Clay machte mir damit die schönsten Komplimente. Noch niemals hatte ein Mann so mit mir geredet, schon gar nicht Ben, der beim Sex eher der schweigsame Genießer war. Ich wusste zwar, dass Ben mich attraktiv fand, aber er sagte mir das viel zu selten.
Schließlich war ich nackt, stand einen Meter vom Sofa entfernt und schaute Clay zum ersten Mal wieder an. Sein Blick hatte sich förmlich auf meinem Körper festgesaugt, fuhr aufgeregt zwischen meinen Brüsten und meiner Scham hin und her. Als er meinen Blick auffing, vertiefte er sich in meine Augen. Langsam ließ er seine Arme sinken und streckte die Beine aus. Er saß auf dem Rand der Couch, und seine Erektion zeigte vor seinem Bauch kerzengerade nach oben, was mich ganz zappelig machte, als ich es bemerkte. Clay registrierte meinen Blick und lächelte amüsiert.
Eine Zeit lang war es ganz still im Raum, aber es prickelte gewaltig in der Luft. „Was soll ich jetzt tun, Kim? Sag es mir bitte. Was willst du von mir?" fragte Clay mich ruhig, aber sehr eindrücklich. Er nannte zum ersten Mal meinen richtigen Namen, also hatte er meinen Hinweis sehr wohl verstanden. „Ich mag es, wenn du mich Kimberly nennst", gestand ich ihm. Er lachte, seine Augen hatten einen warmen und auch unverkennbar begierigen Ausdruck. „Was willst du von mir, Kim-ber-ly?" wiederholte er leise und überdeutlich.
Mein Herz stolperte los, ich atmete tief ein. „Ich will, dass du mich von hinten fickst, Clay Banton", eröffnete ich diesem Mann, und ich konnte es im selben Moment kaum glauben, dass ich diesen Satz tatsächlich gesagt hatte. Noch nie in meinen Leben waren mir so direkte, so schmutzige Worte über die Lippen gekommen. Aber in Clays Gegenwart schien verbale Offenheit beim Sex irgendwie dazu zu gehören, es gab plötzlich nichts Verdorbenes mehr daran. Ich fand es einfach nur mega geil, ohne Umschweife meinen Wunsch zu äußern.
Und Clay gefiel meine ehrliche Antwort ganz offensichtlich auch. Er holte tief Luft, grinste breit, beinahe siegesgewiss, lehnte sich auf dem Sofa zurück, griff mit der rechten Hand nach seinem Schwanz und umfasste ihn. Er fing völlig ohne Scheu damit an, das obere Drittel seiner Erektion zu massieren, fuhr ganz langsam, aber eindeutig an seinem Penis entlang, während sein Daumen an seiner Eichel spielte und er mich die ganze Zeit nicht aus den Augen ließ.
Mein Herz setzte ein paar Schläge aus. Ich starrte ihn wie vom Donner getroffen an. Was um Himmels Willen tat er denn da jetzt? Onanierte er etwa? Benutzte dieser dreiste Kerl meinen nackten Körper gerade als Wichsvorlage? Das war doch eine respektlose Beleidigung für mich, oder?
Wie gebannt beobachtete ich sein intimes Treiben, fixierte seine kundige Hand, die seinen Schwanz massierte, und spürte dabei überdeutlich, wie der erotische Anblick meine Schamlippen anschwellen ließ, wie die Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen sich drastisch vermehrte. Noch nie hatte ich einem Mann sozusagen live und in Farbe bei der Selbstbefriedigung zugesehen. Mein Freund Ben hätte sich wohl eher die Hand abgehackt, als so etwas Privates vor meinen Augen zu tun. Wenn wir Sex hatten, dann konzentrierte Ben seine Bedürfnisse immer ausschließlich auf mich.
Clay hingegen war gerade fast vollkommen mit sich selbst beschäftigt. Er stimulierte sich sehr gezielt. Man sah ihm deutlich an, dass sein Penis und diese Tätigkeit ihm äußerst vertraut waren. Sein Atem ging tief und schwer, er schaute mich dabei unbeirrt an und lächelte frivol. „Das freut mich.... wirklich... außerordentlich... Kim-ber-ly... diesen Wunsch... erfülle ich dir... liebend gerne...", keuchte er hingerissen, blieb jedoch auf dem Sofa sitzen.
Clay masturbierte aufreizend und herausfordernd, beobachtete mich lächelnd, und mit der Zeit wanderte meine rechte Hand ganz von allein an meiner Leiste entlang und verschwand zwischen meinen Beinen, fast ohne dass ich es bemerkte. Mit meinem Mittelfinger streichelte ich zart über meine Spalte, tauchte dann den Finger in mich hinein, um ihn zu befeuchten. Oh Mann, und wie feucht ich war! Schon war mein nasser Finger wieder draußen und umkreiste zärtlich meine Klitoris. Das fühlte sich soooo guuuuut an!
Dies hier hatte ich schon öfter gemacht, allerdings immer ganz allein und nur, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand mich stören würde. Noch nie hatte ich mich vor den Augen eines anderen Menschen dort angefasst, geschweige denn vor dem überaus wollüstigen Blick eines fremden Mannes. Und ich hatte auch bestimmt nicht erwartet, dass ich es jemals tun würde.
Clay zog hörbar scharf die Luft ein, als er meinen Finger registrierte, der über meine Klitoris streichelte. Sofort fixierte sich seine ganze Aufmerksamkeit zwischen meinen Beinen. Ich konnte ihm förmlich ansehen, wie seine Erregung sich von seiner Körpermitte aus wellenförmig in seinem ganzen Körper ausbreitete und ihn intervallmäßig erzittern ließ. Der Anblick geilte mich so sehr auf, dass mein Mittelfinger sich von allein schneller und immer direkter bewegte. Auch Clay steigerte sich, seine Hand nahm inzwischen die ganze Länge seiner Erektion in Beschlag, fuhr hart und schnell daran entlang. Er stöhnte überwältigt, und auch mir entwich der ein oder andere Seufzer der Erregung.
Höchstens im Unterbewusstsein dachte ich, das konnte doch wohl nicht wahr sein. Was passierte denn hier eigentlich? Stand ich tatsächlich einen Meter von einem fremden Mann entfernt, der völlig offen masturbierend auf einem Sofa saß und mich dabei mit feurigen Augen anstarrte, und machte es mir selbst? So etwas hatte ich noch nie erlebt, und ich hatte auch nicht vermutet, es jemals zu erleben. Für so etwas war ich doch eigentlich gar nicht der Typ! Mit ihm schlafen, okay, aber das hier?
Allerdings, dieses Arrangement war so überwältigend, meine Empfindung so ungewohnt stark, dass meine Gedanken sich komplett verflüchtigten. „Ja... Kim-ber-ly... das ist gut... geil ... Kim...ber...ly... du killst mich... total...", ächzte Clay leise und feuerte mich damit nicht unerheblich an. Meine Erregung steigerte sich schnell, ich stöhnte laut und gab mich den wunderbaren Gefühlen hin, die Clays Worte, sein erregender Anblick und ich selbst mir bescherten.
Meine Augen fielen halb zu, ich steuerte mit riesigen Schritten auf den Orgasmus zu, als Herr Banton plötzlich abrupt aufstand. Schwer keuchend stand er vor mir, und sein Schwanz ragte hoch auf. Seine Augen waren unergründliche Tiefen, die mich enorm hungrig aufzusaugen schienen. Höchst irritiert und eigentlich widerwillig kam mein Mittelfinger zum Stillstand und entfernte sich von meiner intimsten Stelle.
Clay kam langsam zu mir, hob die Hand und strich mir zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn. Dann küsste er meine Wange und flüsterte sanft: „Bitte warte einen Moment hier, Kim. Ich hole nur eben kurz ein Kondom. Ich bin sofort wieder bei dir." Er schaute mir einen Augenblick lang in die Augen und seufzte: „Þú ert ótrúleg." Auch diese ausländischen Worte nahm ich wohlig erschaudernd in mich auf.
Clay lächelte bezaubernd, drehte sich herum und eilte seinen langen Flur entlang, wo er in einem der anderen Zimmer verschwand. Ich schnappte aufgeregt nach Luft und stand allein dort in seinem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer. Schon spürte ich eine riesige Sehnsucht nach diesem seltsamen Mann. Ich wollte ihn fühlen, tief in mir, jetzt, auf der Stelle!
Clay Banton manipuliert mich, wurde mir bewusst, dieser Mann spielt mit mir, und es macht ihm einen enorm geilen Höllenspaß! Er ist definitiv um einiges erfahrener in sexuellen Dingen, als ich. Das war ja auch kein Wunder, denn er war schließlich viel älter als ich. Und, wenn ich ganz ehrlich war – mir selbst machte dieses mega erregende, so aufregend ungewohnte und neue Spiel mindestens genauso viel Spaß. Ich konnte es kaum noch erwarten, dass er endlich zu mir zurückkam.
Sean
Fragmente einer mega exklusiven Party im barocken Wasserschloss der adeligen Familie von Ravenhorst.
Lange bevor das Fest richtig anfing, hatte ich eine Flasche Sekt geleert, drei Joints geraucht und zwei Linien Kokain geschnupft. Der große Ballsaal füllte sich rasend schnell. Bevor ich mich irgendwo verstecken konnte, hatten mich mindestens zwanzig fremde Menschen auf den Mund geküsst, mich lüstern abgecheckt, mich überall dreist angefasst und mich intensiv begutachtet, genau wie ein Stück Vieh.
Natürlich war jeder absolut entzückt und begeistert von mir, erfreut mich zu sehen, mega heiß auf meinen Körper. Louis präsentierte mich voller Stolz. Er hatte diesmal eine gemischte Party organisiert, aber viel mehr Männer als Frauen, und obwohl Louis wirklich nicht viel Zeit gehabt hatte, so waren doch fast alle freudestrahlend seiner Einladung gefolgt. Im schnellen Organisieren war Louis Frédéric von Ravenhorst außergewöhnlich gut. Und diese Art von Partys waren sein liebster Zeitvertreib.
Mit mir waren noch drei andere Tänzer gebucht worden. Louis hatte für uns Tänzer Kostüme schneidern lassen, die wir beim Tanzen schrittweise ausziehen sollten, und wir bekamen eine ziemlich lächerliche Maske aufgesetzt. Kurz vor dem Auftritt musste jeder von uns zwei Viagra schlucken, natürlich überwacht, denn Louis überließ auch so etwas nicht dem Zufall.
Ich hatte nur mit einem dieser Tänzer, der vielleicht André hieß, schon einmal zusammengearbeitet. Die anderen beiden kannte ich nicht, und ich hatte eigentlich keine Ahnung, was überhaupt verlangt wurde. „Tanz einfach ein bisschen, Sean", sagte Louis leichthin zu mir, „Du bist doch ein hervorragend ausgebildeter Tänzer. Du tanzt ein wenig für sie, und später erfüllst du dann alle ihre Wünsche."
So einfach war das für Louis. Und eigentlich wusste ich auch ganz genau, was auf mich zukam, denn ähnliche Orgien hatte ich ja schon zweimal mitgemacht.
Also tanzte ich ellenlang zu den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi, was mit der Zeit total anstrengend wurde. Von ein bisschen oder ein wenig konnte natürlich keine Rede sein. Mein Tanz und besonders mein Striptease, den ich improvisiert zusammen mit André vollzog, kamen bei den Zuschauern total gut an.
Ich erinnere mich, dass die fremden Menschen mich enorm gierig beobachteten, mich förmlich mit ihren Augen verschlangen. Sie riefen mir frivole Dinge zu, aber ich bemühte mich redlich, sie schlicht zu ignorieren. Das klappte aber nicht besonders gut. Die anderen beiden Tänzer flirteten zunehmend mit dem Publikum.
Ich baute in meinen Tanz ein paar akrobatische Übungen ein und küsste ein paarmal André. Wir simulierten später zusammen einen Geschlechtsakt, der mit frenetischem Jubel quittiert wurde. Einige Gäste fingen je nach Temperament damit an, sich mehr oder weniger auszuziehen. Nur wenige machten schon miteinander rum. Andere brauchten viel länger, um in Stimmung zu kommen.
In der Pause leerte ich noch eine Flasche Sekt, rauchte zwei Joints und nahm drei Linien Kokain. Mein Kopf wurde leicht, ich war ziemlich aufgekratzt. Die beiden unbekannten Tänzer beschwerten sich bei Louis, dass sie zu wenig beachtet werden würden, weil alle Gäste nur auf mich fixiert wären. Wahrscheinlich hatten sie damit Recht. Louis beschwichtigte sie irgendwie.
Nach der Pause tanzte ich zum Turkish March von Wolfgang Amadeus Mozart selbstvergessen eine Choreografie aus Psychotic Kühlschrank. Als ich es bemerkte, brach ich die Performance verwirrt ab und machte mit was völlig anderem weiter, aber das fiel sowieso niemandem auf.
Die allgemeine Stimmung steigerte sich im Laufe der Zeit fast zur Ekstase. Die Leute konsumierten unglaubliche Mengen an Alkohol und Drogen, die ihnen pausenlos vom Dienstpersonal gereicht wurden.
Ich verausgabte mich und kam zu viel ins Schwitzen. Es machte mir daher nichts mehr aus, dass ich inzwischen nackt war. Ich trank während des Tanzens eine halbe Flasche Champagner, bis Louis sie mir wegnahm. Ich verlor meine Maske und tanzte zu Für Elise von Ludwig van Beethoven.
Von dem blöden Viagra bekam ich mittendrin eine Erektion, die begeistert beklatscht wurde. Also küsste ich nochmal André, während der Moonlight Sonata von Beethoven. Ich wurde geil und wollte ihn ficken, aber er stieß mich weg, weil ich noch kein Kondom übergezogen hatte. Die Menge jubelte nochmal ordentlich. Zahllose Hände grapschten begierig nach meinem Körper.
Mir wurde schwindelig und ich verdrückte mich aufs Klo, wo ich noch drei Linien Koks nahm, eine Flasche Champagner leerte und vielleicht vier Joints rauchte, bis Louis wütend gegen die Tür hämmerte. Er zog mich gewaltsam aus dem Klo zurück zur Party. Er war aus irgendeinem Grund sauer auf mich. Ich wollte ihn ficken, aber er meinte, ich sollte meine Energien für die Gäste aufsparen.
Die Stimmung im großen Ballsaal kochte inzwischen fast über. Im riesigen Kamin flackerte ein Feuer. Es war mega heiß und ich schwitzte immer mehr. Vom Kokain hatte ich einen tauben, metallischen Geschmack im Mund, sodass ich noch ein paar Gläser Sekt trank.
Ich fühlte mich aufgekratzt und mischte mich unters Volk. Unzählige Hände griffen nach mir, betatschten mich verlangend, packten mich unentwegt am Schwanz. Jemand schob mir irgendwas in den Hintern, was ich nur schwer wieder raus bekam. Ich nahm noch ein paar Linien Koks, während irgendjemand mich von hinten fickte. Ich trank noch mehr Champagner und küsste eine Frau, die mich pausenlos Monti nannte.
Später suchte ich nach einem Kondom, um sie zu ficken. Ich fand eins und zog es über, konnte aber die Frau nicht wiederfinden. Eine andere machte für mich die Beine breit. Sie kam schnell, lange bevor ich fertig war, also war ich immer noch steif und immer noch geil, als sie mich entließ.
Louis ermahnte mich andauernd wegen irgendwas. Ich streckte ihm die Zunge raus, als er nicht hinsah, und rauchte noch zwei Joints. André tauchte auf, und wir knutschten ein wenig herum, bis Louis uns verärgert trennte. Wir sollten uns lieber um die Gäste kümmern.
Die Musik wurde immer lauter, irgendwas Klassisches, was ich nicht mehr identifizieren konnte. Ich fickte einen Mann und spritzte in das Kondom. Dann entsorgte ich das Kondom in einem Blumenkübel. Jemand schlürfte Sekt aus meinem Bauchnabel. Eine Frau malte mir mit Lippenstift irgendwas auf den Rücken. Ein Mann übergoss mich mit einer Flasche Champagner und verkündete lautstark, dass ich mit Abstand der allerschönste Mann auf Gottes weiter Erde wäre.
Ich ging aufs Klo, schrieb eine SMS an Clay und weinte ein bisschen. Mir fiel ein, dass Clay kein Handy mehr hatte, weil sie es ihm geklaut hatten, deshalb rief ich ihn auf dem Festnetz an. Er nahm nicht ab, also quatschte ich irgendwas auf seinen AB. Dann nahm ich drei Linien Kokain. Danach kotzte ich ins Klo.
Später rauchte ich noch zwei Joints, bis Louis mich fand und wütend zurück auf die Party schleifte. Mein Schwanz war immer noch steif, also fickte ich mit neuem Kondom einen Mann und danach eine Frau. Beide kamen ziemlich schnell. Ich trank noch mehr Sekt oder Champagner. Einer der anderen Tänzer schlug mir ins Gesicht. Louis ermahnte ihn auf das Schärfste. Ich teilte mir mit André einen Joint und rauchte mit drei anderen Männern eine Wasserpfeife. Jemand fickte mich mit einem Kondom ohne Gleitmittel und tat mir dabei ziemlich weh. Der fremde Tänzer wollte seinen Joint auf meinem Hintern ausdrücken. Ich trat ihm reflexmäßig die Hand weg und brach ihm dabei unabsichtlich den Arm. Er wurde vom Sicherheitspersonal unauffällig entfernt.
Ein Mann blies mich so lange, bis ich ihm ins Gesicht spritzte. Ein paar andere Männer spritzten mir ins Gesicht. Ich trank noch eine Flasche Sekt und kotzte sie wenig später wieder aus. Ich rauchte einen Joint und nahm noch ein paar Linien. Mein Herz raste von zu viel Kokain. Meine Hände zitterten. Ich schwitzte wie Sau. Alles drehte sich von zu viel Alk. Zu viele Finger betatschten meinen Körper unvermindert geil.
Irgendwer küsste mich später und holte mir dabei einen runter. Er kam selbst, lange bevor ich fertig war. Louis gab mir zwei Valium, die ich mit Champagner runterspülte. Danach wurde ich langsam ruhiger. Ich fickte noch einen Mann, der mich Loverboy nannte.
Menschen suchten nach ihren Klamotten, zogen sich kichernd an und versicherten sich gegenseitig, wie affengeil es auch diesmal hier gewesen war. Die Party neigte sich dem Ende zu, die Reihen lichteten sich. Jeder wollte mich nochmal umarmen und bedankte sich ausführlich bei mir. Alle nahmen mir das Versprechen ab, auf der nächsten Party abermals so hinreißend für sie zu tanzen. Ich versprach es hoch und heilig ungefähr tausend Mal. Menschen küssten mich und wünschten mir alles Gute. Ich sank auf den Boden und kotzte. Louis streichelte zufrieden mein Gesicht. Die Lichter gingen aus.
Eliza
Es ist merkwürdig, aber an diesen Sonntag kann ich mich kaum noch erinnern. Sehr früh morgens hatte ich mich auf der Straße vor seinem Haus ziemlich dramatisch von Clay getrennt. Wir hatten zum letzten Mal fantastischen Sex gehabt, und sofort danach hatte seine verdammte Heroinsucht meinem Entschluss zur Trennung den allerletzten Schubser gegeben. Ich hatte endgültig mit ihm Schluss gemacht, und er hatte mich tatsächlich angefleht, bei ihm zu bleiben.
Den restlichen Tag verbrachte ich wie im Nebel, deshalb erinnere ich mich nicht mehr ganz genau. Womöglich war ich an diesem Tag allein, oder ich machte irgendwas zusammen mit Rowina. Vielleicht schauten wir uns ein paar Filme an oder gingen spazieren. Ich weiß es nicht mehr.
Abends ging meine beste Freundin jedenfalls erneut in ihr Jagdgebiet der Clubs, und ich hatte absolut keine Lust sie zu begleiten. Deshalb war ich auch an diesem Abend allein zu Hause. Nach dem Sonntagsabendkrimi im Fernsehen bin ich in mein Zimmer gegangen und habe mich müde ins Bett gelegt.
Und damit fing mein altbekanntes Problem nochmal von Vorne an. Ich war auch diesmal nicht in der Lage, etwas dagegen tun. Meine Gedankenmaschine sprang ungewollt und autonom an. Ich war absolut machtlos dagegen.
Den ganzen Tag über hatte ich es wohl erfolgreich geschafft, mich irgendwie abzulenken. Aber in der dunklen, stillen Nacht war das um einiges schwieriger.
In dieser Nacht von Sonntag auf Montag konnte ich entgegen meiner Hoffnungen nicht viel schlafen, weil meine Gedanken plötzlich hellwach bleiben wollten. Ich versuchte mich weiter abzulenken, indem ich Hörspiele auf meinem MP3-Player hörte. Ich lag allein im Dunkeln in meinem Bett und versuchte, mich auf das Hörspiel zu konzentrieren, aber es gelang mir nicht wirklich. Zwischendurch nickte ich wohl immer mal kurz ein. Aber dann war ich auch schon wieder hellwach.
Meine Gedanken kreisten selbstständig und ununterbrochen um Clay Banton, was mich gleichzeitig unglaublich ärgerte. Diese Gedanken und die Gefühle, die sie in mir auslösten, waren mir inzwischen nur allzu gut vertraut. Das hatte ich doch alles schon zur Genüge, dachte ich deprimiert, diese Überlegungen habe ich alle schon tausendmal aufgestellt.
Erst gestern, Samstagnacht, als ich mit meinem Auto bei lauter Musik und mit überhöhter Geschwindigkeit die ganze Strecke bis zum Meer gebraust war, hatte ich doch wahrhaftig das Gefühl gehabt, es endlich überstanden zuhaben! Das war wohl ein Trugschluss gewesen. Clay hatte sich noch einmal in mein Leben gedrängt, schwer verletzt und total hilflos.
Aber jetzt reichte es mir langsam total! Ich versuchte mir energisch einzureden, dass ich auch über Herrn Banton hinwegkommen würde. Er war schließlich im Endeffekt auch nichts weiter als irgendein Typ. Unzählige Frauen wurden jeden Tag damit fertig, wenn sie ihre Männer oder Frauen verließen. Viele Frauen fühlten sich danach mit Sicherheit glücklich und frei. Und es war doch schließlich mein eigener, enorm fester Entschluss, meine Beziehung zu Clay zu beenden. Definitiv.
Andererseits waren es immerhin fast zwei gemeinsame Jahre, die ich hinter mir ließ. Ich hatte auf einmal Schwierigkeiten damit, mich nur an die schlechten Zeiten und an seine miesen Eigenschaften zu erinnern. Die guten Zeiten drängten sich mir im Rückblick zunehmend in den Vordergrund. In meiner Erinnerung schien plötzlich alles nur noch fantastisch gewesen zu sein, was natürlich absoluter Schwachsinn war.
Ich schalt mich selbst eine unverbesserliche Vollidiotin. Denn in Wirklichkeit war nichts anderes in meinem Leben bisher so schmerzhaft leidenschaftlich, so haltlos kompliziert gewesen, wie meine Liaison mit Clay Banton. Ich zwang mich verbissen dazu, mir seine unzähligen schlechten Charakterzüge ins Gedächtnis zu rufen, meine vielen sorgenvollen Stunden, all das Elend, was er mir allein durch seine Drogensucht angetan hatte.
Dieser Prozess war unvermindert schwierig, aber mit der Zeit gelang es mir auch in dieser zweiten Nacht der gefühlsmäßigen Trennung von Clay immer besser. Es wurde tatsächlich langsam einfacher, sein umfassendes Versagen zweifelsfrei zu realisieren. Dieser Mann war absolut egoistisch und völlig beziehungsunfähig, das sagte ich mir immer wieder. Dadurch wurden mir die Gründe meines Entschlusses wieder einleuchtend.
Es gab nämlich keinen anderen Weg. Jeder andere Weg würde auch für mich schon bald in der Katastrophe enden, das war mir sonnenklar.
Irgendwann hatte ich mich endlich soweit, mich wenigstens ein wenig befreit zu fühlen. Meine Gedanken und Gefühle beruhigten sich nur langsam. Ich zwang mich, diesen komplizierten Mann und meine Erinnerung an ihn hinter mir zu lassen. Ich musste akzeptieren, dass er für immer ein Teil von mir sein würde, denn das konnte ich nicht mehr ändern. Er würde für den Rest meines Lebens einen Platz in meinem Herzen haben. Aber ab sofort würde Clay Banton keine Macht mehr über mich ausüben.
Es fiel mir in diesen nächtlichen Stunden sehr schwer, meine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Tatsächlich brauchte ich gefühlte Ewigkeiten dafür. Unzählige schwarze Stunden, in denen ich vor Traurigkeit weinte, weil ich mich unvermittelt so schrecklich einsam fühlte. Ich vermisste ihn ganz fürchterlich, aber das musste ich mir verbieten.
Die Dunkelheit wurde unerträglich, also schaltete ich energisch meine Nachttischlampe an. Dann suchte ich mein Handy und löschte seine Nummern, aber nicht ohne zu zögern. Ich löschte alle seine Nachrichten und schob seine merkwürdigen Briefe tief in meinen Schrank. Danach nahm ich seine Zeichnungen von den Wänden meines Zimmers und versteckte sie ganz hinten in der untersten Schublade der Kommode.
Obwohl es mich ärgerte, brachte ich es einfach nicht über mich, die Bilder von Clay zu zerreißen und wegzuwerfen. Denn seine Zeichnungen waren unvermindert wundervoll, und ich erinnerte mich bei jedem einzelnen Bild daran, wann und warum er es für mich gemalt hatte. Ich versteckte auch alle CDs mit seiner Musik drauf, die er mir geschenkt hatte. Auch die CDs konnte ich nicht wegwerfen, denn ich liebte ja seine Musik und seine Stimme. Nichts in meinem Zimmer sollte mich an Clay erinnern, aber selbstverständlich erinnerte mich trotzdem noch alles an ihn.
Irgendwann in dieser Nacht hörte ich Rowina nach Hause kommen, die offensichtlich nicht allein war. Sie hatte also eine erfolgreiche Jagd gehabt, was später die gedämpften Stimmen aus ihrem Zimmer bestätigten. Ich zwang mich, die eindeutigen Geräusche einfach zu überhören.
Die Nacht von Sonntag auf Montag war für mich sehr dunkel und sehr, sehr lang. Ich kämpfte noch einmal so einen einsamen und schwierigen Kampf. Diesmal kam es mir so vor, als hätte ich den überraschend heftigen Trennungsschmerz noch nie bis zur letzten Konsequenz durchgestanden, und das stimmte vielleicht sogar. Ich beschäftigte mich nochmal sehr intensiv mit meinem Abschied von diesem Mann, der immerhin mein erster richtiger Freund gewesen war, und deshalb war die Zeit alles andere als einfach.
Diese verdammte Nacht schien nicht enden zu wollen. Meine starken Gefühle für ihn, die zweifellos noch immer vorhanden waren, mussten mit vernünftigen Argumenten normalisiert werden. Aus meiner grenzenlosen Zuneigung zu ihm wurde mit der Zeit nur noch Mitgefühl. Ja, ich mochte ihn unverändert sehr. Ich wollte auch weiterhin, dass es ihm gut ging. Aber ich wollte mich nicht mehr für ihn verantwortlich fühlen.
Am Ende der Nacht glaubte ich die innere Gewissheit zu haben, dass ich die Realität wirklich verstanden hatte. Ich war nun endlich auch emotional von ihm getrennt. Und es ging mir zu meiner Überraschung nicht mal mehr allzu schlecht dabei.
Tatsächlich fühlte ich mich irgendwie von einer großen Last befreit. Clay Bantons verrücktes Leben war allein seine Angelegenheit. Ich hatte das unbedingte Recht dazu, mich endgültig von seinem Wahnsinn zu verabschieden. Ich musste mich sogar so fern wie möglich von ihm halten. Es gab nämlich wahrhaftig nichts mehr, was ich noch für ihn tun konnte. Gar nichts mehr, denn ich hatte ja schon längst alles ausprobiert. Sollte sein Liebhaber Sean Valmont doch nochmal sein Glück mit diesem unverbesserlichen Junkie versuchen, damit konnte ich inzwischen gut leben.
Ich würde Clay Banton nicht wiedersehen. Ich wollte ihn nicht wiedersehen. Nun durfte ich mich endlich ganz und gar meinem eigenen Leben zuwenden. Denn mein eigenes Leben war verdammt kostbar! Es war viel zu wertvoll, um es mit Herrn Bantons unzähligen Krankheiten zu vergiften! Diese Erkenntnis brachte mich einen riesigen Schritt voran.
Trotz allem wurde es auch nach dieser schier endlosen Nacht irgendwann langsam wieder hell am Himmel. Der neue Tag brach an und nichts konnte ihn aufhalten. Ich redete mir ein, meine endgültig letzte emotionale Auseinandersetzung mit Clay überstanden zu haben und klopfte mir imaginär anerkennend auf die Schulter. Ein neuer Tag lag vor mir, und damit auch ein neuer Anfang.
Meine viel zu schmerzhaften Altlasten waren von mir heldenhaft und ein für allemal entsorgt worden. Es war seit langem mein erster Tag in Freiheit! Und an diesem Montag hatte ich sogar passenderweise frei! Ich musste nicht arbeiten, konnte also den ganzen Tag tun und lassen, was ich gerade wollte. Das war doch herrlich!
Als ich endlich irgendwie erleichtert aufstand, wollte ich mich unbedingt wie neu geboren fühlen. Aber in Wirklichkeit fühlte ich mich nur total unausgeschlafen und wahrhaftig wie gerädert.
Sean
Ein plötzliches Geräusch weckte mich, ein lautes Klatschen, was ich im ersten Moment nicht identifizieren konnte. Ich riss erschrocken die Augen auf, richtete mich ruckartig auf, und im gleichen Augenblick explodierte mein Schädel. Laut stöhnend sank ich zurück auf diesen viel zu weichen Untergrund und schloss hastig die Augen.
Ich hielt meinen Kopf mit beiden Händen fest, weil ich befürchtete, dass sonst wahrscheinlich meine Schädeldecke aufplatzen würde. Mein Kopf schmerzte höllisch und fühlte sich entsetzlich schwer an, obwohl er in Wahrheit wie leergefegt war. Einen Moment lang wusste ich überhaupt nichts mehr, weder, wo ich war, noch, was passiert war, und das fühlte sich genauso befreiend wie beunruhigend an.
Das fürchterliche Klatschen hörte nicht auf, drohte mir das Gehirn wegzusprengen, deshalb öffnete ich widerwillig nochmal meine Augen, aber ganz vorsichtig. Inzwischen kam dieses penetrante und viel zu laute Geräusch mir bekannt vor. So hörte es sich an, wenn Louis Frédéric von Ravenhorst seine großen Handflächen rhythmisch aufeinander schlug, was er in meiner Gegenwart mit Vorliebe tat.
Ich richtete mich in Zeitlupe auf und drehte ganz langsam und behutsam meinen Kopf in Richtung des nicht enden wollenden Lärms. Tatsächlich, dort saß er, auf einem alten Stuhl, dicht neben dem großen Himmelbett, in dem ich aus irgendeinem Grund lag. Höchstwahrscheinlich hatte Louis mich in der Nacht irgendwann hier abgelegt.
Es war das Bett mit dem zartrosa Baldachin und der weiß-rosa Bettwäsche. Es stand in einem der mittleren Schlafzimmer im Schloss. In diesem Zimmer gab es einen Kamin, zwei Fenster und einen Zugang zum Balkon. Die Wände waren in altrosa und weiß gestrichen, es gab antike Möbelstücke und der Fußboden war, wie überall im Schloss, aus wunderbar gemustertem Parkett. All das wusste ich, ohne dass ich es mir nochmal ansehen musste.
Mein Blick verharrte auf Louis, der mich beschissen hellwach und gutmütig angrinste und einfach nicht aufhören wollte, in voller Lautstärke zu klatschen. Was machte er überhaupt hier? Wie lange saß er schon so dort? Hatte er mich etwa beim Schlafen beobachtet? Und wenn ja, warum? Ach Quatsch, bestimmt war er nur hier, um mich auf diese unsensible Art aufzuwecken.
Als er meinen Blick auffing, wurde sein Grinsen noch breiter. „Na, endlich zurück unter den Lebenden! Wie schön, dich wiederzusehen! Guten Morgen, Herr Professor!" Seine Stimme triefte vor Spott, und ich hob mühsam meine Hände, um ihm klar zu machen, dass er um Himmels Willen endlich mit diesem fürchterlichen Geräusch aufhören sollte. Sein Klatschen stach rhythmisch, wie Messerstiche in meinen Schädel. „Hör auf damit!" knurrte ich schließlich, weil er meine Handbewegung nicht verstand.
Endlich ließ Louis seine Hände sinken. Die darauf folgende Stille war eine Wohltat. Mein Hals war unangenehm trocken und fühlte sich betäubt an. Die Matratze, auf der ich lag, war viel zu weich und so dick, dass ich fast darin versank. Vom Schlafen auf der viel zu biegsamen Unterlage schmerzte mein Rücken.
Mir war enorm heiß, deshalb schlug ich hastig die viel zu dicke und warme Decke zur Seite. Irritiert stellte ich fest, dass ich völlig nackt war und noch immer eine Erektion hatte. Sie fühlte sich nicht gut an, eher wund, aufgestaut und total verspannt. Außerdem musste ich pinkeln, und mit einem Ständer war mir das überhaupt nicht oder nur unter beträchtlichen Anstrengungen möglich.
Ich betrachtete einen Moment unglücklich meinen Schwanz, bis mir klar wurde, dass Louis meinem Blick gefolgt war. „Geht der Scheiß auch nochmal weg?" fragte ich ihn ungehalten, weil ich das unangenehme Gefühl hatte, seit zig Stunden hart zu sein, was wohl auch stimmte. Louis hob grinsend die Hände. „Hey, damit habe ich nichts zu tun, Sean. Das ist doch nur deine normale Morgenlatte", erklärte er mir in gespielter Empörung. Seine Augen glitzerten beschissen amüsiert dabei. „Fuck! Das ist dein Scheiß Viagra!" entfuhr es mir verärgert, woraufhin Louis belustigt kicherte.
Es war mir unangenehm, dass er meinen nackten Körper studierte, aber die schwere Decke war mir entschieden zu warm, deshalb blieb ich einfach so offen liegen.
Ich machte eine kurze Bestandsaufnahme meines angeschlagenen Körpers und stellte fest, dass mein Hintern ziemlich weh tat. Ich erinnerte mich an einen echt schmerzhaften Fick ohne Gleitmittel und schloss gequält meine Augen. Hoffentlich hatte ich in der Nacht nicht zu stark geblutet. Aber jetzt das Bettlaken nach Blutflecken abzusuchen war mir vor Louis zu peinlich, deshalb bewegte ich mich nicht. Mein Kopf pochte schmerzvoll, mein Puls rauschte mir in den Ohren. Ich hatte einen total schlimmen Kater und fühlte mich innerlich immer noch aufgeputscht vom Kokain, sodass meine Finger zitterten. Das war definitiv zu viel, dachte ich erschlagen.
„Mann, du warst gestern fantastisch, Sean! Ein Hoch auf den Sexiest Man Alive!" brüllte Louis auf einmal los und klatschte schon wieder begeistert in die Hände. Ich hielt mir reflexhaft die Ohren zu und starrte ihn entsetzt an. „Hör auf und halt die Klappe!" fauchte ich genervt. Er ließ die Hände sinken, klimperte unschuldig mit den Wimpern und säuselte: „Wieso? Das steht doch da auf deinem Rücken!" Instinktiv drehte ich den Kopf, aber natürlich konnte ich nicht sehen, was auf meinem Rücken stand. Mir fiel nur auf, dass das Bettlaken ein paar Flecken von Lippenstift aufwies, genau wo ich gelegen hatte.
In diesem Moment erinnerte ich mich vage an diese nervige Frau, die sich unbedingt mit ihrem Lippenstift auf mir verewigen wollte. Ich hatte auch das, wie alles in dieser Nacht, willenlos mit mir machen lassen, und ihr Anmalen war definitiv das Harmloseste gewesen. Sexiest Man Alive? Das hatte sie also genüsslich mit ihrem Stift auf meine Haut geschrieben. So ein Schwachsinn!
Stöhnend hielt ich mir den schmerzenden Kopf, da beugte Louis sich vor und griff sich ein Glas, was wohl auf dem Nachttisch gestanden hatte. Er hielt es mir hin und meinte in befehlendem Ton: „Hier, trink das aus!" „Was ist das?" fragte ich misstrauisch, nahm aber das Glas, weil ich tierischen Durst hatte, und die Flüssigkeit im Glas wie Wasser aussah. „Das tut dir gut", versicherte Louis mir lächelnd.
Ich glaubte ihm, also kippte ich das Zeug in einem Schwall in meine ausgetrocknete Kehle und schmeckte im selben Moment, dass das Wasser eine Brausetablette mit einem Schmerzmittel enthielt, wahrscheinlich Acetylsalicylsäure. Eine sehr gute Idee, Louis, dachte ich erfreut. Das kühle Nass fühlte sich wunderbar an und löschte meinen Durst ein wenig. Das Schmerzmittel würde meine Kopfschmerzen schon bald erträglich machen.
Dankbar lächelte ich meinen ältesten Freund an und stellte das leere Glas zurück auf den Nachttisch. Louis erwiderte meinen Blick gutmütig, und in seinen Augen erschien ein warmer Glanz. „Mann, Sean, du bist so toll gewesen! Meine Gäste waren ausnahmslos hellauf begeistert von dir. Du hast sie alle zufrieden gestellt. Restlos", schwärmte er lächelnd.
Er wollte mir mit dieser Behauptung schmeicheln, mir ein nettes Kompliment machen. Aber abgesehen davon, dass ich ihm nicht glaubte, war mir diese Sache total unangenehm und ich wollte sie lieber so schnell wie möglich hinter mir lassen.
„Ich war nicht toll", sagte ich kurz angebunden. „Doch, du bist atemberaubend gewesen! Dein Tanz war absolut betörend!" beharrte Louis und beugte sich zu mir hin, um mir ernsthaft in die Augen zu blicken. „Du - warst - fan - tas - tisch!" betonte er jede einzelne Silbe.
Verlegen wich ich seinem durchdringenden Blick aus. „Ich wollte mich die ganze Zeit am liebsten verstecken", gestand ich ihm ehrlich. Er lachte gerührt. „Ja, und du bist so verdammt clever, Sean! Du hast dich jedes Mal auf einem anderen Klo verkrochen! Ich musste das halbe Schloss nach dir absuchen!"
Im Nachhinein fand er mein Fluchtverhalten anscheinend lustig, obwohl ich mich recht gut daran erinnerte, dass er sich in der Nacht zuvor überhaupt nicht darüber amüsiert hatte. Im Gegenteil, er war jedes Mal stinksauer auf mich gewesen, wenn er mich gefunden hatte. Und er hatte mich trotz meiner Gegenwehr ziemlich gewaltsam zurück auf die Party geschleift.
„Dafür geht es mir jetzt total beschissen!" warf ich ihm ungehalten vor, weil ich mich daran erinnerte, wie wütend Louis auf mich gewesen war, wie brutal er mich behandelt hatte, als es um den Erfolg seiner Orgie ging. „Das ist nicht meine Schuld!" hielt er sofort dagegen, „Ich habe dir nicht befohlen, dich derart abzuschießen, Sean! Niemand hat das von dir verlangt! Das war ganz allein deine eigene Entscheidung!"
Nach einer Pause setzte er hinzu: „Du hast entschieden zu viel Sekt und Champagner getrunken, dazu auch noch riesige Mengen weißes Pulver weg gekokst und wer weiß wie viele Joints geraucht! Das hast du alles ganz freiwillig getan, denn niemand hat dich dazu gezwungen, Mister Valmont!" Er machte mir keinen Vorwurf, sondern nur eine Feststellung.
Auf eine Art hatte er Recht, aber auf eine andere Art nicht, denn wie um alles in der Welt hätte ich denn anders seine dekadente Libertinage ertragen sollen, als mich komplett dicht zu machen?! Das konnte ich Louis aber nicht erklären, denn das hätte er ohnehin nicht verstanden.
„Hast du etwa nicht mitgezählt?" fragte ich ihn stattdessen spöttisch, weil mir schon klar war, dass er mich auf der Party ansonsten unentwegt im Auge behalten hatte. „Ich habe deine Orgasmen mitgezählt", stellte Louis plötzlich in den Raum. Irritiert guckte ich ihn an. Sein Blick war lüstern geworden, er fixierte schon wieder direkt meinen Schwanz. „Du hattest nur zwei", behauptete er dann und blickte mir tief in die Augen.
In seinem Blick lag eindeutig eine Aufforderung, offenbar hatte er Lust auf mich, was längst nicht immer der Fall war. Ich war ein bisschen verwirrt und glotzte nur blöd, als er lachte und meinte: „Ich kann dir gerne dabei helfen, dein kleines... Problem zu lösen." Offensichtlich meinte er damit meine Erektion. Entgeistert starrte ich ihn eine Weile an. Er erwiderte meinen Blick viel zu selbstbewusst und siegessicher.
Nun gut, Louis Frédéric war vor langer Zeit mein erster Sexpartner gewesen, der Mann, mit dem ich damals, mit gerade mal dreizehn Jahren, meine schwulen Begierden zum ersten Mal erforscht hatte. Louis war zu diesem Zeitpunkt schon siebzehn Jahre alt gewesen, bei seiner Familie längst geoutet und um einiges erfahrener als ich. Er war auch der Mann, der mir beigebracht hatte, dass Schwulsein absolut okay ist, auch wenn meine Eltern mir noch immer etwas anderes einreden wollten.
Aber Louis lebte schon lange in einer festen Beziehung. Sein Mann wohnte allerdings sehr weit weg und war beruflich enorm eingespannt, sodass sie sich anscheinend nur selten sehen konnten. Womöglich hatten sie sogar ein Arrangement getroffen, dass jeder von ihnen auch mit anderen Männern schlafen durfte. Das wusste ich nicht, und es interessierte mich auch nicht.
Louis und ich machten manchmal miteinander herum, seltener fickten wir sogar, aber das war immer unverbindlich und situationsbedingt.
In diesem Moment fand ich seine Bemerkung, ich hätte ein Problem, jedenfalls so daneben, dass ich nur angewidert „Du Arschloch!" zischen konnte.
Energisch quälte ich mich aus dem viel zu weichen Bett, obwohl mein Kopf dabei fast zersprang, und schritt eilig zur Balkontür. Ich hatte unglaublich Bock auf eine beruhigende Zigarette. Und auf Louis' blöde Sprüche konnte ich so früh am Morgen, nach dieser verflucht langen Nacht, sowieso sehr gut verzichten! Ich war fantastisch gewesen? Am Arsch! Ich hatte das alles ausschließlich für Clay getan, und für niemanden sonst!
Unvermittelt dachte ich an Clay und hatte zeitgleich unglaubliche Sehnsucht nach ihm, während ich hastig die quietschende Balkontür öffnete. Von draußen wehte sofort ein eiskalter Wind auf meine nackte Haut, sodass ich fröstelte. „Ach, jetzt ist er beleidigt!" höhnte Louis, aber seine Stimme verriet auch einen Hauch Bedauern und Unsicherheit.
Mir fiel gerade ein, dass ich nackt war, deshalb drehte ich mich wütend zu ihm um. „Wo sind meine Sachen, verdammt? Hast du eine Kippe für mich?" Er lächelte entschuldigend. „Nein, Sean, ich rauche keine Zigaretten, und das weißt du auch", antwortete er ruhig. „Wo sind meine Sachen?" wiederholte ich ungeduldig. Louis deutete stumm auf einen Sessel in der Ecke des Zimmers, auf dem ich tatsächlich meine Kleidung entdeckte, sogar sorgfältig zusammengefaltet.
Unverzüglich ging ich hin und durchwühlte meine Jacke nach den Zigaretten. Mit zitternden Fingern klopfte ich eine aus der Schachtel, nahm mein Feuerzeug mit und trat nackt auf den Balkon. Das Wasserschloss hatte keine direkten Nachbarn, also war es eher unwahrscheinlich, dass mich hier draußen jemand sah. Und selbst wenn, so wäre es mir in diesem Moment auch egal gewesen, denn ich wollte unbedingt eine rauchen.
Es war aber so kalt, dass meine Zähne aufeinander schlugen und meine Haut sich zu einer Gänsehaut zusammenzog. Mein Atem bildete weiße Dampfwolken. Nur auf meinen verdammten, peinlich und unangenehm hochstehenden Schwanz schien die Kälte keinerlei Einfluss zu haben, wie ich genervt registrierte. Ich zündete hastig die Marlboro an und nahm einen tiefen Zug. Das Nikotin schien meine überreizten Nerven auf der Stelle zu beruhigen.
Während ich genüsslich den Qualm tief in meine Lungen zog, blickte ich auf das riesige Anwesen der von Ravenhorsts. Es war noch dämmrig, also musste es noch sehr früh am Morgen sein. Die eisige Luft schien meinen vernebelten Verstand ein wenig aufzuklaren.
„Komm wieder rein, Sean! Es ist viel zu kalt da draußen!" stöhnte Louis und trat hinter mich. „Ich will eine rauchen!" entgegnete ich trotzig. „Dann rauch in Gottes Namen an der Tür, aber komm rein ins Zimmer!" befahl er mir und zog mich am Arm ein paar Schritte rückwärts, bis ich halb in der Tür stand und noch die Wärme des Zimmers spürte. „Ich will nicht, dass du krank wirst!" meinte Louis einnehmend liebevoll zu mir und strich mir leicht über die zitternden Schultern.
In diesem Augenblick fiel mir siedend heiß ein, dass heute Montag war. Das war ein verfluchter Arbeitstag. Und es war der Tag, an dem der wichtige Reporter von ArtHouse mich interviewen wollte.
„Fuck!" schrie ich entsetzt auf, sodass Louis erschrocken zusammenzuckte und mich alarmiert musterte. Ich taxierte ihn vorwurfsvoll. „Wie spät ist es? Ich muss doch bestimmt längst in der Schule sein!" Schon wollte ich mich von ihm wegdrehen und zu meinen Sachen stürzen, um sie anzuziehen, doch Louis hielt mich sanft aber bestimmt auf, indem er mich fest umarmte. „Nein, beruhige dich, Sean!" flüsterte er mir ins Ohr und küsste sanft meine Wange.
Seine Annäherung ging mir zu weit, aber seine Worte irritierten mich zu sehr, um darauf zu reagieren. Ich schaute ihn nur verwirrt an, und er lächelte und streichelte über mein Gesicht. „Du kannst noch hier bleiben. Ich habe dich für die ersten Stunden entschuldigt." „Du hast was?!" entfuhr es mir im ersten Moment entgeistert, aber in den nächsten zwei Sekunden wusste ich auch schon, dass Louis sehr klug und vorausschauend gehandelt hatte. Ich fühlte mich nämlich definitiv noch nicht fit genug, um jetzt sofort und damit wahrscheinlich pünktlich vor meine Studenten treten zu können.
„Ist schon gut. Beruhige dich", flüsterte Louis und küsste nochmal meine Wange. Dann küsste er meine Lippen, aber ich reagierte nicht, also ließ er mich seufzend wieder los. „Ich habe dich geweckt, damit du dich noch in Ruhe vorbereiten kannst, bevor du zur Kunsthochschule musst", erklärte Herr von Ravenhorst mir ein wenig geknickt.
Meine Ablehnung kränkte ihn anscheinend irgendwie, was echt selten, aber mir im Moment egal war. Ich dachte schmerzhaft sehnsüchtig an Clay, und dann sah ich vor meinem inneren Auge meine überfüllten Seminare in der Schule, und dann fiel mir nervös dieser Reporter ein, und überall und bei jedem musste ich selbstverständlich einwandfrei funktionieren. Das war für mich zwar nichts Neues, aber zur Zeit war ich dazu schlicht absolut nicht in der Lage.
Ich fühlte mich wie ausgekotzt, obwohl die Schmerztablette langsam anfing zu wirken. Mein Schwanz und mein Arsch taten jedoch total weh, denn ich hatte sie beide in der Nacht zuvor einwandfrei überanstrengt. Ich brauchte dringend irgendwas, was mich schnell und komplett wieder auf Vordermann bringen würde, einen echt wirksamen Fitmacher.
Gierig rauchte ich die Zigarette auf und warf sie dann in hohem Bogen über die Brüstung in den Wassergraben. „Hast du noch Koks da?" fragte ich Louis geradeheraus. Er musterte mich fassungslos. „Du willst noch mehr Schnee? Hat es dir gestern noch nicht gereicht, Sean?" „Ich will jetzt eine Linie. Nur zum Wachwerden", erläuterte ich ungeduldig. Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich gebe dir heute kein Kokain. Das tu ich dir nicht an", meinte er arrogant, was ich echt zum Kotzen fand. „Und gestern war es okay, oder wie?" knurrte ich ihn wütend an.
Er drehte sich von mir weg und schloss die Tür zum Balkon. „Gestern hatten wir eine sehr einträgliche Party. Und da werden nun mal diese Dinge verlangt, Sean. Die Leute zahlen nicht wenig Eintritt, und sie brauchen alle ein paar Hilfsmittel, damit sie richtig in Stimmung kommen können. Diese Drogen lösen ihre Hemmungen auf, das hast du ja wohl auch langsam begriffen, oder?" „Das habe ich schon immer begriffen", erwiderte ich genervt.
Seine Doppelmoral ärgerte mich. Wenn es um seine Partys ging, war ihm jedes Mittel recht, aber wenn ich ihn für mich um Drogen bat, so spielte er jedes Mal den Moralapostel.
„Du hättest gestern mehr essen sollen, Sean. Du hast das Buffet überhaupt nicht angerührt! Wenn du mehr gegessen hättest, dann wäre dein Kater heute Morgen nicht halb so schlimm", behauptete Louis blöd oberlehrerhaft. „Spar dir solche Belehrungen!" wies ich ihn genervt zurecht und wandte mich meinen Klamotten zu.
Wenn Louis mir kein Koks gab, dann würde ich mir eben woanders was besorgen. Ich konnte Travis danach fragen. Nach dieser durchtanzten Nacht hatte ich einfach keine Kraft mehr, diesen enorm wichtigen Tag ohne ein bisschen chemische Unterstützung durchzustehen, das spürte ich in jeder Faser meines Körpers.
Verdammt, heute war die erste Bühnenprobe von Supernova Soul. Ich musste den Reporter von ArtHouse unbedingt von meinen Qualitäten als Autor und Regisseur überzeugen, zusätzlich die Theatertruppe zusammenhalten und irgendwie mit Clay Banton fertig werden. Und vor allem musste ich dringend damit klar kommen, auch an diesem zweiten Tag der Abstinenz auf keinen Fall Heroin anzurühren, obwohl meine Seele unmissverständlich danach verlangte.
Als ich nach meiner Unterwäsche griff, hielt Louis meine Hände sanft aber bestimmt zurück. „Nein, warte doch bitte. Bleib noch eine Stunde, Sean", flüsterte er behutsam und betrachtete mich interessiert. „Bitte, nimm doch jetzt zuerst in Ruhe ein warmes Bad. Du bist immer noch völlig durchgeschwitzt. Auf deiner Haut steht in dunkelroten Buchstaben Sexiest Man Alive. Außerdem musst du dich dringend entspannen. Ich habe den Eindruck, du stehst noch total neben dir von dem vielen Koks und den Mengen an dope, die du geraucht hast."
Seine Stimme war sehr sanft, aber auch eindringlich, beinahe flehentlich. Ich schaute ihn eine Weile prüfend an, und irgendwas regte sich in mir, ein Gefühl von Vertraulichkeit und Zuneigung.
Diesen Mann kannte ich sehr gut, er war lange Zeit mein einziger Freund gewesen. Er hatte mir geholfen, mein Leben nach meinen eigenen Wünschen zu gestalten. Ohne ihn wäre mit Sicherheit alles vollkommen anders gelaufen, dachte ich, und dann fühlte ich mich auf einmal irgendwie wohl in seiner Nähe.
„Rauchst du in der Badewanne einen Joint mit mir?" fragte ich ihn lächelnd. Er grinste erfreut, weil er mich gut genug kannte, um meine Gedanken zu erraten. „Wenn du das möchtest, dann tue ich das", hauchte er in mein Ohr. Diesmal reagierte ich auf ihn. Und dann küssten wir uns eine Weile, und dieses Mal hatte ich gar nichts mehr dagegen, ihn so nah an mich heranzulassen.
Als er sich kurz darauf von mir löste, meine Hand nahm und mich ins Badezimmer nebenan führte, war ich eindeutig erwartungsvoll.
Clay
In dieser Nacht hatte ich einen echt intensiven Traum. Es fing an wie ein Albtraum mit Messern und Seilen, aber es endete im ultimativen erotischen Overkill. Alles drehte sich um dunkelrote, lange Haare und grüne Augen, knochige Körper, überwältigend enge Fotzen und große, harte Schwänze, um kleine Titten und knackige Ärsche, und natürlich fickte ich mir die ganze Zeit die Seele aus dem Leib.
Mein überirdischer Orgasmus weckte mich auf, und ich zuckte noch immer in enorm wohligen Schauern, als ich überwältigt die Augen aufschlug. Meine Boxershorts fühlten sich heiß und nass an, denn natürlich hatte ich mich in sie ergossen, aber das Gefühl war definitiv zu geil, um sich daran zu stören.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und ich atmete ganz tief, um mich zu beruhigen. Ich war total durchgeschwitzt und brauchte etliche Minuten, um zu realisieren, dass ich mich in meinem Schlafzimmer befand und allein in meinem Wasserbett lag. Die Decke hatte ich wohl im Schlaf herunter getreten, denn sie lag am Fußende neben dem Bett auf der Erde. Draußen vor dem Fenster dämmerte erst der neue Tag, es musste also noch ziemlich früh sein.
Mein erster halbwegs klarer Gedanke galt Kimberly. Das Junkiemädchen drängte sich mir förmlich auf, denn ich war noch immer im Halbschlaf, noch immer erregt, und ich erinnerte mich mit einem breiten Grinsen daran, wie sehr sie mich überrascht und letztendlich auch geschafft hatte.
Diese kleine, geile Schlampe hatte mich doch wahrhaftig tollkühn gebeten, sie von hinten zu nehmen, was ich nie im Leben von ihr erwartet hätte, nicht mal in meinen kühnsten Träumen, die ich jedoch von dieser Frau bestimmt niemals gehabt hatte.
Oh Fuck, diese sexuelle Stellung war mit Abstand mein absoluter Favorit! Denn nirgendwo sonst hatte ich beim Ficken mehr Bewegungsfreiheit, konnte allein den Rhythmus bestimmen und tiefer in die Frau eindringen, als beim Doggystyle.
Zu meinem ständigen Bedauern mochte Eliza diese Stellung überhaupt nicht, und ich hatte es trotz meiner hartnäckigen, aber auch sensiblen Bemühungen nie geschafft, ihre ablehnende Meinung zu ändern. Eliza fühlte sich tatsächlich dadurch in ihrer weiblichen Ehre gekränkt oder irgendwie herabgesetzt, was natürlich lächerlicher Schwachsinn war. Ich hatte ewig lang und immer wieder auf Eliza eingeredet und geduldig versucht, ihr den G-Punkt zu erklären, aber die sture Frau hatte jedes Mal abgeblockt und konnte damit nichts anfangen.
Frau Laser wollte natürlich auch beim Sex Macht über mich ausüben, sie wollte mich in ihrer Hand haben, und ich hatte mich seufzend ihren Vorlieben ergeben. Und wenn ich ehrlich war, der Sex mit Eliza war eigentlich trotzdem meistens absolut fantastisch.
Aber umso mehr freute es mich trotzdem immer, wenn eine andere Frau dazu bereit war, sich direkt vor mir niederzubeugen, mir ihren geilen Arsch vertrauensvoll entgegen zu strecken und mir damit die absolute Kontrolle zu überlassen.
Erstaunlicherweise hatte sich ausgerechnet die mega junge Kimberly als so ein herrlich unbefangenes Weib entpuppt. Sie hatte mich mit ihrem unerwarteten Wunsch echt kalt erwischt, ich war hundertprozentig unvorbereitet. Auf der Stelle war ich so enorm geil auf sie gewesen, dass ich mich kaum noch zurückhalten konnte.
Nur mühsam hatte ich mich zur Ruhe gezwungen, denn gleichzeitig mit meiner Geilheit wuchsen auch meine Befürchtungen, dass es mit dem Mädchen bekannte Schwierigkeiten geben könnte. Es war nun mal eine Tatsache, dass sie sehr jung war, bestimmt noch unerfahren, und die Frau war entsetzlich dünn. Ihre Knochen stachen überall an ihr hervor. Außerdem war sie viel zu schüchtern, sie wurde andauernd rot, was ich total süß fand, was uns aber beim Sex mit Sicherheit behindern würde.
Ich fürchtete jedenfalls nicht grundlos, dass Kimberly trotz ihrem kühnen Wunsch schlicht nicht bereit für mich wäre, nicht nass und unverkrampft genug für mich war, sodass ich erst gar nicht in sie hereinkommen oder ihr aber sicherlich wehtun würde. Ich wollte ihr aber auf keinen Fall wehtun.
Deshalb war ich erst mal auf dem Sofa sitzen geblieben und hatte ein bisschen vor ihren Augen gewichst, um sie damit aufzugeilen. Ich wusste ja, dass die meisten Frauen mir gerne beim Masturbieren zusahen und das es sie fast immer stark erregte. Kimberly schien allerdings erst ein wenig verwirrt über meine Tätigkeit zu sein, konnte aber ihren Blick trotzdem nicht von mir abwenden, wie ich amüsiert registriert hatte.
Und dann hatte sie mich noch einmal enorm überrascht, als sie wahrhaftig damit anfing sich selbst zu stimulieren, und zwar auf die geilste Art. Das hatte ich bestimmt nicht erwartet, und es überwältigte mich fast, sie dabei zu beobachten. Offenbar war das Mädchen beim Sex längst nicht so schüchtern, wie ich es befürchtet hatte, und darüber war ich echt mega erstaunt und grenzenlos erleichtert.
Dummerweise erregte mich dieses ganze Vorspiel aber viel zu stark. Schon sehr bald konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich war förmlich zu meinem Schlafzimmer gerannt, um hastig ein Kondom zu holen. Ich holte vorsichtshalber ein extra feuchtes und nahm auch gleich die Tube Gleitmittel mit. Und was war dann passiert? Das Gleitmittel hatte ich jedenfalls nicht benötigt!
Mann, allein die Erinnerung daran ließ meine Erregung erneut aufwallen, sie strömte heiß durch meinen ganzen Körper und sammelte sich zwischen meinen Beinen. Ich griff hinunter und stellte fest, dass ich schon wieder oder immer noch hart war, als würde mein nächtlicher Orgasmus immer noch andauern, und das war so geil, dass ich laut aufstöhnte.
Auch noch im Rückblick in meinem Kopf war Kimberly die heißeste Sexpartnerin seit langem für mich. Sie hatte mich im Endeffekt mehr als überwältigt. Mit ihr war mir sogar etwas passiert, was ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt hatte.
Während ich mich an unseren ersten Fick erinnerte, wälzte ich mich stöhnend auf meinem Wasserbett herum und genoss die angenehme Geilheit in meinem Körper.
Ja, ich hatte selbstverständlich liebend gerne ihren heißen, merkbar dringenden Wunsch erfüllt, nachdem Kimberly mir erstaunlich geschickt das Kondom übergezogen hatte. Offenbar hatte sie so etwas schon öfter gemacht, was mich insgeheim schon wieder überraschte. Dann hatte sie sich keuchend über der Sofalehne abgestützt, mir ihren süßen, knackig-knochigen Hintern entgegengestreckt und total verwegen gekeucht: „Nimm mich, Clay! Oh, bitte!"
Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt in Wahrheit schon nicht mehr wusste, wie mir überhaupt geschah, hatte ich ihren Wunsch nur zu gerne in Angriff genommen. Ich hatte mich in die richtige Position hinter ihr gebracht, meinen Schwanz gepackt und war ganz vorsichtig mit ihm in sie eingedrungen, immer ängstlich bedacht darauf, ihr bloß nicht wehzutun.
Doch meine Vorsicht war unbegründet, denn obwohl das kleine Mädchen ganz genauso eng war, wie ich es erwartet hatte, so war sie doch erstaunlich nass und elastisch gewesen, sodass ich sofort fast ohne Probleme in sie hinein kam. Sie hatte augenblicklich laut aufgestöhnt, offenbar ganz genauso überwältigt von dem Gefühl unserer enorm intensiven körperlichen Vereinigung, wie ich.
Fuck, wie eng sie wirklich gewesen war, wie kochend heiß und nass, wie stark in dieser Position meine empfindliche Eichel gereizt worden war und wie verflucht tief ich sie auf diese Weise rammeln konnte!
Bei dem Gedanken daran wälzte ich mich keuchend auf dem Rücken auf meinem Bett herum und konnte mich nicht mehr zurückhalten, meine rechte Hand in meine Boxershorts zu schieben. Natürlich packte ich direkt voll in meinen nächtlichen Samenerguss, aber die Feuchtigkeit geilte mich nur noch mehr auf. Stöhnend zerrieb ich meinen warmen, klebrigen Samen auf meinem harten Schwanz, was sich verdammt gut anfühlte.
Normalerweise hilft mir das Kondom und vor allem das Heroin dabei, jeden Geschlechtsverkehr lange genug durchzuhalten, damit mein jeweiliger Partner in Ruhe zuerst seinen Gipfel erreichen kann. Frauen erleben meistens sogar mehrere Höhepunkte, bis ich soweit bin.
Aber das erste Mal mit Kimberly war zu meiner Irritation vollkommen anders gelaufen und wahrhaftig nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte.
Ich war dermaßen erregt gewesen, dermaßen von der Rolle, total hin und weg vom Doggystyle, von meiner Macht über sie, von ihrem jungen, dünnen Körper und den absolut überwältigenden Gefühlen, die sie pausenlos in mir auslöste, dass ich viel zu schnell die Kontrolle über mich verloren hatte.
Kimberly hatte zu meiner erneuten Überraschung ihre Schüchternheit komplett vergessen und sich überhaupt nicht zurückgehalten. Sie hatte laut gestöhnt, meinen Namen gekeucht und mich angefeuert, und ich konnte mich nicht mehr beherrschen und fickte sie echt hart und schnell. Meine Finger gruben sich dabei in ihre knochigen Hüften und mein Blick verweilte auf ihrem wundervollen Arsch.
Es dauerte im Endeffekt höchstens fünf Minuten, bis ich auch schon fühlen und hören konnte, dass sie ans Ziel kam, und zwar ziemlich gewaltig. Ihre ohnehin schon absolut überwältigend enge, enorm feuchte und heiße Grotte zog sich rhythmisch um mich zusammen, echt fest und ruckartig, fast schon schmerzhaft, und genau in diesem Augenblick erreichte auch ich meinen Höhepunkt, ohne dass ich es noch hätte verhindern können.
Keine Ahnung, was genau passierte, es war jedenfalls so unerwartet, so überirdisch heftig, dass mir tatsächlich die Beine weg knickten. Ich ergoss mich in das Kondom, während ich im nächsten Moment hinter ihr auf den Boden fiel, weil meine Beine mich einfach nicht mehr tragen konnten. Ich flutschte aus ihr heraus, fiel auf die Erde und spritzte, während ich schon auf dem Boden saß, noch ein paarmal in das Kondom. Mein Körper zuckte enorm, alle meine Muskeln kontrahierten rhythmisch. Ganz tief aus meiner Kehle waren mir dabei seltsame, laute Geräusche entwichen, die ich ganz sicher noch niemals von mir gegeben hatte. Alles verschwamm vor meinem Blick, ich war verdammt nahe an der Ohnmacht gewesen.
Keuchend erinnerte ich mich genau an diesen galaktischen Augenblick beim ersten Sex mit Kimberly, sah ihren kleinen Arsch und ihre enge Fotze genau vor mir, wie mein Schwanz hart in sie hinein stieß.
Ich lag auf meinem Bett und konnte nichts anders mehr tun, als heftigst dabei zu wichsen, und ich war immer noch so erregt, dass ich schon nach wenigen Minuten einen neuen Höhepunkt erreichte. Mein Samen schoss nochmal aus mir heraus, was mich zum entfesselten Stöhnen brachte, obwohl es inzwischen weit weniger Wichse war, als in der Nacht.
Offensichtlich gingen meine Vorräte zur Neige, aber das tat meinen geilen Gefühlen überhaupt keinen Abbruch. Und diese körperliche Tatsache wunderte mich auch nicht. Immerhin hatte ich das Junkiemädchen am Abend und in der Nacht zuvor ungefähr drei Mal gefickt, und immer in meiner Lieblingsstellung von hinten.
Nach dem total überstürzten und peinlich misslungenen ersten Mal, das ich in keinster Weise hatte kontrollieren können, hatte sie mich umarmt und sanft getröstet, weil ich echt total am Ende gewesen war und noch lange am ganzen Körper gezittert hatte.
Die anderen Male waren dann weit weniger hektisch abgelaufen, aber nicht weniger geil und überwältigend. Später hatten wir uns zusammen meine Zeichnungen angesehen, die sie unbedingt sehen wollte. Wir waren in mein Atelier hinaufgegangen, und ich hatte ihr meine neuen Bilder gezeigt. Dort hatte ich noch einige Zeit weiter an den Entwürfen gezeichnet, während sie mir ruhig zugesehen hatte. Sie flirtete aber pausenlos mit mir, und wir fickten letztendlich zwischen meinen Gemälden.
Und noch später hatten wir zusammen ein paar Flaschen Wein geleert und vor allem noch viel mehr Heroin geraucht. Gefickt hatten wir zwischendurch auch noch im Badezimmer am Pool und sogar in der Küche, während sie sich an meinem Tisch abstützte. Kimberly hatte sich wahrhaftig als nahezu unersättlich entpuppt und mir zwischendurch kaum Zeit gelassen, um mich richtig zu erholen. Das war eine verdammt angenehme Zeit gewesen mit dieser fremden Frau, wenn auch im Grunde viel anstrengender, als mir lieb war.
Aber nun war sie weg und ich würde sie ganz bestimmt nie wiedersehen, dessen war ich mir sicher. Erst vor ein paar Stunden hatte ich sie bis zu ihr nach Hause gefahren, zum Campus, denn sie wohnte scheinbar in einem dieser Heime für Studenten. Sie hatte sich tatsächlich mit einem Kuss von mir verabschiedet und mir für die überirdisch geile Zeit gedankt. Selbstverständlich hatte keiner von uns von einem Wiedersehen gesprochen, und das hatte ich auch bestimmt nicht erwartet.
Nach meinem zweiten frühmorgendlichen Höhepunkt lag ich ruhig auf meinem Bett, atmete ganz tief und bebte sanft nach. Mann, es war Ewigkeiten her, dass ich zweimal so kurz hintereinander gekommen war oder allein in meinem Bett gewichst hatte! Alleine wichsen war eigentlich überhaupt nicht meine Art und bestimmt nicht meine Lieblingsbeschäftigung, schon sehr lange nicht mehr.
Aber die kleine Rachegöttin Kimberly hatte wahrhaftig voller verdammt angenehmer Überraschungen gesteckt. Und sie überwältigte mich tatsächlich noch immer, allein durch das Bild von ihr in meinem Kopf, allein durch die Erinnerung an diesen heilkundigen Elfen, diese wundersame Zaubermaus.
Während ich ganz still dort lag, in die beginnende Dämmerung schaute und mich vom zweimaligen Abspritzen erholte, dachte ich voller Erstaunen an diese seltsame Frau, die mich so unverhofft und ziemlich dreist am Nachmittag zuvor aufgesucht hatte, angeblich um sich bei mir zu entschuldigen. Doch in Wahrheit hatte sie lediglich pausenlos im Doggystyle mit mir ficken wollen, das kleine, versaute Biest!
Diese erneute Begegnung mit Kim verwirrte mich ungemein, weil sie viel intimer gewesen war, als ich es je auch nur hätte ahnen können. Und diese Intimität lag zu meiner Bestürzung nur zum geringsten Teil an dem geilen Sex, den wir miteinander geteilt hatten.
Sex hatte ich schon mit unzähligen Menschen gehabt. Er war zwar verdammt geil, aber er bedeutete im Grunde überhaupt nichts, nur einen kurzweiligen Spaß, eine zeitweilige Zerstreuung.
Nein, das Junkiemädchen war auf eine viel intimere Art in mich eingedrungen. Sie hatte meine verletzte Seele berührt und mir wahrhaftig zugehört. Sie hatte sich für mich interessiert.
Wie um alles in der Welt war es nur dazu gekommen? Hatte ich ausgerechnet Kim tatsächlich von meinem Vater erzählt, sogar dieses enorm tiefgehende Geheimnis um meinen Vornamen? Hatte ich etwa wirklich isländisch für sie gesprochen? War das tatsächlich passiert? Im Ernst?
Ich hatte seit zwanzig Jahren kein isländisch mehr geredet, seit es von meiner Mutter als unerwünschte Sprache deklariert worden war und sie mir strengstens verboten hatte, diese Worte jemals wieder in den Mund zu nehmen.
In der ersten Zeit nach der Trennung von meinem Dad hatte ich es noch manchmal heimlich vor mich hin gemurmelt, weil ich eigentlich mit ihm reden wollte. Aber mit den Jahren hatte das komplett aufgehört. Es gab neue Menschen und Probleme, und mein Leben spielte sich von da an nur noch in deutsch und englisch ab.
Trotzdem war es eine verstörende Tatsache, die ich zu meinem Erschrecken nicht mehr ändern konnte: Kimberly hatte mir isländische Wörter und Wahrheiten über meinen Vater entlockt! Wie um Himmels Willen hatte sie das nur geschafft, verflucht nochmal? Fuck! Verdammte Scheiße!
In diesem Moment konnte ich plötzlich meine dummen und gefährlichen Vertraulichkeiten dem Mädchen gegenüber überhaupt nicht mehr fassen, geschweige denn auch nur ansatzweise begreifen. Ich hatte tatsächlich dieser fremden Frau, die mich doch eigentlich total hasste, mich im Theater mit Steinen bewerfen ließ, mir öffentlich eine fiese Vergewaltigung vorwarf und mich überaus schmerzhaft hatte verprügeln lassen private Sachen von mir erzählt, die ich vorher noch nie jemandem anvertraut hatte, nicht mal Sean oder Eliza. Das waren überaus persönliche Dinge, die ich niemals jemandem erzählen wollte, weil sie mir so viel bedeuteten, dass ich mich durch sie enorm angreifbar fühlte.
Der Gedanke, was die verflucht brutale Rachegöttin jetzt wohl mit ihrem Wissen über mich anstellen würde, beunruhigte mich zunehmend, deshalb schob ich ihn hastig von mir. Ich konnte Kim nicht einschätzen, das hatte ich doch noch nie und die ganze Zeit nicht richtig gekonnt. Es war gut möglich, dass sie mich inzwischen längst wieder abgrundtief hasste und total verabscheute. Wenn sie mich wegen meinem Vater auslachen würde, dann würde ich sterben.
Fuck! Bestimmt hatte sie längst ihrem Freund von uns erzählt, sich wütend bei ihm über mich beschwert und behauptet, ich hätte sie schon wieder vergewaltigt, und diesmal sogar mehrmals. Ganz bestimmt schmiedete sie just in diesem Augenblick schon neue, noch finsterere und gemeinere Rachepläne gegen mich!
Das Weib und ihre gewaltbereiten Freunde würden mich komplett fertigmachen! Und ich Idiot lag allein in meinem Bett und holte mir ausgerechnet auf diese linke Furie einen runter! Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Die Bitch hatte mich bestimmt verhext! Das war das ganze Geheimnis! Mit Sicherheit! Sie war eine hinterhältige und mächtige Zauberin! Sie hatte mich geradewegs bei meinen niederen Instinkten gepackt, und ich Trottel war natürlich sofort voll auf sie hereingefallen!
Schlagartig verpuffte meine sexvernebelte Dämmerwelt und ich war mit einem Mal hellwach. Plötzlich fand ich die nassen Spuren meiner Geilheit in meiner Hose, auf meinem Körper und an meiner Hand so widerlich, dass ich sie nicht länger ertragen konnte.
Hastig stand ich auf und stürzte hinüber in mein Badezimmer. Ich schaltete das Licht an, stieg stolpernd in die Dusche, schlug die Türen zu und drehte eilig die Hähne auf. Das Wasser, was mich fast schmerzhaft unvermittelt von allen Seiten traf, war eiskalt, aber genauso wollte ich es haben.
Ich war so verflucht dumm! Ich riss mir förmlich die Shorts vom Leib und wusch wie besessen meinen weißen, klebrigen Samen von meiner Haut. Es war ekelhaft! Ich war so blöd und so verdammt anfällig wegen dieser Scheiß sexuellen Gefühle! Sie überwältigten mich vollständig, und zwar jedes einzige Mal, machten mich total verrückt und total schwach! Und ich war zweifellos absolut süchtig nach ihnen! Ich war hundertprozentig ausgeliefert meinen eigenen Trieben!
Langsam solltest du dich mal besser im Griff haben, schimpfte ich verärgert mit mir, du kannst dich nicht ständig in diesen Scheiß hineinsteigern, du kannst nicht pausenlos so gierig nach Sex sein! Das ist absolute Scheiße, macht dich schwach und enorm verwundbar! Dieses Mädchen hatte genauso leichtes Spiel mit dir, wie jeder andere, der dich auf irgendeine Art antörnt!
Aber damit sollte jetzt Schluss sein! Ab sofort würde ich meine berechtigte Vorsicht nicht mehr für ein paar erotische Minuten vergessen!
Wie entfesselt wusch ich auf meiner zerschnittenen Haut herum. Ich nahm noch Duschgel hinzu und schrubbte mir schmerzhaft alle geilen Gedanken an Kimberly vom Leib, bis die weißen Klebebänder sich lösten, meine durchnässten Verbände von mir abfielen und meine empfindliche, überreizte Haut knallrot wurde.
Als ich den Schmerz nicht länger ertragen konnte, stellte ich das Wasser ab. Ich stieg aus der Dusche und trocknete mich ab. Ich zwang mich verbissen, einen klaren Gedanken zu fassen, aber ich war enorm verwirrt, deshalb fiel mir das schwer.
War heute nicht ein ganz normaler Montag? Musste ich nicht längst diese wichtigen Zeichnungen abliefern? Wollte ich nicht heute zum Methadonarzt gehen, um mir dieses Ersatzmittel verschreiben zu lassen? Wollte ich nicht endgültig damit aufhören, shore zu rauchen?
Dieser Gedanke machte mir eine Heidenangst und ließ mein körperliches Unbehagen plötzlich in einer höchst bekannten Weise auflodern. Mir wurde klar, dass es definitiv Zeit wurde, um ein wenig Heroin einzufahren. Der letzte Chinese war schon viel zu lange her. Ich hatte ihn in der Nacht im Wohnzimmer zusammen mit Kimberly geraucht.
Ungeduldig stürzte ich hinüber ins Wohnzimmer und überprüfte nervös meine Heroinvorräte. Fuck, die blöde Bitch hatte es sogar geschafft, dass ich fast meine ganze shore mit ihr geteilt hatte, dabei hatte sie mir nur lächerliche zwanzig Euro dafür gegeben, die sowieso meine gewesen waren! Das konnte doch alles gar nicht wahr sein!
Ich stöhnte verärgert und legte mir hastig einen Chinesen aufs Silberpapier. Enorm gierig rauchte ich ihn weg und dann noch einen und noch einen. Meine Jogginghose lag unverändert auf dem Boden vor der Couch. Kim hatte sie dort fallen gelassen, nachdem sie mich höchst erotisch komplett ausgezogen hatte. Wie gierig und fasziniert sie meinen nackten Körper studiert hatte! Ganz eindeutig hatte ich ihr sehr gefallen!
Ich schüttelte wütend den Kopf, um die unerwünschten Gedanken zu vertreiben, beugte mich hinunter und nahm mein teures Smartphone und mein Zippo aus den Hosentaschen. Kim hatte mir mein Eigentum zurückgebracht, doch sie hatte das nicht ohne Hintergedanken getan. Natürlich nicht! Aber ihre wahren Beweggründe waren mir noch immer ein einziges großes Rätsel. Diese verdammte Frau verwirrte mich total, denn ihr Verhalten war irrational.
Aber ich wollte nicht länger über sie nachdenken, auf keinen Fall, denn das brachte mir nichts ein. Ich wollte diese ganze merkwürdige Geschichte am liebsten vollständig aus meinem dummen Gehirn auslöschen! Und vor allem wollte ich sie niemals wiedersehen! Wir hatten uns gegenseitig benutzt, zusammen eine geile Zeit gehabt und dabei sollte es gefälligst bleiben.
So etwas tat ich doch ständig, ich benutzte Menschen zur sexuellen Befriedigung und ließ mich freiwillig von ihnen benutzen, vollkommen ohne Verpflichtungen oder Ansprüche. Und das war auch gut und richtig so. Damit kannte ich mich aus, es gefiel mir, weil es herrlich unkompliziert war, und ganz genau so wollte ich es schließlich haben!
Als ich mein Handy anschalten wollte merkte ich, dass der Akku noch immer vollkommen leer war. Kim hatte ihn komplett geleert. Eine Weile suchte ich ungeduldig nach dem Aufladekabel. Endlich fand ich es im Schlafzimmer, ging hinüber in die Küche und stöpselte das Handy dort in die Steckdose.
Im selben Moment klingelte es auch schon. Jemand brüllte mich an, warum mein Handy solange nicht eingeschaltet gewesen war, er versuche schon ewig mich zu erreichen. Es dauerte einige Zeit, bis mir klar wurde, dass es Tom Kollmann von der Agentur war, der mich anbrüllte. Er versicherte mir wutentbrannt, dass ich von ihm nie wieder einen Auftrag kriegen würde, wenn ich nicht in zehn Minuten bei ihm antanzen würde. Mit den fertigen Zeichnungen!
Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, hatte Tom die Leitung schon unterbrochen. Ich stöhnte genervt, warf das Handy auf die Arbeitsplatte und versuchte dann mich zusammenzureißen. Der AB blinkte schon wieder, jemand hatte eine Nachricht hinterlassen, aber ich hatte wirklich keine Lust auf noch mehr wütendes Gebrüll. Das Handy piepte, weil irgendwelche SMS eingingen, die ich nicht lesen wollte.
Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, und wie ich es in zehn Minuten bis zur Agentur schaffen sollte. Auch waren meine Zeichnungen nicht fertig, und sie gefielen mir nicht. Trotzdem ging ich hinauf ins Atelier und packte die Papiere in meine Mappe.
Danach ging ich zurück ins Badezimmer. Ich stellte mich noch einmal unter die kalte Dusche, verzweifelt darum bemüht einen klaren Kopf zu bekommen. Aber das funktionierte kaum. Als ich mich abtrocknete, war ich immer noch voller merkwürdiger Gedanken und beunruhigender Gefühle.
Nach der Dusche putzte ich mir hektisch die Zähne und rasierte mich oberflächlich. Dann stolperte ich eilig ins Schlafzimmer. Ich stand vor meinem Kleiderschrank und versuchte die richtigen Klamotten für die Agentur zu finden. Es widersprach meistens total meiner Natur, mir darüber überhaupt Gedanken zu machen. Allerdings hatte mich die Erfahrung gelehrt, dass die Menschen auf unterschiedliche Kleidung höchst unterschiedlich reagierten. Ich versuchte also instinktiv, Tom zufriedenzustellen, damit er mir noch eine Chance gab.
Schließlich zog ich nach der Unterwäsche ein hellblaues Seidenhemd an, band mir die weinrote Krawatte um, zog die Weste und mein gutes graues Jackett an und dunkelblaue Markenjeans. Dann schlüpfte ich in graue Socken und meine schwarzen Sneakers.
Eine Weile betrachtete ich mich im Spiegel und wurde davon ziemlich nervös. Ich sah verletzt aus und alles tat mir weh. Heute war der Schmerz fast noch schlimmer als gestern. Mein Schädel pochte dumpf.
Also rauchte ich noch den Rest der shore weg. Aber ich genoss es nicht, weil ich mich so beeilen musste, was mir absolut gegen den Strich ging. Und die shore war auch viel zu schnell weggeraucht. Wütend zerriss ich das leere pack, steckte es in den Mund, kaute eine Weile und schluckte dann das Papier herunter, in der Hoffnung auf noch ein bisschen mehr Wirkung.
Unvermittelt klingelte schon wieder mein Handy, und die Melodie hing mir total zum Hals raus. I am the future von Alice Cooper?! Nein, so fühlte ich mich heute Morgen wahrhaftig nicht!
Ich stolperte in die Küche, denn das Handy steckte immer noch dort in der Steckdose. Tom drohte mir, weil mein Erscheinen seit zehn Minuten überfällig war. Ich versprach ihm auf dem Weg zu sein. Er klickte mich auch diesmal kommentarlos unhöflich weg. Ich pfefferte das Handy wütend gegen die Wand. Es ging davon nicht kaputt, aber der Akku war immer noch leer, deshalb ließ ich es dort. Gehetzt befüllte ich noch mein Feuerzeug mit neuem Benzin.
Ich nahm hastig die Mappe mit den Zeichnungen, verließ meine Wohnung und zündete mir im Hausflur eine Zigarette an. Als ich auf die Straße trat, war es draußen noch nicht einmal richtig hell, es musste also immer noch sehr früh sein. Es war extrem kalt. Ich fühlte mich unangenehm zugedröhnt und angeschlagen, als ich in meinen MG kletterte. Meine Wunden schmerzten trotz der lindernden Wirkung des Heroins. Ich fluchte und mir fiel ein, dass ich vergessen hatte eine Schmerztablette und eine Antibiotika zu nehmen.
Ich warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Mein linkes Auge war grün geschwollen, was mich unglaublich störte. Ich fragte mich spontan, wo meine Wayfarer war, denn ich hätte sie zu gerne aufgesetzt. Aber ich hatte keine Ahnung, wo die Scheiß teure Brille war, was mich eine Weile ziemlich ärgerte.
Es ging mir nicht gut. Ich fühlte mich müde und leer. Ich war mir nicht sicher, ob ich dieser Konfrontation würde standhalten können. Ich atmete tief die Nervosität weg.
Dann fuhr ich kurzentschlossen auf direktem Weg zur Agentur. Ich parkte direkt vorm Haus und rannte die Stufen hinauf.
Im Büro erwartete mich die ganze Belegschaft und gab hämische Kommentare ab, die ich zu ignorieren versuchte. Ihre Blicke tasteten ungeniert meinen Körper ab, schätzten meine Verfassung und registrierten gnadenlos meine Schwäche. „Was ist los mit dir, Banton, du siehst ...kaputt aus!" bemerkte Tom spöttisch. Ich sparte mir eine Antwort. Ich lächelte nur unsicher und wünschte, ich könnte mein Gesicht hinter der Wayfarer verstecken.
„Du bist schon wieder zu spät!" wurde mir unnötiger Weise mehrfach mitgeteilt. Tom riss mir die Mappe mit den Zeichnungen aus der Hand und breitete sie auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes aus. Die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich von mir weg zum Ergebnis meiner Arbeit. Ich schloss resigniert die Augen, denn mir war klar, dass die Zeichnungen nicht gut waren. Außerdem waren sie nicht fertig, aber ich hoffte, dass das niemandem auffiel.
Viel zu lange herrschte bedrücktes, ungläubiges Schweigen, während alle auf die Bilder auf dem Tisch starrten. Es wurde richtig ungemütlich still. Ich bekam das dringende Bedürfnis, dieses Büro sofort zu verlassen. Die drei Werbefachleute, deren Namen ich vergessen hatte, fingen an zu tuscheln und warfen mir geringschätzige Blicke zu.
„Komm her!" rief Tom plötzlich. Ich gehorchte ihm, trat an den Tisch und sah mir wie alle anderen meine Zeichnungen an. „Was soll denn das sein, verdammt?!" fuhr Tom mich sauer an, „Was hast du dir denn dabei gedacht, Banton?!"
Das Gemurmel schwoll an, negative Kommentare wurden abgegeben. Ich starrte auf die Bilder und rührte mich nicht. Ich hatte keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht hatte. Ich hatte mir nichts dabei gedacht, einfach gezeichnet. Kim hatten meine Zeichnungen sehr gefallen. „Ich weiß nicht", sagte ich verwirrt.
Tom packte mich am Arm. „Der Kunde möchte Versicherungen verkaufen, Banton! Deine Bilder sollten Sicherheit, Wohlstand und Glück ausstrahlen, verdammt nochmal!" Seine Augen funkelten böse. „Aber dieses Zeug hier stiftet höchstens Verwirrung!"
„Ja, diese Bilder sind ganz extrem negativ, fast schon psychotisch!" bemerkte die Marketing Expertin Fiona und fixierte mich beunruhigt. Ich erwiderte lächelnd ihren Blick. Ich erinnerte mich plötzlich daran, dass ich schon mindestens fünf Mal mit Fiona geschlafen hatte. Ich erinnerte mich, dass sie es mochte, wenn ich ganz sanft ihre Klitoris leckte, und dass einer der Werbefachleute ihr Ehemann war. Aber ich konnte mich nicht erinnern, welcher der drei es war.
„Man könnte beinahe Angst kriegen beim Anschauen, Clay!" sagte Fiona leise zu mir. „Verflucht nochmal!" donnerte Tom ungeduldig los und riss an meinem Arm herum. „Was sollen wir denn jetzt dem Kunden vorlegen, Banton?! Kannst du mir das beantworten?!" „Tut mir leid", erwiderte ich überfordert.
Die allgemeine Unzufriedenheit machte sich in lauten Beschimpfungen Luft. Alle hatten ja schon vorher gewusst, dass mit mir nicht mehr viel los wäre. „Ich zeichne das nochmal! Ich setze mich sofort da dran!" schlug ich hastig vor. Einer der Idioten lachte bitter auf. „Blöd nur, dass der Kunde in zwanzig Minuten die Ergebnisse sehen will, was, Banton?!" machte er mich lächerlich.
Tom starrte mich ungläubig an. „Denkst du denn allen Ernstes, ich könnte dir nochmal vertrauen? Wenn ich dich nicht tausendmal angerufen hätte, dann wärst du heute wahrscheinlich überhaupt nicht hierhergekommen, oder?" „Und das wäre bei Weitem nicht das erste Mal!" ergänzte irgendein Arschloch arrogant. Ich warf ihm dafür einen vernichtenden Blick zu, den er nicht bemerkte, denn seine Aufmerksamkeit lag auf der zweiten Marketing Expertin, an deren Namen ich mich nicht erinnerte.
„So kann ich mit dir nicht arbeiten!" erklärte Tom mir merkwürdig resigniert und musterte mich enttäuscht. „Thema komplett verfehlt, setzen, sechs!" rief ein blöder Witzbold.
Doch niemandem in diesem Büro war noch nach Witzen zumute, denn sie fürchteten jetzt alle um das Geld, das ihnen wegen mir durch die Lappen gehen würde. Sie fürchteten um ihren guten Ruf als Werbeagentur, der durch meine Zeichnungen in Gefahr war. Die wichtige Frage wurde aufgeworfen, was nun mit dem Kunden geschehen sollte, und dass dieser verdammt lukrative Auftrag in Gefahr wäre.
Ich sah mir die Menschen in diesem Büro an, gut gekleidete Hyänen, die sich an meinem Versagen geifernd aufgeilten. Es gefiel ihnen ungemein, dass ich versagt hatte und nicht sie. Mein Bedürfnis, dieses Büro zu verlassen, wurde immer größer.
„Was ist mit meinem Geld?" fragte ich Tom lauernd. Ich hatte genug Energien in diese Scheiß Zeichnungen gesteckt, um dafür bezahlt zu werden. Es war mir egal, ob Tom die Bilder gebrauchen konnte oder nicht.
Aber er taxierte mich, als hätte ich den Verstand verloren. „Was glaubst du denn, Banton? Denkst du ernsthaft, ich kaufe dir Zeichnungen ab, mit denen ich nichts anfangen kann?!" „Ich habe hart an den acht Bildern gearbeitet, Kollmann! Und jedes einzelne ist 100 Euro wert!" erklärte ich ihm mit Nachdruck. Er schüttelte fassungslos den Kopf.
„Du warst mal richtig gut, Clay, aber inzwischen kriegst du kaum noch was geregelt", warf er mir geringschätzig vor, „Es würde mich nicht einmal wundern, wenn du das Thema deines Auftrages einfach vergessen hast!" „Deine Meinung interessiert mich nicht! Du hast mich damit beauftragt, und deshalb musst du mich auch dafür bezahlen!" beharrte ich laut.
Tom schaute mich alarmiert an. Etwas in meinem Blick beunruhigte ihn merkbar. „Ich kann diese Bilder nicht gebrauchen, Clay. Und ich kann mich nicht erinnern, dir jemals eine Abnahmegarantie für deine Arbeiten gegeben zu haben", warf er ruhig ein, aber ich ignorierte seinen wahrscheinlich berechtigten Einwurf stur. „Ich krieg 800 Euro von dir!" erwiderte ich nur drohend.
Es gefiel mir, dass mein Blick ihn verunsicherte, ihm vielleicht sogar Angst machte. Tom schaute sich nervös und hilfesuchend nach seinen Arbeitskollegen um, die uns interessiert beobachteten. Ihre Mienen schwankten zwischen Neugier, Verärgerung und Unbehagen vor dem drohenden Streit. Mir gefiel die aufblitzende Furcht in ihren Augen.
„Bleib ganz ruhig, Clay!" rief Fiona besorgt, „Das werden wir schon irgendwie regeln!" Sie war die einzige, die halbwegs auf meiner Seite stand, und sie erntete keine Zustimmung. Es folgte eine kurze Absprache unter den Werbemenschen, ob ich ein Anrecht auf Bezahlung hätte. Selbstverständlich wollten sie mich nicht bezahlen.
„Geh einfach nach Hause, Banton!" rief irgendein Wichser mir zu, was ich schlicht überhörte. „Ich bekomme 800 Euro von dir, Kollmann!" wiederholte ich drohend zu Tom gewandt. Er schüttelte den Kopf. „Ich kann deine Bilder nicht gebrauchen, Clay! Sieh das doch endlich ein!" „Trotzdem habe ich sie gezeichnet!" beharrte ich. „Ich will sie aber nun mal nicht haben, verdammt!" erwiderte Tom genervt.
Ich starrte ihn wütend an und atmete tief ein. „Hör zu, ich habe diese Scheiß Bilder für dich gemalt und deshalb gibst du mir jetzt mein Geld dafür!" stellte ich lauthals klar. Er fixierte mich kampfbereit und ging einige Schritte zurück. „Ja, da sagst du was, Banton. Es sind Scheiß Bilder!" sagte er herausfordernd.
Aber ich merkte ihm an, dass er sich stärker gab, als er in Wirklichkeit war. Es gefiel mir, seine Angst vor meiner Wut zu wittern. Er war mir nicht gewachsen und das befriedigte mich ungemein. Böse grinste ich ihn an und überlegte, ob ich ihn ungestraft schlagen könnte. Mit Tom allein hätte ich sicher nicht allzu viele Probleme, schätzte ich. Aber da waren leider noch die anderen Menschen in diesem Büro. Sie würden Tom ohne Zweifel zu Hilfe eilen, warnte mich eine innere Stimme. Und ich hatte wenig Lust, heute schon wieder Prügel einzustecken. Die Folgen meiner letzten Schlägerei waren noch viel zu deutlich spürbar.
„Gib mir einfach die 800 Euro, Tom!" forderte ich ihn ganz ruhig auf. Er seufzte resigniert und warf seinen Arbeitskollegen einen hilflosen Blick zu. „Meine Fresse, jetzt hau schon endlich ab, du Arschloch!" fauchte jemand ungeduldig in meine Richtung. Ich drehte mich nicht einmal zu ihm um. Ich guckte Tom an und mein Blick duldete keinen Widerspruch. Tom war nämlich der Chef dieser Werbeagentur, die anderen waren nur seine Mitarbeiter. Niemand würde ihm letztendlich diese Entscheidung abnehmen.
Ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Gehirn arbeitete. Er wog die möglichen Konsequenzen seines Handelns ab. Wenn er mich nicht bezahlte, dann würde ich hier richtig Ärger machen, daran ließ ich keinen Zweifel, indem ich meine Aggressionen nur oberflächlich beherrschte. Ich dachte hastig darüber nach, wie ich meiner Forderung noch mehr Nachdruck verleihen konnte. Er suchte gedanklich nach dem kleineren Übel.
Es war eine unbestreitbare Tatsache, dass Tom in den letzten Monaten hauptsächlich dank meiner Zeichnungen mit seiner Werbeagentur eine Menge Geld verdient hatte. Und ich glücklicherweise mit ihm.
„Sag mal, Banton, bist du schwer von Begriff?!" Einem der Werbeleute platzte hörbar der Kragen. Der Typ kam um den Tisch herum auf mich zu. Ich wandte mich ihm betont gelangweilt zu. Er trug einen unverschämt teuren Designeranzug, wie ich mit einem Blick feststellte. Seine Augen funkelten wütend. „Du kriegst für diesen Mist kein Geld und damit basta!" donnerte er mich ungeduldig an. „800 Euro!" wiederholte ich ungerührt.
Er atmete tief ein und deutete auf den Tisch, auf dem unverändert meine Zeichnungen ausgebreitet waren. „Deine Psycho Kacke kannst du dir in den Arsch schieben, Banton, dafür siehst du keinen Cent!" erklärte er mir äußerst unhöflich.
Meine Augen verengten sich verärgert. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, mich noch länger mit diesem Mist aufzuhalten. „Ich schiebe dir meine Psycho Kacke gleich in deinen wohlgefälligen Arsch!" teilte ich ihm offen mit. Irgendjemand stöhnte genervt auf. Der Werbetyp stand jetzt dicht vor mir und musterte mich intensiv. Als er meine sichtbaren Verletzungen registrierte, wurde sein Gesicht spöttisch. „Du wolltest wohl schon jemand anderem was in den Arsch schieben, was, Banton? Hast du dafür die Prügel gekriegt?" wollte er geringschätzig von mir wissen. Ich grinste ihn an und war sehr nahe daran ihn zu schlagen.
„Versuch doch, sie woanders zu verkaufen!" schlug Fiona hastig vor, die mich gut genug kannte, um meine drohende Reaktion zu ahnen. „Ich verkaufe sie euch!" entgegnete ich trotzig und warf Fiona einen Blick zu. Sie sah ziemlich besorgt aus. Ich hatte plötzlich eine Vision von ihrer Hand auf meinem Bauch.
„Wir haben jetzt echt keine Zeit mehr für diesen Scheiß!" gab einer der Werbefachleute zu bedenken, „Der Kunde kann jeden Moment hier auf der Matte stehen!" Ich war inzwischen echt kurz davor das Büro in Brand zu stecken oder so etwas. Ich schob meine Hand unauffällig in mein Jackett und streichelte mit dem Daumen über die Gravur auf meinem Zippo.
Sie wollten mich dringend loswerden, weil der Kunde jeden Moment auftauchen konnte. Wohl deshalb lenkte Tom plötzlich widerwillig ein. Er packte mich spontan am Arm und schob mich aus dem Konferenzraum über den Flur in sein eigenes Büro. „Aber glaub bloß nicht, dass ich nochmal einen Auftrag für dich habe, Herr Banton!" versicherte er mir verärgert. „Das wird sich noch zeigen, Kollmann, ob du mich noch brauchst. Ohne mich wäre deine Scheiß Agentur doch gar nichts! Einzig und allein meinen Zeichnungen habt ihr euren Erfolg zu verdanken!" behauptete ich spöttisch. Zu meinem Erstaunen widersprach Tom mir nicht.
Wir gingen hinüber in sein Büro. Er schloss die Tür und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er holte aus einer Schublade sein Scheckheft, klappte es auf und schaute auf seinem Kalender nach dem Datum. Ich stand in diesem Zimmer und fühlte mich kaputt und übermüdet. Ich versuchte, mich als Gewinner zu fühlen, aber das gelang mir irgendwie nicht. Ich schaute mir verstohlen Toms Büro an und war gegen meinen Willen erneut beeindruckt vom Wert und der Ästhetik der Einrichtung.
„Was ist los mit dir, Clay?" fragte Tom mich plötzlich traurig. Ich warf ihm einen Blick zu. Er saß an seinem Schreibtisch und betrachtete mich mitleidig, was mir überhaupt nicht gefiel. „Mit mir ist gar nichts mehr los, das hast du doch selber gesagt", antwortete ich grinsend. Tom schüttelte seufzend den Kopf, und damit war sein Interesse an meiner Person auch schon erschöpft.
Jemand rief ihn an und teilte ihm mit, dass der Kunde von der Versicherung angekommen war. Sofort wurde Tom nervös und hatte es sehr eilig. Hastig stellte er mir den Scheck aus. „Mehr gibt es nicht, dass das klar ist, Clay!" herrschte er mich ärgerlich an. Ich nahm den Scheck und sah mir den Betrag an. 500 Euro stand drauf. „Sei froh, dass ich dich überhaupt bezahle!" fauchte Tom aufgebracht, obwohl ich mich gar nicht beschwerte. Wortlos versenkte ich den Scheck in meinem Jackett.
„Du musst jetzt gehen!" teilte Tom mir unnötiger Weise mit, denn ich wollte ja schon die ganze Zeit nur noch hier weg. Lächelnd wandte ich mich zur Tür, um diese Irrenanstalt endlich zu verlassen. Der Gedanke befriedigte mich ungemein, dass diese Hyänen nun ihren lukrativen Auftrag vielleicht verlieren würden, weil sie nur meine Ergebnisse vorzeigen konnten.
Betont langsam verließ ich Toms Büro, damit mein Abgang ja nicht wie eine Flucht wirkte. Ich lief über den Flur zum Ausgang, als irgendwer mich unerwartet ansprach: „Hast du heute schon Bennet's Blog gelesen, Clay Banton?" Irritiert schaute ich mich um. Es war die andere Marketing Expertin, deren Namen ich vergessen hatte. Sie grinste ziemlich spöttisch. Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir wollte. „Was...? Nein...", stotterte ich verwirrt. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was Bennet's Blog überhaupt war. Sie lachte amüsiert und zwinkerte mir tatsächlich zu. „Dann solltest du das schnell mal tun, du Superstecher!" grinste sie zweideutig, gab mir einen Klaps auf den Hintern und verschwand im Konferenzraum.
Ich drehte mich viel zu hastig um und stolperte die Treppen hinunter. Ich hatte das Gefühl, es nicht eine Sekunde länger in diesem Sanatorium für Geisteskranke aushalten zu können.
Draußen ging ich erleichtert zu meinem MG und atmete tief durch. Ich schloss die Augen und konnte überdeutlich spüren, wie auf einmal sämtliche Emotionen mich verließen. Da war kein Gefühl des Triumphs mehr in mir, keine Wut, kein Neid, kein Erstaunen und keine Schadenfreude. Ich spürte nur noch eine vollkommene innere Leere.
Sean
Es war die erste Bühnenprobe von Psychotic Kühlschrank 2 - Supernova Soul und Clay war nicht anwesend. Diese Probe lief dementsprechend katastrophal, nichts klappte richtig, nichts wollte so Gestalt annehmen, wie es mir vorschwebte. Das war kein Wunder, denn nur Clay und ich trugen dieses Stück. Es fiel mir zunehmend schwer, meine Rolle mit einem Phantom proben zu müssen, wie ich es in letzter Zeit so oft gezwungen war zu tun.
Wenn ich an Clay Banton dachte schien es mir, als würde ich genau das schon mein ganzes Leben lang tun: Theater spielen mit einem unsichtbaren Partner.
Er war zur ersten Probe nicht gekommen, obwohl er es mir versprochen hatte, und das nahm ich ihm wirklich übel. Vincent musste noch arbeiten, aber Marc war dort, der sich um das Drumherum kümmerte. Charlotte schaute vorbei, nachdem ich sie am Telefon daran erinnert hatte. Aber Clay war nicht da, und er war nicht erreichbar, und deshalb war alles einfach nur Scheiße.
Es konnte mich nicht einmal trösten, dass Charlotte von Supernova Soul anscheinend tatsächlich beeindruckt war. Vincent kam nach seiner Arbeit, wie er es angekündigt hatte.
Letztendlich saß ich im Foyer des Theaters und verfolgte die Unterhaltung der anderen nur am Rande. Ich war aufgewühlt und nervös. Es war schon nach vier Uhr, und der Reporter von ArtHouse war noch nicht aufgetaucht. Ansonsten war meine winzige Crew anwesend, die aus Marc und Vincent bestand. Beide stürzten sich mit Elan in dieses neue Abenteuer, wofür ich ihnen dankbar war.
Charlotte verhielt sich indessen mir gegenüber irgendwie merkwürdig. Sie versuchte aber auffallend, ganz normal zu wirken. Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich ihre Veränderung registrierte. Charlotte Hynde war ständig vorsichtig und lauernd. Sie beobachtete mich oft verstohlen, wenn sie dachte, ich würde es nicht merken.
Ich wollte lieber nicht an unsere unglückselige Begegnung in der Garderobe nach der katastrophalen Samstagabend Vorstellung denken. Aber natürlich drängte die peinliche Erinnerung sich auf, auch wenn sie teilweise verschwommen war. Ich bekam den starken Verdacht, dass Charlotte unentwegt darauf lauerte, dass ich plötzlich den Verstand verlieren und in ihren Augen irrsinnige Dinge tun oder sagen würde. Sie erwartete offenbar eine erneute Katastrophe und hielt merkbar Abstand.
Aber sie lag völlig falsch, denn die lauernde Katastrophe ging nicht von mir aus. Ich hatte dem ArtHouse Menschen ein Interview mit allen aktiv Beteiligten an Psychotic Kühlschrank versprochen. Aber der wichtigste Hauptdarsteller, der verdammte Titelheld fehlte immer noch. Unser psychotischer Kühlschrank war nicht da. Und ich war mir absolut nicht sicher, ob er noch auftauchen würde.
Für Clay Banton war das Theaterspielen nie so wichtig gewesen, wie für mich. Normalerweise hielt er gar nichts für so wichtig, um es deswegen in harte Arbeit ausarten zu lassen. Ich stellte mir gerne vor, dass er nur mir zuliebe meistens so intensiv an seiner Rolle arbeitete, sich solche Mühe gab und dann so verdammt gut war. Ich stellte mir liebend gerne vor, dass er nur für mich der Figur in meiner Performance seine vollständige und unwiderstehliche Gestalt verlieh. Diese Vorstellung beflügelte mich enorm.
Aber in Wahrheit kannte ich Clays Beweggründe nicht. Ich hatte im Grunde keine Ahnung, warum er sich auf der Bühne die Seele aus dem Leib spielte.
Dass er zu diesem wichtigen Termin nicht gekommen war zeugte nur davon, dass sein Interesse an Supernova Soul offenbar nicht dafür ausreichte. Meine Enttäuschung darüber war größer, als ich glaubte ertragen zu können.
Aber natürlich ließ ich mir nichts anmerken. Ich schluckte meinen immensen Schmerz tapfer herunter, denn selbstverständlich hatten die anderen es ja schon vorher gewusst. Es überraschte sie längst nicht mehr, wenn Clay uns im Stich ließ. Nichts an Clays Verhalten konnte sie noch überraschen. Clay war gar nicht mehr in der Lage ihnen wehzutun. Er verärgerte sie höchstens noch. Und inzwischen machten sie ihrem wachsenden Ärger auch lautstark Luft.
„Das ist ja ganz schön Scheiße, wenn der nicht mehr auftaucht!" zischte Vincent geringschätzig. Charlotte und Marc stimmten ihm zu. „Ihm muss doch klar sein, wie wichtig dieses Interview für uns ist!" seufzte Marc. „Vielleicht solltet ihr euch einen neuen Schauspieler suchen", schlug Charlotte ernst vor, „Ich glaube nicht, dass ihr euch auf Clay noch verlassen könnt." „Man konnte sich noch nie auf ihn verlassen!" stöhnte Vincent, „Von zehn Proben versäumt er acht! Das war doch schon immer so!" „Nein, das war nicht immer so", meldete ich mich leise.
Ich sah mich nervös zur Tür um. „Außerdem ist es viel wichtiger, dass der Reporter kommt!" wollte ich das Thema wechseln. Vincent lachte bitter auf. „Du denkst, wir könnten bei diesem Interview auf Clay verzichten? Das ist doch nicht dein Ernst, Sean!" Marc nickte zustimmend. „Ist doch klar, dass der Reporter uns nach dieser unseligen Vergewaltigungsgeschichte fragen wird. Er will mit Sicherheit wissen, warum jemand am Samstag diese Steine auf Clay geworfen hat. Was sollen wir ihm dann sagen?" „Wenn Clay nicht hier ist, dann macht er sich nur noch viel mehr verdächtig!" meinte Charlotte, „Das wirft kein gutes Licht auf ihn."
Ich atmete tief durch und zwang mich ganz ruhig zu bleiben. „ArtHouse soll sich gefälligst für meine neue Performance interessieren, und nicht für irgendwelche ominösen Anklagen gegen meine Schauspieler!" verlangte ich trotzig. Marc lächelte mich an. „Ich hoffe, das ist so", seufzte er. „Aber ich glaube nicht, dass es so ist!" erwiderte Vincent und zuckte bedauernd mit den Schultern, „Du kennst diese Reporter doch! Je schmutziger die Story, umso höher wird die Auflage der Zeitschrift!" Ich schüttelte den Kopf. „Nein, du irrst dich, Vince. Das ist vielleicht bei anderen Zeitschriften so. Aber ArtHouse ist absolut seriös, die schreiben keinen billigen Schund!"
Ich bemühte mich, selber an meine Worte zu glauben. Sie waren eigentlich einleuchtend. ArtHouse hatte damals höchst schmeichelhafte Artikel über Clays Ausstellungen veröffentlicht. Sie hatten kein einziges Wort über Clays schwierige Kindheit, seine Drogenvergangenheit oder seine privaten Exzesse verloren.
Aber ich erinnerte mich noch zu gut daran, wie sehr es den Reporter nach dem Angriff auf Clay nach einer Antwort verlangt hatte. Er wollte unbedingt den Grund für diese Steine wissen. Er wollte erfahren, ob die böse Anklage stimmte. Er hatte mich leider kaum nach der Performance gefragt, nur immer wieder nach diesem Scheiß Vorfall.
„Ist es wahr, dass du gehst?" wechselte Marc unvermittelt das Thema und guckte Charlotte bedauernd an. Sie nickte ein bisschen zu eifrig und warf mir einen anklagenden Blick zu. Ich war einerseits froh, dass das Interesse sich von Clays Abwesenheit abwandte. Jedoch war das Thema um Charlottes Weggang nicht weniger unangenehm für mich. Ich warf wieder einen nervösen Blick zur Tür. Es war immer noch niemand zu sehen.
Wir saßen in der Lobby in einer der Sitzecken auf den alten Ledersesseln, und ich fühlte mich zunehmend unwohl. „Ich glaube nicht, dass Sean in Supernova Soul eine Rolle für mich hat", erklärte Charlotte vorwurfsvoll. Marc und Vincent sahen mich spontan anklagend an. „Warum eigentlich nicht?" fragte Marc mich verwundert. Ich taxierte Charlotte eindringlich. „Weil sie sowieso gehen wollte. Nicht wahr, Charlie?! Du hast ein neues Arrangement am Stadttheater und darum keine Zeit mehr für uns, oder?"
Ich versuchte, ihr durch meine Augen die Botschaft zu vermitteln, mein Lügenspiel mitzuspielen. Ich wollte unbedingt, dass sie Marc und Vincent aus unserem Konflikt heraus hielt. Denn nach dem Vorfall in der Garderobe war es schließlich allein ihr Entschluss gewesen, nicht weiter mit mir arbeiten zu wollen. Sie hatte mir ihren Weggang doch unmissverständlich klar gemacht. Nun sollte sie sich gefälligst auch nicht beschweren, wenn ich sie in meinem neuen Stück nicht mehr eingeplant hatte.
Ich weiß nicht, ob Frau Hynde diese Sache genauso sah. Ich glaube, dass sie nur meinem in ihren Augen irren Aussetzer an diesem Samstag Abend die Schuld an allem gab, wahrscheinlich hauptsächlich meinem Heroinkonsum, also mir allein. Sie schien mir mein Verhalten immer noch sehr übel zu nehmen, dabei hatte sie nichts als einen verbotenen Blick auf mein Innerstes erwischt, nichts als die Wahrheit gesehen. Ich bekam aber mit der Zeit fast den Eindruck, Charlotte Hynde hatte deswegen jetzt Angst vor mir. Sie fürchtete offenbar meine Unberechenbarkeit.
Aber aus irgendeinem Grund schlug sie sich in diesem Moment trotzdem auf meine Seite. Darüber war ich spontan sehr erleichtert, denn es ersparte mir lästige Vorwürfe und Diskussionen mit Vincent und Marc.
„Ja, das stimmt", log sie für mich, ohne mit der Wimper zu zucken, „Ich werde in der nächsten Saison eine große Rolle am Stadttheater übernehmen. Tut mir ja leid, aber die Gage dort ist zwanzig mal höher als bei euch." In dieser Situation konnte sie noch nicht wissen, dass ihre Behauptung sich glücklicherweise bewahrheiten sollte.
Charlotte fixierte mich aufmerksam. In ihrem Blick lag eine gewisse Vorsicht, aber auch Anklage, Stolz und Trotz. Vielleicht wollte sie mir durch ihre Augen vermitteln, dass ich ihr für diese Lüge mehr als nur Dankbarkeit schuldete.
„Herzlichen Glückwunsch!" rief Marc beeindruckt aus, „Das ist ja toll, Charlie!" Sie lächelte, aber ihr starrer Blick lag unvermindert auf mir. Ich hatte plötzlich das unangenehme Gefühl, als würde ich ihr nur noch leid tun. Ihre Arroganz gefiel mir überhaupt nicht. Ich warf nervös einen weiteren Blick zur Tür, stand auf und flüchtete aufs Klo, um schnell noch einen kleinen rock zu rauchen.
Charlotte
Sean rief mich unerwartet an. Er bat mich ins Theater zu kommen, weil der Typ von ArtHouse alle interviewen wollte, die etwas mit Psychotic Kühlschrank zu tun hatten. Natürlich hatte ich diesen wichtigen Termin nicht vergessen. Aber ich hatte tatsächlich gezögert ihn wahrzunehmen.
Mir graute vor einer erneuten privaten Begegnung mit Herrn Valmont. Ich konnte diesen schrecklichen Samstag Abend nicht vergessen. Diese Nacht, in der er so vollkommen anders gewesen war, als ich geglaubt hatte ihn zu kennen. Immer noch hatte ich ungewollt diese grausamen Bilder vor Augen: Sean in der Garderobe des Theaters, wie er sich gierig ausgerechnet Heroin durch seine hübsche Nase einsog. Sean in diesem Whirlpool in Clays Badezimmer, wo er nichts unterlassen hatte, um den hilflosen Clay zu quälen. Und all das hatte ihm auch noch richtig mörderischen Spaß gemacht!
Ich war inzwischen fest davon überzeugt, dass Sean Valmont irgendwann in seinem Leben schwere psychische Schäden erlitten hatte. Dieser Mann war anscheinend unberechenbar. Er war wahrhaftig ein böser Wolf im gut aussehenden Schafspelz.
Deshalb hatte ich nun Angst vor ihm. Ich fürchtete, er könnte bei dem kleinsten Anlass noch einmal ausklinken, und dann womöglich mich mit genauso viel Genuss schlagen, wie er Clay verprügelt hatte.
Aber dann sagte ich mir, dass bei diesem wichtigen Interview-Termin außer dem Reporter von ArtHouse auch noch Clay, Marc und Vincent anwesend sein würden. Und zumindest Marc und Vincent hielt ich für grundsolide.
Ich machte mich also zögernd auf den Weg zum Theater. Zu meiner großen Überraschung präsentierten mir die Jungs eine nagelneue Performance, Psychotic Kühlschranks Fortsetzung Supernova Soul. Ich las mir neugierig den Text durch und fand es außergewöhnlich, wenn auch ein wenig wirr, aber das war der erste Teil ja auch schon gewesen. Die bittersüße Geschichte des Kühlschranks ging darin nahtlos weiter.
Ich zweifelte nicht daran, dass dieses Stück ein Erfolg werden könnte, falls die schauspielerischen Leistungen ausreichten. Aber Sean und Clay waren in meinen Augen gut genug, um es mit diesem schwierigen Stoff aufnehmen zu können. Sie mussten einfach nur beide hart genug daran arbeiten und unbedingt körperlich fit genug bleiben.
Einen Moment bedauerte ich es fast ein bisschen, nicht mehr Teil dieser Theatergruppe zu sein, denn Supernova Soul war zweifellos eine echte Herausforderung. Ich hätte es interessant gefunden darin mitzuwirken.
Aber dann erinnerte ich mich sofort wieder an die Nacht zum Sonntag, und mein spontanes Bedauern verschwand auf der Stelle. Ich konnte mich einfach in Seans Anwesenheit nicht mehr sicher genug fühlen, um ihn als Regisseur zu akzeptieren, merkte ich nervös.
Obwohl er sich an diesem Montag im Theater ganz normal verhielt, nur intensiv und konzentriert an seinem neuen Stück feilte, erwartete ich doch insgeheim immer eine neue Grausamkeit von ihm. Ich konnte diese Befürchtungen nicht abstellen, obwohl ich es versuchte. Deshalb war es mir nicht mehr möglich mit Sean zu arbeiten.
Trotzdem musste ich aber noch mehr als zwanzig Mal mit ihm Psychotic Kühlschrank spielen. Das sah zumindest unser vorläufiger Spielplan so vor, dann wäre diese Saison für uns zu Ende. Und ich hatte nicht vor, die Jungs in dieser Beziehung im Stich zu lassen. Dazu mochte ich sie viel zu gern, Sean Valmont eingeschlossen. Außerdem brauchte ich das Geld, auch wenn es kaum meine Unkosten deckte.
Besonders der nächste Samstag war sehr wichtig, denn Sean hatte dem Publikum für diese Vorstellung voreilig und freigiebig Freikarten ausgestellt, obwohl ihm so etwas überhaupt nicht zustand. Bestimmt musste er den Verdienstausfall aus eigener Tasche ausgleichen, der Idiot!
Ich dachte eine Weile darüber nach, wie ich dieses Problem lösen könnte, und ob Sean überhaupt noch vorhatte, diese Saison zu Ende zu spielen. Ich fragte mich insgeheim, ob wir nach diesem brutalen Vorfall gegen Clay Psychotic Kühlschrank überhaupt noch spielen durften.
Ich beobachtete Herrn Valmont die ganze Zeit verstohlen. Er stürzte ich in seine Arbeit, wirkte aber umso nervöser, je mehr Zeit verging. Es war klar, dass Clays Abwesenheit ihm extrem zu schaffen machte, und dass er deswegen unter Hochspannung stand. Ich beschloss verunsichert, ein anderes Mal mit ihm diese wichtige Angelegenheiten zu klären.
Nach der irgendwie missglückten Probe, bei der ich sowieso nur Zuschauer gewesen war, saßen wir alle in der Lobby und warteten ungeduldig auf den Reporter von ArtHouse. Clay war immer noch nicht im Theater erschienen. Herr Banton hatte tatsächlich mutwillig die allererste Probe von Supernova Soul versäumt. Das fand ich absolut unentschuldbar.
Mir wurde klar, dass auch diese ständige Unzuverlässigkeit von Clay Banton für mich ein Grund war, mich zukünftig ausschließlich auf mein Ensemble im Stadttheater zu konzentrieren. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf diesen Amateurmist im Off-Theater. Für mich war das Theaterspielen ein ernsthafter Beruf. Für Clay war es höchstens ein netter Zeitvertreib.
Auf die Dauer würden sie mit Clay in ihrer Mitte nicht weiterkommen, glaubte ich zu wissen. Das tat mir leid, denn Sean Valmont hatte ganz ohne Zweifel großes Potential. Mit den richtigen Schauspielern um sich herum würde er es mit Sicherheit weit bringen, dachte ich bedauernd.
Aber vielleicht war er auch selbst viel zu kaputt, um seine Kunst in kommerziellere Bahnen lenken zu können, befürchtete ich dann. Sean Valmont müsste zweifellos erst einmal eine wirksame Therapie machen, um sich selbst und seine ungezügelten Aggressionen richtig in den Griff zu bekommen. Erst dann könnte er seiner Umwelt mit seinen Stücken wirklich etwas vermitteln, überlegte ich.
Es war mir ein großes Rätsel, wie dieser Mann es trotz seiner Labilität schaffte, in der Kunstschule bei seinen überaus erfolgreichen Kursen und Workshops einen derart seriösen Eindruck zu machen. Seine Seminare waren sehr beliebt und immer gut besucht. Er hatte für seine Lehrtätigkeit und seine Choreografien schon einige Auszeichnungen bekommen.
Aber anscheinend war sein ganzes Leben ein Drahtseilakt, und bisher war er in der Öffentlichkeit nur noch nie negativ aufgefallen. Ich fürchtete, dass das womöglich nicht mehr lange gut gehen würde. Irgendwann würde Sean bestimmt am falschen Ort zur falschen Zeit die Kontrolle über sich verlieren und sich in den Schlagzeilen oder bei der Polizei wiederfinden. Ich bedauerte das, aber es schien mir in seinem Zustand unvermeidlich.
Nun saß ich ihm gegenüber am Tisch auf einem der Ledersessel in der Lobby und betrachtete ihn nachdenklich. Sean war inzwischen extrem unruhig. Er verschwand immer häufiger für kurze Zeit auf der Toilette und nur er allein wusste, was er dort tat. Ich vermutete stark, dass er schon wieder verbotene Drogen konsumierte.
Wenn er bei uns saß, dann schaute er sich immer wieder nervös zur Tür um, und er rauchte viel zu viel. Er trank Cola und beachtete unser Gespräch kaum.
Plötzlich tat Sean Valmont mir leid. Ich erinnerte mich, dass er mich überaus zärtlich geküsst hatte, und wie verwirrend intensiv das gewesen war. Ich dachte daran, wie schade es war, dass sein eigenes Gefühlschaos ihn so dermaßen blockierte. Es war so traurig, dass Sean es scheinbar wehrlos zuließ, dass Clay ihn mit seinem irren Charakter immer wieder herunterriss und deprimierte. Anscheinend war Sean nicht fähig, das Theater und seine Beziehung zu Clay auseinander zu halten. Das wird unweigerlich in einer Katastrophe enden mit den beiden, dachte ich plötzlich beunruhigt.
Sean bemerkte meinen besorgten Blick und verdrehte genervt die Augen. Er wich meinem Blick nervös aus und schaute zu Tür. Dann wandte er sich ruckartig wieder uns zu. „Ihr werdet über Psychotic Kühlschrank reden!" befahl er uns plötzlich ziemlich ruppig, „Ihr redet ausschließlich über Psychotic Kühlschrank und über Supernova Soul mit diesem Typen, ist das klar?!"
Vincent lachte beinahe mitleidig. „Und wenn er uns nach Clay fragt? Und das wird er tun, das ist doch nur logisch!" „Ihr beantwortet keine Fragen über Clay!" erwiderte Sean ungeduldig, „Es gibt über Clay nichts zu sagen, verdammt! Er ist ja nicht mal hier!"
Wir warfen uns einen vielsagenden Blick zu. Es war nicht zu übersehen, dass Sean nahe daran war die Nerven zu verlieren, weil Clay nicht auftauchte. „Ist schon gut", versuchte Marc zu schlichten, „Wir wissen ja sowieso nichts über diese Vergewaltigung." Sean fuhr sofort wütend zu ihm hin und schrie ihn an: „Clay hat niemanden vergewaltigt, verdammt! Ist das jetzt endlich geklärt?!" Marc zuckte erschrocken zusammen. „Ja, schon gut", wiederholte er eingeschüchtert.
Vincent seufzte tief. „Mach dir doch nichts vor", murmelte er geringschätzig. Sean hatte ihn genau gehört und starrte ihn drohend an. „Clay hat niemanden vergewaltigt", betonte er noch einmal, eindringlich zu Vincent gewandt. Vincent lächelte mitleidig. „Das weißt du doch gar nicht." „Doch, das weiß ich!" behauptete Sean böse. „Und das ist auch nicht das Thema, was ich in der ArtHouse lesen möchte!" setzte er aufsässig hinzu.
Vincent lachte amüsiert und nahm einen Schluck Wasser. „Ich glaube nicht, dass der Reporter Typ sich danach richtet, was du gerne lesen möchtest, Sean. So weit sind wir noch lange nicht", lächelte er ein bisschen hochnäsig. Sean taxierte ihn kampfbereit. Er atmete tief, um ruhig zu bleiben. „Er muss sich aber danach richten, was ich lesen möchte, Vincent. Sonst gibt es kein Interview, so einfach ist das!" versicherte er uns völlig konfus. Danach zündete er sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an und starrte wieder zur Tür.
Es war offensichtlich, dass Sean ziemlich verwirrt war und drohte den Überblick zu verlieren. Er konnte überhaupt nicht damit umgehen, dass Clay ihn wieder einmal im Stich ließ. Es machte ihn unglaublich nervös, dass der Reporter von ArtHouse sich verspätete.
Marc, Vincent und ich sahen uns erneut vielsagend an. Wir kannten Sean gut genug, um sein aufgeregtes Verhalten richtig zu interpretieren. Sean bemerkte unsere stille Übereinkunft genervt und fühlte sich dadurch von uns angegriffen.
Urplötzlich sprang er auf. „Ich finde das so was von Scheiße!" brüllte er uns wütend an. Er ging hastig von uns weg und verschwand in der Toilette. Als er nach kurzer Zeit zurückkam, irrte er ziellos in der Lobby umher. Es war nicht ganz sicher, was genau er damit gemeint hatte. Vielleicht wusste er es selbst nicht. Ich betrachtete ihn eine Weile alarmiert.
„Wusstet ihr, dass Sean Heroin nimmt?" flüsterte ich zu Marc gewandt, als Sean außerhalb unserer Hörweite war. Vincent und Marc wechselten einen Blick. Meine Enthüllung war für sie keine Überraschung, das war mir sofort klar. Ich wunderte mich, warum ich anscheinend die Letzte gewesen war, die Seans Drogenproblem mitbekommen hatte, und das auch nur durch einen Zufall. Wäre ich an diesem Abend nicht noch einmal zurück ins Theater gegangen, wäre ich wohl immer noch ahnungslos, dachte ich verärgert.
„Wie kommst du darauf?" fragte Marc mich leise. „Ich hab es am Samstag mitgekriegt. Er saß allein in der Garderobe und hat sich total mit Heroin zugeknallt", erzählte ich ihnen, nicht ohne grimmige Genugtuung Sean gegenüber. Ich hatte rachsüchtig erwartet, ihn damit vor Marc und Vincent bloßzustellen, aber die beiden waren offensichtlich kein bisschen beunruhigt.
„Das ist schon okay", versuchte Marc die Sache herunterzuspielen. Ich konnte das nicht fassen. „Was sagst du da? Es ist okay?! Was bitte schön ist daran okay, wenn Sean Heroin nimmt?!" Vincent nickte zustimmend, aber Marc schüttelte den Kopf. „Er nimmt es nicht wirklich...", meinte er vage. „Doch, er hat es ganz wirklich genommen!" setzte ich sofort dagegen. Vincent lachte amüsiert. „Marc meint, dass er es im Griff hat", erklärte er mir. Ich sah die beiden ungläubig an. „Ich glaube nicht, dass Heroin eine Droge ist, die man im Griff haben kann", setzte ich ihnen überzeugt auseinander.
Aber zu meinem Erstaunen waren sie längst nicht so erschüttert wie ich über die erschreckende Tatsache, dass Sean diese starke, tödliche Droge konsumierte. „Glaube mir, er hat es unter Kontrolle, Charlotte!" versicherte Marc mir ruhig und guckte prüfend zu Sean hin.
Sean lief immer noch aufgeregt in der Lobby umher. Er hatte jetzt sein Handy am Ohr und wartete offensichtlich ungeduldig auf eine Verbindung. Es war klar, dass er versuchte Clay zu erreichen, was aber anscheinend nicht klappte.
Ich konnte einfach nicht glauben, wie leichtfertig seine Freunde mit diesem beunruhigenden Thema umgingen. Misstrauisch musterte ich sie. „Nehmt ihr es etwa auch?!" flüsterte ich fassungslos. Sofort hoben beide abwehrend die Hände. Sie versicherten mir entrüstet, dass sie niemals auch nur auf die Idee kämen, dieses Scheiß Zeug auch nur probeweise anzurühren.
Aber sie konnten mich nicht restlos überzeugen. Beide gingen meiner Meinung nach viel zu unbesorgt mit diesem ernsten Thema um. Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich Marc oder Vincent überhaupt noch glauben konnte.
„Ist es euch etwa völlig egal, wenn er sich kaputtmacht?" entfuhr es mir spontan. „Natürlich nicht!" erwiderte Marc beleidigt. „Du solltest dir darüber nicht zu viele Gedanken machen, Charlie", versuchte Vincent mich zu beruhigen, „Das lohnt sich nicht, glaube mir!" „Na, wenn du das sagst!" bemerkte ich spitz. Ich war wenig überzeugt.
„Redet ihr über mich?" meldete sich plötzlich Sean verärgert zu Wort. Er war unbemerkt zurück an unseren Tisch getreten. Eine Weile herrschte ein ziemlich unangenehmes Schweigen. Sean blickte geringschätzig von einem zum anderen. Wir wichen seinem stechenden Blick verlegen aus.
Dann gab Marc sich einen merkbaren Ruck und schaute ihn an. „Charlotte macht sich Sorgen über deinen Heroinkonsum!" eröffnete er ihm tatsächlich. Ich hielt erschrocken den Atem an. Ich hatte wirklich nicht gewollt, dass Sean von meinen Befürchtungen etwas erfuhr. Sofort meldete sich wieder meine Angst vor ihm.
Vorsichtig sah ich ihn an. Er betrachtete mich ganz merkwürdig, irgendwie spöttisch, aber auch vorwurfsvoll. „Ich darf mir ja wohl Sorgen um dich machen!" sagte ich trotzig zu ihm. „Na klar, Charlotte! Du darfst es auch überall herumerzählen, dass Sean Valmont ein total kaputter Heroin Junkie ist! Schließlich hast du das ja am Samstag in der Garderobe alles ganz genau mitgekriegt, nicht wahr?!" spuckte Sean förmlich auf mich herunter.
„Ach komm, Sean, sie meint es doch nicht böse!" versuchte Marc ihn zu beruhigen und legte ihm die Hand auf den Arm. Sean schüttelte seine Hand verärgert ab und ging einige Schritte rückwärts. Er betrachtete Vincent lauernd, bis dieser die Schultern hob. „Ich hab mir schon gedacht, dass du diesen Mist nicht sein lässt", meinte Vincent lapidar, „Das ist mir völlig egal, solange du es nicht übertreibst, Valmont." „Oh, wie verdammt gnädig von dir, Palm!" fauchte Sean sarkastisch.
„Ach, kommt schon!" Marc stand beunruhigt auf. Er war wie immer darum bemüht, hässliche Konfrontationen zu vermeiden. „Das ist doch jetzt nicht unser Thema, Leute!"
Aber Sean und Vincent ignorierten Marc. Sie starrten sich kampfbereit an. „Solange du unsere Arbeit nicht vernachlässigst...", fing Vincent an, als Sean ihn auch schon unterbrach. „Muss ich dich also um Erlaubnis fragen, ob ich noch einen Chinesen rauchen darf?" fragte er herausfordernd. „Du hast mich noch nie um Erlaubnis für irgendwas gefragt!" stellte Vincent fest. „Und hättest du das gerne?" wollte Sean wissen. Vincent verdrehte die Augen. „Ich will einfach nicht, dass diese Scheiß Droge alles kaputtmacht!" bemerkte er trotzig.
Er schaute Sean vorwurfsvoll an und sagte: „Ein Junkie reicht mir eigentlich völlig in dieser Runde!" Es war klar, dass er Clay damit meinte. „Du würdest ihn lieber heute als morgen loswerden, nicht wahr?" wollte Sean von ihm wissen, der nun echt wütend wirkte. Seine Atem ging schwer, seine Finger zitterten. Vincent schüttelte den Kopf und hob die Schultern. „Bis jetzt sind wir doch noch einigermaßen klargekommen..." „Und wenn das morgen anders ist?" meinte Sean drohend, „Wirfst du Banton dann auf den Müll?!"
Vincent stöhnte auf und warf Marc einen hilfesuchenden Blick zu. Er fühlte sich berechtigter Weise von Sean angegriffen. Der offen aggressive Unterton in Seans Stimme behagte ihm nicht.
Mir gefiel diese Situation auch nicht. Hört doch auf, dachte ich traurig, dieses Problem könnt ihr doch jetzt sowieso nicht lösen. Ich bereute, das Thema Heroin angesprochen zu haben. Denn offensichtlich war dieses Thema zwischen Vincent und Sean ein schwelender Konflikt, der nun zu explodieren drohte.
Marc stand immer noch hilflos dort und beobachtete seine Kameraden mit sichtlich wachsender Furcht. „Vielleicht sollten wir Banton wirklich rauswerfen, Sean! Offenbar hat er ja wohl seine Geschichten nicht mehr so ganz im Griff, oder wie sehe ich das?!" meinte Vincent im vollen Bewusstsein, Sean damit noch mehr zu verärgern.
Herausfordernd stand er auf und sah Sean fest in die Augen. „Aber du bist ja blind vor Liebe für diesen Typen!" warf er Sean geringschätzig vor. Die beiden Männer standen sich nun dicht gegenüber. Sie starrten sich so aggressiv an, als wollten sie jeden Moment aufeinander einprügeln.
Marc ging verzweifelt einige Schritte auf sie zu. „Hey, beruhigt euch, Leute! Der Mensch von ArtHouse kann jeden Moment hier auftauchen! Wollt ihr euch dann etwa schlagen?" „Halt dein Maul", sagte Sean gefährlich leise. Marc fühlte sich angesprochen und hielt verletzt inne. Aber ich glaube, dass Sean eigentlich Vincent damit meinte, den er nicht aus den Augen ließ.
Sean nahm offenbar jetzt nichts anderes mehr wahr, er fixierte nur noch seinen neuen Feind Vincent. „Du kannst mir nicht den Mund verbieten, Valmont", bemerkte Vince spöttisch. „Meine Beziehung zu Clay geht dich einen Scheißdreck an!" beschwerte Sean sich. „Nicht, wenn dadurch alles zum Teufel geht, verdammt nochmal!" fauchte Vince und knuffte Sean gegen die Schulter. „Wie oft habe ich dir das schon gesagt, dass Banton deine persönliche Hölle ist, hm? Aber du willst davon ja nichts hören!" „Ganz genau, davon will ich nichts hören, Palm!" zischte Sean und knuffte zurück, „Behalte deine Scheiß Weisheiten für dich, Arschloch!"
„Blöd nur, dass alle hier das gleiche denken wie ich!" behauptete Vincent triumphierend und machte eine umfassende Handbewegung zu Marc und mir, „Alle halten Clay Banton für einen Verlierer! Nur du merkst das nicht oder willst das nicht kapieren, blinder Idiot!" „Halt's Maul!" schrie Sean auf.
Verwirrt warf er einen Blick auf Marc und mich, um zu kontrollieren, ob Vincent vielleicht mit seiner Behauptung recht hatte. Marc hob sofort beschwichtigend die Arme. „Bitte, Leute, hört doch auf mit dem Scheiß! Es ist schon gut, Schatz, das ist doch gar nicht wahr!" versuchte er Sean zu trösten.
Aber der hörte ihn gar nicht. „Clay Banton ist kein Verlierer!" schrie er gekränkt, „Er hat ein Problem, aber er ist kein Verlierer!" Vincent lachte spöttisch auf. „Dieser Mann hat mehr als nur ein Problem! Das ist mal sicher!" „Hör auf, Vincent!" rief Marc flehend. Sean hob die Hand und schlug zu, aber Vincent lachte nur und wich dem Schlag mühelos aus. „Schon gut!" kicherte er amüsiert. „Blöder Wichser!" knurrte Sean und schlug ihn nochmal, aber nur halbherzig.
Vince brauchte eine Weile, um wieder ernst zu werden. Dann wandte er sich an Sean. „Hör mal, es ist doch so: Alles, was Banton treibt, findet immer deine uneingeschränkte Entschuldigung. Dieser Typ kann mit dir machen, was er will, und du nimmst es einfach so hin. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn du nur Heroin nimmst, weil er es tut", versuchte Vince ihm beruhigend zu erklären. Sean erwiderte seinen Blick. Er wirkte immer noch sehr aufgebracht, aber ich hatte den Eindruck, als würde er tatsächlich über diese Worte nachdenken. „Schwachsinn!" fauchte er verärgert, aber es klang nicht ganz überzeugend.
Sean
Mann, das Kokain war richtig gut! Travis' Schnee war um Längen besser als das weiße Pulver, was Louis auf seiner Party angeboten hatte. Aber vielleicht lag es auch nur daran, weil ich es diesmal bei Travis gebaset hatte.
Um meine angegriffenen Nasenschleimhäute zu schonen, hatte ich mich dazu entschlossen, das Koks vorerst lieber zu rauchen. Travis überredete mich, es vorher mit Ammoniak zu basen und damit die Wirkung nicht unwesentlich zu verstärken. Zum Glück hatte Travis mir auch gleich erlaubt, dies in seiner Wohnung zu tun. Ammoniak stank nämlich bestialisch, deshalb hätte ich das basen niemals in meinem Haus vornehmen können, ohne auf der Stelle und noch Tage später Marc und Vincent aufzuscheuchen.
Das Kokain, einmal zusammen mit Ammoniak auf einem Löffel aufgekocht, verwandelte sich in winzige, gelb-weiße Steinchen, die rocks, die man vorsichtig mit einem Streichholz herausfischte und dann trocknen ließ, und die ich nun einzeln genüsslich in meiner kleinen, gläsernen Crackpfeife rauchte.
Bei jedem Ausatmen explodierte mein Gehirn fantastisch in einem kunterbunten, überwältigenden Feuerwerk. Enorme Kraft und grenzenloser Mut durchströmten meinen gesamten Körper. Ausnahmslos alle schlechten Gedanken, deprimierenden Gefühle oder penetranten Befürchtungen fielen vollständig von mir ab.
Fatalerweise hielt diese Wirkung aber jedes Mal nur einige Sekunden an, einem sexuellen Höhepunkt nicht unähnlich, wenn auch sehr viel besser, und man wurde sofort enorm süchtig nach diesem endgeilen Erlebnis. Das direkte Bedürfnis, spätestens jede viertel bis halbe Stunde schnell nochmal einen neuen gebaseten rock zu rauchen, wurde dadurch fast übermenschlich stark. Außerdem nahm jedes Gehirn diese enorme Überreizung langfristig sehr übel.
Mir würde das allerdings nicht passieren, denn ich war erfahren und hatte diese Sache total im Griff. Ich stand nur gerade ziemlich unter Stress. Ich hatte drei anstrengende Seminare an der Kunsthochschule, zwei Stunden hartes Training und eine missglückte erste Probe hinter mir. Meine Mitstreiter nervten mich total, ein verdammt einflussreicher Mensch wollte mich interviewen, und deshalb hatte ich diese kleinen Erholungspausen mehr als verdient. Das Kokain stärkte mir einfach nur den Rücken für die kommenden, zukunftsweisenden Aufgaben.
Ich saß allein in der engen Kabine auf dem geschlossenen Klodeckel in der Toilette des Grenzland-Theaters, atmete tief und schloss die Augen. Ich dachte an Louis, der mich heute Morgen in seinem Badezimmer zuerst vor den alten Standspiegel gezogen hatte, in dem ich meinen gesamten Körper bewundern konnte. „Sieh dich doch mal richtig an!" hatte Louis mich aufgefordert, „Guck genau hin, Sean! Das da bist du! Und was du dort siehst, das ist ein Geschenk!"
Ich war seiner Aufforderung eher zwangsläufig und widerwillig gefolgt und hatte mich eine Weile regungslos im Spiegel angesehen. Es war unbestreitbar, dass ich verflucht gut aussah. Aber das wusste ich doch schon längst und es wurde mir auch immer wieder höchst schwärmerisch von vielen Menschen mitgeteilt.
Mein nackter Körper war jung, gesund und wohlproportioniert, mit langen, kräftigen Armen und Beinen. Meine Haut war glatt und unversehrt. Meine Muskeln zeichneten sich an den richtigen Stellen ab. Mein Schwanz war gerade und ziemlich groß gewesen, denn er war zu diesem Zeitpunkt immer noch erigiert.
Ich hatte mich vom Anblick meines unverändert sexbereiten Gliedes losgerissen und stattdessen in mein Gesicht geschaut. Es war absolut formschön, Nase und Kinn nur vage markant, und meine ungewöhnlich hellblauen Augen strahlten mich ansprechend an.
„Du bist so wahnsinnig wunderschön, Sean Valmont", hatte Louis in mein Ohr geflüstert, der nun dicht hinter mir stand. „Das ist ein verdammtes Geschenk!" wiederholte er eindringlich. Ich hatte abfällig geschnauft und ihn verbessert: „Das ist kein einfaches Geschenk, Louis, sondern verdammt hartes Training!"
Das war die Wahrheit, denn nur durch mein regelmäßiges Training konnte ich mir meine körperliche Kraft bewahren, die ich für meine Arbeit dringend brauchte. „Und gesunde Ernährung", hatte ich vorwurfsvoll hinzugesetzt und dabei Louis im Spiegel angeschaut. Ich wusste nämlich genau, wie selten und ungern Herr von Ravenhorst sich bewegte und wie gerne er stattdessen irgendwelchen Süßkram in sich hineinstopfte. Obwohl Louis nicht wirklich dick war, sprachen seine kaum erkennbaren Muskeln und sein leichter Bauchansatz trotzdem eine deutliche Sprache.
„Hast du mich ins Bett gelegt?" hatte ich ihn plötzlich beunruhigt gefragt. Nein, das waren natürlich seine Bodyguards gewesen, denn Louis war überhaupt nicht stark genug, um mich eine längere Strecke tragen zu können. „Nachdem die Gäste weg waren, bist du tatsächlich geradewegs ohnmächtig zusammengebrochen", hatte er mich überflüssigerweise informiert.
Eine Weile hatte ich mich noch intensiv im Spiegel betrachtet und hemmungslos narzisstisch meine unwiderstehliche Attraktivität bewundert. Louis hatte noch meine starken Beine vergöttert, mit denen ich ja offensichtlich ganz leicht jemandem den Arm brechen konnte, was eine Anspielung auf den Vorfall bei seiner Party gewesen war. Ich hatte das unkommentiert gelassen. Als Tänzer brauchte ich selbstverständlich kräftige Beinmuskeln!
Später hatte Louis sich plötzlich ungeduldig ausgezogen und mich endlich zur Badewanne gedrängt. Seine Badewanne war nagelneu, aber irgendwie auf alt getrimmt, sodass sie vier Füße hatte und für zwei Personen eigentlich zu klein war. Trotzdem hatten Louis und ich uns zusammen in das viel zu wenige, nur lauwarme Wasser gesetzt.
Bei der Erinnerung daran musste ich lächeln, denn der vertraute Mann hatte sich auch dieses Mal definitiv sehr gut angefühlt. Er hatte direkt hinter mir gesessen, sodass ich seine wachsende Erektion an meinem Hintern gespürt hatte, während er meinen Körper geduldig und zärtlich mit einem Waschlappen wusch.
Ja, wir hatten uns echt viel Zeit gelassen, und diese Sache hatte mir immer besser gefallen, weil ich im Grunde immer noch ziemlich erregt gewesen war. Wir hatten ganz in Ruhe den von mir gewünschten Joint in der Wanne geraucht und danach lange nur bewegungslos im Wasser gelegen, dicht aneinander gelehnt, ohne etwas zu sagen, jeder irgendwo in seinem Trip versunken. Ich hatte mich gegen seinen Körper gedrückt und meinen Hinterkopf auf seinem Schlüsselbein abgelegt, bis das Wasser kalt wurde und wir es erneuern mussten.
Beim zweiten Mal hatte Louis noch weniger Wasser eingelassen, sodass gerade mal meine Oberschenkel bedeckt worden waren, und das hatte er vorausschauend mit voller Absicht getan. Denn kurz darauf hatte er unvermittelt angefangen mich zu streicheln, immer noch hinter mir sitzend, und ich hatte das echt genossen, weil er ganz sanft und vorsichtig vorging.
Louis hatte auf langen Umwegen mit seiner Hand meinen überreizten Schwanz gefunden, ihn behutsam umfasst und ihn sehr langsam und ganz zart stimuliert. Er saß dabei unverändert dicht hinter mir, unsere Körper berührten sich, und mit der Zeit hatte ich mich automatisch keuchend noch mehr gegen ihn gedrückt, mich gewunden und mich ihm hundertprozentig hingegeben.
Es war nicht sehr bequem in dieser Badewanne, aber Louis' Zärtlichkeiten fühlten sich verdammt gut an. Trotz seiner merkbar steigenden Erregung, bei der er zunehmend gezielt seine Erektion in meiner Poritze gerieben hatte, was mich enorm aufgeilte, hatte Louis Frédéric von Ravenhorst weder seine Geschwindigkeit noch die Intensität verändert, während er mich wichste. Er hatte genüsslich mit mir gespielt, seine uneingeschränkte Macht über mich in vollen Zügen ausgekostet, und mich dabei fast in den Wahnsinn getrieben.
Noch in der Erinnerung musste ich darüber grinsen, wie ich ihn angefleht hatte es schneller und fester anzugehen, aber er war gnadenlos geblieben, bis ich diese bittersüße Folter kaum noch ausgehalten hatte. Noch niemals musste ich mich so sehr beherrschen, um nicht selbst Hand anzulegen und die Sache zu beschleunigen.
Aber mein Schwanz gehörte in dieser Situation ausschließlich Louis, also hatte ich stattdessen meine Finger so tief es ging in meine Oberschenkel gekrallt, hatte so feste mit meinen Fingernägeln über meinen Bauch und meine Brust gekratzt, bis rote Striemen zurückblieben, und meine Brustwarzen total schmerzhaft zwischen meinen Fingern zerrieben. Der Schmerz und meine volle Blase hatten meine Empfindungen zweifellos intensiviert.
Die Erinnerung an dieses höchst intime Erlebnis mit Louis wühlte mich plötzlich irgendwie auf, sodass ich hastig noch einen Krümel aus meinem pack aus Alufolie fummelte, ihn vorsichtig auf dem Pfeifenkopf platzierte und anzündete. Ich sog so tief ich konnte den weißen, chemisch schmeckenden Qualm ein, behielt ihn lange in meinen Lungen und atmete dann so langsam wie möglich aus.
Ich zog das Ausatmen so weit es ging in die Länge, denn ganz genau in diesen Sekunden explodierte mein Gehirn erneut in einem Meer aus tanzenden Lichtern, sodass ich wohlig, überwältigt aufseufzte, absolut restlos zufrieden.
Mein Orgasmus in dieser Badewanne hatte wegen Louis' bewusst verzögerndem Vorgehen lange auf sich warten lassen, sogar so lange, bis ich glaubte den Verstand zu verlieren. Aber irgendwann hatte er mich doch erlöst, und er hatte sich wahrhaftig angefühlt, wie ein verdammt schwer erkämpfter Sieg, wie eine total erleichternde Befreiung.
Endlich, endlich, endlich war die extrem harte und langsam unangenehme Anspannung aus meinem schmerzhaft steifen Penis und meinem aufgeladenen Körper gewichen, hatte sich in heftigsten Samenstößen explosionsartig entladen, bei denen ich zeitgleich rhythmisch laut aufgestöhnt hatte.
In diesen Sekunden war ich jenseits von allem Irdischen gewesen, aber ich erinnerte mich trotzdem genau daran, welchen Namen ich jedes Mal gestöhnt hatte: Clay.
Das herrliche Feuerwerk in meinem Kopf verebbte schon, und ich erinnerte mich abrupt quälend an Clay. Denn selbstverständlich hatte ich mir die ganze Zeit in dieser harten, unbequemen, zu engen und fast leeren Badewanne, mit Louis Frédéric so dicht an meinem empfindlichen Nacken, den er unentwegt küsste und leckte, direkt an meinem Rücken und nackten Arsch, an dem er sich gezielt rieb, mit seinen Händen an meinem Schwanz, meinen Hoden und zwischen meinen Beinen, nichts anderes gewünscht, als dass es stattdessen Clay Banton wäre, der direkt hinter mir säße und mich gerade mit seiner kundigen Hand sexuell befriedigte.
Louis kannte das schon. Wenn wir Sex hatten, dann ächzte ich fast immer irgendwann Clays Namen. Und Louis war auch diesmal deswegen nicht beleidigt gewesen, höchstens amüsiert. Er war kurz nach mir gekommen und hatte seinen warmen Samen auf meinem frisch gewaschenen Rücken verteilt.
Ich schloss die Augen und versuchte verzweifelt, die geile Wirkung des Kokains in meinem Schädel zu behalten, aber es war zu spät und es war zwecklos. Clay hatte mich schon wieder viel heftiger enttäuscht, als ich begreifen konnte. Er war zur ersten Probe von Supernova Soul nicht erschienen und er würde auch zum wichtigen Interview nicht mehr auftauchen, das wusste ich nur zu gut.
Alles zog sich schmerzhaft in mir zusammen und ich schluckte hart meine aufsteigenden Tränen hinunter. Clay hatte mich mit seinem unreifen, sorglosen Verhalten erneut beinahe tödlich verletzt. Und meine verdammten Freunde waren mir überhaupt keine Hilfe, ganz im Gegenteil. Sie hackten nur ständig auf Clay herum, machten mir unfaire Vorwürfe und quatschten mich mit irgendwelchem Scheiß voll. Wie sollte ich das nur noch länger ertragen? Wie sollte ich mit dieser überaus unangenehmen Situation umgehen, wo doch meine Seele zerbrochen war?
In diesem Moment ging draußen plötzlich die Tür zum Waschraum auf. „Sean?" rief Marc hörbar ungeduldig in Richtung der Kabinen.
Hastig stand ich auf, klappte den Deckel der Toilette auf und klopfte so leise wie möglich die Pfeife aus, um sie kurz danach zusammen mit dem Feuerzeug in meiner Jacke verschwinden zu lassen. Das pack schob ich zusammengefaltet tief zurück in meine Hosentasche.
„Sean? Was ist denn los mit dir?" fragte Marc besorgt, der anscheinend schon vor der einzigen besetzten Kabinentür stand. Natürlich konnte er sich denken, dass ich mich dahinter befand, denn sonst war ja schließlich niemand hier.
Ich atmete tief durch. Mein guter Freund und Mitbewohner Marc Hellberg ging mir ganz gehörig auf die Nerven. Er machte mir mit seiner aufdringlichen Besorgnis meinen endgeilen Schneetrip kaputt.
Schon spürte ich überdeutlich, wie sämtliche Zufriedenheit von mir abfiel, um nur noch einer tierischen Nervosität platz zu machen. Mein Herz klopfte hart und meine Finger fingen an zu zittern. Die ganz enorm aufputschende Wirkung des Kokains war viel zu schnell die einzige Kraft, die noch mit Jubelgeheul durch meinen Körper fegte.
Aber gut, das hatte ich ja eigentlich auch so erwartet. Ich musste schließlich in der nächsten Zeit total wach und aufmerksam sein. Ich musste vor unwiderstehlichem Charme, grenzenlosem Mut und innerer Stärke nur so sprühen.
Noch einmal atmete ich tief durch, gab mir einen Ruck und öffnete die Kabinentür. Sofort starrte Marc mich alarmiert an. „Was machst du denn hier andauernd, Schatz? Wonach riecht es denn hier? Rauchst du etwa irgendwas?" fragte er entschieden zu neugierig, viel zu aufgeregt, und schnupperte übertrieben in der Luft herum.
Ich lächelte ihn mit meinem schönsten Pokerface an. „Selbst wenn ich das tun würde, Marc, was nicht der Fall ist, dann würde es dich jedenfalls überhaupt nichts angehen", erklärte ich ihm so ruhig wie möglich. Er schaute mich unglücklich an, eindeutig besorgt, weil er mir nicht glaubte, und gekränkt, weil ich mich ihm nicht anvertraute.
„Na, jetzt musst du jedenfalls zurück ins Foyer kommen, Sean. Der Reporter von ArtHouse wartet nämlich auf dich", bemerkte er spitz, drehte sich herum und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Höchstwahrscheinlich hatte ich ihn mit meiner Abfuhr beleidigt, aber das war jetzt wirklich mein geringstes Problem.
Okay, der verdammt einflussreiche Schreiberling war also doch noch erschienen, und sogar fast zum vereinbarten Termin. Ich atmete tief gegen meine enorm steigende Unruhe an. Langsam machte ich mich auf den Weg ins Foyer und kämpfte sämtliche Befürchtungen nieder. Ich musste jetzt da durch und ich musste verflucht gut sein. Der weiße, gebasete Schnee, der von herausragender Qualität war, rauschte enorm kraftvoll durch meine Adern. Ich war unbesiegbar. Die Show meines Lebens konnte beginnen.
Eliza
Bequem ausgestreckt auf dem Sofa im Wohnzimmer liegend, war ich in ein gutes Buch vertieft. Ich genoss die Stille dieses Nachmittags, denn Rowina war arbeiten, und ich hatte die ganze Wohnung für mich allein. Es war niemand da, der mich nervte oder etwas von mir forderte, und Rowinas spitze Zunge war weit weg.
Ich hatte meinen freien Montag sehr genossen, war morgens nach einem ausführlichen Frühstück zusammen mit meiner Freundin einkaufen gewesen. Danach hatten wir einige, liegen gebliebenen Hausarbeiten erledigt, bis Rowina zur Arbeit musste. Nach einer Dusche hatte ich das Badezimmer und die Küche geputzt, überall Staub gesaugt und mir ein leckeres Mittagessen gekocht. Außerdem hatte ich allein einen langen, erholsamen Spaziergang durch den Park gemacht.
Inzwischen konzentrierte ich mich schon eine ganze Weile auf Thomas Mann und vergaß über die anrührende Geschichte tatsächlich meine Umgebung.
Als es plötzlich an der Tür klingelte, zuckte ich verschreckt zusammen. Ich warf einen Blick zur Uhr, es war fast vier. Ich wunderte mich über diesen unangekündigten Besucher und rätselte über seine Identität. Nur widerwillig kehrte ich aus dem gedruckten Drama zurück in die Realität. Ich schob mein Lesezeichen in das Buch und klappte es zu, legte es auf den Wohnzimmertisch und stand auf. Ich ging in den Flur, drückte auf den Türöffner und öffnete die Wohnungstür, um zu sehen, wer die Treppe hinaufkommen würde.
Clay stand vor mir. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und starrte ihn eine Weile nur perplex an. Er lächelte unsicher. „Eliza", flüsterte er erfreut.
Ich konnte es nicht fassen, dass Clay so unvermittelt vor mir stand. Dass er die dreiste Frechheit besaß, sich einfach schon wieder in mein Leben zu schleichen, obwohl ich doch wahrhaftig alles dafür getan hatte, um ihn daraus zu verbannen.
„Wie kommst du hier rein?" fuhr ich ihn unfreundlich an. Seine Augen weiteten sich erschrocken. Er drehte sich herum und zeigte vage in den Hausflur, die Treppe hinunter. „Die Haustür war offen", erklärte er entschuldigend. Dann lächelte er mich erwartungsvoll an. „Was willst du?" rief ich zornig. Mein Herz fing an zu hämmern, ich war aufgebracht. Sollte meine nahezu schlaflose letzte Nacht etwa ganz umsonst gewesen sein? Am liebsten hätte ich ihm sofort die Tür vor der Nase zugeschlagen und ihn draußen stehen lassen.
Meine sichtbare Wut verunsicherte ihn. Sein Lächeln starb und machte einem besorgten Gesichtsausdruck platz. „Ich habe...", fing er an, schüttelte den Kopf und schloss dann verwirrt die Augen. Ich betrachtete ihn und ärgerte mich, dass sein unerwartetes Erscheinen mich sofort so aufwühlte. Ich ärgerte mich, dass ich vorschnell die Tür geöffnet hatte, und dass ich jetzt nicht stark genug war, um sie einfach wieder zuzuschlagen.
„Was willst du hier, Banton?" schrie ich ihn an, „Hast du etwa schon vergessen, was ich dir gestern gesagt habe?!" Er öffnete seine Augen und guckte mich hilflos an. Er hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf. „Nein, das habe ich nicht vergessen", antwortete er leise. „Dann hast du dich wohl entschlossen, es einfach zu ignorieren, oder was?!" fauchte ich fassungslos. Clay stöhnte unbehaglich, wich meinem Blick aus und fuhr sich nervös über das angeschlagene Gesicht. Dann schloss er nochmal hilflos die Augen, eine für ihn so typische, so kindliche Bewegung, die mich sogleich rührte. Indem er seine Augen schloss, blendete er einfach die böse, feindliche Umwelt aus. Es war seine instinktive, äußerst dumme Schutzgeste.
Ich spürte verärgert meine Wut schwächer werden. Ich registrierte gegen meinen Willen die Verletzungen in seinem Gesicht, und dass er sehr gut angezogen war. Mir fiel auf, dass er sein bestes graues Jackett trug, darunter eine Weste aus feiner Wolle, eine rote Krawatte und ein hellblaues Seidenhemd. Er hatte dunkelblaue, enge Jeans an und schwarze Sneakers. Er sah in diesen feinen Sachen ausgesprochen gut aus, sehr seriös, und es verärgerte mich enorm, dass sein Anblick mir gefiel.
Ich holte tief Luft. „Also was ist jetzt? Was willst du denn, Herrgott?! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, Banton!" drängte ich schroff abweisend, obwohl das die Unwahrheit war, denn ich hatte an diesem Nachmittag überhaupt nichts mehr vor. Clay seufzte hilflos, öffnete seine Augen und sah mich bittend an. Er versuchte, charmant zu lächeln. „Ich war heute beim Arzt, Liz!" erzählte er mir hastig, „Ich nehme jetzt wieder Methadon!" Er schaute mich an, als müsste ich ihm deswegen vor Dankbarkeit um den Hals fallen. Als müsste seine Information mich irgendwie besänftigen. Aber das tat sie überhaupt nicht. Verdammt, das hatten wir doch alles schon, dachte ich nur resigniert. „Das ist schön", rang ich mir dennoch ab zu sagen. „Ich nehme jetzt kein Heroin mehr!" behauptete er eindringlich und wartete immer noch auf eine Reaktion von mir, die ich ihm nicht liefern konnte.
Stattdessen starrte ich ihm misstrauisch in die Augen, um zu überprüfen, ob er die Wahrheit sagte. Ich suchte in seinen Augen ein Anzeichen für seinen Drogenkonsum oder den irren Ausdruck des Entzugs. Aber seine Augen waren ganz ruhig, aufmerksam und traurig. Mir wurde klar, dass ich ihn schon lange nicht mehr so normal gesehen hatte. Die Traurigkeit in seinem Blick fing unvermittelt an, mich zu rühren. Das ärgerte mich, und ich schaute schnell in eine andere Richtung.
Die unerwartete Situation machte mich nervös. Ich war auf diese Begegnung nicht im Geringsten vorbereitet. Geh doch einfach weg, dachte ich verzweifelt, lass mich um Himmels Willen in Ruhe, Clay Banton! Ich fühlte all meine so mühsam gefassten Vorsätze ungewollt schwächer werden. Es deprimierte mich maßlos, dass dieser Mann noch immer, trotz all meiner Überlegungen und Entschlüsse, eine so große Macht über mich hatte. Dass ich seinem plötzlichen Erscheinen so hilflos gegenüberstand.
Clay machte jetzt einen Schritt auf mich zu. Ich trat ihm sofort entschlossen entgegen, zog die Wohnungstür zu mir und versperrte ihm mit meinem Körper den Zutritt zu meiner Wohnung. „Bleib da stehen!" fauchte ich ihn böse an. Er gehorchte und blieb stehen. Er seufzte enttäuscht und betrachtete mich beunruhigt. Was hast du denn erwartet, dachte ich verzweifelt, dachtest du ernsthaft, ich würde dich mit Kusshand wieder aufnehmen, nur weil du es angeblich noch einmal mit Methadon probierst?! Du blöder Vollidiot! Darauf falle ich bestimmt nicht mehr herein!
Clay streckte zögernd die Hand nach mir aus und wollte mein Gesicht berühren. Ich wich ihm sogleich knurrend aus, und er zog seine Hand verstört zurück. Verwirrt betrachtete er mich. Er konnte sich meine offene Feindseligkeit tatsächlich nicht erklären.
Die Situation und die Stille wurden mit der Zeit so ungemütlich, dass ich irgendetwas sagen musste. „Dann hast du ja ganz schön Glück gehabt, so schnell einen Platz im Methadonprogramm zu bekommen", bemerkte ich also ungehalten. Er lächelte amüsiert. „Nein, ich habe keinen Platz im Programm. Das Programm ist voll", informierte er mich leise. Ich schaute ihn verwirrt an. „Aber du hast doch gerade gesagt..." Er hob beschwichtigend die Arme und erklärte: „Ich muss das alles selbst bezahlen, bis ein Platz frei wird. Ich habe dem Doc mein ganzes Geld gegeben!" Er lachte abrupt beinahe hysterisch auf, als könnte er das selbst nicht glauben. Als wäre das zu dumm, um wahr zu sein.
Ich musterte ihn irritiert. Mit diesen Details konnte ich nichts anfangen. Ich kannte mich in diesem Metier nicht gut genug aus, um seine Behauptungen überprüfen zu können. Ich fragte mich misstrauisch, warum seine Krankenkasse diese Arztrechnung nicht übernahm, das wäre doch normal gewesen. Oder hatte er die Beiträge für seine private Krankenkasse für Künstler nicht mehr bezahlt, was mich nicht gewundert hätte? Aber nein, im Krankenhaus war seine Karte noch anstandslos akzeptiert worden. Und warum bekam er überhaupt Methadon vom Arzt, wenn das Programm überfüllt war?
Auf diese Fragen wusste ich keine Antworten. Ich hatte aber auch überhaupt keine Lust, mich näher damit zu beschäftigen. Ich wollte mit diesem ganzen verfluchten Drogenkram nichts mehr zu tun haben. Es hatte mich eine verdammt lange und echt schmerzhafte Zeit gekostet, mich von diesem Mann emotional zu distanzieren. Ich wollte auf keinen Fall zurück in seine komplizierte Welt gezogen werden.
Böse taxierte ich ihn. Mein offen feindseliger Blick verunsicherte ihn merkbar. Er wich ihm verlegen aus, indem er auf den Boden sah. „Ich... will das... wirklich durchziehen...", flüsterte er hilflos. Ich betrachtete ihn mit klopfendem Herzen und kämpfte mit dem starken Impuls, ihn unvermittelt heftigst von mir weg zu schubsen. Ich wollte ihn wirklich gerne die Treppe hinunterstoßen, um ihn schnellstmöglich für immer loszuwerden. Seine plötzliche Anwesenheit erschütterte mich viel zu sehr, ging mir ungewollt viel zu tief unter die Haut. Es nervte mich total, dass ich mich gezwungenermaßen schon wieder mit diesem Mann beschäftigen musste.
„Lass mich in Ruhe damit!" stöhnte ich überfordert auf. Clay zuckte nervös zusammen und beobachtete mich irritiert. „Bist du ernsthaft hier, nur um mir diesen Scheiß zu erzählen?!" fuhr ich ihn zornig an. „Das ist kein Scheiß", widersprach er still und fuhr sich beunruhigt mit den Händen über den Kopf. „Ich dachte, es würde dich freuen, weil du gesagt hast...", versuchte er zu erklären.
Im nächsten Moment fing er meinen tödlichen Blick auf und verstummte. „Liz...", seufzte er betrübt. Seine Traurigkeit rührte mich völlig ungewollt und ziemlich stark. Ich schloss für einen Moment die Augen, um mich neu zu sammeln. Er gibt sich wirklich Mühe, registrierte ich verwirrt. Ein warmes Gefühl breitete sich ganz gegen meinen Willen in meinem Bauch aus. Herr Banton bemüht sich auffallend, mir zu gefallen, hämmerte es in meinem Kopf. Es fiel mir zunehmend schwerer, meine berechtigte Wut auf ihn aufrecht zu erhalten. Du musst ihn jetzt unbedingt sofort loswerden, ging in meinem Kopf der Alarm an, auf der Stelle, sonst hat er dich in fünf Minuten besiegt.
Entschlossen fixierte ich ihn. Er lächelte vorsichtig. „Du musst jetzt gehen", sagte ich streng. Sein Gesicht bekam einen gequälten Ausdruck. Ohnmächtig hob er die Hände und schüttelte den Kopf. „Nein... bitte... ich...", stammelte er und atmete tief ein. „Bitte geh jetzt, Clay!" flehte ich ihn beinahe an, „Und komm nicht wieder hierher!"
Er stöhnte leise, meine Worte verletzten ihn offenbar. Eilig suchte er meinen Blick. „Hör mal, ich bin dabei eine neue Ausstellung zu organisieren, Liz! Ich habe dafür schon viele Bilder beisammen! Und weißt du, was das Thema der Ausstellung ist?!" Er lächelte nervös und wartete gespannt auf meine Antwort. Aber er konnte mich mit seiner hilflosen Begeisterung nicht anstecken, denn ich hatte unentwegt das Gefühl, dass er mir und sich selbst nur etwas vormachte. „Was ist denn das Thema deiner Ausstellung?" fragte ich betont gleichgültig. Es interessiert mich überhaupt nicht mehr, was er macht, versuchte ich mir energisch einzureden.
Beunruhigt musste ich jedoch innerlich zugeben, dass es mich sehr wohl interessierte. Dass mich seine kindlichen Versuche, mir zu gefallen, unwillkürlich ganz tief in meiner Seele rührten. Es schmeichelte mir, wie viel Aufmerksamkeit dieser Mann mir zuteil werden ließ, und ich konnte nichts dagegen tun.
„Das Thema meiner neuen Ausstellung ist The nicest place in the world - Der schönste Platz auf der Welt! Und weißt du, Liz, dieser Platz ist für mich ganz nah bei dir!" eröffnete Clay mir charmant lächelnd und wartete abermals gespannt auf meine Reaktion.
Ich fühlte spontan einen heftigen Stich im Innern, mein Magen krampfte sich zusammen, meine Kehle schnürte sich zu und ich musste die Augen schließen. Es fiel mir plötzlich enorm schwer, nicht haltlos in Tränen auszubrechen. Ich fühlte überdeutlich, wie meine berechtigte Wut auf diesen Mann verpuffte. Wie meine so schwer erkämpfte Ablehnung sich automatisch und innerhalb von Sekunden in Zuneigung verwandelte. Nein, nein, nein, schalt ich mich innerlich verzweifelt, du darfst dich jetzt nicht so schnell geschlagen geben, verdammt nochmal! Du darfst auf keinen Fall vergessen, warum du dich von ihm getrennt hast!
Entschlossen öffnete ich meine Augen und taxierte ihn herablassend. „Ach wirklich?! Davon wird Sean aber gar nicht begeistert sein", bemerkte ich trocken. Clay hatte sich offensichtlich eine völlig andere Reaktion von mir erhofft und war nun beinahe Mitleid erregend enttäuscht. Er schluckte hart und wich meinem durchbohrenden Blick aus. „Sean...", murmelte er verwirrt. „Valmont wird das mit Sicherheit verdammt übel aufstoßen, wenn du ausgerechnet über mich eine Ausstellung machst", setzte ich gehässig nach und frustrierte ihn damit sichtbar noch mehr. Er stöhnte widerwillig auf. „Das ist mir egal!" beteuerte er flehentlich. Ich musterte ihn und lächelte spöttisch. „Es ist dir nicht egal, Clay!" stellte ich wohl wissend richtig. „Ich möchte nur...", erwiderte er heftig, brach dann aber wieder ab und schüttelte bestürzt den Kopf.
Eine lange Weile war es ganz still im Hausflur. Clay starrte auf den Boden und versuchte mit seiner Enttäuschung klarzukommen. Ich versuchte mir einzureden, dass er meine unfreundliche Behandlung verdient hatte. Dass es keinen anderen Weg gab, um ihn mir endgültig vom Hals zu schaffen.
Aber ich konnte nicht verhindern, dass er mir zunehmend leid tat. Clay war offensichtlich mit seiner Weisheit am Ende. Diese Begegnung mit mir war ganz anders verlaufen, als er es sich vorgestellt und erhofft hatte. Seine fast greifbare Ratlosigkeit und sein merkbares Elend konnte ich nicht länger ignorieren.
„Hast du denn schon vergessen, was ich dir gestern gesagt habe?" fragte ich ihn schließlich ein bisschen sanfter noch einmal. Er registrierte den veränderten Tonfall meiner Stimme dankbar. „Nein... Eliza... das habe ich nicht vergessen", beteuerte er zum zweiten Mal. „Warum bist du denn dann trotzdem hier, Clay?" wollte ich ruhig von ihm wissen. Ich beobachtete ihn lauernd. Ich wollte herausfinden, ob er tatsächlich nicht begriffen hatte, dass ich mich von ihm getrennt hatte. Oder ob er diese Tatsache nur trotzig ignorieren wollte. Bei Clay wäre beides möglich gewesen, aber ich tippte eher auf das Nichtverstehen.
Der Mann warf mir einen schnellen Blick zu. In seinen grün-braunen Augen spiegelte sich sein ganzes Unglück. „Liz", flüsterte er heiser. Ich bekam den alarmierenden Verdacht, dass er plötzlich nahe daran war in Tränen auszubrechen. Das wollte ich mir auf gar keinen Fall antun. Es war schon so schwer genug für mich, seine Anwesenheit zu ertragen. Wenn er jetzt auch noch anfängt zu weinen, dann nehme ich ihn womöglich tröstend in die Arme, noch bevor ich mich bremsen kann, befürchtete ich beunruhigt.
Schnell wandte ich mich von ihm ab. „Bitte geh jetzt endlich!" befahl ich ihm hart und drehte mich hastig um. Ich wollte so schnell wie möglich zurück in meine Wohnung gehen und ihm die Tür vor der Nase zuschlagen.
Aber Clay kannte mich zu gut. Er ahnte meine Absicht und stöhnte gequält auf. Mit einem schnellen Schritt war er bei mir und packte mich panisch am Arm. Verärgert fuhr ich zu ihm herum. „Lass mich sofort los!" fauchte ich streng. „Nein... nein... warte!" jammerte er, löste seinen Griff zögernd von meinem Arm und ging zwei Schritte rückwärts.
Flehentlich fixierte er mich. „Bitte Liz... ich habe echt viel Mist erlebt... es geht mir nicht gut...", hauchte er verzweifelt. Ich stöhnte genervt auf. „Ja, Clay, das weiß ich doch, da erzählst du mir nichts Neues. Es geht dir ja in letzter Zeit nie gut, wenn du hier bei mir auftauchst!" warf ich ihm heftig vor, „Aber das ist deine eigene Schuld, und ich kann nichts mehr für dich tun! Ich will nichts mehr für dich tun! Erst gestern habe ich dir das nochmal groß und breit erklärt, erinnerst du dich?!"
Prüfend und anklagend starrte ich ihn an. Er wich unbehaglich meinem Blick aus. „Erinnerst du dich daran?" fragte ich ihn deutlich noch einmal. Seine Augen wanderten zögernd zurück zu mir. Er betrachtete mich eine Weile nachdenklich und flüsterte dann: „Ich erinnere mich, Eliza." „Na, siehst du!" trumpfte ich auf, hatte aber dennoch das Bedürfnis, die Sache endgültig klarzustellen. „Ich habe mich von dir getrennt, Clay! Mit uns ist es aus! Ich möchte nicht mehr, dass du hierherkommst! Ich kümmere mich jetzt nur noch um mein eigenes Leben! Oder hast du das immer noch nicht verstanden?" Mein Blick durchbohrte ihn förmlich auf der Suche nach der Wahrheit. Clay schaute mich eine Weile ratlos an.
Plötzlich fing er zu meiner Überraschung damit an, ziemlich charmant zu lächeln. „Ja, ich verstehe dich jetzt, Liz. Ich habe das jetzt endlich alles verstanden, was du mir gesagt hast", teilte er mir grinsend mit, was mich innerlich enorm erstaunte. So etwas hatte ich von Herrn Banton tatsächlich noch nie gehört. „Was?!" entfuhr es mir deshalb perplex. Clay lächelte bezaubernd und kam langsam zwei Schritte auf mich zu. „Ich verstehe dich jetzt, Eliza", versicherte er mir nochmal.
Irritiert und plötzlich misstrauisch musterte ich ihn. Seine Augen leuchteten erwartungsvoll. Er glaubte wirklich an seine Worte und er glaubte, mich mit seiner Behauptung besänftigen zu können. „Was glaubst du verstanden zu haben, Clay?" hakte ich vorsichtig nach, obwohl mir eine innere Stimme sogleich von dieser Frage abriet. Eigentlich wollte ich das ja gar nicht wissen. Eigentlich sollte er ja einfach nur verschwinden. Es war doch inzwischen ganz egal, ob er mich verstand oder nicht. Ich hatte meinen Entschluss zur Trennung schließlich längst gefasst und durchgesetzt.
Clay stand nun dicht vor mir. Er beugte sich an mein Ohr, bevor ich reagieren konnte. „Du möchtest nicht, dass ich so viel Sex habe. Das verstehe ich jetzt", flüsterte er amüsiert, und mir blieb für einen Moment verblüfft das Herz stehen. Clay Banton sprach über Sex und war mir gleichzeitig viel zu nah! Sein vertrauter, angenehmer Geruch stieg mir in die Nase und hatte sofort eine beträchtliche Wirkung auf mich.
Bevor ich eingreifen konnte versprach er mir schon: „Das will ich auch nicht mehr. Ich will damit aufhören, so wild und wahllos durch die Gegend zu ficken, Eliza. Das ist nicht..." „Clay!" schrie ich entsetzt los, sodass er irritiert verstummte und sich aufrichtete. Seine Augen weiteten sich erschrocken, und ich konnte es nicht fassen, dass er tatsächlich über sein Sexleben sprach. Ich konnte nicht fassen, wie beschränkt er war, obwohl ich es wirklich besser hätte wissen müssen. „Ich hör damit auf, Liz! Das ist gar nichts! Das befriedigt mich nicht mehr! Ich habe das endlich begriffen!" beteuerte Clay verzweifelt.
Er stand immer noch direkt vor mir, sein hübsches Gesicht dicht vor meinem, sein starker, attraktiver Körper berührte mich fast. Er beugte sich vor, um mich zart auf die Wange zu küssen, und ich konnte mir nicht mehr anders helfen, als ihn gewaltsam, überstürzt von mir weg zu schubsen. Mit panischer Wucht versetzte ich ihm mit beiden Händen einen kräftigen Stoß gegen die Rippen.
Er war darauf nicht gefasst, ich überrumpelte ihn. Er reagierte zu langsam und taumelte deshalb haltlos rückwärts, bis er hart mit dem unteren Rücken gegen das Geländer stieß. Schmerzerfüllt stöhnte er auf. Durch meinen brutalen Stoß stürzte er fast die Treppe hinunter. Selbst erschrocken über die Wirkung meines Schlages guckte ich erstarrt dabei zu.
Nach zwei Stufen klammerte Clay sich jedoch glücklicherweise instinktiv am Geländer fest. Der Aufprall seines Körpers war so laut, dass das Metall-Geländer donnernd erzitterte. Diesen Lärm hatte mit Sicherheit das ganze Haus gehört. Clay brauchte einen Moment, um seinen Schwung abzufangen.
Schließlich stand er auf der zweitobersten Treppenstufe am Geländer, hielt sich daran fest und schaute mich wütend an. „Warum hast du...", fauchte er verärgert. Als er meinen tödlichen Blick auffing, brach er verwirrt ab. Seine Augen verengten sich besorgt. Er sah gequält aus, als er mit mühsam unterdrückten Aggressionen knurrte: „Willst du mich echt umbringen, Eliza? Warum bist du so wütend auf mich? Ich habe doch..." „Geh jetzt bitte, Clay! Um Himmels Willen, hau endlich ab und lass mich in Ruhe!" unterbrach ich ihn viel zu laut und unbeherrscht, weil ich mir nicht mehr anders zu helfen wusste.
Ich wollte ganz bestimmt nicht in meinem Hausflur mit ihm über sein wildes Sexleben diskutieren! Ich wollte auf gar keinen Fall von seinem mächtigen Sexappeal angezogen werden! Aber ganz genau das passierte hier gerade, und das durfte ich nicht zulassen.
Eigentlich habe ich gar keinen Grund dazu, so mega wütend auf ihn zu sein, dachte ich frustriert, Clay Banton hat nämlich in Wahrheit nichts anderes getan, als einfach er selbst zu sein. Aber er hat mich damit verletzt, mich wiederholt belogen, und deshalb finde ich meinen Zorn eigentlich total berechtigt, überlegte ich verwirrt. Mit meiner Kraft und Geduld am Ende drehte ich mich hastig herum.
Als Clay registrierte, dass ich ihn jetzt einfach draußen stehen lassen würde, heulte er entsetzt auf. Er hörte sich an, wie ein tödlich verletztes Tier, und seine Stimme ging mir durch und durch. „Nein... nicht... bitte mach das nicht... bitte... schick mich nicht weg...", rief er panisch, „Ich bin so verdammt müde, Eliza... bitte... lass mich einfach bei dir ausruhen... nur ein paar Minuten..." Seine Augen füllten sich unweigerlich mit Tränen.
Erschüttert wandte ich meinen Blick von ihm ab, betrat hastig meine Wohnung und schlug die Tür hinter mir zu. Von innen lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Tür und schloss erschöpft die Augen.
Ich wusste nur zu gut, warum er hierher gekommen war. Clay Banton wollte unbedingt, dass ich meine Hand auf seinen nackten Bauch legte, das war mir sonnenklar. Er hatte aus irgendeinem Grund sehr große Angst und sehnte sich deshalb nach dem Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, was er offenbar bei mir zu finden hoffte. Ich spürte deprimiert, dass ein noch viel zu großer Teil von mir ihm nur zu gerne diese harmlose Berührung, die ihm so erstaunlich viel bedeutete, schenken wollte. Dieser Teil von mir war voller Mitgefühl für dieses traurige, verwirrte Kind im attraktiven Körper eines erwachsenen Mannes.
Aber ich konnte das doch nicht mehr zulassen, diese Nähe, diese Vertrautheit zwischen uns. Wenn ich ihm jetzt meine Hand auf den Bauch legte, dann würde er niemals begreifen, was es bedeutete, dass ich mich von ihm getrennt hatte. Vielleicht würde ich dann sogar selbst wieder mit Zweifeln kämpfen müssen. Womöglich wäre dann alles ganz umsonst gewesen!
Clay
Nerviger, aber unausweichlicher Besuch beim Drogenarzt. Die medizinische Fachangestellte Sybille war einige Male meine Sexpartnerin gewesen. Ich erinnerte mich, dass es Spaß gemacht hatte mit ihr zu schlafen, auch wenn sie äußerst unerfahren und ziemlich verklemmt gewesen war. Sie hatte sich mir so lange bereitwillig hingegeben, bis ich sie eines Abends gefragt hatte, ob sie mir nicht vom Arzt ein paar Tabletten oder Rezepte klauen könnte. Daraufhin hatte sie jeden privaten Kontakt mit mir empört abgebrochen und behandelte mich seitdem mit arroganter Selbstgefälligkeit.
Als ich in die Praxis kam, wusste sie jegliche Überraschung zu verbergen und betrachtete mich nur voller Hohn. „Herr Banton. Also bist du wieder hier", stellte sie nüchtern fest, als hätte sie immer gewusst, dass ich früher oder später wieder im Programm landen würde. „Hi", grüßte ich sie lächelnd. Sie stand auf und suchte in einem Schrank nach meiner Akte. Ich stand am Tresen und betrachtete sie dabei. Ich versuchte mich zu erinnern, wie sie nackt aussah, aber irgendwie gelang mir das nicht. Die Wirkung der morgendlichen Chinesen ließ nach und ich fühlte kalten Schweiß in meine Achselhöhlen kriechen.
Sybille kam zurück an den Tresen und legte mir einen Zettel zum Unterschreiben hin. Die ganze Zeit vermied sie es auffallend, mir in die Augen zu sehen. „Wie geht es dir denn, Bill?" versuchte ich ein bisschen zu flirten. Sie lachte spontan spöttisch auf. „Mir geht es bestimmt besser als dir, Herr Banton!" Sie sah mich herausfordernd an, und mir wurde klar, dass sie auf mein blaues Auge und mein geschwollenes Gesicht anspielte, und das ärgerte mich. „Bin verprügelt worden", erklärte ich ihr leise. „Ach, du armer, armer Mann! Das hast du bestimmt gar nicht verdient!" flötete Sybille sarkastisch. Mir wurde bewusst, dass sie tatsächlich noch immer sauer auf mich war. Genervt stöhnend wandte ich mich von ihr ab. „Gib mir deine Karte!" verlangte sie geschäftig. Ich suchte in meinem Jackett nach der Krankenkassenkarte und reichte sie ihr. „Setz dich ins Wartezimmer!" befahl sie mir trocken.
Ich trottete zum Wartezimmer, ohne mich noch einmal zu ihr umzudrehen. Zum Glück war das Zimmer ganz leer, es war zu früh für die meisten Junkies. Dieser Arzt hatte kaum Patienten, die nichts mit Drogen zu tun hatten. Die Erfindung des Methadonprogramms hatte ihn höchstwahrscheinlich vor dem Bankrott gerettet.
Dann saß ich eine Weile allein im Wartezimmer und versuchte, nicht zu viel nachzudenken, um nicht allzu nervös zu werden. Von meinem Platz aus konnte ich Sybille verstohlen beobachten, die mich konsequent ignorierte. Sie saß hinter ihrem Tresen und arbeitete irgendwas. Ich fragte mich, wo die zweite medizinische Fachangestellte war, die hier beschäftigt war. Der Name dieser Frau fiel mir aber nicht ein.
Irgendwann stand Sybille plötzlich auf. Sie brachte meine Akte ins Zimmer des Arztes und kam dann zu mir. „Du kannst reingehen", erklärte sie mir knapp, ohne mich anzusehen. „Okay", stimmte ich zu und stand auf.
Ich ging durch den Gang zum Sprechzimmer. Die Tür war offen. Der Doc saß an seinem Schreibtisch. Er sah auf, als ich hereinkam und hinter mir die Tür schloss. „Herr Banton!" entfuhr es ihm überrascht, „Was ist denn mit dir passiert, um Himmels Willen?!" Er stand hastig auf, kam auf mich zu, gab mir die Hand und betrachtete mich dann besorgt. Seine Reaktion irritierte mich ungemein. Ich war schließlich nur hierher gekommen, um ihn nach Methadon zu fragen. Der äußerliche Zustand meines Körpers spielte für mich dabei absolut keine Rolle.
Für ihn jedoch leider umso mehr. Vorsichtig berührte er mein Gesicht, begutachtete meine Augen und meine Wangen. „Was ist denn bloß passiert?" fragte er nochmal fassungslos. Seine Anteilnahme rührte mich irgendwie. Ich hatte einen Kloß im Hals und schluckte hart. „Bin verprügelt worden", erklärte ich dann auch ihm mit rauer Kehle und räusperte mich. Bloß nicht anfangen zu heulen jetzt, dachte ich alarmiert.
Dieser Arzt war vielleicht fünfzehn Jahre älter als ich. Er duzte jeden und war ein wirklich netter Kerl, einer der viel zu wenigen Menschen, die Drogenabhängige nicht wie den letzten Dreck behandelten, selbst wenn sie auf die eine oder andere Art immer wieder versuchten, ihn zu betrügen. Junkies taten so etwas automatisch, es lag ihnen einfach im Blut und oft merkten sie es nicht einmal.
„Wer hat das getan?" fragte der Doc mich neugierig und guckte mich mitleidig an. „Du solltest diesen Verbrecher anzeigen!" riet er mir im Brustton der Überzeugung. Ich lächelte über so viel Entrüstung. „Das... ist schon okay...", stammelte ich irgendwie blöd. Der Arzt schüttelte sofort entschieden den Kopf. „Nein, Herr Banton, wenn jemand dich dermaßen verprügelt, dann kann das niemals okay sein! Nicht mal ansatzweise!" „Ich... habe das schon geklärt", behauptete ich leise und erinnerte mich plötzlich an das Junkiemädchen auf meinem Sofa. Ich erinnerte mich an ihre kleine Hand auf meinem Bauch und daran, wie wichtig es ihr gewesen war, sich pausenlos bei mir zu entschuldigen, und für einen kurzen Moment fühlte ich mich richtig gut.
„Das würde ich mir aber nicht so einfach gefallen lassen", bemerkte der Arzt zweifelnd, „Es kann doch nichts vorgefallen sein, was diese Schläge rechtfertigen würde!" Er war immer noch entsetzt und konnte sich nur schwer mit meinen Verletzungen abfinden. Er war empört über das Unrecht, was mir angetan worden war.
Ich betrachtete ihn und hatte auf einmal ein warmes Gefühl im Bauch. Dieser Mann sorgt sich tatsächlich um mich, dachte ich geschmeichelt. Freundlich lächelte ich ihn an. Er sah immer noch sehr besorgt aus. „Ich muss mir das unbedingt ansehen, Herr Banton. Bitte zieh deine Sachen aus", sagte er plötzlich zu mir und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Er setzte sich, schlug pflichteifrig meine Akte auf, die auf dem Tisch lag, und blätterte darin. Er las etwas, nahm dann einen Stift und notierte etwas.
Ich stand in diesem Zimmer und beobachtete ihn verwirrt. Ich hatte keine Lust, schon wieder aus meinen Klamotten zu steigen. Es war mir total zuwider, mich vor einem Arzt auszuziehen. Im Krankenhaus war ich doch schon längst von Siamak genauestens inspiziert worden. Andererseits tat mir immer noch alles weh, auch wenn die shore es erträglich gemacht hatte. Ich überlegte, ob ich dieser Untersuchung irgendwie entkommen könnte.
Ich wurde ziemlich nervös, als der Arzt aufblickte. Er registrierte erstaunt, dass ich mich nicht rührte, und lächelte dann amüsiert. „Bitte, Herr Banton, ich möchte mir deine Verletzungen einmal genauer anschauen! Bitte lege deine Kleidung ab! Du kannst sie dort drüben auf den Stuhl legen", forderte er mich sanft auf. „Ich war aber schon im Krankenhaus", erzählte ich ihm abwehrend.
Er horchte sofort auf. „Du warst im Krankenhaus? Wann war das? Direkt nach der Prügelei?" begehrte er zu wissen. Ich nickte und versuchte mich zu erinnern, was genau Siamak in dieser Nacht bei mir festgestellt hatte. „Ich habe ein paar Schnittwunden und Prellungen, und dazu noch eine Gehirnerschütterung", fiel mir lahm ein. Diese ganzen Details interessierten mich nicht die Bohne. Der Arzt starrte mich entsetzt an. „Du hast Schnittwunden? War da etwa bei der Prügelei auch noch ein Messer im Spiel? Das ist eindeutig ein Verbrechen!" entfuhr es ihm empört. „Mehrere Messer", murmelte ich deprimiert und schloss intuitiv die Augen. Die böse Erinnerung drängte sich mir auf, aber ich wollte mich nicht erinnern. Ich wollte unbedingt, dass er jetzt sofort damit aufhörte und mir einfach das Methadon gab.
Eine lange Zeit war es ganz still in diesem Untersuchungszimmer, während ich einfach nur hilflos dort stand. Als ich schließlich meine Augen vorsichtig öffnete, beobachtete der Doc mich mitleidig. „Hast du einen Bericht dabei? Wer hat dich untersucht?" fragte er mich behutsam. Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Sein offen mitleidiger Blick gefiel mir nicht. „Ich habe keinen Bericht", sagte ich verwirrt. „In welchem Krankenhaus warst du? Wer hat dich untersucht?" wollte der Doc nochmal wissen.
Ich lächelte, als ich mich an Siamak erinnerte, diesen äußerst attraktiven, aufregend orientalischen Mann, dem ich so gerne noch sehr viel näher gekommen wäre. Seine Nähaktion war definitiv geil gewesen, aber seine Abfuhr und sein Verrat an Eliza weniger. „Siamak Tourani", ging mir sein Name trotzdem noch butterweich über die Lippen. Der Arzt betrachtete mich irritiert und ich zwang mich schnell, mich auf diese blöde Situation zu konzentrieren. „Im Christopherus-Krankenhaus", ergänzte ich meine Aussage hastig.
Der Doc nickte bedächtig. „Okay, dann werde ich dort mal anrufen und den Untersuchungsbericht anfordern", sagte er mehr zu sich selbst. Dann schaute er mich ernst an. „Aber ich möchte dich trotzdem auch selbst in Augenschein nehmen, Herr Banton", eröffnete er mir unerbittlich. Seine sture Hartnäckigkeit nervte mich ungemein. „Ich bin aber nur wegen Methadon hier", erwiderte ich trotzig und schüttelte den Kopf. Es muss ihm doch klar sein, warum ich hier bin, das ist doch nun wirklich nicht schwer zu erraten, dachte ich wütend. Er lächelte und nickte. „Ja, das habe ich mir schon gedacht", gab er zu, „Darüber reden wir dann später." „Nein... ich...", versuchte ich zu widersprechen, aber im nächsten Moment fiel mir nichts mehr ein, was ich noch hätte sagen können.
Er musterte mich eine Weile abschätzend. „Komm schon, dir geht es noch längst nicht so schlecht, dass du jetzt unbedingt sofort Methadon brauchst", stellte er nüchtern fest. Er hatte irgendwie recht, und ich hatte dem nichts entgegenzusetzen. „Bitte, Herr Banton. Ich muss mich nur vergewissern, dass du nicht schwer verletzt bist, okay? Es wird auch nicht wehtun", erklärte er mir milde und deutete auffordernd auf den Stuhl.
Ich nickte resigniert und drehte mich von ihm weg. So ein Mist, dachte ich verärgert, jetzt muss ich mich schon wieder ausziehen. Langsam ging ich zum Stuhl, zog mein Jackett aus und hing es über die Lehne. Dann band ich meine Krawatte ab, schlüpfte aus der Weste und knöpfte mein Hemd auf. Ich zog mechanisch mein Hemd und Unterhemd aus, dann meine Schuhe und Strümpfe, und zwang mich die ganze Zeit, nicht weiter darüber nachzudenken.
In meinem Kopf drehte sich alles. Böse Erinnerungen stürmten unvermittelt auf mich ein, an die ich lieber nicht denken wollte. Aber ich sah die Schnitte und bunten Flecken auf meinem Körper und glaubte plötzlich, mich an jeden einzelnen Schlag genau erinnern zu können. Dieser Strick tauchte vor meinen Augen auf und mein Hals schnürte sich zu, ich konnte kaum noch atmen.
Auf einmal wurde mir schwindelig. Ich musste mich an dem Stuhl festklammern, um nicht hinzufallen. „Ist alles in Ordnung mit dir?" rief der Arzt erschrocken, sprang auf und kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Er fasste mich am genähten Oberarm und hielt mich ganz fest, sodass es ziemlich weh tat. Ich blickte ihn konfus an. „Es... geht schon...", stammelte ich verlegen. „Ist dir schwindelig?" wollte der Arzt von mir wissen und betrachtete mich prüfend. „Nein... ich..."
Hilflos schloss ich die Augen und fühlte mich wie ein verdammter Schwächling. Ich fragte mich, warum dieser Scheiß mir so viel ausmachte. Die Prügelei war doch längst Vergangenheit und der Doc würde mich bestimmt nicht schlagen. Nimm dich zusammen, mahnte ich mich nervös.
„Geht schon wieder", verkündete ich entschlossen und wand mich unbehaglich aus seinem Griff. Er ließ mich los und blieb neben mir stehen. Er beobachtete mich aufmerksam, offenbar bereit, im Notfall erneut einzugreifen. Interessiert begutachtete er die schwarze Naht an meinem Oberarm. „Diese Schnittwunde ist professionell genäht worden", stellte er anerkennend fest.
Plötzlich war es mir unglaublich peinlich, mich vollständig vor ihm auszuziehen. Sein neugieriger Blick auf meinem ungeschützten Körper gefiel mir nicht. Beschämt knöpfte ich meine Jeans auf, zog sie widerwillig herunter, wobei sie schmerzhaft an der Naht zerrte, und legte sie zu den anderen Sachen auf dem Stuhl. Dann griff ich zögernd, unglücklich nach dem Bund meiner Boxershorts. Der Arzt hob lächelnd abwehrend die Hände. „Nein, nein, Herr Banton, das reicht schon! Deine Unterhose kannst du ruhig anbehalten!" rief er amüsiert aus. „Oh... okay...", stammelte ich wie ein Idiot und guckte ihn hilflos an. Er lächelte aufmunternd.
„Bitte komm hier herüber!" befahl mir der Doktor, und ich gehorchte ihm und war dabei viel zu aufgeregt. Mein Herz hämmerte unruhig. Ich lief ein paar Schritte hinter ihm her zu einer Personenwaage, die an der Wand auf dem Boden stand. „Bitte stelle dich ruhig hier drauf, Herr Banton." Ich tat genau das, und er las mein Gewicht ab. Auf einer Messlatte, die an der Wand befestigt war, konnte er gleichzeitig auch noch meine Größe ablesen.
Danach stieg ich von der Waage und drehte mich zu ihm um. Er war zurück zu seinem Schreibtisch gelaufen, notierte dort meine Werte in meiner Akte und musterte mich sichtbar wohlwollend. „Für jemanden, der regelmäßig harte Drogen gebraucht, bist du in einem überraschend guten körperlichen Zustand, Herr Banton, von deinen momentanen Verletzungen einmal abgesehen. Ich gratuliere dir ehrlich zu deinem Idealgewicht", lächelte der Doc anerkennend. „Dein guter allgemeiner Gesundheitsstatus ist äußerst ungewöhnlich für jemanden wie dich. Treibst du vielleicht viel Sport?" fragte er mich freundlich.
Ich konnte mit diesen Sätzen nichts anfangen. Mein genaues Gewicht war mir egal, und es ging mir unglaublich auf den Sack, wie er über mich sprach, wie er jemanden wie dich sagte. Als wäre ich ein außerirdischer Alien oder so was. „Nein... ich... spiele Theater...", stotterte ich irritiert, was absoluter Schwachsinn war, denn schließlich trainierte ich ja beinahe täglich und oft stundenlang. Ich war schließlich auch eitel und stellte mich nackt auf der Bühne zur Schau. Deshalb wollte ich selbstverständlich gut aussehen, das war der einzige Grund. Aber die Worte des Doktors und diese ganze unangenehme Situation verwirrten mich, sodass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
Er lachte belustigt auf und nickte zustimmend. „Ach ja, ich erinnere mich, du bist ja ein Künstler! Das ist sicherlich auch sehr anstrengend, nicht wahr? Für diesen Beruf muss man zweifellos körperlich fit sein." Seine Fröhlichkeit kam mir suspekt vor, deshalb betrachtete ich ihn misstrauisch. Er guckte mich verschwörerisch an. „Weißt du, ich habe dich schon einmal auf der Bühne gesehen, Herr Banton. Das ist schon etwas länger her und war im..." Er überlegte nur kurz. „...im Grenzland-Theater, nicht wahr? Die Performance heißt... warte... irgendwas mit... Kühlschrank, oder?" „Psychotic", half ich ihm spontan auf die Sprünge, bevor ich darüber nachdenken konnte. „Wie bitte?" fragte er verblüfft nach. Ich schaute verlegen an ihm vorbei. „Psychotic", wiederholte ich leise. „Der Kühlschrank ist ziemlich... psychotisch", erklärte ich ihm widerwillig.
Plötzlich kam mir dieser ganze Theater-Scheiß absolut lächerlich vor. Was hatte Sean sich nur dabei gedacht? Seit wann hatten ausgerechnet Kühlschränke eine Seele?!
Der Doc versuchte redlich seine Irritation zu verbergen. „Ach ja, ich erinnere mich gut daran! Der psychotische Kühlschrank!" rief er erfreut aus und unterdrückte ein amüsiertes Lachen. „Du spielst doch genau diesen Kühlschrank, nicht wahr?" wollte er kichernd von mir wissen. Ich nickte leicht genervt. Er schaute mich freundlich an. „Wie ich mich erinnere, hast du diese schwierige Rolle auf der Bühne ganz hervorragend interpretiert, Herr Banton! Ich war von deiner schauspielerischen Leistung wirklich beeindruckt", wollte er mich aufmuntern.
Er wollte mir damit schmeicheln, aber das funktionierte absolut nicht. Im Gegenteil, ich fühlte mich von ihm auf irgendeine Art gedemütigt, auch wenn mir nicht klar war, auf welche Art genau. Ich hatte den schmerzenden Verdacht, dass der Arzt sich in Wahrheit gerade über mich lustig machte. Schon bereute ich es, das Theater überhaupt erwähnt zu haben, und ballte meine Hände wütend zu Fäusten. Ich wünschte, er würde auf der Stelle damit aufhören, dachte ich verärgert.
Aber der Doc ließ es leider noch nicht gut sein. „Wie bist du eigentlich auf eine so unglaublich ausgefallene Idee gekommen?" wollte er neugierig von mir wissen, „Ich meine, ein psychotischer Kühlschrank! So etwas muss einem ja erst mal einfallen!" Er schüttelte ungläubig den Kopf.
Ich fragte mich genervt, warum der Mann überhaupt so viel redete, wo er mich doch eigentlich nur untersuchen wollte. Inständig wünschte ich mir, dass er endlich mit diesem Mist aufhören und die Klappe halten würde. Nur langsam ging mir auf, dass er mich mit seinem betont lockeren Gequatsche wahrscheinlich von meiner merkbaren Unruhe ablenken wollte. Das gelang ihm aber nicht, obwohl er sich auffallend Mühe gab. Weder die vielen belanglosen Worte noch das Thema waren jedoch dazu geeignet, um meine Nervosität zu verringern.
„Diese Kühlschrank-Idee war nicht meine", eröffnete ich ihm lustlos. „Wessen dann?" wollte er natürlich sofort wissen. Ein Bild von Sean Valmont blitzte unwillkürlich in meinem Kopf auf. Eine Vorstellung von diesem überwältigend attraktiven Sean dicht über mir, wie er mich zärtlich küsste, und ich spürte so etwas wie Sehnsucht. Dann stellte ich mir automatisch vor, wie Sean meinen Schwanz lutschte, und das war total geil. Mir wurde bewusst, dass ich nur noch meine Boxershorts trug, und dass es in diesem Zimmer überraschend und zweifellos angenehm warm war. Der Sean in meinem Kopf war nackt, und ich hatte eine kurze Vision von extrem gutem Sex.
Erschrocken schnappte ich nach Luft. Der Arzt beobachtete beunruhigt mein Gesicht, und ich zwang mich hastig, mich zusammenzureißen. „Die Idee gehört Sean Valmont... der Regisseur... ein... Arbeitskollege...", stotterte ich völlig verwirrt, und plötzlich hatte der Mann in meiner Sex-Vision die Visage des Doktors, und ich brach spontan in lautes Gelächter aus, bevor ich mich bremsen konnte.
Meine merkwürdige Reaktion irritierte den Arzt merkbar. Er betrachtete mich eine Weile lauernd und fragte sich wahrscheinlich, warum dieses harmlose Thema mich derart aufwühlte.
„Und du spielst also tatsächlich noch immer Theater? Das finde ich ganz erstaunlich, Herr Banton, das ist wirklich eine Leistung für jemanden wie dich. Ist es noch die gleiche Performance? Läuft es denn auch gut? Sind deine Vorstellungen gut besucht?" fragte er mich betont locker. Ich stöhnte innerlich genervt auf. „Wir experimentieren auf der Bühne pausenlos herum. Es läuft aber nicht besonders", erwiderte ich knapp. Er guckte mich verständnisvoll an und nickte langsam. „Ja, ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, sich im Theater zu behaupten", meinte er aufrichtig mitfühlend.
Im nächsten Moment strahlte er plötzlich über das ganze Gesicht. „Aber ich finde es richtig klasse und äußerst bemerkenswert von dir, dass du trotz deiner schweren Krankheit deine wertvollen Energien in diese wunderbare Kunst steckst, Herr Banton! So etwas ist extrem selten, glaub mir! Du kannst dafür wahrhaftig sehr stolz auf dich sein!" erklärte er mir richtig begeistert.
So, wie er diese Worte sagte, hörte es sich ehrlich an. Trotzdem betrachtete ich ihn argwöhnisch, denn sein allzu überschwängliches Lob verwirrte mich, und seine Begeisterung war mir suspekt. Warum hielt er sich so lange mit diesem Thema auf? Theaterspielen war doch höchstens eine Nebentätigkeit für mich! Nur Sean zuliebe hatte ich überhaupt damit angefangen! Meine Malerei und die Musik waren mir viel wichtiger, denn damit verdiente ich mein Geld, und das Theater brachte mir im Grunde fast gar nichts ein. Vom Off-Theaterspielen konnte ich bestimmt nicht leben!
Aber was noch viel wichtiger war: Von welcher schweren Krankheit quatschte er denn da eigentlich? Diese Worte beunruhigten mich enorm, denn sie hörten sich gefährlich an und ich konnte mit ihnen nichts anfangen. Ich war bestimmt nicht schwer krank, sondern ich wollte einfach nur Methadon haben! Shit! Mein Kopf schwirrte, sodass ich ihn stöhnend festhalten musste.
Der Doc lächelte entgegenkommend und ließ es endlich gut sein. Allerdings wandte er sich nun meinem halbnackten Körper zu, und das gefiel mir noch viel weniger, als mit ihm über das Theater reden zu müssen. „Nun gut, Clay, bitte komm jetzt mit hier herüber", forderte er mich auf und lächelte beruhigend. Mir entging nicht, dass er von der höflichen, distanzierten Anrede 'Herr Banton' plötzlich zum viel vertraulicheren Vornamen überging, als würde es jetzt sehr viel intimer zwischen uns werden. Diese subtile Tatsache steigerte meine Nervosität enorm.
Er ging zu einer Liege an der Längsseite des Zimmers, vor der er stehenblieb. Ich folgte ihm unsicher. Er stellte mich sanft aber bestimmt an den richtigen Platz ins Licht, noch bevor ich reagieren konnte. Ich stand ganz still, als er anfing meinen Körper eingehend zu betrachten. Mein Herz fing hart zu schlagen an. „Meine Güte, Clay, dein Körper ist tatsächlich vollkommen übersät mit Hämatomen und Schnittwunden", murmelte er entsetzt vor sich hin. Er nahm ein Stethoskop und hörte meinen hämmernden Herzschlag ab. Ich sollte ganz tief ein und wieder ausatmen, was ich tat. Er drehte mich herum und hörte etwas an meinem Rücken. Das runde Metall fühlte sich kalt an, als er es an meine Brust und meinen Rücken drückte. Ich sollte husten und gab mir Mühe.
Danach legte er sein Stethoskop zur Seite, ging ruhig zurück zu seinem Schreibtisch, notierte abermals etwas in meiner Akte und schaute dann zu mir auf. „Wie viel rauchst du, Clay?" fragte er mich ernsthaft. „Zu viel", gab ich zu und hustete reflexartig. Er lächelte, aber diesmal wirkte es deprimiert. „Du weißt doch bestimmt, dass Rauchen Gift ist, und zwar bei weitem nicht nur für deine Lunge", bemerkte er vorwurfsvoll, erwartete aber zum Glück keine Antwort.
Der Arzt kam mit einem Blutdruck-Messgerät zurück und wickelte die Manschette um meinen unverletzten rechten Oberarm. Er maß meinen Blutdruck und zählte an meinem Handgelenk meinen Puls. Danach ging er abermals zurück zum Schreibtisch und schrieb die Ergebnisse in meine Akte.
Schließlich legte er den Stift zur Seite und betrachtete mich eine Weile mit väterlicher Gutmütigkeit. Ich versuchte seinem Blick standzuhalten, aber es gelang mir nicht. Aufgewühlt wich ich ihm aus und starrte stattdessen aus dem Fenster. Hinter den weißen Gardinen konnte ich tief unten einen leeren, betonierten Innenhof erkennen.
„Hör mal, Clay, dein Blutdruck ist völlig in Ordnung, aber dein Puls geht entschieden zu schnell. Du hast aber hier und jetzt wirklich keinen Grund, um so dermaßen nervös zu sein. Ich beiße dich ganz bestimmt nicht, und das mit dem Methadon wird auch kein Problem sein", flüsterte er beinahe liebevoll. Ich warf ihm spontan einen verärgerten Blick zu. Natürlich hatte er bemerkt, dass mein Puls nahe daran war zu rasen, und das gefiel mir überhaupt nicht. Es machte mich irgendwie lächerlich. Mein Herz hämmerte hart von innen gegen meine Rippen. Ich atmete tief im Bemühen mich zu beruhigen.
Er lächelte und kam wieder langsam auf mich zu. Er betrachtete mich viel zu eingehend. Im nächsten Moment wurde sein Gesicht ernst. „Hast du irgendwelche Beschwerden seit dieser Prügelei?" wollte er ruhig von mir wissen. Ich schüttelte automatisch den Kopf. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, denn ich war damit beschäftigt nicht die Nerven zu verlieren. Außerdem wollte ich diese zunehmend unangenehme Sache so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Der Arzt trat nun sehr nahe an mich heran und befasste sich mit meinem Kopf und meinem Gesicht. Er tastete die verschiedenen Schwellungen ab und leuchtete mir prüfend mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen. Ich musste dem Reflex widerstehen, meine Augen sofort abwehrend zu schließen. „Du hast in der Tat eine leichte Gehirnerschütterung, die typische Symptome aufweist. War oder ist dir schwindelig oder schlecht? Hast du dich direkt nach dem Schlag oder später übergeben?" forschte der Doc aufmerksam nach. „Nein... ich...", stammelte ich blöde, weil ich mich im Moment an nichts davon erinnerte. „Das ist sehr wichtig, Clay. Eine Gehirnerschütterung kann deinen Gleichgewichtssinn und dein Sehvermögen beeinträchtigen, verstehst du? Du brauchst unbedingte Ruhe, um sie zu kurieren", informierte er mich ernsthaft.
Ich nickte konfus und atmete krampfhaft tief ein. Mit aller Macht zwang ich mich, mich zu konzentrieren. „Ich... habe schon gekotzt... aber das war während des Angriffs... nachdem sie mich mehrmals in den Magen getreten hatten...", erzählte ich ihm endlich stockend. Die unwillkürlich auftauchende Erinnerung daran drohte mich erneut aus der Fassung zu bringen. Er nickte zustimmend, und sein Blick wanderte sofort hinunter in meine Magengegend. Mit warmen Händen erkundete er die blauen Flecken dicht unter meinem linken Rippenbogen.
„Es waren also mehrere Schläger, die dich dermaßen brutal verprügelt haben. Na ja, einer allein kann ja auch kaum so viel Schaden anrichten", murmelte er erschüttert. „Es waren fünf", sagte ich aus keinem besonderen Grund, bevor ich darüber nachdenken konnte. Der Arzt zuckte tatsächlich erschrocken zusammen und starrte mich mitleidig an. „Fünf erwachsene Männer gegen dich allein?!" entfuhr es ihm fassungslos, „Das ist ja so was von feige und unfair! Außerdem ist es ein schlimmes Verbrechen!" Er ereiferte sich richtig in seiner Entrüstung. Offensichtlich stand er voll und ganz auf meiner Seite.
Ich betrachtete ihn überrascht. Seine unverhüllt emotionale Reaktion amüsierte und rührte mich irgendwie. Deshalb unterließ ich es, ihn darüber aufzuklären, dass von den fünf Personen, die in dieser Nacht über mich hergefallen waren, in Wahrheit nur vier männlich gewesen waren, und das man alle fünf nur eingeschränkt erwachsen nennen konnte, da sie wohl kaum das Teenager-Alter hinter sich gelassen hatten. Ich fragte mich plötzlich, ob seine Entrüstung und sein Mitleid weniger stark wären, wenn er wüsste, dass ich mich von vier halbwüchsigen Jungs und einem kleinen Mädchen hatte verprügeln lassen. Würde er mich dann nicht für ein jämmerliches Weichei halten, einen totalen Versager, der unfähig war, sich wirkungsvoll zu wehren? Dieser Gedanke gefiel mir überhaupt nicht, deshalb schob ich ihn hastig zur Seite.
Außerdem drängte sich mir unwillkürlich die Erinnerung an Kimberly auf, und was sie jetzt alles über mich wusste, und dass mein körperlicher Zustand allein ihre Schuld war, und mein Magen krampfte sich zusammen. Nur das Junkiemädchen Kimberly war Schuld daran, dass der Doc sich so lange mit meinen Verletzungen aufhielt, während der Affe mir immer stärker durch das Rückgrat kroch! Und auch ihre wiederholten Entschuldigungen machten das nicht ungeschehen. Diese undurchsichtige Hexe war wirklich die allerletzte, an die ich noch länger denken wollte, und ich hoffte inständig, ihr niemals wieder zu begegnen.
Der Arzt betrachtete wieder mein Gesicht. Sein Blick blieb auf meinem geschwollenen Auge haften. „Mensch, Clay, ich glaube, du hast da trotz allem noch ganz schön Glück gehabt. Du hättest genauso gut dein Auge verlieren können", meinte er aufgeregt. Ich zuckte erschrocken zusammen und guckte ihn alarmiert an. Er lächelte beruhigend und schüttelte den Kopf. „Aber so wie es jetzt aussieht, bist du wohl mit einem blauen Auge davongekommen." Er lachte über seinen eigenen dummen Scherz.
Mir war überhaupt nicht zum Lachen zumute. Ich machte mir Sorgen wegen Kimberly, wegen dieser unkontrollierbaren Situation und wegen dem Affen in meinem Hinterkopf, stand nur hilflos dort und fühlte mich dem Mediziner komplett ausgeliefert.
Der Arzt umfasste mit seinen warmen Händen meinen Hals und begutachtete den roten Striemen. „Was ist da passiert? Bist du etwa gewürgt worden?" flüsterte er fast. Erneut erschüttert schaute er mich an. Ich konnte nur stumm nicken, und er zog scharf die Luft ein. „Bitte jetzt ganz locker lassen", wies er mich ruhig an. Er drehte und beugte meinen Hals in alle Richtungen, wovon mir schwindelig wurde. „Konntest du deinen Hals immer uneingeschränkt bewegen? Tut dir dabei irgendetwas weh?" fragte er ganz in seinem Element. „Mir tut alles weh", klagte ich genervt, ungeduldig, und starrte wieder aus dem Fenster.
Wie lange dauerte das denn noch? Seine scheiß Untersuchung war doch vollkommen sinnlos! Der Doktor ließ mich los, und es war noch einmal eine lange Zeit absolut still in diesem Sprechzimmer.
Schließlich riskierte ich einen Blick auf ihn. Er stand immer noch dicht vor mir und studierte mich nachdenklich. „Es ist vollkommen klar, dass dir alles wehtut, Clay. Das kann gar nicht anders sein bei deinen unzähligen Verletzungen. Du hast so viele Prellungen, Hämatome und Schnittwunden, dass ich sie nicht einmal zählen könnte", sagte er eindringlich. „Wann war denn diese schlimme Prügelei genau?" erkundigte er sich traurig. Ich wollte mich auf keinen Fall daran erinnern, aber selbstverständlich stürzten die brutalen Erinnerungen schon wieder schmerzhaft auf mich ein. Ich stöhnte widerwillig und antwortete gepresst: „In der Nacht von Samstag auf Sonntag." „Und gleich danach, noch in der selben Nacht, bist du zu Doktor Tourani in die Notaufnahme des Christopherus-Krankenhauses gegangen?" forschte er weiter. Ich nickte und er seufzte erleichtert: „Das war sehr vernünftig von dir, Clay! Damit hast du dir höchstwahrscheinlich selbst das Leben gerettet! Es hätten nämlich gefährliche Dinge passieren können, innere Blutungen zum Beispiel." Er betrachtete eingehend die Nähte am Arm und Bein und setzte hinzu: „Allein an diesen langen Schnittwunden hättest du ganz leicht verbluten können." „Ich habe nicht...", setzte ich abwehrend an. Doch schon im nächsten Augenblick verflüchtigte sich mein Gedanke und ich brach verwirrt ab. Der Doc musterte mich besorgt, was mir langsam total auf den Geist ging. Ich wollte endlich mein Methadon kriegen und dann so schnell wie möglich hier verschwinden. Schon spürte ich, wie der Affe sich in meine Muskeln krallte.
Schließlich wandte der Arzt sich meinem genähten Oberarm zu. Meine Verbände waren bei meiner morgendlichen Dusche abgefallen und ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, mich neu zu verbinden, zumal diese nervigen, juckenden Stoffbahnen sowieso überflüssig waren, wie ich fand. „Doktor Tourani hat dich sehr fachmännisch zusammengenäht", stellte er nochmal anerkennend fest.
Und ich dachte plötzlich zum zweiten Mal an Sean Valmont, weil er es gewesen war, der mich am Sonntagmorgen in seinem Haus neu verbunden hatte. Ich erinnerte mich genau, wie liebevoll und zärtlich er das getan hatte. Ich dachte an Valmonts geschickte Finger an meinem Schwanz, seine Zunge an diesen Nähten, und das Bild erregte mich abrupt enorm, deshalb schob ich den Gedanken hastig von mir.
Der Doc inspizierte inzwischen wissbegierig den schwarzen Faden, der in meinem rechten Oberschenkel steckte. Der Mann berührte dabei mein Bein und fuhr sanft mit seinen Händen über meine Haut. „Das ist eine erschreckend tiefe und lange Schnittwunde, Clay. Aber sie ist ebenfalls sehr gut genäht worden", lobte er nochmal die Arbeit von Siamak. Dann schüttelte er auf einmal bekümmert den Kopf und murmelte: „Das muss doch unglaublich stark geblutet haben." Als ich darauf nichts erwiderte, schaute er auf und mir direkt in die Augen. „Hast du nach dem Angriff stark geblutet?" fragte er mich allen Ernstes, obwohl er noch vor einer Minute selbst vom Verbluten gesprochen hatte. Ich blies spöttisch die Luft aus. „Mann, diese scheiß Messer schnitten in meine Haut, als wäre sie aus Butter! Selbstverständlich habe ich wie Sau geblutet!" erklärte ich ihm geringschätzig. Er betrachtete mich einen Moment sehr intensiv.
„Und wo hast du noch geblutet?" wollte er plötzlich besorgt wissen. Ich schüttelte den Kopf und grinste amüsiert. „Clay, das ist wirklich wichtig!" beteuerte er verzweifelt, „Es wäre vielleicht ein Anzeichen für innere Verletzungen, verstehst du das?" Ich schloss die Augen und versuchte meine wild durcheinander wirbelnden Gedanken zu ordnen, was mir kaum gelang. Dann sah ich ihn ungeduldig an. „Ich hatte Nasenbluten", erinnerte ich mich. „Aber es war nicht so schlimm", setzte ich schnell hinzu, als seine Augen sich beunruhigt verengten. Er nickte langsam. „Und hast du auch aus deinen Ohren geblutet?" hakte er nach. „Nein. Ich glaube nicht", wehrte ich ihn lustlos ab und sah wieder zum Fenster hin.
„Okay", seufzte er und wandte sich interessiert meinem nackten Oberkörper zu. Während er intensiv meine Rippen abtastete, fragte er beiläufig: „Und was hast du gegen deine Schmerzen getan? Hast du irgendetwas eingenommen?" Es war eine existenzielle Frage, die er in Nebensächlichkeit packte, aber das durchschaute ich sofort. Spöttisch grinste ich ihn an. „Ich habe Heroin geraucht", gab ich auf Anhieb zu und hoffte inständig, dass wir nun endlich auf das Wesentliche zu sprechen kommen würden. Auf den einzigen Grund meines Besuchs. Diese Untersuchung ging mir zunehmend auf die Nerven. Der Affe saß mir jetzt spürbar im Nacken. Sein ausgeprägtes Interesse an meinen Körperteilen war mir suspekt. Es beunruhigte mich, dass sein kontrollierender Blick und seine Hände auf mir immer tiefer wanderten.
„Du hast Heroin geraucht", wiederholte er resigniert und guckte mich missbilligend an, „Das war äußerst dumm von dir, Clay! Auch wenn ich den Anlass verstehen kann, hätte es bedeutend bessere Möglichkeiten gegeben, um deinen Schmerz zu lindern." „Ich glaube nicht", rutschte mir unüberlegt heraus. Dann biss ich mir fahrig auf die Lippen. Er lächelte gönnerhaft. „Meine Güte, Clay! Wie lange warst du jetzt clean? War es das wirklich wert?" fragte er leise, während seine Hände prüfend über meinen Bauch wanderten.
Ich antwortete ihm nicht. Seine Berührung elektrisierte mich zu sehr. Seine Hände waren zu sanft und vorsichtig, zu warm und angenehm. Ich musste mich anstrengen, um meinen Atem unter Kontrolle zu behalten. Ich wollte auf gar keinen Fall wohlig seufzen oder so etwas, denn das wäre echt nicht angebracht gewesen. Nicht zum ersten Mal machte ich mir Sorgen, dass ich womöglich ungewollt hart werden würde, wenn das so weiter ging. Jetzt eine Latte zu kriegen wäre mir vor dem Drogenarzt extrem unangenehm und peinlich gewesen. Reiß dich zusammen, mahnte ich mich innerlich entflammt.
„Deine Rippen scheinen zum Glück nicht gebrochen zu sein", stellte er fest, umfasste meine Taille und drückte hart gegen meine Nieren. Ein scharfer Schmerz durchfuhr mich plötzlich, und ich zuckte erschrocken zurück. Ich taumelte einige Schritte rückwärts und stieß gegen die Liege.
Als ich endlich mein Gleichgewicht wiedererlangt hatte, schaute ich vorwurfsvoll zum Doc hin, denn er hatte versprochen, mir nicht wehzutun. Er beobachtete mich erstaunt. „Deine Nieren sind extrem druckempfindlich", informierte er mich überflüssiger Weise. „Sieht so aus", erwiderte ich wütend und erinnerte mich an das Blut in meinem Urin, und dass Siamak etwas von einer Nierenprellung gesagt hatte.
Der Arzt versuchte beruhigend zu lächeln und kam wieder auf mich zu. Erneut umfasste er meine Taille, und ich hielt in Erwartung neuer Schmerzen automatisch die Luft an. „Keine Angst", flüsterte er, betastete mich vorsichtig und begutachtete die blauen Flecken in meiner Nierengegend. „Hast du Schmerzen beim Wasserlassen?" wollte er behutsam wissen und ließ mich wieder los. Er stand dicht vor mir und musterte mich abschätzend. „Nein", erwiderte ich mit trockener Kehle, obwohl ich der Meinung war, dass ihn das überhaupt nichts anging. Langsam wurde es mir echt zu persönlich. „Hast du Blut in deinem Urin bemerkt?" forschte er ernsthaft nach und ging mir damit total auf den Senkel. Ich wollte nicht mit ihm über diese Dinge sprechen. „Das hat Siamak doch schon längst festgestellt. Ich habe eine Nierenprellung", betonte ich ungeduldig mit mühsam unterdrückter Aggression, „Das geht in ein paar Tagen wieder weg." Der Arzt schaute mich merkwürdig zweifelnd an, sagte jedoch zum Glück nichts mehr.
Unruhig registrierte ich das zunehmende Nachlassen der beruhigenden Wirkung der shore. Meine unterdrückte Wut und meine Nervosität arbeiteten gemeinsam gegen das Heroin an. Der Affe war jetzt definitiv im Anmarsch, und die üblichen unangenehmen Anzeichen ließen sich nicht mehr lange ignorieren.
„Bitte setz dich auf die Liege", befahl der Arzt mir, und ich gehorchte ihm widerwillig. Er wandte sich meinen Beinen zu, betastete meine Knie und die Knochen meiner Unterschenkel. Dabei bemerkte er meinen dick geschwollenen Knöchel, mit dem ich zum Glück inzwischen wieder fast schmerzfrei auftreten konnte. „Ich bin umgeknickt", erklärte ich ihm spontan, noch bevor er mich fragen konnte. „Auch das noch", seufzte er geschlagen. Er bewegte meinen Fuß in alle Richtungen und prüfte so seine Beweglichkeit. Er fragte mich, ob es wehtun würde und ich verneinte, obwohl das nicht der Wahrheit entsprach. Genaugenommen wurden die Schmerzen überall stärker, in jeder verdammten Faser meiner Muskeln. Mein Unbehagen wuchs und mein Herz klopfte nervös. Ich möchte jetzt endlich Methadon haben, dachte ich verzweifelt. Warum gibt er mir nicht einfach die scheiß Tabletten?! Fuck, ich möchte jetzt unbedingt wenigstens eine rauchen, schrie es gierig in meinem Kopf.
Aber der Arzt war gewissenhaft und hatte scheinbar alle Zeit der Welt. Er untersuchte noch meinen anderen Fuß auf genau die gleiche Art. Danach richtete er sich wieder auf, und sein Blick fiel neugierig auf meine Oberschenkel und den Bereich meiner Boxershorts. Sein Interesse an diesem Teil meines Körpers alarmierte mich ungemein. Das reicht jetzt, halt ihn auf, schrie es unwillkürlich in meinem Kopf.
„Es ist schon gut... da ist nichts...", versicherte ich ihm hastig abwehrend. Er schaute mich an und lächelte amüsiert, denn meine bunten Hämatome sagten ihm etwas ganz anderes. „Du hast offensichtlich mehrere ganz gezielte Schläge oder Tritte in deinen Unterleib erlitten, Clay! Das solltest du wirklich nicht herunterspielen. So etwas kann schlimme Folgen haben", erklärte er mir ganz ruhig.
Ich starrte an ihm vorbei und wusste nicht zu reagieren. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Böse Erinnerungen drohten mich abermals aus der Fassung zu bringen. Ich sah ein blitzendes Messer, mit der flachen Seite gegen meinen Schwanz gepresst, und hatte Mühe damit, nicht in Panik zu geraten. Der maskierte Typ hatte mir verboten, jemals wieder auch nur ein Wort mit Kimberly zu sprechen, und ich hatte echt verflucht viel mit ihr geredet. Wenn sie ihm von unserer Unterhaltung erzählte, dann würde er womöglich seine Drohung wahr machen und...
„Bitte steh wieder auf, Clay", bat der Arzt mich freundlich. Ich rutschte mechanisch von der Liege und stand auf unsicheren Beinen dicht vor ihm, ohne ihn anzusehen. Der Innenhof tief unten, hinter dem Fenster, war unverändert. „Hast du irgendwelche Beschwerden im Intimbereich?" fragte er behutsam. „Nein!" krächzte ich entsetzt. Dieses Thema ging ihn nichts an, und ich hatte überhaupt keine Lust, ihm auf solche Fragen zu antworten. Aber da gab es ein großes Problem: Ich wollte unbedingt Methadon von ihm haben und redete mir deshalb ein, dass er alles mit mir machen und mich alles fragen durfte, obwohl ich fand, dass er entschieden zu weit ging. Ich wollte diesen Mann aber auf gar keinen Fall verärgern. Wenn er mir das Methadon verweigert ist alles im Arsch, hämmerte es warnend in meinem Kopf.
„Falls du in diesem Bereich Verletzungen hast oder irgendwelche Beschwerden bekommst, dann kann ich dir sofort eine Überweisung zum Urologen ausstellen", erklärte der Doc mir sanft. Erschrocken fixierte ich ihn, die Augen geschockt weit aufgerissen. Er lächelte verständnisvoll und nickte. „Keine Angst, Clay, das ist nun wirklich kein Grund sich zu schämen. Du solltest diese Sache unbedingt ernst nehmen." Mein Herz hämmerte wieder verstärkt in meiner Brust und ich atmete verkrampft ein. „Ich habe keine Beschwerden dort", versicherte ich ihm hastig und erinnerte mich daran, wie erleichtert ich gewesen war, dass mein Schwanz nach dieser brutalen Attacke noch einwandfrei funktionierte. Anderseits wollte ich bestimmt nicht gerade jetzt an so etwas denken.
Er lächelte gutmütig und irgendwie amüsiert, was mich total wütend machte, weil ich das starke Gefühl hatte, dass meine Verlegenheit der Grund seines Amüsements war. „Ist schon gut, Clay. Es passiert ja nichts", versuchte er mich zu beruhigen, „Es ist schön, dass du offenbar so glimpflich davongekommen bist."
Plötzlich lenkte er sein Interesse gnadenlos auf meine Schenkel. Sehr behutsam und vorsichtig betastete er die Muskeln meiner Oberschenkel. Seine Berührung war ganz sanft, beinahe zärtlich. Ich fing automatisch an zu zittern, atmete tief und schloss aufgewühlt die Augen. In meinem Kopf gingen sämtliche Alarmglocken an. Diese Intimität war definitiv nicht gut!
„Das muss doch unglaublich weh getan haben", murmelte der Arzt betroffen, während er die schwarze Naht an meinem Bein betastete. Ich stand nur dort und wagte nicht mich zu bewegen. Jetzt bloß keinen Ständer kriegen, hämmerte es unentwegt in meinem Kopf herum. Ich schnappte hilflos nach Luft.
Der Arzt bemerkte mein Dilemma wahrscheinlich, denn er ließ mich los, richtete sich auf und wurde ganz sachlich. „Hör mal, hast du im Krankenhaus irgendwelche Medikamente bekommen, Clay?" Ich atmete tief, ohne die Augen zu öffnen. „Schmerztabletten und Antibiotika", informierte ich ihn gepresst. „Hast du heute schon Schmerztabletten genommen?" fragte er mich lauernd. „Nein", betonte ich atemlos, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob das stimmte.
Diese Situation überforderte mich, der Entzug klopfte laut gegen meine Tür und ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich fühlte mich total ausgeliefert und konnte mich nicht überwinden meine Augen zu öffnen.
„Nimm nicht zu viele Tabletten, das ruiniert deine Nieren, Clay! Und von den Antibiotika darfst du höchstens eine am Tag nehmen, die allerdings unbedingt regelmäßig!" erklärte der Doc mir sehr artikuliert und langsam. Ich blies genervt die Luft aus, denn das alles hatte ich doch schon längst von Siamak gehört. Dieser Drogenarzt ging wohl davon aus, dass ich mir so etwas Wichtiges nicht merken konnte, und das ärgerte mich maßlos. Meine Augen klappten automatisch auf. Es gefiel mir überhaupt nicht, dass er mit mir sprach, als wäre ich ein Dummkopf. „Das weiß ich!" informierte ich ihn wütend und musterte ihn fassungslos, „Genau das gleiche hat Siamak mir schon erklärt!" Im nächsten Moment biss ich mir erschrocken auf die Lippen, weil mir plötzlich einfiel, dass es vielleicht nicht angebracht war, diesen geilen Arzt aus dem Krankenhaus beim Vornamen zu nennen. Verwirrt starrte ich den Doc an. Er musterte mich eine viel zu lange Zeit irritiert.
„Hast du heute die Antibiotika eingenommen?" erkundigte er sich dann auf einmal völlig ungerührt und lächelte beinahe entschuldigend. „Ja, ich nehme jeden Morgen eine davon", versicherte ich ihm ärgerlich, obwohl das gelogen war, denn ich war mir ziemlich sicher, diese Tablette heute morgen vergessen zu haben. Aber das brauchte er nicht zu wissen, denn er hielt mich ja anscheinend sowieso schon für dumm. Mühsam zwang ich mich, meinen wachsenden Zorn und meine Ungeduld im Zaum zu halten. Der Doc nickte und lächelte gutmütig. „Bitte denke daran! Das ist sehr wichtig zur Vorbeugung, damit deine Wunden sich nicht entzünden!" quatschte er auf mich ein.
Ich nickte geschlagen und fixierte wieder das Fenster. Er muss jetzt unbedingt damit aufhören, dachte ich verzweifelt, er darf nicht länger so nah vor mir stehen! Er darf mich auf keinen Fall länger anfassen! Es ging mir nicht gut, und es wurde beinahe minütlich schlimmer. Mein Puls raste wahrscheinlich. Mein Brustkorb zog sich zusammen, und ich hatte große Schwierigkeiten ruhig zu atmen.
Der Arzt bemerkte meine sichtbare Aufregung mit verständnisvollem Lächeln. „Ist schon gut. Es ist schön, wenn du keine Beschwerden hast", meinte er mit betont ruhiger Stimme. Ich versuchte verkrampft mich wieder in meine Gewalt zu bekommen. Diese ganze Geschichte hier ging mir inzwischen total auf den Zeiger. „Ich brauche Methadon", informierte ich ihn atemlos und legte die ganze Dringlichkeit meines Wunsches in meinen Blick. Nervös spürte ich, wie sich auf meiner Stirn der kalte Schweiß ansammelte. Mein Gesicht fühlte sich ganz heiß an. „Ja, Clay, das merke ich", stimmte der Doc mir leise zu, „Nur noch einen kurzen Moment, dann bist du auch schon erlöst." Er lachte amüsiert, und ich fragte mich verärgert, ob er mich wohl die ganze Zeit auslachte. Diese Möglichkeit ließ mein Blut ganz schön kochen.
Aber im nächsten Augenblick war er schon wieder ernst. „Hör mal, Clay, Doktor Pourani hat sich hervorragend um dich gekümmert. Ich bin sehr froh, dass du so besonnen reagiert und ihn sofort aufgesucht hast. Nun verbinde ich dich noch schnell und dann sind wir hiermit auch schon fertig", kündigte er betont gut gelaunt an, drehte sich herum und eilte zu einem Regal hinter seinem Schreibtisch. Von dort holte er zwei Verbände, Klebeband und eine Schere, noch bevor ich irgendwie reagieren konnte, denn mein Herz blieb gerade komplett stehen.
Der Doc wollte mich wahrhaftig neu verbinden, mir diese scheiß Stoffbahn fest um die Naht an meinem Oberschenkel wickeln, genau wie Siamak und Sean es getan hatten! Und der Mann würde mit seinen Händen immer höher wandern und mich dabei mit Sicherheit an meiner Boxershorts, an echt empfindlichen Stellen berühren, wenn auch vielleicht unabsichtlich! Das durfte auf keinen Fall passieren, das ging jetzt gar nicht! Im Moment war ich nämlich weder Herr meiner Sinne noch meiner intimen Körperfunktionen.
Viel zu schnell war der freundliche Arzt zurück bei mir und stellte sich erneut dicht vor mich hin. Er kam sogar noch näher, beugte sich hinunter zu meinem Oberschenkel, um ihn neu zu verbinden, und in diesem Moment brannten mir schlagartig die Sicherungen durch. Noch so eine zärtliche Berührung von ihm konnte ich nicht ertragen, da war ich mir hundertprozentig sicher. Ich war so ungeduldig, enorm wütend, verwirrt, affig und aufgewühlt, irgendwie auch erregt, und all das war überhaupt nicht dazu geeignet, um meinen eigenen Körper vollständig unter Kontrolle zu behalten.
Voller Angst vor meiner eventuellen körperlichen Reaktion auf seine zarten Verbindekünste schubste ich ihn spontan von mir weg. Mein Angriff überraschte ihn, sodass er tatsächlich rücklings taumelte, stolperte, hinfiel und auf seinem Hintern landete. Panisch wegen meiner eigenen Untat flüchtete ich ans andere Ende des Zimmers. „Nein, das geht nicht!" schrie ich dabei abwehrend, „Ich will das nicht!"
Mit drei Schritten hatte ich die gegenüberliegende Wand erreicht. Dann stand ich hilflos dort, drehte ihm den Rücken zu, starrte konfus die Mauer an und wollte mich am liebsten nie mehr zu ihm umdrehen. Ich atmete laut und dachte nur: Scheiße! Shit! Fuck! Du hast ihn weg geschubst, hast ihn tatsächlich tätlich angegriffen, jetzt schmeißt er dich bestimmt raus und du kannst das Methadon total vergessen!
In Gedanken ging ich hastig sämtliche anderen Methadonärzte durch, die ich kannte, obwohl es fraglich war, ob die mich nach dem Vorfall hier überhaupt aufnehmen würden. Außerdem gab es in dieser kleinen Stadt nur diesen einen Arzt, der sich auf dieses Programm eingelassen hatte. Die meisten normalen Doktoren hatten auf den Junkie-Stress keine Lust, und die anderen Drogenärzte praktizierten alle weit weg in anderen Städten. Ich hätte dann jeden Tag einen ellenlangen Weg bis zu meinem Methadon, das wäre doch ätzend! Fuck, ich hatte total die Kontrolle verloren, und jetzt war ich so was von im Arsch!
Ich hätte ihn niemals schubsen dürfen, hämmerte es vorwurfsvoll in meinem Kopf. Was sollte ich jetzt tun? Sollte ich einfach abhauen und diese Praxis schnellstmöglich verlassen? Oder gab er mir vielleicht doch noch eine Chance? Verdammt, ich brauchte jetzt ganz dringend eine Zigarette und jede Menge Heroin!
Viel zu lange war es totenstill im Behandlungszimmer. Ich stand ganz ruhig dort, während mir mein eigenes Blut in den Ohren rauschte und mein Herz sich förmlich überschlug. Nur mühsam schaffte ich es, mich halbwegs zu beruhigen. Tief atmete ich durch und zwang mich zur Besonnenheit. Die Stille wurde bleischwer und ich fing an mich zu fragen, ob der Arzt mich nicht mal langsam rausschmeißen wollte. Oder erwartete er, dass ich jetzt einfach wortlos ging? Aber, fuck, ich hatte nur meine verdammte Boxershorts an, ich musste mich jetzt dringend sofort wieder anziehen!
Aber dazu musste ich zu meinen Klamotten gehen und mich zu ihm umdrehen, und dazu war ich schlicht nicht in der Lage. Angespannt lauschte ich in die Stille, ob sich irgendetwas tat. Mann, ich hatte ihn tatsächlich umgehauen! Er hatte sichtbar geschockt auf dem Boden gesessen und mich erschrocken angestarrt. War er schon wieder aufgestanden? Hatte er womöglich den Raum verlassen, weil er jetzt Angst vor mir hatte? Warum sagte er denn nichts, Herrgott nochmal!?
Endlich hörte ich irgendwas, ein Stuhl wurde zurückgezogen, der Doc setzte sich anscheinend an seinen Schreibtisch. Im nächsten Moment räusperte er sich und sagte in einem merkwürdigen Tonfall: „Wenn du irgendetwas nicht willst, Clay, dann kannst du mir das ruhig sagen. Du musst nicht gleich Gewalt anwenden." Seine Stimme schwankte zwischen Anklage und Traurigkeit, und ich bekam ein schlechtes Gewissen und drehte mich zögernd zu ihm um. Ja, er saß zurück an seinem Schreibtisch, ich hatte richtig gehört.
Über den räumlichen Abstand zu ihm war ich froh, denn jetzt würde er mir bestimmt nicht mehr zu nahe kommen. Ich würde nicht zulassen, dass er mich nochmal anfasste, schon gar nicht ganz oben am Oberschenkel! Auf solche verdammten Peinlichkeiten konnte ich nämlich sehr gut verzichten! Mir ging es auch so schon mies genug!
Nachdenklich betrachtete er mich, seine Augen schienen nach der Ursache meiner Aggressionen zu forschen und schauten bis auf den Grund meiner Seele. „Tut mir leid", versicherte ich ihm und wich unbehaglich seinem durchdringenden Blick aus. Er seufzte tief. „Warum möchtest du nicht, dass ich dich verbinde? Das dient doch nur dem Schutz deiner Nähte. Ohne Verband ist die Gefahr, dass du sie versehentlich herausreißt, viel zu groß. Ich verstehe gar nicht, dass Doktor Tourani nicht..." „Siamak hat mich sehr wohl gut verbunden!" stellte ich trotzig richtig, weil ich es nicht ertragen konnte, wenn er schlecht von Siamak dachte.
Noch einmal musterte der Arzt mich eine Weile mit zusammengezogenen Augenbrauen. Mir fiel ein, dass ich Siamak schon wieder beim Vornamen genannt hatte, aber inzwischen war mir das alles egal, ich wollte nur noch mein Metha und dann nichts wie weg hier. Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den anderen. Mein Magen krampfte sich zusammen, unter meinen Achseln lief der kalte Schweiß hinab. Der Affe war nahe daran, seinen wilden Tanz in mir anzufangen, und darauf hatte ich wirklich keinen Bock.
„Was ist mit den Verbänden passiert, Clay?" fragte der Doc vorwurfsvoll und studierte mich prüfend. „Die sind beim Duschen abgefallen!" antwortete ich viel zu patzig. Er ging mir auf den Senkel! Er hielt mich hin! Es wurde Zeit für ein paar Chinesen! Der Doc stöhnte theatralisch auf, schüttelte den Kopf und meinte spöttisch: „Oh, Clay! Mit den Verbänden darfst du selbstverständlich nicht duschen!"
Ich taxierte ihn wütend. Er hielt mich offenbar tatsächlich für dumm, und das machte mich langsam echt sauer. Außerdem konnte ich es nicht länger aushalten, nur mit meiner Unterhose bekleidet hier in seinem Zimmer herumzustehen. Sehnsüchtig schaute ich zu dem Stuhl, auf dem meine Klamotten lagen. Vielleicht sollte ich jetzt einfach da hingehen und mich endlich wieder anziehen?!
„Das weiß ich doch! Ich war nur...", erklärte ich ihm genervt, brach dann aber verwirrt ab. Was sollte ich ihm auch sagen? Etwa, dass ich die Verbände wie entfesselt herunter gewaschen hatte, weil ich gerade von meiner eigenen Geilheit angewidert gewesen war?! Das ging ja wohl schlecht! Er würde mich mit Sicherheit für verrückt erklären!
„Bitte, ich möchte doch nur Methadon haben!" quengelte ich impulsiv los, was mir gleich darauf leid tat. Nein, das war falsch, ich durfte mein Gesicht nicht völlig verlieren, ich musste unbedingt Ruhe bewahren! Hilflos fixierte ich den Doc, von dem in diesem Augenblick mein ganzes Leben abhing. Wenn er mir das Methadon verweigerte, dann war ich erledigt. Wenigstens hat er mich nicht sofort rausgeschmissen, versuchte ich mich zu beruhigen.
Er betrachtete mich unverändert mit diesem traurigen, besorgten und gleichzeitig amüsierten Ausdruck, den ich echt nicht leiden konnte. „Du kannst dich auch selbst verbinden, Clay. Ich zeige dir, wie das geht", schlug er hoffnungsvoll vor. Ich schüttelte entschieden den Kopf, denn das wäre nur eine weitere Zeitverschwendung, und womöglich würde er mich dabei doch noch berühren. „Nein danke!" zischte ich genervt und warf ihm einen wütenden Blick zu. Der Doc lächelte betrübt. Dann seufzte er tief und hob resignierend die Hände. „Okay, Clay, bleib ganz ruhig. Du kannst dich jetzt wieder anziehen. Ich glaube, wir belassen es für heute dabei."
Erleichtert eilte ich zum Stuhl, auf dem meine Sachen lagen, und zog hastig meine Jeans an. Ich warf dem Doc einen gehetzten Blick zu und bemerkte verärgert, dass er mich beim Anziehen genauestens beobachtete, was total indiskret von ihm war. Er studierte mich neugierig, weil ich ihn geschubst hatte. Er fragte sich bestimmt, woher meine Aggressionen kamen, und wann ich ihn das nächste Mal angreifen würde. „Ich... wollte das nicht...", fühlte ich mich genötigt zu erklären, „Ich konnte nicht..." Er hob beschwichtigend die Hände. „Nur keine Aufregung, Clay. Es ist doch nichts passiert." „Ich will nicht angefasst werden!" entfuhr es mir heftig.
Es deprimierte mich, dass ich ausgerechnet beim Methadonarzt die Kontrolle verloren hatte. Es erschütterte mich zutiefst, dass dieser Mann nun wusste, dass ich mich manchmal nicht im Griff hatte. Mit zitternden Fingern knöpfte ich mein Hemd zu. Der Arzt betrachtete mich irritiert und nachdenklich. „Was meinst du damit, Clay? Ich wollte dich nur neu verbinden, ich wollte dich nicht anfassen", setzte er mir ernsthaft forschend auseinander. „Ich will aber keine scheiß Verbände mehr", knurrte ich stur und band meine Krawatte um. Ich fühlte mich von diesem Mann ziemlich gedemütigt. Ich war wütend auf ihn, weil er mich in diese unangenehme Situation gebracht hatte.
Der Doc lachte nun belustigt auf. „Diese Verbände sind aber höchst sinnvoll, um deine Nähte zu schützen. Ohne die Verbände musst du wirklich gut aufpassen, um sie nicht zu beschädigen", versicherte er mir freundlich. „Scheiß drauf!" heulte ich völlig unüberlegt auf. Sofort tat mir das leid, und ich starrte ihn geschockt an. Mir wurde klar, dass ich mich gerade nicht normal verhielt. Ich war zweifellos viel zu emotional, viel zu unbeherrscht! Das war nicht gut, das konnte ihn auf seltsame Gedanken bringen. Womöglich dachte er, mit mir würde etwas nicht stimmen, wenn ich mich nicht endlich zusammenriss.
Er fixierte mich irritiert und außerordentlich beunruhigt. Eine Zeit lang war es ganz still. Wir schauten uns an, bis ich meinen Blick konfus von ihm abwandte. Das lief hier alles nicht gut, irgendwie lief alles aus dem Ruder, hatte ich das unschöne Gefühl, wusste aber nicht, was ich dagegen machen sollte. Schnell bückte ich mich, um seinem stechenden Blick auszuweichen und meine Socken und Schuhe anzuziehen.
„Bist du gegen deinen Willen angefasst worden, Clay?" fragte der Doktor mich plötzlich ganz vorsichtig. Ich schloss instinktiv die Augen und verharrte reglos in meiner hockenden Position. Alles krampfte sich in mir zusammen. Ich zwang mich, ganz ruhig zu atmen. Verdammt, dachte ich hilflos, verdammte Scheiße! So etwas durfte er mich definitiv nicht fragen! Das ging ganz eindeutig viel zu weit! Auf diese Antwort konnte er lange warten!
Eine weitere Weile war es absolut still in diesem Sprechzimmer. Ich brauchte einige Zeit, um mich einigermaßen zu beruhigen. Ich hockte reglos dort, starrte auf den Fußboden und ärgerte mich, dass der Arzt mir ausgerechnet diese scheiß Frage gestellt hatte. Er hatte überhaupt kein Recht dazu, mich so etwas zu fragen! Das ging niemanden etwas an!
Schon zu viele Menschen hatten mich danach gefragt, einschließlich Sean und Eliza, und ich fragte mich jedes Mal verbittert, wie die Leute denn nur ständig darauf kamen, dass ich in meinem irgendwie missglückten Leben ausgerechnet auch noch missbraucht worden wäre. Warum vermuteten sie das immerzu von mir?! Hatte ich irgendetwas an mir, dass die Leute auf diese absurde Idee brachte? Es war zwar einiges in meiner Kindheit ziemlich schief gelaufen, aber ich war definitiv noch nie missbraucht worden! Kein Mann hatte mich je gegen meinen Willen angefasst! Nicht einer der vielen neuen Väter, die meine Mutter mir regelmäßig vorstellte, und von denen nie einer mein pabbi gewesen war. Das war doch niemals passiert! Mein imaginärer Schutzelf hatte doch immer gut auf mich aufgepasst!
Ich fühlte mich aufs heftigste angegriffen und bekam unwillkürlich das fast übermenschliche Verlangen nach einem guten Gefühl, denn die immens schlechten Emotionen machten mich gerade total fertig. Plötzlich dachte ich sehnsüchtig an Valmont und hatte sofort erneut Lust zu wichsen, obwohl das eigentlich nicht meine Art war, mit diesen Dingen umzugehen. Aber sexuelle Gefühle waren kostenlos und immer verfügbar und außerdem verdammt geil. Ach, Fuck, ich wollte doch auch diesen mächtig primitiven Trieb unter Kontrolle bekommen, dachte ich deprimiert. Ich hatte das enorm dringende Bedürfnis nach Heroin und nach einer Zigarette.
„Ist schon gut Clay, du musst mir darauf nicht antworten." Der Arzt erinnerte mich irgendwann daran, dass ich nicht allein in diesem Raum war. Zögernd stand ich auf und blinzelte zu ihm hin. Er saß unverändert an seinem Tisch und lächelte ein bisschen traurig. „Hast du dich beruhigt?" fragte er mich leise. „Tut mir leid", erwiderte ich automatisch, obwohl mir gar nicht klar war, wofür ich mich gerade entschuldigte.
Sein Lächeln wurde amüsiert, vielleicht sogar spöttisch, was ich zum Kotzen fand. „Kein Problem. Bitte komm her, setz dich hier hin!" Er deutete einladend auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ich betrachtete ihn misstrauisch, denn ich fürchtete, dass er jetzt womöglich über meine vermeintlich grausame Kindheit oder irgend so was mit mir reden wollte, wozu ich absolut nicht bereit war. Der Arzt registrierte mein Zögern. „Ich möchte mit dir über deine Substitution sprechen", informierte er mich seufzend.
Na endlich!, dachte ich maßlos erleichtert, setzte mich in Bewegung und auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ich schlug meine Beine übereinander und bemühte mich, ganz normal zu wirken. Aber ich hatte Schwierigkeiten mit dem Gedanken, dass der Doc an meiner psychischen Gesundheit zweifelte, dass er mir vielleicht etwas andichtete, was in meinem Leben niemals passiert war.
Er überspielte seine vorherige, total indiskrete Frage jedoch, indem er endlich zum Wesentlichen kam. „Also, Herr Banton, wie du dir bestimmt denken kannst, ist das Methadonprogramm restlos überfüllt. Ich kann keine neuen Patienten mehr aufnehmen", erklärte er mir sachlich. Diese Information war für mich wahrlich keine Überraschung. In der Tat hatte ich nicht damit gerechnet, so spontan einen Platz zu bekommen. Ich nickte und registrierte seine nun wieder förmliche Anrede mit einem Schmunzeln. „Vorerst gibt es nur die Möglichkeit, dich als Selbstzahler zu führen", meinte der Arzt zu mir. Ich nickte noch einmal und versicherte ihm: „Damit bin ich einverstanden." „Das bedeutet, dass du alles selber bezahlen musst", erklärte er mir ernsthaft. Ich lächelte und nickte. „Ja, das ist mir klar." Jetzt gib endlich die Tabletten her, dachte ich ungeduldig, du kriegst schon dein verdammtes Geld! Meine Knochen und Muskeln schmerzten, ich fühlte mich zunehmend unwohl.
Er musterte mich eine Weile abschätzend und schrieb dann etwas in meine Akte, während er beschloss: „Okay, dann machen wir das erst mal so. Ich setze dich sofort auf die Warteliste. Wann ein Platz für dich frei werden wird, kann ich dir allerdings nicht vorhersagen. Das kann schon eine Weile dauern."
Auch dies war keine neue Information für mich. Der Gedanke an das nahende Methadon verstärkte unbewusst das Unbehagen in mir. Der Affe in meinen Gedärmen heulte schmerzhaft auf. Ich wischte mir nervös mit den Fingern über die verschwitzte Stirn. Gib mir endlich die scheiß Tabletten, dachte ich mit aufkommender Gier.
Der Arzt schaute plötzlich auf, als hätte er meine Gedanken gehört, und ich setzte mich hastig gerade hin. „Um feststellen zu können, wie hoch du derzeit dosiert bist, brauche ich jetzt eine Urinprobe von dir", teilte er mir freundlich mit und lächelte aufmunternd. Er musterte mich aufmerksam, als wäre er auf jede Reaktion von mir gefasst, was mich ganz schön nervte. Dachte er vielleicht, ich würde ihm plötzlich an die Kehle springen?! „Ich kann zur Zeit keine Urinprobe abgeben, Herr Doktor", erwiderte ich so cool wie möglich. Dann änderte ich meine Sitzposition. „Warum nicht?" fragte er verblüfft. „Ich... war gerade erst auf dem Klo...", behauptete ich verunsichert. Mann, ich pinkelte unverändert Blut und ich hatte einfach keinen Bock darauf, dass das hier alle mitkriegen würden. Es war mir peinlich, und überhaupt könnte er endlich mal die Pillen rausrücken!
Er guckte mich eine Weile prüfend an, dann lächelte er wieder. „Na also gut. Aber das holst du dann sofort morgen früh nach", forderte er mich gespielt streng auf und machte sich eine Notiz auf einem Stück Papier. Etwas krampfte sich spontan in mir zusammen. „Morgen früh?" entfuhr es mir entsetzt. Er grinste beschissen überlegen. „Ja genau, Herr Banton, gleich morgen früh!" Ich schüttelte protestierend den Kopf. „Aber ich möchte doch nur ein Rezept haben", teilte ich ihm unglücklich mit, „Ich habe gar nicht vor, schon morgen früh wieder hierher zu kommen."
Der studierte Mann lachte belustigt und betrachtete mich mit unverhohlenem Interesse. „Ich kann das Rezept bezahlen!" versicherte ich ihm hastig und suchte in meinem Jackett nach meinem Portemonnaie, bis er abwehrend die Hände hob und missbilligend die Augenbrauen zusammenzog. „Ich gebe dir kein Rezept mit, wenn ich deine Dosierung nicht kenne, Herr Banton. Darüber hinaus möchte ich dich gleich morgen früh intensiv mit Ultraschall untersuchen, denn ich kann noch nicht restlos ausschließen, dass du innere Verletzungen hast. Und diese Geschichte mit deinen Nieren gefällt mir gar nicht", redete er stur auf mich ein. Ich zog scharf die Luft ein und schüttelte heftig den Kopf. „Nein! Das will ich nicht und das ist nicht nötig! Ich bin schon längst mit Ultraschall untersucht worden! Ich habe keine scheiß inneren Verletzungen! Frag doch Doktor Tourani, der wird dir das bestätigen! Außerdem kann ich morgen auf keinen Fall wiederkommen! Ich muss nämlich arbeiten!" behauptete ich lauthals.
„Clay! Beruhige dich!" stöhnte der Doc genervt. „Ich möchte nur, dass du mir ein Rezept ausstellst! Mehr will ich doch gar nicht!" jammerte ich kopflos. Die vage Möglichkeit, dass er mir trotz all meiner Bemühungen kein Methadon gab, ließ meinen Verstand aussetzten. Der Arzt taxierte mich alarmiert und setzte zu einer Erwiderung an, als es plötzlich laut an der Tür klopfte. „Herr Doktor?!" rief Sybille von draußen. „Jetzt nicht!" schrie der Doc in Richtung Tür. Er war über diese Störung tatsächlich verärgert, was mich trotz allem ziemlich amüsierte. Sybille kam zu meinem Erstaunen trotzdem herein und teilte ihm irgendetwas Wichtiges mit, und der Arzt antwortete voller Ungeduld.
Ich schaute Sybille an, die echt gut aussah in ihrem lila-weißen Arbeitsdress, und mein Herz hämmerte schon wieder. Ich war total sauer, weil der Arzt mir nicht einfach das scheiß Rezept ausstellte. Ich war affig und wollte endlich aus diesem verdammten Zimmer raus. Während ich Bill verstohlen beobachtete kam mir spontan in den Sinn, wie es gewesen war, mit ihr zu schlafen. Ich erinnerte mich plötzlich, dass es für mich jedes Mal eine geile Herausforderung geworden war, sie zum Höhepunkt zu bringen. Sybille war eine meiner schwierigsten Schülerinnen gewesen. Diese Frau war für ihr Alter so erstaunlich unerfahren gewesen, eine wahrhaftige Jungfrau, so voller Scham und Angst. Es war ihr megaschwer gefallen, mir zu vertrauen. Sie hatte sich ständig so sehr vor mir geschämt. Ich hatte mir redlich Mühe gegeben, ihr ihre Libido bewusst zu machen. Ich zeigte ihr Stellen an ihrem Körper, die sie vorher noch nie wahrgenommen hatte. Sie hatte sich dagegen kaum getraut mich anzufassen, als könnte sie bei mir etwas kaputtmachen. Bei ihrer Entjungferung hatte sie tatsächlich erwartet, dass nur Männer beim Sex einen Orgasmus haben. Ich belehrte sie gerne eines besseren und mit der Zeit hatten wir beide richtig Spaß gehabt.
Diese erotischen Erinnerungen stürzten auf mich ein und törnten mich augenblicklich an. Ich hatte sofort unheimlich Bock auf Sex mit Sybille. Es gelang mir nicht, einen Seufzer zu unterdrücken. Der Arzt warf mir einen schnellen Blick zu und wandte sich dann an Sybille, die mich offen verächtlich betrachtete. „Ich möchte, dass du Herrn Banton morgen früh Blut abnimmst! Das ganze Programm! Außerdem muss er unbedingt Urin abgeben! Kümmere dich bitte darum, Sybille!" ordnete der Doc pflichteifrig an. Sie versicherte es ihm und verließ eilig den Raum, ohne mich noch einmal anzusehen. Sie schlug die Tür laut hinter sich zu.
Ich atmete tief ein und aus und drückte die Knie zusammen. Ich fühlte mich sehr unwohl in dieser Situation, echt verletzlich und dem Doktor nicht gewachsen. Der Affe war hellwach in meinen Knochen, in meinen Muskeln und in meiner Seele, was anfing mich wirklich zu nerven.
Der Arzt seufzte resigniert und guckte mich bittend an. „Sind wir uns jetzt also einig, Herr Banton." Das war keine Frage, deshalb antwortete ich nicht. „Du kommst also morgen früh, am besten so zwischen neun und zehn Uhr, dann habe ich bestimmt genug Zeit für dich." Er versuchte aufmunternd zu lächeln, aber plötzlich sah er müde aus. „Ist das denn wirklich nötig?" fragte ich ihn leise maulend. „Ja, das ist wirklich unbedingt nötig", versicherte er mir streng.
Danach bückte er sich zur Seite und zog die Schublade seines Schreibtischs auf. Er holte eine 500er Packung Methaddict heraus und legte sie vor sich auf den Tisch. Abschätzend betrachtete er mich. „Was meinst du, Clay, wie viel brauchst du jetzt?" erkundigte er sich lauernd bei mir. Ich schaute mir die Tabletten an und meine Gier nach Linderung wuchs unermesslich. „Ich brauche mindestens 200 Milligramm!" rief ich atemlos und streckte sofort meine Hand nach dem Zaubermittel aus. Er zog die Packung zurück und beobachtete mich mit einem Blick zwischen Traurigkeit und Spott. Ich konnte seine Augen kaum ertragen, denn sie waren jetzt voller Bedauern. „Ich bin hoch dosiert!" versicherte ich ihm und hustete nervös. Ich atmete schwer und der Schweiß brach mir aus. Unbeholfen wischte ich mir mit den Fingern über mein Gesicht. „200 Milligramm", wiederholte der Arzt leise, fassungslos, wie zu sich selbst. „Willst du dich umbringen?" fragte er mich ganz ruhig.
Ich schloss die Augen und zwang mich die Nerven zu behalten. Verdammt, dachte ich aufgewühlt, verdammter Mist! Das läuft alles nicht so, wie es laufen sollte! Schnell gab ich mir einen Ruck und fixierte ihn flehentlich. „Ich habe mindestens zwei Gramm am Tag weg geraucht", versuchte ich ihm hastig zu erklären, ohne darüber nachzudenken, dass ich ihm das eigentlich gar nicht verraten wollte, und dass diese Menge wohl kaum der Wahrheit entsprach. Aber ich war gierig und es fiel mir ohnehin schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Augen verengten sich unangenehm überrascht und eindeutig zweifelnd. „Zwei Gramm am Tag? Wie kann das denn sein, Clay? Du hast mir doch gerade erzählt, du hättest das Heroin nur nach der Prügelei gegen deine Schmerzen genommen. Und die Prügelei war doch erst vorgestern, nicht wahr?" Seine Stimme war sehr ernst und echt deprimiert.
Ich schloss verwirrt die Augen und atmete tief. Mein Herz hämmerte unruhig. Ich hatte keine Ahnung, was zum Teufel ich jetzt tun sollte. Alles schien mir irgendwie zu entgleiten. Ich hatte das schreckliche Gefühl, alles falsch zu machen, und dass alles irgendwie unbemerkt den Bach runter ging. „Es tut mir leid!" seufzte ich geschlagen. „Darf ich eine rauchen?" fragte ich ihn im nächsten Moment hoffnungsvoll. Aber er schüttelte sofort energisch den Kopf. „Nein, hier wird nicht geraucht, Clay", bestimmte er vorwurfsvoll. Ich stöhnte unbehaglich auf und sank hilflos in meinem Stuhl zusammen. „Es tut mir leid!" wiederholte ich und fühlte mich dabei mehr als erbärmlich.
Es war nochmal eine viel zu lange Zeit völlig still in diesem Sprechzimmer. Ich wagte es nicht den Arzt anzusehen und stierte dumpf auf die Tischkante. Ich konnte spüren, wie aufmerksam er mich studierte. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich auf einmal schuldig.
„Clay Banton", sagte der Arzt nach einer Weile resigniert. Ich guckte ihn bescheuert unterwürfig an. „Du hast also schon vor der Prügelei Heroin geraucht." Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Trotzdem nickte ich. Er seufzte tief. „Hast du es auch gespritzt?" wollte er vorsichtig wissen. Ich schüttelte den Kopf, und er atmete hörbar auf. „Aber schon vor der Prügelei. Wie lange vorher?" hakte er still nach. „Ich kann mich nicht erinnern", stöhnte ich hilflos.
Ich änderte meine Sitzposition und verfluchte in Gedanken meine riesige Dummheit, vor meinem Besuch hier nicht genug shore geraucht zu haben. Aber ich hatte keine shore mehr. Und ich hatte schlicht nicht damit gerechnet, dass diese Konsultation so ellenlang dauern würde. Nun war ich auf Entzug, und mein quälender Zustand verwirrte mich und lenkte mich von dieser extrem wichtigen Sache ab. Ich hatte Schwierigkeiten, dem Doc die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Der Arzt registrierte meinen Zustand mit einiger Irritation, aber obwohl ich es wirklich wollte, war ich einfach nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun.
Schließlich wandte er sich meiner Akte zu und blätterte darin. Er suchte einen Eintrag, las etwas und schaute dann wieder auf. „Du hast vor ungefähr einem Jahr das Methadonprogramm mit Erfolg abgeschlossen. Du warst nachweisbar clean, als ich dich daraus entlassen habe!" stellte er nüchtern fest. Er taxierte mich einige Zeit viel zu intensiv, was mich unglaublich nervös machte.
„Wie lange bist du denn danach clean geblieben, Clay?" fragte er mich endlich argwöhnisch. „Es tut mir leid", versicherte ich ihm noch einmal. Er schüttelte ungeduldig den Kopf, atmete tief ein und lächelte plötzlich verständnisvoll, was mich erleichterte. „Du brauchst dich bei mir nicht dafür zu entschuldigen, Clay! Ich muss es nur ganz genau wissen, verstehst du das?"
Auf einmal sprach er wieder betont artikuliert und behutsam mit mir, als wäre ich ein unberechenbares, kleines Kind, fiel mir verärgert auf. Der Doc war merkbar darum bemüht mich zu beruhigen. Offensichtlich wollte er eine Eskalation vermeiden. Er muss denken, ich habe total den Verstand verloren, überlegte ich verstört, dieser Mann denkt ganz sicher gerade von mir, dass ich ein total kranker Psychopath bin. Jemand, der ihn tätlich angreift, wenn er die Nerven verliert. Dieser Gedanke beunruhigte mich immens. Ich schloss schützend die Augen und atmete ganz tief. Ich zwang mich ernsthaft, mich auf dieses extrem wichtige Gespräch zu konzentrieren. Nervös registrierte ich, dass meine Finger zitterten.
„Geht es dir gut, Clay?" fragte der Doc plötzlich besorgt in die Stille hinein. Ich hustete nervös und guckte ihn kurzerhand entschlossen an. „Ja... ist schon okay...", versicherte ich ihm leise und richtete mich auf meinem Stuhl auf. „Hör mal, Herr Doktor, ich war mit Sicherheit ein paar Monate clean! Aber dann hatte ich diesen ganzen Stress und so viel Ärger... privat und auf der Arbeit... und ich konnte nicht..." „Du konntest nicht anders damit umgehen, als wieder zum Heroin zu greifen", unterbrach er mich seufzend. „Ich habe das nicht bewusst getan! Es war ein langsamer Prozess und ist einfach so passiert!" versuchte ich ihm verzweifelt zu erklären.
Er musterte mich interessiert, und in seinem Blick steckte abermals jede Menge Mitleid, was mir überhaupt nicht gefiel. „Das siehst du wirklich so, nicht wahr?" fragte er eindeutig frustriert. Ich konnte ihm nicht folgen. „Ich habe das gar nicht gewollt, Herr Doktor. Es geschieht einfach", versicherte ich ihm ehrlich. Er lächelte total traurig und atmete tief ein. „Aber jede deiner Handlungen hat doch immer auch Konsequenzen, Clay! Und das gilt für Heroin noch um ein Vielfaches. Hast du denn vorher nie darüber nachgedacht, was du dir und deinem Umfeld damit antust?" Ich schüttelte den Kopf und war auf einmal ziemlich verwirrt. „Nein! Ich entscheide das doch gar nicht! Das passiert einfach so!" rief ich verzweifelt.
Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass wir aneinander vorbei redeten. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Mann mich nicht richtig verstehen konnte, als würde ich eine Fremdsprache sprechen. Genaugenommen verstand ich mich selbst nicht. Aber ich hatte absolut keine Lust mehr, weiter darüber nachzudenken. Der kalte Schweiß lief jetzt aus meinen Achselhöhlen an meiner Seite hinab. Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Ich fixierte gierig die Packung Methaddict, die der Doc immer noch in der Hand hielt und versonnen damit herumspielte.
„Bitte, Herr Doktor, bitte gib mir doch einfach was!" bettelte ich spontan verzweifelt los und fühlte mich dabei absolut erbärmlich. Er horchte sofort alarmiert auf und betrachtete mich abschätzend. „Ist ja gut, Clay", beruhigte er mich sanft und öffnete endlich die blöde Packung. Ich starrte gebannt auf seine Hände. Er schob mir einen Papierbecher hin, den er aus einem Regal hinter sich gegriffen hatte. "Hol dir bitte etwas Wasser!" forderte er mich auf und zeigte auf das Waschbecken im hinteren Teil seines Sprechzimmers. Ich schnappte mir erleichtert den Becher und stand hastig auf. Ich stolperte zum Waschbecken und füllte den Becher mit kaltem Wasser. Dann kehrte ich sofort zu ihm zurück. Ich blieb vor ihm stehen und sah ihn auffordernd an. „Setz dich bitte wieder hin, Clay!" Er deutete auffordernd auf den Stuhl. Ich stöhnte auf und gehorchte ihm ungeduldig.
Endlich holte er einen Streifen aus der Packung und drückte zwei Tabletten heraus, die er mir zögernd hinhielt. Ich griff hastig danach und steckte die Methaddict eilig in meinen Mund. Ich würgte sie sofort herunter und spülte mit viel Wasser nach. Danach schloss ich erleichtert die Augen, als könnte ich irgendeine unmittelbare Wirkung erwarten. Ich horchte instinktiv in mich hinein, aber natürlich passierte rein gar nichts.
Schließlich öffnete ich enttäuscht die Augen und blickte den Arzt an. Ich registrierte verärgert, dass er mich amüsiert beobachtete. „Ich glaube nicht, dass das reicht", bemerkte ich trotzig. Er lächelte überlegen. „Ich habe dir gerade 80 Milligramm Methadon gegeben, Clay Banton. Ich denke, das ist ein guter Anfang für dich." „Und wenn nicht?" wollte ich herausfordernd wissen. „Dann reden wir morgen darüber, nachdem du Urin abgegeben hast und ich deine Dosierung kenne", informierte er mich ungerührt.
Ich musste mich geschlagen geben. Er hatte mich vollkommen in seiner Hand, und das gefiel mir überhaupt nicht. Diese ganze eindeutig entwürdigende Situation ging mir plötzlich ganz gewaltig auf den Sack. Es war dem Doktor völlig egal, wie ich es mit zu wenig Methadon bis morgen aushalten sollte und ob ich womöglich die ganze verdammte Zeit einen Affen schob!
„Aber ich bin verprügelt worden! Ich habe Schmerzen! Mir tut alles weh, verdammt!" beklagte ich mich lauthals. „Fuck!" schrie ich dann plötzlich genervt los, bevor ich mich bremsen konnte. Seine Augenbrauen verengten sich auf der Stelle bei meinem viel zu lauten und aggressiven Ausbruch. Er taxierte mich alarmiert und quittierte meine offene Wut mit einiger Missbilligung. Er stand abwehrbereit auf und musterte mich aufmerksam, wohl darauf gefasst, dass ich nun vollends die Kontrolle über mich verlieren würde.
Aber diesen Gefallen wollte ich ihm nicht tun, denn mir war klar, dass ich dabei nur verlieren konnte. Plötzlich fühlte ich mich sehr müde, erschöpft und geschlagen nach einem langen Kampf. „Ich kann dich ja verstehen, Clay", behauptete der Arzt nach einiger Zeit im merkbaren Bemühen, mich erneut zu beruhigen. „Es tut mir ehrlich leid, dass du Schmerzen hast. Aber das Methadon wird dir helfen. Und von Doktor Tourani hast du ja schon Schmerztabletten bekommen, deshalb werde ich dir nicht auch noch welche geben. Nimm diese Tabletten unbedingt nur bei Bedarf, Clay! Nimm auf keinen Fall zu viele davon, das schadet deinen Nieren ganz massiv!" erklärte er nochmal eindringlich. Ich sah ihn müde an, nickte mechanisch und fühlte mich absolut elend.
„Also gut, dann sehen wir uns gleich morgen früh." Der Arzt lächelte vorsichtig. Ich nickte noch einmal und stand auf. Schleppend ging ich zur Tür. „Nur eins noch, Clay, und zwar etwas sehr Wichtiges!" kündigte er plötzlich an. Ich hielt irritiert inne und drehte mich zu ihm um. Er stand an seinem Schreibtisch und studierte mich wachsam. „Du bist auch als Selbstzahler dazu verpflichtet, die psychosoziale Betreuung mitzumachen, Clay, das weißt du sicher noch. Ich möchte, dass du jetzt gleich von hier aus zur Drogenberatung gehst."
Er lächelte beschissen siegesgewiss, während er mir diesen unerwartet heftigen Schlag verpasste. Ich stöhnte spontan entsetzt auf und konnte es nicht fassen, dass ich diese lästige Tatsache tatsächlich vergessen hatte. Die psychosoziale Betreuung gehörte untrennbar zum Methadonprogramm, sie war eine unabwendbare Pflicht für jeden Patienten, aber ich fand sie mehr als überflüssig. Schon während meiner ersten Behandlung hatte ich sie nur äußerst ungern in Anspruch genommen.
„Das möchte ich aber nicht!" wehrte ich ihn ächzend ab. Der Mann lächelte siegessicher, was mich echt wütend machte. Er wusste ganz genau, dass er diese Macht über mich hatte, mich noch einmal dort hinzuschicken, und das ärgerte mich total. Er hob beschwichtigend die Hände, als er meinen tödlichen Blick auffing. „Ach Clay, so schlimm ist das doch wirklich nicht. Im Gegenteil, die Gespräche werden dir ganz bestimmt helfen und dich in deinem Heilungsprozess unterstützen. Die Drogenberatung ist schließlich nur dazu da, um kranken Menschen wir dir zu helfen!" erläuterte er mir amüsiert lächelnd. Ich knurrte widerwillig, denn ich war nicht der Meinung, dass man mir gegen meinen Willen überhaupt helfen konnte.
„Wer ist denn dein Betreuer?" erkundigte der Doc sich sanft. „Ragnar Rauen", informierte ich ihn grimmig. Ragnar hatte mich während meiner ersten Behandlung betreut. Er war ein netter Kerl, aber ich wollte trotzdem nicht mit ihm reden. Und ich fand es echt bekloppt, dass ich dazu jetzt schon zum zweiten Mal gezwungen wurde. Der Methadonarzt nickte und hörte nicht auf zu lächeln. „Herr Rauen ist ein sehr kompetenter Sozialpädagoge. Bei ihm bist du in besten Händen, glaub mir. Und du bist doch auch immer gut mit ihm zurecht gekommen, nicht wahr?!" versuchte er mir die Sache schön zu reden. Ich verzog widerwillig das Gesicht, und er lachte belustigt auf, was mich noch zorniger machte.
Einen Moment war es ganz still, während ich tief ein und aus atmete. Der Arzt registrierte meine verärgerte Miene, seufzte und sagte gutmütig: „Nun gut, Clay, ich komme dir auch entgegen. Du kannst dir aussuchen, ob du beim wöchentlichen gemeinsamen Brunch mitmachen möchtest, oder ob du lieber in die Einzelbetreuung zu Herrn Rauen gehen willst. Und selbstverständlich bestimmst du selber, wann du dir die Zeit dafür nehmen kannst. Aber du musst dir schon regelmäßig Termine dafür freihalten, denn das ist ein wichtiger Bestandteil des Methadonprogramms. Ich würde sogar sagen, dass die Betreuung weitaus wichtiger ist, als das Methadon selbst, und das weißt du auch", versuchte er mich zu beruhigen, was wirklich nicht funktionierte.
Er merkte mir meine unveränderte Wut an, blickte mich eindringlich an und erläuterte: „Du musst dich für eine Variante entscheiden, Clay Banton. Ich brauche dir doch nicht nochmal zu erklären, dass während deiner Methadonbehandlung die psychosoziale Betreuung von dir in Anspruch genommen werden muss." Ich blies höhnisch die Luft aus, und der Doc registrierte das mit sichtbarer Missbilligung. „Du solltest dieses Angebot wirklich nicht von vornherein ablehnen. Die Drogenberatung ist ausschließlich dafür da, um Menschen wie dir zu helfen. Du kannst mit Herrn Rauen ausnahmslos alles besprechen, was du willst, Clay. Er wird dir zuhören und er hat Schweigepflicht, das weißt du doch. Ich möchte so bald wie möglich die Bestätigung der Drogenberatung von dir bekommen, am besten schon morgen, okay?!" "Nein, das finde ich absolut nicht okay!" brüllte ich ihn aufgebracht an, bevor ich mich bremsen konnte.
Sofort tat mir mein viel zu aggressiver Ton leid und ich starrte ihn verstört an. Er schüttelte über mich den Kopf, offenbar betrübt über meine zornige Ablehnung. Aber ich war inzwischen viel zu aufgebracht und affig, um mich noch richtig kontrollieren zu können. Die scheiß Tabletten wirkten noch nicht, und ich wusste aus Erfahrung, dass das noch ewig dauern würde, und ich war mir nicht sicher, ob ich den Entzug noch so lange ertragen konnte. Nervös wischte ich mir mit den Fingern über das Gesicht. Der Doc hatte echt Nerven, mich in diesem Zustand ausgerechnet zur Drogenberatung zu schicken!
Sein Blick wurde wieder ernst und traurig. „Also hör zu, Clay. Die Brunch-Angebote wurden ganz gut angenommen und deshalb ausgeweitet. Es gibt jetzt jeden Montag einen gemischten Brunch, etwa von 10 bis 14 Uhr. Da könntest du doch gleich heute dran teilnehmen! Ansonsten findet mittwochs der Frauen- und freitags der Männerbrunch statt, den du natürlich auch besuchen kannst. Aber ich würde dir dringend empfehlen, deinen Besuch bei der Drogenberatung nicht länger unnötig hinauszuzögern. Wenn du es irgendwie einrichten kannst, dann gehe doch bitte gleich von hier aus zur Drobs. Dort bekommst du ein leckeres Frühstück, und du kannst mir schon morgen früh deine PSB vorlegen, okay? Das fände ich wirklich klasse von dir, Clay!"
Der Doc schaute mich so bittend, fast flehend an, als würde es ihm wirklich am Herzen liegen, dass ich seinen Vorschlag annahm. Er wollte scheinbar unbedingt, dass ich von hier aus sofort zum Brunch ging, aus welchem verdammten Grund auch immer. Dabei hatte er doch gar nichts davon, wenn ich seine Anweisung befolgte! Seine Anteilnahme verwirrte mich, rührte mich aber auch irgendwie, obwohl ich sie wirklich nicht verstand. „Warum verlangst du das von mir?" wollte ich resigniert von ihm wissen. Er seufzte frustriert und holte tief Luft. „Weil ich glaube, dass du schwerwiegende emotionale Probleme hast, Clay Banton", flüsterte er beinahe.
Kim
Ich konnte ihn immer noch spüren, jeden Zentimeter von ihm, als wäre er noch immer tief in mir. Ich spürte ihn, als ich mich schlafen legte, nachdem er mich in seinem Sportwagen nach Hause gefahren und ich mich mit einem Kuss von ihm verabschiedet hatte. Ich spürte ihn beim Aufstehen, und während ich eine SMS von Ben beantwortete, in der mein Freund mir einen guten Morgen und einen schönen Tag wünschte.
Ich spürte ihn, als ich in meinen Seminaren saß und versuchte, aufmerksam den Vorträgen der Dozenten zu folgen. Bald standen wichtige Prüfungen an, deshalb hätte ich mich viel mehr aufs Lernen konzentrieren müssen.
Aber dieser Mann war unerwartet intensiv in mein Leben getreten, Clay Banton, den ich unverändert in mir spüren konnte, und der leichte, wunde Schmerz, den er mir zurückgelassen hatte, war so überwältigend, dass ich zu keinem anderen Gedanken mehr fähig war.
Offenbar existierte mit Clay Banton nichts Leichtes, nichts Oberflächliches oder Belangloses. Jede einzelne der noch wenigen Begegnungen mit ihm war für mich erstaunlich intensiv gewesen, randvoll gefüllt mit überaus starken Emotionen, die ich kaum erfassen oder begreifen konnte. Da hatte am Anfang so viel Hass in mir gewütet, so viel Zorn und Verachtung, und jetzt empfand ich für ihn so viel Liebe.
Er hatte mich komplett überwältigt, mich total verzaubert, sodass ich meine Hände nicht mehr von ihm lassen konnte, ich wollte alles von ihm und immer noch viel mehr. Ich sehnte mich unglaublich stark nach diesem erwachsenen Mann, der sich mir bemerkenswert kindlich und verletzbar gezeigt hatte. So angreifbar war er gewesen, und so erregt von mir und meinem Körper, dass er sich nicht hatte beherrschen können, kein einziges Mal, als wir miteinander geschlafen hatten.
Noch immer war ich gerührt davon, wie hilflos ausgeliefert seinen eigenen Begierden Clay gewesen war, wie stürmisch und völlig unkontrolliert er sich über mich hergemacht hatte, und wie rasend schnell er jedes Mal gekommen war, spätestens nach etwa fünfzehn Minuten.
Aber was machte es schon, dass ich dabei keinen Orgasmus erreicht hatte, wenn ich dafür mehrmals erleben durfte, wie der starke Mann komplett jegliche Beherrschung über sich verloren hatte, total abgedriftet war in seine eigene sexuelle Erregung, wo es für ihn kein Halten mehr gab, keine Bremse und niemals ein Zurück. Er war so enorm ungehemmt, vertrauensvoll, hart und doch zärtlich mit mir umgegangen, war tatsächlich jedes Mal einer Ohnmacht erstaunlich nah gekommen.
Und es schmeichelte mir so sehr, wie mein nackter Körper ihn maßlos berauscht hatte, und wie absolut offen er mir das gezeigt hatte. Der fremde Mann hatte sich mir bedingungslos hingegeben, und so etwas hatte ich vorher noch nie erlebt. Trotz fehlendem Höhepunkt waren diese sexuellen Begegnungen mit Clay für mich um einiges befriedigender und auf jeden Fall sehr viel an- und aufregender gewesen als alles, was ich schon zusammen mit Ben erlebt hatte.
Und was würde erst passieren, wenn ich selbst dabei einen Höhepunkt erreichen würde?! Diese bestimmt überirdische Erfahrung konnte ich kaum noch erwarten.
Der Sex mit Ben war meistens ganz nett, und ich hatte immer geglaubt, damit vollends zufrieden zu sein. Bis Clay Banton mich eines besseren belehrte, bis Clay mir an sich selbst zeigte, was überhaupt alles möglich war, welche Empfindungen es zu entdecken und zu erreichen gab. Und ich hatte das spannende, aufregende Gefühl, erst ganz am Anfang dieser erregenden Entdeckungsreise zu stehen, was zweifellos auch stimmte, denn unsere Begegnungen waren auf jeden Fall ausbaufähig.
Mit Ben verlief der Sex dagegen immer gleich, und große Höhenflüge waren mit ihm wohl nicht zu erwarten. Ben - nur ungern dachte ich an Ben, meinen langjährigen festen Freund, denn mein Gefühl für ihn war inzwischen merkbar abgekühlt. Ben hatte Clay sehr weh getan und ihn auf eine so hässliche Weise pausenlos gedemütigt. Genau das hatte ich zwar lautstark von ihm verlangt, aber trotzdem hätte er das in dieser Form niemals tun dürfen. Ich wusste jetzt, das ich Ben seine ungebändigte Brutalität nicht verzeihen konnte, denn dafür gab es keine Entschuldigung und erst recht keine Rechtfertigung. Ben war mit seiner Rache für mich ganz einfach viel zu weit gegangen, und Clay hatte nichts davon verdient gehabt.
Ich hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen meinem Freund gegenüber, den ich eindeutig mit Clay Banton betrog, in jeder nur erdenklichen Hinsicht. Aber das war mir im Moment egal, denn meine Gefühle und Gedanken konzentrierten sich vollständig auf diesen anderen Mann, diesen neuen Mann, der so ganz anders war als jeder, den ich jemals kennengelernt hatte.
Ich hatte mich lediglich bei ihm entschuldigen wollen, war voller überraschend heftiger Reue gewesen wegen der Prügel, die er meinetwegen hatte einstecken müssen. Aber nun war etwas ganz anderes, etwas total Intensives daraus geworden, was ich niemals auch nur ansatzweise erwartet hatte.
Noch immer konnte ich ihn spüren, tief in mir, seine ganz enorm erregende Härte und Größe, konnte seinen unwiderstehlichen Duft riechen, seinen perfekt trainierten Körper vor mir sehen. Und ich fühlte mich wie besessen von diesem Mann, noch immer maßlos berauscht von seinem faszinierenden Lächeln, seiner grenzenlosen Güte, mir so schnell und leicht etwas eigentlich Unverzeihliches zu verzeihen, von seiner Freundlichkeit, seiner Hingabe, seinem großen Vertrauen mir gegenüber, obwohl er dazu wahrhaftig überhaupt keinen Grund gehabt hatte, ganz im Gegenteil.
Etwas Überraschendes und enorm Machtvolles war mir passiert, eine vollkommen neue Erfahrung für mich, jemand hatte mich sehr tief beeindruckt, und längst nicht nur körperlich.
Eine größere Ablenkung von meinem Studium konnte ich mir nicht vorstellen, aber ich gab mich dem nur zu gerne hemmungslos hin. Denn es machte mir großen Spaß, mit offenen Augen von diesem absolut entzückenden Mann zu träumen, es fühlte sich warm und richtig an und weckte meine Neugier auf eine total beglückende gemeinsame Zukunft. Ich fühlte mich wie ein verliebter Teenager, der von seinem Star schwärmt, und genoss es in vollen Zügen.
In den Pausen rannte ich sofort wie ferngelenkt zu seinem angestammten Platz auf dem Campus und war jedes Mal maßlos enttäuscht, weil Clay/Tino nicht auftauchte, um Drogen zu verkaufen, wie er es sonst so oft getan hatte. Schon seit dem Aufwachen hatte ich mich auf ihn gefreut, ich fieberte einer neuen Begegnung förmlich entgegen. Aber er erschien nicht auf dem Universitätsgelände, und ich spürte meine Enttäuschung über sein Fehlen und meine Sehnsucht nach ihm beinahe schmerzhaft körperlich.
Andere Kommilitonen fragten mich sogar nach Tino, weil sie etwas von ihm kaufen wollten, aber ich konnte ihnen keine Antwort geben. Ich gab mich betont gleichgültig.
Noch immer spürte ich ihn tief in mir, bewahrte diesen leichten, wunden Schmerz wie einen wertvollen Schatz, eine liebe Erinnerung, ein enorm seltenes Geschenk, und ich erzählte niemandem etwas davon. Kein Mensch sollte je erfahren, was zwischen Clay und mir wirklich passierte, denn dafür gab es überhaupt keine Worte. Diese Verbindung war mir viel zu kostbar, als hätte ich mit jemandem darüber reden können. Ich war selbst noch viel zu überwältigt davon.
Mein ganzes Leben hatte sich komplett verändert. Dieser attraktive Mann, der halbe Wikinger mit den sexy isländischen Worten, war ein erstaunliches Mysterium, dessen Entdeckung mir unglaublich reizvoll erschien. Clay Banton war eine echte Naturgewalt, und er war so unerwartet heftig über mich hereingebrochen, dass es für mich nichts anderes mehr geben konnte. Nie mehr.
Eliza
Zeit meines Lebens war ich ein Papa-Kind gewesen. Mein großer, starker, gut aussehender Vater war der Held meiner Kindheit, und im Gegensatz zu meiner älteren Schwester fühlte ich mich immer enorm zu ihm hingezogen, und er sich ganz genauso zu mir. Ich war zweifellos sein Lieblingskind und ich war stolz auf meinen Papa, der so charmant, freundlich und hilfsbereit sein konnte, das ständig viele Frauen um ihn herum waren und ihn umschwärmten.
Obwohl er mir das niemals direkt sagte, so spürte ich doch instinktiv von Anfang an, dass mein Papa statt einer zweiten Tochter lieber einen Sohn gehabt hätte. Meine Schwester war schwach und ängstlich, und damit konnte mein Vater nicht viel anfangen. Ich dagegen war stark und mutig, und ich spürte ganz genau, dass meinem Papa das gefiel.
Alles in meiner Macht stehende wollte ich tun, damit mein Papa mit mir zufrieden war, denn wenn er mit mir zufrieden war, dann hatte er mich lieb und las mir jeden Wunsch von den Augen ab. Wenn ich ihn dagegen irgendwie enttäuschte, dann strafte er mich mit bösen Worten und wochenlanger Missachtung, was für mich die schlimmste Strafe der Welt war. Deshalb bemühte ich mich unentwegt, ihn auf keinen Fall zu enttäuschen.
Ich hatte keine Angst, so wie meine Schwester, wenn Papa mich hinten auf seinem Motorrad mitnahm. Natürlich interessierte ich mich viel mehr für Autos und Fußball, als für Puppen und schöne Kleider. Ich wollte alles für ihn sein, also wurde ich der von ihm gewünschte Sohn.
Ich machte mit meinem Papa lange, rasante Motorradausflüge, ging mit ihm angeln, reparierte mit ihm das Auto und tat all diese Dinge, die eigentlich eher Jungs taten, weil das meinem Vater merkbar gefiel. Und wenn er zufrieden war, dann war ich es auch.
Natürlich weinte ich nicht, wenn ich mir weh tat, und auch nicht, als meine Katze starb. Niemals zeigte ich meine Angst. Ich war grundsätzlich immer seiner Meinung und selbstverständlich lästerte ich mit ihm über die dummen Schwächen der hilflosen Frauen.
Ich empfand meine Kindheit als wunderbar und mein Papa war mein bester Freund, solange ich ihn nur zufrieden stellte und nie widersprach. Und das gelang mir ja ganz hervorragend, denn ich war ganz genau so, wie mein Vater mich haben wollte und wie er sich wohl seinen Sohn vorgestellt hatte. Er kaufte mir alle Sachen, die ich haben wollte, er nahm mich an die Hand und lächelte mich an, und abends lag ich regelmäßig mit ihm auf der Couch vor dem Fernseher.
Aber irgendwann war das empfundene Paradies meiner Kindheit vorbei, denn ich kam in die Pubertät und etwas veränderte sich mit mir und meinem Körper, was mir überhaupt nicht gefiel. Und noch viel schlimmer war: Meinem Papa schien es auch nicht zu gefallen! Ich war total verzweifelt, weil ich einen Busen bekam, der mich als Frau auszeichnete, denn ich wollte doch auf gar keinen Fall eine schwache, dumme Frau sein!
Mein Vater entfernte sich innerlich merkbar von mir, er umarmte mich auch nicht mehr und unsere gemeinsamen Ausflüge hörten auf. Er ging auf Abstand, als könnte er jetzt nichts mehr mit mir anfangen, und mit ihm auf der Couch liegen durfte ich schon längst nicht mehr.
Mein geliebter Papa vermittelte mir das schreckliche Gefühl, als wäre es meine Schuld, dass unsere gemeinsame Zeit vorbei war, als enttäuschte ich ihn, weil ich eben doch nur eine Frau war und es nicht länger verbergen konnte. Ich fühlte mich entsetzlich schuldig, einsam und im Stich gelassen, und trotz allem kämpfte ich weiter jeden Tag darum, um ihn auf keinen Fall zu verlieren. Ich wollte immer noch unbedingt, dass er zufrieden mit mir war, jetzt noch mehr als früher.
Denn im Gegensatz zu ihm hatten sich meine Gefühle für ihn überhaupt nicht verändert. Ich liebte ihn noch ganz genauso stark wie als Kind, und seine zunehmende Zurückweisung tat mir jeden Tag weh.
Mein Vater war der Grund, warum ich mich in meinem Frauenkörper niemals wohlgefühlt habe, ganz im Gegenteil. Ich gab mir selbst die Schuld daran, meinen Vater enttäuscht zu haben.
Als ich meinen ersten Freund mit nach Hause brachte, gefiel er meinem Vater nicht. Es schien, als wäre er eifersüchtig und würde mir mein Glück nicht gönnen. Er verbot mir den Kontakt zu dem Jungen und ich geriet in einen schrecklichen Zwiespalt. Einerseits war ich verliebt in den Typen, andererseits konnte ich doch meinen Papa nicht verärgern!
Eine Zeit lang habe ich mich heimlich mit meinem Freund getroffen, immer mit der großen Angst, dass mein Vater von unseren Treffen etwas erfahren oder uns irgendwo zufällig sehen könnte. Die Angst vor Entdeckung und das ständige schlechte Gewissen gingen mir mit der Zeit so tief unter die Haut, dass sie mir fast normal erschienen. Ich wurde innerlich überzeugt davon, ein schlechter, falscher, minderwertiger Mensch zu sein. Ich hatte es verdient, dass mein Vater enttäuscht von mir war, weil ich mich heimlich seinem Willen widersetzte und seinen Ansprüchen nicht mehr genügte. Ich hatte es verdient, wenn es mir schlecht ging.
Erst viel später, als ich längst erwachsen und zu Hause ausgezogen war, wurde mir klar, dass die Art, wie mein Vater mein Leben lang mit mir umgegangen ist, zweifellos an Psychoterror grenzte. Er war egoistisch und selbstverliebt und benutzte seine große Macht über mich, um mich nach seinem Willen zu formen. Durch seine ständige Zurückweisung wegen der kleinsten Vergehen, die oft nur in seinen Augen Fehler waren, wie zum Beispiel eine andere Meinung, machte er mich zu einem ängstlichen Menschen, zerstörte mein Selbstbewusstsein und vor allem meine Identität. Jahrelang habe ich mich im Grunde selbst verachtet.
Das änderte sich erst, als Clay Banton in mein Leben trat.
Clay schaffte es im Laufe der Zeit irgendwie, mich davon zu überzeugen, dass ich trotz all meiner Fehler und Unzulänglichkeiten liebenswürdig war. Dass ich es wert war, geliebt zu werden und dass es noch jemanden gab, der meine Liebe zu schätzen wusste. Mit Clay lernte ich zum ersten Mal einen Menschen kennen, der mich bedingungslos liebte, für dessen Zuneigung ich mich in keinster Weise verstellen musste und der nichts weiter von mir erwartete.
Clay liebte mich ganz einfach genauso, wie ich war, und er begehrte meinen von mir verhassten Frauenkörper auf eine Weise, die mir so ungemein gut tat und schmeichelte, dass ich mich mit der Zeit und zum ersten Mal in meinem Leben richtig wohl in meiner Haut fühlte.
Die zwei Männer, mit denen ich vor Clay für kurze Zeit zusammen gewesen war, hatten mich auch begehrt, und doch schien bei ihnen mein Körper irgendwie austauschbar zu sein. Vielleicht glaubte ich ihnen auch nur nicht, dass sie tatsächlich mich liebten, weil ich mir das schlicht nicht vorstellen konnte.
Clay Banton dagegen liebte sie merkbar abgöttisch, all meine Rundungen, die ich immer so sehr verachtet hatte. All die körperlichen Beweise meiner Weiblichkeit, die mich so wütend und minderwertig gemacht hatten. Ihn brachten sie vor Lust regelmäßig beinahe um den Verstand, was er mir liebend gerne auch herrlich offen zeigte. Also konnten sie vielleicht doch gar nicht so abstoßend sein, überlegte ich erstaunt.
Mit Clay Banton entdeckte ich mich und meinen Körper auf eine völlig neue, zärtliche und erregende Weise, und ich war ihm für all das so dankbar, dass ich ihn am liebsten auf der Stelle geheiratet hätte. Ich wollte Clay nie wieder verlieren, ich wollte unbedingt mein ganzes Leben mit ihm teilen, denn ich brauchte ihn und seine bedingungslose Zuneigung wie die Luft zum Atmen. Er trug mich auf Händen und ich ließ mich liebend gerne von ihm tragen. Clay Banton war stark, er beschützte mich, wie es früher mein Papa getan hatte, und ich fühlte mich in seiner Nähe immer wohl und sehr geborgen.
Zumindest war das im ersten Jahr unserer Beziehung so, und vielleicht hat Clay unsere Verbindung sogar ähnlich stark empfunden, obwohl er mich mit Sicherheit nie heiraten wollte.
Aber dann änderte sich langsam alles, und irgendwie gab ich mir schon wieder selbst die Schuld daran, obwohl es bestimmt nicht meine Schuld war. Clay wurde heroinabhängig, und damit spielte ich nicht länger die erste Geige in seinem Leben. Clay brachte entschieden zu viele Energien für seine schrittweise Selbstzerstörung auf, und sogar meine große Liebe zu ihm konnte daran nichts ändern. Den Grund seiner Probleme wusste ich nicht, ich verstand ihn auch nicht und er sagte mir nichts darüber.
Außerdem teilte Clay seine Liebe zwischen Sean Valmont und mir auf, eine Tatsache, die mir am Anfang, als ich sie nicht länger leugnen konnte, enorm zu schaffen machte. Zwischenzeitlich hatte ich verzweifelt versucht, mich irgendwie damit zu arrangieren, damit klarzukommen und es hinzunehmen, weil ich das Gefühl hatte, ein halber Clay wäre besser als gar keiner.
Aber nun war ich mir sicher, dass ich meinen Mann mit niemanden teilen wollte. Ich brauchte einen Partner, der mir ganz allein gehörte und dem ich voll und ganz genügte. Clay Banton hatte unbestreitbar mit viel zu großen eigenen Schwierigkeiten zu kämpfen, bei denen ich ihm nicht helfen konnte, und ich war nicht länger in der Lage damit umzugehen. Ich wollte mich nicht länger damit beschäftigen müssen. Meine Liebe zu ihm war für mich längst zu schmerzhaft geworden. Ich fühlte mich in seiner Nähe fast nur noch wütend oder hilflos, und ich wollte mich nicht länger so fühlen.
Clay hatte in unseren zwei gemeinsamen Jahren durch seine vertrauensvolle Art mein verkümmertes Selbstbewusstsein ganz enorm gestärkt, und mir war vollkommen bewusst, dass ich nur deshalb jetzt auch stark genug war, um unsere unglückselige Liebschaft zu beenden.
Ja, ich war auf jeden Fall stark genug dafür! Mein Entschluss war unumstößlich! Meine Trennung von diesem labilen Mann war für mich der einzig mögliche Weg, um mein eigenes Leben wieder in den Griff zu kriegen und in die Zukunft zu schauen. Schließlich wurde ich auch nicht jünger, und ich wünschte mir sehnlichst eine Familie mit einem verlässlichen und treuen Partner.
Selbstverständlich hätte ich mich jetzt geradewegs in meine Wohnung zurückziehen sollen, am besten gleich nach hinten in mein Zimmer. Ich hätte alle Türen schließen und ihn unbeachtet draußen stehenlassen sollen. Aber aus irgendeinem Grund war ich dazu nicht fähig, brachte es nicht über mich, war dazu einfach nicht in der Lage.
Noch immer stand ich von innen an die geschlossene Wohnungstür gelehnt und atmete tief ein und aus. Die unerwartete Begegnung mit Clay Banton und seine merkbare Traurigkeit gingen mir viel näher, als mir lieb war.
Angestrengt lauschte ich nach draußen. Im Treppenhaus war es anscheinend ganz still. Was würde Clay jetzt tun? Ich kannte ihn gut genug, um zu ahnen, dass er nicht so schnell und schon gar nicht kampflos verschwinden würde, obwohl ich ihn mehrmals unmissverständlich dazu aufgefordert hatte. Aber dieser Mann konnte so ausdauernd hartnäckig sein, wenn ihm irgendetwas lohnend erschien, und zweifellos wollte er in diesem Moment unbedingt zu mir.
Meine Neugier oder meine Sorge darüber, was er wohl in meinem Hausflur noch anstellen würde, ließen mich meinen Körper langsam herumdrehen und mein Auge wie von allein vor den Türspion wandern. Zögernd, fast ängstlich, was ich jetzt wohl sehen würde, schaute ich hinaus in den Flur.
Durch das winzige Guckloch konnte ich den Treppenabsatz vor der Wohnungstür, einen Teil des Geländers und die obersten Stufen der Treppe erkennen. Clay stand noch immer auf der harten, steinernen, zweitobersten Treppenstufe und hielt sich mit einer Hand am Geländer fest. Er hatte seine Position überhaupt nicht verändert, seit ich die Tür zugeschlagen hatte und dahinter verschwunden war. Der Mann fixierte völlig reglos die Tür, als könnte er nicht glauben, dass ich tatsächlich nicht mehr da war. Ein paar Tränen liefen aus seinen Augen, die er hastig, offenbar verärgert wegwischte. Anscheinend war er damit beschäftigt sich zusammenzureißen.
Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Wut und Besorgnis, als er wie in Zeitlupe das Geländer losließ und sich auf die Tür zubewegte, hinter der ich mit angehaltenem Atem lauerte. Clay hatte unentwegt den Türspion im Blick, als wüsste er genau, dass ich ihn dadurch beobachtete. Aber das konnte er doch nicht wissen, oder? Mein Herz hämmerte los, als Clay sich vorbeugte und von außen durch das Guckloch schaute, als könnte er auf diese Art in meine Wohnung blicken. Ein verhaltenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
Plötzlich war nur noch sein grün-braunes Auge zu sehen, und ich schlug mir erschrocken die Hand vor den Mund und duckte mich, damit er mich nicht entdeckte. Angespannt kauerte ich hinter der Tür und lauschte angestrengt. Hatte er mich gesehen? Konnte man überhaupt in meine Wohnung blicken, wenn man in falscher Richtung durch den Spion schaute? Das hatte ich noch nie ausprobiert, daher wusste ich es nicht mit Sicherheit. Allerdings konnte ich mir vorstellen, dass es so ähnlich war, als würde man verkehrt herum durch ein Fernglas schauen. Das geht nicht, dachte ich ärgerlich, ich muss in diese Tür unbedingt einen moderneren Spion einbauen lassen, am besten ein richtiges Überwachungssystem. Ich will nicht, dass jeder von draußen in unsere Wohnung glotzen kann!
„Eliza?!" sagte Clay plötzlich fragend. Ich zuckte zusammen. Mist, er hatte mich doch gesehen! Oder ahnte er nur, dass ich direkt hinter der Tür war? „Komm schon, Eliza, ich weiß doch, dass du da bist. Ich habe dich gesehen", behauptete Clay. Seine Stimme war ruhig, vage amüsiert und gerade laut genug, dass ich ihn trotz der Barriere zwischen uns gut verstehen konnte. „Bitte mach doch auf, Eliza. Bitte lass mich rein", bat Clay mich.
Er hörte sich verzweifelt an, hilflos drängend, was mir direkt bis unter die Haut fuhr. Das gefiel mir nicht, ich wollte nicht zu viel Mitgefühl für ihn entwickeln, und ich wünschte mir sehnlichst, dass er einfach verschwinden würde. Aber gleichzeitig wusste ich nur zu gut, dass das nicht passieren würde. Clay Banton würde auf keinen Fall kampflos aufgeben, solange er sich noch eine kleine Chance ausrechnete.
„Geh weg, Clay! Lass mich in Ruhe!" rief ich ärgerlich gegen die Tür und konnte ihn daraufhin nach Luft schnappen hören, als hätte ich ihn geschlagen. „Nein, warte doch mal... Bitte... hör doch mal...", jammerte er, sodass ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte. „Hör mal, Liz, ich habe über alles nachgedacht, was du gesagt hast. Ich verstehe das jetzt und ich werde alles tun, was du willst, das schwöre ich dir. Aber bitte mach doch mal auf und rede mit mir. Wir können über alles reden, okay?" In seiner Stimme schwang seine ganze Hoffnung mit, die ich sogleich zunichte machte. „Nein, Clay, ich habe genug mit dir geredet und das bringt überhaupt nichts. Ich möchte nicht mehr mit dir reden, weil ich dir schon längst alles gesagt habe. Ich habe mich von dir getrennt, und das musst du endlich mal begreifen", erklärte ich ihm so ruhig wie möglich.
Wie gerne wäre ich viel gefasster und distanzierter gewesen. Aber mein Herz hämmerte aufgewühlt. Ich hatte keine Lust auf diese Auseinandersetzung und ich wollte ihm nicht schon wieder alles erklären müssen. Er sollte einfach nur gehen und mich in Ruhe lassen. Ich wollte einfach nur den Rest meines freien Montags genießen.
Eine lange Zeit war es draußen still, bis ich mich verblüfft fragte, ob Clay wohl tatsächlich gegangen war. Aber gerade, als ich einen vorsichtigen Kontrollblick durch den Spion werfen wollte, schlug Clay laut gegen die Tür, wohl mit der flachen Hand, sodass ich erschrocken zusammenzuckte. Oh nein, dachte ich entsetzt, jetzt dreht er durch! Was soll ich jetzt bloß tun? Soll ich die Polizei zu Hilfe rufen, damit sie ihn gewaltsam mitnehmen? Wenn er anfängt zu randalieren, dann ist das wohl meine einzige Möglichkeit. Womöglich wird er sonst versuchen die Tür aufzubrechen.
Aber es widerstrebte mir enorm, Clay die Polizei auf den Hals zu hetzen und ihn damit wegen Hausfriedensbruch oder Belästigung anzuzeigen. Nein, das hatte er nicht verdient. Der Clay, den ich kannte, war schließlich nicht gewalttätig. Oh Gott, so weit ist es also schon mit uns gekommen, dass ich diese rechtlichen Schritte gegen ihn in Erwägung ziehe, dachte ich geschockt und verzweifelt. Warum kann er sich nicht endlich mit unserer Trennung abfinden? Was will er denn überhaupt noch von mir, wo er doch sein Heroin und Sean Valmont hat?!
Noch einmal schlug Clay laut gegen die Tür. „Das geht nicht, Eliza!" rief er viel zu laut, „Das kannst du jetzt nicht machen! Du kannst mich nicht einfach so abservieren! Das ist total unfair von dir! Du musst mir doch wenigstens die Chance geben, um mich zu bessern!"
Ich schloss resigniert die Augen. Im Grunde hatte ich es immer gewusst: Herr Banton hatte nichts verstanden! Ihm war noch nicht einmal klar, dass ich ihm schon in den letzten drei Monaten irgendwie noch eine Chance gegeben hatte, seit diesem Tag im Januar, als ich mich zum ersten Mal von ihm getrennt hatte. Die ganze Zeit hatte ich insgeheim ständig gehofft, dass doch noch ein Wunder geschehen würde, dass Clay sich ändern und wieder so werden würde, wie im ersten Jahr unserer Beziehung. Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass er für mich mit den Drogen aufhören und seine Beziehung zu Valmont beenden würde.
Aber nichts davon war passiert. Ganz im Gegenteil, alles war irgendwie nur immer schlimmer und trauriger geworden, und ich hatte genau jetzt schlicht keine Kraft und keine Lust mehr dazu, um noch länger auf irgendwas zu hoffen. Nein, dieser Mann würde sich nicht ändern, solange er es nicht selbst wollte. Er hatte dafür wahrhaftig genug Zeit von mir bekommen, und er hatte diese drei Monate in keinster Weise zu seinen Gunsten genutzt.
„Eliza!" brüllte Clay ungeduldig vor der Tür, „Bitte rede mit mir! Behandele mich nicht so! Es geht mir echt nicht gut, und ich brauche dich jetzt unbedingt! Du kannst mich nicht allein hier stehenlassen!" Ich konnte hören, wie wütend er nach Luft schnappte.
Ich, ich, ich, dachte ich verärgert, Herr Banton denkt wieder mal nur an sich selbst. Ihm geht es schlecht und darum muss ich mich sofort um ihn kümmern. Ich soll alles stehen und liegen lassen und auf der Stelle für ihn da sein. Wie ich mich dabei fühle, ist ihm herzlich gleichgültig.
„Bitte geh jetzt Clay! Ich werde die Tür nicht für dich öffnen!" teilte ich ihm mühsam beherrscht, aber laut und deutlich mit. Clay stöhnte auf, als hätte ich ihn erneut geschlagen, und murmelte entsetzt, wohl mit dem Gesicht gegen die Tür gepresst: „So eiskalt bist du doch gar nicht, Liz, so gemein behandelst du mich sonst nicht!"
Seine Stimme kam auf einmal von ganz unten, als wäre er vor der Tür auf den Boden gesunken. Ein schneller Blick durch den Spion bestätigte mir, dass ich Clay draußen nicht mehr sehen konnte. Er musste direkt vor der Tür auf der Erde sitzen, sodass der Sichtbereich des Gucklochs ihn nicht mehr erfasste. Fast automatisch hockte ich mich auch hinunter und legte meine Hand gegen das Holz, als würde ich ihn berühren. Ich kämpfte mit meinem Mitleid, wollte dem jedoch auf keinen Fall nachgeben. Dazu hatte ich mich zu lange und schmerzhaft mit meiner Trennung von Clay Banton beschäftigt, um jetzt so leicht aufzugeben.
„Bitte, Clay! Bitte geh jetzt endlich! Ich kann und will dir jetzt nicht helfen! Es tut mir leid, dass es dir schlecht geht, aber das ist ganz allein dein Problem! Du hast es dir selbst zuzuschreiben, wenn es dir nicht gut geht!" wollte ich ihn abwehren und gleichzeitig besänftigen.
Leider klappte das überhaupt nicht. Augenblicklich schlug er erneut gegen die Holztür und ich sprang erschrocken auf. Clay war wohl ebenfalls aufgestanden, denn er schlug noch einmal gegen die Tür, diesmal viel höher. „Du hast ja keine Ahnung!" brüllte er, plötzlich völlig außer sich, „Du weißt ja gar nicht, wie viel Mist ich heute erlebt habe und was ich mir alles anhören musste! Das ist nicht meine Schuld gewesen!"
Ich schloss noch einmal resigniert die Augen und atmete tief durch. Ja, hier hatte ich noch einen Beweis, dieser dumme Mann verstand definitiv überhaupt nichts! Er begriff die großen Zusammenhänge seines Elends nicht, sondern reagierte nur auf das unmittelbar Gewesene. Dabei war ich mir sicher, dass all sein Leid bestimmt nur wieder mit seinem exzessiven Drogenkonsum zusammenhing, mit seiner wahllosen Gier nach Sex oder seiner allgemeinen Gedankenlosigkeit. Ganz sicher konnte man den Ursprung von allem, was ihm heute passiert war, ganz genau dort finden. Aber das würde Clay Banton niemals begreifen, das war ganz einfach zu kompliziert für sein seichtes, durch zu viele harte Drogen bestimmt inzwischen angegriffenes Gehirn.
„E-li-za!" schrie Clay im Flur los, „Mach-jetzt-die-Tür-auf! Lass-mich-rein!" Er betonte jede einzelne Silbe und war entschieden zu laut. „Bitte-verlass-mich-nicht! Bitte!" schrie er und schlug bei jeder Silbe gegen die Tür, um seiner Forderung noch mehr Nachdruck zu verleihen.
Ich atmete tief und zwang mich ruhig zubleiben. Mann, ich hatte das alles so satt! Dieses ständige Drama mit ihm, diese hässlichen Szenen, die er mir jedes Mal lieferte. Natürlich hatte er Angst davor verlassen zu werden! Er hatte als Kind durch die Trennung seiner Eltern seinen Vater verloren, und dieser große Verlust hatte sich wohl sehr tief in seine Seele eingegraben. Das verstand ich ja auch. Aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, mich so unter Druck zu setzen, mich zwingen zu wollen, unsere Beziehung aufrecht zu erhalten.
Was sollte ich nur tun? Ich hatte große Lust die Tür aufzureißen und auf den Mann loszugehen, der sich so unvernünftig und lautstark im Hausflur gebärdete, als wäre er nahe daran, komplett den Verstand zu verlieren. Was versprach er sich von diesem Radau? Warum tat er mir das an? Er würde noch das ganze Haus auf sich aufmerksam machen!
Ja, ich wollte wirklich gerne auf ihn einschlagen, ihm meine Wahrheit ins Gesicht prügeln, damit er sie endlich verstehen konnte. Aber wahrscheinlich würde selbst das gar nichts bringen, denn Clay war Schläge gewöhnt und sie bewirkten eigentlich nichts bei ihm. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihm begreiflich machen konnte, dass er einfach nur verschwinden sollte.
Clay
„Mann, Alter, komm rein! Ich kann dich nicht leiden sehen!" begrüßte Travis mich liebenswürdig, verschlafen, zerknittert und mit zugekifften Augen. Es war zu früh für ihn, aber wenigstens hatte er mir die Tür geöffnet, an der ich schwer keuchend angeklopft hatte und nun beinahe zusammenbrach.
Travis wohnte in diesem scheiß hässlichen Hochhaus, in einer dieser Sozialwohnungen, die nur aus einem einzigen Zimmer, einer Kochnische und einem winzigen Bad mit Dusche bestehen. Seine Wohnung war im fünften Stockwerk, die Haustür war kaputt und deshalb immer offen, und auch der Fahrstuhl funktionierte nur höchst selten, weshalb ich mich die ganzen vielen Stufen durch das dreckige Treppenhaus hinauf gequält hatte.
Nein, ich war definitiv nicht dazu in der Lage, direkt vom Methadonarzt aus zur Drogenberatung zu fahren, und es war mir ein Rätsel, wie der Doc das überhaupt in Erwägung ziehen konnte! Die scheiß Methaddict wirkten noch kein bisschen und ich wusste aus Erfahrung, dass ich auf die erlösende Wirkung auch noch mindestens eine Stunde warten musste. Die wenigen Chinesen, die ich heute morgen geraucht hatte, waren auch nur noch eine blasse Erinnerung. Es ging mir absolut beschissen, der Schweiß lief kalt an mir hinab, meine Knochen und Muskeln zuckten und schmerzten abwechselnd und gleichzeitig. Der Affe vollführte in meinen Eingeweiden einen wahren Freudentanz.
Und weil Sergej mal wieder nicht an sein Handy ging, weil es auch für ihn zu früh am Tag war oder aus einem verdammten anderen Grund, hatte ich mich erneut zu Travis aufgemacht, dessen neue Adresse ich erst gestern auf der Szene erfahren hatte, die ich wegen Sergej schon viel zu lange nicht mehr besucht hatte und deshalb nicht mehr auf dem Laufenden gewesen war. Travis hatte mir jedenfalls auch gestern schon hilfsbereit weitergeholfen, als Sergej mich auf irgendwann später vertröstet hatte und ich auch zu diesem Zeitpunkt auf keinen Fall warten konnte.
Nun folgte ich Travis zwei Schritte in seine Wohnung und schloss hinter mir die Tür. Mir wurde von der Anstrengung der unzähligen Treppenstufen schwarz vor Augen. Ich hielt mich an der Wand fest und atmete tief ein und aus. In Travis' Behausung roch es immer staubig und nach verschiedenen Drogen, der meist sehr vertraute Geruch verteilte sich bis hinaus in das Treppenhaus. Aber heute überdeckte der scharfe Gestank von Ammoniak alles Angenehme in dieser Luft, sodass mir nach einem tiefen Atemzug plötzlich enorm übel wurde und ich mich echt anstrengen musste, um nicht auf der Stelle zu kotzen.
„Komm, Alter, setz dich erst mal!" lud Travis mich gastfreundlich ein. Er ließ sich auf seine braune Ledercouch fallen und schob hastig ein paar Klamotten, Zeitschriften und Papiere zur Seite, um mir Platz zu machen. Ich versuchte, nur durch den Mund zu atmen, aber es gelang mir nicht sonderlich gut, dazu war ich viel zu atemlos.
Mit einem Schritt war ich an der Couch und setzte mich neben Travis an den kleinen Glastisch. Er lächelte mich gutmütig an. Sein neongrüner Irokese hing ihm ungestärkt herunter, was irgendwie bekloppt aussah. Außerdem hatte er seine Haare zu lange nicht gefärbt, sodass seine Naturfarbe schwarz nachgewachsen war.
„Lass mich raten, Alter, du brauchst jetzt erst mal einen schönen, dicken Chinesen!" stellte Travis mit Kennerblick fest, wofür ich ihm wirklich sehr dankbar war. „Hast du Geld?" fragte er mich schon im nächsten Moment. Ich nickte genervt, kramte in meiner Jacke nach meinem Portemonnaie, öffnete es und schob ihm einen Zehner hin, den er sofort einsteckte. „Dafür gibt's aber keine Höhenflüge", murmelte er überflüssiger Weise. „Gib mir einfach was!" forderte ich ihn ungeduldig auf.
Er grinste und kramte etwas unter dem Tisch herum, wo sich vielleicht sein Geheimversteck für verschiedene Drogen befand. Travis dealte eigentlich mit allem, was es so gab, hauptsächlich jedoch mit dope und Pillen. Er nahm meines Wissens nach selbst keine harten Drogen, erst recht kein Kokain, weshalb es mich ziemlich wunderte, dass seine ganze kleine Wohnung so stark nach Ammoniak roch. Es interessierte mich aber längst nicht genug, um ihn danach zu fragen.
Wie gebannt starrte ich auf seine Finger, die einen kleinen Beutel shore unter dem Tisch hervorzauberten, in dem vielleicht noch etwa zwei Gramm waren. Er gab mir ein Stück Papier, aus dem ich mir mit nervös zitternden Fingern ein pack faltete, während er seine Waage auf den Tisch stellte. Travis nahm mein pack, wog mir darauf mit seinem Messer 0,2 Gramm Heroin ab und schob mir das ganze über den Tisch zu.
In der Zwischenzeit hatte ich mir schon die Rolle Silberpapier vom Tisch geangelt, ein Stückchen abgerissen und es mit meinem Feuerzeug abgebrannt. Sich auf diese angenehm vertrauten Tätigkeiten zu konzentrieren, beruhigte mich ganz von allein ein wenig. Mein Zippo eignete sich nicht zum Chinesen rauchen, dazu war die Flamme viel zu groß. Deshalb nahm ich eins der Einwegfeuerzeuge von Travis und ein gerolltes Papierröhrchen, die ebenfalls auf seinem Tisch lagen. Gierig schnappte ich mir sein Messer und schaufelte mir einen dicken Chinesen auf, den ich sogleich weg rauchte. So tief es ging zog ich den herrlich bitteren Qualm in meine Lungen und wollte ihn nie wieder hinauslassen.
Augenblicklich wurde der Affe viel leiser in mir, hörte nach dem zweiten Chinesen auf zu krakeelen, verstummte nach dem dritten schließlich und verwandelte sich in dumpfes Wohlbefinden. Behaglich aufseufzend lehnte ich mich auf dem Sofa zurück. Nein, die shore war immer noch nicht so gut wie Sergejs, aber sie erfüllte trotzdem ihren Zweck.
Travis zündete sich eine Zigarette an und beobachtete mich mit einem amüsierten Grinsen im Gesicht. Aber ich war ihm zu dankbar, als hätte mich sein Amüsement gestört. Stattdessen schaute ich mich verstohlen in seiner Wohnung um, die so unordentlich, schmutzig und voll gestellt war, dass man sich kaum in ihr bewegen konnte. Überall lagen und standen irgendwelche Dinge herum, die man schon längst hätte wegschmeißen können, da war ich mir sicher. Aber offenbar konnte Travis sich schlecht von etwas, was ihm einmal gehörte, trennen.
„Dein Stalker war heute hier", erzählte er mir unvermittelt, wie beiläufig, und in mir zog sich spontan irgendwas zusammen, weil ich merkwürdigerweise sofort wusste, wen er damit meinte. Ich konnte spüren und aus den Augenwinkeln sehen, wie gebannt Travis auf meine Reaktion lauerte und wie sehr ihn dieses Thema belustigte. Sein Grinsen wurde noch viel breiter, während er mich aufmerksam studierte.
Es nervte mich enorm, wenn Menschen sich auffallend für meine Beziehung zu Sean Valmont interessierten, denn meistens taten sie das spöttisch, und leider kam das viel zu oft vor.
Ich schloss instinktiv abwehrend die Augen, öffnete sie aber sofort wieder und erwiderte mit vorgetäuschtem Desinteresse: „Er ist nicht mein Stalker." In Wahrheit fragte ich mich spontan irritiert, warum Sean wohl ausgerechnet Travis aufgesucht hatte, obwohl es dafür nur einen einzigen Grund geben konnte, nämlich Drogen. Was hatte Sean sich bei Travis gekauft? Heroin? Nein, das würde er nicht tun, nicht so schnell wieder. Sean würde niemals riskieren, nochmal von der shore abhängig zu werden, oder?!
Travis starrte mich vielsagend von der Seite an, bis ich mich ihm genervt stöhnend zuwandte und „Was?" knurrte. Daraufhin lachte er amüsiert los, und ich musste mich zurückhalten, um ihn nicht zu schlagen. Stattdessen wandte ich mich schnell ab und holte mir eine Zigarette aus meinem Jackett, die ich hastig anzündete. Das reicht noch nicht, dachte ich nervös, ich brauche noch viel mehr shore in meiner Blutbahn!
„Ach, komm schon, Clay! Jeder weiß doch, wie besessen Valmont von dir ist! Das brauchst du doch nicht abzustreiten!" neckte Travis mich kichernd. Auf so ein Gespräch wollte ich mich bestimmt nicht einlassen, also fragte ich ihn: „Und? Was wollte er von dir?" Travis wurde ernst und schnippte Asche in einen überfüllten Aschenbecher auf seinem chaotischen Tisch. „Er hat jede Menge Koks von mir gekauft", erzählte er mir freimütig, denn Diskretion gegenüber seinen Kunden war anscheinend nicht seine Stärke. Ob er jedem anderen Idioten auch sofort erzählt, was ich bei ihm kaufe, fragte ich mich verärgert.
Aber im nächsten Moment war mir das egal und ich schaute ihn nur an, darum bemüht, nicht zu viel Interesse zu zeigen. „Koks? Echt?" Ich wunderte mich, denn Sean war eigentlich kein übermäßiger Kokain-Freund, jedenfalls nicht, soweit ich es wusste. Und Kokain war niemals eine gute Idee, denn es machte ausnahmslos jeden total verrückt.
„Ja, er hatte irgendwelchen Stress. Irgendwas mit seinem Theaterkram und einem wichtigen Reporter", meinte Travis gelangweilt, dem Sean entgegen seiner sonstigen Art erstaunlich viel über sich erzählt zu haben schien, und machte eine wegwerfende Handbewegung.
Ich wandte mich ab und musste mich anstrengen, um nicht erschrocken zusammenzuzucken, denn in diesem Moment fiel mir irgendwas ein, etwas sehr Bedeutsames, was ich vergessen hatte, und es hing mit dem Theater zusammen, der Probe für eine neue Performance und einem verdammten Interview mit scheiß ArtHouse. Fuck, dachte ich, das habe ich total vergessen!
Aber ich kann doch wirklich nicht an alles denken, entschuldigte ich mich im nächsten Moment vor mir selbst. Diese innerlich irgendwie total verhasste, enorm anstrengende Aktion, endgültig mit dem Heroin aufzuhören, beanspruchte schon fast meine ganze Energie, die ich an diesem Tag aufbringen konnte.
Mit zitternden Händen holte ich meine Geldbörse heraus und hielt Travis noch einen Zwanziger hin, obwohl ich das wirklich nicht hätte tun sollen. Ich war jetzt nämlich irgendwie pleite, weil der Doc mir vorher mein ganzes Geld im voraus für seine Behandlung abgeknöpft hatte. „Ich nehme noch was für Zwanzig", sagte ich so cool wie möglich zu Travis und schob ihm über den Tisch mein leeres pack zu. Er lächelte zufrieden, nickte und holte nochmal seine Waage raus. Für meinen Geldschein wog er mir 0,4 Gramm ab, sodass ich nicht meckern konnte, obwohl es mir zu wenig vorkam.
In meinem Kopf schrillten blöde Alarmsirenen, und die musste ich unbedingt so schnell wie möglich zum Schweigen bringen. Verdammt, ich hatte diesen wichtigen Termin im Theater vergessen, und jetzt war Valmont mit Sicherheit total wütend auf mich. Zusätzlich nahm er offenbar zur Zeit aus irgendeinem Grund jede Menge Kokain, und Wut und Schnee war niemals eine gute Mischung.
Außerdem musste ich mich gleich als nächstes auf den Weg zur Drogenberatung machen, um an diesem bescheuerten gemischten Brunch teilzunehmen, und das kotzte mich ganz schön an, aber ich kam wohl nicht daran vorbei. Mir war irgendwie klar, dass es keinen Sinn hatte, den Besuch bei der Drobs länger vor mir herzuschieben. Außerdem wollte der Doc ja schon morgen meine PSB haben, und die bekam ich nun mal leider ausschließlich von meinem psychosozialen Betreuer Ragnar Rauen.
„Dein gut aussehender Stalker war ganz schön fertig mit der Welt. Vielleicht beachtest du ihn ja zu wenig", bemerkte Travis herausfordernd und studierte schon wieder angestrengt meine Reaktion. Er wollte mir irgendwas entlocken, wollte sich amüsieren, wofür ich ihm bestimmt keinen Grund liefern würde. Um mich abzulenken machte ich mir noch ein paar Chinesen zurecht und rauchte sie hintereinander weg, bis mein kleines pack leer war und es endlich still und wattig genug in meinem Schädel wurde. Zwischendurch rauchte ich noch meine Marlboro auf, die ich danach in den Aschenbecher drückte.
„Ist es dir egal, wie es Valmont geht?" fragte Travis vorsichtig und belauerte mich neugierig. Ich war jetzt gleichgültig genug, um mich mit ihm befassen zu können. Das Heroin hatte mir einen weichen Schutzpanzer aus Zuckerwatte gebaut. Amüsiert lächelte ich Travis an. „Nein, es ist mir nicht egal, wie es Sean Valmont geht", gab ich zu, „Aber andererseits ist er schon längst erwachsen und kann tun und lassen, was er will." „Also gefällt es dir nicht, wenn Valmont Kokain baset?" sprang Travis sofort darauf an.
Ich stöhnte innerlich entsetzt auf. Jetzt wusste ich, woher dieser penetrante Geruch nach Ammoniak kam. Sean hatte das verfluchte Koks sogar gebaset?! Oh, Fuck, dann war er mit Sicherheit inzwischen völlig außer Kontrolle! Er würde sich absolut unbesiegbar fühlen, und offenbar hatte er genau das beabsichtigt. Aber warum nur?
Mein Interesse reichte allerdings nicht aus, um länger darüber nachzudenken, denn ich hatte wahrlich genug eigene Probleme. Stattdessen schälte ich mich mühsam von der weichen Couch hoch und warf Travis ein charmantes Lächeln zu. „Danke, Trav, du bist ein echter Freund", sagte ich zu ihm, obwohl das totaler Schwachsinn war, aber so etwas hörte jeder gern. „Du Fotze, Clay, du willst mir ja nur nicht antworten!" grinste Travis und schlug mich halbherzig gegen das Bein. „Ich rede nicht mit dir über Valmont", erklärte ich kühl, woraufhin er zweideutig die Augen verdrehte. „Ach, Schade, Clay! Dabei seid ihr so ein herzzerreißend schönes Paar! Ich hatte auf ein paar total versaute Details gehofft!" flötete er sarkastisch und kugelte sich vor Lachen auf seinem versifften Sofa herum. Ich überlegte einen Moment lang, ihm vielleicht eine reinzuhauen, aber dann fiel mir ein, dass ich seine Dienste mit Sicherheit noch brauchen würde, deshalb war es keine gute Idee, mir Travis zum Feind zu machen.
Eliza
„Was machen sie denn hier oben für einen Krach? Haben sie da gerade gegen das Geländer und dauernd gegen die Tür geschlagen?" hörte ich plötzlich im Hausflur dumpf eine Stimme, die ich sofort erkannte. Mein Magen zog sich zusammen, denn es war meine viel zu neugierige Nachbarin, die direkt unter mir wohnte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie dem Radau auf den Grund gehen würde, aber ihr plötzliches Auftauchen erschreckte mich trotzdem. Elfriede war schon weit über siebzig Jahre alt, aber sie hatte das Haus mitsamt aller Mieter pausenlos aufmerksam im Blick. Rowinas wechselnde, nächtliche Besucher waren ihr genauso ein Dorn im Auge wie jeglicher Lärm im Treppenhaus. Und jetzt nahm sie natürlich den Geräuschverursacher Clay unter die Lupe. Oh Gott, das konnte nicht gut gehen!
Hastig platzierte ich mich vor den Türspion, schaute hindurch und sah gerade noch, wie Clay sich zu der Frau umdrehte, die auf der obersten Treppenstufe stand und ihn böse studierte. Clays Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Irritation wegen der unerwarteten und Verärgerung wegen der unwillkommenen Einmischung Elfriedes. Er hatte schon mal Bekanntschaft mit meiner Nachbarin gemacht, als er einmal nächtens zu lange Steine gegen mein Fenster warf, und Elfriede ihn deswegen von ihrem Schlafzimmerfenster aus mit einer Schimpftirade zu vertreiben versucht hatte, allerdings ohne Erfolg. Elfriedes Zorn würde Clay in keinster Weise beeindrucken, das war mal sicher.
„Was machen sie denn die ganze Zeit hier oben? Müssen sie so einen Radau verursachen, dass bald das ganze Haus zusammenfällt?" ging Elfriede auf Clay los und machte einen Schritt nach oben, sodass sie bei ihm auf dem Treppenabsatz stand. „Das geht sie gar nichts an", knurrte Clay verärgert und wandte sich von ihr ab, um erneut den Türspion zu betrachten. Konnte er mich sehen? Ahnte er, dass ich ihn durch das Guckloch beobachtete?
Fieberhaft überlegte ich, was ich jetzt tun sollte. Ich war hin und her gerissen zwischen der Möglichkeit mich abzuwenden und ins Innere meiner Wohnung zu verschwinden und der Option, die Tür aufzureißen und Clay gegen Elfriede beizustehen. Er brauchte meinen Beistand zwar ganz sicher nicht, aber so konnte ich vielleicht Schlimmeres verhindern als einen lautstarken Streit.
„Was machen sie hier oben? Sie dürfen sich hier nicht aufhalten!" ließ Elfriede sich nicht beirren und machte einen weiteren Schritt auf Clay zu. Gelangweilt drehte er sich zu ihr hin. „Ich möchte nur mit meiner Freundin reden", teilte er meiner Nachbarin zu meiner Verwunderung mit. Diese stieß ein spöttisches Lachen aus. „Ihre Freundin möchte aber doch wohl ganz offensichtlich nicht mit ihnen reden! Verlassen sie auf der Stelle das Haus!" verlangte sie streng. Clay verdrehte genervt die Augen, wandte sich ab und zischte viel zu laut: „Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß!"
Ich konnte sehen, wie Elfriede entsetzt und beleidigt nach Luft schnappte. Ihr Gesicht verzog sich zu einer arroganten und gehässigen Grimasse. Man konnte förmlich spüren, wie sehr sie Clay verabscheute, mit wie viel Zorn sie ihn taxierte, während Clay reglos meine Tür anstarrte, als könnte er sie mit Gedankenkraft öffnen. Die Frau hinter ihm beachtete er überhaupt nicht mehr. Stattdessen griff er in sein Jackett und holte seine Schachtel Zigaretten hervor, denn er wollte sich offenbar tatsächlich in meinem Hausflur eine anzünden, obwohl er genau wusste, wie verboten das war.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich jetzt dringend eingreifen musste, sonst würde die alte Frau hinab in ihre Wohnung eilen und von dort aus sofort die Polizei anrufen, damit die den lärmenden und rauchenden Clay Banton aus ihrem Haus entfernte. Nein, so weit durfte es nicht kommen! Auch wenn Herr Banton mir im Moment gehörig auf die Nerven ging, so wollte ich doch nicht dabei zusehen, wie er gewaltsam in Handschellen abgeführt werden würde. Und die Handschellen würden dringend nötig sein, denn freiwillig würde Clay dieses Haus auf keinen Fall verlassen, das wusste ich genau. Seine Ausdauer und Hartnäckigkeit, die ich früher an ihm gemocht hatte, setzte er nun gegen mich ein, und das gefiel mir überhaupt nicht.
Kurzerhand riss ich die Tür auf. Elfriede und Clay zuckten beide verschreckt zusammen und rissen verblüfft die Augen auf. Mit einem Schritt war ich bei Clay und packte ihn hart am Arm, sodass er seine Schachtel Zigaretten verlor, die auf den Boden fiel. „Komm rein, verdammt!" zischte ich ihm zu, „Du kannst nicht das ganze Haus zusammentrommeln, Clay, sonst hast du gleich die Polizei auf dem Hals!" Ich versuchte ihn in die Wohnung zu ziehen, aber er bockte stur und blieb stehen.
Er blinzelte mich mit feuchten Augen an, aber offenbar weinte er nicht mehr. Hinter seiner Wut und Verzweiflung huschte ein erfreutes Lächeln vorbei. Es machte ihm Spaß, mich noch mehr zu reizen, indem er meine Bemühungen, ihn in die Wohnung zu zerren, sabotierte. Er war stärker als ich, und gegen seinen Willen hatte ich keine Chance dazu, ihn zu bewegen.
„Komm mit!" forderte ich ihn nochmal wütend auf und zog heftig an seinem Arm, damit er endlich in Bewegung kam. „Eliza", sagte er leise und studierte aufmerksam mein Gesicht, als hätte er es seit Ewigkeiten nicht gesehen. Er versuchte herauszufinden, in welcher Stimmung ich jetzt war und was ihn wohl in meiner Wohnung erwartete. Er kannte mich gut genug, um vorsichtig zu sein.
„Ihr Freund kann hier nicht so einen Radau veranstalten, Frau Laser! Ich habe ihnen erst letztens nochmal gesagt...", setzte Elfriede zu einer Beschwerde an, aber ich unterbrach sie sofort. „Es ist alles in Ordnung, Frau Koschmidder. Ich sorge dafür, dass es jetzt ruhig im Haus bleibt", versprach ich ihr und unterdrückte dabei meine eigene Wut auf die Frau, die sich ständig in Dinge einmischte, die sie wahrlich nichts angingen. Nur widerwillig wandte sie sich schließlich ab, aber nicht, ohne Clay noch einen misstrauischen, vernichtenden Blick zuzuwerfen.
Clay bemerkte diesen Blick nicht, denn nichts interessierte ihn im Moment weniger als meine Nachbarin Elfriede Koschmidder. Seine ganze Aufmerksamkeit lag auf mir, und er wirkte, als wäre er sich nicht sicher, ob das wirklich passierte, als könnte er gar nicht begreifen, dass ich meine Tür tatsächlich doch noch für ihn geöffnet hatte. Clay kannte mich gut genug, um zu ahnen, dass ich meine Meinung nicht freiwillig geändert hatte und deshalb echt wütend auf ihn war. Ja, er hatte mich zu diesem Schritt ja förmlich gezwungen mit seiner verdammten, dummen Starrköpfigkeit.
„Also entweder, du kommst jetzt mit mir rein, oder ich werfe dich eigenhändig aus dem Fenster!" versicherte ich ihm ungeduldig, weil er sich trotz meiner Bemühungen nicht von der Stelle rührte. Heftig zerrte ich an seinem Arm und deutete energisch zum Flurfenster. Meine Behauptung war natürlich Unsinn, denn ich hatte gar nicht die Kraft dazu, um ihn hinauszuwerfen, außerdem würde er einen Sturz aus dem dritten Stockwerk womöglich nicht überleben. Aber Clay fand meine Drohung lustig, denn er kicherte „Liz" und gab seinen Widerstand endlich auf. Er schwankte auf unsicheren Beinen und zog die Nase hoch. Er taumelte, denn ich zog immer noch heftig an seinem Arm und verhinderte damit, dass er sich nach den Zigaretten bücken konnte.
„Du kannst mich nicht zwingen, dich hereinzulassen!" schimpfte ich mit ihm, während ich ihn brutal hinter mir her in meine Wohnung zog, obwohl er ja genau das gerade auf seine Art erreicht hatte. Er wehrte sich jetzt nicht mehr gegen meine unfreundliche Behandlung. Er folgte mir merkbar devot in den Wohnungsflur, wo ich ihn sofort hart mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Ich warf die Tür zu und baute mich wütend vor ihm auf.
So ein Mist, dachte ich verzweifelt, jetzt ist dieser problembeladene Mann also schon wieder hier und ich muss mich mit ihm auseinandersetzen, obwohl ich das überhaupt nicht tun will! Ich wünschte, er wäre nicht zu mir gekommen! Hätte ich doch bloß nicht die Tür aufgemacht! Ich wünschte, er würde mich endlich begreifen und in Ruhe lassen! Ich wünschte, ich hätte nicht schon wieder so viel Mitleid mit diesem verdammten Kerl!
Meine Gedanken wirbelten durcheinander, und ich taxierte ihn eine Weile nur zornig. Er stand jetzt mit dem Rücken an der Wand und versuchte sich zu beruhigen. Er schluckte seine Traurigkeit hart hinunter und wischte sich fahrig mit den Händen über das Gesicht. Er zwang sich krampfhaft, seinen unruhigen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Maßlos dankbar lächelte er mich an.
Ich konnte seine offen greifbare Dankbarkeit nicht ertragen und drehte mich hastig von ihm weg. „Bleib da stehen!" fuhr ich ihn drohend an und ging mit schnellen Schritten ins Badezimmer. Dort stellte ich mich vor das Waschbecken, atmete tief und starrte mich eine Weile verwirrt im Spiegel an. Ich konnte meine Gefühle für Clay Banton überhaupt nicht mehr einordnen. Ich war so wütend auf ihn, ich verachtete ihn nahezu für seine kindische Schwäche, sich ständig zu mir zu flüchten. Seine penetrante Anhänglichkeit ging mir unglaublich auf die Nerven.
Andererseits schmeichelte sie mir aber auch. Ich hatte Mitleid mit seiner offensichtlichen Unfähigkeit, mit seinem Leben und seiner Umwelt allein zurechtzukommen. Seine Hilflosigkeit rührte mich tief in meiner Seele. Ich schwor mir energisch, dass ich es ihm diesmal trotzdem nicht erlauben würde, mich nochmal umzustimmen. Für mich war meine Liebesbeziehung zu diesem Kerl beendet, und daran würde er auf gar keinen Fall etwas ändern können! Ganz egal, was auch immer er noch versuchen würde! Und er würde alles versuchen, ich musste also vor ihm auf der Hut sein und meine Gefühle im Griff behalten. Ich musste genau jetzt einen endgültigen Schlussstrich ziehen, den auch ein Herr Banton verstehen und akzeptieren konnte.
Entschlossen schnappte ich mir eine Packung Tempo-Taschentücher und ging zurück in den Flur. Clay hatte mir gehorcht, er stand noch genauso dort, wie ich ihn verlassen hatte, mit dem Rücken an der Wand. Inzwischen hatte er sich offenbar endlich beruhigt und lächelte mich vorsichtig abwartend an. Er weinte nicht mehr, doch sein angeschlagenes Gesicht war ganz nass, die Augen rot und verquollen. Mir war gar nicht aufgefallen, wie heftig er anscheinend geheult hatte, und dummerweise ging mir das ziemlich nahe.
Ich warf ihm die Tempos zu, die er ungeschickt auffing. „Danke", sagte er leise, zupfte ein Tuch heraus und schnäuzte sich laut. Er steckte das Papiertaschentuch in seine Jeans, nahm ein weiteres und wischte sich damit über das Gesicht. „Das ist total lieb von dir, Liz", flüsterte er bewegt. Ich blies spöttisch die Luft aus. „Halt die Klappe, Banton! Ich habe dir nur verdammte Taschentücher gebracht!" höhnte ich unfreundlich. Er zog die Brauen zusammen und betrachtete mich verunsichert. Seine Augen verengten sich besorgt. Zögernd hielt er mir die angebrochene Packung Tempos hin. Ich nahm sie ihm ab und pfefferte sie intuitiv zornig auf den Boden.
„Was willst du hier?!" schrie ich ihn wütend an. Er zuckte erschrocken zusammen, ging förmlich in Deckung und wich meinem strengen Blick unbehaglich aus. Er holte tief Luft und fuhr sich fahrig mit den Händen über den Kopf. „Ich musste dich sehen", antwortete er schließlich zaghaft und betrachtete mich lauernd. „Ich habe heute echt viel Scheiß erlebt. Es geht mir nicht gut und ich kann jetzt nicht allein sein. Ich habe total große Sehnsucht nach dir, Eliza", behauptete er leise.
Ein Stich durchbohrte mich blitzartig von irgendwoher und ich hatte Mühe damit, nicht die Fassung zu verlieren. Ich zwang mich krampfhaft, mir nichts anmerken zu lassen und grinste überheblich. „Hat Valmont heute keine Zeit für dich, Clay?" spuckte ich förmlich auf ihn runter. Er schloss seufzend für einen Moment die Augen, um meinen Schlag zu verdauen. Dann öffnete er sie wieder und lächelte verwegen. „Ich habe keine Zeit für Valmont", betonte er ganz ruhig. Angespannt wartete er auf meine Reaktion. „Wieso? Wartet Sean auf dich? Bist du mit ihm verabredet?" wollte ich höhnisch von ihm wissen. Er schüttelte abwehrend den Kopf und seufzte erneut.
Im nächsten Moment strich er plötzlich ganz zart mit seinen Fingern über mein Gesicht. Hastig wich ich ihm aus. „Lass das sein, Banton!" knurrte ich ihn an. Ich wollte ganz sicher nicht von ihm angefasst werden, denn seine Berührung war wie prickelnde Elektrizität. Er ließ die Hände sinken und stöhnte unbehaglich. „Nicht, Liz", bat er mich, dieses Thema fallen zu lassen. Na klar gefällt dir das nicht, wenn ich dich nach deinem scheiß schwulen Liebhaber frage, dachte ich gehässig. Den Gefallen, damit aufzuhören, tu ich dir aber nicht!
„Du willst mir also allen Ernstes erzählen, dass du nach Sean Valmont keine Sehnsucht hast?" griff ich ihn weiter bösartig an seiner schwächsten Stelle an. Sein Gesicht bekam einen gequälten Ausdruck. „Sag das nicht", bat er mich leise. „Ich sage alles, was ich will!" fuhr ich ihn sofort drohend an. „Und ich wette, Valmont würde sich sehr viel mehr über deinen Besuch freuen, als ich! Der will nämlich immer, dass du kommst, Banton, und zwar in jeder möglichen Hinsicht!" schrie ich ganz außer mir und war damit wirklich grausam zu Clay.
Vielleicht ritt mich ein böser Teufel. Womöglich war es einfach meine Unfähigkeit, mit dieser unerwarteten und ungewollten Situation anders umzugehen. Ich wollte auf gar keinen Fall meinem Mitgefühl mit diesem Menschen nachgeben, weil ich mir selbst nicht traute und nicht abschätzen konnte, was dann passieren würde.
Verächtlich grinsend taxierte ich Clay und trat dicht an ihn heran. Ich musterte ihn eine Weile überheblich, sah mir alle Verletzungen in seinem Gesicht an, die heute noch bunter schienen als gestern. Er hielt meinem arroganten Blick tapfer stand, aber seine Augen verengten sich. Er schaute mich aufmerksam in einer Mischung aus aufkommender Wut und Angst an. „Oder willst du mir vielleicht erzählen, du hättest keine Lust auf Valmonts großen Schwanz in deinem Arsch?!" zischte ich ihm gehässig ins Gesicht, in der vollen Absicht ihn zu verletzen, was mir mit diesen obszönen Worten natürlich auch sofort gelang.
Er stöhnte entsetzt auf und zog scharf die Luft ein. Seine Augenbrauen zogen sich verärgert zusammen, bis eine steile Falte auf seiner Stirn erschien. „Jetzt hör schon auf damit!" forderte er mich mit lauter Stimme ärgerlich abwehrend auf. Aber genau darauf hatte ich nur gewartet. „Was? Du willst mir sagen, was ich tun soll?!" brüllte ich zornig, „Dabei habe ich total recht mit jedem Wort, du Hure!" „Nein, du hast nicht recht, verdammt! Ich bin zu dir gekommen! Ich bin nicht bei Valmont jetzt!" schrie Clay verzweifelt auf. Ich funkelte ihn böse an und brüllte: „Schrei mich nicht an, du Hure!" „Dann hör du auch auf mich anzuschreien!" erwiderte er widerspenstig. Er atmete schwer und aufgebracht. „Und nenne mich nicht so, Eliza!" beschwerte er sich gekränkt.
Ich grinste ihn überlegen an. Mein Herz klopfte kampfbereit. Jede Menge Adrenalin durchströmte mich, und ich genoss meine Macht über ihn in vollen Zügen. Ohne das ich es hätte verhindern können, geriet ich in den mir nur allzu bekannten Rausch meiner Dominanz gegenüber Clay Banton, die er mir jedes Mal erlaubte.
Ich beugte mich nah an sein Gesicht und holte tief Luft. „Warum denn nicht? Warum soll ich dich nicht so nennen, Clay? Du bist doch die kostenlose Hure von jedem Mann, nicht wahr, Herr Banton!? Und genauso gerne spielst du die Gratis-Hure für jede Frau, die dich benutzen will!" betonte ich sehr gehässig und genüsslich, wobei diese traurige Wahrheit mich innerlich schmerzte. Clay stöhnte angewidert und versuchte sich von mir wegzudrehen. Dieser intuitive Versuch sich mir zu entziehen steigerte meine Wut auf ihn enorm.
Spontan drückte ich ihn hart an der Schulter gegen die Wand, packte ihn brutal am Hemd und seiner Krawatte. „Warum bist du hier? Was willst du von mir, du blöder Arsch? Ich habe gestern endgültig mit dir Schluss gemacht, verdammt nochmal! Kapierst du das nicht? Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?!" brach es unwillkürlich aus mir heraus.
Meine seit langem angestaute Wut auf ihn und auf mich selbst entlud sich mit einem Mal heftigst. Clay war nun nicht mehr in der Lage sich zu bewegen. Ich drückte ihn mit meinem ganzen Gewicht gegen die Wand und hatte ihn hart gepackt. Ängstlich und verärgert zugleich fixierte er mich. Seine Augen fingen an nervös zu flattern.
Seine ständige Unfähigkeit, es mit mir aufzunehmen, steigerte meinen Zorn und mein Gefühl der Macht plötzlich an die Grenze der Raserei. Ich fing spontan und instinktiv an auf ihn einzuschlagen, aus einem heftigen Impuls heraus, ohne darüber nachzudenken. Ich schlug ihn ins Gesicht, meine Fäuste trommelten aufgebracht gegen seine Brust und seinen Bauch, den er reflexhaft schützend anspannte, sodass sein Bauch sich genau so hart anfühlte wie sein Brustkorb.
„Was muss ich dir eigentlich noch alles an den Kopf werfen, Banton? Lässt du dir immer alles von mir gefallen? Warum zur Hölle kommst du trotz allem immer wieder zurück zu mir? Warum kannst du nicht einfach aus meinem Leben verschwinden, du blöder Wichser?!" schrie ich ihn verzweifelt an. Dabei schlug ich ihn hart gegen die Brust, den Bauch, die Schultern und das Gesicht. Er stöhnte schmerzerfüllt auf, blieb aber zu meiner Überraschung einfach stehen. Er machte keine Anstalten mich abzuwehren. „Eliza, nicht!" seufzte er nur hilflos.
Seine fehlende Gegenwehr steigerte meine Machtposition ins Unermessliche. In meinem ohnehin verwirrten Kopf machte es vielleicht klick. Ich beschimpfte ihn äußerst gehässig und schlug ihn mit wachsender Kraft. Es tat mir auf eine merkwürdige, unerwartete Art verdammt gut ihn zu schlagen, registrierte ich erstaunt. Ich reagierte meine Wut und Hilflosigkeit auf brutale Weise an ihm ab. Mir fuhr durch den Sinn, dass Sean sich vielleicht auch jedes Mal so befreit fühlte, wenn er diesen Mann schlug.
Clay Banton ließ mich stumm gewähren, was mich irritierte. Er stand reglos an der Wand und ließ diese Strafe über sich ergehen, als hätte er sie wirklich verdient. Er hob seine Hände zum Zeichen seiner Unterlegenheit. Dieser Mann sah schuldbewusst aus und wollte sich offenbar ergeben. Mit bemerkenswerter Tapferkeit versuchte er demütig, meinen unglaublichen Wutanfall zu ertragen. Mit Sicherheit taten ihm meine Schläge weh, zumal er ohnehin schon verletzt war, aber man merkte ihm das kaum an und er beschwerte sich nicht. Nur seine Augen flatterten nervös. Sein angespannter Körper zuckte gequält, schmerzerfüllt bei meinen harten Treffern zusammen. Er stöhnte leise auf, als ich damit anfing ihn nur noch gezielt in den Bauch zu boxen.
Mit der Zeit atmete ich schwer von der ungewohnten Anstrengung. Ich riss die Augen auf und funkelte ihn wuterfüllt an. Er erwiderte meinen Blick neutral mit einem Hauch Amüsement, was mich abermals irritierte, denn ich hatte mit viel mehr Gegenwehr gerechnet. Zumindest hatte ich auf eine weitaus größere Wirkung meiner Schläge gehofft. Aber sie schienen ihn kaum zu tangieren, was mich ganz schön ärgerte, denn offenbar nahm Clay meine Wut und meine Schläge gar nicht ernst. Im Gegenteil, er machte sich insgeheim über mich lustig!
Als mir das klar wurde, grübelte ich sofort über eine Möglichkeit nach, meiner Wut noch mehr Ausdruck zu verleihen. Meine Aufmerksamkeit wandte sich schließlich automatisch dem unteren Teil seines Körpers zu, weil ich zu meiner wachsenden Frustration an seinem Oberkörper mit meinen Schlägen nicht allzu viel ausrichten konnte. Wenn ich ihn richtig hart zwischen die Beine schlage, dann bricht er garantiert zusammen, dachte ich ganz außer mir. Dort kann er mich nicht so kinderleicht abwehren, indem er einfach seine starken Muskeln anspannt! Er hat dort gar keine Muskeln, die er anspannen könnte!
Ich weiß nicht genau, was mit mir los war, aber in diesem Moment wollte ich dem Mann unbedingt wehtun. Ich wollte ihm genauso wehtun, wie er mir im letzten Jahr weh getan hatte. Ich wollte ihn den Schmerz des Verlustes spüren lassen, den ich innerlich empfand. Alles in mir drängte auf Rache und Vergeltung. Ich wollte erreichen, dass er mich richtig ernst nahm. Ich wollte ihm heimzahlen, dass er mir schon wieder so leid tat, dass er mir allein durch seine passive Art sämtlichen Wind aus den Segeln zu nehmen drohte.
Mein Blick wanderte interessiert an ihm hinab zu den Knöpfen seiner Jeans. Clay registrierte meinen zielenden Blick sofort, weil er mich die ganze Zeit aufmerksam studierte. Er kannte mich gut genug, um meine fiese Absicht zu ahnen. Seine Augen weiteten sich unwillkürlich entsetzt. Seine beiden Hände schossen förmlich hinunter, um sich fest um meine Handgelenke zu schließen. Auf diese Art hatte er meine Fäuste unter Kontrolle, die er nun beide hob und gegen seine Brust drückte. Seine Finger waren wie Schraubstöcke an meinen Gelenken und erlaubten mir keine Regung mehr. Er schüttelte heftig den Kopf. „Schlag mich nicht in die Eier...", stieß er panisch aus, obwohl er diesen grausamen Hieb ja schon längst verhindert hatte. In seinen Augen stand seine ganze Angst vor dem möglichen Schmerz.
Dadurch, dass er meine Fäuste mit beiden Händen gegen seine Brust presste, waren wir uns plötzlich sehr nah, wir standen dicht voreinander. Ich beobachtete ihn, und ohne das ich es hätte verhindern können, breitete sich in meinem Herz ein warmes Gefühl aus. „Warum nicht?" fragte ich ihn hinterhältig grinsend. Er quittierte den plötzlich viel sanfteren Ton meiner Stimme mit einem erleichterten Lächeln, blieb mir aber eine Antwort schuldig.
Stattdessen schauten wir uns lange Zeit nur schweigend in die Augen. Clay war mir jetzt so nah, dass ich ihn riechen konnte, sein so vertrauter Geruch mit einem Hauch Schweiß, und ganz automatisch wurde ich ruhiger. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Meine Wut und mein Schmerz verebbten fast unmerklich, ich versank, ohne es zu wollen, im Ausdruck seiner grün-braunen, trotz meiner Schläge immer noch gütigen Augen.
Clay hörte schon bald auf zu lächeln und schien merkbar angestrengt nachzudenken. Ich wusste intuitiv, dass er mir etwas Wichtiges sagen wollte, und wartete gespannt ab. Endlich holte er tief Luft und versicherte mir bemüht ruhig: „Hör mal, Liz, ich bin nicht dumm. Ich verstehe, was du willst." Auf Anhieb wollte ich ihm energisch widersprechen, da ergänzte er schon: „Ich verstehe nur nicht, warum du es willst." Spontan stöhnte ich genervt auf, und Clay sprach hastig weiter: „Du darfst ruhig wütend auf mich sein, Eliza. Du hast das Recht dazu, wütend auf mich zu sein. Ich habe so viele Fehler gemacht. Und wenn du es wirklich willst, dann lasse ich dich ab morgen in Ruhe. Aber bitte schlag mich jetzt nicht mehr. Ich bin genug geschlagen worden, und ich will nicht..." Er brach verwirrt ab und atmete tief ein.
Mein Herz klopfte härter, denn seine Worte und seine unmittelbare Nähe hatten eine viel größere Wirkung auf mich, als mir lieb war. Clay umklammerte mit beiden Händen meine Handgelenke gegen seine Brust gedrückt, beugte seinen Kopf langsam vor und kam dadurch meinem Gesicht immer näher, und irgendwie hatte ich plötzlich gar nichts mehr dagegen. Ich war gefesselt vom Ausdruck seiner Augen, in die er immer so viele Emotionen packen konnte.
Jetzt wirkten sie erstaunlich gefasst, klug und erwachsen, ein Anzeichen, das bei Clay höchst selten war. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich diese emotionale Reife je bei ihm gesehen hatte. „Liz, ich kann nicht...", setzte er nochmal an und brach wieder ab. Offensichtlich fiel ihm eine Erklärung nicht leicht, er hatte Mühe damit, seine Gefühle in die richtigen Worte zu packen. Das rührte mich tief, und ich stand nur noch dort, fühlte seinen festen Griff um meine Gelenke, spürte unter meinen Händen sein Herz hart in seiner Brust schlagen und die Wärme seines Körpers. Zwischen uns waren jetzt höchstens noch ein paar Zentimeter Platz.
„Ich hab es zu Hause allein nicht mehr ausgehalten. Ich bin so müde, Eliza", seufzte Clay schließlich, „Ich habe mir heute so viel Scheiß anhören müssen. Dieser ganze gehässige Spott hat mich total..." Er suchte nach der richtigen Beschreibung und entschied sich nach kurzem Zögern für: „...verletzt."
Mein Herz zog sich unvermittelt zusammen, ich atmete tief ein. Hier war er also wieder, dicht bei mir, Clay Banton, der Mann, der so sensibel und verwundbar war. Und entgegen vielleicht der meisten seiner Geschlechtsgenossen gab er das mir gegenüber auch noch ganz offen zu. Eine wohlige Wärme breitete sich in meinem Bauch aus, meine Zuneigung zu ihm bekam Nahrung, und ich hatte plötzlich keine Lust mehr, noch länger dagegen anzugehen.
„Ich bin es so leid zu kämpfen", flüsterte Clay fast und sprach mir damit in diesem Moment aus der Seele. Seine Stimme war sehr leise, aber er war mir inzwischen so nah, dass seine Worte total eindringlich wirkten, unsere Nasen berührten sich fast. Konzentriert fixierte er meine Augen, suchte in ihnen ein Zeichen der Besänftigung und des Verstehens. Beides hatte er bei mir längst erreicht, und ich fing an, ihn zärtlich anzulächeln, noch bevor ich mich bremsen konnte.
Clay registrierte meinen veränderten Gemütszustand auf der Stelle, denn er kannte mich gut genug, um mein Lächeln richtig zu deuten. Sofort verließ seine rechte Hand mein Gelenk und legte sich stattdessen ganz sacht an meinen Hals. Während er mit seiner linken Hand zart über meine beiden Handrücken fuhr, streichelten die Finger seiner rechten Hand jetzt die empfindliche Stelle unter meinem linken Ohr.
„Eliza... bitte... lass mich bei dir ausruhen... Ja?.... ich brauche dich jetzt unbedingt... deine Nähe... ich möchte nah bei dir sein... bitte sei bei mir... ja...?" stammelte Clay leise und ich konnte fühlen, wie sein Herz in seiner Brust damit anfing, härter und schneller zu schlagen. Mein eigenes Herz reagierte ganz genauso auf die zärtliche Berührung seiner Finger. Er schien damit meine Haut in Flammen aufgehen zu lassen, eine Woge der Erregung erfasste meinen gesamten Körper. „Clay...", konnte ich nur noch atemlos erwidern, und es hörte sich ganz schön resigniert an.
Er lächelte, denn er hatte gewonnen und wusste es nur zu gut. Sein Triumph ärgerte mich tief drinnen, aber die Gefühle, die er in mir auslöste, waren zu angenehm, als dass ich sie nicht noch eine Weile genießen wollte. Es drängte mich automatisch nach mehr, und bis zu Clays Lippen war es nur noch höchstens ein Zentimeter. Also schob ich alle Gedanken beiseite und beugte mich vor, bis unsere Münder sich trafen. Ganz zart leckte ich über seine Unterlippe. Er zuckte zurück, betrachtete mich erstaunt, grinste erfreut, frivol und kam im nächsten Moment wieder näher. Er öffnete sich für mich, und wir versanken in einem tiefen, doch noch vorsichtigen Zungenkuss.
Clay ließ mein Handgelenk los, und ich konnte nicht mehr anders, als ihn besitzergreifend zu umarmen, um ihm so nah wie möglich zu sein. Er umfasste meine Taille und drückte mich fest an sich, während seine rechte Hand immer noch an meinem Hals beschäftigt war. Jetzt war zwischen unseren Körpern kein Platz mehr, denn wir pressten uns hungrig aneinander. Clay seufzte zustimmend, als ich mit beiden Händen über seinen Rücken hinab zu seinem muskulösen Hintern strich. Sein Griff um meinem Hals wurde stärker, seine andere Hand fuhr hart an mir hinab, ächzend drückte er meinen Unterleib gegen seinen. Sein Kuss wurde stürmischer und ich konnte genau spüren, wie sein Schwanz in seiner Jeans zuckte und wie unmittelbar er auf mich reagierte.
Das steigerte meine Erregung so enorm, dass ich mich plötzlich erschrocken von ihm los riss. Ich stieß mich entsetzt von ihm ab und machte taumelnd zwei Schritte rückwärts von ihm weg. Clay ließ mich auf der Stelle los und schnappte aufgewühlt nach Luft.
Vorwurfsvoll taxierte ich ihn und beschwerte mich atemloser, als mir lieb war: „Du hast von Nähe gesprochen, Clay, und nicht von Sex!" Der Mann hatte merkbar Mühe, seine eigene Erregung in den Griff zu bekommen, was mich angesichts unseres enorm kurzen Intermezzos erstaunte. Clay wich meinem Blick aus. Er drehte den Kopf weg und legte sich beide Hände über die Augen, als wollte er sich verstecken. „Tut mir leid, das.... Ich wollte nicht...", versuchte er hilflos eine Rechtfertigung, obwohl ja ich es gewesen war, die mit dieser sexuellen Annäherung angefangen und ihn geküsst hatte.
Clay traf überhaupt keine Schuld daran, und doch entschuldigte er sich bei mir. Er entschuldigte sich bei mir, obwohl ich ihn kurz zuvor übel beschimpft, beleidigt und sogar geschlagen hatte.
Eine enorme Welle der Zuneigung erfasste mich, die so stark war, dass mein Herz etliche Schläge aussetzte und ich nur noch dachte: Verdammt, dieser Mann ist etwas ganz Besonderes. Plötzlich war ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich wirklich für den Rest meines Lebens auf ihn verzichten wollte. Clay Banton schien auf einmal ein seltenes und kostbares Juwel zu sein.
Clay
Die städtische Drogenberatungsstelle war weit genug von jedem Wohngebiet entfernt, damit die merkwürdigen Klienten mit ihrer oft abgerissenen Erscheinung keine Anwohner belästigen konnten. Und sie war nah genug an der Szene der Innenstadt, damit jeder Junkie sie ohne Probleme finden und erreichen konnte. Die Institution war in einem großen, schönen Herrenhaus untergebracht, in dem früher mal eine reiche Familie gewohnt hatte und das aus irgendeiner vergangenen Zeit stammte.
Als ich meinen MG auf dem Schotterplatz vor dem Haus abstellte, fühlte ich mich einigermaßen wohl. Die Chinesen bei Travis hatten definitiv geholfen und vielleicht wirkte das Methadon inzwischen auch irgendwie.
Trotzdem blieb ich noch ein paar Minuten still im Auto sitzen und atmete tief durch. Ich war nervös und das gefiel mir nicht. Ich versuchte, mich auf diese Begegnung, diese zu erwartende Konfrontation innerlich vorzubereiten, aber das war gar nicht möglich, weil ich ja nicht wusste, wer genau mich in der Drobs erwartete. Ein gemischter Brunch war für Männer und Frauen gedacht, und ich war mir nicht sicher, ob ich das gut oder schlecht fand. Ich versuchte mich zu erinnern, wen ich früher dort mal getroffen hatte und fragte mich, ob wohl der ein oder andere immer noch am Brunch teilnehmen würde, einfach weil es immerhin ein kostenloses Essen war.
Dann beschlich mich auf einmal die Befürchtung, dass ich hier auf Junkie-Hexen-Kimberly treffen würde, und ich hatte Mühe damit, nicht auf der Stelle in Panik zu geraten. Kim hatte mir erzählt, dass sie ebenfalls im Methadonprogramm war. Zwar bekam sie wegen ihres Studiums Take-Home, durfte also ihre Pille jeden Tag zu Hause einnehmen, aber sie war deswegen nicht von der psychosozialen Betreuung befreit. Und wer wusste das schon, womöglich hatte sie heute keine verdammten Kurse und genehmigte sich gerade genau jetzt und hier ein spätes Frühstück.
Fuck! Auf gar keinen Fall wollte ich die undurchsichtige Kim wiedersehen, und schon gar nicht in der Drogenberatung, wo die Situation für mich sowieso schon ungewiss und angespannt sein würde. Nervös zündete ich mir eine Zigarette an und rauchte sie tief. Drinnen war Rauchen verboten, deshalb musste ich unbedingt vorher meinen Nikotinvorrat auffüllen.
Leider war die Marlboro viel zu schnell auf geraucht. Widerwillig gab ich mir einen Ruck, stieg aus dem MG aus und schleuderte die Kippe wütend in ein weit entferntes Gebüsch. Ich verriegelte den Wagen und schaute mich auf dem Parkplatz um. Keines der hier abgestellten Autos kam mir bekannt vor.
Zögernd machte ich mich auf den Weg zum Eingang des massiven Herrenhauses. Es war von einer großen, hölzernen Veranda umgeben, sodass ich einige Stufen erklimmen musste, bis ich vor der Haustür stand. Mein Herz hämmerte viel zu schnell. Ich atmete tief und versuchte mich zu beruhigen. Dann drückte ich die Tür auf, die während der Öffnungszeiten nie abgeschlossen war.
Gleich dahinter trat ich in den Eingangsflur, von dem einige Türen abgingen. Automatisch wandte ich meinen Blick nach links, denn dort befand sich das Spielzimmer, in dem die Junkies ihren Nachwuchs abliefern konnten, solange sich sich in dem Gebäude aufhielten. Vielleicht würde ich eins der Kinder erkennen und dann wüsste ich schon mal zum Teil, wer mich beim Brunch erwartete, dachte ich.
Die Tür zum Spielzimmer war die einzige, die weit offen stand, und heute war nur ein einziges Kind dort. Es war ein inzwischen vielleicht etwa vierjähriges Mädchen, das ich auf der Stelle wiedererkannte, obwohl ich es echt lange nicht gesehen hatte.
Merle war ganz allein in diesem bunt gestaltetem Kinderzimmer. Sie war vollauf beschäftigt und bemerkte mich gar nicht. Sie stand vor einem niedrigen Tisch, auf dem sich mehrere Buntstifte befanden, und malte mit für ihr Alter bemerkenswerter Konzentration auf einem großen, weißen Blatt Papier ein buntes Bild. Immer wieder wechselte sie die Buntstifte und zeichnete neue Linien und Formen.
Vom Flur aus konnte ich nicht erkennen, was genau sie malte. Außerdem krampfte sich sowieso mein Magen zusammen und ich geriet unwillkürlich in eine Art Schockstarre oder so was. Ich weiß nicht genau warum, vielleicht war es, weil Merle zeichnete und mich das verdammt stark an mich selbst erinnerte. Oder weil ich jetzt wusste, dass ihre Mutter beim Brunch war. Mit Tabea hatte ich echt krasse Sachen erlebt, deshalb wollte ich ihr wirklich nicht begegnen. Aber das ließ sich wohl jetzt nicht mehr vermeiden, obwohl ich lieber darauf verzichtet hätte.
Vor Merles Geburt war Tabea häufiger mal meine Sexpartnerin gewesen, und ich hatte immer geglaubt, dass sie damit genauso zufrieden wäre wie ich. Aber dann war Tabea plötzlich schwanger geworden und behauptete von da an hartnäckig, dass es mein Samen gewesen wäre, der ihre Eizelle befruchtet hätte. Ich habe von Anfang an abgestritten, der Vater zu sein, denn ich vögelte definitiv niemanden ohne Kondom und konnte deshalb auch niemanden schwängern.
Aber Tabea beteuerte, das Kondom hätte ein Loch gehabt, wäre beim Sex geplatzt oder heruntergerutscht oder irgend so was, was mir zum Glück noch nie passiert ist. Sie bedrängte mich, als zukünftiger Vater Verantwortung zu übernehmen. Ich sollte sie auf der Stelle heiraten, das Kind anerkennen und vor allem für alle Kosten aufkommen. Im Grunde wollte sie wahrscheinlich nur das Geld von mir.
Und obwohl ich immer wusste, dass ich nicht der Vater des Kindes war, habe ich ihr im Laufe ihrer Schwangerschaft jede Menge Geld gegeben, um das sie mich jedes Mal dringend bat, weil Tabea mir irgendwie leid tat. Heiraten wollte ich sie jedoch auf keinen Fall, und deshalb wurde sie immer wütender und gnadenloser zu mir. Sie wollte immer mehr Geld haben, für jede Kleinigkeit. Sie drohte schließlich damit, mich zu verklagen, wenn ich nicht für das Kind bezahlen würde, bis es auf eigenen Füßen stand, also jahrzehntelang.
Ich weigerte mich, den ständig zahlenden Vater zu spielen, und Tabea verklagte mich prompt zu einem Vaterschaftstest, den natürlich ich bezahlen musste, obwohl ich zu dieser Zeit überhaupt nicht viel Geld hatte. Der Test wurde durchgeführt, kurz nachdem Merle geboren worden war. Das Ergebnis war für mich keine Überraschung und für Tabea ein Schlag ins Gesicht: Mit 98 prozentiger Wahrscheinlichkeit war ich nicht der Vater des Kindes.
Von da an ließ Tabea mich beleidigt in Ruhe, strafte mich nur noch mit eisiger Missachtung, und wir gingen uns schließlich recht erfolgreich aus dem Weg.
Nun stand ich reglos im Eingangsflur der Drogenberatung und starrte gebannt Merle an, das kleine, zweifellos entzückende Mädchen, das schon vor ihrer Geburt so viel Wirbel in meinem Leben verursacht hatte. Sie war vollständig in ihrer Beschäftigung versunken. Mir fiel auf, dass sie erstaunlich viel gewachsen war, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte.
Nein, ich war nicht ihr leiblicher Vater, aber ich könnte es genauso gut sein, dachte ich plötzlich und fühlte einen eigenartigen Stich in meinen Eingeweiden. Wenn das verdammte Kondom damals nun tatsächlich defekt gewesen wäre, dann wäre Merle jetzt womöglich meine eigene Tochter, und vielleicht würde sie dann genauso gerne zeichnen wie ich. Der Gedanke fühlte sich ebenso beglückend wie beängstigend an, zumindest verwirrte er mich ganz enorm.
„Bleib weg von ihr!" schrie plötzlich jemand und kam aus dem hinteren Teil des Erdgeschosses durch den Flur auf mich zu gerannt. „Wage es ja nicht! Bleib bloß weg von ihr, Banton!" brüllte Tabea gleich noch einmal und ging ohne Vorwarnung auf mich los. Sie schlug mich ziemlich heftig ins Gesicht, dann gegen die Rippen und in den Bauch, bis ich endlich aus meiner Erstarrung erwachte.
„Hör auf, Tab!" forderte ich sie auf und wehrte ihre nächsten Schläge recht erfolgreich ab. Sie schlug total unkoordiniert, merkbar nur von ihrer Wut gelenkt, deshalb war es im Grunde nicht schwer für mich, ihre mädchenhaften Hiebe vorauszuahnen und abzublocken. Trotzdem ging mir ihr zorniger Überfall gehörig auf die Nerven. „Du wirst dich ihr nicht nähern, Banton! Du bleibst gefälligst ganz weit weg von ihr!" schrie die Frau mich aufgebracht an, und ihre Augen funkelten dabei vor Verachtung.
Sie ist tatsächlich immer noch genauso wütend auf mich, wie damals, direkt nach dem Vaterschaftstest, dachte ich deprimiert, nach all diesen Jahren hasst sie mich noch immer! Ob sie sich wohl jemals beruhigen wird? Ob sie mir je verzeiht, dass ich sie nicht heiraten wollte? Doch im Grunde war mir das völlig egal.
„Hör auf, verdammt!" knurrte ich ärgerlich und versuchte ihre Hände festzuhalten, mit denen sie unentwegt auf mich einschlug. Schließlich bekam ich sie zu fassen und umklammerte ihre Gelenke, um sie an weiteren Schlägen zu hindern. Prompt hob Tabea ihr Knie, um es mir gnadenlos in die Eier zu rammen.
Im letzten Moment konnte ich hastig meine Hüften von ihr wegdrehen, sodass ihr Knie recht schmerzhaft meinen verletzten Oberschenkel traf. „Fuck, Tab...", stöhnte ich schmerzerfüllt auf. In ihren Augen erschien ein grausamer, zufriedener Glanz. Sie genoss es, mir Schmerz zuzufügen, was ich echt nicht begreifen konnte. Eigentlich war ich mir keiner Schuld bewusst. Verbissen versuchte sie erneut, mit ihrem Knie meine Genitalien zu treffen, während ich ihre Handgelenke festhielt und mich von ihr wegdrehte, sodass wir in diesem Flur einen merkwürdigen Tanz aufführten.
An diesem Punkt hatte ich eigentlich schon die Schnauze voll und wollte nur noch so schnell wie möglich hier weg.
„Lass das... Tab... hör auf!" ächzte ich atemlos, aber das beeindruckte sie kein bisschen. „Nenne mich gefälligst nicht so!" beschwerte sie sich nur lautstark, weil ich der einzige war, der sie immer schon Tab genannt hatte, während alle anderen Bea zu ihr sagten. „Dann hör auf mit dem Scheiß, Tab!" erwiderte ich stöhnend, weil sie trotz meiner Bemühungen mit ihrem harten Knie noch einige Male echt schmerzhaft meinen Oberschenkel traf.
„Was ist denn hier los?" kam jemand hörbar enorm verärgert über den Flur herbeigeeilt, aus der gleichen Richtung, aus der auch Tabea aufgetaucht war. Gewalttätigkeiten jeder Art waren innerhalb der Drogenberatungsstelle allerstrengstens verboten und wurden eigentlich unverzüglich mit Rausschmiss geahndet. Aus tiefstem Herzen hoffte ich spontan, dass Ragnar mich jetzt auf der Stelle wortlos hinauswerfen würde, obwohl ja eigentlich die Frau mit der Gewalt angefangen hatte.
„Sofort auseinander, ihr Zwei!" forderte Ragnar uns unmissverständlich wütend auf und blieb dicht bei uns stehen. Tabea ließ endlich von mir ab. Zögernd ließ ich ihre Handgelenke los und ging einen Schritt zurück. „Was soll das, Tabea, warum gehst du auf Clay los? So was dulde ich hier nicht!" motzte Ragnar die Frau an.
Verblüfft starrte ich ihn an, weil er diese Situation direkt richtig eingeschätzt hatte, was völlig neu für mich war. Normalerweise wurde immer zuerst mal mir die Schuld zugeschoben, wenn es irgendwo Ärger gab. Und jetzt wusste ich nicht genau, ob ich mich darüber freuen sollte, weil Ragnar mich nicht grundlos verdächtigte, oder ob ich mich ärgern sollte, weil damit der Rausschmiss in weite Ferne rückte.
„Er wollte gerade zu Merle gehen und ich erlaube nicht, dass er sich meiner Tochter nähert!" erklärte Tabea beleidigt. „Das wollte ich gar nicht!" wandte ich ein, denn das war tatsächlich nicht meine Absicht gewesen. „Ach, hör doch auf, Clay! Ich habe doch genau gesehen, wie gebannt du sie angestarrt hast!" zischte Tabea verächtlich, und zu Ragnar gewandt meinte sie: „Er wollte Merle ja nicht haben! Und jetzt soll er gefälligst auch von ihr wegbleiben!"
Darauf wusste ich nichts zu sagen und schaute stattdessen Ragnar an. Mein plötzliches Auftauchen nach all dieser langen Zeit überraschte ihn kein bisschen. Auch meine Verletzungen schockten ihn nicht, deshalb wurde mir klar, dass der Doc ihn schon längst angerufen, mich angekündigt und ihn vorgewarnt hatte, was mich irgendwie nervte.
Mein Betreuer Ragnar Rauen hatte sich seit unserer letzten Begegnung vor über einem Jahr überhaupt nicht verändert. Sein Haar war immer noch lang, mit ein paar grauen Strähnen in all dem Braun und zu einem losen Pferdeschwanz gebunden. Er hatte immer noch einen Vollbart und trug Jeans und Hemd. Eindeutig der perfekte Althippie.
„Okay, Tabea, ist ja gut. Clay wird sich Merle nicht nähern, okay? Nicht wahr, Clay? Du hältst Abstand zu Tabeas Tochter!" Beschwörend schaute Ragnar mich an. Ich nickte automatisch, obwohl ich plötzlich riesige Lust bekam, mir die Zeichnung von Merle genauer anzusehen. Was sie wohl gerade malte? Ob sie Talent hatte?
Spontan warf ich einen Blick zu dem Kind hin, was gerade zu uns hinsah, weil sie wohl unsere Stimmen gehört hatte. „Mama?" rief Merle fragend aus dem Kinderzimmer. „Ich bin hier, Schatz!" antwortete Tabea mit einer mir völlig fremden, total liebevollen Stimme, warf mir noch einen warnenden, absolut tödlichen Blick zu und lief schnurstracks zu ihrer Tochter ins Spielzimmer. Ich beobachtete, wie Merles kleine, ahnungslose Gesicht sich erhellte, als sie ihre Mama auf sich zukommen sah. „Schau mal, Mama, was ich hier gemalt habe!" rief Merle begeistert, nahm ihr Blatt Papier vom Tisch auf und hielt es ihrer Mutter freudestrahlend hin.
Bei diesem Satz wurde mir schlagartig der Boden unter den Füßen weggerissen. Meine Beine gaben nach. Ich musste mich an der Wand abstützen und lehnte mich taumelnd dagegen. Mein Herz stolperte los und ich konnte nur noch abwehrend die Augen schließen. Heftige, schmerzende Erinnerungen kamen in mir hoch, die ich jetzt absolut nicht gebrauchen konnte, und doch war ich wehrlos gegen sie.
Ganz genau den gleichen Satz hatte ich nämlich selbst vor Ewigkeiten zu meiner Mutter gesagt und ihr aufgeregt meine erste Zeichnung hingehalten. Mit meiner Mutter habe ich in meiner Kindheit ausschließlich deutsch gesprochen, genau wie sie es von allen ihren Kindern verlangt hatte. Und obwohl Merle nicht meine Tochter war und Tabea völlig gegensätzlich auf das Werk ihres Kindes reagierte, als es meine eigene Mutter damals getan hatte, so hatte ich doch ein entsetzliches Déjà-vu und das Gefühl, die Welt würde auf einmal um mich herum in sich zusammenstürzen.
Ich war so ein verdammtes Weichei, aber ich erinnerte mich viel zu deutlich, und die zornige Stimme meiner Mutter fing in meinem Kopf nochmal an zu kreischen: „Was fabrizierst du denn da für schreckliche Bilder, Clay? Hast du etwa nichts Besseres zu tun? Du denkst wohl, du wärst ein großer Künstler, was? Hör sofort auf mit diesem Unsinn! Du bist doch nicht schwul!"
Und dann musste sich der etwa vierjährige Clay Banton ansehen, wie seine Mama seine mühevoll erstellte Zeichnung, an der er so lange gesessen hatte und auf die er so stolz gewesen war, gnadenlos zerriss und in den brennenden Ofen warf. An das Gefühl des Versagens erinnerte ich mich in aller Deutlichkeit, aber ich konnte mich nicht mehr entsinnen, was ich damals eigentlich genau gemalt hatte.
Der vierjährigen Merle blieb so eine niederschmetternde Erfahrung zum Glück erspart, denn Tabea sah sich ihre Zeichnung lächelnd genau an. Die interessierte Mutter schien wegen dem Gemälde sogar selbst irgendwie stolz zu sein und lobte ihre kleine Tochter überschwänglich dafür, ja, sie nahm sie sogar liebevoll in den Arm.
Das konnte ich sehen, als ich irritiert meine Augen wieder öffnete und mich hastig dazu zwang, mich schnellstmöglich zusammenzureißen. Das Bild von Tabea und Merle in inniger Umarmung schnürte mir abrupt die Kehle zu. Meine Augen wurden feucht, ohne dass ich es hätte verhindern können. Fuck, so einen Scheiß konnte ich jetzt echt nicht ertragen!
„Alles klar mit dir, Clay?" fragte Ragnar hörbar besorgt und brachte sich damit zurück in meine Erinnerung. Er stand direkt vor mir im Flur und beobachtete mich aufmerksam. Hastig ließ ich die Wand los und stellte mich aufrecht hin. „Alles gut", murmelte ich abwehrend. „Hat dich das an irgendwas erinnert?" wollte der geschulte Sozialpädagoge mit kurzem Blick ins Spielzimmer behutsam von mir wissen, weil er eben auch schon eine Menge über mich wusste, und studierte mich eingehend, als wollte er in meinen Kopf hineinsehen.
Ich drehte mich von ihm weg und rieb mir verstohlen mit den Fingern über die feuchten Augen. „Nein... ich... bin nur müde...", wehrte ich ihn verwirrt ab, und zum Glück ließ er es damit gut sein. Er gab mir noch eine Minute, bis mein Herz sich beruhigte, dann streckte er mir lächelnd seine Hand entgegen. „Also, Clay, ich freue mich ehrlich, dich wiederzusehen! Willkommen beim Brunch! Wie schön, dass du den Weg zu uns gefunden hast!" begrüßte er mich freundlich. „Ich bin nicht freiwillig hier", stellte ich sofort mal klar, woraufhin er noch breiter lächelte. „Ach tatsächlich? Wer hat dich denn in das Methadonprogramm gezwungen?" fragte er grinsend.
Darauf wusste ich keine Antwort, obwohl ich das unbestimmte Gefühl hatte, in der Tat irgendwie dazu gezwungen worden zu sein. Ich nahm Ragnars Hand, schüttelte sie kurz und nickte ihm zu. Er erwartete keine Antwort. „Komm mit nach hinten, Clay. Die anderen haben schon angefangen. Ich hoffe, du hast ordentlich Hunger mitgebracht."
Er machte sich auf den Weg in den hinteren Teil des Erdgeschosses und ich beeilte mich, mit ihm Schritt zu halten. Vertrauensvoll beugte ich mich zu ihm hin. „Wer ist denn alles da?" fragte ich ihn und ärgerte mich, dass meine Stimme so ängstlich klang. „Das wirst du gleich sehen", antwortete Ragnar lächelnd, und dann waren wir auch schon in diesem großen Saal angekommen, der früher vielleicht mal so etwas wie eine Eingangshalle gewesen war.
Im hinteren Teil, direkt an den großen Fenstern, waren mehrere Tische zusammengestellt worden, sodass genau zwölf Leute daran Platz hatten. Zwölf Stühle standen um die Tische herum, je vier an den Längsseiten und zwei an den schmalen Seiten, und auf dem Tisch entdeckte ich überraschend viele verschiedene Lebensmittel. Der Tisch war außerdem ansprechend dekoriert worden. Die Drogenberatung ließ sich offenbar beim Junkie-Brunch nicht lumpen.
Ich kämpfte meine dumme Nervosität nieder und warf einen schnellen Rundumblick auf die Menschen, die am Tisch saßen. Heilfroh registrierte ich, dass längst nicht alle Plätze besetzt zu sein schienen. Nur fünf Leute hielten sich am Tisch auf, zwei Typen und drei Frauen. Natürlich war ich zu spät dran, denn der Brunch hatte schon längst angefangen. Genaugenommen waren wohl die meisten schon lange mit dem Essen fertig, aber trotzdem war noch genug Essbares vorhanden. Ich beglückwünschte mich dazu, dass ich so spät hier angekommen war, obwohl das gar keine bewusste Entscheidung gewesen war, sondern sich einfach so ergeben hatte. Auf jeden Fall hatten bestimmt einige Besucher nur was gegessen und waren danach direkt wieder abgehauen, und ich war froh um jeden, den ich hier nicht treffen musste.
Als Ragnar und ich auf den Tisch zugingen, drehten sich alle Köpfe neugierig zu uns und ich hatte mit einem Blick erfasst, wer und was mich hier erwartete.
„Clay Banton! Mann, super! Das wird lustig! Das wird so toll! Endlich ist hier was los!" schrie Stuart begeistert auf, sobald er mich erkannt hatte. Überstürzt sprang er auf, kam freudestrahlend auf mich zu gerannt und umarmte mich stürmisch. „Mensch, Alter, dich habe ich ja ewig nicht mehr gesehen!" keuchte er mir ins Ohr und drückte mich viel zu fest an sich. Ich erwiderte seine Umarmung nicht, denn mein Körper wurde automatisch stocksteif, aber das schien er gar nicht zu bemerken. Widerwillig ließ ich ihn gewähren und atmete tief seinen typischen Dopegeruch ein.
Stuart war schon mehrmals mein Sexpartner gewesen, bevor er sich irgendwann heftig in mich verliebt hatte. Daraufhin schien es mir klüger zu sein, unsere geilen Aktivitäten sein zu lassen, was Stuart nur schwer, aber schließlich doch akzeptiert hatte. Er war einer der wenigen, die deswegen nicht wütend auf mich waren. Wahrscheinlich liebte er mich sogar trotz allem immer noch. Stuart war schwul, ein Kiffer durch und durch, der meines Wissens noch nie harte Drogen auch nur angefasst hatte. Sein Cannabiskonsum hatte allerdings gewaltige Ausmaße, ob als Haschisch oder Marihuana spielte bei ihm kaum eine Rolle.
Auch jetzt waren seine Augen blutunterlaufen und seine Pupillen riesig. „Ich freue mich so, dich zu sehen, Clay! Alles in Ordnung?!" flüsterte er und schaute betrübt auf die Wunden in meinem Gesicht. Dann gab er mir einen überschwänglichen, feuchten Schmatzer auf den Mund, bevor ich es verhindern konnte. Damit ging er zu weit, kam mir entschieden zu nah, deshalb schob ich ihn sanft aber bestimmt von mir weg. Stuart wollte mich jedoch noch nicht loslassen. „Du spielst gleich Gitarre für uns, ja?" bat er mich viel zu aufgeregt.
„Seit wann ist das hier ein Schwulentreff?" motzte Axel Selzer vom Tisch her und taxierte angewidert unseren Körperkontakt. Axel war ein homophober Arsch, der ein Problem mit seiner Frustration und mit Geldspielautomaten hatte. Selbstverständlich nahm er keine shore, sondern war ein speed und Ecstasy Junkie. Ich stöhnte innerlich auf und befürchtete sofort, dass es mit ihm Ärger geben würde.
Die beiden Frauen an der Schmalseite des Tisches lachten belustigt auf. Ich kannte nur eine von ihnen, Sarah, die zwar intensiv mit mir flirtete, wann immer wir uns begegneten, mir aber nie erlaubte sie anzufassen. Die Frau, die über Eck neben ihr saß, war mir gänzlich unbekannt. Schon steckten die beiden die Köpfe zusammen, fixierten mich und tuschelten angeregt, wobei sie albern kicherten, als wären sie noch Teenager.
„Was gefällt dir daran nicht, wenn Stuart und Clay sich begrüßen?" fragte Ayse hörbar warnend an Axel gewandt. Sie saß ihm gegenüber am Tisch und studierte ihn aufmerksam. Axel stöhnte theatralisch auf und warf ihr einen genervten Blick zu, den Ayse selbstbewusst erwiderte.
Ayse war Sozialpädagogin und damit die zweite Betreuungskraft bei dieser merkwürdigen Zusammenkunft. Sie war auch vor einem Jahr schon Ragnars Arbeitskollegin gewesen, und er verstand sich wohl ganz gut mit ihr. Ich fand die innere Ruhe, die sie ausstrahlte, sehr sympathisch, hatte aber bisher kaum etwas mit der türkischstämmigen Frau zu tun gehabt.
„Naja, die beiden Tunten müssen sich ja nicht gleich abknutschen!" knurrte Axel, warf mir einen aggressiven Blick zu und forderte mich spöttisch auf: „Geh gefälligst mit deinem Liebhaber in eins der Zimmer, Banton, wenn du dich mal wieder nicht beherrschen kannst!" „Keine Sorge, Selzer, wir haben schon länger nicht mehr gefickt!" konterte ich cool, weil es mich total reizte, ihn noch mehr zu schocken. Und der Idiot war tatsächlich schockiert, stöhnte angeekelt auf und verzog das Gesicht.
Sarah und ihre Freundin lachten laut auf. Ayse verdrehte kopfschüttelnd die Augen, lächelte aber dabei, und Stuart ließ endlich von mir ab. Er drehte sich zu den anderen um, als hätte er die herausfordernden Sticheleien überhaupt nicht gehört, und verkündete selig lächelnd: „Leute, das ist Clay Banton! Kennt ihr den etwa nicht? Ist euch nicht klar, was das bedeutet? Der bringt jetzt richtig Stimmung in unsere langweilige Runde! Er ist so ein toller Entertainer!" Stuart wandte sich zurück zu mir und vergewisserte sich: „Nicht wahr, Clay, das kannst du doch so gut, du wirst uns gleich etwas total Tolles vorführen!"
Selbstverständlich hatte ich überhaupt keine Lust, für diese zufällige Gruppe den Pausenclown zu spielen und hatte keine Ahnung, warum Art das überhaupt von mir erwartete. Warnend warf ich ihm deshalb einen Blick zu, damit er endlich seine Begeisterung drosselte, die ich ohnehin nicht verstand. Ich war bestimmt nicht hier, um für die Betreuer und Junkies irgendwas vorzuführen, denn ich wollte diese unangenehme Pflicht nur so schnell und unauffällig wie möglich hinter mich bringen!
Aber Stuart sah meinen Blick gar nicht oder konnte ihn nicht deuten, zumindest veränderte sich sein seliges, erwartungsvolles Lächeln kein bisschen. „Ist schon gut, Stuart, jetzt lass Clay doch erst mal richtig ankommen! Er will bestimmt zuerst was essen, schließlich ist er hier beim Brunch, nicht wahr, Clay?" mischte Ragnar sich glücklicherweise ein, legte Stuart beruhigend die Hand auf den Rücken und schob ihn zurück zu seinem Stuhl. Stuart gab mir noch einen freundschaftlichen Klaps auf den verletzten Arm, gehorchte dann aber und kehrte zu seinem Platz zurück, der merkwürdigerweise direkt neben Axels war, obwohl die beiden sich nicht leiden konnten.
Ragnar ging um den Tisch herum und zog einen Stuhl zurück, der auffällig weit von den anderen entfernt stand, gegenüber von Stuart und Axel. Zwischen Ayse und mir blieb nur ein Stuhl frei, als ich mich folgsam zur angewiesenen Stelle bewegte und auf den harten Holzstuhl sank. Ragnar setzte sich über Eck direkt neben mich, sodass ich von den beiden Betreuern gesäumt war, und ich fragte mich irritiert, warum Ragnar das wohl für nötig hielt. Wollte er mich im Auge behalten? Was zur Hölle erwartete er denn, was ich hier tun würde?
Ayse stand auf und griff nach einer Thermoskanne auf dem Tisch. „Möchtest du Kaffee, Clay?" fragte sie und goss mir schon eine Tasse voll ein, bevor ich antworten konnte. Also sparte ich mir die Antwort und nickte nur, obwohl ich Kaffee verabscheute. Ayse setzte sich wieder. „Bedien dich einfach!" lud Ragnar mich ein und machte eine weitläufige Handbewegung, die alle Lebensmittel mit einschloss, die sich auf diesem Tisch befanden. Unschlüssig betrachtete ich das Mahl und merkte irritiert, wie hungrig ich war, denn tatsächlich hatte ich schon seit einer längeren Zeit nichts mehr gegessen.
„Also, hört mal", ergriff Ragnar das Wort, und alle schauten ihn erwartungsvoll an. „Wie ist das jetzt, kennt ihr euch alle schon, oder sollen wir uns Clay noch kurz vorstellen?" Er lachte und betonte zu Stuart gewandt: „Stuart hat euch Clay ja schon recht eindrucksvoll näher gebracht." Art lächelte mich frivol an und zwinkerte, aber ich bemühte mich, ihn nicht zu beachten, indem ich weiter den Tisch fixierte. Ich konnte mich nicht entscheiden und griff schließlich wahllos nach einem Körnerbrötchen und der Butter.
Die Junkies sprachen jetzt alle durcheinander, offenbar hatten sie keine Lust, sich mir vorzustellen, und das war mir total schnurz, denn darauf konnte ich gut verzichten. Außer dieser Frau neben Sarah, die auf meiner Seite am anderen Ende des Tisches saß, kannte ich ohnehin alle.
„Bist du nicht der Typ aus dem Theater? Der mit den Steinen beworfen wurde, als er nackt auf der Bühne stand?" hörte ich auf einmal die fremde Stimme genau jener unbekannten Frau, laut über das Stimmengewirr hinweg. Mein Magen krampfte sich zusammen und ich schloss die Augen. Auf der Stelle war es totenstill in der ehemaligen Eingangshalle. Ich konnte spüren, dass alle mich neugierig anstarrten. Gefühlte Stunden lang sagte niemand ein Wort, nur mein Herz hämmerte härter in meiner Brust. Fieberhaft suchte ich nach einer cleveren Erwiderung, aber mir wollte nichts einfallen.
„Na, ganz offensichtlich ist er ja mit dem Schädel gegen jede Menge Steine gerannt", bemerkte Axel trocken und spielte damit auf die sichtbaren Verletzungen in meinem Gesicht an, aber niemand reagierte darauf. Jetzt musst du mal langsam was sagen, drohte die Stimme in meinem Kopf, der sich ansonsten entsetzlich leer anfühlte, sonst halten dich gleich alle hier für total bescheuert.
„Klar ist er das! Der nackte Steine-Typ! Das kann ich sogar beweisen!" tönte plötzlich Tabea laut, die gerade aus dem Kinderzimmer zurück zum Tisch kam und die blöde Frage der Unbekannten anscheinend gehört hatte. Meine Augen klappten entsetzt auf und mein Magen verknotete sich endgültig. Alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf Tabea, die mich echt hinterhältig angrinste und zu ihrer Tasche ging, die an der Wand auf dem Boden lag. Sie holte ihr Tablet hervor und ließ sich dann an der Schmalseite neben Sarah nieder.
„Clay spielt ganz hervorragend Theater!" versuchte Stuart die Situation zu retten, und Sarah meinte lässig zu der Unbekannten: „Er steht oft nackt auf der Bühne. Da ist doch nichts dabei. Das gehört halt zu seiner Rolle." Es überraschte mich, dass sie mir scheinbar beistehen wollte. Spontan warf ich ihr einen dankbaren Blick zu, den sie zweideutig grinsend erwiderte. Oha, Sarah ist offenbar wieder in Flirtlaune, registrierte ich grinsend.
Dann merkte ich, wie neugierig die Fremde neben Sarah mich musterte. Anscheinend war ihr Interesse an mir geweckt. Das machte mich nervös, weil ich den Grund noch nicht richtig einschätzen konnte. Aber noch weniger wollte ich, was jetzt geschah, denn ich konnte mir schon denken, dass Tabea mich schlicht blamieren wollte, indem sie irgendwelche Filmchen aus dem Internet vorführte.
Und das tat sie dann auch, nachdem ihr Tablet hochgefahren war. Meine große Hoffnung, dass sie wenigstens irgendwelche Aufnahmen zeigen würde, erfüllte sich nicht, denn es ging ja um die verdammten Steine. Es machte mir zwar nichts aus, wenn Menschen mich nackt sahen, aber der Angriff auf mich spielte in einer ganz anderen Liga. Und Tabea suchte natürlich geradewegs nach den verfluchten Aufnahmen der Samstagabendvorstellung von Psychotic Kühlschrank, die ich inzwischen schon viel zu oft gesehen hatte.
Obwohl mein Hunger irgendwie verschwunden war, beschäftigte ich mich mit dem Brötchen auf meinem Teller, schnitt es mit dem Messer auf und schmierte Butter drauf. Die Situation gefiel mir nicht, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich Tabea stoppen konnte, ohne aufzuspringen und ihr das verdammte Tablet wegzunehmen, was mir dann mit Sicherheit als Gewalttätigkeit angelastet werden würde. Ich zog es in Erwägung den Internetanschluss zu kappen und grübelte darüber nach, wo in diesem großen Gebäude wohl der scheiß Router versteckt war.
„Ist das okay für dich, Clay?" flüsterte Ragnar zu mir gewandt, der definitiv neben mir saß, um mich im Auge zu behalten. Was für eine beschissene Frage! Nichts hier war okay für mich! Ich wollte in diesem Moment überall lieber sein als ausgerechnet beim gemischten Brunch der Drogenberatungsstelle! Aber ich wollte nicht feige erscheinen, nicht irgendeinen blöden Fehler machen, und deshalb nickte ich stumm, ohne Ragnar dabei anzuschauen.
Tabea hatte die gesuchten Aufnahmen schnell gefunden und zeigte sie Sarah und der Fremden. Ich wusste das, ohne die Filme selbst sehen zu können, weil ich den Ton hörte, der mir nur allzu bekannt war. Meine Stimme, die gerade mit dem Monolog anfing, dann die Stille im Theater, unmittelbar nach den Steine-Würfen, und den tosenden Lärm, der ausbrach, nachdem ich das Bewusstsein verloren hatte. Äußerlich unberührt belegte ich meine Brötchenhälften mit irgendwas Essbarem, biss hinein und nahm einen bitteren Schluck Kaffee.
Die Stimmen des Junkiemädchens und ihres brutalen Freundes tönten laut aus Tabeas Tablet. Die bösen Wörter fuhren mir geradewegs in die Seele und ich schloss resigniert noch einmal meine Augen. Kimberly und ihr Freund behaupteten lautstark, dass ich Kim vergewaltigen wollte, dass ich ein Psychopath wäre, gefährlich und total krank. Unvermittelt wurde mir schlecht. Ich riss die Augen auf, und beinahe kotzte ich den Bissen Brötchen zurück auf meinen Teller.
„Hört mal, das muss jetzt nicht sein! Mach das bitte aus, Tabea!" meldete Ragnar sich energisch zu Wort, der mir vielleicht irgendwas anmerkte, obwohl ich mich dazu zwang nicht aufzufallen. „Wieso denn? Das ist doch O-Ton! Hast du das schon gesehen?" muckte Tabea auf und drehte ihr Tablet so, dass alle am Tisch etwas sehen konnten, und natürlich schauten auch alle sofort hin, einschließlich mir selbst.
Ich stand gerade mal wieder nackt auf der Bühne, mit verbundenen Augen und ausgebreiteten Armen, mein Körper noch völlig unversehrt im grellen Scheinwerferlicht. „Mach das aus!" wiederholte Ragnar streng, und Tabea tippte prompt auf den Pausebutton. „Das ist doch höchst interessant", murmelte sie hinterhältig kichernd und bewegte ihre Finger über den Touchscreen.
„Stimmt das, was da behauptet wird? Wolltest du diese Frau vergewaltigen?" fragte die Fremde mich geradeheraus, und ich hätte ihr dafür am liebsten den Hals umgedreht, weil diese Frage mir inzwischen so sehr zuwider war. „Nein, das stimmt nicht", antwortete ich ihr abweisend und bedachte sie mit einem kühlen, warnenden Blick. Sie sah ganz gut aus, hatte braunes Haar und blaue Augen, und ich überlegte, ob ich sie nicht doch schon mal irgendwo gesehen hatte, aber mir fiel dazu nichts ein. Mein Blick schien sie einzuschüchtern, denn sie wandte schnell ihre Augen zurück auf das Tablet.
Tabea drehte es gerade wieder herum, damit auch ja alle das Display sehen konnten, auf dem man jetzt nur noch einen vergrößerten Schwanz sah. Ich musste genau hinsehen, bis ich meinen eigenen Penis darauf identifiziert hatte. Verblüfft fragte ich mich, warum eine Nahaufnahme meiner Genitalien im Internet kursierte, bis mir klar wurde, dass Tabea einfach an diesen delikaten Bildausschnitt des gestoppten Videos heran gezoomt hatte. Ihre Absicht war klar, sie wollte mich damit kompromittieren.
Jedoch verfehlte die Frau ihr Ziel komplett, denn in Wahrheit törnte mich diese kindische Aktion mehr an, als ich vermutet hätte. Aber als ich meinen Blick über die anderen schweifen ließ und registrierte, dass sie alle ganz genau hinsahen, wenn auch teilweise nur verstohlen, da fühlte ich mich enorm gut. Und je länger diese Situation anhielt, umso mehr Adrenalin rauschte durch mein Blut. Ich fühlte mich angenehm aufgeputscht, genau wie jedes Mal nackt auf der Bühne.
Nach vielleicht zwei Minuten betretenem Schweigen brach am Tisch ein verlegenes Gelächter aus. „Was für ein erbauender Anblick!" schwärmte Stuart atemlos, und Axel stöhnte mal wieder theatralisch und verdrehte angewidert die Augen. „Das guck ich mir doch nicht an!" verkündete er knurrig, wandte aber seinen Blick gar nicht ab. Ich beobachtete die Fremde, die geschockt auf den Bildschirm stierte, und es amüsierte mich enorm, dass sie tatsächlich rot wurde und hastig nach ihrem O-Saft griff, um sich abzulenken.
„Ach, Tabea, das ist doch total kindisch!" meinte Ayse kopfschüttelnd und schaute von mir zum Tablet und zurück. Ragnar schüttelte auch den Kopf, aber ich merkte genau, dass er innerlich grinste. „Mach das jetzt bitte aus, Tabea!" forderte er sie erneut auf und hatte Mühe, dabei ernst zu klingen.
Tabea drehte ihr Tablet wieder um und die kurze Peepshow war vorbei. „Hör mal, Melanie, du bist anscheinend die einzige hier, die Clay noch nicht kennt, aber jetzt hast du wenigstens schon mal sein Handwerkszeug gesehen", bemerkte Tabea wie beiläufig, und damit wusste ich endlich den Namen der schönen Unbekannten. Die Angesprochene hatte just in diesem Moment einen Schluck Orangensaft im Mund. Sie zuckte bei dem Wort Handwerkszeug wahrhaftig zusammen und prustete ihr Getränk im nächsten Augenblick über den ganzen Tisch, weil sie so lachen musste.
Drei Sekunden später brach die ganze Runde in einvernehmliches Gelächter aus. In mir regte sich der wütende Verdacht, dass sie damit anfingen mich auszulachen, und das gefiel mir überhaupt nicht mehr. Um mich abzulenken biss ich nochmal von meinem Brötchen ab, das total pappig schmeckte.
„Nein, das war doch noch gar nichts! Wenn du Clay Banton wirklich kennen lernen willst, Melanie, dann brauchst du heute nur Bennet's Blog zu lesen! Der ist brandneu und da erfährst du wirklich alles, was du wissen und nicht wissen willst!" sagte Sarah zu Melanie, die dunkelrot im Gesicht war, weil sie ihren O-Saft vor uns ausgespuckt hatte und sich deshalb schämte. „Gib mal her!" forderte Sarah Tabea auf, die ihr das Tablet nur widerwillig überließ. „Bennet's Blog? Was ist das?" fragte Ayse hellhörig.
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, heute schon einmal von diesem Blog gehört zu haben, aber ich konnte mich nicht erinnern, wo und wann das gewesen war. Ragnar beugte sich an mein Ohr. „Kennst du diesen Blog über dich?" wollte er vorsichtig von mir wissen. Ich nahm einen Schluck Kaffee, der unverändert widerlich war, und schüttelte den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wovon die Rede war, und es war mir auch egal. Ich wollte nur, dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit endlich mal von mir abwandte, aber das schien leider noch lange nicht der Fall zu sein.
Sarah hatte die entsprechende Seite im Internet aufgerufen und zeigte sie Melanie und Tabea. Die drei Frauen steckten die Köpfe zusammen und schauten sich den Blog an. An ihren Mienen konnte man schon nach kurzer Zeit ablesen, dass es irgendwas ziemlich Persönliches über mich sein musste, denn sie schauten immer öfter grinsend zu mir hin, als wären sie verblüfft darüber, was sie dort über mich erfuhren.
Das machte mich misstrauisch, denn ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was das für ein Blog sein sollte, und außerdem wollte ich nicht länger darüber nachdenken. Der kurze Adrenalinkick von vorhin verebbte und machte einem inneren Unbehagen platz. Irgendwas stimmte nicht mit diesem verdammten Blog. Und wieso sollte überhaupt jemand einen Bericht über mich veröffentlichen? Und warum sollte überhaupt irgendjemand diesen Bericht lesen wollen?
Plötzlich kicherten die drei Frauen los und Melanie wurde mal wieder rot, dabei hatte ihre Gesichtsfarbe sich gerade erst halbwegs normalisiert. „Hört mal, können wir vielleicht auch mal daran teilhaben?" wollte Ragnar ungehalten wissen. „Was steht denn da über dich, Clay? Hast du das abgesegnet?" fragte Stuart mich irritiert.
Ich schaute ihn an und in diesem Moment erinnerte ich mich schlagartig an Reporter-Jill, die mich am Theater abgefangen hatte, nur um mich später in meiner Wohnung auszufragen. Mein Magen krampfte sich zusammen, weil ich mich nicht mehr daran erinnerte, was ich ihr alles über mich erzählt hatte. Sie hatte mir in dieser Nacht doch so unglaublich viele Fragen gestellt. Hatte sie diesen ganzen Scheiß etwa tatsächlich schon veröffentlicht? Jill... na klar! Diese bewaffnete Furie mit dem verfluchten Elektroschocker hieß Jill Bennet! Bennet's Blog! Verdammte Scheiße!
„Nein, was steht da?" entfuhr es mir alarmiert. Die drei Mädchen kicherten noch lauter. „Mann, Clay, da steht alles!" erklärte Sarah mir kopfschüttelnd. „Und es gibt echt heiße Fotos von dir!" setzte Tabea mit einem zufriedenen Grinsen hinzu, was mich total erschütterte. Denn wenn Tabea zufrieden war, dann konnte es mir nur an den Kragen gehen. „Zeig her!" forderte ich sie mit klopfendem Herzen auf und streckte meine Hand aus.
Aber anstatt mir das verfluchte Tablet zu geben drehte sie es nur herum, damit nochmal alle auf das Display glotzen konnten, auf dem ich gerade auf dem Rücken lag, offenbar auf dem Marmorboden meines Badezimmers. Es sah aus, als wäre ich nicht bei Bewusstsein, denn meine offenen Augen blickten leblos an die Decke. Was aber noch viel schlimmer war, war die Tatsache, dass meine Hosen bis zu den Knöcheln hinunter gezogen waren, sodass noch einmal mein Schwanz zu bewundern war. Und auf dem nächsten Bild, was Tabea grinsend herumzeigte, sogar in dekorativer, detailreicher Nahaufnahme.
„Hast du dieser Jill das erlaubt?" erkundigte Stuart sich fassungslos. Axel grinste böse und fragte: „Was ist da mit dir los, Banton, hat sie dich mit heruntergelassenen Hosen ausgeknockt, oder was?" Meine Hand fuhr instinktiv schützend an meinen Bauch, wo Jill mich mit ihrem Elektroschocker getroffen und mir zwei Brandwunden zurückgelassen hatte. Was zur Hölle...
„Gib das her!" forderte ich Tabea drohend auf und streckte nochmal meine Hand aus. Aber sie lachte nur und zeigte uns stattdessen ein Video von mir, in dem Jill ziemlich nah meinen bewusstlosen Körper in allen Einzelheiten gefilmt hatte. „Schaut euch dieses hübsche Gesicht an!" kommentierte Jill aus dem Off, während sie meinen Kopf zeigte, dann fuhr die Kamera an mir hinab. „Seht mal, diese starken Muskeln!" hörte man Jills Stimme, während mein Bauch mit den winzigen Wunden zu sehen war.
„Macht das jetzt aus!" versuchte Ragnar sich einzuschalten, aber die drei Frauen waren so begeistert, dass sie ihn schlicht überhörten. „Ich habe erfahren, dass Clay Banton auf alle Arten von Sex steht! Also Leute, wer Lust hat - hier seht ihr schon mal seine Ausrüstung dafür!" erklärte Jill und zeigte schon wieder meinen Penis und meine Eier aus allen Richtungen in Großaufnahme.
Es machte mir nichts aus, wenn Menschen mich anschauten, während ich nackt war. Das Kribbeln dabei gefiel mir. Und es erregte mich, wenn sie sich für meinen Schwanz interessierten. Aber das hier war irgendwie anders. Es verletzte mich, weil es ohne mein Einvernehmen geschehen war, und weil Jill es dreist veröffentlicht hatte, ohne mich auch nur vorzuwarnen.
„Das darf die gar nicht!" meinte Ayse empört und warf mir einen mitleidigen Blick zu, der mir überhaupt nicht gefiel. Mein Herz hämmerte inzwischen hart und schnell von innen gegen meine Rippen. Ich schnappte nach Luft und hatte große Mühe damit, nicht auf der Stelle aufzuspringen, Tabea das verdammte Tablet zu entreißen und es gegen die nächste Wand zu schmettern.
„Das ist doch eigentlich ganz nett...", bemerkte Melanie schüchtern, woraufhin Tabea und Sarah abermals laut lachten, weil die Bemerkung irgendwie zweideutig war. Natürlich wurde Melanie rot und versuchte sich zu retten mit: „Nein, ich meinte, dieser Blog im Ganzen ist doch ziemlich schmeichelhaft..."
Allerdings ging ihre Meinung unter, weil schlicht niemand sie noch beachtete. Axel grölte laut, während er belustigt den Bildschirm fixierte, Stuart schüttelte entgeistert den Kopf, schaute sich aber das Video genau an, und Ayse beobachtete inzwischen nur noch mich, als würde sie auf eine Reaktion von mir warten. Ragnar legte mir besänftigend eine Hand auf den Rücken.
„Das reicht jetzt, Mädels!" rief er energisch über den Tisch hinweg. Aber Tabea, Sarah und Melanie wollten sich noch nicht von ihrem Spielzeug trennen. In diesem Moment hörte man laut und deutlich Jills Stimme, die amüsiert verkündete: „Stellt euch das mal vor, Leute, Clay Banton ist in Island geboren worden und hat wahrhaftig vier Halbschwestern. Da fragt man sich doch ernsthaft, was seine Mutter noch so alles getrieben hat!" Bei diesen Worten zeigte sie meinen weichen Schwanz, den sie ungeniert in ihrer Hand und gerade steil in die Höhe hielt.
Nur Axel lachte höhnisch laut auf und zischte: „Hört, hört!", ansonsten blieb es diesmal eigenartig still. In mir krampfte sich jählings alles schmerzhaft zusammen, mein Herz setzte einige Schläge aus und ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Verkrampft zwang ich mich, bloß nicht die Nerven zu verlieren und komplett durchzudrehen. Ich ballte meine Hände so fest zu Fäusten, dass sich meine Fingernägel in die Handballen bohrten. Nur im Unterbewusstsein nahm ich noch Ragnars Hand wahr, die beruhigend über meinen Rücken streichelte.
Meine unwillkürliche Reaktion auf Jill Bennets verfluchten Blog machte mich unglaublich wütend. Es gefiel mir absolut nicht, wie viel Macht Jill über mich hatte, dass sie mich mit ihrem scheiß Bericht dermaßen hart treffen konnte. Viel lieber wäre ich davon kaum berührt gewesen, hätte gleichgültig gegrinst und einen coolen Kommentar abgegeben.
Aber das war nicht drin, denn diese Worte trafen mich unvorbereitet ins Mark. Die Frau machte sich eindeutig über mich lustig, zeigte mich auf eine entwürdigende Weise und verhöhnte meine Familie. Und ich geriet augenblicklich fast in Panik bei dem Gedanken, was Jill noch alles über mich wusste. Ob sie vielleicht gleich etwas über meinen Vater sagen würde, was ich mit Sicherheit nicht überlebt hätte. Hatte ich ihr von meinem Vater erzählt? Ich wusste es nicht mehr, und das machte mich schlicht verrückt.
Angespannt fixierte ich meinen Teller mit dem angebissenen Brötchen und überlegte ernsthaft, ihn gegen die nächste Wand zu werfen. Gefühlte Ewigkeiten passierte gar nichts, bis Jill aus dem Internet plötzlich erneut anfing, belustigt über mich zu plaudern: „Clay Banton ist ein..."
Tabea drehte hastig ihr Tablet herum und schaltete es aus. Dann warf sie mir einen fast entschuldigenden Blick zu, der mich enorm irritierte. Hatte sie etwa ein schlechtes Gewissen? Totenstille trat ein. Alle Augen richteten sich auf mich. Der Spaß war definitiv vorbei, aber Axel-Arsch merkte das natürlich als letzter. „Diese Jill kennt dich ja wirklich gut! Was hast du der denn bloß für Sauereien über dich erzählt? Hast du sie auch gefickt?" fragte er höhnisch, aber niemand reagierte darauf.
Noch einmal war es lange bedrückend still, bis auch Axel endlich kapierte. Er hielt die Fresse und taxierte mich nur noch abwartend. Es fühlte sich an, als würden ihre Blicke mich durchbohren, als wäre jeder auf der Suche nach einer Reaktion und auch noch den letzten Geheimnissen meiner Seele.
Ich presste die Fäuste unter dem Tisch zusammen und schloss abwehrend die Augen. Wenn ich mich jetzt bewegte, dann würde ich komplett ausrasten, das spürte ich nur zu deutlich. Mit Mühe atmete ich tief ein und aus und zwang mich, ganz ruhig sitzen zu bleiben. Mein Herz hämmerte zornig in meiner Brust, mein Blut rauschte mir in den Ohren.
„Das ist Allerhand. Darüber sollten wir jetzt dringend mal reden", schlug Ragnar schließlich leise vor und beendete damit die bleischwere Stille. „Mann, Alter, das ist ja echt ganz schön heftig!" hörte ich Stuarts besorgte Stimme, aber ich konnte mich noch nicht überwinden, meine Augen zu öffnen. „Das musst du dir nicht gefallen lassen, Clay. Du kannst sie verklagen, und das solltest du auch", redete Ayse auf mich ein.
Jill verklagen? Na klar konnte ich das vielleicht, nur brachte es mir ja wohl überhaupt nichts mehr, denn ihr verfluchter Blog stand ja längst im Netz. Und wenn ich daran dachte, wie viele Leute von dem Samstagabendvorfall wussten, obwohl sie gar nicht im Theater gewesen waren, dann konnte ich mir ungefähr vorstellen, wie viele Menschen den Blog schon gesehen hatten. Es war passiert und vorbei und nichts konnte noch etwas daran ändern. Ich war mal wieder das Gespött der Menschheit, und eigentlich machte mir das gar nicht so viel aus, denn es war ein vage vertrautes Gefühl.
Ich spürte, dass ich langsam ruhiger wurde, öffnete die Augen und versuchte ein Lächeln. „Regt euch ab, Leute", krächzte ich irgendwie blöd. Ich wollte nicht darüber reden, aber mir war klar, dass das genau das Ding hier war: Reden. Immer wurde über alles ausführlich geredet. Und das sollte uns Junkies dann irgendwie helfen.
„Wie geht es dir damit, Clay? Was macht das mit dir?" wollte Ragnar behutsam von mir wissen. Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Mir geht es ganz toll", versuchte ich ihm weiszumachen. Er lächelte gezwungen und glaubte mir kein Wort. „Ich finde, dass diese Jill damit echt zu weit geht. Sie wird total persönlich, und diese intimen Aufnahmen sind eine Unverschämtheit", meldete sich Melanie leise. „Ich hatte ihren Blog bisher nur gelesen, aber ich wusste nicht, was sie in diesem Video sagt", versuchte Sarah sich zu verteidigen, weil es ihre Idee gewesen war, den scheiß Blog überhaupt gemeinsam anzuschauen.
„Du bist so ein Idiot, Clay! Hast du ihr wirklich diese Dinge über dich erzählt? Oder woher hat sie ihre Weisheiten?" erkundigte sich Tabea bei mir. Ich guckte sie an und wollte sie anschreien, dass ich an diesem Abend nicht gewusst hatte, was Jill mit ihren Fragen bezweckte. Dass ich tatsächlich geglaubt hatte, dass die Frau nur aus Freundlichkeit an mir interessiert gewesen wäre. Aber das hätte mich wohl noch mehr zum Idioten gemacht, deshalb sagte ich lieber gar nichts. Außerdem war mein Hals zugeschnürt und ich wollte ganz dringend eine rauchen, am liebsten einen oder zwei Chinesen.
„Ist doch jetzt egal...", machte ich einen lahmen Versuch, das Thema zu wechseln. Ich wollte nicht länger so im Mittelpunkt stehen. Es fühlte sich langsam echt Scheiße an, von allen pausenlos mitleidig oder spöttisch gemustert zu werden.
Ragnar nahm endlich seine Hand von meinem Rücken und setzte sich gerade hin. „Möchtest du mit in mein Büro kommen, Clay? Sollen wir unter vier Augen darüber reden?" fragte er mit unverkennbarer Neugierde. Entsetzt schüttelte ich den Kopf, öffnete vorsichtig meine Fäuste, weil sie total verkrampft waren, und richtete mich auf. „Nein, ich möchte jetzt eine rauchen", teilte ich ihm mit und schaute ihn flehend an, „Okay, Ragnar? Darf ich jetzt bitte eine rauchen gehen?"
Im gesamten Gebäude war Rauchen verboten, deshalb musste ich dafür hinaus auf die Veranda gehen, und das schien mir eine verdammt gute Idee zu sein, um dem Irrsinn hier zu entkommen. „Willst du abhauen?" fragte Ragnar mich sofort misstrauisch. Er hatte recht, natürlich wollte ich abhauen, so schnell wie möglich hier verschwinden und mich dieser unangenehmen Situation entziehen. Aber ich konnte und würde nicht ohne die PSB gehen, denn dann wäre schließlich alles total umsonst gewesen. Und das sollte ihm eigentlich auch klar sein, dachte ich geringschätzig.
„Nein, Ragnar, ich will nicht abhauen. Ich möchte nur eine rauchen", antwortete ich mühsam beherrscht. Er lächelte ein bisschen wehleidig. „Okay, aber zuerst isst du bitte noch deinen Teller leer", bestimmte er und deutete auf mein Körnerbrötchen, als wäre ich ein kleines Kind. Mir war der Hunger total vergangen, trotzdem nahm ich sofort folgsam die angeknabberte Brötchenhälfte und biss grinsend hinein.
„Hat Jill dich für ihren Blog interviewt?" hörte ich die schüchterne Stimme von Melanie vom anderen Ende des Tisches. „Muss ja wohl. Woher hätte sie sonst diese intimen Details", beantwortete Sarah ihre Frage und wandte sich gleich darauf an mich: „Nicht wahr, Clay? Du hast mit ihr geredet. Du hast ihr erlaubt, dich zu fotografieren und zu filmen, oder?" „Nein, es sah doch so aus, als wäre er dabei bewusstlos gewesen", war der beachtlich aufmerksamen Melanie aufgefallen, was mich irgendwie berührte.
Ich kaute mühsam an dem pappigen Brötchen, nahm einen Schluck ekligen Kaffee dazu und schaute dann Sarah und Melanie an. Sie sahen beide gut aus und etwas regte sich in mir, eine höchst vertraute Emotion, ein starkes Verlangen, die zu vielen schlechten Gefühle mit dem mächtigsten zu bekämpfen.
„Möchtet ihr mich auch fotografieren und filmen, ihr beiden Hübschen?" fragte ich sie charmant lächelnd, „Dann dürft ihr euch auch gleich meine Wohnung dabei anschauen." „Der ewige Charmeur!" grinste Sarah und verdrehte gespielt genervt die Augen. Melanie betrachtete mich nachdenklich. „War das da vorhin in dem Film etwa in deiner Wohnung? Hast du tatsächlich Marmor in deinem Badezimmer?" erkundigte sie sich beeindruckt.
Stuart lachte laut auf, und Tabea warnte: „Halt dich bloß von ihm fern, Mel, er ist gefährlich!" Darauf musste Stuart noch mehr lachen und Axel starrte mich wütend an, weil ich ihm irgendwie die Show stahl. „Er ist so gefährlich!" kicherte Stuart und zwinkerte mir liebevoll zu.
Mein Herz klopfte noch immer hart, aber langsam wurde es ein angenehmeres Klopfen, die gespannte Aufregung bei einem Flirt, und das genoss ich. Lächelnd wandte ich mich an Melanie. „Möchtest du meine Wohnung sehen? Ich habe das ganze Bad aus Marmor gestaltet. Du darfst dir gerne alles ansehen." Melanie wurde rot und wich meinem Blick aus, indem sie Sarah fragend ansah, was irgendwie süß war. Beide Frauen waren noch nie in meiner Wohnung gewesen, und ich hatte plötzlich große Lust, sie genau dort hinzuschaffen.
„Bremse dich, Clay!" verlangte Ragnar ungehalten, und Ayse verkniff sich ein amüsiertes Grinsen. Die Stimmung am Tisch war endlich aufgelockert worden, und ich fing erleichtert an mich wohler zu fühlen. Es ist doch eigentlich völlig egal, was Jill Bennet im Internet über mich verbreitet, dachte ich auf einmal gleichgültig. Das Weib kann mir damit im Grunde überhaupt nicht schaden. Das ist doch alles totaler Schwachsinn. Schon morgen wird sich niemand mehr für ihren bekloppten Blog interessieren, redete ich mir ein.
Obwohl ich keinen Hunger mehr und schon weitaus besser gegessen hatte, nahm ich mir auch noch die zweite Brötchenhälfte vor. Langsam, aufreizend biss ich ab und fixierte dabei Sarah, die ihren Blick nicht von mir abwandte. Sarah war für einen Flirt immer zu haben, das wusste ich aus Erfahrung, aber Tabea gönnte mir diesen Spaß natürlich nicht und holte tief Luft. „Ich glaube dir nicht, dass du Jill nicht dein Einverständnis zur Veröffentlichung ihres Blogs gegeben hat, Clay. Jill Bennet schreibt schon jahrelang diese Blogs, die würde das Risiko verklagt zu werden nicht eingehen! Erzähl uns doch jetzt lieber mal, wer dich verprügelt hat. Wer hat dir das blaue Auge verpasst und warum?" forderte sie mich provozierend auf.
Sie grinste spöttisch, als sie merkte, wie ihre scheiß Frage mich unwillkürlich verspannte. Schon wieder schaute mich jeder an diesem Tisch neugierig an, lauerte auf meine Reaktion und auf intime Einzelheiten, besonders die beiden Betreuer Ayse und Ragnar, dabei ging mein Leben niemanden etwas an. Mühsam zwang ich mich, ganz ruhig zu bleiben. „Das war nur ein Missverständnis", versicherte ich lapidar, „Das ist längst geklärt." Es war nicht mal eine Lüge, fiel mir auf, und plötzlich dachte ich an das kleine, viel zu dünne Junkiemädchen, vorgebeugt, dicht vor mir, mein harter Schwanz verdammt tief in ihr.
Hastig schob ich den Gedanken beiseite und schüttelte das geile Bild aus meinem Kopf. Ich setzte mich gerade hin und nahm noch einen Bissen und einen Schluck Kaffee. Verärgert merkte ich, dass meine Finger unverändert zitterten.
„Warst du mit deinen Verletzungen beim Arzt?" wollte Ragnar allen Ernstes von mir wissen. Geringschätzig warf ich ihm einen Blick zu. Wollte er mich verarschen? „Willst du mir etwa weismachen, dass der Doc dich nicht schon längst angerufen und vorgewarnt hat, Ragnar?" Er hob beschwichtigend die Hände und nickte. „Du hast recht, Clay, das hat er getan." „Also weißt du schon längst, dass ich beim Arzt war. Sogar zweimal", erklärte ich ihm ungeduldig. Er stritt es nicht ab, und seine Ehrlichkeit versöhnte mich sofort mit ihm.
„Können wir jetzt vielleicht mal über was anderes reden, als diesen Superstar?" ließ Axel sich plötzlich genervt verlauten, und zum ersten Mal in meinem Leben war ich ihm für etwas dankbar, obwohl er das letzte Wort förmlich ausspuckte. Ayse nickte zustimmend. „Natürlich, Axel, welches Thema schlägst du vor?" richtete sie sich an ihn und brachte ihn damit in Verlegenheit, weil er natürlich keinerlei Thema parat hatte. Es entstand ein gespanntes Schweigen, das diesmal nicht auf mir lastete, deshalb konnte ich, wie alle anderen, spöttisch Axel beobachten, der sich unbehaglich auf seinem Stuhl wand und nervös einen Schluck aus seinem Wasserglas nahm.
„Ich weiß nicht. Irgendwas anderes als Banton halt", zischte er schließlich verärgert und tötete mich mit den Augen, als wäre es meine Schuld. „Ach, komm schon, Axel! Es gibt hier nichts Interessanteres als Clay Banton!" bemerkte Stuart und zwinkerte mir belustigt zu, weil er den Arsch damit nur provozieren wollte, hoffte ich jedenfalls. „Ha Ha", machte Axel nicht im mindesten amüsiert.
Ich hatte endlich mein Brötchen heruntergewürgt und stand abrupt auf. „Ich geh eine rauchen", verkündete ich, als müsste ich mich abmelden. „Komm bitte gleich danach zurück", konnte Ragnar sich nicht verkneifen zu betonen. Ich nickte ihm zu und ging langsam Richtung Ausgang. „Bleib bloß von Merle weg!" rief Tabea mir noch warnend hinterher. Dann war ich im Flur und meine Schritte wurden automatisch schneller. Je weiter ich von diesem Tisch wegkam, umso leichter fiel mir das Atmen.
Eliza
Dieser sensible Mann kennt mich so verdammt gut, registrierte ich überwältigt, und er ist unverändert berauscht von mir. Nur ein paar Minuten meiner Zärtlichkeiten reichen schon aus, um ihn vollständig zu entflammen. Dabei irritierte mich ungemein, dass ich zweifellos ganz genauso fühlte. Verdammt! Ich wollte Clay auf der Stelle an mich ziehen, ganz nah zurück zu mir, ihm die Kleider vom Leib reißen und in ihm versinken.
Aber das geht doch nicht, mahnte mich eine innere Stimme zwischen Wut und Bedauern. Du darfst das nicht tun, weil du dich von ihm getrennt hast. Wenn du dich jetzt auf Sex mit ihm einlässt, dann wird er die Trennung mit Sicherheit niemals begreifen. Und das könntest du ihm dann noch nicht einmal mehr vorwerfen, weil nämlich dann deine Worte und deine Taten eine total gegensätzliche Sprache sprechen würden.
Eine ganze Weile standen wir dicht voreinander im Flur und atmeten schwer. Wir versuchten jetzt beide uns zu beruhigen. Ich konnte es nicht fassen, wie devot er war, wie sehr er sich meiner Gunst auslieferte. Meine vorherigen, harten Schläge taten mir mal wieder leid. Ich war mir nicht mehr sicher, ob der Mann diese Art der Rache und Bestrafung wirklich verdient hatte.
„Mensch, Clay, was soll ich denn jetzt bloß mit dir machen?" fragte ich ihn schließlich ratlos. Ich konnte nicht verhindern, sein erleichtertes Lächeln zauberhaft zu finden. „Es wäre schön, wenn du aufhörst mich zu schlagen", flüsterte er zärtlich, hob spontan die Hand und streichelte sanft über mein Gesicht. Seine Berührung elektrisierte mich dermaßen, dass ich mich sofort hastig von ihm wegdrehte und mit schnellen Schritten Richtung Küche flüchtete. Auf der Schwelle der Tür drehte ich mich zögernd zu ihm um. Er stand noch genauso dort und beobachtete mich abwartend. „Geh ins Wohnzimmer, Clay. Setz dich aufs Sofa. Ich hol uns was zu trinken", sagte ich so neutral wie möglich. Er lächelte dankbar, aber seine Augen blitzten eindeutig siegesgewiss. „Okay, Eliza", stimmte er mir zu und setzte sich langsam, schwankend in Bewegung. Er schien Schmerzen zu haben, versuchte aber sie zu ignorieren.
Ich drehte mich hastig von ihm weg und eilte in die Küche. Ich hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen wegen dem Schmerz, den ich ihm zweifellos zugefügt hatte. Meine unüberlegte Reaktion auf ihn war dumm und unangemessen gewesen, womöglich sogar unfair. Ich fand mich selbst auf einmal äußerst primitiv. Meine brutalen Schläge taten mir leid. Ich verstand nicht mehr, welcher Teufel mich bei meinem Wutanfall geritten hatte. Ich versuchte verbissen, mich an den Grund meiner ungeheuren Wut zu erinnern, aber in mir war nur noch eine eigenartige Leere. Ich fühlte mich auf eine merkwürdige Art besiegt.
Er hat es schon wieder geschafft, registrierte ich erschlagen. Clay Banton hat mich einmal mehr um den kleinen Finger gewickelt. Ich hatte dieser Tatsache nichts mehr entgegenzusetzen. Der Mann hatte sein Ziel letzten Endes mit einer Leichtigkeit erreicht, die mich im Nachhinein erschreckte.
Als ich endlich mit zwei Gläsern und einer Flasche Multivitaminsaft ins Wohnzimmer kam, saß Clay brav auf dem Sofa und lächelte mich liebevoll an. Ich seufzte resigniert, stellte die Gläser und die Flasche auf den Tisch und setzte mich neben ihn. Dann goss ich uns beiden von dem Saft ein. Ich trank einen Schluck. Clay beobachtete mich amüsiert. Er war sich seines Triumphs sichtbar voll bewusst, und das ärgerte mich. Ich beschloss spontan, es ihm wenigstens nicht zu leicht zu machen.
„Warum bist du hier?" fragte ich ihn schließlich vorwurfsvoll und mit Nachdruck. Mir war immer noch nicht richtig klar, ob er unsere Trennung überhaupt verstanden hatte. Das galt es nun endgültig für mich herauszufinden. Meine Frage und der Tonfall meiner Stimme behagten ihm offensichtlich nicht. Er nahm zögernd einen Schluck Saft, um sich Zeit zu verschaffen. Er stellte das Glas langsam zurück auf den Tisch und vermied es mich anzusehen. „Ich möchte bei dir sein", erklärte er mir unsicher. Hilflos starrte er auf den Tisch und wartete ergeben auf meine Reaktion. „Warum? Was versprichst du dir davon?" fragte ich ihn verständnislos. Seine Augen schlossen sich abwehrend, er atmete tief ein. „Ich liebe dich, Eliza", flüsterte er defensiv, als müsste das alles erklären, und als müsste ich das doch eigentlich wissen.
Dann saß er neben mir auf dem Sofa, die Augen geschlossen, und rührte sich nicht. Ich betrachtete ihn eine Weile. Er wirkte so dermaßen verloren, dass ich bewegt schlucken musste. Ich zwang mich energisch, meine Zuneigung zu diesem dummen Mann im Zaum zu halten, aber sie brach unwillkürlich aus allen meinen Poren hervor.
„Aber das hat doch keinen Sinn, Clay", versuchte ich betrübt ihm begreiflich zu machen. Seine Augen öffneten sich widerwillig. Er wandte sich mir zögernd zu. Traurig schaute er mich an. „Was soll das heißen?" fragte er verwirrt. „Ich kann dir nicht helfen, verstehst du das denn nicht?" machte ich einen neuen Versuch, diese Sache zwischen uns zu klären. Aber Clay schüttelte abwehrend den Kopf. „Du musst mir auch nicht helfen, Liz, das will ich doch gar nicht!" beteuerte er treuherzig. „Was willst du denn dann von mir?" fuhr ich ihn ungeduldig an. Er seufzte tief. „Ich möchte nur bei dir sein, sonst nichts", erklärte er mir ganz leise.
Dann lächelte er vorsichtig und streckte die Hand nach mir aus. „Bitte, sei einfach für mich da. Lass mich bei dir ausruhen." Seine Finger wollten nochmal mein Gesicht berühren, aber ich drehte mich schnell von ihm weg. Er zog seine Hand enttäuscht zurück. „So geht das aber nicht, Clay! Damit machst du es dir entschieden zu leicht!" erklärte ich ihm energisch.
Aber ich hatte dabei das starke, äußerst vertraute Gefühl, dass jedes Wort von mir umsonst war. Ich hätte genauso gut gegen eine Wand reden können. Clay Banton würde niemals in der Lage sein, mich auch nur annähernd zu verstehen. Oder vielleicht wollte er mich auch einfach nicht verstehen. Ich bekam das äußerst unangenehme Gefühl, dieses Gespräch mit diesem Mann schon tausendmal geführt zu haben, mit dem immer gleichen deprimierenden Ergebnis.
„Was meinst du denn damit?" fragte er mich natürlich verständnislos, „Was soll das heißen, ich mache es mir zu leicht?" Ich stöhnte unwillig auf und taxierte ihn. „Verdammt, Clay, denk doch einmal nach! Immer dann, wenn es dir schlecht geht, wenn es dir aus irgendeinem Grund gerade in den Kram passt, dann kommst du zu mir gekrochen, damit ich dich trösten soll. Aber ansonsten soll ich mich schön aus deinem Leben raus halten, nicht wahr?"
Ich beobachtete aufmerksam seine Reaktion, die mich überhaupt nicht überraschte. Er schüttelte verwirrt den Kopf. „Nein, so stimmt das doch gar nicht...", fing er zögerlich an, obwohl er sich offensichtlich gar nicht sicher war, was ich ihm überhaupt damit gesagt hatte. Ich unterbrach ihn ungehalten. „Ach! Es stimmt also nicht, dass du immer nur das tust, was du gerade willst, hm?! Es ist dir ganz egal, was ich davon halte! Und es stimmt nicht, dass du immer nur zu mir kommst, wenn es dir schlecht geht! Wenn es dir nämlich gut geht, Clay, dann findet man dich meistens bei Sean Valmont!"
Meine Stimme war automatisch immer lauter geworden, weil diese Tatsache mich unglaublich ärgerte. Es machte mich wütend, dass ich mich schon wieder mit diesem Thema beschäftigen musste, obwohl ich doch das Kapitel Clay längst für mich abgeschlossen glaubte.
Banton zuckte intuitiv zusammen, als ich Valmont erwähnte. Er wand sich unbehaglich auf dem Sofa und stöhnte hilflos. „Das ist doch nicht wahr!" protestierte er überfordert. „Nicht? Dann erinnere dich bitte mal, wann du in den letzten Monaten hier bei mir aufgetaucht bist, Clay! Wann war das, hm?" drängte ich ihn gnadenlos und rückte spontan näher zu ihm hin. Er guckte mich nicht an, sondern starrte verwirrt auf den Tisch. Er sagte nichts. Ich wartete eine Weile, doch es sah nicht so aus, als wollte er mir antworten.
„Du weißt genau, wie recht ich damit habe!" sagte ich schließlich triumphierend, „Du warst nämlich nur hier, wenn es dir aus irgendeinem Grund nicht gut ging! Aber wenn du genug Drogen genommen hast, dann war ich dir egal, dann bist du bei Valmont gewesen!" Clay schüttelte den Kopf. „Du bist mir niemals egal, Eliza. Und ich war nicht immer bei Valmont", betonte er leise. Ich lachte spöttisch auf. „Ach, wie tröstlich, dass du nicht immer bei Valmont warst!"
„Du bist eifersüchtig, Liz", stellte Clay fest und schaute mich vorsichtig an. Seine Augen blitzten vage amüsiert. „Natürlich bin ich eifersüchtig!" rutschte mir spontan heraus, noch bevor ich mich bremsen oder darüber nachdenken konnte. Clay lächelte liebevoll, und ich beeilte mich ihn zu fragen: „Wärst du denn nicht auch eifersüchtig, wenn ich, so wie du, ständig wahllos Sex hätte?!"
Lauernd taxierte ich ihn und hoffte insgeheim auf eine Antwort, die ich von Herrn Banton nun wirklich nicht erwarten konnte. Clay lachte laut auf und mir wurde klar, dass ich ihm diese Frage tatsächlich noch nie gestellt hatte. Sein Lachen ärgerte mich, denn es wirkte so, als fände er meine Hypothese vollkommen absurd, als könnte er sich einfach nicht vorstellen, dass ich wild durch die Gegend vögeln würde. Und obwohl er damit zweifellos recht hatte, machte sein Amüsement mich ziemlich wütend, weil er mir so ein Leben anscheinend schlicht nicht zutraute.
„Was ist daran so lustig?" knurrte ich ihn zornig an. Sein Lachen verstummte sofort. Er betrachtete mich aufmerksam, suchend, war sich offenbar nicht im Klaren darüber, was meine Frage eigentlich bezweckte. „Es ist doch ganz egal, mit wem und wie oft du Sex hast", antwortete Clay mir behutsam. Er merkte mir an, dass seine Antwort mich gegen meinen Willen kränkte, obwohl ich mich so bemühte, teilnahmslos zu wirken. Hastig setzte er hinzu: „Das hat mit uns doch überhaupt nichts zu tun!"
Clay Banton empfand das wirklich so, und mir dämmerte, dass er diese Sache schon immer so empfunden hatte. Für ihn waren Sex und Liebe zwei vollkommen verschiedene Schuhe, und manchmal war es auch einfach ein und dasselbe. Sex war für ihn nichts, worüber man sich Sorgen machen musste. Man musste noch nicht mal darüber nachdenken.
Das ist doch alles völlig sinnlos, dachte ich erschöpft. Ich habe das doch schon längst hinter mir. Ich sollte wirklich nicht mehr eifersüchtig wegen diesem untreuen Cruiser sein. Schließlich war dieser Mann mir noch niemals treu und würde es auch niemals sein, dachte ich deprimiert.
Clay schaute mich jetzt frivol lächelnd an und seine Augen blitzten verwegen. „Weißt du, Liz, ich habe mir schon mal vorgestellt, wie du mit Rowina..." „Mit Rowina?!" unterbrach ich ihn sofort entsetzt, „Spinnst du total? Ich bin doch nicht lesbisch!" Der bloße Gedanke, es mit meiner besten Freundin zu treiben, stieß mich wirklich ab. Clay hob beschwichtigend die Hände und kicherte belustigt. „Nur, weil du es auch mit Männern machst, glaube bloß nicht, dass ich Gefallen an Frauen finden könnte!" machte ich ihm lauthals klar. Er lächelte milde und unverkennbar lüstern. „Du hast es noch nie probiert", stellte er sanft in den Raum. „Ich will es auch nie probieren, Clay, weil es mich nämlich überhaupt nicht antörnt!" stellte ich entschieden klar, „Das ist völlig absurd!" Ich schüttelte fassungslos den Kopf.
Clay grinste amüsiert, siegesbewusst und mir wurde klar, dass er mich mit Rowina nur provozieren wollte. Er hatte diese lächerliche Hypothese einzig aufgestellt, um von seiner eigenen Person und seinen Ansichten zur Treue abzulenken. Herr Banton wollte schlicht das Thema wechseln, und das gelang ihm auch sofort.
„Du bist so eingesperrt in deinen Moralvorstellungen, Liz. Aber du würdest dich wundern, was man alles machen kann, wenn man sich nur traut", flüsterte er atemlos. Der bloße Gedanke von lesbischem Sex erregte ihn ganz offensichtlich. „Komm wieder runter!" wies ich ihn scharf zurecht, „Ich werde es niemals mit einer Frau treiben und schon gar nicht mit Rowina!" „Schade", seufzte Clay, wofür ich ihm am liebsten eine runter gehauen hätte. Ich betrachtete ihn entgeistert. „Du willst mir also damit sagen, dass du nicht eifersüchtig wärst, wenn ich mit Rowina Sex hätte?" wollte ich wissen. Clay lächelte mich wieder an. Er atmete tief, seine Finger berührten meine Schulter und streichelten dann sanft meinen Oberarm. „Ich würde euch echt gerne dabei zuschauen", eröffnete er mir aufgeregt, „Und noch lieber würde ich dabei mitmachen."
Ich starrte ihn perplex an. Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, ob er mich mit seinem Geständnis nicht nur noch mehr provozieren wollte, mich total aus der Fassung bringen, damit ich ihn nicht länger mit meinen unangenehmen Fragen löcherte. Rowina verachtete ihn schließlich inbrünstig. Meine beste Freundin ging spöttisch und aggressiv auf Clay los, wann immer sie auch nur in seine Nähe kam.
Aber gleich darauf war mir schon klar, dass Clay seine sexuelle Fantasie tatsächlich ehrlich meinte. Er hatte sich dieses Szenario wahrhaftig vorgestellt. Der Mann wollte seine ärgste Feindin auf diese Weise bezwingen, sie mit Sex gefügig machen und letztendlich besiegen. Und aus irgendeinem Grund war ich mir völlig sicher, dass ihm das sogar gelingen würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekäme. Allerdings würde ich ihm diesen gemischten Dreier mit Sicherheit nicht ermöglichen und Rowina würde ihm auch etwas anderes erzählen, da war ich mir sicher.
„Das ist so widerlich, Banton!" schrie ich entsetzt auf. Ich konnte nicht fassen, dass wir über solche Dinge sprachen, über die ich noch nicht mal nachdenken wollte. Ich war wütend, weil Clay damit angefangen hatte, und weil das Thema und die Vorstellung für ihn so reizvoll zu sein schienen. Er zuckte erschrocken zusammen und zog seine Hand verunsichert zurück. „Das ist nicht widerlich!" widersprach er mir betrübt und musterte mich. „Das ist total geil", flüsterte er ernsthaft.
Ich hatte Mühe damit, die Beherrschung nicht zu verlieren und atmete eine Weile tief durch. Seine Ansichten in Puncto Sex und Treue waren noch viel extremer, als ich wissen wollte. Trotzdem konnte ich irgendwie nicht damit aufhören, ihn danach zu fragen. Ich hatte einfach das Bedürfnis, diese Karten einmal offen auf den Tisch zu legen, auch wenn ich mich längst von Clay getrennt hatte.
„Und wie wäre es, wenn ich einen anderen Mann lieben würde? Wenn ich neben dir noch einen zweiten dauerhaften Geliebten hätte? Wäre dir das auch völlig egal?" fragte ich ihn schließlich matt, obwohl ich mir seine Antwort langsam denken konnte, und ich sie eigentlich auch gar nicht hören wollte.
In meinem Wohnzimmer wurde es ganz still, während ich Clay Banton aufmerksam beobachtete. Der Mann schien irritiert zu sein und überlegte eindeutig viel zu lange. Er blickte mich prüfend an und versuchte merkbar, die Absicht hinter meinen Worten zu erraten, was ihm natürlich nicht gelang. Er hatte keine Ahnung, was ich hören wollte, und er hatte offensichtlich noch nie über diese Möglichkeit nachgedacht.
„Was meinst du denn damit?" fragte Clay mich schließlich ratlos. Ich war mir sicher, dass er damit nur Zeit schinden wollte. „Versetz dich einfach mal in meine Lage, Clay! Jetzt bin ich es, die Sean Valmont liebt, und du darfst nutzlos dabei zuschauen!" erklärte ich ihm ungeduldig und ziemlich schroff. Clays Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen. „Du bist nicht nutzlos, Liz! Du bist niemals nutzlos!" betonte er verzweifelt.
Es ärgerte mich, dass er sich an diesem Wort aufhielt. Offenbar wollte er mir nicht antworten, oder er verstand tatsächlich kein Wort. „Clay! Sag mir einfach, ob du mit einem Sean Valmont in meinem Leben klar kommen würdest!" forderte ich ihn genervt auf. Clay schüttelte entschieden den Kopf. „Aber ich liebe Valmont doch gar nicht!" entgegnete der Mann maßlos verwirrt, der sich unverändert selbst belog. Frustriert stöhnte ich auf. „Okay, dann vergiss Valmont eben! Stell dir einen anderen Mann vor, den ich genauso lieben würde wie dich!" bedrängte ich Clay hartnäckig und ließ ihn dabei nicht aus den Augen.
Clay Bantons Mühlen mahlten langsam, aber ich konnte ihm genau ansehen, dass sein inneres Getriebe arbeitete. Er dachte lange nach, bemühte sich redlich, diese Vorstellung eines Nebenbuhlers zu erzeugen. Aus irgendeinem Grund schien ihm das enorm schwer zu fallen. Er war noch nie in so einer Situation, vermutete ich erstaunt, Clay Banton hatte in Sachen Liebe noch niemals einen Konkurrenten! Womöglich war er sogar vorher noch nie in jemanden verliebt gewesen! Konnte das denn überhaupt möglich sein?!
Verblüfft betrachtete ich ihn. Es gefiel mir ungemein, wie ruhig der Mann mit der Zeit wurde, wie nachdenklich. Als er mein Szenario offenbar endlich richtig vor Augen hatte, wirkte er wahrhaftig so, als würde es ihm auf irgendeine Art wehtun. Fassungslos musste ich feststellen, dass sogar Clay so etwas wie Eifersucht empfinden konnte. Oder war es nur tiefe Traurigkeit, die in seinen Augen erschien?
„Wenn das dein innigster Wunsch wäre, dann könnte ich damit leben, Liz. Ich möchte doch nur, dass es dir gut geht!" erklärte Clay mir endlich zögernd und schaute mich verunsichert an. Er hatte offenbar keinen Schimmer, was ich von ihm hören wollte. Deshalb sagte er einfach irgendwas, von dem er annahm, dass es mich besänftigen würde.
Aber seine Worte beruhigten mich kein bisschen. „Das glaube ich dir nicht, Clay! Du bist gerade kurz eifersüchtig gewesen, als du es dir vorgestellt hast! Das habe ich genau gesehen!" ging ich verärgert auf ihn los. Keine Ahnung, warum ich unbedingt von ihm die Bestätigung hören wollte, dass er eifersüchtig sein konnte. Eigentlich gingen mich seine Empfindungen doch überhaupt nichts mehr an. Aber alles in mir drängte jetzt nach der Wahrheit, nach wenigstens einem Hauch seines Verstehens für meine Lage.
Clay zog verärgert die Augenbrauen zusammen, offenbar strapazierte ich seine Geduld. „Woher willst du wissen, wie es aussieht, wenn ich eifersüchtig bin?" fragte er mich ungehalten. „Ich bin nämlich noch nie eifersüchtig gewesen!" behauptete er dann großspurig. Ich lachte bitter auf. „Ja, weil du noch nie einen Grund dafür hattest! Du bist ja auch noch nie betrogen worden, Clay! Du musstest noch nie den Menschen, den du geliebt hast, mit einem anderen teilen!" machte ich ihm gnadenlos klar.
Clay stöhnte genervt auf und schüttelte den Kopf. „Eliza, ich verstehe das nicht! Was soll das denn alles? Du hast doch gar keinen anderen Geliebten! Warum müssen wir also überhaupt darüber reden?" quengelte er wie ein Kind. Spontan packte ich ihn an seiner Krawatte und zog ihn zu mir hin. Er ließ das geschehen, ohne sich zu wehren. Ich schaute ihm tief in die Augen und stellte befriedigt fest, wie nervös sie anfingen zu zucken. Clay war mir unverändert unterlegen und diese Tatsache berauschte mich ein weiteres Mal.
„Weil du es dir vorstellen sollst, Clay! Weil du dich in meine Lage versetzen sollst!" sagte ich ihm laut und deutlich ins Gesicht. Er schloss defensiv die Augen und flüsterte allen Ernstes: „Du bist nicht in dieser Lage, Eliza." „Bin ich wohl!" schrie ich aufsässig, sodass seine Augen wieder aufklappten. Erstaunlich ruhig erwiderte er meinen durchbohrenden Blick. „Nein, bist du nicht. Ich liebe keine andere Frau außer dich!" beharrte er ganz leise. Mein darauf folgendes Lachen klang echt hysterisch. „Denkst du denn, es wäre so ein großer Unterschied, wenn du stattdessen einen anderen Mann liebst!"
Sein Gesicht war dicht vor meinem, während ich ihm tief in die Augen blickte, meine Finger fest in seine Krawatte gekrallt, sodass er mir nicht ausweichen konnte. Die braunen Sprenkel in seinen grünen Augen waren unbestreitbar faszinierend. Clay lächelte erneut liebevoll, was ich zauberhaft fand, und was mich echt wütend machte, weil ich gerade auf Hundertachtzig war.
„Drehen wir uns jetzt also im Kreis, Frau Laser?" wollte er sanft von mir wissen. Und dann beugte er sich dreist vor und küsste mich zart auf den Mund. Er hatte keinen langen Weg zurückzulegen, weil wir uns ohnehin schon so nah waren. Trotzdem kam sein Kuss total überraschend, und dementsprechend sah ich wohl aus, denn Clay lachte belustigt auf.
Das machte mich noch wütender, sodass ich nahe daran war ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Stattdessen ließ ich seine Krawatte los und versetze ihm einen Schubser gegen die Brust, von mir weg. Clay hatte sich von mir eine andere Reaktion auf seinen Kuss erhofft und stöhnte enttäuscht auf.
„Es ist dir also scheißegal, wie viele Männer ich liebe?" hakte ich wütend nach. Clay knurrte ungeduldig. Ihm gefiel dieses Thema nicht, es überforderte ihn und er wollte es jetzt schnellstmöglich beenden. Also holte er tief Luft. „Ja, Eliza, es ist mir absolut scheißegal, wie viele Männer du liebst oder fickst!" blaffte er zornig mit angriffslustig funkelnden Augen.
Eine Weile war es still, während wir uns feindselig anstarrten. Der Mann hatte keine Ahnung, wie sehr seine Antwort und die damit verbundene Gleichgültigkeit mich verletzten, sogar viel mehr, als ich mir selber eingestehen wollte. Und sogar, obwohl mir klar war, dass er diesen Satz nur im Affekt, in einem Anfall von Ungeduld geblafft hatte. Die Worte fühlten sich trotzdem an, wie ein Schlag ins Gesicht, weil ich tief drinnen wusste, dass sie trotz Clays Wut einen großen Kern Wahrheit enthielten. Er empfand das wirklich so. Und auch sein hastig und nur wenig leiser hinterher geschobenes „Solange du mich nicht verlässt!" konnte daran nichts mehr ändern.
Da hast du noch einen Grund für deine Trennung von ihm, dachte ich traurig, diese Empfindung allein ist für dich doch schon vollkommen inakzeptabel. Ein intimer Nebenbuhler wäre ihm absolut scheißegal! Also kann seine Liebe zu mir eigentlich nicht besonders groß sein. Er hat keinerlei Besitzansprüche an mich, würde mich jederzeit mit jedem beliebigen Mann teilen. Das würde ihm wahrhaftig überhaupt nichts ausmachen.
Hastig drehte ich mich von Clay weg, der immer noch neben mir auf dem Sofa saß und mich beunruhigt musterte. Es bereitete mir einige Mühe, seine naive Ehrlichkeit zu ertragen. Ich versuchte, mich zu beruhigen, denn eigentlich war ich doch schon längst über diesen attraktiven, launenhaften Mann hinweg. Es war meine eigene Schuld, denn ich hatte ihn hartnäckig nach diesen Dingen gefragt. Nun musste ich auch mit seiner Antwort fertig werden.
Überhaupt hatte ich gar keinen Grund mehr, ihn wegen seiner ständigen Untreue zu verachten. Schließlich hatte ich ja mit meiner Trennung von ihm die einzig wahre Konsequenz daraus gezogen. Aber seine naive Offenheit erschreckte mich, weil mir durch sie klar wurde, dass er diese oberflächlichen Ansichten höchstwahrscheinlich auch schon die ganze Zeit während unserer zweijährigen Beziehung gehabt hatte. Vielleicht wollte er mich noch nie für sich allein haben. Also war ich im Grunde überhaupt nichts Besonderes für ihn.
Ich fühlte mich gekränkt und das ärgerte mich enorm. Ich wollte ihm heimzahlen, dass er mich mit seinen unbedachten Worten immer noch so stark verletzen konnte und so sehr in Rage brachte. „Solange du mich nicht verlässt!" äffte ich ihn gehässig nach. „Mann, Banton, ich habe dich schon längst verlassen!" betonte ich mit spöttischem Grinsen. Clay erwiderte nichts, aber sein Gesicht verzog sich zu einem hilflos verärgerten Ausdruck. Abwehrend schloss er die Augen.
„Nur weil du deinen Arsch für andere Männer hinhältst, kannst du das gleiche nicht auch von mir erwarten", entfuhr es mir völlig unüberlegt. Sofort tat mir diese harte und viel zu obszöne Aussage leid. Ich warf Clay einen Blick zu. Er lächelte längst nicht mehr und sah jetzt eindeutig gequält aus. Zögernd öffnete er die Augen und schaute mich deprimiert an. „Ich halte meinen Arsch nicht für andere Männer hin", seufzte er gekränkt, obwohl ich es besser wusste. „Ach tatsächlich? Tust du das nur für Sean Valmont?" spottete ich lauthals.
Clay schloss nochmal instinktiv schützend die Augen. Er atmete tief ein und aus im Bemühen ruhig zu bleiben. Es tat mir eigentlich leid, dass ich ihn schon wieder damit angriff, aber ich konnte einfach nicht anders. Erstaunt spürte ich, wie sehr das Thema Valmont mich immer noch aufregte. Wie extrem eifersüchtig ich tatsächlich noch auf diesen viel zu wichtigen und auch noch überirdisch attraktiven Mann in Clay Bantons Leben war. Meine eigene Eifersucht ärgerte mich total. Eigentlich solltest du längst darüber hinweg sein, schalt ich mich innerlich, du hast diesen Scheiß doch schon längst für dich abgehakt!
„Wie du das sagst, das klingt immer so... abstoßend", flüsterte Clay auf einmal traurig mit geschlossenen Augen. Ich konnte ihn kaum verstehen und beugte mich deshalb zu ihm hin. Er saß reglos aufrecht auf der Couch, den Rücken gegen die Lehne gedrückt. „Aber so ist das gar nicht, Eliza. Es ist einfach nur total...schön", beteuerte er mir ganz leise, ohne die Augen zu öffnen. Ich lachte spontan spöttisch, beinahe hysterisch laut auf. „Ach so ist das! Du findest es also total schön, wenn Valmont dich in den Hintern rammelt!" spuckte ich gemein auf Clay runter, bevor ich mich bremsen konnte.
Im selben Augenblick hatte ich das immens starke Gefühl, dass dieses Gespräch komplett aus dem Ruder lief. Meine eigene Gemeinheit und geschmacklose Härte Clay gegenüber erschreckten mich. Warum bin ich nur schon wieder so wütend auf ihn, fragte ich mich irritiert, warum will ich ihn unbedingt angreifen und verletzten? Ich habe mich längst von ihm getrennt und er kann deshalb spätestens jetzt auf alle Arten und mit jedem Menschen Sex haben, ganz wie es ihm beliebt. Das geht mich doch alles überhaupt nichts mehr an!
Aber irgendein total starkes Gefühl in mir drängte meine Handlungen in die gegensätzliche Richtung meines Verstandes. Du musst jetzt damit aufhören, warnte mich eine innere Stimme, sonst wird es womöglich noch richtig hässlich.
Verunsichert betrachtete ich ihn. Er saß unverändert bewegungslos dicht neben mir auf dem Sofa. „Das tut mir leid, Eliza. Mir war nicht klar, dass es dir soviel ausmacht. Aber er ist kein Konkurrent für dich", flüsterte Clay mit zögerlicher Stimme. Er hatte noch immer seine Augen abwehrend geschlossen. „Es macht mir einen Scheiß aus, was du mit Valmont treibst, Banton!" zischte ich unfreundlich, was eine offensichtliche Lüge war, doch er überhörte mich wohlweislich und reagierte nicht darauf.
Stattdessen seufzte er betrübt und holte tief Luft. „Ich hatte echt keine Ahnung, wie es sein kann. Ich hatte nie Sex mit einem Mann, bevor ich Valmont traf. Er hat mich total überwältigt, denn er kann so verdammt lieb zu mir sein", wisperte Clay weiter, als wäre ich gar nicht da.
Fassungslos betrachtete ich sein hübsches Gesicht in allen Einzelheiten. Nur langsam wurde mir bewusst, dass Clay Banton gerade zum allerersten Mal mit mir über seine intime Beziehung zu Sean Valmont sprach. Es verblüffte mich, dass er ausgerechnet diese eigentlich angespannte Situation für seine Geständnisse wählte. Dass er überhaupt plötzlich so offen zu mir sprach, wo ich ihn doch alles andere als nett behandelt hatte. Ich war von seinem unerwarteten Vertrauen überrumpelt und wusste nicht zu reagieren.
Die Information, dass Sean Valmont sein erster Mann gewesen war, überraschte mich enorm, denn ich hatte nichts dergleichen vermutet. Im ersten Moment zweifelte ich an der Wahrheit seiner Aussage, aber schon zwei Sekunden später fiel jeder Zweifel von mir ab. Mir wurde klar, dass Clay in diesen Minuten überraschend ehrlich zu mir war. Der sensible, traurige Mann hatte vor meinem sinnlosen Zorn, meiner impulsiven Gehässigkeit kapituliert und glaubte nun zu recht, mich nur noch mit der Wahrheit besänftigen zu können.
Und mit seiner Annahme lag er völlig richtig. Er kennt mich enorm gut, fiel mir einmal mehr auf, Herr Banton weiß mich richtig einzuschätzen und er schafft es immer irgendwie, mir meine Wut fast unbemerkt wegzunehmen.
Nun glaubte ich endlich den Grund für die überaus enge Beziehung der beiden Männer zueinander erfahren zu haben. Es wird sich niemals etwas an ihrer intimen Vertrautheit ändern, begriff ich betrübt, denn Valmont hat Banton tatsächlich entjungfert und wird deshalb immer etwas ganz Besonderes für ihn sein, an das kein anderer heranreicht.
Im ersten Augenblick deprimierte mich diese neue Erkenntnis sehr. Aber dann verstärkte diese Tatsache meine Gewissheit, mit der Trennung von Clay völlig richtig gehandelt zu haben.
Abermals holte er tief Luft, um mir etwas zu erklären, was er mir noch niemals vorher auch nur angedeutet hatte. Ich war so überrascht, dass ich ihm nur noch gebannt lauschen konnte. Seine Stimme war unverändert leise, sodass ich meine Ohren spitzte und mich zu ihm beugte.
„Mit dir ist es genauso, Liz, du kannst auch so verdammt lieb zu mir sein, dass ich es manchmal kaum ertragen kann", flüsterte Clay, als würde er mit sich selbst sprechen, „Ich habe nicht gewusst, wie es mit einer Frau sein kann, bevor ich dich traf. Aber bei dir fühlt sich anders an, als bei Valmont. Mit dir und mit Sean ist es nicht mal ähnlich, sondern einzigartig. Man kann das nicht vergleichen. Und vor allem ist jeder andere Sex dagegen total wertlos. Ich ficke nur mit anderen, weil ich schwach bin und diesen ständigen Drang dazu habe. Aber das hat überhaupt nichts mit dir zu tun. Ich weiß nicht, warum das so ist, ich verstehe es nicht mal, aber es ist eben so", gestand Clay Banton mir ruhig in die Stille hinein. „Ich will ernsthaft damit aufhören, Liz. Ich will das echt in den Griff kriegen", setzte er noch deprimiert ächzend hinzu.
Dann saß nur noch hilflos dort, die Augen fest geschlossen, seufzte nochmal schwer und war still. Er wirkte jetzt vollkommen verloren, als hätte er mir soeben seine intimsten Geheimnisse anvertraut und wartete nun auf mein vernichtendes Urteil. Und tatsächlich hatte ich ihn noch nie so viel Persönliches auf einmal sagen hören.
Eine lange Zeit war es totenstill, während ich ihn fassungslos betrachtete. Ich war unglaublich gerührt von seiner Naivität gegenüber seinen eigenen Gefühlen und Trieben. In der Tat hatte er mir Dinge anvertraut, die er sicherlich noch nie vorher jemandem auch nur versucht hatte zu erklären. Clay hatte mir wahrhaftig gerade sein Herz ausgeschüttet und wartete nun ergeben, merkbar angespannt auf meine Reaktion. Anscheinend erwartete er nichts Angenehmes von mir, was ich ihm nicht mal verdenken konnte, so mies, wie ich ihn vorher schon wieder behandelt hatte.
Dieser kindliche, einsame Mann ist emotional völlig abhängig von Sean und mir, verstand ich erschüttert. Clay hatte offenkundig seine sämtlichen, wirren Gefühle ausschließlich an uns beide gehängt. Wir waren tatsächlich sein ganzer Maßstab!
Tief in mir rührte sich mein Mitgefühl, ohne dass ich es hätte verhindern können. Ich muss jetzt unbedingt sofort damit aufhören ihn anzugreifen, bevor es noch viel hässlicher wird, fingen die Alarmsirenen in meinem Inneren erneut energisch an zu warnen. Der kleine Junge liefert sich mir in diesem Moment dermaßen aus, dass ich ihn leicht mit einem einzigen bösen Wort vernichten könnte, dachte ich beunruhigt. Das durfte mir auf keinen Fall passieren, denn dazu hatte ich Clay Banton viel zu gern.
„Tut mir leid, Clay. Ich wollte nicht so gemein zu dir sein", entschloss ich mich nach einer langen Zeit der mega angespannten Stille zu sagen. Sofort riss er seine Augen auf und guckte mich verblüfft an. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich bei ihm entschuldigen würde. Diese Tatsache verstörte ihn zutiefst. „Nein... das ist schon okay... du hast ja recht...", stotterte er verwirrt.
Ich blickte ihn eine Weile mitleidig an, sein hübsches Antlitz, die hilflosen Augen, die wunderschön geschwungenen Brauen, sein sinnlicher Mund mit den vollen Lippen. Er ist so wahnsinnig schön und lieb, dachte ich zärtlich, es gibt bestimmt keinen zweiten Mann wie ihn. Aber leider kann er beileibe nicht allein sein. Soll er doch mit Sean Valmont glücklich werden!
Dieser Gedanke kam mir ganz plötzlich, und er fühlte sich merkwürdigerweise auf Anhieb richtig und friedvoll an. Zu meinem Erstaunen spürte ich bei diesem Gedanken kaum noch Eifersucht, sondern hauptsächlich große Erleichterung. Ich ließ Clay ja gar nicht wirklich allein. Ich konnte ihn guten Gewissens verlassen, weil er ja noch Sean Valmont an seiner Seite hatte.
Zufrieden streichelte ich über Clays angeschlagenes Gesicht. Augenblicklich drängte er meiner Hand liebebedürftig entgegen. „Verstehst du jetzt endlich, warum ich mit dir Schluss gemacht habe?" wollte ich behutsam von ihm wissen. Mir war aber schon klar, dass er nichts verstanden hatte. Die Tatsache, dass er sich mir restlos offenbart hatte und sich immerhin bemühte, mich zu verstehen, rührte mich mehr, als mir lieb war.
„Du willst mich nicht mit Valmont teilen?" vermutete er traurig. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus. Ich nickte und lächelte ihn liebevoll an. „Ja genau, das ist auch ein wichtiger Grund", seufzte ich müde und beschloss, es damit endgültig gut sein zu lassen.
Aber Herr Banton wollte mein Argument nicht gelten lassen. Er schüttelte unzufrieden den Kopf. „Nein, das verstehe ich nicht, Liz. Das ist doch völlig unsinnig. Sean nimmt dir doch nichts weg von mir!" behauptete er hartnäckig. „Nur weil es ihn gibt, liebe ich dich doch nicht weniger!" versuchte er mir einzureden, „Mit ihm ist es doch ganz anders, überhaupt nicht vergleichbar, das habe ich dir doch gerade erklärt!"
Ich seufzte erschlagen und atmete tief. Da ist sie wieder, die unüberwindbare Mauer, gegen die ich hier anrede, dachte ich betrübt.
„Ich kann und will das aber nicht länger mitmachen, Clay! Ich wünsche mir nämlich einen Mann, dem ich allein genüge! Jemanden, der nicht auch noch andere Leute zu seinem Vergnügen braucht und der auch mich mit niemandem teilen will! Ich möchte eine Beziehung, in der das Wort Treue eine Bedeutung hat!" erläuterte ich ihm mit Nachdruck. Clay wollte etwas erwidern, aber ich hob die Hand und bedeutete ihm zuzuhören. „Und dazu bist du nun einmal absolut nicht fähig, Clay. Du hast den starken Drang und das Bedürfnis, mit vielen Menschen Sex zu haben. Außerdem brauchst du neben mir einen Sean Valmont, das hast du eben selbst zugegeben. Und das ist ja auch okay, wenn du damit glücklich sein kannst. Ich kann es aber nicht!" setzte ich ernsthaft hinzu. Prüfend schaute ich ihn an.
Der Mann riss entsetzt die Augen auf und fixierte mich irritiert. „Willst du denn, dass ich eifersüchtig bin?" wollte er verwirrt wissen, und es hörte sich so an, als könnte er so etwas absolut nicht begreifen, als wäre mein Wunsch der Absurdeste der Welt. Seine mehr als verständnislose Reaktion ließ die schwelende Wut in mir erneut aufflammen, aber ich zwang mich, ganz ruhig zu bleiben. „Ach, Clay! Ich möchte einfach nur...", setzte ich erschöpft an, als er mich auch schon unterbrach. „Wenn du das unbedingt willst, Eliza, dann kann ich richtig eifersüchtig für dich sein! Ich schlag jeden in die Fresse, der auch nur versucht mit dir zu flirten!" stellte er mir hastig in Aussicht und meinte sein befremdliches Angebot auch noch ernst.
Ich schüttelte lächelnd den Kopf über so viel Dummheit. „Ach, Clay! Bitte lass es jetzt gut sein. Lass uns damit aufhören. Ich kann nicht mehr", bat ich ihn resigniert, beugte mich zum Tisch hin und nahm mir eine Zigarette. Ich zündete sie an und rauchte tief. „Erzähl mir lieber, warum du dir heute eine Krawatte umgebunden hast", forderte ich ihn auf.
Ich hatte das dringende Bedürfnis, endlich das Thema zu wechseln, denn ich brauchte eine Kampfpause. Ich musste mich jetzt unbedingt Dingen zuwenden, die mir weniger tief unter die Haut gingen, die weniger schwierig zu vermitteln waren. Die Themen Treue und Eifersucht waren einfach zu kompliziert für diesen Mann. Sie schienen ihm tatsächlich fast völlig fremd zu sein, obwohl ich das insgeheim kaum glauben mochte.
Clay betrachtete mich besorgt, verwirrt und suchte nervös seine Kleidung nach seinen Zigaretten ab. Schließlich fiel ihm wohl ein, dass er seine Schachtel beim Hereinkommen im Hausflur verloren hatte, denn er warf spontan einen schnellen, sehnsüchtigen Blick zur Tür hin. Eine Weile überlegte er aufzustehen und die Schachtel draußen zu holen. Er zögerte. Ich vermutete, dass er Angst hatte, ich würde ihn wütend aussperren, wenn er jetzt hinausgehen und meine Wohnung verlassen würde.
Aber das hätte ich bestimmt nicht getan, denn ich war inzwischen irgendwie mit ihm versöhnt. Tief drinnen genoss ich seine Anwesenheit sogar, obwohl ich das niemals zugegeben hätte. Amüsiert über sein sichtliches Dilemma grinste ich ihn an.
Schließlich ging er auf Nummer Sicher und bat mich stumm um eine Zigarette aus meiner Schachtel, die ich ihm freigiebig gewährte. Clay holte sich eine heraus, zündete sie an und nahm einen tiefen Zug. Dann folgte er meinem Themenwechsel, aber merkbar nur widerwillig. „Ich hatte einen Termin bei der Agentur, deshalb die Krawatte", berichtete er mir, „Ich habe denen ein paar Bilder verkaufen können." „Wie schön!" erwiderte ich. „Ja", seufzte er.
„Und hast du heute schon Heroin geraucht?" fragte ich ihn betont beiläufig. Clay beobachtete mich lauernd, lächelte dann plötzlich amüsiert und meinte: „Ich nehme kein Heroin mehr, Liz. Das habe ich dir schon erzählt." Ich warf ihm einen schnellen Blick zu. „Ach, tatsächlich?" „Ja, ich war heute beim Arzt. Er hat mir Methadon gegeben." Seine Augen durchbohrten mich förmlich auf der Suche nach der Absicht, die hinter meiner nur scheinbar so oberflächlichen Plauderei stecken könnte.
Aber er durchschaute meine Absicht natürlich nicht, und das freute mich ungemein. „Und wirkt das Methadon gut?" fragte ich ihn leichthin und rauchte genussvoll. „Es geht so", antwortete er unbestimmt. Ich taxierte ihn abschätzend. „Bist du auf Entzug, Clay?" wollte ich geradeheraus von ihm wissen. Meine Stimme war völlig ausdruckslos. Sein Lächeln starb auf der Stelle. „Nein, ich bin nicht auf Entzug, Eliza. Warum fragst du mich das?" antwortete er mit unverkennbarem Trotz. „Ich wollte es nur wissen. Es hätte ja sein können", sagte ich betont uninteressiert. „Ich nehme jetzt Methadon!" wiederholte er nachdrücklich, „Ich nehme kein Heroin mehr, hörst du?"
Energisch drehte ich mich zu ihm hin, sodass unsere Knie sich berührten, und fixierte ihn streng. „Ach ja, Clay? Bist du dir da ganz sicher? Und wie lange, glaubst du, wirst du das wohl diesmal durchhalten? Wie lange dauert es wohl, bis ich dich das nächste mal auf Entzug erlebe?"
In meinen Fragen steckte meine ganze Skepsis. Wie von allein war ich auch schon beim nächsten schwierigen Thema angelangt, ohne dass ich wusste wie oder warum. Denn eigentlich hatte ich von diesen konfliktbeladenen Themen doch längst die Schnauze voll.
Clay betrachtete mich eine Weile verunsichert, was meine Befürchtung bestätigte, dass er selbst gar nicht wusste, wie sein erneuter Methadonversuch verlaufen würde. Wie bei fast allen Herausforderungen, die er in Angriff nahm, hatte er überhaupt nicht vorausgeplant, sondern sich spontan, gedankenlos und kopfüber hineingestürzt.
Clay beobachtete mich aufmerksam und rauchte tief. Eine Weile schauten wir uns nur schweigend an. Plötzlich drückte er seine Zigarette heftig in den Aschenbecher und atmete hörbar ein. „Was soll das denn, Liz? Was ist das jetzt wieder für ein Spiel?" verlangte er ungehalten zu wissen. Mein Lächeln war ziemlich mitleidig. „Das ist leider kein Spiel, Clay, ganz und gar nicht. Das ist die traurige, harte Realität", erwiderte ich resigniert, „Und da kommst du auch nicht raus, denn es gibt keinen Ausweg. Auch wenn du dich noch so exzessiv zuknallst mit irgendwelchen Sachen, kannst du daraus nicht fliehen!"
„Was für Sachen meinst du denn jetzt?" fragte er völlig durcheinander, ungeduldig und unverkennbar verärgert. Auch dieses Thema gefiel ihm überhaupt nicht, es weckte eindeutig seinen kindlichen Trotz. Zärtlich schaute ich ihn an. Leicht strich ich mit meinem Finger über sein vertrautes Gesicht, bevor ich darüber nachdenken konnte. „Ich meine hauptsächlich deine beiden Lieblingsbeschäftigungen. Drogen und Sex oder beides!" erläuterte ich ihm ungerührt. Er stöhnte genervt, überfordert, drehte sich bockig von mir weg und entzog sich damit meiner Berührung. Ich ließ meine Hand sinken und legte sie locker auf seinen Oberschenkel.
„Es gibt keine Flucht vor der Realität, Clay. Für keinen von uns", sagte ich leise zu ihm, während ich seine Reaktion genau beobachtete. Er schaute mich nicht an, war merkbar vollkommen vor den Kopf geschlagen. Meine Worte gefielen ihm nicht. Er konnte mit ihnen sichtbar nichts anfangen und wusste nichts darauf zu erwidern. Der erwachsene Mann war absolut ratlos.
Herr Banton wirkt in dieser Situation wie ein kleiner, dummer Junge, der von seiner Mutter zurechtgewiesen wird, ging es mir plötzlich durch den Sinn. Womöglich soll ich so etwas wie eine Mutter für ihn sein, eine Bezugsperson, die ihn tröstet, wenn es ihm schlecht geht. Vielleicht ist meine ständige Verfügbarkeit ihm sogar noch viel wichtiger als der Sex mit mir.
Diese Vermutung deprimierte und ärgerte mich. Ich habe doch schon lange keine Lust mehr, die Mutter für ihn zu spielen, dachte ich resigniert, er soll mich einfach nur in Ruhe lassen. Ich wollte noch niemals seine Mutter sein und ich möchte bestimmt keinen Partner haben, der in mir seine verlorene Mutter sucht!
In diesem Moment zog Clay sich abrupt hastig sein Seidenhemd und das Unterhemd aus der Jeans und drehte sich zu mir hin. Seine Augen glitzerten feucht und mir kam der erschreckende Verdacht, dass er nahe daran war in Tränen auszubrechen. Meine wahren Worte hatten ihn wohl doch viel mehr erschreckt, als mir klar gewesen war. Aber er hat den Sinn doch gar nicht kapiert, dachte ich verblüfft, oder etwa doch?
„Legst du bitte deine Hand auf meinen Bauch, Eliza?" flehte Clay mich förmlich an und präsentierte mir seine wohlgeformte, nackte Haut. „Bitte, Liz, ich brauche das jetzt unbedingt! Ich möchte dich so gerne fühlen, ich kann nicht..." Er brach ab, atmete schwer und schaute mich nur noch verzweifelt an.
Sein Wunsch überraschte mich überhaupt nicht, nur die absolute Dringlichkeit, mit der er ihn so plötzlich vorbrachte. Ich musterte ihn prüfend. „Ist das der wahre Grund deines Besuchs bei mir, Clay?" neckte ich ihn ein wenig spöttisch. Er seufzte tief und rutschte nervös auf dem Sofa herum, als könnte er meine Berührung mit einem mal nicht mehr erwarten. „Wenn du so willst...", murmelte er ausweichend und starrte mich flehentlich an.
Vier Sekunden später endete seine Geduld auch schon. Er griff hastig nach meiner Hand auf seinem Oberschenkel und platzierte sie unmissverständlich auf seinem Bauch. Seine nackte Haut fühlte sich warm und durchtrainiert an. Auch die oberflächlichen Schnittwunden konnte ich spüren. „Bitte, Liz... bitte mach das für mich...", stammelte er dabei und schnappte nach Luft.
Bewegt konnte ich mir ansehen, wie meine harmlose Berührung ihn ein weiteres Mal überwältigte. Diesen Gefallen wollte ich ihm gerne tun. Ich hatte ja auch schon längst damit gerechnet, dass er diese Bitte vorbringen würde. Deshalb ließ ich es zu, dass er meine Hand fest gegen seinen Körper drückte und wohlig dabei aufstöhnte. „Ich mag das so sehr...", gestand er mir atemlos keine Neuigkeit. Clay schloss selig die Augen und lehnte sich auf dem Sofa zurück, während er reglos meine Hand gegen seinen Bauch gedrückt festhielt und tief ein und aus atmete.
Ich beobachtete ihn lächelnd und gönnte ihm wirklich sein unbeschwertes Glück. Es rührte mich enorm tief, wie ruhig der Mann augenblicklich wurde, wie zufrieden er auf einmal aussah. Seine Welt schien in diesem Moment hundertprozentig in Ordnung zu sein. Alle Schwierigkeiten und unangenehmen Fragen waren auf der Stelle vergessen. Ich schaute ihn an und musste jäh heftig schlucken. Die Berührung meiner Hand ist für ihn nur eine weitere Flucht vor der Realität, verstand ich traurig. Meine unbestreitbaren Wahrheiten gingen ihm anscheinend zu sehr an die Substanz. Clay hat mich Lügen gestraft. Er hat sich einfach aus der Wirklichkeit weggeschlichen.
Clay
„Ich finde das ganz schön mutig von dir", sprach mich plötzlich jemand von hinten an. Ich stand an der hölzernen Brüstung auf der vorderen Veranda der Drogenberatungsstelle und schaute sehnsüchtig hinüber zu meinen MG, der ein Stückchen entfernt auf dem Parkplatz wartete. Ich dachte gerade, wie gerne ich jetzt hier verschwinden würde, einfach sofort in mein Auto steigen und wegfahren. Diese unerwartete Stimme erschreckte mich dermaßen, dass ich prompt meine Zigarette fallen ließ, die ich gerade mal halb auf geraucht hatte. Hastig wollte ich sie wieder aufheben, aber das blöde Ding rollte natürlich direkt zwischen die hölzernen Bretter der breiten Veranda und verabschiedete sich irgendwo darunter in der Dunkelheit.
Verärgert hob ich meinen Blick und schaute genau in die blauen Augen von Melanie, der einzigen Frau beim Junkie-Brunch, die mir noch gänzlich unbekannt war. „Hä?" rutschte mir verblüfft heraus, weil ich es nicht fassen konnte, dass sie plötzlich alleine vor mir stand. Melanie lächelte schüchtern, aber auch amüsiert. „Ich finde es ganz schön mutig von dir, dass du dich auf die Bühne stellst, um von Steinen beworfen zu werden", konkretisierte sie ihre Meinung. Ich lachte perplex auf. „Ich stelle mich nicht auf die Bühne, um von Steinen beworfen zu werden. Das würde wohl niemand tun, wenn er nicht gerade gesteinigt werden will", stellte ich kichernd richtig.
Melanie wurde rot, weil mein Lachen sie verunsicherte. „Nein... ich meinte doch nicht...", stotterte sie verwirrt, was ich echt bezaubernd fand. Natürlich hatte ich sofort kapiert, was sie meinte, aber es reizte mich, sie ein bisschen zappeln zu lassen. Melanie war nämlich auch die Frau, die am Tisch mit ihrer bekloppten Frage alle Aufmerksamkeit auf mich gelenkt hatte, und das wollte ich ihr heimzahlen.
„Mit Steinen beworfen zu werden ist nämlich echt nicht lustig", betonte ich schmunzelnd. „Nein... das... ich meinte..." Melanie geriet ins Stocken und atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Ich musste mich schwer zurückhalten, um ihr nicht zart eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht zu streicheln. Abwartend lächelte ich sie an.
„Ich habe gemeint, dass ich es mutig finde, dass du dich auf eine Bühne stellst, wo man dich mit Steinen bewerfen kann", sagte sie schließlich langsam und klang schon ein bisschen genervt, weil sie sich irgendwie vor mir blamiert hatte.
Sie war eindeutig schüchtern, und das gefiel mir. Es fachte automatisch mein ständiges Jagdfieber an und schaltete mich in den Flirtmodus, ohne dass ich es hätte verhindern können. Aber ich wollte das auch gar nicht verhindern, mit Sicherheit nicht. Dazu genoss ich das Flirten viel zu sehr, die sexuelle Spannung, die sich unwillkürlich aufbaute, das Kribbeln in den Eingeweiden, die verlockenden Möglichkeiten, die spannende Ungewissheit des Ausgangs.
„Hast du keine Angst, dass das noch mal passieren könnte?" wollte Melanie jetzt von mir wissen und zündete sich eine Zigarette an. Ich holte meine Schachtel aus dem Jackett, tat es ihr gleich und lächelte charmant. „Ich habe niemals Angst vor etwas, das passieren könnte", antwortete ich überzeugt. „Echt? Du Glücklicher!" entfuhr es ihr erstaunt. Sie betrachtete mich mit so etwas wie Hochachtung, was ich mir nicht erklären konnte, was ich aber ganz angenehm fand. Ich nahm einen Zug von der Marlboro.
„Bist du auf der Bühne bewusstlos gewesen? Es sah auf dem Video so aus, als wärst du umgefallen, als dich der Stein traf", fragte die neugierige Melanie und betrachtete mich voller Mitgefühl. Mein Finger fuhr automatisch zu der kleinen Wunde an meiner Stirn, genau zwischen meinen Augen, wo der zweite Stein mich getroffen hatte. Melanies Blick folgte meinem Finger und sie sah sich eine Weile die winzige Platzwunde an.
„Ist die von dem Stein?" wollte sie traurig wissen. Ich nickte und zog meine Hand wieder weg. „Ja, ich war bewusstlos. Aber nur kurz. Das war ein harter Schlag", erzählte ich ihr und wollte unbedingt von diesem Vorfall weg, weil er mich an Dinge erinnerte, an die ich jetzt nicht denken wollte. „Tut mir leid", meinte sie, als wäre es ihre Schuld.
Ich lächelte amüsiert und wechselte bewusst das Thema. „Und was machst du so, wenn du nicht gerade in der Drogenberatungsstelle brunchst, Melanie?" erkundigte ich mich freundlich, um ihr mein Interesse zu signalisieren, und dass ich nebenbei sogar ihren Namen gespeichert hatte. Zu meiner Verwunderung verdunkelte sich ihr Gesichtsausdruck. „Ich stehe bestimmt nicht auf einer Bühne. Das würde ich mir gar nicht zutrauen", erwiderte sie deprimiert, „Und ich mache auch sonst nichts. Ich bin zur Zeit arbeitslos. Ich versuche nur, vom Heroin wegzukommen."
Ihre Traurigkeit gefiel mir nicht, und schon gar nicht, dass sie so wenig von sich selbst hielt. Sofort hatte ich das dringende Bedürfnis, ihr beides auszureden. „Bist du im Methadonprogramm?" fragte ich sie behutsam. Sie nickte. „Ja, seit drei Monaten." „Ich finde, da machst du doch schon ganz schön viel!" sagte ich im Brustton der Überzeugung, „Du versuchst immerhin vom Heroin wegzukommen. Jeder, der behauptet, du würdest nichts tun, der soll dir das erst mal nachmachen!"
Ihr Lachen klang erleichtert und bezauberte mich, denn ihr ganzes Gesicht erhellte sich dabei und ihre Augen blitzten eindeutig interessiert. „Bist du auch im Programm, Clay?" fragte sie zuckersüß und ich genoss es, mit wie viel offener Zuneigung sie meinen Namen aussprach. „Ja, seit heute morgen", gestand ich ihr, woraufhin sie noch einmal belustigt auflachte. „Das ist allerdings noch nicht so besonders lang", kicherte sie und nahm einen Zug von ihrer Zigarette. „Kein Wunder, dass ich dich vorher noch nie getroffen habe", setzte sie leise hinzu.
Die Frau ließ keinen Zweifel daran, dass es ihr gefiel, mir jetzt begegnet zu sein, und diese Information beschleunigte meinen Herzschlag auf die angenehmste Weise. Ich inhalierte, lächelte charmant und betrachtete sie eingehend. Sie ist tatsächlich sehr hübsch, registrierte ich, sie hat interessante Augen, die hinter ihrer Schüchternheit noch viel mehr vermuten lassen. Das gefiel mir, denn ich mag verborgene Geheimnisse, besonders bei Mädchen.
Melanie war wohl etwa in meinem Alter und ich fragte mich, ob und warum ich sie vorher noch nie gesehen hatte. Zumindest aber war sie mir zuvor niemals aufgefallen. „Woher kennst du Sarah und Tabea?" erkundigte ich mich neugierig. „Ich kenne sie eigentlich kaum", meinte Melanie nachdenklich, „Wir haben uns erst hier beim Brunch kennengelernt. Wir treffen uns fast jeden Montag beim gemischten und mittwochs beim Frauenbrunch." Sie hob den Kopf und schaute mir aufmerksam in die Augen. „Und woher kennst du die beiden?"
Diese Frage brachte mich ein wenig in Verlegenheit, denn ich konnte Mel ja wohl kaum verraten, dass Tabea die Mutter meiner Beinahe-Tochter und Sarah lediglich eine regelmäßige Flirtpartnerin für mich war. Das hätte kein gutes Licht auf mich geworfen, merkte ich irritiert.
„Ach, wir kennen uns aus der Szene", antwortete ich daher ausweichend. „Du scheinst hier in der Gegend ziemlich bekannt zu sein", bemerkte die Frau lächelnd, „Ich habe schon erstaunlich viel über dich gehört, das hat mich neugierig gemacht. Dieser Angriff mit den Steinen ist ja seit Samstag das absolute Gesprächsthema überall."
Fuck, ärgerte ich mich insgeheim, das ist nicht gut. Wer weiß, was sie noch alles über mich erfahren hat. Dass offenbar so viel über mich gequatscht wurde, gefiel mir überhaupt nicht. Aber leider hatte ich keinerlei Einfluss darauf.
„Es ist kein Zufall, dass diese Jill genau jetzt ihren Blog über dich veröffentlicht hat, Clay. Du bist gerade total in", kicherte Melanie aufgeregt, „Als du vorhin plötzlich mit Ragnar drinnen am Tisch aufgetaucht bist, da dachte ich zuerst, ich hätte mich verguckt." Ihre Augen glitzerten, als sie mich neugierig studierte. „Tja, dabei bin ich eigentlich überhaupt nicht interessant", gab ich mich bescheiden und freute mich insgeheim diebisch, als sie energisch den Kopf schüttelte. „Clay, du bist einer von uns und spielst trotzdem Theater. Das finde ich außergewöhnlich", versicherte sie mir und meinte damit, dass ich jemand war, der harte Drogen konsumierte.
„Wie konntest du mich erkennen, wenn du vorher nur von mir gehört hast?" wollte ich verdutzt wissen. Sie lächelte echt zauberhaft, zurückhaltend und nervös. Sie brauchte zwei Minuten, bevor sie mir antworten konnte, während denen sie unruhig mit ihren Haaren spielte und sich an ihrer Zigarette festhielt.
Schließlich gab sie sich einen spürbaren Ruck und schaute mich zögernd an. „Ich habe vor ein paar Tagen ein Foto von dir gesehen...", gestand sie mir und war dabei enorm mutig. „...im Internet", setzte sie fast flüsternd hinzu. „Ja, ich weiß, ich bin furchtbar! Aber das waren keine Nacktbilder!" stöhnte sie im nächsten Moment zerknirscht, wurde knallrot und wich meinem Blick schuldbewusst aus, indem sie den Kopf zur Seite drehte und den Bretterboden der Veranda fixierte.
Zuerst war mir überhaupt nicht klar, warum sie sich deswegen als furchtbar betitelte. Aber dann dämmerte mir langsam, dass sie mein Foto im Internet nicht zufällig gesehen, sondern gezielt danach gesucht hatte. Als mir das klar wurde, fand ich es so geil, dass mich völlig unwillkürlich eine heiße Woge der Erregung erfasste. Mein Herz hämmerte los und ich seufzte ungewollt auf.
„Daran ist nichts furchtbar, Melanie", versicherte ich ihr aus tiefstem Herzen. Unsicher schaute sie mich an. „Ach, ich bin so ein Stalker...", meinte sie schüchtern. Ich lächelte amüsiert und schüttelte gutmütig den Kopf.
„Haben dir die Fotos von mir gefallen?" wagte ich mich ganz leise und behutsam vor. Ich meinte damit alle Bilder von mir, besonders die delikaten aus dem Internet, die Tabea und Sarah uns am Tisch pausenlos vorgeführt hatten. Gespannt, mit klopfendem Herzen beobachtete ich ihre Reaktion, denn ich hoffte sehr, mit meiner Frage die detailreichen Nahaufnahmen von mir vor ihrem inneren Auge zu erzeugen.
Zu meiner Freude enttäuschte mich die zuckersüße Melanie kein bisschen. Spontan wanderte ihr Blick zielstrebig zu den Knöpfen meiner Jeans hin, und da wusste ich, dass sie tatsächlich gerade an die vielen Schwanz-Bilder von mir dachte, die sie vor kurzem auf Tabeas Tablet gesehen hatte. Diese Bestätigung fand ich enorm geil, ich hatte die Frau da, wo ich sie haben wollte, und ich musste mich echt zusammenreißen, um nicht triumphierend aufzulachen.
Stattdessen tat ich so, als würde ich ihren enorm neugierigen, abschätzenden Blick auf meine verhüllten Weichteile gar nicht bemerken. „Ja, deine Fotos waren echt... interessant...", murmelte Melanie gedankenverloren ohne ihre Augen zu heben. Zu gerne hätte ich jetzt ihre Gedanken gehört, denn ganz sicher drehten sie sich gerade sehnsüchtig um meine Geschlechtsorgane. Zufrieden und total erregt lächelte ich sie an. „Wenn du nachher mit zu mir kommst, dann zeige ich dir gerne alles in echt", stellte ich ihr ein wenig atemlos in Aussicht.
Eine Minute lang passierte gar nichts. Als mein eindeutiges Angebot endlich bei ihr ankam, hob sie abrupt den Kopf und starrte mich verwirrt an. Ich lächelte ziemlich frivol. Als ihr klar wurde, dass ich ihren kleinen Ausflug unter meine Gürtellinie bemerkt hatte, wurde sie mal wieder rot vor Verlegenheit. „Was willst du mir zeigen?" fragte sie irritiert nach, denn sie hatte Mühe ihre Gedanken zu ordnen. Da war ein schwacher, aggressiver Unterton in ihrer Stimme, der mir überhaupt nicht gefiel, deshalb ruderte ich lieber ein wenig zurück. „Ich zeige dir alles, was du sehen willst, Melanie", flüsterte ich liebevoll. Sie lächelte amüsiert, eindeutig nicht abgeneigt.
In diesem Augenblick konnte ich mich nicht mehr bremsen und strich ihr zärtlich eine braune, lange Haarsträhne aus der Stirn hinters Ohr. Sie zuckte erschrocken zurück, sodass ich meine Hand hastig einzog und einen Schritt rückwärts von ihr weg machte. Melanie taxierte mich alarmiert und ich lächelte ein bisschen hilflos.
Es entstand blöderweise ein ziemlich peinliches Schweigen, dass sich unangenehm hinzuziehen schien. Am liebsten wollte ich mich selbst in den Hintern treten. Mist, das war ein dummer, ungeduldiger Fehler, schimpfte ich mit mir, du hättest sie auf gar keinen Fall berühren dürfen!
Aber Melanie fing sich erstaunlich schnell. Sie schien mir zum Glück nicht böse zu sein, hatte sich wohl nur erschreckt, denn ihr Lächeln war immer noch freundlich. Jetzt sogar noch ein wenig interessierter, wie mir auffiel.
„Dieser Stuart ist ja total hingerissen von dir", brach sie schließlich das Schweigen, wofür ich ihr dankbar war. „Ja, Art ist in Ordnung", grinste ich, denn ihr Themenwechsel war erfreulich unverfänglich. „Aber Axel und Tabea mögen dich scheinbar nicht besonders", sagte sie und drängte damit gleichzeitig auf eine Erklärung. Aber dieses Faktum wollte ich bestimmt nicht vertiefen. Ich war erstaunt darüber, wie gut die fremde Frau die Menschen um sich herum beobachtete und analysierte und wie viele Nebensächlichkeiten sie sich merkte.
„Ich habe dich hier noch nie gesehen", wagte ich einen neuen, vorsichtigen Vorstoß, „Woher kommst du eigentlich?" Ihr Gesicht verdüsterte sich wieder, was ich sofort bedauerte. Sie zögerte mit ihrer Antwort, sodass ich mich unwillkürlich fragte, was da passiert war und woher sie wirklich kam.
Schließlich gab sie sich einen erneuten Ruck. „Ich hatte in meiner Stadt ziemlichen Ärger, weißt du. Ich bin hierher gekommen, um einen Neuanfang zu wagen." Ihr Vertrauen ehrte mich, und ich nickte mitfühlend. „Das ist verdammt mutig von dir, Melanie." Sie schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich bin ich gar nicht mutig", wehrte sie schüchtern ab, aber ich nickte entschieden. „Doch, das ist total mutig! Es gibt kaum jemanden, der so etwas wagt!"
Ich wollte ihr offenbar aus irgendeinem Grund ziemlich angeknackstes Selbstbewusstsein unbedingt stärken, aber irgendwie klappte das nicht. Sie wich meinem Blick unbehaglich aus, starrte auf den Boden und murmelte etwas, was wie „Wenn man keine Wahl hat..." klang. Anscheinend erinnerte sie sich an irgendwas Unangenehmes, deshalb beschloss ich, dieses Thema schnell fallen zu lassen. „Jedenfalls freue ich mich, dass du jetzt hier bist. Es ist sehr schön dich kennenzulernen", flirtete ich charmant ein bisschen und fand ihr darauf folgendes verhaltenes Lächeln schlicht zauberhaft.
In diesem Augenblick wurde die Haustür abrupt aufgerissen und Ragnar stürmte auf die Veranda. Vor Schreck ließ ich noch einmal meine Kippe fallen. Ragnar sah enorm wütend aus und eilte augenblicklich mit schnellen Schritten zu uns hin. „Was ist das hier? Was machst du hier, Melanie? Warum bist du hier draußen?" wollte er total aufgeregt wissen und warf mir einen misstrauischen Blick zu.
Melanie guckte ihn erstaunt an. „Ich bin nur eine rauchen gegangen", erklärte sie Ragnar irritiert und hob ihre fast aufgerauchte Zigarette, um sie ihm zum Beweis zu zeigen. „Du hast gewusst, dass Clay allein hier draußen ist. Du hast mir nicht gesagt, dass du auch hinaus gehst", meinte Ragnar vorwurfsvoll und fixierte mich fast drohend.
Ich brauchte einige Zeit, um seine aufgebrachten Worte und sein Verhalten richtig zu deuten. Als mir ihre Bedeutung klar wurde, fing mein Herz auf der Stelle an zu hämmern. Hastig bückte ich mich nach meiner Zigarette, um mich abzulenken. Zum Glück war sie diesmal nicht zwischen die Bretter gerollt.
„Bitte geh unverzüglich wieder hinein, Melanie. Wir wollen noch ein wenig zusammen plaudern", sagte Ragnar mühsam beherrscht. Melanie zuckte mit den Achseln. „Ich habe nicht gewusst, dass man sich hier abmelden muss", bemerkte sie leise. Ragnar nickte. „Ist schon gut. Es ist ja nichts passiert. Aber bitte gehe jetzt hinein. Ich möchte noch ganz kurz mit Clay unter vier Augen reden." Dabei taxierte er mich eindringlich, und ich wollte ihm dafür am liebsten eine reinhauen.
Melanie warf mir noch einen lächelnden und fragenden Blick zu, der mir signalisierte, dass sie Ragnars Verhalten sehr merkwürdig fand. Dann gehorchte sie wortlos, indem sie ihren Zigarettenstummel in den großen Aschenkübel drückte, langsam zum Eingang ging und schließlich im Innern des Gebäudes verschwand.
Sofort wandte Ragnar sich mir zu. „Wie geht es dir jetzt?" fragte er mich alarmiert. Ich betrachtete ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Was soll das, Ragnar? Was hast du denn erwartet, was hier passieren würde?" wollte ich mit zusammengebissenen Zähnen von ihm wissen. Sein Misstrauen machte mich unglaublich wütend. „Ich weiß es nicht, Clay. Sag du es mir", erwiderte er cool.
Ich holte tief Luft und konnte mich nicht mehr zurückhalten. „Du denkst, ich würde ihr was antun!" warf ich ihm aufgebracht vor und deutete mit dem Arm zur Haustür, die gerade erst hinter Melanie zugefallen war. „Du bist hierher gerannt, weil du sie vor mir retten wolltest!" Meine Stimme wurde automatisch lauter. „Du denkst tatsächlich, ich würde sie gegen ihren Willen anfassen!" schrie ich schließlich aufgebracht. Ragnar hob beschwichtigend die Hände, stritt meinen Vorwurf jedoch nicht ab.
Stattdessen beobachtete er mich nur aufmerksam. „Was soll ich denn anderes von dir denken, Clay?" erkundigte er sich betont ruhig. Ich konnte es nicht fassen, welche miese Meinung er anscheinend von mir hatte. „Du könntest mehr Vertrauen zu mir haben!" brüllte ich entsetzt los und ärgerte mich, dass meine Stimme so verletzt klang.
Ragnar schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Clay, aber ich habe dich seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Das Letzte, was ich von dir gehört habe, war, dass du mit Steinen beworfen und verprügelt worden bist, weil du eine Frau vergewaltigt hast. Was bitte soll ich also denken, wenn du plötzlich hier mit Melanie allein bist?" Seine Stimme war behutsam, aber sehr ernst. „Wir sind schon erwachsen!" knurrte ich fassungslos. Nochmal schüttelte er den Kopf. „So lange ihr euch hier bei uns aufhaltet, fühle ich mich für euch verantwortlich", erklärte er mir sanft, aber ich war so wütend, dass ich mich nicht mehr im Griff hatte.
„Fick dich, Ragnar! Du Arsch! Ich habe niemanden vergewaltigt! Ich würde niemals jemanden vergewaltigen!" brüllte ich ihn aggressiv an. Er hob beschwichtigend die Hände. „Beruhige dich, Clay", seufzte er genervt. „Ich dachte, du würdest mich besser kennen! Ich dachte, du würdest... nach allem, was ich dir schon über mich erzählt habe..."
Verwirrt und geschockt brach ich ab und zog gierig an meiner Zigarette. Ragnars Misstrauen traf mich viel schmerzhafter, als mir lieb war. Nervös versuchte ich mich zu beruhigen, aber ich war stinksauer, fühlte mich ungerecht verdächtigt und mies von einem Freund verraten. Ragnar beobachtete mich aufmerksam und interessiert.
„Was ist da wirklich vorgefallen? Warum bist du verprügelt worden?" fragte er mich nach einiger Zeit neugierig. Ich schüttelte den Kopf. „Das geht dich einen Scheiß an!" erwiderte ich trotzig, denn ich hatte überhaupt keine Lust mehr mit ihm zu reden, wenn er so dermaßen schlecht von mir dachte. Ragnar seufzte tief. „Nein, Clay, tu das bitte nicht! Mach jetzt nicht dicht! Rede mit mir!" beschwor er mich förmlich.
Ich drehte mich weg und zog nochmal tief an meiner Zigarette. Ich musste dem starken Drang widerstehen, mich mit dem geschulten Sozialpädagogen zu prügeln, denn ich war so wütend auf ihn, dass ich ihn nur noch schlagen wollte. Ich fühlte mich vollkommen missverstanden und war total enttäuscht von meinem psychosozialen Betreuer. Voller Sehnsucht schaute ich wieder zu meinem wunderschönen, starken, metallic-anthrazitfarbenen Baby hin. Es sind höchstens fünf Meter bis dort, dachte ich, ich könnte jetzt einfach sofort loslaufen, einsteigen und wegfahren. Er ist so ein Arsch, dachte ich verbittert, er denkt wirklich, ich wäre ein potentieller Vergewaltiger.
„Ist das nicht dein berühmtes Auto?" fragte Ragnar vorsichtig, trat dicht neben mich ans Geländer und folgte meinem Blick zum MG hin. Seine Wortwahl irritierte mich. „Wieso berühmt?" wollte ich abweisend wissen. Er lächelte breit. „Ach, komm schon, Clay. Du bist berühmt in dieser Stadt. Und dein Auto ist es ganz genauso", erklärte er mir ernsthaft, aber ich glaubte ihm kein Wort, weil er mich damit nur beschwichtigen wollte.
Bockig schwieg ich und zog ein letztes Mal an der Kippe. Dann warf ich sie in weitem Bogen auf den Parkplatz, weil ich genau wusste, wie sehr Ragnar das ärgern würde. Wir sollten nämlich unsere Kippen nie auf den Boden werfen, denn dafür gab es ja extra den Aschenkübel am Eingang.
Ragnar verkniff sich jedoch eine Bemerkung deswegen und seufzte stattdessen: „Okay, Clay, es tut mir leid. Ich habe diese Situation wohl falsch eingeschätzt." „Du hast mich völlig falsch eingeschätzt!" fuhr ich wütend zu ihm hin, „Ich bin kein verfluchter Vergewaltiger, Ragnar! Ich würde einem Mädchen niemals etwas antun!" Böse fixierte ich ihn, und er sah tatsächlich ein wenig schuldbewusst aus. „Als ich gemerkt habe, dass Melanie dir allein hierher gefolgt war, habe ich einen großen Schreck bekommen", erzählte der Betreuer mir leise, „Ich konnte nicht genau abschätzen, was passieren würde..." „Es ist nichts passiert! Wir haben uns nur unterhalten!" knurrte ich verärgert.
Dann hatte ich plötzlich die Schnauze voll und starrte ihn flehend an. „Hör mal, Ragnar, ich möchte jetzt echt nach Hause fahren. Gibst du mir bitte die PSB?" Er schloss für einen kurzen Moment die Augen, sah mich dann prüfend an und schüttelte den Kopf. „Fuck!" entfuhr es mir angepisst und ich musste mich nochmal stark zurückhalten, um ihn nicht zu schlagen. „Das geht nicht, Clay, ich kann dich so nicht gehen lassen. Du bist im Moment total aufgebracht und stehst völlig neben dir. Bitte komm noch kurz mit hinein und beruhige dich, okay?" bat er mich bemüht freundlich. „Du kannst mich nicht zwingen hierzubleiben", quetschte ich atemlos hervor, weil ich die ganze Situation zum Kotzen fand. Ich fand meine augenblickliche Abhängigkeit von Ragnar Rauens Gunst so ätzend, dass ich sie kaum ertragen konnte.
Er legte mir beruhigend seine Hand auf die Schulter und ich bemühte mich angewidert, sie nicht sofort heftigst abzuschütteln. „Bitte, Clay. Bitte tu mir den Gefallen und komm nochmal mit rein. Ich weiß ja, dass wir dir heute schon viel zugemutet haben. Das mit den Fotos und dem Blog ist eine ganz schön herbe Geschichte. Wenn du willst können wir jederzeit in meinem Büro darüber reden..." „Ich möchte nicht darüber reden", unterbrach ich ihn gepresst. Er nickte betrübt. „Aber ich möchte, dass du jetzt zu uns hinein kommst. Stuart kann es gar nicht mehr erwarten dich Gitarre spielen zu hören. Und wir anderen sind auch schon ganz gespannt auf deine Kunst."
Entgeistert schaute ich ihn an. Er ging tatsächlich davon aus, dass ich jetzt in der Stimmung wäre, um für die Brunch-Gemeinschaft den Alleinunterhalter zu spielen. Nein, in dieser Stimmung war ich ganz und gar nicht, denn mein schöner, vielversprechender Flirt mit Melanie war hinterhältig auf die fieseste Art zerstört worden.
Aber dann dachte ich auch schon an Melanie und Sarah, und dass ich sie mit meinem Gitarrenspiel vielleicht beeindrucken und später in meine Wohnung locken konnte. Mühsam zwang ich mich zu einem amüsierten Grinsen. „Ihr wollt ernsthaft, dass ich Gitarre spiele?" fragte ich spöttisch nach. Ragnar registrierte meine verbesserte Laune sichtbar erleichtert. „Ja, klar! Wenn du uns schon mal beehrst, dann wollen wir dich auch spielen hören", forderte er mich freundlich auf. „Du bist so ein Arsch!" erwiderte ich, aber jetzt meinte ich es gar nicht mehr so böse, und Ragnar verstand das auch sofort und lächelte mich kumpelhaft an.
Eliza
Auch mein letzter Versuch, ihm diese wichtige Sache zu erklären, schlug auf ganzer Linie fehl. Das hättest du dir auch sparen können, dachte ich am Ende resigniert, jedes einzelne Wort war total sinnlos. Nichts davon war richtig bei ihm angekommen. Ich hatte mich damit im Grunde nur selbst verletzt und unsinnig in Wut versetzt.
Eigentlich überraschte er mich nur mit seinen unerwartet persönlichen Geständnissen, seiner untypischen Bereitschaft, mir die unverhüllte Wahrheit anzuvertrauen, aber nicht mit seiner allgemeinen Reaktion auf meine Fragen. Ich hatte es zwar im Stillen gehofft, aber eigentlich nicht erwartet, dass er sich wirklich ernsthaft mit unseren Problemen auseinandersetzen würde. Schließlich hatte er das noch nie getan. Er hatte schon immer den einfacheren Weg zwischen verstohlener Heimlichtuerei und schlichter Ignoranz gewählt. Höchstwahrscheinlich war er zu etwas anderem gar nicht in der Lage.
Clay Banton war die ganze Zeit verwirrt, meinen drängenden Fragen so hilflos ausgeliefert wie immer, als ich trotz allem versuchte, mit ihm darüber zu reden. Aber er konnte meinen Worten nicht folgen. Er konnte meinen Entschluss, ihn zu verlassen, natürlich nicht verstehen. Er würde diesen nachvollziehbaren Schritt nie verstehen. Für ihn waren meine Bedenken und Probleme, ja sogar meine Empfindungen, völlig gegenstandslos.
Irgendwann gab ich es enttäuscht auf. Ich fühlte mich erschöpft. Es hatte ohnehin keinen Sinn mehr, weiter auf ihn einzureden. Er begriff meine Fragen und Gedankenspiele nicht, ließ meine Wut einfach über sich ergehen und setzte mir nichts entgegen. Vielleicht versuchte er sogar, mir irgendwie zu folgen, aber er scheiterte kläglich.
Die ganze Zeit war mir bewusst, dass meine verbalen Gemeinheiten und gehässigen Angriffe ziemlich unfair waren. Aber irgendwie konnte ich nicht anders, denn ich war zwischenzeitlich enorm wütend auf diesen Mann. Ich wollte ihm seine ständige Ignoranz heimzahlen.
Doch meine bösen Worte verletzten ihn nur und drangen trotzdem nicht zu ihm durch. Clay war von unserer Auseinandersetzung überfordert. Ihm war die ganze Zeit überhaupt nicht klar, worum es eigentlich genau ging. Er spürte nur, dass es etwas Unangenehmes war. Das konnte ihm nicht entgehen, weil ich ihn viel zu aggressiv angriff. Der Arme musste sich pausenlos verteidigen, und das war ganz allein meine Schuld.
Letztendlich war ich die ganze Geschichte nämlich vollkommen falsch angegangen. Ich hatte die Kontrolle verloren, hatte ihn beschimpft und sogar geschlagen, und das hätte auf keinen Fall passieren dürfen. Zerknirscht und verärgert musste ich das vor mir selbst zugeben.
Aber Herr Banton wollte ja ohnehin von Anfang an etwas völlig anderes von mir. Mit dem Gefühl der bohrenden Eifersucht und dem Begriff der harten Realität konnte der simple Mann höchstwahrscheinlich tatsächlich nicht besonders viel anfangen.
Als er sich später plötzlich verlangend an mich lehnte, sich hastig Hemd und Unterhemd aus der Hose zog und mich flehend fragte, ob ich meine Hand auf seinen nackten Bauch legen würde, war ich beinahe erleichtert. Mit seiner so typischen Bitte, die ich insgeheim schon erwartet hatte, seit er plötzlich vor meiner Tür aufgetaucht war, nahm er mir die Verantwortung für diese hässlich gewordene Auseinandersetzung, dieses einseitige Streitgespräch ab. Er beendete unser Geplänkel einfach auf seine naive Art, und ich ließ das an diesem Punkt nur zu gerne geschehen.
Ich hatte schlicht keine Kraft und vor allem keine Lust mehr, dem Mann weiter gemeine Vorwürfe zu machen, die er ohnehin nicht verstand. Also ließ ich es letzten Endes gerne gut sein und wehrte mich nicht, als er meine Hand ergriff und flach auf seinen nackten Bauch drückte. Clay schloss unwillkürlich die Augen. Er atmete ganz tief und saß bewegungslos dicht neben mir auf dem Sofa.
Ich beobachtete ihn und war automatisch gerührt von seiner offenen Hingabe an diese Berührung. Er faszinierte mich in seiner Einfachheit, obwohl ich das gar nicht mehr wollte. Eigentlich verachtete ich seine Dummheit ja. Aber dieser attraktive Mann hatte in seiner grenzenlosen Ignoranz seinen ganz eigenen, äußerst einnehmenden Charme, gegen den ich einfach nicht ankam.
Ich saß dicht neben ihm, meine kalte Hand auf seiner warmen Haut, und schaute ihn intensiv an. Clay Banton war zweifellos wunderschön. In meinem Innern wurde es mit der Zeit ungewollt ganz warm. Ich ärgerte mich darüber, dass Clays unmittelbare Nähe noch immer eine solche Wirkung auf mich hatte. Ich war seiner starken sexuellen Ausstrahlung anscheinend hilflos ausgeliefert, und ich hatte keine Kraft mehr dagegen anzukämpfen. Sein ansehnlicher Körper erregte mich auf einmal ganz direkt, und ich bekam große Lust ihn intim anzufassen.
Aber stattdessen saß ich nur ruhig auf dem Sofa, meine Hand bewegungslos auf seinem Bauch, und betrachtete ihn voller Zuneigung. Sei nicht so dumm, schalt ich mich innerlich, lass dich nicht erneut mit ihm ein, das würdest du mit Sicherheit hinterher bereuen. Erinnere dich nur mal daran, welchen Albtraum er dir das letzte Mal nach dem Sex beschert hat. So etwas möchtest du doch bestimmt nicht nochmal erleben. Aber trotzdem widerstand ich nur mit Mühe dem automatisch immer stärker werdenden Drang, meine Finger vorwitzig unter den Bund seiner Jeans zu schieben.
Irgendwann öffnete Clay seine Augen einen Spalt breit und lehnte sich vertrauensvoll gegen mich. Er lächelte dankbar und wisperte: „Du bist so lieb zu mir, Liz." Seine zärtlichen Worte schürten das schlechte Gewissen in mir. Spontan schüttelte ich den Kopf. „Nein, Clay, ich bin überhaupt nicht lieb zu dir. Hast du etwa schon vergessen, was ich dir gerade alles an den Kopf geworfen habe? Wie gemein ich dich beschimpft und geschlagen habe?" Er lächelte tatsächlich amüsiert und küsste sacht meinen Hals. „Das ist schon okay", meinte er leise.
Aber ich fühlte mich plötzlich und nicht zum ersten Mal sehr schuldig und widersprach ihm. „Nein, Clay, das ist überhaupt nicht okay gewesen! Das war sogar ziemlich unfair von mir. Es tut mir ehrlich leid. Ich wollte dich nicht so gehässig angreifen. Und ich wollte dich schon gar nicht verprügeln. Das alles hätte ich nicht tun dürfen."
Die Erinnerung daran, wie brutal ich ihn geschlagen hatte, lastete jetzt schwer auf meinem Gewissen. Ich verstand mal wieder überhaupt nicht mehr, warum ich dermaßen die Kontrolle über mich verloren hatte. Diese Tatsache erschreckte mich, weil ich das sichere Gefühl hatte, dass mir in letzter Zeit genau das gleiche immer wieder mit Clay passierte. Fast jedes Mal beschimpfte ich ihn, schlug ihn oder war auf andere Art grausam zu ihm, wenn er nur in meine Nähe kam.
Aber Clay hörte nicht auf zu lächeln. Er legte beschützend seinen Arm um meine Schultern und streichelte zart über mein Haar. „Mach dir keine Gedanken darüber, Liz. Das war gar nicht so schlimm. Ich lebe ja noch", versuchte er mich zu trösten.
Ich musste spontan die Augen schließen und tief durchatmen. Es rührte mich zutiefst, dass Clay Banton mir wegen meiner brutalen Angriffe und meiner Gemeinheiten überhaupt nicht böse war. Obwohl mich auch dieser Umstand eigentlich nicht wunderte. Selbstverständlich war für ihn mein zweifellos unangemessenes Verhalten längst Vergangenheit. Dieser Mann würde höchstwahrscheinlich nie wieder darüber nachdenken und sich sehr bald noch nicht einmal mehr daran erinnern.
Schon einige Male hatte ich ihn um diese sicherlich seltene Fähigkeit beneidet. Denn mir fiel es bei Weitem nicht so leicht, Vergangenes zu vergessen, erst recht nicht, wenn es unangenehme Erinnerungen waren. Nun ärgerte ich mich, dass ich ihm überhaupt die Tür geöffnet hatte. Ich hätte ihn auf keinen Fall rein lassen dürfen, dachte ich verzweifelt, dann wäre das alles gar nicht passiert. Plötzlich wurde seine unmittelbare Nähe mir unangenehm, sein vertrauter Geruch, die Wärme seines Körpers, der sich an meinen schmiegte. Eine undefinierte Bedrohung ging von diesem Mann aus, das spürte ich auf einmal ganz deutlich.
Ich dachte eine Weile darüber nach, bis es mir schlagartig sonnenklar wurde: Clay Banton drohte meinen Entschluss, ihn zu verlassen, wahrhaftig ins Wanken zu bringen! Ich fühlte mich nämlich in seiner Gegenwart entschieden zu wohl! Seine Nähe tröstete mich, sein starker Arm um meinen Schultern beschützte mich, sein sanftes Streicheln an meinem Kopf erregte mich auf angenehmste Weise. Seine grenzenlose Güte überwältigte mich. Erschrocken riss ich die Augen auf.
Clay registrierte augenblicklich, dass ich mich innerlich von ihm zurückzog. Er spürte es intuitiv, lange bevor man mir äußerlich etwas anmerkte, denn manchmal hatte er erstaunlich feine Antennen für meine Stimmungen. Noch bevor ich meine Hand entsetzt von seinem Bauch nehmen konnte, war er auch schon viel dichter zu mir gerückt. Hastig, beinahe panisch, knöpfte er einige Knöpfe seiner Jeans auf. Er packte überstürzt fester nach meiner Hand und schob sie energisch tiefer in seine Hose hinein. Sein Gesicht war plötzlich dicht über meinem, und er versuchte verzweifelt mich zu küssen. „Nein! Bitte nicht! Bleib bei mir! Geh nicht weg!" keuchte er flehentlich.
Sein heftiger, offenbar sexuell motivierter Überfall verunsicherte mich. Ich schob ihn hart weg und drehte meinen Kopf zur Seite. „Clay!" protestierte ich irritiert. „Bitte bleib bei mir! Geh nicht weg!" wiederholte er atemlos und drängte mir hartnäckig weiter entgegen. Er wollte mich aufs Neue küssen, aber ich schob ihn energisch von mir. Er versuchte, meine Hand in seine Unterhose zu schieben, aber ich zog meinen Arm mit einem Ruck zurück und befreite mich schließlich mühsam von ihm.
„Lass das sein, verdammt!" zischte ich ihn unfreundlich an und schubste ihn brutal von mir weg. Er fiel auf die Couch, blickte mich unglücklich an und richtete sich nur langsam auf. Schließlich saß er am Ende des Sofas und atmete aufgeregt. Verwirrt und traurig beobachtete er mich. „Bitte bleib doch bei mir, Liz", seufzte er verunsichert. „Fasse mich an, bitte. Ich liebe dich", flüsterte er drängend.
Ich schüttelte entschieden den Kopf, während ich Mühe hatte, nicht auf seine aufgeknöpfte Jeans oder seine von herausstürzenden Tränen feucht glitzernden Augen zu achten. „Nein, verdammt! Was soll das denn?!" schimpfte ich ihn aus, „Hast du denn gar nichts begriffen?" Mein Herz klopfte so schnell, dass ich Mühe hatte ruhig zu atmen. „Ich habe mich von dir getrennt, Herr Banton!" betonte ich streng und überdeutlich, „Und das bedeutet auch, dass ich keinen Sex mehr mit dir will!"
Dieser zweite Satz war eine absolut dreiste Lüge, das musste ich im Stillen zugeben. Innerlich kämpfte ich mit dem erstaunlich starken Bedürfnis, ihn sehr wohl intim anzufassen. Liebend gerne wollte ich auf der Stelle mein Lieblingsspielzeug auspacken, um mich umfassend damit zu vergnügen. Ich wollte ihm die geilsten Gefühle schenken und mich zusammen mit diesem aufregenden Mann total fallen lassen. Allein der Gedanke daran ließ meinen Unterleib unwillkürlich heiß und feucht werden. Clays attraktiver Körper, seine spürbare Begierde und seine verlockend offene Hose törnten mich enorm an. Eigentlich wollte ich ihm unbedingt ganz nah sein, so nah wie irgend möglich.
Aber ich schreckte auch davor zurück. Ich durfte doch nicht alle meine mühsam gefassten Vorsätze für ein bisschen Sex so rasend schnell über Bord werfen. Diesen Mann hast du längst abgehakt, er ist jetzt absolut tabu für dich, versuchte ich mir verbissen einzureden.
Energisch setzte ich mich gerade hin und warf Clay einen vorwurfsvollen Blick zu. Er saß in einigem Abstand auf dem Sofa, hatte mich nicht aus den Augen gelassen und taxierte mich nun prüfend. „Du willst keinen Sex mehr mit mir? Bist du dir da ganz sicher, Eliza?" vergewisserte er sich atemlos, schluckte seine Tränen hart herunter und wischte sich fahrig mit dem Handrücken über die Augen. Erstaunt musterte ich ihn, denn seine Stimme hörte sich beinahe drohend an. „Ja, ich bin mir total sicher, Clay, allerdings!" behauptete ich kühl.
Einen Moment lang taxierten wir uns gegenseitig reglos. Seine schönen Augen leuchteten eindeutig erwartungsvoll. Hinter seiner Traurigkeit war er amüsiert von mir.
Und dann bemerkte ich plötzlich etwas ganz Fremdes in seinem Blick, etwas Unerwartetes, das mich so erschreckte, dass mir unwillkürlich ein eiskalter Schauer über das Rückgrat lief. Da war eindeutig ein dunkles, tief verborgenes, brutales Funkeln, ein Anflug von unverhüllter Grausamkeit, den ich definitiv noch niemals bei ihm gesehen hatte. „Du bist so eine verdammte Lügnerin, Frau Laser", gurrte Clay gefährlich leise.
Clay
Die hauseigene Gitarre, oder besser Klampfe, war eine totale Katastrophe, völlig abgegriffen und hoffnungslos verstimmt. Ihr Klang blieb auch nach meinem mühsamen Stimmen grauenhaft, aber das schien tatsächlich nur mir aufzufallen.
Als ich schließlich für sie spielte, saßen wir in diesem berühmt-berüchtigen Stuhlkreis in der Eingangshalle, und alle Augen lagen unverändert auf mir. Zuerst spielte ich recht widerwillig und sang einige ziemlich aggressive Texte dazu. Aber mit der Zeit wurde es besser, weil ich stärker registrierte, wie gebannt Melanie mich beobachtete. Auch Sarah schien beeindruckt zu sein. Offenbar hatte sie mich noch nicht oft spielen gehört, was ich aber nicht genau wusste, weil ich mich schlicht nicht erinnerte. Tabea dagegen hatte ich definitiv schon unzählige Songs vorgespielt, und sie musterte mich die ganze Zeit mit einer verschleierten Sehnsucht hinter ihrem Zorn, die ich mir nicht erklären konnte.
Stuart kannte mein Gitarrenspiel auch zur genüge, und er verschlang mich förmlich mit seinen Augen, zog mich gierig nackt aus und legte mich flach, was ich äußerst amüsant fand. Axel glotzte die ganze Zeit bockig-genervt auf meine Finger, wippte aber unwillkürlich mit den Zehenspitzen mit, der Idiot. Die beiden psychosozialen Betreuer Ayse und Ragnar beobachteten mich wohlwollend lächelnd, als wäre ihr Sorgenkind brav geworden. Auch ihnen schien meine Musik zu gefallen, und als ich später ein paar bekannte Rock-Cover anstimmte, sangen sie sogar ziemlich schief mit und animierten Sarah, Stuart und Melanie mehr oder weniger auch dazu. Die Stimmung in der großen Eingangshalle der Drogenberatungsstelle wurde auf wundersame Weise total ausgelassen und alle hatten sichtbar eine Menge Spaß dabei.
Zum Schluss spielte ich bewusst Lovegame, und ich spielte es ganz allein für Melanie. Während ich aus reichlicher Erfahrung wusste, dass Sarah zwar für ihr Leben gern mit mir flirtete, mich ansonsten aber grundsätzlich im Regen stehenließ, hatte ich bei Melanie ein anderes, ein viel besseres Gefühl. Die fremde Frau schien ernsthaft interessiert zu sein und ich malte mir schon ungeduldig aus, was in meiner Wohnung alles Geiles zwischen uns passieren würde.
Es wurde Zeit zu gehen, aber zuerst heizte ich sie mit Lovegame noch richtig an. Der Song handelt von der Liebe in all ihren Spielarten, irgendwie auch von Sex, und ich schmachtete dabei ausschließlich Melanie an, küsste und liebkoste sie förmlich mit meinen Augen und meiner trainierten Stimme.
Sie verstand mich genau, wurde wieder mal entzückend rot, wandte aber ihren Blick nicht eine Sekunde lang ab. Auf ihre zurückhaltende Art erwiderte sie eindeutig meinen Flirt. Dies bestärkte mich in der Annahme, dass sie tatsächlich neugierig auf mich und meinen nackten Körper war. Sie war echt scharf auf meinen Schwanz, den sie vorher in diesem bekloppten Blog ja schon höchst eingehend von allen Seiten betrachtet hatte.
Es war ansonsten totenstill im Raum, während ich Lovegame spielte und in meine Stimme alles an Gefühlen packte, wozu ich beim musizieren fähig war. Ich steigerte mich dermaßen in diesen heißen Song, meine geilen Fantasien und das intensive Flirten rein, dass ich unwillkürlich hart wurde und die Schrott-Gitarre auf meinen Oberschenkeln automatisch fester an mich presste.
Das fühlte sich gut an, und von mir aus hätte es noch länger so weiter gehen können. Aber Lovegame endete abrupt in einem wirren Staccato, und das konnte ich nicht ändern. Vielleicht hätte ich noch ein bisschen improvisieren können, um das Ende hinauszuzögern, aber ich war ungeduldig und wollte hier raus, um mich endlich ausgiebig mit Melanie beschäftigen zu können.
Als der letzte Ton verklungen war, blieb es gefühlte Ewigkeiten totenstill. Niemand sagte etwas, keiner bewegte sich und alle starrten mich nur erstaunt an, bis ich mich deshalb schon langsam irgendwie unwohl fühlte. Wussten sie von meiner Erektion, die sich verflucht eng in meine Jeans quetschte? Konnten sie meine Erregung womöglich erahnen? Verunsichert schaute ich an mir hinab und beendete damit unabsichtlich den intensiven Blickkontakt mit Melanie. Nein, sie konnten nicht...
Als ich wieder hochschaute, fiel mir zum ersten Mal auf, wie merkwürdig mich alle ansahen. Nur langsam dämmerte mir, dass ich das Liebeslied zwar allein für Melanie gespielt hatte, dass aber alle anderen in diesem Stuhlkreis dabei gewesen waren und meinen musikalischen Flirt ganz genau verfolgt hatten.
Prüfend ließ ich meinen Blick über mein schweigendes Publikum wandern und registrierte die irritierten, fassungslosen Gesichter von Ragnar und Ayse, die offen gekränkte Eifersucht in Stuarts Augen und eindeutig gehässigen Spott, der in den Visagen von Axel und Tabea aufblitzte.
Meine Aufmerksamkeit landete zurück bei Melanie, die gerade damit anfing, höchst angeregt mit Sarah zu tuscheln. Die beiden Frauen kicherten und musterten mich zwischendurch amüsiert.
Das alles war gegen mich gerichtet und gefiel mir überhaupt nicht. Außerdem war ich irgendwie enttäuscht, weil ich mir mit der grottenschlechten Gitarre echt Mühe gegeben hatte, und trotzdem niemand auch nur ansatzweise klatschte. Zwar war ich nicht übertrieben applausgeil, aber ein bisschen Klatschen war der Höflichkeit geschuldet, fand ich. Dann ärgerte ich mich, weil ich wegen so einem blöden Scheiß gekränkt war. Wütend beschloss ich, definitiv nie wieder für sie Gitarre zu spielen.
Das Schweigen wurde nervig drückend, deshalb verkündete ich schließlich: „So, das war's jetzt. Das Konzert ist aus." „Ach, spiele doch bitte noch was, Clay! Es wurde gerade so richtig interessant!" forderte Tabea mich grinsend auf. „Ja, Clay, du spielst toll, das war wirklich klasse!" ließ Ragnar endlich so etwas wie ein Lob verlauten und Ayse nickte zustimmend.
Ich schüttelte den Kopf, stand auf und stellte die Gitarre auf den Boden neben meinem Stuhl. „Nein, ich habe genug. Ich muss jetzt gehen." Mein Hals war inzwischen ganz trocken vom vielen, lauten Singen, ich hatte Durst und mir war viel zu warm. Zu gerne hätte ich das Jackett ausgezogen, aber stattdessen knöpfte ich zwei Knöpfe zu.
„Du musst jetzt dringend auf die Toilette gehen, nicht wahr?" fragte Axel mich hinterhältig grienend. Als ich ihn fragend ansah, grinste er noch breiter und erklärte: „Na, damit du dir schnell einen runter holen kannst." Bevor ich darauf reagieren konnte, meinte Tabea kichernd: „Nein, so etwas macht Clay doch nicht! Er würde viel lieber jetzt zusammen mit Mel in eins der Zimmer gehen!"
Tabea, Axel, Sarah und Melanie prusteten einvernehmlich los. Sogar Stuart und Ayse mussten sich ein Lachen verkneifen, wobei Stuart ein wenig unglücklich dabei aussah. Nur Ragnar schüttelte genervt den Kopf und knurrte: „Ach, kommt, Leute! Das ist doch jetzt total albern! Hört auf damit!"
Da stand ich nun in diesem beschissenen Stuhlkreis und wurde von allen Seiten ausgelacht. Ihr Hohn war der hässliche Dank dafür, dass ich bestimmt über eine Stunde lang für sie ein Gratis-Konzert gegeben hatte. Am liebsten hätte ich die billige Gitarre genommen und sie mit Wucht zertrümmert, mit Vorliebe auf Axels Kopf. Aber das ging natürlich nicht, deshalb stand ich einfach dort, zwang mich ruhig zu bleiben und ließ sie lachen. Das Gefühl war aber so dermaßen scheiße, dass meine Erektion sich beleidigt verabschiedete. Also knöpfte ich mein Jackett wieder auf.
„Beruhigt euch! Wie alt seid ihr eigentlich?! Seid doch nicht so kindisch!" mahnte Ragnar schließlich verärgert. Axel drehte sich zu ihm hin. „Findest du denn nicht auch, dass das letzte Lied genau wie öffentlicher Sex war? Der hat Melanie doch förmlich vor unseren Augen gefickt!" Ich betrachtete ihn angewidert und dachte spöttisch, dass sein eigenes Sexleben bestimmt ziemlich kümmerlich war, weil er so oft vom Ficken redete. Dieser Verdacht amüsierte mich und half mir dabei, ganz entspannt zu erscheinen.
„Woanders hättet ihr für dieses Konzert mindestens 20 Euro bezahlt. Also beschwert euch gefälligst nicht", bemerkte ich cool. „Sag bloß, irgendjemand bezahlt auch noch dafür, um dich spielen zu hören?" tat Axel erstaunt. „Hör auf Axel! Werde nicht gehässig!" fuhr Ragnar ihn sofort an und stand auf. „Wir sollten jetzt ein wenig darüber reden, wie euch die Musik von Clay gefallen hat. Was habt ihr dabei empfunden? Ihr habt doch vorhin alle begeistert mitgesungen!" bemühte er sich redlich, die Situation in den Griff zu bekommen.
Aber er hatte bedauerlicherweise keinen Erfolg, denn das allgemeine Amüsement ging unverändert auf meine Kosten. „Wenn du mit Valmont Musik spielst, treibt ihr es dann auch auf der Bühne?" fragte Tabea mich höhnisch, die schon einige Konzerte von Sean und mir gesehen hatte und ganz genau wusste, dass nichts davon passierte, nicht mal angedeutet. „Nein", erwiderte ich knapp und lenkte meine gezielte Aufmerksamkeit zurück zu Melanie, um herauszufinden, wie meine Chancen jetzt bei ihr standen. Leider war sie immer noch mit Sarah zugange, flüsterte und kicherte angeregt mit ihrer Freundin, die sie doch angeblich nach eigener Aussage kaum kannte.
„Im Theater fickt ihr aber schon, Valmont und du", betonte Axel echt nervtötend, der offensichtlich noch keine einzige Vorstellung von Sean und mir gesehen oder verstanden hatte. „Du hast es echt mit dem Wort ficken, was Selzer?" konnte ich mich nicht bremsen, geringschätzig zu erwähnen. Sofort leuchteten seine Augen erfreut auf, denn er hatte nur darauf gewartet, dass seine ständigen Provokationen bei mir fruchteten. „Nein, Banton, du bist hier derjenige, der pausenlos durch die Gegend fickt!" konterte er herausfordernd.
Ragnar stöhnte genervt auf und stellte sich schnell, instinktiv Böses ahnend, zwischen Axel und mich in den Stuhlkreis. „Ihr hört jetzt augenblicklich auf damit!" befahl er uns streng, „Halte dich zurück, Axel!" Der Angesprochene tat beleidigt. „Wieso? Ich bin es doch nicht, der hier öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt!" bemerkte er spöttisch.
Es sah nicht so aus, als würden die Idioten sich nochmal einkriegen. Am liebsten wäre ich direkt zu Melanie gegangen, hätte sie dreist an die Hand genommen und mit zu meinem Auto geschleift. Aber das ging natürlich auf keinen Fall. Ich durfte sie in diesem Moment noch nicht mal ansprechen, denn die anderen würden zuhören und ihre Reaktion komplett verfälschen. Wahrscheinlich würde sie mir einen Korb geben, wenn ich sie jetzt fragen würde, ob sie mit mir käme, analysierte ich.
Das wollte ich nicht riskieren, mahnte mich mühsam zur Geduld und wandte mich stattdessen an Ragnar. „Du, hör mal, ich muss jetzt echt los. Stellst du mir bitte die PSB aus?" fragte ich ihn so höflich wie möglich. Er betrachtete mich irgendwie unglücklich. „Musst du echt schon gehen?" Ich nickte entschieden. „Ja, ich habe noch einen wichtigen Termin", log ich ihn überzeugend an.
„Bestimmt triffst du deinen schwulen Liebhaber, nicht wahr?" mischte Axel sich grinsend ein, und erneut schwoll belustigtes Lachen an, was mich diesmal innerlich zerriss, weil ich dabei automatisch an Valmont denken musste.
Zum Verrecken konnte ich es nicht leiden, wenn sich jemand über meine Beziehung zu Sean lustig machte. Dazu war der Mann mir definitiv viel zu wichtig. Valmont war auf unendlich viele Arten untrennbar mit mir verbunden, und niemand hatte das Recht dazu, unsere Beziehung auch nur andeutungsweise lächerlich erscheinen zu lassen. In diesem Moment hatte ich das unbestimmte Gefühl, in letzter Zeit schon mehrmals wegen Sean Valmont blöd angemacht worden zu sein. Das Maß war endgültig voll.
Wahrscheinlich deshalb verlor ich die Kontrolle über mich. Nur für einen kurzen Augenblick, aber der reichte schon aus, damit ich mich intuitiv an Ragnar vorbei auf Axel stürzte, der so schnell gar nicht reagieren konnte. Ich schlug Selzer so fest ins Gesicht, dass er mitsamt dem Stuhl nach hinten umkippte und polternd auf dem Boden aufschlug.
Nach einer Schrecksekunde hörte er ärgerlicherweise trotzdem nicht auf zu lachen, offensichtlich war mein Schlag nicht wirkungsvoll genug gewesen. Axel lag jetzt lediglich auf dem Boden, den umgekippten Stuhl unter sich. Er hielt sich die getroffene Stelle an seiner linken Schläfe, taxierte mich höhnisch grinsend und amüsierte sich unverändert prächtig über mich. Mein kurzer Kontrollverlust gefiel ihm total, denn damit hatte ich ihm dummerweise ganz genau das gegeben, was schon die ganze Zeit in seiner Absicht gelegen hatte.
Das nervte mich extrem, deshalb wollte ich spontan zu ihm hin. Ich wollte ihm noch eine oder zwei verpassen, um ihm das scheiß Lachen endlich aus dem Gesicht zu schlagen. Aber da hatte Ragnar mich schon felsenfest von hinten umschlungen und hielt mich energisch auf. Mein Betreuer war überraschend stark, konnte mich tatsächlich festhalten, also wehrte ich mich nicht gegen ihn.
Das Lachen der anderen hörte nach meinem unerwarteten Schlag abrupt auf, nur Axel-Arsch kicherte noch viel zu lange höchst belustigt und siegesgewiss.
Aber irgendwann war es auf einmal wieder totenstill in der Halle. Jeder schaute erschrocken von Axel auf dem Boden zu mir und zurück. Aus Axel Selzers Nase lief ein bisschen Blut, wie ich höchst befriedigt registrierte. „Meine Liebhaber gehen dich einen Scheiß an!" schrie ich zu Axel hin. „Du bist ja nur eifersüchtig, weil du selbst niemanden hast!"
Zu meiner Verwunderung erwiderte er nichts darauf, wischte sich nur über die Nase und betrachtete das wenige Blut an seinen Fingern. Dann zeigte er mit dem Finger auf mich, wobei seine Hand tatsächlich zitterte. „Du bist so krank, Banton!" zischte er mir zu, richtete sich auf und rief zur Runde gewandt: „Der ist total gefährlich! Der hat mich geschlagen, das habt ihr alle gesehen!" Tabea nickte entschieden und schaute Mel warnend an. „Ja, Axel hat recht damit. Clay ist absolut unberechenbar. Pass gut auf, auf wen du dich da einlässt, Melanie!" warnte die Frau, die mich vor kurzem verprügelt hatte. Die Angesprochene warf mir einen kurzen Blick zu, der prüfend und verdammt misstrauisch war.
Diese unfreundlichen Worte und Mels erstaunter Blick gefielen mir überhaupt nicht. Fieberhaft suchte ich nach einer cleveren Entgegnung, aber mir wollte partout nichts einfallen.
„Genug jetzt!" donnerte Ragnar plötzlich, sodass alle erschrocken zusammenzuckten. Er ließ mich los und drehte mich zu sich herum, was ich widerstandslos geschehen ließ. „Das geht nicht, Clay, du kannst hier niemanden schlagen! Wir können über alles reden, aber Gewalttätigkeiten dulde ich nicht!" meckerte er mich natürlich aus. „Können wir auch über alles lachen?" fragte ich ihn ganz ruhig und fixierte ihn vorwurfsvoll. Darauf wusste er nichts zu sagen, weil ihm sonnenklar war, wie sehr ich von allen ausgelacht und von Axel provoziert worden war. Das ratlose Schweigen meines Betreuers war eine große Befriedigung für mich.
Ragnar Rauen war gerade sprachlos, also sprang Ayse kurzerhand ein und brachte sich damit als zweite Betreuerin in Erinnerung. „Okay, Leute, das ist jetzt alles ziemlich unglücklich verlaufen. Ich danke dir für das schöne Konzert, Clay, das war echt intensiv. Aber ich glaube, es ist besser, wenn wir für heute Schluss machen und den Brunch an dieser Stelle beenden", verkündete sie seufzend und stand auf. Alle stimmten ihr mehr oder weniger begeistert zu. Sofort kam Bewegung in die gemischten Klienten der Drogenberatungsstelle. Stühle wurden gerückt, Jacken und Taschen gesucht und eingesammelt.
„Du kommst jetzt mit mir mit", flüsterte Ragnar mir fast drohend zu, packte mich tatsächlich am Arm und zog mich in Richtung seines Büros. Auch diesmal wehrte ich mich nicht. „Kommt der etwa einfach so davon?" hörte ich noch, wie Axel sich hinter uns aufregte, der inzwischen wieder aufgestanden war. Anscheinend beruhigte Ayse ihn irgendwie, denn danach hörte ich nichts mehr, nur noch das spöttische Gemurmel der anderen.
Ragnar zog mich geradewegs durch den Flur, die Treppe hinauf und in sein Büro hinein, und er duldete dabei keinen Widerspruch. Sein fester Griff um meinen verletzten linken Arm tat weh, aber ich beschwerte mich nicht.
Der Sozialpädagoge schob mich zu seiner Couch und drückte mich nieder. Dann schloss er die Tür und ging zu seinem Schreibtisch, wo er sich auf seinen Stuhl setzte. „Kann ich bitte was zu trinken haben?" fragte ich ihn, denn mein Hals war inzwischen fast ausgedörrt. Ragnar sah traurig aus, als er mich eine Zeit lang reglos musterte. Dann besann er sich, stand wieder auf und kam zu mir. „Ja, klar, was willst du denn?" wollte er seltsam müde wissen. Zu gerne hätte ich Jack Daniel's gesagt. Es verlangte mich nämlich enorm nach starkem, äußerst wohlschmeckendem Whiskey. Aber selbstverständlich gab es in der Drobs keinerlei Alkohol, deshalb bestellte ich: „Ein Wasser, bitte. Mit viel Kohlensäure." Ragnar nickte. „Warte hier! Geh nicht weg!" befahl er mir streng und verließ sein Büro, um mir in der Küche ein Mineralwasser zu holen.
Während ich auf dem Sofa saß und wartete, zog ich erst mal mein Jackett aus und legte es neben mich, denn mir war immer noch viel zu warm. Dann saß ich eine Weile dort und grübelte darüber nach, wie ich es anstellen konnte, Melanie in meine Wohnung zu verfrachten. Ich wollte sie unbedingt dorthin mitnehmen, wollte ihr alles in Ruhe zeigen, jeden einzelnen Raum, und ihr jedes Gemälde erklären. Zum Schluss würde ich ihr mein beeindruckendes, marmornes Badezimmer vorführen. Ich würde die ganze Zeit aufmerksam mit ihr flirten und vielleicht konnten wir dann später sogar geilen Sex haben.
Der Gedanke schien mir absolut verlockend zu sein. Und er war gar nicht so abwegig nach dem sympathischen Gespräch auf der Veranda und unserem echt intimen Lovegame-Flirt. Am liebsten würde ich es im Whirlpool mit ihr treiben, überlegte ich und spürte augenblicklich gespannte Erregung in mir aufkeimen. Ob sie wohl ein risikofreudiges Whirlpool-Mädchen war? Aber nein, Melanie war dafür viel zu schüchtern. Sie würde wohl eher das bequeme Wasserbett vorziehen, vermutete ich, was mir aber auch recht wäre. Ich würde alles ganz genauso machen, wie sie es sich wünschen würde, denn sie sollte sich bei mir auf jeden Fall immer wohlfühlen.
Aber wahrscheinlich ist es schon viel zu spät, dachte ich deprimiert, die Frau ist bestimmt schon längst weg, wenn Ragnar mich endlich gehen lässt.
Erstaunlich schnell kam Ragnar aus der Küche zurück, ein Glas Mineralwasser und eine Tasse Kaffee in der Hand. Er stellte das Glas vor mich auf den Tisch und setzte sich mit seinem Kaffee zurück an seinen Schreibtisch. Nochmal musterte er mich eine Weile nachdenklich, dann seufzte er und holte Luft. „Das geht nicht, Clay, du kannst hier nicht irgendwelche Leute schlagen!" Seine Stimme klang vorwurfsvoll, und das ging mir sofort auf die Nerven. „Ich habe nicht irgendwelche Leute geschlagen, sondern nur Axel Selzer. Und der hatte es mehr als verdient", erwiderte ich aufmüpfig.
Auf dieses Thema hatte ich keine Lust, eigentlich auf überhaupt kein Thema. Ich war des Redens so was von müde, noch bevor mein aufgezwungenes Gespräch mit Ragnar richtig begonnen hatte. Er schüttelte den Kopf. „Das ist egal, Clay. Und wenn er dich noch so verbal provoziert. Du musst dich besser im Griff haben, sonst darfst du nicht mehr hierher kommen." Spontan lag mir auf der Zunge, dass es nicht meine Idee gewesen war, den Brunch der Drobs zu besuchen, und das ich keinen Wert darauf legte, hier zu sein. Aber das war irgendwie Mist. Ich musste mich bremsen, denn all das gehörte nun mal zum Methadonprogramm.
„Okay, du hast recht. Es tut mir leid und kommt nicht wieder vor, Ragnar", gab ich klein bei, um ihn zu beruhigen. Er schaute mich misstrauisch an, weil er mir wahrscheinlich nicht glaubte, widersprach aber nicht, sondern nickte nur. „Okay", seufzte er resigniert.
Ich nahm hastig einen Schluck Wasser und genoss das kühle Nass in meiner Kehle. Dann rülpste ich von der Kohlensäure hinter vorgehaltener Hand, was echt gut tat. „Aber Tabea darf mich ungestraft verprügeln, was?" konnte ich mir nicht verkneifen, spöttisch zu bemerken, weil es ja schließlich die zornige Frau gewesen war, die mich zuerst tätlich angegriffen hatte, und sogar ohne den geringsten Grund. Ragnar schüttelte den Kopf. „Nein, das darf auch Tabea nicht. Gewalt wird hier nicht geduldet, von niemandem, das weißt du. Ayse wird noch ernsthaft mit Tabea darüber reden", wollte er mir weismachen. „Ayse hat davon doch gar nichts mitgekriegt!" entgegnete ich amüsiert. Ragnar betrachtete mich prüfend und versicherte mir: „Ich werde Ayse heute noch über diesen Vorfall in Kenntnis setzen, Clay. Spätestens am Mittwoch wird sie dann beim Frauenbrunch Tabea auf ihr unangemessenes Verhalten dir gegenüber ansprechen."
Ich grinste ihn hämisch an, denn ich war mir sicher, dass nichts davon passieren würde. Aber eigentlich war mir das sowieso völlig egal. Für mich war dieser Scheiß längst Vergangenheit.
„Gibst du mir jetzt bitte die PSB?" fragte ich ihn mit mühsam beherrschter Ungeduld. „Wie geht es dir, Clay? Was machst du so zur Zeit?" wollte Ragnar daraufhin wissen, als hätte er meine Bitte gar nicht gehört. Ich stöhnte innerlich auf, ließ mir aber nichts anmerken und lächelte freundlich. „Ich spiele dreimal die Woche bei der Performance Psychotic Kühlschrank im Grenzland-Theater mit. Außerdem arbeite ich als Grafiker für diverse Werbeagenturen und Labels", informierte ich ihn gelassen. Er schien wahrhaftig beeindruckt zu sein, was ich amüsiert zur Kenntnis nahm. „Spielst du nicht sogar die Hauptrolle in diesem Stück?" „Ja, ich bin der psychotische Kühlschrank", gab ich gleichgültig zu.
„Es freut mich, dass du so außergewöhnlich aktiv bist, Clay", meinte Ragnar lächelnd. Er hörte sich ehrlich erfreut an, was ich nicht kapierte, weil er rein gar nichts davon hatte, und es ihm deshalb total egal sein konnte. „Ja, ich bin schwer beschäftigt, deshalb muss ich jetzt auch los!" erwähnte ich wie nebenbei und stand auf. „Setz dich bitte!" kam es sofort von Ragnar. Ich gehorchte und betrachtete ihn.
„Und wie geht es dir so?" rang ich mir mühsam ab, weil mich das nicht die Bohne interessierte. Es sah aus, als hätte Herr Rauen nur auf diese Frage gewartet. „Nun, ich habe hier mit der Drogenberatung ziemlich viel zu tun. Außerdem habe ich meinen Eltern letzte Woche bei ihrem Umzug in eine Altenwohnung geholfen. Mein Vater schafft die vielen Treppen in der vorherigen Wohnung nicht mehr", erzählte Ragnar mir freimütig. Ich nickte und heuchelte Interesse. „Die neue Wohnung meiner Eltern ist sehr schön und viel näher an der Innenstadt", setzte Ragnar noch hinzu.
Danach war es eine lange Zeit still. Ich nahm noch einen großen Schluck Wasser. Er schaute mich abschätzend an und fragte plötzlich sehr vorsichtig: „Hast du denn in der Zwischenzeit mal etwas von deinen Eltern gehört, Clay?"
Ich konnte nicht umhin, die Eleganz und Cleverness zu bewundern, mit der Ragnar Rauen von seinen eigenen Eltern geradewegs zu meinen verschollenen schwenkte. Trotzdem fiel es mir sehr schwer, mir meine unmittelbare, ungewollte und intuitiv mächtige Reaktion auf seine Frage nicht anmerken zu lassen. Denn der innere Stich, den ich augenblicklich empfand, war extrem heftig.
Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, mein Hals schnürte sich zu und mein Herz begann ein unsinniges Hämmern. Mein ganzer Körper erzitterte vegetativ. Deshalb brauchte ich viel zu lange, bis ich dem Mann antworten konnte. „Nein", quetschte ich endlich irgendwie hervor. Ragnar beobachtete mich höchst aufmerksam und nickte bedächtig. „Bei unserem letzten Gespräch hast du mir verraten, dass du gerne Kontakt mit deinem Vater aufnehmen würdest. Ist es dazu also noch nicht gekommen?" hakte er behutsam nach und studierte mich wachsam dabei.
Ich konnte mir nicht erklären, warum mein psychosozialer Betreuer diese höchst persönlichen, echt nervigen Details aus unserem letzten Gespräch noch so haargenau kannte. Obwohl dieser Wortwechsel doch inzwischen schon über ein Jahr her war und ich verdammt nochmal keine Ahnung mehr hatte, was ich damals zu ihm gesagt hatte. Shit, hatte ich etwa tatsächlich mit Ragnar über meinen Vater gesprochen? Ausgerechnet? Was war damals nur in mich gefahren? Warum um alles in der Welt hatte ich ihm diesen kompletten Unsinn erzählt? Ich würde Kontakt zu meinem Vater wollen?! So ein absoluter Blödsinn!
Fuck! Mit Sicherheit hatte er mich damals, vor über einem Jahr, auch wieder mal unbewusst dazu genötigt, diese scheiß Lüge zu behaupten. Bei ausnahmslos jedem Gespräch mit Ragnar neigte ich enorm dazu, ihm irgendwelche Unwahrheiten aufzutischen, von denen ich annahm, dass er sie gerne hören wollte. Ich tat das einzig aus dem Grund, damit er mit mir zufrieden war und mich deshalb schneller in Ruhe ließ. Auch die meisten Psychologen hatte ich mir früher, vor gefühlten Ewigkeiten, öfter mal auf diese Art vom Hals halten wollen. Und eigentlich hatte das auch immer ganz gut geklappt.
Blöderweise hatte ich aber nicht damit gerechnet, dass Ragnar meine damaligen Behauptungen noch ganz genau wusste. Er hat sich diesen Scheiß bestimmt notiert, versuchte ich verärgert, eine Erklärung dafür zu finden. Mit Sicherheit notiert er sich alle unsere Gespräche irgendwo, genau wie diese verfluchten Psychiater es immerzu tun.
Der Sozialpädagoge Ragnar Rauen hatte sich definitiv äußerst gewissenhaft auf die Begegnung mit mir vorbereitet, und er traf mich damit vollkommen unvorbereitet.
Das alles gefiel mir überhaupt nicht, denn ich wollte diese persönlichen Dinge nicht in einer Behörde aufgeschrieben wissen. Ich wollte keine Akte von mir, in der solche Sachen über mich standen. Aber idiotischerweise gehörte es zum obersten Prinzip der städtischen Drogenberatungsstelle, dass jeder Klient seinen Lebenslauf absolut lückenlos offenlegte. Selbstverständlich hatte ich mit Ragnar auch über meine Kindheit gesprochen, denn damit fing ja wohl jede Drogen- und sonstige Karriere an.
„Nein, ich habe keinen Kontakt zu meinem Vater, denn ich habe keine Ahnung, wo er ist", erwiderte ich schnell, abwehrend und fixierte dabei das Wasserglas. Hör jetzt auf damit, dachte ich flehentlich, das muss jetzt echt nicht auch noch sein! „Ich vermute, dass er sich weiterhin in Island aufhält, Clay. Du könntest dort anrufen und dich erkundigen. Oder versuche es doch zuerst im Internet, in den sozialen Medien", schlug Ragnar mir ruhig vor. Ich nickte und vermied es ihn anzusehen. „Okay, das versuche ich mal", stimmte ich ihm hastig zu, damit er endlich die Klappe hielt.
Allein der Gedanke daran ließ mich innerlich komplett durchdrehen. Ich fühlte mich diesem Thema verdammt hilflos ausgeliefert. Nach zwanzig Jahren Funkstille mit meinem Vater Kontakt aufzunehmen war sehr viel schwieriger für mich, als Ragnar auch nur ahnen konnte. Ich fürchtete mich davor, wie ein dummes, kleines Kind, denn ich hatte keinen blassen Schimmer, was in der Zwischenzeit aus ihm geworden war.
Außerdem ging das im Moment auf gar keinen Fall, denn ich konnte ihm doch in meinem derzeitigen Zustand unmöglich gegenübertreten. Fuck, ich war ein verfickter Heroin-Junkie, ich war irgendwie ausgeflippt und hatte überhaupt nichts in meinem Leben auch nur ansatzweise im Griff. Das alles wollte ich meinem Dad ganz bestimmt nicht zumuten. Ich konnte ihn doch unmöglich so verdammt jämmerlich enttäuschen, denn er...
Mir wurde heiß und verfluchte Tränen stiegen mir unwillkürlich in die Augen. Verkrampft schluchzte ich auf und zwang mich hastig dazu, sie zu unterdrücken. Verstohlen wischte ich mir mit den Fingern über die feuchten Augen und starrte angestrengt mein Wasserglas an. Ich war so ein verfluchtes Weichei, die totale Pussy! Nicht so was jetzt, dachte ich erschlagen, bitte nicht! Ich kann das jetzt nicht!
Ragnar beobachtete mich aufmerksam und höchst interessiert. Der Mann kannte mich gut genug, um meine Reaktion richtig einzuschätzen. Vielleicht reagierte ich auch schlicht wie aus dem Lehrbuch für Sozialpädagogen entsprungen.
„Okay, Clay, ich sehe schon, dass das Thema dir noch immer sehr wehtut. Aber ich glaube ganz sicher, dass es dir enorm helfen würde, wenn du Kontakt zu deinem Vater hättest. Er war immerhin die wichtigste Bezugsperson in deiner Kindheit. Und auch eine Aussprache mit deiner Mutter und deinen Schwestern würde dich ein großes Stück weiterbringen, glaub mir. Du musst immer daran denken, dass du nicht allein bist. Du hast eine große Familie, Clay, und vielleicht warten sie ja nur darauf, dass du dich mal bei ihnen meldest."
Seine Worte prallten laut zischend an mir ab, wie kaltes Wasser auf einer heißen Herdplatte, und verschwanden auf Nimmerwiedersehen in der Unendlichkeit. Denn definitiv nichts davon wollte ich jemals in meinem Kopf haben.
Ich starrte reglos auf mein Glas, fixierte angestrengt die kleinen, faszinierenden Kohlensäurebläschen, die in der durchsichtigen Flüssigkeit aufstiegen und sich gemeinsam am Rand festsetzten. Ich war nicht mehr dazu fähig, irgendwas zu sagen, denn dann wäre ich womöglich in lächerliche, kindische Tränen ausgebrochen, und das wollte ich auf gar keinen Fall. Es reicht jetzt, dachte ich nur pausenlos, ich kann jetzt nicht mehr, warum drückt er mir dieses Thema rein, das ist jetzt echt zu viel, ich habe so was von die Schnauze voll!
Ich möchte mich endlich ausruhen. Ich möchte unbedingt, dass jemand sofort seine Hand auf meinen Bauch legt. Falls mich jemand finden wollte, dann konnte er das schließlich ganz leicht, denn von mir gab es jede Menge Scheiß im Internet, auf meiner Seite standen alle meine Kontaktdaten. Offensichtlich hat meine Familie einschließlich meines Vaters kein Interesse an mir, denn sie melden sich ja schließlich auch nicht mehr, dachte ich deprimiert.
Im selben Moment wurde mir schlagartig bewusst, dass ich diesen Kontakt zu meiner Familie tatsächlich gar nicht wollte, sogar auf gar keinen Fall wollte. Ich hatte keinerlei Bedürfnis nach Stimmen aus meiner Vergangenheit, denn das Allermeiste davon war nichts, woran ich gerne zurückdachte. Im Gegenteil, am liebsten hätte ich alle diese verfluchten Erinnerungen restlos aus meinem Gedächtnis ausgelöscht. Es fiel mir schwer, die schmerzenden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. Ragnar schaute mich noch eine ganze Weile erwartungsvoll an, schätzte mich neugierig ab und wartete auf meine Reaktion. Aber da konnte er lange warten, denn von mir kam rein gar nichts mehr.
Später wandte er sich seufzend seinem Computer zu. Er tippte auf der Tastatur herum und ich war heilfroh, dass er mich endlich in Ruhe ließ. Denn ich brauchte diese Pause dringend. Nur mühsam konnte ich meinen wirbelnden Kopf schließlich beruhigen und die viel zu quälenden Gedanken an Alvar Ljúfurson zur Seite schieben.
Nach einer Ewigkeit guckte ich lustlos zu Ragnar hin, der schwer am PC beschäftigt war. Ich hoffte spontan, dass er meine PSB ausdrucken würde, und in diesem Moment fing tatsächlich der Drucker zu arbeiten an, was mir ein erleichtertes Lächeln aufs Gesicht zauberte. Sofort fühlte ich mich sehr viel sicherer. Es ist gleich vorbei, er lässt mich jetzt gehen, redete ich mir freudig zu.
Schließlich schaute Ragnar auf und mir direkt in die Augen. „So, ich habe dir die PSB erst mal für vier Wochen ausgestellt, Clay. Aber ich möchte dich ganz dringend bitten, dass du am Freitag ab 10 Uhr zum Männerbrunch kommst. Oder möchtest du lieber mit mir einen Termin vereinbaren?" Abwartend studierte er mich. Ich war echt dankbar, dass er das heikle Thema fallen gelassen hatte, und lächelte deshalb freundlich. Obwohl eine PSB für nur vier Wochen verdammt kurz war. Andere bekamen diese scheiß Bescheinigung direkt für ein ganzes Jahr ausgestellt.
„Nein... ich komme zum Brunch", versicherte ich ihm schnell, obwohl ich mir das garantiert noch ganz stark überlegen würde. Bis Freitag war es schließlich noch eine Ewigkeit, und es konnte viel passieren. Im Augenblick hätte ich nicht mal genau sagen können, was schlimmer für mich war, das Essen mit irgendwelchen Idioten oder die Gespräche mit Ragnar über meine Familie. Beides hatte mich jedenfalls maßlos erschöpft.
Ich trank den letzten Schluck Wasser aus und guckte ihn an. „Mir geht es gut, Ragnar. Es ist alles okay", versuchte ich ihn zu beruhigen, weil er mich so entzückend besorgt anschaute. Auf seinem Gesicht erschien ein amüsiertes Lächeln. „Das ist schön, Clay. Ich hoffe, das bleibt so. Es freut mich, dass du es nochmal mit Methadon versuchst. Wie kam es eigentlich dazu?" wollte er neugierig wissen. In diesem Moment hatte ich keine Ahnung, wie es dazu gekommen war, oder wie ich überhaupt hier gelandet war. Ich erinnerte mich nur vage an nervige Gespräche und jede Menge Vorwürfe von Sean und Eliza, und alles erschien mir irgendwie unwirklich.
„Ich will das echt durchziehen", erklärte ich Ragnar verwirrt. Er nickte und lachte, stand auf und kam zum Tisch, wo er mir mein wichtiges Stück Papier überreichte, das nichts anderes aussagte, als dass ich Kontakt zur Drogenberatung hatte. Ich nahm meine psychosoziale Bescheinigung von ihm entgegen, faltete das amtliche Dokument zusammen und steckte es sorgfältig in mein Jackett, welches ich gleich darauf eilig anzog.
Ragnar stand vor dem Tisch und betrachtete mich eingehend. Mir fiel auf, dass er seine Tasse Kaffee überhaupt nicht angerührt hatte. „Denke bitte dran, Clay, du musst dich das nächste Mal unbedingt besser im Griff haben. Wenn du hier noch ein einziges Mal gewalttätig wirst, dann schließe ich dich vom Brunch aus und du musst mit mir alleine vorlieb nehmen", ermahnte er mich ernsthaft, als wäre das eine Drohung. „Ja, du hast recht, tut mir leid. Ich schlage niemanden mehr, versprochen, Ragnar", erwiderte ich charmant lächelnd, weil er genau das hören wollte.
Aber Ragnar kannte mich, deshalb guckte er misstrauisch und betonte: „Ich verstehe dich nicht, Clay. Ich meine, sieh dich doch mal an! Du bist dermaßen brutal zusammengeschlagen worden. Man sollte meinen, dass du allein deshalb inzwischen reichlich genug von Gewalt hast. Außerdem bist du doch viel zu intelligent und selbstbewusst, um dich von Menschen wie Axel provozieren zu lassen." Ich nickte, obwohl er damit ja wohl offensichtlich total falsch lag. „Tut mir leid", wiederholte ich gleichgültig, worauf Ragnar einmal ratlos seufzte.
Ungeduldig stand ich auf und fixierte ihn. „Kann ich jetzt gehen?" fragte ich ihn geradeheraus. Er sah nicht glücklich aus, als er nickte, eventuell wollte er noch länger mit mir reden oder irgendwas anderes. Das war mir allerdings herzlich gleichgültig, denn er hatte eindeutig genickt, und das war mein lang ersehntes Startsignal.
Auf der Stelle drehte ich mich herum und hastete zur Tür. Vielleicht hole ich Melanie noch ein, hoffte ich augenblicklich erregt. Früher mussten doch die Brunchbesucher immer noch beim Abräumen des Tisches helfen, bevor sie gehen durften, fiel mir ein. Vielleicht war es doch noch nicht zu spät.
„Also gut, Clay, dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag. Denke bitte daran, dass du mich jederzeit hier anrufen kannst, wenn irgendetwas sein sollte. Ich werde immer versuchen, dir zu helfen. Und ich würde mich wirklich freuen, wenn ich dich am Freitag wiedersehe", meinte Ragnar irgendwie deprimiert. Ich wusste nicht, warum er so depri drauf war, und es war mir auch egal. Ich nickte ihm lächelnd zu, sagte „Gleichfalls" und verließ sein Büro eilenden Fußes. Dann lief ich schnell die Treppe hinunter.
In der Eingangshalle war niemand mehr, der Tisch war ordnungsgemäß abgedeckt worden, die Stühle ordentlich zurück an die Tische gerückt. Ich eilte durch den Flur und warf einen flüchtigen Blick ins Spielzimmer, was ebenfalls verwaist war. Auf dem niedrigen Tisch entdeckte ich eine Kinderzeichnung, und einen Moment lang reizte es mich nachzusehen, ob es vielleicht die von Merle war, die die kleine Maus vorhin gemalt hatte. Hatte sie ihr Bild etwa hier liegengelassen? Es sah fast so aus.
Aber im nächsten Augenblick erlosch mein Interesse auch schon, denn ich war an der Haustür, riss sie auf und trat hinaus in die Kälte. Mein erster Blick huschte zu meinem Auto hin. Ich suchte mit den Augen den Parkplatz nach Melanie ab, aber niemand war dort.
Allein Stuart saß auf der Brüstung der Veranda und rauchte einen Stick. Dreist wie er war, rauchte er direkt vor dem Eingang der Drogenberatung Haschisch. Er trug eine schwarze Mütze mit einem grünen Grasblatt vorne drauf, unter der seine kurzen Dreadlocks hervorlugten.
Langsam ging ich auf ihn zu, während er mich mit reglosem Gesicht beobachtete. Offenbar war Stuart der einzige, der auf mich gewartet hatte, und ich hatte Mühe meine Enttäuschung zu verbergen. „Na, alles klar?" begrüßte Stuart mich, „Ich wusste sofort, dass es mit dir mega lustig wird." „Ja, es war total lustig", erwiderte ich gelangweilt. Ich hielt ihm auffordernd meine Hand hin und er gab mir die kleine, eng gerollte Zigarette.
Während ich einen tiefen Zug nahm, ließ Stuart mich nicht aus den Augen. „Warum nimmst du nicht einfach mich mit zu dir? Warum muss es ausgerechnet Melanie sein? Die kennst du doch gar nicht", fragte er mich plötzlich genervt und ich erkannte die Eifersucht in seiner Stimme. Auf so etwas hatte ich keinen Bock, deshalb nahm ich schnell noch einen tiefen Zug und gab ihm den Stick zurück. „Das ist der Grund, Art. Weil ich sie nicht kenne", versuchte ich zu erklären, aber Stuart begriff das natürlich nicht.
„Sie würde dich sowieso enttäuschen! Sie würde dich nur verarschen! Was meinst du, wie die Mädels sie bearbeitet haben, als du weg warst!" stieß der Kiffer hart hervor. Ich betrachtete ihn misstrauisch, weil ich nicht abschätzen konnte, ob er die Wahrheit sagte oder ob nur die Eifersucht aus ihm sprach. „Was haben sie über mich gesagt?" fragte ich ihn.
Er sprang vom Geländer und landete dicht vor mir. Spöttisch lächelnd blies er mir seinen duftenden Dopequalm ins Gesicht. „Das kannst du dir doch wohl denken, Clay. Es ist doch immer das selbe. Die bezeichnenden Wörter..." Er tat so, als müsste er überlegen. „...gefährlich, psychotisch, krank... und... unersättlich fielen, glaube ich."
Jedes dieser Adjektive verletzte mich, aber ich ließ mir nichts anmerken und grinste gleichgültig. „Melanie wird ihnen das sowieso nicht glauben. Ich habe mit ihr gesprochen, und sie war eindeutig... interessiert." „Ragnar ist fast durchgedreht, als er gemerkt hat, dass du mit Melanie allein draußen warst", erzählte Stuart kichernd und nahm noch einen Zug. Dann hielt er mir den Stick hin und ich rauchte ebenfalls gierig. Das Tetrahydrocannabinol stieg mir erstaunlich schnell in den Kopf, deshalb fing ich ebenfalls an zu lachen. „Ja, er ist echt wütend gewesen. Er dachte tatsächlich, ich wollte Melanie vergewaltigen, der Arsch!"
Obwohl ich kicherte, tat Ragnars Misstrauen mir unverändert weh, deshalb nahm ich noch den letzten tiefen Zug des Sticks und schleuderte ihn danach weit weg über den Parkplatz. Kaum war die Zigarette weg, fiel Stuart ungeduldig über mich her. Mit erstaunlicher Begierde drückte er sich an mich und flüsterte dicht an meinem Ohr: „Bitte nimm mich mit, Clay. Lass uns sofort in deine Wohnung fahren. Ich habe dich so sehr vermisst."
Begierig versuchte er mich zu küssen, aber ich drehte den Kopf weg, sodass er nur meine Wange traf. Mein Körper versteifte sich widerwillig, und Stuart spürte das und flehte verzweifelt: „Bitte, Clay, bitte! Ich brauche dich jetzt! Melanie ist sowieso schon weg! Du wirst sie nicht mehr einholen!" „Wo ist sie?" horchte ich auf.
Stuart ließ mich enttäuscht stöhnend los und ging einen Schritt zurück. „Ich weiß nicht, wo sie ist. Die Mädels sind alle zusammen zur Bushaltestelle gegangen, glaube ich." Seine Augen flehten unverändert, er schmachtete mich an, was ich echt schwach und total lästig fand. Kiffer-Stuart hatte unsinnige Gefühle für mich, das erschwerte diese ganze Geschichte enorm, und darauf wollte ich mich nicht einlassen. Außerdem hatte ich mich schon viel zu sehr auf Melanie gefreut. Ich musste mich beeilen, vielleicht konnte ich sie noch an der Haltestelle abfangen.
„Okay, Art, es war schön dich mal wiederzusehen. Aber ich muss jetzt echt los", versuchte ich einen versöhnlichen Abschied. Seine Augen verdüsterten sich. „Du willst sie finden. Sie geht dir nicht mehr aus dem Kopf", behauptete er laut. „Nein, ich fahre jetzt nach Hause. Ich muss noch jede Menge arbeiten", log ich und hob die Hand zum Gruß. Stuart grapschte nach meiner Hand, hielt sie fest und küsste sie. „Ach, komm schon, Clay. Das wäre so schön mit uns. Du würdest das nicht bereuen. Erinnerst du dich denn nicht mehr, wie geil es immer mit uns war?"
Ich erinnerte mich nicht, war total genervt von ihm und konnte es kaum noch verbergen. Er lutschte aufreizend meine Finger ab. Mühsam entwand ich mich aus seinem Griff. „Ich habe jetzt keine Zeit für dich, Stuart. Vielleicht ein anderes Mal, okay?" erklärte ich ihm um Fairness bemüht.
Dann drehte ich mich um und ging so langsam wie möglich zu meinem Wagen. Es war echt kalt geworden, fiel mir auf, die Luft roch eisig, als würde es bald schneien. „Okay, Clay, dann eben ein anderes Mal! Du weißt nicht, was du verpasst!" schrie Art mir hinterher, und seine Stimme hörte sich deprimiert und missgünstig an.
Aber ich schaute mich nicht mal um, denn ich war schon an meinem wunderschönen Automobil, schloss es auf und setzte mich rein. Drinnen atmete ich zweimal tief durch. Dann startete ich den MG und fuhr über den Parkplatz zur Straße, ohne noch einen Blick auf den Dopefreund oder das Herrenhaus zu werfen. Beides hatte ich schon längst abgehakt.
Stattdessen machte ich mich auf die Suche nach Melanie und fuhr auf direktem Weg zur nächstgelegenen Bushaltestelle. Die Strecke dahin war nicht besonders weit. Zu meiner großen Freude entdeckte ich die Frauen tatsächlich, die dort nah beieinander herumstanden und sich angeregt unterhielten, während Merle gelangweilt auf einem der Sitze saß.
Augenblicklich hatte ich ein ungutes Gefühl, weil die Weiber blöderweise zu dritt waren, denn das war niemals gut. Viel lieber hätte ich Melanie allein angetroffen, weil das mein Vorhaben enorm vereinfacht hätte. Aber an dieser Situation konnte ich jetzt nichts ändern, deshalb beschloss ich, es einfach zu versuchen und das beste daraus zu machen.
Mit Schwung hielt ich neben ihnen an, ließ das Beifahrerfenster cool herunter surren und beugte mich charmant lächelnd zu ihnen hin. „Hat hier jemand ein Taxi bestellt?" fragte ich freundlich und meinte damit natürlich nur Melanie.
Die drei Grazien kicherten prompt los. Melanie betrachtete mich und meinen MG neugierig, während Tabea und Sarah eher spöttisch aussahen. Da die beiden anderen mir egal waren, stieg meine Hoffnung, dass Mel vielleicht bei mir einsteigen würde. Ich ließ sie noch ein bisschen gucken und hörte nicht auf zu lächeln. Aber es passierte nichts, und das Schweigen wurde bald blöd.
Schließlich kam Sarah an mein Wagenfenster und beugte sich hinunter. „Was willst du, Clay? Willst du uns etwa alle nach Hause fahren? Dein Angeberauto ist dafür doch viel zu klein! Wir sind nämlich zu viert, und du kannst ja nur einen mitnehmen!" betonte sie hochnäsig, deutete auf meinen Beifahrersitz und dann auf Tabea, Melanie und Merle.
Ihre abfällige Bezeichnung für mein Baby kränkte mich, aber ich ignorierte das. „Da passen zur Not auch zwei auf den Sitz. Oder ich fahre einfach mehrmals", stellte ich ihr hilfsbereit in Aussicht, obwohl ich eigentlich nicht alle Vier nach Hause kutschieren wollte. Jedoch, wenn Mel dadurch zum Schluss mit zu mir käme, von mir aus auch zusammen mit Sarah, dann hätte ich so ziemlich alles getan.
Noch bevor Sarah etwas erwidern konnte, kam Tabea schon an den Wagen und stellte sich neben sie. „Es ist ja wohl klar, wen er mitnehmen will", sagte sie und blinzelte mich höhnisch an, „Clay Banton hat seinen einzigen kleinen Platz ganz allein für Melanie reserviert. Seine schmutzigen Absichten hat er uns doch vorhin schon reichlich obszön angekündigt!" Sie drehte sich um und rief so laut, dass alle Leute an der Haltestelle es hören mussten: „Willst du mit ihm mitfahren, Melanie? Aber vergiss nicht, dass er gefährlich und hinterhältig ist. Er zeigt dir nur seine Wohnung, damit er dich danach durchbumsen darf!"
Melanie wurde knallrot, weil die paar Menschen, die auch gerade auf den Bus warteten, sie allesamt entgeistert anschauten. Schüchtern kam sie zum Wagenfenster gelaufen und gesellte sich zu ihren Freundinnen. „Sei doch nicht so laut!" zischte sie Tabea verärgert zu, die nur geringschätzig lachte.
„Willst du mitfahren?" fragte ich Melanie ohne Umschweife und machte eine einladende Geste auf den Beifahrersitz. Wenn ich das süße Mäuschen erst von den fiesen Ratten getrennt habe, dann geht alles klar, jubilierte es diebisch in mir.
„Ich hab's gewusst!" triumphierte Tab und knurrte im nächsten Moment wütend: „Vergiss es, Banton! Sie steigt nicht bei dir ein, denn sie ist keins deiner Flittchen!" Und zu Melanie gewandt meinte sie: „Nicht wahr? Für so einen bist du dir doch viel zu schade, denn der treibt es ausnahmslos mit jedem!" Ihre gehässige Abfälligkeit und Missgunst machten mich enorm wütend, denn Melanie wirkte durch ihre Worte eindeutig verunsichert. Scheiße, dachte ich, die blöde Kuh macht mir alles kaputt!
„Aber du hast es früher ganz gerne mit mir getrieben, oder, Tabea!?" konnte ich mich nicht bremsen zu bemerken. „Ja, aber auch nur solange, bis du mich geschwängert und eiskalt mit dem Kind sitzengelassen hast!" brüllte sie zornig und deutete auf Merle, die uns verwundert beobachtete. Die Frau redete totalen Unsinn, denn nichts davon hatte ich getan, aber das wussten die anderen Leute an dieser Bushaltestelle natürlich nicht, die diese verdammte Szene neugierig mitverfolgten. Sofort trafen mich verachtende und verurteilende Blicke.
„Ich habe dich nicht geschwängert, Tab!" versuchte ich ruhig zu bleiben, was mir ziemlich schwer fiel. Die junge Mutter lachte höhnisch auf und wandte sich kopfschüttelnd ab. Sie hatte ihr gemeines Ziel beinahe erreicht, denn Melanie studierte mich auf einmal merkwürdig misstrauisch, so als würde sie mich zum ersten Mal richtig sehen. Ich konnte nicht fassen, dass das dumme Weib den gehässigen Lügen von Furie Tabea anscheinend wahrhaftig Glauben schenkten wollte.
Hastig stützte ich mich auf dem Beifahrersitz ab, um mich noch näher zu ihr hin beugen zu können. „Bitte komm doch mit, Melanie. Steig einfach bei mir ein, ja? Bei mir ist es sehr schön! Ich zeige dir alles, was du sehen willst!" beeilte ich mich, sie doch noch zu überreden. Melanie wirkte geschmeichelt, war aber auch vorsichtig. Unsicher lächelte sie mich an. „Ach, Clay, ich weiß nicht so recht...", murmelte sie unschlüssig.
In ihren Augen erschien so etwas wie trauriges, sehnsüchtiges Bedauern, was ich mir nicht erklären konnte. Ich sah meine Chancen schwinden, deshalb setzte ich panisch alles auf eine Karte, reckte mich zu ihr und streckte ihr meine Hand entgegen. Aber sie war zu weit weg, als hätte ich sie berühren können.
„Hör mal, Mel, in meiner Wohnung wird nichts passieren, was du nicht auch willst! Es wird alles ganz genauso sein, wie du es haben möchtest!" versicherte ich ihr und meinte es ehrlich. Weil sie aber immer noch nicht überzeugt wirkte, setzte ich flehend hinzu: „Bitte glaube mir, Melanie! Ich will dir doch nichts tun, das schwöre ich dir!"
Langsam kam ich mir absolut armselig vor, denn ich wusste schon längst, dass ich verdammt schlechte Karten hatte. „Bitte, Melanie... steig doch bitte ein...ich tu dir nichts... ich... möchte doch nur...", stotterte ich blöd herum. Dann brach ich ab, denn ich hatte verloren, und jedes weitere Wort von mir hätte es nur noch schlimmer gemacht. Es fiel mir schwer, Sarahs amüsierten Blick zu ignorieren, die immer noch neben Melanie stand und meine jämmerliche Aktion belustigt mitverfolgte.
Melanie betrachtete mich noch eine Weile ausführlich und ich zog meine Hand seufzend zurück. Dann musste ich mir ansehen, wie sich der Gesichtsausdruck der Frau langsam veränderte. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Ängstlich schüttelte sie den Kopf. „Danke für das Angebot, Clay, aber ich fahre doch lieber mit dem Bus. Vielleicht ein anderes Mal", wehrte sie mich schnell und leise ab. "Aber das Lied vorhin, das hat mir echt gut gefallen", flüsterte sie schüchtern, warf mir noch einen entschuldigenden Augenaufschlag zu und flüchtete hastig vor mir ins Wartehäuschen.
Sie war weg und verloren für mich. Und es tröstete mich kein bisschen, dass ihr wahrscheinlich Lovegame gefallen hatte, denn das nützte mir in diesem Moment überhaupt nichts mehr.
Nur Sarah blieb noch am Wagenfenster stehen. Sie studierte mich aufmerksam. In ihrem Blick lag so etwas wie Mitleid, und das gefiel mir überhaupt nicht. Eine Zeit lang war es still, wir schauten uns nur an, bis ich sie genervt „Willst du mitfahren?" fragte, obwohl ich wusste, dass das zwecklos war. Sarah lächelte gutmütig. „Vielleicht in einem anderen Leben, Clay. Wenn du nicht mehr so ...wahllos bist", meinte sie sanft, drehte sich herum und stolzierte mit aufreizend wackelndem Hintern zu ihren Gefährtinnen.
Ich hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, fühlte mich nur gehässig um einen geilen Fick betrogen und schlug spontan ärgerlich auf mein Lenkrad ein. Sofort fingen die Furien wieder an zu lachen, denn sie beobachteten mich aus sicherer Entfernung. Alle Leute an dieser scheiß Bushaltestelle starrten mich feindselig an.
Als ich das registrierte, schloss ich eilig das Seitenfenster und fuhr überstürzt davon. Beim Anfahren schaute ich mich nicht um, deshalb hupte hinter mir jemand, aber das bekam ich kaum mit. Ich war echt wütend und mega enttäuscht. Bisher war heute alles schief gelaufen und fast jedes Wort hatte mich verletzt. Der ganze verfluchte Tag lief doch schon so! Alles war Scheiße und überall hatte ich total versagt!
Verzweifelt schlug ich auf mein armes Auto ein und drehte dann die Musik lauter, die gerade hervorragend zur Stimmung passte. Die Fehlfarben waren unzufrieden mit sich und der Welt und beklagten den Tod von Paul. Ich fühlte mich beschissen unbefriedigt aufgegeilt und gleichzeitig war ich todmüde.
Auf direktem Weg fuhr ich nach Hause, parkte den MG vorm Haus, stieg aus und rannte die Treppen hinauf. Dort schloss ich meine Wohnungstür auf und landete direkt in meinem Wohnzimmer.
Auf der Türschwelle blieb ich wie angewurzelt stehen und starrte nur noch total geschockt meine Couch an. Ich schwöre, dass ich das verfluchte, verfickte Junkiemädchen dort sitzen sah. Die flammende Rachegöttin saß auf meinem Sofa, mit hinterhältig grün leuchtenden Augen und seidig langen, dunkelroten Haaren.
Kimberly hatte ihre Meinung komplett geändert, das spürte ich sofort. Die Bitch war jetzt wieder wütend auf mich und randvoll mit bösartiger Rachsucht. Sie fixierte mich genauso höhnisch grinsend wie damals, in dieser dunklen Seitenstraße, als ihre maskierten Freunde mich zusammengeschlagen hatten. Und ich war mir absolut hundertprozentig sicher, dass genau diese vier vermummten Gestalten hinter meinem Sofa kauerten, genau hinter der Lehne hockten sie und warteten auf mich. Sie lauerten dort und waren absolut gewaltbereit.
Im nächsten Augenblick war ich allein in meiner verdammten Wohnung und fühlte mich so einsam, akut bedroht und komplett unverstanden wie schon lange nicht mehr. Ich fühlte mich meiner quälenden Traurigkeit und aufkommenden Panik hilflos ausgeliefert. Nicht eine Sekunde länger konnte ich es in diesen Räumen aushalten. Meine leere, totenstille, riesengroße Wohnung war ein verdammtes Grab, das mich jeden Moment zu verschlingen drohte.
Absolut panisch drehte ich mich herum, flüchtete aus dem Wohnzimmer in den Flur und schlug hastig die Tür zu. Ich schloss sie nicht ab, rannte nur die Stufen hinunter und stieg überstürzt in mein Auto ein.
Am ganzen Körper zitternd atmete ich ein und aus und versuchte mich zu beruhigen. Die enorm schmerzenden Erinnerungen wirbelten haltlos in meinem Kopf herum, zu viele böse Bezeichnungen für mich, verachtende Verleumdungen, Gehässigkeiten und dunkle Geister aus meiner Vergangenheit. Ich hatte das beängstigende Gefühl, jeden Moment komplett den Verstand zu verlieren. Hilflos zwang ich mich zu überlegen, wer um alles in der Welt mir in dieser eindeutig außer Kontrolle geratenen, brenzlichen Situation helfen konnte, denn ich durfte auf gar keinen Fall länger allein bleiben.
Mühsam beherrschte ich meine sich selbstständig machenden Gedanken und Gefühle. Sehr langsam wurde mir klar, dass es im Moment tatsächlich nur noch einen einzigen Menschen gab, zu dem ich fahren konnte. Zu dem ich sogar dringend fahren musste, um das hier halbwegs zu überleben. Es gab nämlich nur eine Konstante in meinem Leben, nur einen einzigen verlässlichen Rettungsanker für meine Panik und bedrohliche Einsamkeit. Lediglich ein Mensch konnte mir noch helfen und würde es hoffentlich auch tun.
Dieser Mensch war vorerst nicht Sean Valmont, unmöglich, überlegte ich seufzend, denn Valmont war gerade mit Sicherheit sehr wütend auf mich, weil ich über die ganze mühsame, verhasste und aufreibende Methadonaktion irgendwas Wichtiges vergessen hatte. Womöglich sogar etwas, was ich ihm irgendwann leichtfertig versprochen hatte. Außerdem hatte Sean offenbar vor ein paar Stunden gebaseten Koks geraucht. Und lodernder Zorn, mit aufgekochtem Kokain gemischt, wirkte grundsätzlich immer höchst fatal. Nein, Sean Valmont fiel in dieser gefährlichen, bedrohlichen Situation eindeutig aus.
Ganz allein mein kleiner, wunderschöner Schmetterling würde stattdessen noch für mich da sein. Sie würde auch diesmal enorm stark sein, sehr viel stärker als ich zur Zeit. Mein süßes Mädchen würde ihre kleine, liebevolle Hand zärtlich auf meinen nackten Bauch legen und damit kinderleicht und augenblicklich all das schmerzende, quälende Chaos in mir komplett vernichten. Sie würde mir die tröstende Ruhe und Geborgenheit schenken, die ich jetzt ganz dringend benötigte. Miss Eliza Laser war in dieser Sekunde mein einziger potentieller Lebensretter.
Sean
Es war das wichtigste Interview meiner gesamten bisherigen Bühnen-Karriere, denn ArtHouse war ein verdammt einflussreiches Magazin, wenn nicht sogar das wichtigste der allgemeinen Kunst-Szene. Wenn ich bei diesem Interview versagen, den Reporter langweilen oder anderweitig nicht überzeugen, unfähig, unaufmerksam, unfreundlich oder stümperhaft erscheinen würde, dann konnte das zweifellos das endgültige Aus für Psychotic Kühlschrank bedeuten.
Aber wenn ich mich professionell verhielt, wenn ich vor Charme sprühte, den Reporter für mich einnahm und ihm auf angenehmste Weise die Zeit vertrieb, ihn neugierig machte und für meine neue Performance begeisterte, dann konnte das Ergebnis ebenso gut mindestens demnächst restlos ausverkaufte Vorstellungen sein, vielleicht sogar das Aufhorchen noch einflussreicherer Kunstmenschen.
Meine Zukunft als Regisseur und Dramaturg stand auf dem Spiel. Es entschied sich, ob ich beim Off-Theater versauern oder endlich einen großen Schritt weiterkommen würde. Und diese weitreichende Tatsache war mir die ganze Zeit voll bewusst. Ich wusste es in jeder einzelnen Sekunde dieses Interviews.
Es tangierte mich aber nicht länger, denn ich war inzwischen unbesiegbar. Nichts – absolut überhaupt nichts konnte mir zur Zeit etwas anhaben. Rein gar nichts hätte mich auch nur irgendwie belasten oder ablenken können.
Denn all das Wichtige, was um mich herum passierte, war nichts im Vergleich zu dem, was innerhalb meines Körpers und in meinem Kopf los war. Das pure Leben rauschte kraftvoll und energisch durch meine Adern. Angenehme Wärme und berauschende Energie erfüllten mich vollends. Ich war randvoll mit gebasetem Kokain, und das bedeutete randvoll mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein.
Ich ärgerte mich nicht mehr über die unhöfliche Verspätung des Redakteurs oder über Clays katastrophale Abwesenheit. Es war mir endlich scheißegal, dass die anderen ständig boshaft über Clay herzogen. Ich konnte ihre Verachtung für Clay mit einem spöttischen Grinsen abtun. Sogar meine eigene Wut auf Clay konnte ich achselzuckend zur Seite schieben.
Denn der weiße Schnee war viel stärker als all das, viel stärker als schmerzende, irritierende und deprimierende Gedanken oder Gefühle. Kokain ließ diese Schwäche gar nicht zu, denn es war die Königin unter den aufputschenden und Kraft vermittelnden Rauschgiften. Und diese enorm mächtige Wirkung war ganz genau die, die ich für meine führende Rolle in diesen Minuten brauchte. Trotz vorheriger kräfteraubender Nacht war ich absolut bereit und in hervorragender Verfassung.
Deshalb meisterte ich das Interview mit ArtHouse auch fehlerlos, ohne peinliche Pause oder irgendwelche Verlegenheiten. Nicht eine einzige Frage meines Gesprächspartners konnte mich irritieren, einschüchtern oder verärgern, denn ich wusste auf alles die richtige Antwort, konnte so schlagfertig oder witzig sein, wie die Situation es gerade erforderte. Ich war schlicht zweihundertprozentig fantastisch.
Ich war überirdisch gut, weil ich mich überirdisch gut fühlte. Im Hinterkopf war ich dem zuverlässigen Benzoylecgoninmethylester die ganze Zeit enorm dankbar für seine Unterstützung. Die chemisch behandelten Bestandteile der Cocablätter leisteten mir bei meinem ersten ArtHouse-Interview hervorragende Dienste, und nur zu gerne nahm ich das als gegeben hin.
Mein einflussreicher Gesprächspartner hieß Peter. Er war ein junger, aufstrebender Journalist, dem seine Vorgesetzten diese höchstwahrscheinlich ziemlich uninteressante Story über diese Laientheatersache aufs Auge gedrückt hatten, weil niemand anderes sich noch ernsthaft damit beschäftigen wollte. Peter war nicht der gleiche Mann, der mich am Samstagabend nach dem Abbruch der Vorstellung vor der Bühne angesprochen und diesen Termin mit mir vereinbart hatte. Offenbar war dessen Interesse längst gestorben, denn nichts war so alt wie die Nachrichten von gestern.
Peter war an dem schwarzen Samstag glücklicherweise gar nicht im Theater gewesen, und er fragte mich zu meiner Erleichterung nur ganz am Anfang unseres Gesprächs kurz nach den scheiß Würfen mit den Steinen auf Clay. Er erwähnte diese unleidliche Geschichte, von der er selbstverständlich gehört hatte, zum Glück nur am Rande. Ich war darauf vorbereitet und log ihm irgendwas von einem Missverständnis vor, womit er sich Gott sei Dank schnell zufrieden gab.
Gleich darauf wandte Peter seine ungeteilte Aufmerksamkeit auch schon meiner neuen Performance Supernova Soul zu, an der er ernsthaftes Interesse zeigte. Dafür war ich dem Mann echt dankbar. Ich war charmant und aufmerksam, malte meine Karriere und meine Arbeit in leuchtenden Farben für ihn. Ich versprach ihm echtes Insiderwissen, wenn wir erst berühmt wären, was er ausgesprochen amüsant fand.
Peter machte mich darauf aufmerksam, dass wir einen richtigen, dauerhaften Namen für unsere Theatergruppe kreieren mussten, weil man ohne Namen nicht berühmt werden könnte, womit er zweifellos recht hatte. Also nannte ich ihm den Namen TonMond, weil mir dieses Wortspiel gerade in den Sinn kam.
Clay und ich hatten uns bei unseren gemeinsamen Konzerten bisher jedes Mal TonMond genannt. Wenn wir auf irgendeiner Bühne als Duo Musik machten, ich am Klavier und er singend an der Gitarre, brauchten wir einen einprägsamen Namen. Schon allein deshalb, um angekündigt werden zu können. Aber im Theater schien es bis jetzt nie notwendig zu sein, uns anders zu nennen als einfach Clay Banton und Sean Valmont. TonMond leitete sich ab von Banton und Valmont, nur mit einem d am Ende. Das war zwar nicht besonders originell, aber es hatte immer seinen Zweck erfüllt.
Ab sofort würden wir also das Ensemble TonMond sein, und das gefiel mir, denn es schien Clay und mich noch enger zusammenzuschweißen. Peter war zufrieden und notierte sich unseren neuen Theater-Namen in seinem altmodischen Notizblock. Er versprach mir lächelnd einen fairen und vorteilhaften Artikel über uns und Supernova Soul im Internet und in der der nächsten Ausgabe vom ArtHouse.
Ich hatte keinen Grund, ihm das nicht zu glauben. Er war mir sympathisch, also vertraute ich ihm. Trotzdem würde er mir selbstverständlich den fertigen Artikel vorlegen, bevor er in den Druck und die Veröffentlichung ging.
Unser Gespräch blieb die ganze Zeit gleichbleibend anregend, wir unterhielten uns auf Augenhöhe. Ich lobte meine gesamte Crew hinter den Kulissen als kreativ und unersetzlich. Ich bedauerte den Weggang von Charlotte aus Zeitmangel und erklärte die Abwesenheit von Clay mit wichtigen Terminen, die er angeblich wegen seiner neu geplanten Ausstellung hatte.
Zu meiner Überraschung erinnerte Peter sich gut an Bantons Ausstellungen. Die ArtHouse-Artikel über beide Vernissagen hatte er damals zwar nicht selbst geschrieben, aber Peter hatte sie beide aufmerksam gelesen. Er hatte sogar die Ausstellungen persönlich besucht und erinnerte sich an Clays Bilder, die er höchst eigenwillig und deshalb interessant fand.
Ich zwang mich nervös den Gedanken an Herrn Banton, der mich hinterhältig abzulenken schien, zur Seite zu schieben und wechselte das Thema. Die vielsagenden Blicke der anderen ignorierte ich, während wir ausführlich über Clay sprachen.
Marc, Vincent und Charlotte verhielten sich ansonsten die ganze Zeit bewundernswert loyal zu mir. Sie lobten mich als fähigen Regisseur, strengen aber fairen Chef und langjährigen, guten Freund. Später diskutierten wir noch eine Weile über die Kunsthochschule und meine Lehrtätigkeit dort, die Theaterszene im Allgemeinen und das Off-Theater im Besonderen.
Zum Schluss machte ein Fotograf von ArtHouse, der Peter wie ein Schatten begleitet, aber während des gesamten Interviews kein Wort gesagt hatte, noch eine lange Fotosession mit uns. Der Fotograf, der Stefan hieß, schien professionell zu sein. Er suchte mit Kennerblick interessante Motive irgendwo im Theater und fotografierte jeden von uns allein, zu Zweit und als Gruppe.
Während ich freundlich lächelnd dicht neben Vincent für die Kamera posierte, spürte ich immer deutlicher, wie die Wirkung des Kokains nachließ, und ich hatte unheimlich Bock auf einen neuen Gebaseten. Schon seit gefühlten Ewigkeiten hatte ich unvermindert große Lust auf Heroin. Mir kam ein Satz in den Sinn, den Vincent vor kurzem zu mir gesagt hatte: Es würde mich nicht einmal wundern, wenn du nur Heroin nimmst, weil er es tut.
Natürlich hatte ich das vehement abgestritten. Aber die Wahrheit war, dass Vincent mit seiner Vermutung absolut richtig lag. Bis auf Nikotin und Haschisch, mit denen Louis mich schon Jahre früher bekannt gemacht hatte, nahm ich alle Drogen nur, weil Clay sie konsumierte. Und noch vor einigen Jahren hätte ich aufgrund meiner umfassenden Ausbildung in Sachen Kommunikation überhaupt kein Kokain nötig gehabt, um mit einer Aufgabe wie dieser fertig zu werden.
In der Zeit vor Clay hatten Drogen in meinem Leben keinerlei tragende Rolle gespielt. So viele Dinge in meinem Leben hatte ich nur getan und tat sie immer noch, weil sie für Clay selbstverständlich waren. Herr Banton hatte etwas an sich, was mich vom ersten Augenblick an magisch anzog. Und im Laufe unserer Freundschaft änderte er mich und damit mein ganzes Leben. Mit ihm schien alles plötzlich viel einfacher zu sein. Er strahlte eine erstaunliche Unbefangenheit aus, die das ganze Leben leicht erscheinen ließ und meine Wünsche und Begierden ganz natürlich machten.
Mit Clay war es aufregend und gleichzeitig selbstverständlich, Grenzen zu überschreiten und Risiken einzugehen. Mit Clay hatte ich meinen ersten Sex auf einer öffentlichen Toilette, ein absolut berauschendes Erlebnis, dessen gefährliche Note mir sofort einen zusätzlichen, unerwartet starken Kick verschaffte. Seitdem schuf ich mir immer wieder mehr oder weniger bewusst diese und ähnlich riskante Situationen.
Zusammen mit Clay landete ich unversehens auf Wolke Sieben, wo es mit der Zeit keinerlei Verbote mehr zu geben schien.
Als ich ihm begegnete, kannte Clay sich mit Drogen aller Art schon sehr gut aus, und es war für mich überraschenderweise keine große Überwindung, mich immer noch ein Stückchen weiter in seine scheinbar zwanglose Welt zu begeben. Anders als Clay, der schon damals nahezu süchtig nach ihnen zu sein schien und sie ganz bewusst konsumierte, empfand ich die Drogen jedoch lange Zeit nur als schmückendes Beiwerk.
Wir nahmen Haschisch und Marihuana in allen möglichen Darreichungsformen, LSD für eine wundersame Zauberwelt der neuen Sinneswahrnehmungen und Speed und Ecstasy, um nächtelang wach zu bleiben und durchzutanzen. Irgendwann wurde aus Speed dann Kokain, ohne dass ich diesen Schritt als dramatisch empfunden hätte.
Während Louis Frédéric von Ravenhorst mich dazu angeregt hatte, mein Leben und meine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, lehrte Clay Banton mich, mein Leben in vollen Zügen zu genießen, den Augenblick zu leben und auf die Zukunft zu pfeifen. Mit seiner unglaublichen Sorglosigkeit konnte er mich zwar nie vollends anstecken, aber es fühlte sich befreiend und aufregend an, wenigstens zeitweilig mit Clay zusammen diesen Traum von absoluter Freiheit auszuleben.
Als ich mich eines Morgens nach einer weiteren durchgetanzten Samstagnacht bei ihm beschwerte, dass ich vom Koks noch immer viel zu aufgekratzt wäre und bestimmt kein Auge zumachen könnte, da schaute Clay mich lächelnd an und meinte, er hätte da ganz genau das Richtige für mich.
Kurz darauf saßen wir in seiner winzigen Wohnung auf dem zerschlissenen Sofa. Er rauchte durch ein gerolltes Papierröhrchen irgendein braunes Pulver auf einem Stückchen Silberpapier und schien es zu genießen. Danach war ich an der Reihe und ich habe nicht einen Moment darüber nachgedacht, es nicht zu tun. Wenn es für Clay okay war, dann war es das auch für mich, so einfach war das. Clay gab mir Feuer dabei, sodass ich mit dem Röhrchen im Maul nur noch den Rauch einatmen musste.
Die Wirkung kam unmittelbar, daran erinnere ich mich in aller Deutlichkeit. Ich wurde augenblicklich mega ruhig, alles an mir war angenehm gedämpft und das Gefühl dabei war unbeschreiblich. Clay war dicht bei mir, allein darum fühlte ich mich schon wohl, und diese neue Droge verstärkte mein Wohlbefinden auf angenehmste Weise. Danach habe ich so gut und tief geschlafen wie schon ewig nicht mehr.
Erst Tage später habe ich ihn gefragt, wie das Zeug eigentlich hieß, was wir an diesem Sonntagmorgen zum ersten Mal gemeinsam geraucht hatten, und er sagte Heroin.
Die Fotosession zog sich hin, der Fotograf war viel zu oft unzufrieden und arrangierte uns neu oder woanders. Ständig verlangte er einen anderen Gesichtsausdruck von uns. Langsam wurde ich unruhig, denn ich dachte ungewollt heftig an Clay und an die vielen Drogen, die wir zusammen genossen hatten. Ich dachte daran, wie gerne ich mir jetzt auf der Stelle einen rock auflegen würde, und dass ich Clay schmerzlich vermisste. Ich sehnte mich nach ihm und nach ein paar beruhigenden Chinesen.
Ohne Clay Banton hätte es höchstwahrscheinlich in meinem Leben drogenmäßig niemals etwas anderes gegeben als Nikotin und Haschisch, denn Louis nahm nichts anderes, zumindest nicht zusammen mit mir.
Na klar erschreckte es mich, als ich zum ersten Mal das Wort Heroin aus Clays Mund hörte. Aber ich redete mir ein, dass die Drogen ja nur zu Clay gehörten und nicht zu mir. Ich nahm sie ausschließlich, um noch mehr in Herrn Bantons verrückte Welt der Freiheiten eintauchen zu können, um ihn besser verstehen zu können, und das funktionierte ja auch. Ich redete mir erfolgreich ein, all das hervorragend im Griff zu haben. Und die Drogenzeiten mit Clay waren unbestreitbar intensiv, unser Sex auf Droge teilweise absolut herausragend.
Ungefähr zu dieser Zeit muss es aber auch gewesen sein, als meine innere Unzufriedenheit wuchs und ich damit anfing, mir mehr Sorgen um Clay zu machen, als gut für mich war.
Während ich in Rekordzeit mein Studium absolvierte und mit Auszeichnung als Jahrgangsbester abschloss, brach er seines plötzlich ab, ohne mir einen Grund dafür zu nennen. Wir hatten zwar noch ein paar Projekte zusammen, aber unser Beisammensein wurde seltener, und das machte mir eine Heidenangst.
Ich wollte schon längst viel mehr von ihm, eine echte Beziehung mit Clay Banton. Ich wollte ein richtiges Paar mit ihm bilden, sein fester Partner sein, dem er treu war und zu dem er sich jederzeit bekannte. Ich wollte ihn sogar meinen Eltern vorstellen, was für mich ein großer Schritt gewesen wäre, aber all das lehnte er ab.
Als er seine winzige Wohnung verlor, weil er die Miete nicht bezahlt hatte und nächtens zu oft und zu laut Gitarre spielte, wollte Clay nicht mit mir zusammenziehen. Er lebte lieber einige Zeit auf der Straße und schien irgendwie zu verwahrlosen. Clay wurde erschreckend gleichgültig und antriebslos, und das konnte ich weder begreifen noch tatenlos mit ansehen.
Der Mann wollte nie wirklich zu mir stehen, wollte nie schwul sein und interessierte sich überhaupt nicht für die schwule Community. Trotzdem hatte ich von Anfang an das starke Bedürfnis, diesen Menschen zu retten.
Also organisierte ich für ihn seine erste Ausstellung im KunsTraum. Mir war aber klar, dass die Resonanz wohl eher mager ausfallen würde, denn Clay war als Maler vollkommen unbekannt. Darum schaltete ich Louis ein, um den reichen Interessenten zu spielen. Wir sprachen ganz genau ab, wie Louis auftreten sollte und wie viel Geld er Clay für seine Bilder zahlen sollte. An den Kosten beteiligte ich mich. Ich verfasste Pressemitteilungen für verschiedene Medien, damit ausführlich über die Ausstellung berichtet wurde. Außerdem bequatschte ich Louis, Clay für wenig Geld eine seiner unzähligen Immobilien zu verkaufen, damit er endlich wieder ein festes Dach über den Kopf bekam.
Diese ganze Situation stresste mich ziemlich, und deshalb griff ich zusammen mit Clay immer öfter und gerne mal zu Heroin, um zur Ruhe zu kommen, um Abstand zu gewinnen, was hervorragend funktionierte.
Das, was Clay für sein ganzes Leben ständig deklarierte, geschah nach seiner ersten Ausstellung auch mit mir: Es passierte mir einfach so, dass ich abhängig vom Heroin wurde.
Clay Banton hatte dank mir wohl zum ersten Mal in seinem Leben berauschenden Erfolg. Er verdiente mit seinen Bildern ein Vermögen. Seinen unverhofften Reichtum wollte er liebend gerne mit mir teilen, vorzugsweise durch den Kauf von Drogen aller Art. Also feierten wir lange und ausgiebig, indem wir gemeinsam Unmengen von Heroin rauchten. Clay spritzte sich das Zeug auch, allerdings nur, wenn ich nicht dabei war. Ich schimpfte andauernd mit ihm wegen seiner sichtbaren Einstiche und weil die ständige Lebensgefahr, in die er sich mit dem Spritzen begab, mir große Sorgen bereitete, konnte ihn jedoch nicht davon abhalten.
Innerhalb von kurzer Zeit wurden wir beide körperlich abhängig, ohne dass es uns auch nur bewusst wurde. In dieser Beziehung waren wir tatsächlich erschreckend naiv. Bei mir war es ein schleichender Prozess, angefangen vom unbestimmten, morgendlichen Unbehagen bis zur Ausprägung sämtlicher höchst unangenehmer Entzugserscheinungen.
Als mir endlich richtig klar wurde, dass ich morgens nicht mehr aus dem Haus gehen konnte, ohne vorher Heroin zu rauchen, war ich total schockiert. So eine starke, alles verschlingende körperliche und psychische Abhängigkeit passte nämlich ganz und gar nicht zu meiner hart erkämpften Vorstellung von einem selbstbestimmten Leben. Es verstörte mich zutiefst, als ich richtig begriff, dass ich mir inzwischen wahrhaftig selbst shore kaufte, und Clay deshalb damit eigentlich gar nichts mehr zu tun hatte.
Sofort ergriff ich drastische Gegenmaßnahmen, indem ich mich unverzüglich zum Methadonprogramm anmeldete. Innerhalb eines knappen halbes Jahres habe ich dann durch Abstinenz und kontinuierliche Herunterdosierung des Methadons meinen Heroinkonsum wieder unter Kontrolle gekriegt.
Clay hingegen arrangierte sich sehr viel länger mit seiner Sucht. Es kam mir sogar so vor, als wäre er im Grunde damit einverstanden. Als würde er sich nicht mal wundern, dass es ihm so oft ohne die shore grottenschlecht ging. Als wäre der Mann innerlich überzeugt davon, dieses Leid schon längst verdient zuhaben.
Er versuchte sogar mehrmals, kalt zu entziehen, indem er einfach das Heroin wegließ. Diese fürchterliche und gefährliche Quälerei war in Zeiten von Methadon längst total unnötig geworden. Aber Clay ließ sich trotzdem wiederholt darauf ein, als wollte er sich mit dem Schmerz selbst bestrafen. Verstanden habe ich das nie.
Endlich schien der Fotograf mit den unzähligen Bildern, die er von uns gemacht hatte, zufrieden zu sein. Er packte seine Profikamera wieder ein und ich atmete erleichtert auf.
Peter kam direkt zu mir. „Und was ist mit Clay? Wann können wir den fotografieren?" fragte er mich leicht verärgert, denn zum Ensemble TonMond, über das er ja schließlich ausführlich berichten wollte, waren neben Fotos von mir zweifellos auch exklusive ArtHouse-Aufnahmen von Herrn Banton unentbehrlich. „Kann ich dich anrufen? Ich spreche heute noch mit ihm, dann können wir einen Termin vereinbaren", schlug ich entschuldigend vor. Peter zuckte mit den Schultern und überreichte mir seine Karte. „Na gut, aber lasst euch bitte nicht zu viel Zeit damit. Der Artikel soll nämlich in die nächste Ausgabe", betonte er, worauf ich verständnisvoll nickte. „Klar, ich rufe dich spätestens morgen an", versprach ich ihm.
Damit ließ er es glücklicherweise gut sein und verabschiedete sich freundlich von uns allen.
Während ich Peter und seinem Fotografen hinterherschaute, die das Theater erstaunlich langsam verließen, als hätten sie alle Zeit der Welt, kam mir plötzlich in den Sinn, dass ich nicht nur von irgendwelchen chemischen Substanzen abhängig gewesen war. Von Clay Banton war ich im Laufe der Zeit mindestens genauso abhängig geworden, wie ich es von Heroin gewesen war. Vielleicht war ich das schon von Anfang an gewesen, und womöglich war das sogar noch viel schlimmer.
Denn diese Sucht hatte ich in keinster Weise überwunden. Mein enorm tief sitzendes, fast übermenschlich starkes Bedürfnis nach diesem Menschen würde auch nicht so leicht zu überwinden sein, denn dafür existierten keine Ersatzstoffe, die ich schrittweise reduzieren konnte.
Und im Grunde wollte ich das ja auch gar nicht. Im Gegenteil, zweifellos war ich restlos besessen von diesem einen Mann. Und ich wollte unverändert sehr viel mehr von ihm. Meine Gefühle für Clay Banton hatte ich nicht mal ansatzweise im Griff, und ein Leben ohne ihn konnte ich mir nicht mal vorstellen.
In Wahrheit ist es schon seit Jahren vorbei mit deinem unabhängigen, autonomen Leben, du Idiot, seit dem winzigen Moment, als du diesen Mann zum ersten Mal gesehen hast, spottete eine Stimme laut in mir. Mach dir doch verdammt nochmal nichts vor!
Verdammt, Vincent hat blöderweise völlig recht, musste ich innerlich zugeben, wegen Clay nehme ich all diese scheiß Drogen und Clay beherrscht all meine Empfindungen. Jeder, der mir auf irgendeine Art meine Besessenheit von Banton vorhielt, lag damit völlig richtig.
Ohne Clay wäre ich höchstwahrscheinlich niemals mit Heroin in Berührung gekommen. Und eigentlich hatte ich diese chemische Unterstützung auch überhaupt nicht nötig. Schließlich war ich enorm clever und mehr als umfassend gut ausgebildet worden. Ich brauchte keins dieser scheiß Rauschgifte, um mit dem Leben fertig zu werden. Das Gift gehörte ganz allein in Clay Bantons kaputte Welt!
Augenblicklich vermisste ich Clay fast schmerzlich. Gleichzeitig war ich unglaublich wütend auf den Mann, weil er mich mit seiner Art und seinem vermeintlich freien Leben zweifellos um meine eigene, persönliche Freiheit betrogen hatte. Ich kochte vor Zorn, weil er mich in dieser wichtigen Sache erneut total im Stich gelassen hatte. Weil er mir schon wieder etwas fest versprochen hatte, ohne es einzuhalten. Mein Herz hämmerte nervös, meine Hände zitterten. Ich brauchte jetzt unbedingt einen Gebaseten. Und danach würde ich nie wieder harte Drogen anrühren.
Clay
Die Tür stand weit offen, als würde das ganze Haus mich einladen. Anscheinend hatte jemand gerade den Flur frisch geputzt und wollte durch die offene Tür nun erreichen, dass die vom Wischen noch feuchten Treppenstufen schneller trockneten.
Eilig betrat ich über den Bürgersteig das Haus, aufgeregt und erwartungsvoll. Schnell lief ich die vertrauten Stufen hinauf, voller Dankbarkeit und Vorfreude.
Die Frau würde mich retten, sie würde hundertprozentig für mich da sein. Mit ihrer wunderbaren Liebe würde sie all diese hässlichen Dämonen vertreiben, die sich so quälend in meinem Hinterkopf festgesetzt hatten. Mein Mädchen war inzwischen sehr stark geworden, kein Vergleich mehr zu der Zeit, als ich sie kennen lernte. Sie war jetzt voller Zuversicht und Selbstvertrauen. Ich allein hatte sie mit meiner Liebe und Geduld so stark gemacht, und deswegen war ich verdammt nochmal richtig stolz auf mich. Ich wollte meinem zauberhaften Wesen ganz nah sein und konnte es nicht mehr erwarten, ihre zarte Hand auf meinem nackten Bauch zu fühlen.
Aber mein kleiner Schmetterling war nicht da. Er war gänzlich verschwunden, und so sehr ich mich auch darum bemühte, ich konnte ihn einfach nicht finden. Die Frau, die nach meinem Anklingeln abrupt die Tür aufriss und mich anstarrte, als würde sie einen Geist sehen, hatte nichts von einem sanften, zarten Wesen. Stattdessen hatte sie sich in eine enorm zornige und gewaltbereite Hornisse verwandelt, und das konnte ich einfach nicht begreifen.
Es bereitete mir echte Magenschmerzen. Ich hatte keine Ahnung, was in ihr vorging, was sie umtrieb, warum sie so dermaßen wütend auf mich war. Mann, ich hatte gerade so dermaßen die Schnauze voll von wütenden und abweisenden Frauen, dass ich am liebsten auf der Stelle umgekehrt und verschwunden wäre.
Eliza wollte mich nicht mal in ihre Wohnung hereinlassen und riss mir damit fast meine verletzte Seele heraus.
Zu sagen, es ging mir in diesem Hausflur nicht gut, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich war total deprimiert, verwirrt und verängstigt. Frustrierende Erlebnisse tobten in mir, das Junkiemädchen und ihre brutalen Freunde bedrohten mich tief im Hinterkopf. Ich fühlte mich so verflucht nüchtern, wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Deshalb nahm ich die ganze Situation absolut ungefiltert wahr. Elizas Wut und Abneigung schlugen geradewegs schmerzhaft bei mir ein. Das verdammte Methadon hatte alle schützenden Mauern um mich herum komplett abgerissen. Es gab keine Zuckerwatte mehr. Ich war nüchtern und schutzlos.
Zu gerne wäre ich sofort abgehauen, wollte mich dieser hässlichen und mühsamen Auseinandersetzung am liebsten entziehen. Aber ich wusste nicht wohin. Mir fiel kein anderer Ausweg ein, und ich konnte verdammt nochmal nicht eine Sekunde länger allein sein.
Deshalb musste ich unbedingt zu dieser Frau, ich brauchte ihre Stärke, ihre Nähe und ihre Berührung, ganz dringend. In diesem Moment war sie absolut lebensnotwendig für mich. Und als mir klar wurde, dass Eliza mich tatsächlich nicht bei sich haben wollte, da drehte ich fast durch. Denn ich hatte zu Eliza Laser keine Alternative. Es gab wahrhaftig niemanden sonst für mich. Ich war verflucht einsam und hundertprozentig auf sie angewiesen, und dieses Faktum gefiel mir überhaupt nicht. Das ist nicht gut, dachte ich konfus bei mir, ich bin von ihr abhängig und das sollte wirklich nicht so sein.
Eliza war so wütend auf mich, fixierte mich mit einem zornigen Funkeln in den Augen, und ihre abweisenden Worte schnitten mir ins Fleisch. Ich musste die Frau unbedingt besänftigen, also erzählte ich ihr hastig von diesem verfluchten Tag, meinem Besuch beim Methadonarzt, weil ich hoffte, dass ihr meine Eigeninitiative gefallen würde. Ich erzählte ihr auch etwas über eine neue Ausstellung, deren Thema sie selbst sein sollte, weil ich hoffte, es würde ihr schmeicheln.
Tat es aber nicht, zumindest ließ sie das nicht zu. Frau Laser blockte stur all meine Bemühungen ab und betonte ständig etwas, an das ich nicht erinnert werden wollte. Ja verdammt, sie hatte sich von mir getrennt, bla bla bla.
Aber in diesem Moment spielte das für mich keinerlei Rolle, wo ich sie doch so verflucht dringend brauchte. Ihre scheiß Trennung von mir war völlig unwichtig und sowieso absurd, denn ich brauchte sie und sie sollte gefälligst für mich da sein, wenn ich sie brauchte. Das gleiche würde ich schließlich auch jederzeit für sie tun! Das war keine Frage von Besitzdenken oder Begehren, sondern von Loyalität gegenüber einem sehr guten Freund.
Und ich war doch ihr Freund, schon so ellenlang, dass ich mich nicht mehr erinnern konnte, wie es ohne mein Mädchen gewesen war. Definitiv würde ich mein Leben lang ihr Freund sein, denn unsere Beziehung war viel zu intensiv, als könnte sie jemals enden. Das hatte nichts mit Sex oder Ein-Paar-Sein zu tun, sondern einfach mit tiefer Verbundenheit zu einem anderen Menschen.
In Eliza Laser hatte ich eindeutig zu viel Zeit und Geduld investiert, um sie jemals fallen zu lassen. Sie war für mich viel zu wichtig und gehörte für immer zu meinem Leben.
Aber offensichtlich sah die Frau das völlig anders. Sie wollte mich wahrhaftig wegjagen, als wäre ich plötzlich ein Fremder für sie. Als hätte es unsere gemeinsame Zeit niemals gegeben. Ich konnte einfach nicht begreifen, warum mein kleiner Schmetterling mich derart im Stich lassen wollte, wo sie doch in diesem Augenblick alles für mich war, absolut lebenswichtig.
Warum war ich ihr auf einmal völlig egal? Warum interessierte sie sich nicht mehr für mich? Was zur Hölle hatte ich ihr denn nur angetan, dass sie dermaßen wütend auf mich war?
Eliza blieb hart und abweisend, war gemein und unfair. Sie wollte mich schlicht nicht besser behandeln, obwohl in ihren Augen zwischenzeitlich ständig ihre sehr wohl noch vorhandene Zuneigung zu mir aufblitzte. Schließlich kannte ich die Frau gut genug, um das jedes Mal sofort zu bemerken.
Aber das dumme Weib wehrte sich offenbar tatsächlich gegen ihre eigenen Gefühle. Sie versuchte aus einem mir unerfindlichen Grund dagegen anzukämpfen, und das frustrierte, ärgerte und irritierte mich enorm.
Sie wollte mich zum Verrecken nicht in ihre Wohnung lassen. Also fuhr ich letztendlich entnervt die Sex-Schiene, denn ich wusste genau, dass Eliza eigentlich immer scharf auf mich war. Sie war es auch jetzt, das spürte ich deutlich, womöglich war Sex in diesem Moment sogar das einzige, was sie noch von mir wollte. Das sollte mir recht sein, solange sie mich nur endlich hereinließ.
Ich erzählte ihr etwas übers Rumbumsen, versprach ihr damit aufzuhören und wollte sie zärtlich küssen, denn ich war es inzwischen mehr als leid in ihrem blöden, kalten Hausflur herumzustehen.
Jedoch, als ich mich nichtsahnend zu ihrem süßen Mund hinbeugte, schubste sie mich plötzlich abrupt und überaus gewaltsam von sich weg. Darauf war ich bestimmt nicht gefasst gewesen, hätte niemals damit gerechnet, deshalb taumelte ich haltlos rückwärts und stieß mit meiner geprellten Niere äußerst schmerzhaft gegen das eiserne Treppengeländer.
Elizas Stoß gegen meine Brust kam so unvorbereitet, dass ich fast die scheiß Treppe hinunterfiel. Verdammt, was stimmt nicht mit ihr, dachte ich wütend, während ich mich hastig am Geländer festklammerte, um meinen Sturz zu stoppen. Warum zur Hölle macht sie mir ausgerechnet jetzt und hier so eine ätzende Szene? Warum stellt sie sich so überaus beschissen an? Warum kann sie mich nicht einfach rein lassen und ihre scheiß Hand auf meinen Bauch legen, das ist doch nun wirklich nicht zu viel verlangt?!
Am liebsten wollte ich sie von der Tür wegzerren und mir gewaltsam Zutritt zu ihrer Wohnung verschaffen.
Im nächsten Moment kam mir in den Sinn, dass Eliza Laser mich womöglich aus irgendeinem Grund so stark verabscheute, dass sie mich wahrhaftig umbringen wollte. Dieser Gedanke brachte mich tatsächlich fast um. Ich konnte die Frau nicht begreifen und die vage Möglichkeit tat enorm weh. Warum denn nur, um Himmels Willen, wirbelte es bestürzt in meinem Kopf herum, was ist denn bloß passiert? Habe ich irgendwas nicht mitgekriegt?
Ich konnte es nicht fassen, wie erbarmungslos mein süßes Mädchen mit mir umging, wie hartherzig und gemein sie auf einmal zu mir war. Es deprimierte mich, dass ich sie tatsächlich anbetteln musste, nur damit sie mich hereinließ. Es machte mich verrückt, dass sie mich ansah, wie einen unerwünschten, fremden Eindringling.
Trotz meiner vielen Worte hatte sie offenbar nicht vor, mich in ihre Wohnung zu lassen. Meine verletzte Niere schmerzte vom Aufprall so stark, dass ich anfing zu heulen, ohne es verhindern zu können. Mein Herz klopfte laut vor Wut und Unglauben. Das geht so nicht, dachte ich echt außer mir, das lass ich mir nicht gefallen, das muss sie mir zumindest erklären. Sie kann mich doch nicht einfach so wortlos abservieren. So leicht kommt sie mir nicht davon! Fuck, ich hatte so dermaßen die Schnauze voll von diesen anstrengenden und komplizierten Weibern!
Ich wollte sie unbedingt zur Rede stellen, irgendwelche Antworten erzwingen, als Eliza auch schon ihre Wohnungstür zuschlug und schlagartig dahinter verschwand. Im nächsten Moment stand ich allein auf der Treppe ihres eiskalten Hausflurs. Meine Finger krampften sich so fest um das Geländer, dass meine Knöchel schneeweiß hervortraten.
Sean
„Mann, du warst einfach toll!" rief Marc fröhlich und schlug mir anerkennend auf die Schulter. „Vielen Dank für dein Lob! Das hast du ja echt gut hingekriegt!" grinste Vincent. Charlotte lächelte mich an. „Ich glaube, das war richtig gut, Sean. Der war total beeindruckt von dir und deiner Arbeit. Das wird auf jeden Fall ein sehr positiver Bericht über dich werden." „Warten wir es ab", erwiderte ich unbestimmt, obwohl ich genau wusste, dass das Interview mit ArtHouse perfekt gelaufen war.
An meinem umfassenden Erfolg zweifelte ich nicht eine Sekunde lang, denn ich war unbesiegbar gewesen und hatte dieses wichtige Gespräch in jedem Augenblick total im Griff gehabt. Nicht ein einziger Fehler war mir unterlaufen, und meine Crew hatte bewundernswert zu mir gehalten und gut mitgezogen.
Aber jetzt hatte ich überhaupt keine Lust mehr, noch länger darüber nachzudenken. Die begeisterte Anerkennung der anderen war mir herzlich gleichgültig. Der Gedanke an Herrn Banton drängte sich mir unwillkürlich mit aller Macht auf, deshalb beeilte ich mich, von den anderen weg und aus dem Foyer zu kommen.
Ich ging mit schnellen Schritten über den Flur in den Toilettenraum und schloss mich in einer der Kabinen ein. Dort fummelte ich hektisch einen weiteren Krümel Koks aus dem Plastik und platzierte ihn auf meiner Crack-Pfeife. Dann griff ich nach meinem Feuerzeug. Im nächsten Moment rauchte ich den rock tief und genussvoll. Ich schloss die Augen, hielt so lange wie möglich die Luft an und atmete dann ganz langsam aus. Tausend bunte Regenbogen explodierten sanft, beinahe zärtlich in meinen Gehirnwindungen. Ein neues euphorisches Glücksgefühl durchströmte mich kraftvoll und enorm tröstend. Mann, das war echt Zeit gewesen!
Nachdem der berauschende kick einige Sekunden später nachgelassen hatte, packte ich die Pfeife wieder weg und holte stattdessen mein Telefon aus meiner Jackentasche. Inzwischen gab es nur noch eine einzige Nummer, die ich noch nicht gewählt hatte, um den verfluchten Mann aufzuspüren. Nun fragte ich mich irritiert, warum ich nicht schon viel früher daran gedacht hatte. Aus irgendeinem Grund hatte ich die leider viel zu große Wahrscheinlichkeit, dass Clay bei ihr sein könnte, aus meinem gekränkten Verstand verdrängt.
Aber nun konnte ich diesen Gedanken nicht mehr unterdrücken. Plötzlich war ich mir vollkommen sicher, dass ich Clay Banton bei Eliza Laser finden würde. Mein Herz klopfte hart, als ich sie anrief. Ich glaubte, es nicht ertragen zu können, wenn er sich tatsächlich bei ihr aufhielt. Wenn er mich wahrhaftig schon wieder wegen dieser Frau versetzt hatte.
Während ich nervös darauf wartete, dass Miss Laser meinen Anruf entgegennahm, erinnerte ich mich unwillkürlich an meine erste Begegnung mit ihr. Schon damals war ich ganz entsetzlich eifersüchtig auf Eliza Laser, konnte ich die überaus starken Gefühle, die Clay offensichtlich für sie hegte, kaum tolerieren.
Als ich die Frau zum ersten Mal sah, betrat sie gerade den KunsTraum, um als eine von unzähligen Gästen Herrn Bantons erste Vernissage zu besuchen. Sie war elegant gekleidet und mir fiel sofort auf, wie hübsch sie war, aber auch sehr zurückhaltend. Die Atmosphäre der Kunstausstellung und die vielen fremden Menschen schüchterten sie sichtbar ein, als sie sich suchend umschaute.
Auf jede Ankündigung hatte ich „Der Künstler ist anwesend" drucken lassen, und Clay und ich waren schon über eine Stunde vor dem offiziellen Beginn vor Ort. Er war sehr aufgeregt und befürchtete ständig, dass niemand sich für seine Bilder interessieren würde. Natürlich hatte er keine Ahnung, wen ich alles persönlich eingeladen hatte, und dass Louis schon längst in den Startlöchern stand und sein dickes Portemonnaie für ihn öffnen würde. Louis sollte jedoch ein wenig später auftauchen und dann einen perfekt begeisterten Auftritt hinlegen.
Clays Furcht und seine Unsicherheit amüsierten und rührten mich total. Es wärmte mir das Herz, wie wach er auf einmal war, wie interessiert an seiner Umwelt. Nach den letzten Monaten der traurigen Apathie war es ein großes Geschenk für mich, Clay endlich wieder vollends lebendig zu erleben. Außerdem sah er in seinem schwarzen, maßgeschneiderten Anzug, den ich ihm für diesen Anlass spendiert hatte, zum Anbeißen aus. Ich konnte ihn die ganze Zeit nur hingerissen anschauen, und am liebsten hätte ich ihn sofort mit auf die Toilette genommen.
Aber ich hielt mich zurück, denn dies war wichtig für uns beide. Es war wichtig für Clay, weil er durch die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, aus seinem deprimierten Tief herausfand. Es war wichtig für mich, weil ich ihn über alle Maßen liebte und ihm mit dieser Aktion helfen wollte. Ich hätte diesem Mann auch mein letztes Hemd gegeben, wenn ihm das geholfen hätte.
Zusammen hatten wir jede Menge großformatige und viele kleinere Bilder ausgewählt, nicht wenige davon hatte Clay erst in der letzten Zeit gemalt. Genau nach Clays Wünschen waren die Bilder zusammengestellt, gerahmt und an den Wänden befestigt worden. Das Thema der Ausstellung war The blue hour - Die blaue Stunde, und tatsächlich war auf jedem Gemälde irgendwo der sich verdunkelnde Himmel zu sehen.
Ich war überaus beeindruckt davon, wie absolut treffend Herr Banton auf seinen Ölgemälden diesen besonderen, romantischen Blauton getroffen hatte, der in der Abenddämmerung am Himmel entstand. Auf manchen Bildern hatte man den Eindruck, tatsächlich die nautische Dämmerungsphase zu sehen. Clay hatte die spektrale Zusammensetzung dieses besonderen Blautons naturgetreu erschaffen.
Andere Gemälde waren merkwürdig abstrakt oder surreal, oft melancholisch und mit sexuellen oder mythologischen Themen vermischt. Clay besaß die staunenswerte Fähigkeit, einerseits fast fotorealistisch zeichnen zu können, und andererseits seine Gedanken so phantasievoll zu interpretieren, dass man schon sehr lange hinsehen musste, um ein Bild entschlüsseln zu können. ArtHouse nannte Clays Malerei später ingeniös.
Als Eliza Laser in die Galerie kam, war die kurze Eröffnungsrede des Bürgermeisters, den ich nur mit Hilfe meines Paten zu seinem Besuch hatte überreden können, längst zu Ende, und auch Clay und ich hatten ein paar Worte zur Ausstellung gesagt. Die Gäste hatten alle ein Glas Sekt erhalten und verteilten sich gerade in den Räumen der Kunsthalle, um sich die Gemälde genauer anzuschauen oder das Buffet zu plündern.
Eliza kam schnurstracks erleichtert auf ihn zu, sobald sie Clay entdeckt hatte, der gerade dicht neben mir stand und sich erstaunt die Menge der Besucher ansah, als könnte er deren Interesse gar nicht begreifen. Clay bemerkte Eliza erst, als sie ihm schon um den Hals fiel. „Mensch, Clay, warum hast du mir denn nichts davon gesagt?" hauchte sie ihm vorwurfsvoll so laut ins Ohr, dass ich es genau verstehen konnte.
Augenblicklich war ich alarmiert. Inzwischen war ich es zwar irgendwie gewöhnt, dass sich Frauen für Clay interessierten, und dass er enorm viele von ihnen zu kennen schien. Ich wusste auch, dass er gerne mal mit einer von ihnen ins Bett ging, denn das hatte er nie abgestritten. Es war leider kein ungewohntes Bild mehr für mich, wenn fremde Frauen ungefragt zu Clay kamen, ihn umarmten oder auf die Wange küssten, ihn zweideutig neckten oder ihm auch mal wütend eine Ohrfeige verpassten. Herr Banton hatte zu meinem ständigen Verdruss öfter mal irgendeine Frau im Arm oder an der Hand.
Aber dies hier war etwas völlig anderes. Auf der Stelle war mir klar, dass Eliza nicht nur eine von Clays üblichen Betthäschen sein konnte, ganz und gar nicht. Und seine spontane Reaktion auf das unerwartete Auftauchen von Frau Laser bestätigte mich sofort in meiner dunklen Ahnung.
„Was machst du denn hier?" fragte er sie bestürzt. Offenbar hatte er sie nicht eingeladen, aber sie hätte schon blind sein müssen, um die Plakate und Anzeigen mit der Ankündigung für diese Vernissage nicht zu bemerken. „Meinst du etwa, ich lasse dich an einem so wichtigen Abend allein?" fragte Eliza, trat einen Schritt zurück und betrachtete Clay aufmerksam. „Warum willst du denn deinen Erfolg vor mir geheim halten?" wollte sie verständnislos wissen. „Ich wusste ja nicht, ob es ein Erfolg wird", erwiderte er unbehaglich. „Es ist sogar ein voller Erfolg! Mann, Clay, ich bin so stolz auf dich!" stellte Eliza mit einem Rundumblick durch den Raum fest.
Clay verdrehte die Augen und warf mir einen entschuldigenden Blick zu, den leider auch Eliza mitbekam. Seine ganze Erscheinung schrie förmlich schlechtes Gewissen. Er fühlt sich nicht wohl, weil er mir etwas verheimlicht hat, wurde mir klar, und auch die Frau konnte seinen Anblick nicht anders deuten.
Schon trafen mich die brauen Mandelaugen von Eliza Laser. Sie betrachtete mich neugierig. Ich konnte spüren, wie ihr Blick fasziniert über mein Gesicht und dann über meinen Körper wanderte. Offenbar gefiel ihr, was sie sah, auch wenn sie das vielleicht gar nicht wollte, und das amüsierte mich wiederum.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sie keinerlei Ahnung davon, dass Clay sich auch zu Männern hingezogen fühlte, deshalb konnte sie unsere Beziehung nicht richtig einschätzen. Aber Clays bestürzte Reaktion auf ihr plötzliches Erscheinen und sein entschuldigender Blick auf mich hatten sie misstrauisch gemacht.
Eine Weile schauten wir uns gegenseitig abschätzend an. Diese fremde Frau war zur Zeit seine feste Freundin, das wusste ich instinktiv, und ich konnte den Wirbelsturm der Eifersucht, der mich spontan innerlich erfasste, kaum im Zaum halten. Ich fragte mich, wie Clay so dumm sein konnte zu glauben, seine Freundin würde von seiner Vernissage nichts mitkriegen, wenn doch überall in der Stadt Plakate hingen. Wie er so dumm sein konnte anzunehmen, er könnte auf Dauer seine Geliebte vor mir verheimlichen.
Es war mir sowieso ein quälendes Rätsel, warum er eine Eliza brauchte, wo er doch mich hatte. Ich konnte es kaum ertragen, dass ich ihm offenbar nicht genügte.
„Eliza – Sean", stellte Clay uns schließlich eher widerwillig mit einer lockeren Handbewegung vor, um das angespannte Schweigen zu beenden. „Woher kennst du ihn/sie?" fragten Eliza und ich ihn im nächsten Moment gleichzeitig und schauten Clay vorwurfsvoll an, der sich in seiner Haut sichtbar unwohl fühlte.
„Clay wohnt bei mir!" behauptete Eliza vorlaut und triumphierend, als wollte sie instinktiv ihren Besitzanspruch geltend machen. Augenblicklich fühlte ich einen schmerzhaften Stich in der Seele, der mich fast zusammenbrechen ließ, weil Herr Banton es nach dem Verlust seiner Wohnung vehement abgelehnt hatte, mit mir zusammenzuwohnen.
Clay war sofort klar, was Elizas Behauptung in mir auslöste, denn er schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, das ist nicht wahr, Eliza! Ich penn manchmal auf deiner Couch, das ist alles!" stellte er verärgert richtig und warf ihr einen anklagenden Blick zu. Sie sah unglücklich aus, schwieg aber erst mal dazu.
Clay blickte sich unruhig in der Galerie um, als würde er einen Ausweg suchen. Diese Begegnung zwischen Eliza und mir war ihm sichtlich mehr als unangenehm.
„Woher kennst du ihn?" fragte die Frau ihn noch einmal, und ihre Stimme hörte sich fast drohend an. Clay schloss hilflos die Augen, um sich dieser Antwort zu entziehen. Aber je länger er sich nicht rührte, umso misstrauischer wurde Eliza natürlich.
Das gefiel mir ganz und gar nicht. Ich bekam das dringende Bedürfnis zu verhindern, dass das Weib sich selbst irgendwas zusammenreimte, was sie nichts anging. Ich wollte Clay unbedingt beistehen, ihn vor seiner argwöhnischen Geliebten beschützen, obwohl das irgendwie paradox war. Außerdem hätte ich es nicht ertragen, wenn Clay unsere Verbindung unwichtig gemacht oder als Lappalie abgetan hätte.
„Wir haben zusammen studiert", fühlte ich mich genötigt zu erläutern, um gleich mal klar zu stellen, dass ich Clay schon seit einer ganzen Zeit kannte, womöglich viel länger als sie. Elizas Blick bestätigte das, sie schien beeindruckt zu sein, und ein wenig eifersüchtig. Ich lächelte sie charmant an, und ihre Aufmerksamkeit verweilte noch einmal fasziniert auf meinem Gesicht.
Clay öffnete die Augen und lächelte mich erleichtert, dankbar, bezaubernd an. Erst später erfuhr ich, dass er in diesem Moment zufrieden war, weil ich unsere sexuelle Beziehung nicht sofort vor Eliza offengelegt hatte. Schon am nächsten Tag würde er mich dringend bitten, dies niemals zu tun. Der Dummkopf ging tatsächlich davon aus, dass er seine bisexuellen Neigungen für immer und ewig vor Eliza geheimhalten könnte.
Nun wandte er sich an seine Freundin und erklärte: „Sean hat mir mit der Ausstellung sehr geholfen. Wir machen zusammen Musik und spielen Theater, und er ist total wichtig für mich."
Wahrscheinlich wollte Clay mir damit eine Freude machen, sich für meine Diskretion revanchieren. Mein Herz setzte spontan einige Schläge aus, mein Atem stockte. Wärme und Zuneigung durchströmten mich, weil Clay mich nicht verleugnet hatte, weil er mich sogar als wichtig bezeichnet hatte. Der Mann hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass unsere Beziehung mehr war als nur oberflächlich.
Diese Tatsache, die mich maßlos erfreute, gefiel Eliza beileibe weniger. Sie hatte die offene Zuneigung, die in Clays Stimme gelegen hatte, als er über mich sprach, nicht überhören können. Und auch, wenn Frau Laser noch nicht wissen konnte, dass Clay und ich tatsächlich andauernd Sex hatten, so ahnte sie doch intuitiv, dass noch mehr hinter unserer Freundschaft steckte.
Das leichte Misstrauen in ihrem Blick wurde schärfer, offene Eifersucht gesellte sich hinzu. Noch einmal schauten wir uns einige Zeit schweigend an, und unsere Blicke waren jetzt alles andere als neutral. Ich glaube, uns beiden wurde in diesem Moment vage bewusst, dass wir in Bezug auf Clay Banton einen ernstzunehmenden Konkurrenten hatten.
Aber bevor wir diese neue, bittere Erkenntnis vertiefen oder auch nur verdauen konnten, murmelte Clay auch schon „Sorry" und entfernte sich so eilig von uns, als wäre er auf der Flucht. Einige Besucher hatten ihn gerufen, und er folgte nur zu gerne, sichtbar erleichtert diesem Ruf, um sich unserer schwierigen Dreiecks-Situation zu entziehen.
Genaugenommen retteten diese Gäste ihn vorerst vor weiteren unangenehmen Fragen von Eliza und mir. Die Menschen klopften Clay johlend und anerkennend auf die Schulter, baten ihn ausgelassen um eine Führung, und er lief charmant lächelnd mit ihnen herum und erklärte seine Bilder für sie. Immer mehr Interessierte schlossen sich Clays spontaner Führung durch die Ausstellung an, bis auch Eliza und ich uns langsam dazugesellten.
Dies war Clay Bantons großer Abend als Künstler, und er war absolut in seinem Element. Er war bezaubernd, selbstbewusst und doch bescheiden, einfach quicklebendig. Ich konnte nicht anders, als seinen faszinierenden Anblick wohlig erschaudernd in mich aufzunehmen, und es war mir egal, ob Eliza davon etwas mitbekam. Dies war weder die Zeit noch der Ort für Eifersüchteleien oder Missgunst.
Eliza Lasers bedrohliche Existenz verschwand im Laufe der Nacht immer mehr aus meiner Seele. Alle Aufmerksamkeit gehörte ganz allein dem Maler, und später würden wir noch zusammen Musik machen und nach der Vernissage bestimmt Sex haben, wonach ich mich schon sehnte. Ich hatte es endlich geschafft, die Liebe meines Lebens glücklich zu machen, und das war ein absolut berauschendes Gefühl.
Leider hatte Clays Zufriedenheit damals nicht lange angehalten. Im Gegenteil, das viele Geld, was er mit den Bildern verdiente, hatte eigentlich alles nur noch schlimmer gemacht.
Mit einem wehmütigen Lächeln dachte ich an Clays erste Vernissage, während ich mit dem Handy am Ohr auf die Verbindung zu Eliza wartete. An diesem Abend hatten die Frau und ich wahrhaftig kein Wort mehr miteinander gesprochen. Wir hatten uns nur noch manchmal misstrauisch beäugt, waren uns ansonsten aber aus dem Weg gegangen.
Es hatte mich amüsiert zu bemerken, wie schüchtern Eliza sich bewegte. Offensichtlich kannte sie außer Clay niemanden in dieser Galerie, und Clay kümmerte sich kaum um sie, denn er war ständig anderweitig beschäftigt. Die unzähligen Besucher der Ausstellung, die Presse und bald darauf besonders Louis Frédéric von Ravenhorst nahmen ihn hundertprozentig in Beschlag.
Eliza wirkte eindeutig fehl am Platze, fühlte sich sichtbar einsam und mulmig, aber sie wollte sich wohl auch nicht wie eine Klette an Clay hängen. Also stand sie die meiste Zeit irgendwo allein herum oder schaute sich auffallend lange die Bilder an. Irgendwie tat Eliza mir sogar ein bisschen leid, sodass ich schon ernsthaft überlegte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Jedoch hielten mich meine Eifersucht und zu meiner Schande auch Gehässigkeit davon ab.
Später war Frau Laser plötzlich verschwunden, ohne das jemand ihren Weggang bemerkt hätte. Sie war gegangen, ohne sich zu verabschieden, und noch bevor Clay und ich zusammen Musik machten. Darüber war ich damals sehr froh gewesen.
Ich sah vor meinem inneren Auge den glückseligen Ausdruck in Clays wunderschönen Augen nochmal aufblitzen und fürchtete, diese leere Zeit ohne meinen Mann nicht länger ertragen zu können. Gleichzeitig verachtete ich mich selbst für meine irre Sehnsucht nach ihm.
Eliza ging zum Verrecken nicht an ihr Handy, was mich immer wütender machte. Zu viel war zwischen unserer ersten Begegnung und diesem Augenblick passiert, und ich traute Eliza nicht für einen Cent. Angeblich hatte sie sich von Clay getrennt, aber das war doch totaler Schwachsinn und ich verstand nicht, warum Clay diese blöde Weiberlaune überhaupt ernst nahm. Eliza Laser würde sich niemals von Clay Banton trennen, denn sie war absolut entflammt für meinen Mann, entschieden zu vernarrt für meine Begriffe. Und Clay würde seine Lieblingsfrau ohnehin niemals aufgeben.
Schließlich legte ich entnervt auf und wählte als nächstes Lasers Festnetznummer. Die Vorstellung, dass sie mit Clay bei sich zu Hause war, während er bei mir sein sollte, erzürnte und beunruhigte mich zunehmend, aber ich zwang mich, meine Eifersucht und Wut in den Griff zu bekommen.
Nachdem siebten Klingeln, als ich schon gar nicht mehr damit rechnete, nahm sie endlich den Hörer ab. „Ja?" fragte sie so überrascht, dass sie hörbar atemlos war. Offensichtlich hatte sie mit keinem Anruf gerechnet. „Ist Clay bei dir?" fiel ich sofort über sie her, denn ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Plötzlich war ich felsenfest davon überzeugt, dass diese Frau erneut der Grund für mein Elend war.
„Wer ist da?" wollte sie zögernd wissen, dabei war ich mir sicher, dass sie mich sofort erkannt hatte. Außerdem kannte sie meine Handynummer, sie musste sie längst im Display gelesen haben. Sie wollte eindeutig Zeit schinden, um sich eine kluge Antwort überlegen zu können. In diesem Moment hatte ich keinerlei Zweifel mehr, wo ich Banton finden würde.
„Hier ist Sean", sagte ich ungeduldig zu ihr und wiederholte: „Ist Clay bei dir?" „Was willst du von ihm?" fragte Eliza mich fast panisch. Ich antwortete ihr nicht. Mein Herz hämmerte. Ich musste tief durchatmen, um mich zu beruhigen. Eine Weile war es ganz still.
„Ich dachte, er wäre bei dir", behauptete sie dann plötzlich schroff. „Was willst du von Clay, Sean?" erkundigte sie sich noch einmal, diesmal eindeutig spöttisch. „Wenn du ihn siehst, dann sage ihm, er soll sofort ins Theater kommen. Wir haben heute eine verdammt wichtige Probe und ein Interview mit ArtHouse. Er darf dabei nicht fehlen, verstehst du das?" erklärte ich Eliza, obwohl ja die Probe sowie das Interview längst gelaufen waren. Aber ich war mir sicher, dass sie mich anlog, deshalb tat ich das gleiche mit ihr. Mit grimmiger Genugtuung bat ich sie: „Bitte richte ihm das aus, falls du ihn sehen solltest, ja?" „Okay, mach ich", meinte sie hastig und legte auf.
Ich musste mich anstrengen, um meinen aufbrausenden Zorn nicht spontan an dem Handy auszulassen. Mit zitternden Fingern steckte ich es zurück in meine Jackentasche und schlug einmal mit der flachen Hand auf die hölzerne Zwischenwand der Toilettenkabine ein. Sie donnerte so laut, dass ich mich selbst erschrak.
Schnell verließ ich die Kabine, ging zum Waschbecken und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht.
In diesem Moment ging die Tür auf und Marc kam in den Waschraum. „Hier bist du also. Schon wieder", stellte er mit einiger Besorgnis fest und betrachtete mich aufmerksam. „Was ist los? Was war das für ein Krach? Hast du gegen die Holzwände geschlagen?" wollte er vorsichtig von mir wissen. Ich drehte mich zu ihm hin und lächelte ihn an. Es nervte mich enorm, dass Marc mir abermals hinterherspionierte. „Nichts ist los, Marc, das lief doch richtig gut, nicht wahr?" gab ich mich gut gelaunt, während ich mir mit einem Papiertuch das nasse Gesicht trockenwischte.
Aber Marc kannte mich leider zu lange, um mir meine gespielte Fröhlichkeit abzunehmen. „Es ist wegen Clay, oder? Weil er heute nicht hier war?" vermutete mein neugieriger Mitbewohner folgerichtig. Aber ich schüttelte den Kopf, weil ich keine Lust mehr hatte, meine Gefühle vor ihm zu rechtfertigen. „Ach, Scheiß drauf!" zischte ich, warf das Papier in den Abfallkorb und schloss für einen Moment die Augen.
Marc kam zu mir und berührte meinen Arm. „Hey, du kennst das doch, Sean! Das nächste Mal ist er wieder hier, und dann gibt er sich mit Supernova Soul richtig Mühe. Du wirst sehen!" stellte er mir optimistisch in Aussicht.
Natürlich meinte Marc es nur gut, das tat er ja immer, aber ich konnte seine penetrante Gutmütigkeit in diesem Moment nur schwer ertragen. Die Gewissheit, dass Clay sich mit Eliza vergnügte, während ich wie ein Idiot im Theater auf ihn wartete, lastete schwer auf meiner Seele.
„Verdammt, er hatte mir fest versprochen zu kommen!" schrie ich Marc an, der sofort erschrocken zusammenzuckte, zwei Schritte rückwärts ging und beschwichtigend die Hände hob. „Ja, aber du kennst ihn doch!" versuchte er leise, mich zu beruhigen. „Clay nimmt diese Dinge eben nicht so ernst wie wir. Aber wenn es drauf ankommt, dann ist er zur Stelle. Das weißt du doch, Sean!" redete er sanft auf mich ein. Selbstverständlich wusste ich das, aber Clays Gedankenlosigkeit brachte mich immer wieder fast um den Verstand.
Nervös spielte ich mit meinen Fingern herum und warf einen Blick in den Spiegel über dem Waschbecken. Mann, meine Pupillen waren echt riesig schwarz, das viele Kokain hatte sich deutlich in mein Gesicht geschrieben. Mein Herz hämmerte unvermindert.
„Bitte, hör auf damit, Sean", flüsterte Marc drängend. Ich hob irritiert den Kopf und bemerkte, dass er meinem Blick in den Spiegel gefolgt war. „Was meinst du?" fragte ich ihn genervt, obwohl ich genau wusste, was ihm Sorgen bereitete. Und ich wollte es bestimmt nicht von ihm hören. Unruhig warf ich einen Blick zu Tür und überlegte, ob ich nicht jetzt einfach schnell das Weite suchen sollte, um diesem unangenehmen Gespräch zu entgehen.
Aber Marc kam näher, griff schon wieder nach meinem Arm und hielt ihn diesmal fest. „Das bist doch nicht du, Sean! Du nimmst keine Drogen auf einer Toilette! Und schon gar nicht im Theater! Du hast so etwas wie Drogen nicht mal nötig!" quatschte Herr Hellberg beschwörend auf mich ein. Seine Worte machten mich mega sauer, aber ich zwang mich, ganz ruhig zu bleiben. Amüsiert lächelte ich ihn an. „Bilde dir bloß nicht ein zu wissen, was ich nötig habe, Marc! Und wie kommst du überhaupt auf so einen Scheiß?"
Marc stöhnte deprimiert, weil ich versuchte meine Untat abzustreiten, obwohl sie doch so offensichtlich war. Im Grunde hatte er recht, das hatte ich selbst auch schon längst gemerkt, aber ich hatte absolut keinen Bock auf so eine Diskussion. „Bitte, Sean...", seufzte er, „Sei wenigstens ehrlich zu mir. Kein Mensch muss so oft zur Toilette, wie du heute! Außerdem rieche ich doch, dass du hier irgendwas geraucht hast!" Er holte einmal tief Luft und straffte seinen Rücken. „Also verkaufe mich bitte nicht für dumm!" forderte er erstaunlich ungeduldig.
Ich schaute ihn einen Moment lang verblüfft an und schwankte zwischen Wut und Rührung, Amüsement und Gereiztheit. „Ich habe nur ein bisschen Kokain geraucht", gab ich dann plötzlich kurzentschlossen zu, „Ich hatte eine verdammt lange und anstrengende Nacht, Marc, und der Termin heute war enorm wichtig, das weißt du selber. Das Zeug hat mich wach und fit gemacht, und nur deshalb bin ich gerade richtig gut gewesen." „Ich habe gemerkt, dass du die letzte Nacht nicht zu Hause warst", murmelte Marc nachdenklich.
Dann packte er meinen Arm fester und taxierte mich. „Aber du warst nicht so gut, weil du Kokain geraucht hast! Rede dir das doch nicht ein! Du bist gut gewesen, weil du es drauf hast, Sean! Du bist einfach gut!" Spöttisch lachte ich auf. „Du hast echt keine Ahnung! Nach so einer Nacht kann niemand mehr gut sein, Marc!" versicherte ich ihm spontan.
Im nächsten Moment bereute ich es und hoffte, dass er mich nicht nach Details fragen würde. Aber natürlich blitzte in seinen Augen sofort die Neugier auf, was für eine Nacht das für mich gewesen war. Allerdings sollte Herr Hellberg auf keinen Fall von meinem Arrangement mit Louis wissen oder davon, welche körperlichen Opfer ich für Clay bereit war zu bringen.
Bevor er mich danach fragen konnte, knurrte ich: „Hör auf damit, Marc! Spiel nicht meinen Bodyguard, du weißt, dass ich das nicht leiden kann!" Marc kannte meine Familiengeschichte und meinen jahrelangen Kampf aus der Umklammerung meiner Eltern und ihrem gesamten Umfeld. „Aber ich mache mir solche Sorgen um dich, Schatz", wisperte der Mann betrübt, streichelte meinen Arm und schaute mich bittend an.
Plötzlich war mir, als hörte ich die entsetzte Stimme meiner Mutter in meinem Hinterkopf: „Aber nein, Sean, du darfst auf keinen Fall allein auf die Straße gehen! Du kannst auf keine öffentliche Schule gehen, Sean! Das ist viel zu gefährlich! Was dir da alles passieren kann, mein Schatz! Ich mache mir solche Sorgen um dich!" Wie oft hatten sie und mein Vater mein Bedürfnis nach ein bisschen Freiheit und Selbstständigkeit auf diese Weise sabotiert.
Erst nach endlosen Diskussionen und der großen Überredungskunst von Louis Frédéric und seinen progressiven Eltern hatten meine mir schließlich mit vor Angst klappernden Zähnen erlaubt, die letzten zwei Jahre bis zum Abitur ein öffentliches Gymnasium zu besuchen. Louis hatte mir schon vor Jahren die Sache schmackhaft gemacht, indem er behauptete, dass ich es für immer bereuen und unglaubliche Dinge verpassen würde, wenn ich nie ein normaler Schüler einer ordinären Schulklasse gewesen wäre. Letztendlich hatte ich es aber bereut, auf Louis gehört zu haben.
Ich spuckte aus und musste mich enorm zurückhalten, um Marc nicht ins Gesicht zu schlagen. Mit zitternden Fingern zündete ich mir eine Zigarette an, inhalierte tief, zwang mich zur Ruhe und lächelte ihn entschuldigend an. "Hör mal, Marc, das ist echt lieb von dir, aber bitte übertreib es nicht, ja? Ich bin schon erwachsen und kann gut allein auf mich aufpassen", erklärte ich ihm zuckersüß.
Er packte schon wieder meinen Arm und fixierte mich. „Nein, Sean, solange du mich um Codein bittest, weil du Heroin genommen hast, und solange du heimlich auf einer Toilette Kokain rauchst, solange kannst du offensichtlich keineswegs auf dich allein aufpassen!" zählte er mir allen Ernstes anklagend auf.
Ich zog scharf die Luft ein, die Augenbrauen zusammen und starrte ihn wütend an. Mein Herz hämmerte verstärkt und ich hatte Mühe, ruhig zu atmen. Es war zum Kotzen, dass er jetzt auf dem bisschen Codein vom Sonntag herum ritt. Seine Vorhaltungen waren schlicht unakzeptabel. Und obwohl mir klar war, dass Marc es mit seinem riesengroßen Herzen unverändert gut mit mir meinte, so konnte ich mich doch kaum noch zusammenreißen.
„Hör auf!" zischte ich mühsam beherrscht, „Lass mich verdammt nochmal in Ruhe!" In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Vincent kam herein. Er brauchte nur einen Blick, um zu merken, wie zornig ich in diesem Moment war. Marc schaute mich verstört an, ließ mich vorsichtshalber los und ging wieder einen Schritt zurück. „Hey, was hast du gesagt, Marc? Sean sieht aus, als wollte er dir jeden Moment an die Kehle springen!" kicherte Vincent amüsiert, blieb bei uns stehen und guckte neugierig von einem zum anderen.
„Ich habe...", fing Marc an, aber ich unterbrach ihn hastig, bevor er Vince irgendeinen Scheiß über Drogen erzählen konnte. „Marc schnüffelt mir hinterher und das kann ich nicht leiden! Ich brauche keinen verfluchten Bodyguard mehr!" stellte ich ein wenig zu laut klar. Vincent, der die Umstände meiner Jugend ebenfalls im Groben kannte, nickte zustimmend. „Da hat er recht! Zügel deine Neugierde, Marc! Niemand mag Spione!" sagte er grinsend und schlug seinem Mitbewohner auf die Schulter. Marc schwieg unglücklich, obwohl ihm sichtbar noch jede Menge blödes Zeugs auf der Zunge lag.
Die Atmosphäre in diesem Waschraum war enorm angespannt, aber Vincent ging wohlweislich darüber hinweg. „Also, Leute, Miss Hynde schickt mich zu euch. Sie lässt anfragen, ob ihr auch mitkommen wollt. Wir wollen jetzt erst mal was essen gehen, das haben wir uns nach diesem anstrengenden Interview und der ellenlangen Fotosession echt verdient. Und danach schauen wir mal, was der Abend noch so bringt", lächelte er betont fröhlich und blickte Marc und mich auffordernd an.
Im Leben würde ich jetzt nicht mit ihnen essen gehen, denn ich hatte mit Herrn Banton noch etwas vor, was keinen Aufschub mehr duldete. Allein die Vorstellung von ihm und Eliza zu zweit in ihrer Wohnung ließ mich schlicht ausklinken.
Deshalb schüttelte ich sofort den Kopf, und Marc und Vincent stöhnten enttäuscht auf. „Ach, komm schon, Sean! Du darfst auch das Restaurant aussuchen! Wir könnten zum Italiener gehen, das magst du doch gern!" meinte Marc beschwörend zu mir, kam näher und grapschte abermals nach meinem Arm. Hastig zog ich meinen Arm von ihm weg, denn ich konnte seine aufdringliche Berührung echt nicht länger ertragen. Vincent registrierte mein energisches Zurückzucken mit einem Stirnrunzeln.
„Ähm... Charlotte wollte aber lieber zum Chinesen...", wandte er ein und hob entschuldigend die Schultern. „Das ist schon okay. Chinesisch magst du doch auch gern, nicht wahr, Sean?!" betonte Marc und starrte mich flehend an. Mir war sonnenklar, dass Marc Hellberg mich wahrhaftig für den Rest des Tages im Auge behalten wollte, damit ich nicht noch mehr Drogen nahm, und diese Impertinenz konnte ich kaum ertragen.
„Nein, ich habe keinen Hunger!" knurrte ich wütend, was stimmte, und tötete Marc mit meinem Blick. Der wandte sich hilfesuchend an Vincent. „Es geht hier nur um Clay! Sean will Clay suchen gehen!" beklagte er sich tatsächlich, wofür ich ihn am liebsten erwürgt hätte. Nur mit Mühe konnte ich mich wegdrehen, hielt mich an meiner Marlboro fest und inhalierte so tief, bis ich mir fast die Finger verbrannte. Zornig schmiss ich die Kippe in das nasse Waschbecken. Sie erlosch in einem Wassertropfen, also holte ich sie wieder heraus und warf sie in den Papierkorb.
Erst danach wandte ich mich meinen beiden Mitbewohnern zu und schaute Vincent herausfordernd an. Er betrachtete mich eine Weile nachdenklich. „Es geht doch immer um Clay", bemerkte er seltsam resigniert. Freudlos grinste ich ihn an. „Das geht nicht gut aus! Sean sollte heute wirklich lieber bei uns bleiben!" jammerte Marc in böser Vorahnung. Der Mann wirkte dabei, als wollte er jeden Moment in Tränen ausbrechen, was ich total albern fand.
Vincent musterte ihn verblüfft und streichelte ihm dann tröstend über den Rücken. „Hör mal, wenn Sean nach Clay suchen will, dann kann ihn nichts und niemand davon abhalten. Das müsste dir aber echt klar sein, Marki-Marc!" meinte er sanft und knuffte Marc leicht in die Seite, „Nimm's nicht so schwer, Alter!" „Das geht nicht gut aus....", wiederholte Marc frustriert und warf mir einen weiteren beschwörenden Blick zu. „Und dich geht es einen Scheiß an!" betonte ich genervt und holte tief Luft.
„Hört mal, Leute, nach dem Stress brauch ich eine Auszeit. Ich fahr nur ein bisschen herum, um wieder runter zu kommen und zu chillen. Das hat mit Clay überhaupt nichts zu tun. Wann ich nach Hause komme, weiß ich noch nicht, okay?" teilte ich den beiden beherrscht mit, ohne sie dabei anzusehen, „Habt noch einen schönen Abend, Jungs!"
Betont langsam wandte ich mich um und lief die paar Schritte zum Ausgang. Marc und Vincent beobachteten mich traurig und glaubten mir kein Wort. „Sei nicht so hart zu ihm, wenn du ihn findest", bat Marc mich ganz leise. Mit aufbrausendem Zorn pfefferte ich die Tür zur Männertoilette laut hinter mir zu.
Clay
Sie schlug ihre Wohnungstür zu und ließ mich allein draußen im Hausflur, blieb aber dann direkt hinter der Tür stehen, und das war so paradox, dass ich anfing an ihrem Verstand zu zweifeln. Was war nur los mit ihr? Offenbar wollte sie mich einerseits nicht sehen, aber andererseits sehnte sie sich nach meiner Gesellschaft. Ich hatte keine Ahnung, was ich davon halten sollte, denn Eliza verhielt sich höchst merkwürdig.
Sie beobachtete mich durch ihren Türspion, und manchmal konnte ich sie verzerrt sehen, wenn ich meinerseits von außen durch dieses kleine Guckloch schielte. Als ich sie durch die geschlossene Tür bat, wenigstens mit mir über alles zu reden, lehnte sie das eiskalt ab, und das machte mich echt wütend.
Ich kam mir vor wie ein Vollidiot, als ich gegen das blöde Holz sprach, weil Eliza sich so verdammt stur anstellte. Ich nahm ihr das nicht ab, dass sie mich nicht bei sich haben wollte, obwohl sie das pausenlos wiederholte. Aber warum blieb sie dann so nah an der Tür? Warum verschwand sie nicht einfach in ihr Zimmer, wo sie doch dann außerhalb meiner Reichweite gewesen wäre?
Nein, mein Mädchen hatte eindeutig große Sehnsucht nach mir! Sie begehrte und liebte mich unvermindert, und mit Sicherheit würde sie mir ihre süße Hand auf den Bauch legen, wenn ich nur erst bei ihr wäre. Sie war nur aus irgendeinem dummen Grund verwirrt, oder ihre Hormone spielten vielleicht verrückt und ließen sie all diese absonderlichen Dinge tun und sagen.
Obwohl sie mich echt total beanspruchte, nahm ich mir vor, noch mehr Geduld mit ihr zu haben. Eliza Laser hatte mich im Laufe unserer Freundschaft schon so viel Energien und Geduld gekostet, da kam es jetzt auch nicht mehr darauf an, redete ich mir zu. Früher oder später würde sie zur Vernunft kommen und mich hereinlassen, dessen war ich mir hundertprozentig sicher.
Jedoch – wenn ich an diesem Montagnachmittag die Wahl gehabt hätte, dann wäre ich wohl schon ganz am Anfang umgekehrt, spätestens aber, als die Furie mich fast die Treppe hinunter schubste. Es war enorm schwer für mich, meinen Schmetterling so bösartig zu erleben. Aber nach allem, was an diesem Tag passiert war, hatte ich keine Wahl mehr. Ich musste hartnäckig sein, stark bleiben und irgendwie da durch.
Dieses Vorhaben erschwerte sich noch, als plötzlich Elizas nervige Nachbarin auftauchte und mich blöd von der Seite anquatschte, von wegen, ich dürfte mich nicht im Flur aufhalten und sollte verschwinden oder so was. Das alte Weib ging mir mit ihrer keifenden Stimme gehörig auf die Nerven, und ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, sie einfach die Treppe hinunterzuwerfen.
Aber letztendlich hatte das Auftauchen der Nachbarin doch etwas Gutes, denn die Oma bewirkte wohl, dass Eliza endlich ihre Tür für mich öffnete. Vielleicht hatte Liz Angst davor, was ich mit ihrer Nachbarin anstellen würde, wenn die mich nicht in Ruhe ließ. Womöglich wollte die Alte auch die Bullen rufen, das weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls ging die Tür zu Elizas Wohnung auf, mein Mädchen kam auf mich zu, und das konnte ich im ersten Moment gar nicht fassen.
Völlig verblüfft und überwältigt starrte ich Liz an. Sie zerrte an meinem Arm herum, sagte irgendwas zu mir, und ich fand sie in ihrer Aufregung wunderschön. Es war so, als hätte ich sie seit Jahren nicht gesehen, und ich konnte nicht begreifen, dass sie endlich wieder bei mir war.
Offenbar konnte sie es plötzlich kaum noch erwarten, dass ich zu ihr kam. Sie zerrte mich gewaltsam in ihre Wohnung, und das ließ ich mir nur zu gerne gefallen. Unentwegt musste ich sie anschauen, um festzustellen, ob sie sich vielleicht in der Zwischenzeit irgendwie verändert hatte. Aber sie war immer noch fantastisch, und ich konnte mich nicht satt sehen an dieser Frau.
Plötzlich waren wir zusammen in dem Flur in ihrer Wohnung. Sie stieß mich höchst erotisch mit dem Rücken gegen die Wand und befahl mir dort stehen zu bleiben. Dann verschwand sie schnell im Bad, wohl um sich ein wenig frisch zu machen.
Frau Laser war enorm geil auf mich, das spürte ich in jeder Faser meines Körpers, und ich fragte mich irritiert, warum sie so lange dagegen angekämpft hatte, wo denn bitteschön eigentlich ihr verdammtes Problem lag. Diese ganze ellenlange Szene im Hausflur war absolut unnötig gewesen, der totale Schwachsinn! Verdammt nochmal, ich war doch auch total scharf auf sie! Es gab also gar kein scheiß Problem!
Aber dann hakte ich diese Episode ab und malte mir lieber aus, wo Eliza mich gleich überall berühren würde, und konnte es kaum noch erwarten. Es ging mir sofort viel besser, dort in ihrem Flur, denn jetzt würde alles gut werden, das wusste ich genau.
Als die Frau endlich aus dem Bad zurückkam, hatte sie Papiertaschentücher geholt, mit denen ich mir mein vom Heulen nasses Gesicht abwischte. Dann gab ich ihr die Packung zurück, und Eliza schleuderte sie abrupt wütend auf den Boden und taxierte mich.
In diesem Moment registrierte ich zum ersten Mal ihren zornigen Gesichtsausdruck, der mich echt verwirrte. Das Weib hatte mich endlich in ihre scheiß Wohnung gelassen, und jetzt war sie deswegen sauer auf mich? Wie verrückt würde das hier denn noch werden? Hatte mein kleiner Schmetterling, der zu meinem Schrecken rasend schnell nochmal zur Hornisse wurde, vielleicht tatsächlich den Verstand verloren? Der Gedanke beunruhigte mich, denn so unberechenbar und sprunghaft hatte ich Eliza noch nie erlebt.
Langsam begriff ich überhaupt nichts mehr, stand nur hilflos dort an der Wand, sie baute sich dicht vor mir auf, und ich musterte sie verwirrt. „Was willst du hier?" schrie mein Mädchen mich zornig an, und in ihrer Stimme lag so viel Verachtung, dass ich davon fast zusammenbrach. Nein, das war alles nicht richtig, jedes Wort von ihr fühlte sich komplett falsch an.
Ich erzählte ihr von meinem Tag und verriet ihr meine Sehnsucht nach ihr, und sie spuckte mir als Antwort den Namen Sean Valmont ins Gesicht und nannte mich eine Hure. Ihre bösartige Gehässigkeit war nur schwer zu ertragen, und als sie später auf einmal damit anfing mich zu schlagen, war ich schon beinahe froh darüber.
Ach, Fuck! Ihre mädchenhaften Schläge konnte ich tausendmal leichter verpacken als ihre verletzenden Worte! Also ließ ich ihr freie Hand, spannte meine Muskeln abwehrend an und hoffte, dass sie möglichst schnell ihre unbegreifliche Wut an mir abreagieren und sich dann endlich beruhigen würde.
Tatsächlich schlug sie mich ziemlich hart, und es tat weh, aber alles war besser, als weiter von ihr beschimpft und verhöhnt zu werden. Ich beobachtete sie genau, während sie mich verprügelte, und sie hatte sogar in ihrem Zorn ihren Reiz. Außerdem wirkte sie total hilflos. Sie war völlig neben der Spur und ich war mir sicher, dass sie das alles hier eigentlich selbst nicht wollte. Sie wollte mich gar nicht schlagen und ich wusste jetzt schon, dass sie ihre Brutalität bald bereuen würde.
Aber Eliza gingen wohl die Beschimpfungen aus, und sie wusste sich nicht mehr anders zu helfen, um ihren rasenden Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ich konnte die Frau absolut nicht verstehen. Sie kam mir irritierend fremd vor, während ich sie traurig betrachtete.
Aber trotzdem schätzte ich sie richtig ein, denn ich kannte sie so verdammt gut. Ihr absurder Wutanfall verging genauso schnell, wie er aufgetaucht war. Die Frau war richtig süß außer Atem, nachdem sie mich eine Weile verprügelt hatte, und das war irgendwie bezaubernd. Sie hatte kleine Schweißperlen auf der Stirn, die ich ihr nur zu gerne weg gestreichelt hätte.
Aber zunächst musste ich noch verhindern, dass sie mir einen schmerzhaften Faustschlag in die Eier verpasste, was sie aus irgendeinem miesen Grund tun wollte. Hastig packte ich ihre beiden Handgelenke, hob sie mühelos hoch und drückte sie gegen meine Brust, wobei ich Eliza sehr nah zu mir heranzog. Jetzt konnte sie sich nicht mehr rühren, und ich war wahrhaftig froh, nicht länger geschlagen zu werden.
Ich schaute ihr tief in die Augen, und natürlich fand ich dort ihre große Liebe zu mir, und ihr Verlangen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Diese haltlose Aktion hatte sie selbstverständlich enorm angetörnt, ihr viel zu seltenes Loslassen sämtlicher Skrupel, und ihre große Macht über mich.
Was ist nur los mit ihr, fragte ich mich frustriert, ihre Gefühle für mich haben sich überhaupt nicht geändert, warum also erzählt sie mir pausenlos diesen Scheiß mit der Trennung? Eliza Laser war mir ein einziges Rätsel, aber sie war mir jetzt sehr nah, überwältigend vertraut, und sie fühlte sich wirklich gut an. Doch ich musste vorsichtig sein. Die Frau war zur Zeit erschreckend labil, deshalb durfte ich nichts überstürzen, obwohl ich sie am liebsten sofort geküsst und ihr die Kleider vom Leib gerissen hätte.
Stattdessen erklärte ich ihr lieber ein bisschen was, von dem ich hoffte, dass es sie endgültig besänftigen würde. Ich eröffnete ihr, dass ich an diesem Tag verletzt worden wäre, dass ich sie verstehen und in Ruhe lassen würde, was tatsächlich funktionierte, obwohl das alles ziemlich erbärmlich war. Eliza glaubte mir jedes Wort und war augenblicklich gerührt von meiner vermeintlichen Offenheit.
Dabei war nur eins davon wichtig, nämlich, dass ich inzwischen total müde war und keinen Bock mehr hatte zu kämpfen. Mein Verlangen nach Ruhe oder noch lieber Sex war riesengroß. Sie lächelte mich zauberhaft an, voller Zuneigung, und ich wusste, dass ich gewonnen hatte. Im Endeffekt hatte ich die Bestie gezähmt, sie mit meinem Charme besiegt, und diese Tatsache war Balsam für mein angeknackstes Ego.
Sofort konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und streichelte die zarte Stelle unter ihrem linken Ohr und ihre Handrücken. Mir war klar, wie scharf sie auf mich war, das war sie doch schon die ganze Zeit gewesen. Sie hatte es nur aus irgendeiner bekloppten Laune heraus bekämpft und unterdrückt.
Doch jetzt stand ihr nichts mehr im Wege, sie hatte plötzlich keine Bedenken mehr, weiß der Teufel warum. Ich begriff eigentlich gar nichts, aber ich nahm es gerne als gegeben hin, als sie mich schließlich leidenschaftlich küsste. Wir waren uns ohnehin schon sehr nah, deshalb war der Kuss eigentlich unvermeidlich. Und es war enorm geil, von ihr geküsst zu werden und sie zu küssen. Wie lange hatte ich mich schon danach gesehnt, wie zart und weich sie sich anfühlte!
Augenblicklich gierte es nach Sex in mir. Innerhalb von drei Sekunden hatte ich den ganzen Scheiß drumherum vergessen. Liz streichelte meinen Rücken und meinen Arsch, und ich strich über ihren Hals und presste mich gierig an ihren weichen Körper. Mann, ich fühlte mich so verdammt ausgehungert nach diesen Gefühlen! Innerhalb von Sekunden wurde ich hart und wollte noch viel mehr von ihr!
In Gedanken zog ich ihr schon die Kleider aus, als Eliza sich abrupt von mir losriss und zwei Schritte zurückging. Damit hatte ich nicht gerechnet, deshalb konnte ich sie so schnell nicht festhalten. Sie schaute mich vorwurfsvoll an, als wäre das alles hier allein meine Schuld. Frau Laser hatte erneut, schlagartig und mittendrin ihre Meinung geändert, und ich bekam das entsetzliche Gefühl, jeden Moment komplett den Verstand zu verlieren.
Sean
Als ich endlich in meinem Jeep war, raste mein Herz dermaßen, dass ich plötzlich Angst vor einem Herzinfarkt bekam. Mein Brustkorb zog sich zusammen, meine Lunge schnürte sich zu. Bewegungslos, panisch saß ich hinter dem Steuer und umklammerte das Lenkrad mit bebenden Fingern. Ganz tief und gleichmäßig atmete ich ein und aus und versuchte mich zu beruhigen.
Verdammt, ich hatte diese ständigen, vielsagenden Blicke meiner Mitmenschen so satt! Die penetrante Besorgnis in Marcs viel zu neugierigen Augen. Das irgendwie traurige Amüsement in Vincents durchbohrendem Blick. Und dann Charlotte, die mir am Samstag immer wieder versichert hatte, dass sie mich nicht verurteilen würde, ganz egal, was ich ihr auch erzählen würde. Charlotte war davon überzeugt gewesen, dass ich mit allem einfach so kinderleicht fertig werden würde. Aber das stimmte jetzt auch nicht mehr, und Charlie hatte mich eindeutig angelogen.
Seit diesem unseligen Abend in der Garderobe des Grenzland-Theaters, als ich ihr zugeknallt vom Heroin zu viel von mir verriet und zeigte, hatte sich unsere vorher so freundschaftliche Beziehung komplett gewandelt. Charlotte mochte mich offensichtlich überhaupt nicht mehr. Pausenlos beäugte sie mich mit diesem tiefen Misstrauen, dieser enttäuschten Missbilligung in ihrem Gesicht. Erst gerade wieder, total deutlich, als ich an ihr vorbei durch das Foyer zum Ausgang gelaufen war und mich von ihr verabschiedet hatte.
„Mach's gut, Charlie!" hatte ich ihr freundlich zugerufen. „Kommst du denn nicht mit uns?" war ihre Antwort gewesen, aber ich konnte genau heraushören, dass sie sehr froh war, dass ich nicht mit ihr und den anderen essen gehen würde. Sie wirkte erleichtert, mich los zu sein, und ich war auf einmal heilfroh, dass sie in Supernova Soul keine Rolle mehr spielte. Charlotte konnte ich abhaken. Sie hatte die ungeschönte Wahrheit schlicht nicht verpackt.
Niemandem konnte ich es noch recht machen, alle griffen mich nur ständig an und schienen alles besser als ich zu wissen. In ihren Augen schien ich alles falsch zu machen, und das ging mir unglaublich auf den Senkel. Was bildeten diese Idioten sich eigentlich ein?! Ich war erwachsen und konnte tun und lassen, was immer ich wollte. Niemand hatte das Recht dazu, mir auf irgendeine Art hereinzureden.
Aber das taten meine Mitmenschen beharrlich, und wenn es nur durch ihre verdammten, vorwurfsvollen, zentnerschweren Blicke war. In einer Tour musste ich mich verteidigen, und darauf hatte ich keinen Bock mehr.
Ich wollte zu Clay und unsere persönliche Sache klarstellen. Ich musste unbedingt zu Clay, denn ich hatte ihn jetzt seit über vierundzwanzig Stunden nicht mehr gesehen und nichts von ihm gehört. Und ich hatte keine Ahnung, was in der Zwischenzeit mit ihm passiert war. Womöglich war er noch immer in großer Gefahr.
Der Gedanke an Clay machte mich verrückt und ich hatte riesengroße Sehnsucht nach dem Kerl. Aber ich war zu nervös, und das war nicht gut. Ich wollte nicht unbedacht handeln und irgendwas tun, was ich später bereuen würde. Also musste ich noch ein wenig warten, obwohl es mir schwerfiel. Ich musste mich erst beruhigen und das jubelnde Kokain in mir niederkämpfen.
Mann, ich hatte inzwischen fast alles weg geraucht, jeden einzelnen gebaseten Krümel. Vielleicht sollte ich zu Travis fahren und mir noch ein bisschen basen? Nein, das wäre im Moment wohl keine so gute Idee. Zuerst musste ich mich unbedingt um Clay kümmern. Ich würde ihm die Wahrheit ins Gesicht sagen und dann würde ich ihn anfassen, und das konnte ich kaum noch erwarten.
Nach einiger Zeit wurde ich ein wenig ruhiger, die Vorstellung von Clays Zärtlichkeiten besänftigte mich. Ich startete den Wagen und fuhr los. Aus dem Augenwinkel konnte ich gerade noch sehen, wie Marc, Vincent und Charlotte aus dem Theater kamen und sich Richtung Chinarestaurant auf den Weg machten. Zufrieden registrierte ich, dass Marc die Eingangstür des Theaters gewissenhaft abschloss. Aber dann legte er Charlie plötzlich vertraulich den Arm um die Schulter, flüsterte ihr etwas zu und lächelte sie liebevoll an. Charlotte brach daraufhin in Gelächter aus. Dieser Mist machte mich aus irgendeinem Grund eifersüchtig, deshalb schaute ich schnell weg.
Clay wird es noch bereuen, mich heute bei diesem wichtigen Interview im Stich gelassen zu haben, dachte ich wütend. Selbstverständlich würde ich ihn bei Frau Laser finden, denn er war immer dort, wenn es ihm schlecht ging. Aber warum sollte es ihm überhaupt schlecht gehen? Was hatte er getan, seit wir uns am Sonntag verabschiedet hatten, er mir fest versprochen hatte in sein Textbuch zu schauen und heute ins Theater zu kommen und dann in seinem MG davongefahren war?
Hatte er sich überhaupt nur ein einziges Mal sein Buch von Supernova Soul angesehen? Mit Sicherheit nicht! Nein, Banton hatte nicht einmal in den Text rein geguckt, und er hatte das Interview und die Probe mit Sicherheit schon in dem Moment vergessen, als er gestern von meinem Haus weggefahren war. Clay Banton hatte mich nicht zum ersten Mal leichtfertig angelogen. Er hatte mir Dinge versprochen, die er niemals vorhatte zu halten. Er hatte Sachen vergessen, die wichtig für mich waren, aber nicht für ihn. Andauernd vergaß er Wichtiges, weil er es für unwichtig hielt. Und pausenlos sagte er die Unwahrheit zu mir.
Ständig wurde ich von allen Seiten angelogen. Eliza hatte mich gerade eben am Telefon angelogen, indem sie behauptete, dass Clay nicht bei ihr wäre. Natürlich war er dort. Und wahrscheinlich hatten die beiden jetzt in diesem Augenblick einvernehmlichen Sex miteinander. Er würde sie genauso küssen, wie er mich küsste, genauso anfassen und begehren, wie er mich begehrte, und das glaubte ich plötzlich nicht ertragen zu können. Die beiden waren so vernarrt ineinander, dass ich keine Chance gegen sie hatte, niemand würde sie jemals trennen können.
Ich saß im Auto und drückte wütend auf die Hupe, weil irgendein Idiot vor mir trotz grün werdender Ampel nicht sofort losfuhr. Der Trottel winkte entschuldigend, und ich zeigte ihm den Mittelfinger. Dann schlug ich einmal zornig auf mein Lenkrad ein. Mein Herz raste abermals, mir wurde die Luft knapp.
Ich musste mich unbedingt beruhigen, aber ich hatte keine Ahnung wie. Sollte ich nochmal zu Travis fahren und ihn um Valium bitten? Die beiden Diazepam, die Louis mir gegen meine Kokain-Überdosis spät in der Nacht auf seiner Party gegeben hatte, hatten recht gut geholfen, erinnerte ich mich. Allerdings war ich kurz danach komplett weg genickt und hatte so fest geschlafen, als läge ich im Koma. So etwas konnte ich jetzt wirklich nicht gebrauchen, denn ich musste unbedingt hellwach bleiben. Verkaufte Travis überhaupt Benzodiazepine? Ich hatte keinen blassen Schimmer.
Das Koks brauste durch meine Adern, vernebelte mein Gehirn, verstärkte meine Wut auf Clay und die ganze Welt. Meine scheiß Finger zitterten immer noch. Fuck! Ich würde ihm die Scheiße aus dem Leib prügeln, dem verdammten Ignoranten, weil er mich dermaßen zum Narren hielt, weil er mich immer und immer wieder verarschte, während ich mich für ihn total ruinierte und mir sämtliche Beine ausriss.
Louis' letzte Party tauchte nochmal vor meinem inneren Auge auf, und meine unfreiwillige Rolle dabei, und ich hatte das Gefühl total wund zu sein und außerdem hatte ich Muskelkater vom stundenlangen Tanzen und überhaupt fühlte ich mich entsetzlich benutzt und schmutzig. Vielleicht sollte ich zuerst nach Hause fahren und duschen, irgendwie hatte ich das Bedürfnis danach.
Aber nein, ich musste jetzt sofort Clay finden und ihm sagen, dass er ein Arsch war, weil er mich schon wieder enttäuscht hatte und dass ich ihm das diesmal nicht verzeihen würde. Sollte ich ihn anlügen? Vielleicht sollte ich auch mal langsam mit dem Lügen anfangen, womöglich wurde das endlich mal Zeit! Das hätte der Drecksack verdient! Ich könnte ihm sagen, dass das Interview total misslungen war, dass ArtHouse sich wütend verabschiedet hatte, weil der große Künstler Clay Banton sie dreist unhöflich versetzt hatte. Ich könnte behaupten, dass die führende Kunstzeitschrift deshalb keinen Artikel mehr über uns schreiben wollte, und dass Clay unsere letzte Chance vertan hatte, aus dem Off-Theater emporzusteigen. Außerdem könnte ich ihm vorhalten, dass wir wegen der Steine aus dem Grenzland geworfen worden wären, und dass jetzt sowieso alles im Arsch war.
Oh yeah, diese Neuigkeiten würden meinem idiotischen Mann mit Sicherheit einen riesengroßen Schrecken einjagen! Er würde meine Worte nicht mal anzweifeln, denn ich hatte ihn noch nie so dreist und umfassend angelogen! Ich war nämlich eigentlich niemand, der andere anlog. So etwas tat Sean Valmont einfach nicht. Okay, manchmal verschwieg ich manche Dinge, aber nie grundlos. Ansonsten war ich immer ehrlich, immer korrekt und immer umfassend beherrscht. Und genau das wurde auch dauernd von mir erwartet, ob im Job oder privat.
Aber, verdammt, in diesem Moment hing mir das alles so sehr zum Hals raus! Ich war viel mehr als das! Ich konnte viel mehr sein!
Als meine dritte Erzieherin mich vor ewigen Zeiten zum ersten Mal bei einer Lüge ertappte, hatte sie mich zur Strafe zwei Stunden lang in einen dunklen Wandschrank eingesperrt. Die überforderte Frau dachte wohl, dass die enge Dunkelheit und Einsamkeit mir das Lügen schon austreiben würden.
Aber da hatte sie völlig falsch gedacht. Zu meiner eigenen Verwunderung genoss ich diese Zeit im Wandschrank unendlich. Damals muss ich wohl so vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, und ich war mein ganzes kurzes Leben lang ständig von Menschen umgeben gewesen, die alle pausenlos auf mich aufpassen sollten oder etwas von mir wollten.
Und dort im Schrank war ich zum ersten Mal wahrhaftig allein. Niemand starrte mich ängstlich oder bewundernd an, beobachtete mich lauernd oder wollte Fotos von mir machen, stellte mir merkwürdige Fragen, fasste mich ehrfürchtig an oder packte mich beschützend am Arm. Mit Erstaunen stellte meine kleine Kinderseele fest, wie befreiend es sich anfühlte, dort allein in der Dunkelheit zu sitzen. Zum ersten Mal konnte ich meinen Gedanken freien Lauf lassen, ohne dabei genauestens studiert zu werden. Noch niemals hatte ich mich so unbeobachtet gefühlt, und ich war es auch noch nie gewesen.
In den folgenden Wochen fing ich damit an, es gezielt darauf anzulegen, immer wieder in den Wandschrank zu dürfen, und ich versteckte mich auch oft freiwillig dort. Meine dritte Erzieherin zweifelte an meinem Verstand und war schließlich so mit ihren Nerven am Ende, dass sie frustriert kündigte. Damit war sie nur eine von vielen Pädagogen, die während meiner umfassenden Erziehung das Handtuch warfen. Irgendetwas schien mit dem kleinen Sean Valmont nicht zu stimmen, aber meine Eltern machten natürlich ausschließlich die Inkompetenz der Fachleute dafür verantwortlich. Ihr einziger, auserwählter und so lang herbeigesehnter Sohn konnte selbstverständlich keinerlei Fehler haben.
Aber jetzt, genau in diesem Augenblick hatte ich endgültig die Schnauze voll davon, immerzu perfekt und restlos kontrolliert zu sein.
Clay
Lange standen wir dicht voreinander im Flur und atmeten beide schwer. Ich wollte sie unbedingt zu mir zurückziehen, sie auf der Stelle umfassend beglücken, aber ich verstand die Welt nicht mehr. Eliza hatte mich echt übel beschimpft und überraschend heftig geschlagen. Dann hatte sie mich plötzlich geküsst, mich gierig umarmt und sich an mich gepresst, sodass ich ihren wunderbar runden Körper intensiv an mir spüren konnte.
Auch wenn ihre Zärtlichkeiten nur von kurzer Dauer gewesen waren, so hatte die Frau mich mit ihrer gezielten Sexattacke trotzdem ziemlich geil gemacht. Und verdammt nochmal, genau die gleiche Wirkung hatte ich auch auf sie! Das verriet mir nicht nur ihr atemloses Keuchen, sondern ihre gesamte Erscheinung, jede Faser ihres fantastischen Körpers ganz deutlich!
Doch von jetzt auf gleich wollte sie plötzlich keine Intimitäten mehr mit mir. Die maßlos verwirrte Frau hatte ihre Meinung trotz ihrer eigenen offensichtlichen Begierden nochmal abrupt geändert. Eliza hatte sich gewaltsam von mir losgerissen. Sie starrte mich vorwurfsvoll an, und ich stand nur hilflos dort und versuchte damit klarzukommen. Ich zwang mich, meine Geilheit und meine auflodernde Wut unter Kontrolle zu behalten. Ihren seltsamen Launen hatte ich nichts entgegenzusetzen, deshalb ließ ich sie recht reglos über mich ergehen. Aber so langsam fühlte ich mich absolut verarscht.
Sie fragte mich, was sie denn jetzt bloß mit mir machen sollte, dabei wusste sie doch schon die ganze Zeit genau, was ich von ihr wollte. Obwohl ihre Schläge mich weit weniger verletzen konnten als ihre hässlichen Worte, bat ich sie, mich nicht nochmal zu schlagen. Sie lächelte bezaubernd und ich streichelte liebevoll ihr Gesicht. Weil sie aber nicht mehr von mir angefasst werden wollte, wich sie zurück und befahl mich ins Wohnzimmer, während sie aus der Küche etwas zu trinken für uns holen wollte. Mir war inzwischen alles recht, wenn sie nur aufhören würde so paradox zu sein.
Ich wollte nicht mehr beschimpft oder geschlagen werden. Sie sollte endlich ihre Hand auf meinen Bauch legen, also machte ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer, was erstaunlich mühsam war. Tatsächlich spürte ich meinen verletzten Körper auf einmal viel zu stark, sogar Elizas Schläge konnte ich noch fühlen, und es tat erstaunlich weh, als ich mich bewegte.
Aber ich riss mich zusammen und wankte langsam ins Wohnzimmer. Dort fiel ich müde auf ihre Couch. Ich fühlte mich nach wie vor viel zu nüchtern, alles erschien mir irgendwie bedrohlich, deshalb hätte ich mir gerne irgendwas Hochprozentiges eingefahren, am liebsten Whiskey.
Aber die Frau holte uns nur blöden, gesunden Multivitaminsaft. Sie goss zwei Gläser von diesem orangenen Zeug voll, stellte sie auf den Tisch zu der Flasche und setzte sich neben mich auf das Sofa. Mann, ich wollte sie so gerne anfassen! Ich wollte so gerne von ihr angefasst werden! Ich war so müde und echt am Ende. Aus tiefstem Herzen hoffte ich, dass sie es nun endlich gut sein lassen würde, verfickt nochmal! Ich zwang mich, ganz ruhig zu atmen, obwohl mir alles irgendwie wehtat.
Ich versuchte, nicht allzu enttäuscht von dieser Begegnung mit meinem Mädchen zu sein, die so ganz anders verlief, als ich sie mir ausgemalt hatte. Ich hoffte unvermindert darauf, dass vielleicht trotzdem noch alles gut werden konnte. Ich hatte unglaubliche Sehnsucht nach ihrer Nähe, ihrer Hand auf meinem Bauch.
Aber Frau Laser war jetzt, obwohl sie direkt neben mir saß, emotional sehr viel weiter von mir entfernt, als ich ertragen konnte. Die Frau fing abermals an zu reden und mich anzugreifen, und ich wollte nur noch, dass sie endlich damit aufhörte. Ich hatte große Mühe, ihren eiskalten Worten zu folgen. Sie quatschte schon wieder von unserer angeblichen Trennung, und natürlich erwähnte sie auch Sean Valmont nochmal, auf den sie unvermindert eifersüchtig war.
Die Situation wurde total seltsam, als ich ihr gestand, dass ich es gerne mal mit ihr und Rowina zusammen tun würde. In Wahrheit hatte ich darauf überhaupt keine Lust, denn scheiß Rowina war eine ätzende Bitch, die mich kein bisschen reizte. Keine Ahnung, warum mir dieser Gedanke kam oder warum ich ihn überhaupt laut aussprach. Wahrscheinlich wollte ich Frau Laser irgendwie aus der Fassung bringen, weil sie mir ziemlich auf den Keks ging mit ihrem unfreundlichen Gequatsche.
Jedenfalls hatte ich damit Erfolg, Eliza war auf der Stelle enorm eifersüchtig und mega entsetzt. Die dumme Frau war so unglaublich verklemmt in ihrer Moral, dass sie nicht einmal den Gedanken an Sex mit einer Frau oder einen Dreier ertragen konnte.
Ich wusste im Stillen, dass sie keine Ahnung hatte, was ihr entging. Zu gut erinnerte ich mich an all diese geilen Erlebnisse mit Valmont oder mit anderen Menschen, mit mehreren gleichzeitig oder mit zwei oder drei Frauen. Besonders nach den Vorstellungen waren sie alle oft scharf auf mich, deshalb hatte ich meistens kein Problem damit, einen oder mehrere Partner fürs Bett zu finden. Anscheinend törnte es sie total an, mit dem Hauptdarsteller zu schlafen. Und es war dabei völlig egal, wie bescheuert die Rolle war, die ich auf der Bühne verkörperte. Mann, mit dem erstaunlich anhänglichen Publikum hatte ich echt schon viele geile Sachen erlebt!
All diese intimen Erinnerungen strömten auf mich ein und erregten mich irgendwie, sodass meine Ungeduld wuchs und ich verstärkt spürte, dass ich immer noch hart war und Eliza unvermindert begehrte. Ich versuchte nervös, mir nichts anmerken zu lassen, und betrachtete sie eingehend. Meine Kleine war immer noch wunderschön, aber aus irgendeinem Grund war sie aufgebracht und sehr gemein zu mir. Sie war hinterhältig und versuchte pausenlos, mich mit ihren Fragen in die Enge zu treiben.
Ihre total grundlose Feindseligkeit irritierte mich ungemein. Ich war zu müde, viel zu angeschlagen und definitiv zu nüchtern, um mir Antworten auszudenken, also blieb ich irgendwie halbwegs bei der Wahrheit. Sie wollte mich dazu nötigen, eifersüchtig auf einen imaginären Liebhaber zu werden, was so absurd war, dass ich nur noch darüber lachen konnte.
Ich hatte wahrhaftig überhaupt keinen blassen Schimmer davon, was überhaupt in ihr vorging oder worauf sie hinauswollte. Pausenlos dachte ich nur: Hör doch auf, Liz! Bitte sei doch endlich still! Hör doch jetzt auf so einen Bockmist zu labern und lege einfach nur deine Hand auf meine nackte Haut!
Stattdessen griff sie aber irgendwann nach meiner roten Krawatte und zog mich zu sich hin, was auch irgendwie angenehm war, weil wir uns dadurch erneut sehr nahe kamen. Ich spürte ihren warmen Atem sanft auf meinem Gesicht, sah ihr wunderschönes Antlitz dicht vor meinen Augen. Spontan küsste ich sie, und sie schubste mich wieder weg, und das konnte ich wahrhaftig kaum noch verpacken.
Mir fiel nur noch ein einziger Ausweg ein, und darum fing ich an zu reden, einfach nur, damit die Frau still war. Ich wollte keine bösen Worte mehr von ihr hören, konnte kein einziges mehr ertragen, also quatschte ich selber drauflos. Ich weiß nicht mehr, was genau ich zu ihr sagte, irgendwas von meinen Gefühlen zu Valmont und ihr, aber es war wohl glücklicherweise das Richtige.
Eliza wurde durch meine vermeintlichen Geständnisse merkbar viel ruhiger. Meine Offenheit besänftigte sie, und ich war mega erleichtert, als sie mich im Endeffekt liebevoll anlächelte. Frau Laser beklagte sich allen Ernstes bei mir, dass sie von unserem Gespräch erschöpft und ausgebrannt wäre, obwohl es doch nur sie allein gewesen war, die mit dieser ganzen bekloppten und mühsamen Auseinandersetzung überhaupt erst angefangen hatte! Das war mir echt zu hoch.
Ich wollte eine rauchen, hatte aber meine Kippen draußen im Hausflur verloren und nahm deshalb lieber eine von ihr. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich nicht nochmal aussperren würde, wenn ich jetzt hinausgehen würde, also riskierte ich das nicht. Es war zu zeitaufwendig gewesen, mich bis zu ihrer Couch durchzukämpfen, und jetzt würde ich diesen Platz auch nicht mehr verlassen, ohne mein Ziel erreicht zu haben.
Miss Laser versetzte mir noch mehr emotionale Schläge, indem sie mir schon wieder meinen Drogenkonsum vorwarf und etwas von der Realität faselte, der man angeblich nicht entkommen könnte.
An diesem Punkt hatte ich schlagartig die Schnauze voll. Da war einfach kein bisschen Geduld mehr in mir. Liz hatte mich mit ihrer Streitlust restlos ausgelaugt. Ihr nerviges Spiel konnte ich nicht länger ertragen, keine einzige Sekunde mehr. Noch immer hatte ich das dringende Bedürfnis nach ihrer Berührung, obwohl meine erwartungsvolle Erektion sich inzwischen beleidigt verabschiedet hatte.
Die Frau berührte fast beiläufig mein Gesicht und legte ihre Hand schließlich locker auf meinen Oberschenkel. Offenbar wollte sie mir nochmal näher kommen, oder vielleicht dachte sie sich auch gar nichts dabei.
Jedenfalls zog ich mir später irgendwann hastig das hellblaue Seidenhemd und das Unterhemd aus der Jeans und rückte echt verzweifelt zu ihr hin. Ich beugte mich an ihr Ohr und war froh, dass sie nicht vor mir zurückwich. „Legst du bitte deine Hand auf meinen Bauch, Eliza?" flüsterte ich vorsichtig. Dabei war ich auf jede Reaktion gefasst. Liz hatte sich mir die ganze Zeit so feindselig präsentiert, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sie mich deswegen jetzt wütend aus ihrer Wohnung geworfen hätte. Eigentlich rechnete ich sogar tief drinnen damit.
Aber ich war diese unerfreuliche Situation mittlerweile total leid, mich von ihr beschimpfen zu lassen, zu reden und ihr zuhören zu müssen hing mir zum Hals raus. Ihre bösen Worte ergaben für mich sowieso überhaupt keinen Sinn, sie demonstrierte ja ohnehin nur pausenlos ihre Überlegenheit.
Zu meiner großen Erleichterung warf sie mich nicht hinaus, sondern seufzte nur irgendwie resigniert. Im nächsten Moment fing sie zu meinem Glück zärtlich an zu lächeln, und mir war mit einem Schlag klar, dass ich die Rachegöttin endgültig besiegt hatte. „Ist das der wahre Grund deines Besuchs bei mir, Clay?" wollte sie von mir wissen, aber es hörte sich nicht mehr unfreundlich an, nur ein bisschen spöttisch, deshalb blieb ich ganz ruhig. „Wenn du so willst...", gab ich zu, denn in der Tat hatte ich auf diese Berührung schon die ganze Zeit sehnsüchtig gewartet. Inzwischen kam es mir so vor, als würde ich schon seit etlichen Stunden darauf warten.
Nervös versuchte ich, meine aufflackernde Gier zu verbergen, was mir aber nicht gelang. Vier Sekunden später konnte ich mich nicht mehr bremsen, packte ihre Hand an meinem Schenkel und platzierte sie auf meinem nackten Bauch. Ihre kleine Hand war ziemlich kalt, und ich drückte sie seufzend an mich. Eliza wehrte sich nicht dagegen, was ich kaum fassen konnte.
Diese neue absolute Wendung in ihrem Verhalten und mein plötzliches Glücksgefühl überwältigten mich. Nur zu gerne nahm ich beides als gegeben hin. Selig hielt ich ihre Hand gegen meinen Bauch gedrückt fest und saugte diese zarte, unschuldige Berührung gierig in mich auf. Ich lehnte mich auf dem Sofa zurück, schloss stöhnend die Augen und spürte alle negativen Emotionen unwillkürlich von mir abfallen. Jeder dunkle Gedanke verflüchtigte sich restlos in einem Meer aus weichem Wohlbefinden.
In diesem Moment war ich hundertprozentig in Sicherheit. Nichts Böses würde mehr passieren. Niemand würde mir noch etwas zuleide tun. Weil jemand mich gern genug mochte, um völlig bedingungslos meinen nackten Bauch anzufassen, um meine angreifbare Stelle durch seine starke Hand zu beschützen. Ein Freund war zurückgekehrt. Ich war nicht länger allein auf dieser grausamen Welt.
Sean
Es fing schon wieder an zu schneien, und die scheiß Seitenstraßen waren noch nicht gestreut oder geräumt worden. Der Jeep schlingerte im Schneematsch, und ich war froh um die neuen Winterreifen, die ich mir im letzten Jahr zugelegt hatte. Außerdem leistete mir mein Allradantrieb hervorragende Dienste, als ich schließlich auf einen Waldweg einbog, der eigentlich für Kraftwagen aller Art gesperrt war.
Ich war nervös, tierisch unruhig, mein Herz hämmerte, ich keuchte, und das musste erst mal besser werden, bevor ich mir Clay vornehmen konnte. Auf keinen Fall wollte ich nochmal über ihn herfallen, ihn womöglich verprügeln oder so was. Obwohl alles in mir sich nach dieser erneuten, gewalttätigen Rache sehnte, so schien sie mir doch falsch zu sein.
Fuck, Herr Banton war Samstagnacht schließlich genug verprügelt worden, verdammte Arschlöcher hatten ihn schwer verletzt und ich ertappte mich dabei, wie ich nach dem Täter Ausschau hielt, als ich in der Stadt an fremden Menschen vorbeifuhr. Wo war dieses Arschloch, was Clay sein Handy und sein Feuerzeug geklaut, ihn mit Messern und Schlagstöcken traktiert hatte? Diese Brutalität war schlicht unakzeptabel, dafür gab es überhaupt keine Entschuldigung, und ich würde meinen Mann ganz fürchterlich rächen, das war mal klar.
Aber zuerst musste ich mich beruhigen, musste meine wild wirbelnden Gedanken ordnen, und dann musste ich diese Wichser finden, die Clay überfallen hatten, und ich würde sie früher oder später finden, dessen war ich mir sicher.
Aber in der Stadt hatte niemand so ausgesehen, wie der Typ oder diese junge Frau, die Clay beide auf dem Video identifiziert hatte. Auch am Campus der Universität war ich suchend vorbeigefahren, weil Clay irgendwas von einer Studentin gesagt hatte, konnte jedoch niemanden entdecken, der mir verdächtig erschien. Das Universitätsgelände war zu meiner Irritation fast menschenleer gewesen. Offenbar war es schon zu spät und die heutigen Kurse waren längst gelaufen. Ich nahm mir vor, mir einen Ausdruck der Verdächtigen zu erstellen und das Bild dann immer bei mir zu tragen, damit ich es gegebenenfalls sofort vergleichen konnte.
Was genau ich tun würde, wenn ich die Brutalos fand, hatte ich mir noch nicht überlegt. Aber mir würde schon das Passende einfallen. Clay würde sein Handy und sein Zippo zurückbekommen, daran hatte ich keinen Zweifel.
Im nächsten Moment schob sich der mächtige Gedanke an den unzuverlässigen Clay Banton erneut energisch zwischen die verfluchten Verbrecher in meinem Kopf. Fuck, mein schneeverstärkter Zorn tobte unverändert in mir, ich musste dringend ruhiger werden, obwohl inzwischen alles in mir laut gellend nach einem neuen Gebaseten schrie. Ich sehnte mich enorm nach diesem Kick, diesem kunterbunten Paradies in meinem Schädel, mindestens so stark, wie ich mich nach dem Mann sehnte.
Aber das war alles totaler Schwachsinn, ich brauchte den Mist gar nicht, ich musste nur vom Koks runter kommen und die Sache abhaken. Ich musste jetzt sofort zu Clay Banton, konnte mein Verlangen nicht eine Sekunde länger unterdrücken. Ich hatte keine Geduld mehr darauf zu warten, dass dieses entschieden zu laute Kokaingeheul in all meinen Kapillaren und in meinem komplett verwirrten Hirn schwächer wurde.
Eindeutig zu schnell fuhr ich durch den verlassenen Wald, schlingerte mit dem Jeep gezielt durch Schneeverwehungen, schlug idiotisch meinen Schädel und meine Faust wiederholt gegen das Lenkrad.
Später trat ich plötzlich so hart auf die Bremse, dass der Wagen noch mindestens fünf Meter weiter über den Waldboden rutschte und dunkle Reifenspuren darauf hinterließ. Kurzentschlossen holte ich meine Pfeife heraus und rauchte überaus gierig den allerletzten Ammoniak-Krümel, während die Welt um mich herum sich sachte weiß färbte.
Clay
Die angespannte Situation entspannte sich Zusehens. Eliza legte ihre Hand auf meinen Bauch, saß dicht neben mir und schien damit zufrieden zu sein. Ich war glücklich und heilfroh, dass sie ihren idiotischen, inneren wie äußeren Kampf doch noch beendete. Mein kleiner Schmetterling kam zögernd hervor, und ich war sofort voller unverwüstlicher Liebe für ihn. Ich konnte es kaum fassen, ihn endlich gefunden zu haben, dieses wunderbar zarte und bezaubernde Geschöpf wiederzusehen.
Mein dummes Mädchen hatte zum wiederholten Mal ein total schlechtes Gewissen, weil sie mich vorher so doll beschimpft und hart geschlagen hatte. Auf einmal tat ihre eigene Untat ihr mal wieder entsetzlich leid. Sie schämte sich wegen ihrem Kontrollverlust, und das amüsierte mich. Sie war so traurig und zerknirscht über ihre eigene Brutalität, dass ich total gerührt davon war. Ich konnte gar nicht mehr anders, als meinen starken Arm beschützend um ihre schmalen Schultern zu legen und ihr zu versichern, dass ich ihr alles verzeihen konnte, solange sie nur so nah bei mir blieb. Solange sie in meiner Nähe blieb, beruhigend sanft und friedlich gestimmt, würde ich alles hinnehmen, was ihr noch an Verrücktheiten einfallen würde.
Miss Lasers Stimmung hatte sich zum Glück entschieden gebessert. Sie war jetzt angetörnt von meiner unmittelbaren Nähe, von meiner Berührung, als ich ihr sanft übers Haar streichelte, und sie wollte mich noch viel mehr anfassen, wogegen ich wahrhaftig nichts einzuwenden hatte. Mein starkes, sanftes, anhängliches Mädchen war mir so nah, dass ich ihre angenehme Körperwärme spürte. Sie kuschelte sich begierig an mich, liebebedürftig und vertrauensvoll, und schaute sehnsüchtig auf meinen Schwanz, und so mochte ich sie definitiv am liebsten.
Liz war einfach unwiderstehlich, absolut betörend, und sie erregte mich enorm damit. Den ganzen vorherigen Scheiß hatte ich längst vergessen und abgehakt. Jetzt freute ich mich nur noch auf den geilen Sex mit ihr und ging in Gedanken die einzelnen, erregenden Schritte durch. Ich würde ganz langsam vorgehen und jede einzelne Minute doppelt genießen, weil es so ein verdammter Kampf gewesen war, bis hierher zu kommen.
Jetzt konnte sie mir niemand mehr wegnehmen. Die Frau gehörte mir allein, und jeder Millimeter ihres fantastischen Körpers rief nach mir. Ihre braunen Augen leuchteten vor Verlangen, ihr süßer Mund leicht geöffnet, ihr Atem ging flacher, je länger ich sie streichelte und an mich drückte.
Aber als ich mich zärtlich zu ihr beugte, um sie leidenschaftlich zu küssen, da veränderte sich ihr Blick schlagartig, wurde abweisend, ängstlich, fast panisch. Ihr ganzer Körper versteifte sich plötzlich unbehaglich. Ich spürte intuitiv, dass sie sich rasend schnell innerlich von mir entfernte, dass sie tatsächlich gerade dabei war, sich diese Sache nochmal anders zu überlegen.
Und das war wohl der Moment, in dem irgendetwas in mir zerbrach. Etwas ging kaputt und würde nie wieder vollständig heilen. Es war schlicht zu viel, ich konnte nicht fassen, dass Eliza mir das antun wollte, wo sie sich doch noch vor wenigen Minuten ausführlich bei mir für ihre Gemeinheiten entschuldigt hatte. Was zur Hölle bildete das verrückte Weib sich eigentlich ein? Dachte sie ernsthaft, sie könnte mich je nach Lust und Laune hin und her schubsen, wie einen willenlosen Hampelmann?
Total entgeistert beugte ich mich über sie und wollte sie küssen. „Nein! Bitte nicht! Bleib bei mir! Geh nicht weg!" flehte ich atemlos und schob ihre Hand, die sie plötzlich zurückzog, energisch tiefer in meine Jeans hinein. Sie sollte unbedingt fühlen, wie hart ich war, wie bereit für sie, und dass sie mich jetzt nicht so einfach loswerden würde. Verdammt nochmal, die Frau hatte mich mit ihren Reizen geil gemacht und sie war genauso geil auf mich, wo zur Hölle lag also ihr verficktes Problem?!
Je mehr sie sich vor mir zurückzog, umso verzweifelter versuchte ich sie festzuhalten. Unentwegt wollte ich sie küssen, drängte mich gierig gegen sie, aber sie protestierte und entwand sich mir hartnäckig, was mich fast um mein letztes bisschen Rest Verstand brachte. „Bleib bei mir! Fass mich an! Ich liebe dich!" stammelte ich pausenlos und musste mich echt anstrengen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Mein kleiner Schmetterling hatte sich erneut vor mir versteckt und ich hatte das enorm schmerzhafte Gefühl, diesen Scheiß nicht noch einmal ertragen zu können, und ich fürchtete, dass ich ihn diesmal womöglich niemals wiedersehen würde.
Letztendlich wurden meine Versuche weniger triebgesteuert, und Eliza entzog sich mir vollends und schubste mich brutal von sich weg. Die Hornisse fixierte mich anklagend, als wäre ich ein völlig Fremder für sie, ein Verbrecher, der sie verbotenerweise unsittlich berührt hatte. Frau Laser hätte mir genauso gut das Herz raus reißen und in der Luft zerfetzen können.
Gleichzeitig mit meinem Schmerz kam aber auch meine Wut zurück. Unbändiger Zorn machte sich in mir breit, weil ich keine Lust mehr hatte, noch länger der wehrlose Spielball ihrer unerträglichen Launen zu sein.
Zum Schluss setzte sie der Absurdität die Krone auf, indem sie mir vorwarf, nichts begriffen zu haben, und felsenfest sowie eiskalt behauptete: „Ich habe mich von dir getrennt, Herr Banton. Und das bedeutet auch, dass ich keinen Sex mehr mit dir will!"
Fuck, ich fasse es nicht, dachte ich sofort spöttisch, so ein kompletter Scheiß! Als hätte das eine auch nur im Entferntesten irgendetwas mit dem anderen zu tun!
Diese verwirrte Frau konnte mich gar nicht dreister anlügen, denn in Wahrheit schrie einfach alles in ihr nach Sex. Selbst ein Blinder hätte das gemerkt, und ich konnte vor meinem inneren Auge längst sehen, wie geschwollen und nass sie für mich war.
Trotzdem stritt sie es vehement ab, als ich drohend nachhakte, und sie log mich nochmal eiskalt an, indem sie beteuerte, sie wäre sich da völlig sicher.
Dies war der Moment, in dem ich alle Bedenken über Bord warf. Scheiß drauf, dachte ich nur noch, die blöde Kuh weiß ja selbst nicht mehr, was sie eigentlich will. Offensichtlich muss ich sie zu ihrem Glück zwingen.
Also fiel ich irgendwie über sie her. Merkwürdigerweise törnte mich ihre Gegenwehr ganz schön an, und ich wurde erregter davon, je mehr sie sich gegen mich auflehnte. „Lass das sein, Clay!" keuchte sie aufgeregt, aber sie meinte damit das Gegenteil. Energisch beugte ich mich nochmal zu ihr, drückte sie mit meinem ganzen Gewicht zurück auf die Couch und blickte ihr tief in die Augen. Sie erwiderte meinen Blick erstaunt.
„Lüg mich nicht an, Eliza! Du kannst alles mit mir machen, aber lüg mich bloß nicht an, denn das ist total bekloppt!" verlangte ich wütend von ihr, und dann küsste ich sie verlangend, besitzergreifend auf den Mund. Ich hielt ihren Kopf dabei fest und gab ihr somit keine Chance, sich von mir wegzudrehen oder sich mir zu entwinden.
Obwohl sie sich zuerst beträchtlich sträubte, genoss sie in Wahrheit meinen Überfall. Ihr Atem wurde flacher, und ihr Herz hämmerte spürbar, und schließlich erwiderte sie meinen Kuss devot. Liz fuhr zart mit ihrer Zunge in meinen Mund und umspielte meine Lippen. Sie umschlang mich und fuhr hart mit ihren Händen an meinem Rücken hinunter zu meinem Arsch. Sie schob ihre Finger hinten in meinen offenen Hosenbund. Ich fasste ihre fantastischen Brüste an, die unter ihrem samtweichen Lieblings-T-Shirt, was sie gern und oft zu Hause anzog, groß und prall waren.
Irgendwo in der Wohnung klingelte Elizas Handy, und sie wollte unbedingt da dran gehen, aber das erlaubte ich ihr nicht, denn ich war extrem angetörnt von diesem Spiel. Ich legte mich auf sie und presste meinen harten Schwanz stöhnend gegen ihre Hüfte, was sich echt gut anfühlte. Eliza keuchte und umfasste gierig meinen Hintern, während wir uns noch länger küssten. „Hör auf... bitte... Oh Gott, Clay", wimmerte sie völlig überwältigt, als ich mich ihrem zarten Hals widmete. Ihre Stimme verursachte mir wohlige Schauer, denn sie war total hingerissen, entflammt und atemlos.
Ich griff hinunter und schob ihr von unten das T-Shirt und das Unterhemd hoch, streichelte zart über ihre weiche, warme Haut an ihrem Bauch, ihrer Taille, dann über ihre Rippen, und schob meine Finger vorsichtig unter ihren BH. Eliza war mit ihren Händen unter meinem Hemd, irgendwo an meinem Rücken, an meinen Nieren, dann wieder an meinem nackten Hintern, und ihre Finger waren zielstrebig, begierig strichen sie über meine Haut, verlangend drückte sie meinen Körper fest gegen ihren. „Clay!" ächzte sie, und ich schaute ihr ganz tief in die Augen, wo eine Mischung aus Geilheit und Erstaunen zu lesen war. Sie erwiderte meinen Blick reglos. „Eliza", sagte ich keuchend, denn ich atmete schwer, weil mein Herz so schnell schlug.
Das nervige Klingeln ihres Handys hörte endlich auf, nur um gleich darauf vom Klingeln ihres Festnetzanschlusses abgelöst zu werden. Der Apparat stand in ihrer Küche, und ich wollte auch diese Störung liebend gerne ignorieren. Aber Elizas Gegenwehr wurde wieder stärker, offenbar wollte sie den blöden Anruf dringend entgegennehmen. „Lass mich, Clay, ich muss da dran gehen, das ist wichtig!" quengelte mein Mädchen mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen. Hatte sie etwa schon auf diesen Anruf gewartet? Wer zur Hölle rief sie an?
Einen Moment lang guckte ich Liz prüfend an. Eigentlich wollte ich sie nicht gehen lassen, aber ihr Blick war liebevoll, sichtbar bedauernd, und ich war sicher, dass sie danach sofort zu mir zurückkehren würde.
Also erhob ich mich widerwillig von ihr, und sie drehte sich sofort hastig unter mir weg und rutschte von der Couch. Überstürzt stand sie auf und eilte aus dem Zimmer, ohne mich anzusehen, als wäre sie vor mir auf der Flucht, was mich ungefähr zwei Sekunden lang irgendwie beunruhigte. Ich griff hinunter und zog meine Boxershorts ein wenig hoch, die Eliza ganz leicht runter geschoben hatte, weil meine Jeans offen war. Dann setzte ich mich auf. Die offene Hose war angenehm, nichts wurde eingeengt.
Mann, ich war inzwischen ganz schön geil und konnte es kaum noch erwarten, in Eliza einzudringen. Endlich hatte ich sie so weit, dass sie ihre vorlaute Klappe hielt, und darüber war ich mehr als froh.
Vom Knutschen war mir warm geworden, deshalb zog ich das Jackett aus und warf es ans andere Ende des Sofas. Kurz überlegte ich, mich schon mal ganz auszuziehen, aber dann dachte ich, dass es viel lustiger wäre, wenn Eliza das gleich tun würde. Sie würde es sicher liebend gerne machen, und ich wollte auch die Frau ganz zärtlich entblättern. Der Gedanke an ihren nackten Körper gefiel mir sehr.
Ich dachte an ihre merkwürdig heftige Gegenwehr und war ehrlich erstaunt darüber, wie energisch sie zuerst gewesen war, und wie sehr ihr stur ablehnendes Verhalten mich angetörnt hatte. Es hatte mir ein absolut berauschendes Gefühl verschafft, stärker als Liz zu sein, ihre sinnlose Aufmüpfigkeit zu spüren, und meine körperliche Kraft einzusetzen, gegen die sie völlig machtlos war. Eliza hatte im Grunde keine Chance gegen mich, wenn wir auf diese Art herumbalgten. Ich konnte dann mit meinem Mädchen machen, was immer ich wollte, und das war seltsam befriedigend gewesen.
Eine Weile dachte ich darüber nach, und dann fiel mir ein, dass ich wahrscheinlich immer noch wütend auf sie war, weil sie früher an diesem späten Nachmittag so gehässig zu mir gewesen war, und das war wohl der Grund, warum mich mein Sieg so antörnte. Frau Laser war aus irgendeinem Grund echt bösartig gewesen, richtig fies und gewalttätig, völlig uneins mit sich und der Welt, total verwirrend widersprüchlich, und es hatte mich jede Menge Geduld und Nerven gekostet, mit ihr an diesen gemeinsamen Punkt zu gelangen.
Aber jetzt wollte ich nur noch lieb zu ihr sein, wollte meinen süßen, kleinen Schmetterling mit aller Kunstfertigkeit sachte verwöhnen, so lange ich dazu fähig war, und wahrhaftig, ich war unglaublich scharf auf sie!
Ungeduldig warf ich einen Blick in den Flur zur Küche hin. Sie telefonierte, ich konnte sie leise mit jemandem reden hören. Das angeblich so wichtige Gespräch war aber nur sehr kurz.
Mit dem Mobilteil des Festnetzanschlusses in der Hand kam sie langsam zurück ins Wohnzimmer. Sie sagte: „Okay, mach ich." in den Hörer, während sie mich ausdruckslos anstarrte. Dann beendete sie das Telefonat, legte das Mobilteil auf den Wohnzimmertisch und taxierte mich eine lange Zeit extrem seltsam.
Ich breitete einladend meine Arme aus und lächelte sie zweideutig an, damit sie zu mir zurückkam, aber sie blieb dickköpfig am Rand des Tisches stehen, außerhalb meiner Reichweite. Ihr stechender Blick machte mich unwillkürlich nervös. Was ist denn nun schon wieder los? fragte ich mich entnervt.
Irgendwas stimmte nicht. Liz war offenbar auf einmal nicht mehr in der Stimmung für Zärtlichkeiten. Innerlich stöhnte ich ärgerlich auf, ließ meine Arme deprimiert sinken und war mir ganz und gar nicht sicher, ob ich das jetzt einfach so hinnehmen konnte. Das angespannte Schweigen dauerte viel zu lange.
„Komm doch her, bitte", flüsterte ich schließlich drängend. Sie glotzte mich nur an und rührte sich nicht. Mir kam ernsthaft der Gedanke aufzuspringen und sie mit Gewalt zu holen. Vielleicht wollte sie das ja, womöglich stand sie neuerdings auf Gewalttätigkeiten. Sie konnte mich doch unmöglich auf diese Art behandeln, konnte mich nicht aufgeilen, nur um mich danach abzuweisen. Hatte sie mich überhaupt aufgegeilt? Oder hatte ich mich an ihr aufgegeilt? Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, was überhaupt passiert war, und das verwirrte mich.
„Was willst du jetzt tun, Clay?" fragte Eliza mich seltsam drohend und betrachtete mich eingehend. Die Frage gefiel mir nicht. Ihr Tonfall provozierte mich. Die ganze Situation war Scheiße.
Plötzlich wurde mir vage klar, dass vorhin irgendetwas falsch gelaufen war, ich wusste nur nicht genau, was das gewesen war. „Ich möchte mit dir schlafen, Eliza", eröffnete ich ihr zögernd, weil das schlicht die Wahrheit war. Nervös setzte ich mich gerade hin, zog mein Hemd herunter und wartete angespannt auf ihre Reaktion.
Auf ihrem hübschen Gesicht erschien ein spöttisches Grinsen. „Und wenn ich damit nicht einverstanden bin, Clay, was machst du dann? Holst du dir dann nochmal mit Gewalt, was du willst?" trieb die mir völlig unbekannte Frau mich mit hämisch funkelnden Augen in die Enge.
Ich war höchst verwirrt und wusste keine Antwort. Wovon um alles in der Welt sprach sie denn da überhaupt? Was sollte das alles bedeuten? Es war doch vorhin so geil gewesen zwischen uns, und jetzt tat sie auf einmal so, als hätte ich sie dazu gezwungen? Naja, vielleicht ein bisschen, musste ich insgeheim zugeben, aber dann hatte sie doch bereitwillig mitgemacht. Sie war sogar total angetörnt gewesen, dessen war ich mir völlig sicher. Laser war doch pausenlos scharf auf mich, und das war sie eindeutig auch vorhin gewesen, dazu kannte ich sie viel zu gut. Was wollte sie also jetzt von mir hören?
„Antworte mir, Clay!" verlangte Eliza ungeduldig. Ihre Stimme hatte einen schrillen Unterton, der mir in den Ohren wehtat. Stöhnend schüttelte ich den Kopf. „Nein, Eliza, ich werde keine Gewalt anwenden. So etwas tue ich nicht. Aber ich wäre ganz schön enttäuscht von dir", sagte ich seufzend. Sie lachte hysterisch auf, und ich schaute sie gekränkt an, weil ich wusste, dass sie mich total auslachte. Die Frau holte tief Luft. „Ich fasse es nicht, Clay! Du merkst es ja noch nicht mal, was du anderen antust!" warf sie mir spöttisch vor, was mich vollends vor den Kopf stieß.
Ich konnte förmlich körperlich spüren, wie meine Felle davon schwammen, wie die Möglichkeit auf geilen Sex mit Eliza sich in Luft auflöste, und das fühlte sich extrem beschissen an. Es tat in meiner Seele und zwischen meinen Beinen unangenehm weh, denn ich fühlte mich aufgestaut und bereit, und das konnte ich nicht so einfach wieder abschalten.
„Fuck, Eliza! Was soll das denn jetzt?!" entfuhr es mir verärgert. Spontan sprang ich vom Sofa auf. Ihre Augen weiteten sich erschrocken, mega ängstlich, während sie drei Schritte rückwärts machte. Sie fixierte mich, als wäre ich gefährlich, und das war unerträglich für mich. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was überhaupt los war, oder was ich jetzt tun sollte.
Einen Moment stand ich verwirrt dort und guckte sie entsetzt an. Sie erwiderte meinen Blick alarmiert, dann wanderten ihre Augen zielstrebig an mir hinab zu meinem Schwanz und mir wurde klar, dass meine Jeans immer noch offen stand, und dass ich immer noch einen Ständer hatte.
Beschämt und erschlagen sank ich zurück auf die Couch, schloss die Augen und legte mir schützend die Hände über das Gesicht. Mein Mädchen hatte Angst vor mir?! Verdammt nochmal, warum denn bloß? Wie konnte es nur dazu kommen?
Viel zu lange war es totenstill, während ich tief ein und aus atmete, um mich zu beruhigen.
„Du hast das wirklich gemacht, nicht wahr, Clay?" fragte Eliza mich plötzlich ganz leise. Ich öffnete die Augen und blickte traurig zu ihr hin. Sie beobachtete mich interessiert. „Was meinst du denn?" erwiderte ich müde, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass ich dieses Gespräch nicht führen wollte. „Du hast diese Frau aus dem Theater wirklich angegriffen. Mag sein, vielleicht wolltest du sie nicht direkt gezielt vergewaltigen. Aber du hast sie tatsächlich zum Sex gezwungen, nicht wahr?"
Elizas Stimme war ausdruckslos, während sie diese Erkenntnis laut aussprach, aber ich wusste genau, dass dabei auch in ihr irgendwas kaputt ging.
Meine arme Süße hatte leider recht, und ich konnte dieser Tatsache nichts entgegensetzen. Unwillkürlich tauchte das kleine Junkiemädchen in meinem Kopf auf, wie sie panisch vor mir weggelaufen war, und wie ich sie gewaltsam von hinten angegriffen und zu Boden geworfen hatte. Fuck, das hatte mich wahrhaftig total angemacht!
Im nächsten Moment sah ich die junge Kimberly vor meinem inneren Auge ganz deutlich. Sie war weit nach vorne gebeugt und stand sehr dicht vor mir, während sie sich mit den Händen irgendwo abstützte. Ich erinnerte mich genau, wie heftig, hart und mega geil ich sie gerammelt hatte, ebenfalls von hinten, und dieses erotische Bild war echt intensiv und total antörnend. Es fuhr mir unwillkürlich auf direktem Wege in den Schwanz.
Sofort sehnte ich mich ganz erbärmlich nach Sex, und ich konnte es nicht ertragen, dass Eliza mich jetzt plötzlich nicht mehr wollte, und wie umfassend enttäuscht sie mich die ganze Zeit beobachtete. „Nein, so war das gar nicht...", versuchte ich eine lahme Rechtfertigung, aber Eliza hob den Arm und schüttelte abwehrend den Kopf. Es war egal, was ich noch sagen würde, denn sie hätte mir sowieso nicht mehr geglaubt. Ihre Meinung über mich war gefasst, auch wenn mir nicht klar war, warum sie auf einmal so dermaßen mies ausfiel.
„Weißt du, wer das war?" wechselte Liz plötzlich abrupt das Thema, deutete auf das Telefon und kam einen Schritt auf mich zu. Ich guckte sie verwirrt an, und mein Herz fing automatisch an zu hämmern, als hätte es eine böse Vorahnung. „Nein", behauptete ich frustriert. Sie grinste überheblich. „Das war dein bester Freund Sean Valmont", eröffnete sie mir überdeutlich.
Die Aussprache seines Namens löste irgendwas in mir aus, einen Hauch von Panik vielleicht, weil ich registrierte, dass wütender Valmont bereits nach mir auf der Suche war. Eliza legte in den Klang dieses bedeutungsvollen Namens ihren ganzen Hohn. Ich zwang mich aufgewühlt und aufgegeilt, mir nichts anmerken zu lassen, und hustete. „Was wollte er denn von dir?" erkundigte ich mich betont gleichgültig.
Frau Laser kam sehr langsam um den Tisch herum und ließ sich dicht neben mir auf das Sofa sinken. Sie studierte mich eingehend. Offenbar hatte sie schon jetzt keinerlei Angst mehr vor mir, wie ich ziemlich spöttisch bemerkte.
„Herr Valmont wartet sehnsüchtig im Theater auf dich", informierte sie mich grinsend, „Ich soll dich auf dem schnellstem Weg dort hinschicken." Ihre Augen durchbohrten mich förmlich auf der Suche nach meiner Reaktion.
Ich dachte automatisch, blitzartig, intensiv an Sean. Ich erinnerte mich an diesen Sonntag Morgen, als er mir seine neue Performance präsentiert hatte. Ich entsann mich, dass ich für ihn recht gut auf den Händen gelaufen war, weil irgendwer das idiotischerweise von mir verlangt hatte. Ich konnte mich genau an den ständigen Spott seiner Mitbewohner erinnern. Und ich konnte mich gut an Seans Gemeinheiten erinnern, wie er genüsslich mit meinem Elend gespielt hatte, obwohl ich die ganze Zeit nur seine Hilfe wollte.
Am allerbesten erinnerte ich mich jedoch an Sean Valmonts Hand auf meinem Bauch, obwohl diese Begebenheit, entgegen all den anderen Unfreundlichkeiten, bestimmt schon Ewigkeiten her sein musste. Aber das deutliche Bild, die fast plastische Erinnerung an das Gefühl seiner Hand auf meinem Bauch war viel stärker, sehr viel deutlicher in meinem Gehirn abgespeichert, als all die anderen vagen Erinnerungen, und es drängte sich mir förmlich mit aller Macht auf.
Nervös warf ich einen Blick auf die Uhr an Elizas Satelliten-Receiver. Sean wartete sehnsüchtig im Theater auf mich? Das konnte gar nicht sein, denn das Theater war um diese Zeit geschlossen, die Probe war längst vorbei und bestimmt auch dieses Interview. Wollte Valmont mich vielleicht in eine Falle locken? Was sollte das alles, warum rief er überhaupt deswegen ausgerechnet Liz an?
Verwirrt hustete ich erneut. Mein Herz schlug plötzlich viel zu schnell. Mein Schwanz fühlte sich entsetzlich prall an. Hilflos drehte ich mich von Eliza weg, denn ihre offen belustigte und zweifellos überlegende Art machte mich jetzt unglaublich klein. Wieder einmal bekam ich das umfassende, mir leider nur allzu vertraute, sehr unangenehme Gefühl, ihr nicht gewachsen zu sein.
„Hast du ihm gesagt, dass ich hier bin?" fragte ich sie endlich beunruhigt und musste dem plötzlichen Drang widerstehen, aufzuspringen und das Weite zu suchen. Sie lachte amüsiert und behauptete: „Nein, das habe ich nicht getan." Ich schaute sie prüfend an und beschloss, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Sean wusste also erst mal nicht, wo ich war. Das war gut, oder?
Interessiert musterte Liz mich. „Wieso? Hast du etwa Angst vor ihm?" vermutete sie erstaunt. Es verblüffte mich, wie gut sie mich kannte, wie zielsicher sie mich durchschauen konnte, obwohl ich doch die ganze Zeit nervös versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. „Sean wird wütend auf mich sein", erwiderte ich spontan, bevor ich mich bremsen konnte. „Warum denn?" hakte Liz sofort neugierig nach.
Ich warf ihr einen gehetzten Blick zu. Mein Kopf dröhnte, und mir fiel nichts besseres ein, als ihr die Wahrheit zu sagen. Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich so schnell, dass mir davon ganz schwindelig wurde. Je länger ich an Valmont dachte, umso unwohler fühlte ich mich auf einmal.
„Sean hat diese neue Performance geschrieben und heute war die erste Probe, fürchte ich", sprudelte es völlig unüberlegt aus mir heraus. Die Brisanz dieser Tatsache, die ich anscheinend lange Zeit erfolgreich verdrängt hatte, beunruhigte mich immens.
Unbehaglich rutschte ich auf dem Sofa herum, zog meine Hosen ganz herauf und knöpfte mir die Jeans zu. Mein Penis erschlaffte sehr zögernd, obwohl ich das gar nicht wollte, weil ich noch immer erregt war, und das fühlte sich echt nicht gut an. Meine Sehnsucht nach geilen Zärtlichkeiten war ungebrochen, aber gleichzeitig stieg meine Panik wegen Valmont, und das machte mich total verrückt.
Eliza lachte laut los und schlug mich leicht gegen den Kopf. „Und du warst nicht dort?! Du hast die erste Probe geschwänzt?! Du böser Junge!" machte sie sich lustig. Ich schüttelte abwehrend den Kopf und suchte instinktiv in ihren Augen nach so was wie Verständnis. Urplötzlich fühlte ich mich dermaßen ausgeliefert, dass ich mich Schutz suchend an sie wandte, ohne vorher darüber nachzudenken. „Weißt du, Valmont hat mir diese verflucht umfangreiche und schwierige neue Rolle aufgebrummt. Das Universalgenie hat eine Fortsetzung von Psychotic Kühlschrank geschrieben, und ich muss wieder die Hauptrolle für ihn spielen in seiner chaotischen Performance!" entfuhr es mir verzweifelt.
In diesem Moment fühlte ich mich aus mehreren Gründen restlos überfordert. Zunächst einmal wusste ich nicht wohin mit meiner unbefriedigten Geilheit und der daraus resultierenden Wut und Enttäuschung. Das undurchsichtige, launenhafte und bedrohliche Verhalten von Eliza machte mir zu schaffen. Meine eigene, hervorbrechende Lust auf Gewalttätigkeiten, ihre Anklage deswegen und meine ungezügelten Aggressionen verstörten mich. Die vage Möglichkeit, dass Liz mich diesmal wahrhaftig verlassen hatte, war mehr, als ich ertragen konnte.
Gleichzeitig verwirrten mich meine diesbezüglichen Gefühle aber auch, denn von einer Frau einen Tritt in den Hintern zu bekommen war nun wirklich keine neue Erfahrung für mich. Es irritierte mich, dass Eliza Laser diese riesige Macht über mich hatte, mich so dermaßen mit ihrer Trennung verletzen zu können. Zusätzlich machte die reale Bedrohung durch Sean Valmonts Zorn und seine ständig riesengroßen Erwartungen an mich mir plötzlich eine Heidenangst.
Eliza spürte meine Furcht und betrachtete mich überrascht und nachdenklich. „Was soll das heißen, Clay? Willst du etwa nicht mehr mit Sean Theater spielen?" wollte sie erstaunt von mir wissen.
Ihre Stimme war nun zum Glück wieder viel sanfter, was mich unglaublich erleichterte. Schutz suchend lehnte ich mich intuitiv gegen sie und war schlicht entzückt, weil sie mich nicht wegschob oder vor mir zurückwich. Ich suchte spontan ihre Nähe mit meinem Körper, mit meiner Seele, und nach kurzer Zeit legte sie tatsächlich beschützend ihren Arm um mich, genau wie ich es vor Kurzem bei ihr gemacht hatte.
Eine Weile saßen wir so dicht beieinander, friedlich, vertraut, und ich genoss ihre starke Präsens und ihre Körperwärme. Ich versuchte verbissen, alle bösen Gedanken aus meinem verwirrten Hirn zu kriegen, aber das gelang mir nicht. Ich wollte nur noch ihre Nähe genießen, ihren fantastischen Körper, ich wollte unverändert geile Zärtlichkeiten von ihr. Aber mein Herz hämmerte viel zu hart, weil mir irgendwie klar war, dass sie das nicht mehr wollte. Ich hatte zu viel Angst vor ihrer ablehnenden Reaktion, wenn ich sie anfassen würde, deshalb behielt ich meine Hände vorsichtshalber bei mir.
Die Gedanken an Sean Valmont und das drohende Unheil machten mir zu schaffen. Die vage Vorstellung eines trostlosen Lebens ohne Eliza Laser erschien mir unerträglich. Ich holte tief Luft. „Valmonts Experimente im Theater sind immer so verflucht kompliziert und total verwirrend. Mit dem neuen Stück kann ich kaum was anfangen, Liz. Er schreibt Hauptrollen für mich, in denen ich mich nicht wiederfinden kann", brach meine Panik jäh aus mir heraus, ohne dass ich sie hätte aufhalten können.
Eliza wunderte sich sichtbar über meinen unerwarteten, viel zu emotionalen Ausbruch. Sie zögerte nur einen Moment, dann drückte sie mich spontan tröstend an sich. Sie war hauptsächlich gerührt von meiner Hilflosigkeit, und das amüsierte mich. Außerdem stieg unwillkürlich meine Hoffnung auf Sex mit ihr. Sie fühlte sich unverändert geil an, und ich wollte sie so gerne noch viel mehr spüren, mahnte mich jedoch zur Geduld. Also ließ ich meine Hände auf meinen Oberschenkeln liegen. Genervt spürte ich, dass dieses ganze Hin und Her mit der Frau mir ganz schön an die Substanz ging.
„Was ist das für eine neue Performance?" erkundigte sie sich neugierig. Mein Kopf war gegen ihre Schulter gelehnt, und ich schaute sehnsüchtig hinunter auf ihren wunderbaren Busen, der sich deutlich unter dem engen T-Shirt abzeichnete. „Das Stück heißt Supernova Soul und ist eine Fortsetzung der Kühlschrank-Geschichte", antwortete ich ihr knapp. „Na, das wurde aber auch mal Zeit! Ich wollte schon längst wissen, wie es weitergeht!" meinte Eliza erfreut, die Psychotic Kühlschrank schon so oft gesehen hatte, dass sie den Text Wort für Wort mitsprechen konnte.
„Wie geht es weiter mit dem armen Kühlschrank?" wollte sie spürbar begierig wissen. Ich lächelte und schüttelte den Kopf. „Du weißt doch, dass ich dir das nicht verraten darf. Die Story ist bis zur Premiere streng geheim", schmunzelte ich über ihr enttäuschtes Gesicht. „Ach, komm, Clay! Mir kannst du es doch verraten! Ich erzähle es auch nicht weiter!" quengelte sie wie ein kleines Kind, lachte aber dabei, weil sie wusste, dass ich mein Schweigegelübge auch für sie nicht brechen würde. Sean würde nämlich komplett ausklinken, wenn über den Inhalt seiner neuen Performance schon vor der Premiere zu viel bekannt werden würde.
Plötzlich fragte ich mich, wie viel er wohl dem Reporter von ArtHouse vom neuen Stück erzählt hatte. Aber die Erinnerung an dieses von mir verpasste, wichtige Interview schürte mein schlechtes Gewissen, deshalb schob ich den Gedanken schnell beiseite.
„Was wird denn diesmal von dir als Hauptdarsteller verlangt?" wollte Eliza nun vorsichtig wissen und schaute mich mitfühlend an. Ihre Augen waren freundlich, interessiert, sogar irgendwie liebevoll, und ich verlor mich einen Moment lang in ihrer dunklen Tiefe. Sie hasst mich nicht, registrierte ich selig, sie könnte mich niemals hassen, und sie ist in Wahrheit immer noch scharf auf mich.
Behaglich kuschelte ich mich noch enger an mein Mädchen und kramte in meinem Gedächtnis nach Details aus Supernova Soul. Dieses neue Textbuch hatte ich erst einmal gelesen. Am Sonntag in Seans Haus, als er mich wiederholt vor den Kopf gestoßen hatte, indem er meine sexuellen Avancen ablehnte. Später hatten wir dann doch noch ein bisschen rumgemacht, nachdem er mich frisch verbunden hatte. An Valmonts kundige Zunge auf den Nähten meiner Schnittwunde am Bein und auf der Spitze meines Schwanzes konnte ich mich merkwürdigerweise viel besser erinnern, als an den Inhalt der scheiß Performance.
Die Bilder erregten mich, und ich schob sie hastig beiseite. Die ausgedruckten Seiten liegen immer noch unbeachtet irgendwo im MG, aber ich weiß gar nicht genau wo, fiel mir siedend heiß ein. „In Supernova Soul geht es ziemlich wild zu. Der Kühlschrank durchlebt noch mehr heftige Emotionen, die ich allesamt tänzerisch oder akrobatisch darstellen soll. Das wird total anstrengend. Außerdem gibt es diese ganzen Spezialeffekte, wo eine einzige unachtsame Sekunde alles versaut, und die mag ich nicht so besonders", erzählte ich Eliza schließlich seufzend und hoffte, damit nicht zu viel verraten zu haben.
Die Frau schaute mich verwundert, mitfühlend an, dann streichelte ihre linke Hand auf einmal tröstend über meinen verletzten Arm. Die Finger ihrer rechten Hand tasteten sich sanft, gedankenverloren über meinen verletzten Oberschenkel. Eliza dachte über meine Worte nach und es schien, als würde sie ihre behutsame Zärtlichkeit mir gegenüber selbst kaum bemerken. Aber ich registrierte ihre Berührung dafür umso deutlicher, und sie fühlte sich mega gut an.
Eine Weile war es ganz still, während mein Herz schneller schlug und ich gierig in mich aufsaugte, was sie mir gedankenversunken gab.
„Dann sag ihm das doch einfach mal", schlug die Frau schließlich sanft vor und küsste meinen Kopf. Ihre Hände strichen unverändert sacht über meinen Körper. Erschrocken zuckte ich zusammen. „Was meinst du damit, Liz? Was soll ich ihm sagen?" Sie lächelte und berührte mit ihren Lippen kurz meine Wange. Sie war jetzt offenkundig sehr anhänglich, und das gefiel mir ungemein, verwirrte mich aber auch, weil ihre Stimmungen so schnell wechselten.
„Sage Sean doch einfach, was dir an der neuen Performance nicht gefällt. Sag ihm, dass du nicht so viel tanzen und turnen willst, und das dir die Effekte zu schwierig sind", zählte sie auf und schaute mich aufmunternd an. „Nein, das kann ich ihm auf keinen Fall sagen!" widersprach ich ihr heftig. Voller Panik starrte ich sie an. „Sean darf das auf gar keinen Fall erfahren, Liz! Bitte sag ihm nichts davon, niemals, versprich mir das!"
Verwirrt und alarmiert drängte ich mich gegen sie. Plötzlich konnte ich mich kaum noch bremsen und biss mir panisch auf die Lippen. Wenn wir jetzt Sex haben, hoffte ich wirr, dann kann ich diesen ganzen blöden Scheiß bestimmt sofort vergessen. Unwillkürlich fantasierte ich davon sie anzufassen. In Gedanken näherte meine Hand sich ihrem T-Shirt. Das Gefühl ihres großen, weichen Busens würde mich ungemein beruhigen, dachte ich voller Sehnsucht.
Die Frau fühlte sich so dicht neben mir sehr gut an, sie war warm und roch vertraut. Ich schloss überfordert die Augen und konzentrierte mich ganz auf ihre Nähe, ihren verlockenden Körper. Sie rückt nicht weg, erfasste ich insgeheim erleichtert, vielleicht lässt sie es jetzt bald zu und verleugnet ihre eigenen Begierden nicht länger.
„Warum darf Sean nichts davon wissen, Clay?" erkundigte Liz sich neugierig. Aber ich war gerade zu beschäftigt mit meinen Fantasien, um ihr antworten zu können. „Du solltest dringend mit ihm darüber reden, hörst du?!" forderte sie mich ernsthaft auf. Ihre Hände hörten mit dem Streicheln auf, blieben aber ruhig auf mir liegen. „Du und Sean, ihr seid doch schließlich ein Team. Du hast ja wohl Mitspracherecht dabei, was ihr gemeinsam auf die Bühne bringt, und was dir nicht zusagt", stellte Eliza sich die Sache ziemlich einfach vor.
Nur mühsam wandte ich mich ihr zu, guckte ihr zögernd in die Augen und sah eindeutig Verlangen darin. „Das würde er nicht ertragen!" seufzte ich atemlos. „Bitte sage ihm nichts davon! Niemals!" bat ich sie nochmals eindringlich.
Hör jetzt auf, dachte ich flehentlich, bitte sei still und fasse mich an! Verbittert versuchte ich mich zu erinnern, ob es mit Eliza jemals so verkrampft gewesen war, ob ich mich in ihrer Gegenwart jemals so verunsichert gefühlt hatte. Ich kam zu dem Schluss, dass diese Situation eine ätzende Premiere war. Ich war verwirrt, weil mir gar nicht mehr klar war, welches Insekt inzwischen in ihr lauerte. War sie mein zarter Schmetterling, oder wartete die Hornisse heimlich die ganze Zeit nur darauf, abermals zuzustechen?
Sie grinste verschwörerisch. „Okay, ich sag es ihm nicht", versprach sie mir lächelnd. Natürlich gefiel es ihr sehr, dass sie jetzt mit mir zusammen vor Valmont ein Geheimnis hatte. Dass sie nun etwas wusste, wovon Valmont auf keinen Fall eine Ahnung bekommen durfte. Plötzlich war ich mir sicher, dass ich gerade einen großen Fehler gemacht hatte, ihr meine konfusen Bedenken mitzuteilen. Irgendwann wird sie es gegen mich einsetzen, befürchtete ich frustriert.
Aber dieser dumme Triumph macht sie vielleicht empfänglicher für meine Zärtlichkeiten, hoffte ich dann und ließ es gut sein. Ich wollte nun endgültig nicht mehr an Sean denken, wollte an gar nichts mehr denken und nicht mehr reden. Ich beugte mich zu ihr hoch und schaute ihr tief, begierig in die Augen. Dreh dich jetzt nicht weg, betete ich innerlich verzweifelt, bitte schubse mich nicht nochmal weg, um Himmels Willen.
Aber Eliza Laser drehte sich diesmal tatsächlich nicht von mir weg. Sie schob mich auch nicht schon wieder empört von sich. Mein Mädchen erwiderte meinen Blick zögernd, aber einnehmend liebevoll.
„Was ist los, Clay?" fragte sie nach einiger Zeit amüsiert. „Liz... ich...", fing ich konfus an und brach ab, um meine Gedanken zu ordnen. Mach keinen Fehler, schrie etwas warnend in meinem Kopf, sonst verwandelt sie sich womöglich wieder in die Furie. Eliza beobachtete mich merkbar belustigt, was mich irgendwie kränkte. Ich kam mir ziemlich lächerlich vor, als ich schließlich mit klopfendem Herzen stotterte: „ Weißt du... Liz...ich... würde gerne..."
Mein Kopf war ein vollgestopftes Vakuum. Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief ein. Irritiert wurde mir klar, dass ich sie dabei nicht anschauen konnte, und das gefiel mir überhaupt nicht, denn es passierte zum ersten Mal. Seufzend sank ich zurück auf das Sofa, hielt aber Körperkontakt, indem ich mich abermals dicht an sie lehnte. Sie rückte nicht weg, ihre Hände lagen immer noch bewegungslos auf mir.
„Darf ich dich küssen, Eliza Laser?" flüsterte ich und schloss ergeben die Augen. Nun lag es bei ihr, alles lag immer bei ihr. Mir fiel ein, dass ich Liz diese Frage erst ein einziges Mal gestellt hatte. Als wir vielleicht gerade mal drei Monate oder so zusammen waren, uns zwar schon spielerisch, harmlos angefasst, aber noch nie geküsst hatten. Damals war sie entzückend rot geworden und ihre wunderschönen Augen hatten schüchtern erfreut, aufgeregt aufgeleuchtet, bevor sie mir erlaubt hatte, sie zu küssen.
Wie sie diesmal reagierte, als ich ihr diese Frage zum zweiten Mal stellte, konnte ich nicht sehen. Ich saß neben ihr auf ihrem Sofa und wartete angespannt auf ihre Reaktion. Es irritierte und frustrierte mich ungemein, dass ich keine Ahnung hatte, was jetzt passieren würde.
Eliza atmete tief ein und dann seufzend wieder aus. „Das ist keine gute Idee, Clay", sagte sie leise, und sie hörte sich enorm bedauernd an, was ich echt nicht kapierte. „Warum nicht?" wollte ich drängend von ihr wissen. Sie seufzte nochmal hörbar. „Weil wir nicht mehr zusammen sind. Ich möchte nicht mehr von dir geküsst werden", erklärte mein Mädchen mir sanft, und schon wieder log sie mich an, dessen war ich mir total sicher. Gleichzeitig klangen ihre Worte aber so erschreckend endgültig, dass sich unwillkürlich alles in mir zusammenzog.
Deprimiert blies ich die Luft aus, und Eliza lachte leise. Sie war amüsiert, und das ärgerte mich. Ich kam mir vor wie ein totaler Vollidiot, war geil auf sie und sie ließ mich nicht an sich heran, obwohl sie es eigentlich auch wollte, und das konnte ich kaum ertragen.
„Ist schon gut, Clay. Komm her", wisperte Eliza und drückte mich an sich. Die Frau küsste mich nochmal kurz auf die Stirn, dann auf den Kopf, ihre Hände fingen zögernd an zu streicheln. Ihre Finger fuhren sanft an meinem Arm und meinem Bein entlang, dann an meinem Oberkörper, und ich versuchte, mich ganz auf diese Berührung zu konzentrieren. Mit geschlossenen Augen saß ich starr neben ihr und ließ sie alles tun, was sie wollte. Sie behandelte mich freundlich, aber zurückhaltend, als wollte sie mich mit ihrem zarten Streicheln trösten und sich bei mir für ihre dumme, gelogene Abfuhr entschuldigen.
Nach kurzer Zeit seufzte ich unwillkürlich auf, traurig, enttäuscht, aber auch behaglich, und ich bildete mir ein, dass jetzt alles in Ordnung war. Ich war gar nicht hier auf dieser Couch. In Wirklichkeit war ich ganz woanders. Ich befand mich in einer Welt, in der niemand wütend auf mich war. Niemand verprügelte mich, schnitt mit Messern oder Kabelbindern in meine Haut oder schnürte mir mit Seilen die Kehle zu. Niemand zeigte total peinliche Nahaufnahmen oder Videos von meinen Genitalien herum und niemand lachte mich spöttisch aus. Kein Mensch fragte mich nach irgendwas aus meiner Vergangenheit oder nach meiner Familie.
Die vollkommene Sicherheit umschmeichelte mich. Mein kleiner Schmetterling war ganz nah bei mir. Er flatterte fröhlich um mich herum und berührte mich sachte, liebevoll, zärtlich mit seinen wunderschönen, hauchzarten und enorm empfindlichen Flügeln. Nicht um alles in der Welt wollte ich ihn verletzen, deshalb durfte ich mich auf gar keinen Fall bewegen, nicht einen Zentimeter. Alles war gut. Alles würde für immer gut sein.
Eliza
Auf dem Sofa mit Clay. Ich hatte den linken Arm um seine Schultern gelegt, als wollte ich ihn beschützen, und er schien fast darunter zu verschwinden. Er drängte sich gegen mich, kuschelte sich so verzweifelt an meinen Körper, als würde sein Leben davon abhängen. Sein Kopf lag über meiner Brust, die Augen hatte er geschlossen. Er bewegte sich überhaupt nicht, atmete aber so schwer, dass seine Anspannung spürbar war. Seine rechte Hand lag schlaff auf meinem Oberschenkel, die linke reglos auf der Couch, als würden beide ihm gar nicht gehören. Er war vollständig in sich versunken.
Dennoch spürte ich überdeutlich die aufgeladene Hitze, die von seinem attraktiven Körper ausging, die unbändige sexuelle Energie, die er ausstrahlte, obwohl er absolut passiv war. Seine Erregung war nicht nur durch die eindeutige Beule in seiner engen Jeans unübersehbar. Offenbar schaffte er es nicht, sein stark aufgelodertes Begehren nach Sex nach unserer kurzen, innigen Knutscherei und meiner darauf folgenden plötzlichen Abfuhr wieder herunterzukurbeln.
Nun saß er dicht neben mir, äußerlich reglos, und versuchte auf seine Art damit klarzukommen. Clay hatte sich komplett aus der Realität gebeamt, und darin war er wirklich gut. Es war seine so typische Reaktion auf jegliche Überforderung, sein bevorzugter Ausweg aus für ihn unlösbar erscheinenden Problemen. Irgendwie tat er mir leid.
Gedankenverloren streichelte ich mit meiner linken Hand über seinen Oberarm. Er hatte sein Jackett ausgezogen und saß nun in Hemd und Weste an mich gelehnt. Unter der dünnen, feinen Seide seines Hemdes konnte ich die lange Naht seiner Schnittwunde fühlen. Während meine Finger zart darüber strichen fragte ich mich, warum er wohl den Verband abgewickelt hatte und ärgerte mich, dass er so leichtsinnig war. Mit meiner rechten Hand streichelte ich sanft über seinen Brustkorb, der sich mit seinen tiefen Atemzügen hob und senkte. Unter seinen Rippen schlug sein Herz spürbar zu hart und schnell.
Aus irgendeinem Grund hatte ich das dringende Bedürfnis ihn anzufassen. Ich wollte ihn mit meiner Berührung trösten, ihn besänftigen und mich entschuldigen, denn mir war klar, dass er meine vielen emotionalen Tiefschläge nur schwer verkraftet hatte. Zweifellos hatte ich ihm wiederholt ganz schön zugesetzt, seit er unerwartet vor meiner Tür aufgetaucht war. Ich hatte ihn böse beschimpft und geschlagen, und deshalb tobte jetzt mein schlechtes Gewissen in mir. Ich bedauerte das Geschehene unendlich.
Es erschreckte mich, dass ich so dermaßen die Kontrolle über mich verloren hatte, dass ich zu diesen brutalen und total unüberlegten Gefühlsausbrüchen überhaupt fähig war. Mir wurde immer klarer, dass ich in der Tiefe meines Herzens eigentlich nichts davon gewollt hatte. Ich liebte diesen Mann, trotz allem. Ich hatte ihm viel zu verdanken und ich wollte ihm bestimmt nichts Böses tun, denn das hatte er einfach nicht verdient.
Aber leider war es passiert, ich hatte mich gehen lassen und war ziemlich ausgeklinkt. Zum ersten Mal in unserer Beziehung war es richtig hässlich zwischen Clay und mir geworden. Wir hatten uns gegenseitig heftig wehgetan. Mit meinem emotionalen, sprunghaften Verhalten hatte ich ihn unendlich provoziert, und das konnte ich nicht mehr ungeschehen machen.
Nun wollte ich Clay wenigstens durch meine harmlosen Zärtlichkeiten zeigen, dass ich ihn trotz meiner vielen bösen Worte und meiner Trennung von ihm nicht hasste, ganz im Gegenteil. Inzwischen war ich nicht mal mehr wütend auf ihn. Stattdessen fühlte ich nur noch eine tiefe Traurigkeit und Schuld, weil der Mann jetzt komplett besiegt aussah. Abgesehen von seiner spürbaren sexuellen Anspannung schien sämtliches Leben aus seinem attraktiven, starken Körper gewichen zu sein. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich sogar vermuten können, dass Clay Banton in meinem Arm eingeschlafen war.
Ich bemühte mich, nicht ständig auf seinen Schwanz zu schauen und guckte stattdessen in sein schönes Gesicht. Seine angespannten Züge verrieten mir seinen inneren Aufruhr. Seine fest geschlossenen Augenlider zuckten nervös, als würde er träumen. Sein Atem ging tief.
Woran dachte er so intensiv? Was ging nur in seinem Kopf vor? Ich betrachtete die Verletzungen in seinem Gesicht, während ich sie sanft berührte, das blaue Auge, die bunten Blutergüsse, den eingerissenen Mundwinkel und seine aufgeplatzten Lippen, und ich war unendlich traurig.
Unsere Begegnung heute war unabsichtlich und entsetzlich aus dem Ruder gelaufen, sodass ich vage befürchtete, diesmal womöglich zu weit gegangen zu sein. Hatte ich ihn mit meinen ständigen, bösartigen Anschuldigungen, den harten Schlägen und leidenschaftlichen Küssen vielleicht zu sehr provoziert? Hatte ich mich eventuell zu widersprüchlich verhalten, sodass er mich letztendlich nur missverstehen konnte?
Oder wie sonst war es zu erklären, dass dieser sensible, vertraute Mann, den ich bisher nur überaus liebevoll kannte, mich plötzlich tätlich angegriffen hatte und mit unbändiger Gewalt zum Sex zwingen wollte? Er hatte das getan, obwohl er eindeutig nicht auf Entzug war, was seinen Kontrollverlust noch irgendwie erklärt hätte. Noch niemals hatte ich Clay so außer sich erlebt, so rücksichtslos, gewalttätig und komplett zügellos.
Herr Banton hatte mich tatsächlich brutal aufs Sofa gedrückt, mich nahezu mühelos festgehalten und gegen meinen Willen geküsst und angefasst. Nicht den Hauch einer Chance hatte ich gegen seine Willkür und körperliche Kraft gehabt. Zwangsläufig hatte ich mich ihm nach einigen Schreckminuten erfolgloser Gegenwehr ergeben und mitgemacht.
Im Nachhinein war ich allerdings heilfroh, dass das Klingeln des Telefons ihn dazu veranlasst hatte, mich doch noch freizugeben, bevor er sein Ziel erreichen konnte. Es war keine Entschuldigung für ihn, dass mich sein Überfall und seine spürbare Geilheit im Grunde ziemlich angetörnt hatten. Schließlich war dieser starke Mann, der mich so dringend begehrte, seit langer Zeit mein fester Freund gewesen, und ich liebte ihn trotz allem noch, tief drinnen.
Ganz anders sah die Sache allerdings aus, wenn er das Gleiche einer fremden Frau antat, die mit Sicherheit nicht von ihm angetörnt sein würde. Zu meinem Schrecken hatte er mir vorhin bewiesen, dass er zu dieser schlimmen Straftat durchaus fähig war. Für mich stand spätestens jetzt außer Frage, dass er bei diesem Mädchen aus dem Theater ebenfalls die Kontrolle über sich verloren und sie mit dem Ziel, Sex von ihr zu erzwingen, angegriffen hatte.
Als mir das klar wurde, war ich unendlich erschüttert und fragte ihn sofort danach. Clay Banton stritt seine Schuld nicht ab, und das fühlte sich an, als würde ich innerlich zerbrechen. Die Erkenntnis, dass dieser liebe Mann, den ich doch so gut zu kennen glaubte, offenbar diese unbändige, zügellose Wut in sich trug, so einen heftigen Zorn auf Frauen, der ihn zu solch üblen Taten verleitete, hatte mir ganz schön wehgetan, weil ich keine Ahnung hatte, wo seine Wut überhaupt herkam oder wie ich sie ihm wegnehmen konnte. Konnte ich das überhaupt, oder brauchte er nicht stattdessen ganz dringend professionelle Hilfe?
Nein, ich konnte ihm nicht helfen, dazu war ich nicht im mindestens qualifiziert oder stark genug. Hatte die Frau aus dem Theater ihn vielleicht auch auf irgendeine Art provoziert? Aber selbst wenn, das konnte doch keine Entschuldigung sein, höchstens eine vage Erklärung.
Es war auf keinen Fall meine Schuld gewesen, dass Clay so zornig, entfesselt und triebhaft über mich hergefallen war, es konnte gar nicht meine Schuld sein. Aber andererseits hatte ich ihm nun mal auch ganz schön zugesetzt. Ich hatte ihn leidenschaftlich geküsst und angefasst, nur um mich im nächsten Moment plötzlich entsetzt und erschrocken von ihm loszureißen. Wie das wohl auf ihn gewirkt hatte? Er war so erstaunlich leicht erregbar von mir, und natürlich hatte er sich sofort gierig auf meine Zärtlichkeiten gestürzt. Und dann hatte ich ihn mittendrin abrupt weg geschubst.
Zweifellos war mein Verhalten missverständlich gewesen. Es war also kein Wunder, dass der Mann vollends verwirrt und deshalb verärgert gewesen war, oder? Aber trotz allem hatte er auf gar keinen Fall das Recht dazu, mich oder irgendwen zu irgendwas zwingen zu wollen!
Während meine traurigen Gedanken haltlos in meinem Kopf herumwirbelten, bewegte ich meine Finger pausenlos sachte über sein Gesicht, seinen Hals und seine Kleidung. Er fühlte sich so unglaublich gut an, musste ich zugeben, sein Körper war sehr warm, schlank und erregend muskulös. Ich streichelte über seinen hübschen Kopf, durch die kurzen Haare und fühlte die Beulen von den harten Schlägen. Clay hat eine Gehirnerschütterung, er sollte sich viel mehr schonen, dachte ich besorgt und ärgerte mich noch einmal über seine ständige Unachtsamkeit.
Meine Finger fuhren wie von alleine an ihm entlang, sie machten sich mit der Zeit selbstständig. Dabei schaute ich ihn genau an, mir wurde innerlich ganz warm, und meine Gedanken wurden automatisch leiser. Sacht liebkoste ich sein schönes Gesicht. Er hat sich heute morgen nicht gut rasiert, dachte ich, denn an seinem Kinn konnte ich vereinzelte Stoppeln ertasten. Zärtlich streichelte ich seinen Hals, den hässlichen dunkelroten Striemen, der mich traurig machte, zeichnete dann seine Rippen und die Muskeln nach, die unter seinem Hemd gut fühlbar waren.
Sein kräftiger Herzschlag beschleunigte sich unter meinen Fingern. Clay und ich waren uns unglaublich nahe, wir klebten förmlich aneinander, denn er kuschelte sich unverändert stark an mich. Mit der Zeit konnte ich nicht mehr verhindern, seine unmittelbare Nähe stärker zu registrieren und gleichzeitig immer deutlicher zu genießen.
Nein, eigentlich habe ich ihn gar nicht so falsch behandelt, versuchte ich meine tobenden Schuldgefühle zu beruhigen, ich war lediglich fast schmerzhaft ehrlich zu ihm. Ich habe mich doch nur bemüht, ihm nochmal in letzter Konsequenz klarzumachen, dass unsere Beziehung endgültig vorbei ist. Und meine vielleicht ein bisschen drastischen Maßnahmen waren scheinbar notwendig gewesen, denn irgendwie hatte Clay mich jetzt wohl auch endlich verstanden. Jedenfalls wirkte er in seiner angespannten Bewegungslosigkeit so, und ich hoffte es aus ganzem Herzen.
Es war echt schön, ihn liebevoll im Arm zu halten, so friedlich und vertraut, denn ich mochte ihn immer noch total gern. Ich würde diesen dummen Mann wohl mein ganzes Leben lang sehr mögen, und ich wollte auch in Zukunft eine gute Freundin für ihn sein, auch wenn wir jetzt definitiv kein Paar mehr waren. In ein paar Wochen oder Monaten konnte ich bestimmt nur noch freundschaftlich mit ihm umgehen, aber vorerst brauchte ich dringend etwas Abstand, damit meine immer noch viel zu heftigen Emotionen zur Ruhe kommen konnten.
Ich beschloss, dass es für einen Zeitraum, dessen Länge mir noch nicht ganz klar war, das letzte Mal sein sollte, dass ich Clay so nahe wie jetzt kommen wollte. Ich genoss es zweifellos, ihn im Arm zu halten, ihn zart zu berühren, seinen Duft zu atmen und seine Nähe und Wärme intensiv zu spüren, aber das durfte sich nicht so bald wiederholen. Je länger wir so eng beieinander auf der Couch saßen, um so erregender wurde die Situation nämlich zwangsläufig für mich, ohne dass ich meine körperliche Reaktion auf ihn hätte verhindern können.
Clay seufzte leise und bewegte seinen Kopf ein wenig zu meinem Hals hin, ohne die Augen zu öffnen. Mein Blick wanderte nochmal in sein Gesicht, dieses hübsche Gesicht mit den vollen Lippen, die jetzt leicht geöffnet waren. Er atmete schwerer, suchte verzweifelt meine Nähe, presste sich förmlich gegen mich, als wollte er am liebsten vollständig in mich hineinkriechen.
Herr Banton sah unverändert gut aus, dieses fein geschnittene Antlitz mit der geraden Nase, die trotz seiner viel zu häufigen Schlägereien zum Glück noch nie gebrochen worden war. Seine immer ein bisschen strubbeligen, dunkelblonden, kurzen Haare, seine geschwungenen Brauen, die faszinierenden Augen mit den langen, dichten Wimpern und nochmal seine wundervollen Lippen.
Der dreiste Typ hatte mich doch wahrhaftig gefragt, ob er mich küssen dürfte. Und zwar sehr kurz, nachdem er mich einfach gewaltsam heftigst geküsst hatte. Das konnte ich immer noch nicht fassen. Was war nur in ihn gefahren? Hatte er denn wirklich geglaubt, ich würde seinen unverschämten Angriff einfach so wegstecken und innerhalb von drei Minuten vergessen? Nie wieder wollte ich ihn auf diese intime Art küssen, denn wir waren jetzt schließlich kein Paar mehr.
Was ging nur in seinem Kopf vor? Viel zu oft konnte ich ihn schlicht nicht begreifen und leider wurde das scheinbar immer schlimmer. So viel Ratlosigkeit wie bei uns sollte es in einer erwachsenen Partnerschaft sowieso nicht geben, fand ich.
Seine unerwartete Frage hatte mich ziemlich überrascht und noch mehr gerührt. Wie konnte dieser Mann nur auf einmal so vorsichtig und rücksichtsvoll sein, mich um Erlaubnis für einen Kuss zu fragen, wo er doch kurz vorher noch total brutal zu mir gewesen war und mir damit zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, richtig Angst gemacht hatte. Gegen ihn hatte ich nämlich keine Chance, wenn er dermaßen über mich herfiel, denn er war einfach sehr viel stärker als ich.
Zuerst hatte ich mich noch nach besten Kräften gewehrt, aber schnell die Aussichtslosigkeit dessen begriffen. Also hatte ich ihn schließlich geküsst und ein bisschen angefasst. Es war höchst merkwürdig, wie schnell sein brutales Verhalten sich daraufhin gewandelt hatte. Sobald er gemerkt hatte, dass ich mich nicht länger gegen ihn wehrte, war er sofort betörend zärtlich und hingebungsvoll geworden.
Ganz eindeutig stimmte irgendetwas nicht in seinem Kopf! Und trotzdem: Ich liebte ihn immer noch, mit all seinen groben Fehlern, das spürte ich in jeder Faser meines Herzens. Fast unverändert stark fühlte ich mich zu diesem Mann hingezogen, das konnte ich nicht leugnen. Ich liebte ihn eindeutig noch viel mehr, als gut für mich war. Trotz all meiner Überlegungen fand ich es einfach wundervoll, ihn so nah bei mir zu spüren, so einnehmend anhänglich und vertrauensvoll.
Clay Banton wirkte rührend hilflos, er war seiner eigenen spürbaren Erregung und meiner Gunst total ausgeliefert. Mit Sicherheit tat sein gewalttätiger Angriff ihm mittlerweile total leid und er hatte deswegen ein ziemlich schlechtes Gewissen. Ja, das sollte er allerdings auch haben, dachte ich vorwurfsvoll.
Aber dann fiel mir ein, dass ich ja selbst auch mit meinen Schuldgefühlen kämpfte, weil mir ebenfalls vieles leid tat, was ich in der letzten Stunde getan hatte, und das versöhnte mich mit ihm. Clay und ich waren zum ersten Mal auf unsere jeweils eigene Weise wahrhaftig richtig bösartig miteinander umgegangen, und das erschreckte mich noch im Nachhinein. Ich schwor mir, unbedingt dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder zwischen uns passieren konnte. Mir war bewusst, dass es nur einen einzigen Weg gab, um in diesem wichtigen Punkt ganz sicher zu gehen: Wir durften uns vorläufig auf keinen Fall wiedersehen! Ich musste dringend großen Abstand zu Herrn Banton halten!
Aber jetzt, in diesem Augenblick, der zu meiner Irritation zunehmend absolut perfekt zu sein schien, beschloss ich aus tiefstem Herzen, dass der allzu mühsame Kampf und der aufreibende Streit endgültig vorbei sein sollten. In diesem Moment wollte ich nur noch lieb zu ihm sein. Mein unverändert zartes Streicheln sollte ihn für jedes viel zu gemeine Wort entschädigen, was ich ihm zweifellos an den Kopf geworfen hatte, und für jeden absolut unverzeihlichen Schlag von mir.
Unwillkürlich legte ich meinen Arm fester um seine breiten Schultern und drückte ihn liebevoll an mich. Clay ächzte leise und drehte seinen Kopf noch näher zu mir, bis er mit seiner Nase fast meinen Hals berührte. Er atmete so tief ein, als wollte er meinen Geruch gierig in sich aufsaugen. Seine Augen blieben unverändert geschlossen. Auch seine Hand bewegte sich nicht, die noch immer schlaff auf meinem Oberschenkel lag.
Auf einmal wünschte ich mir überraschend heftig, er würde auf der Stelle damit anfangen, mich mit seinen erfahrenen Händen zu streicheln. Ich schaute auf seine Hand und stellte mir vor, wie er langsam mit seinen Fingern zwischen meine Schenkel gleiten würde. Allein die Vorstellung steigerte meine Erregung fast absurd stark. Nervös presste ich die Beine zusammen und holte tief Luft. Mein Herz fing an, härter zu schlagen, ich wurde unwillkürlich feucht, und das fühlte sich aufregend an.
Gleichzeitig begannen aber auch sofort die altbekannten Stimmen in meinem Kopf mit ihrer ständigen und nicht grundlosen Warnpredigt: Du bist heute weit gekommen. Er hat es endlich begriffen. Du darfst jetzt nicht alles für ein bisschen Sex über Bord werfen, verdammt!
Aber meine aufwallenden Gefühle ließen sich einfach nicht stoppen. Der vertraute Mann war mit seinem Gesicht inzwischen so nah an meinem Hals, dass er nur noch seine Zunge ausstrecken musste, um meine zarte Haut abzulecken. Und ich wollte unbedingt, dass Clay Banton meinen Hals leckte. Zu genau erinnerte ich mich daran, wie verdammt gut sich das anfühlte. Er sollte meinen Hals küssen, und danach meine Lippen. Ich wollte dringend seine neckende Zunge an meiner spüren. Er sollte mich anfassen, mich überall berühren, jetzt sofort, denn dieser sensible Kerl konnte doch so überwältigend zärtlich zu mir sein...
Aber stopp, nein, ich hatte doch gerade erst beschlossen, ihn nie wieder derart nah an mich heranzulassen!
„Clay!" krächzte ich heiser, und es hörte sich an wie ein Hilfeschrei. Unruhig änderte ich meine Sitzposition, aber Clay rückte kein Stückchen von mir ab. Im Gegenteil, er klebte förmlich an mir und ließ zwischen uns keinerlei Abstand aufkommen. Seine Augen blieben unverändert geschlossen und seine Hände völlig reglos. „Du, Clay, warte mal... das ist zu nah...", bemängelte ich atemlos. Er rührte sich nicht, tat so, als hätte er mich nicht gehört. „Clay?" Misstrauisch betrachtete ich sein Gesicht. Er wirkte immer noch angespannt, aber ich hätte schwören können, dass in seinem Mundwinkel ein amüsiertes Lächeln zuckte. Machte er sich etwa heimlich über mich lustig? „Sag mal, hörst du mich nicht?" fragte ich ärgerlich, gab ihm einen Klaps auf die Schulter und nahm meine Hand von seiner Brust.
Einige Zeit war es still. Schließlich seufzte er laut. „Ich höre dich, Eliza", gab er kaum wahrnehmbar zu, drängte sich gegen mich und berührte mit seiner Nase sacht meinen Hals, was mich auf der Stelle elektrisierte. Ich spürte, wie er erschauderte, unruhig die Beine zusammendrückte und sich ein wenig zu mir drehte, als wollte er sich über mich legen.
Einen Moment lang war ich wie erstarrt und konnte es nicht erwarten, dass er endlich über mich kam und mich leidenschaftlich küsste. Gleichzeitig gingen aber in meinem Kopf sämtliche Sirenen an. „Warte mal, Clay!" entfuhr es mir alarmiert, „Ich muss dir was Wichtiges sagen!"
Ich kämpfte mit mir, wollte ihn eigentlich sofort loslassen und wegschieben, aber andererseits wollte ich nicht nochmal so drastisch reagieren und ihn erneut vor den Kopf stoßen. Er tat ja gar nichts Schlimmes, berührte mich nicht mal richtig, er war einfach nur verdammt nah bei mir, und ich konnte mich seiner riesigen sexuellen Anziehungskraft kaum noch entziehen.
„Ich muss dir was sagen, Clay! Wir müssen reden!" beharrte ich verzweifelt. Er stöhnte entsetzt auf und schüttelte kaum merklich den an meinem Hals liegenden Kopf. „Nein... bitte... ich kann nicht...", seufzte er abwehrend, knurrte leise, genervt, verharrte einen Moment und holte dann tief Luft. „...bitte... Liz... lass uns doch einfach mal... still sein... ja?"
Er war kaum zu verstehen, und doch ließen seine Worte mich aufhorchen, gingen tief in meine Seele. Vielleicht hatte er recht. Womöglich hatten wir schon längst genug geredet. Aber ich musste mich dringend von seinem faszinierenden, spürbar geilen Körper ablenken, von seiner unmittelbaren Nähe, die mich viel zu verlockend einzuladen schien.
In diesem Moment schob Clay seinen Kopf noch näher an meinen Hals, um mit seinem Mund ganz sacht meine Haut zu berühren. Er küsste mich nicht, berührte mich nur mit seiner Nase und seinen vollen Lippen, doch ich war sofort paralysiert davon. Ein wohliger Schauer durchflutete mich unwillkürlich, eine mächtige Woge der Erregung sammelte sich zwischen meinen Beinen. Ungewollt stöhnte ich auf, und Clay nahm das sofort als Bestätigung und rückte noch näher, drehte sich weiter zu mir und flüsterte drängend: „Liz, bitte..." Er nahm seine Hand von meinem Oberschenkel und legte sie stattdessen an meine Hüfte. Langsam schob er sein rechtes Bein über meins, sodass er nun mir zugewandt neben mir saß. „Bitte...", flehte er verzweifelt. Ein spürbares Zittern durchlief seinen gesamten Körper, er drängte sein Gesicht gegen meinen Hals und presste sich begierig an mich. Sein Atem ging schwer an meinem Ohr.
Mist, dachte ich verwirrt, dieser Mann fühlt sich so verflucht gut an, dass er mich komplett zu überwältigen droht. Die vertrauliche Situation, die noch vor wenigen Minuten perfekt zu sein schien, wurde für mich eindeutig immer bedrohlicher. Clay fing dreist immer offensichtlicher damit an, sich an mir aufzugeilen, sodass mir der Verdacht kam, er hätte schon die ganze Zeit nur auf ein geheimes Startzeichen von mir gewartet.
Wie so oft deutete er das alles mal wieder vollkommen falsch! Ich hatte ihn doch nur trösten wollen, einfach ein bisschen mit ihm zusammen auf dieser Couch sitzen wollen, ihm signalisieren, dass er mir nicht gleichgültig war. Und ich konnte nicht akzeptieren, dass Clay auf Sex aus war, auch wenn ich zugeben musste, dass ich mich selbst enorm zusammenreißen musste, um ihm zu widerstehen. Unbestritten, das fühlte sich alles überwältigend gut an, aber damit musste jetzt Schluss sein! Ein für alle mal!
Fieberhaft überlegte ich, wie ich ihn diesmal sanfter wegschieben konnte, wie ich es anstellen konnte, ihm meine Weigerung zu Intimitäten zu erklären, ohne ihn allzu sehr zu kränken oder womöglich zu verärgern. Irritiert und beunruhigt merkte ich, dass ich tatsächlich zunehmend Angst bekam, dass er sich nochmal mit Gewalt holen könnte, was ich nicht mehr bereit war ihm zu geben.
Ich musste mich beeilen, Clay kam gerade erst richtig in Fahrt, er seufzte wollüstig an meinem Hals und versuchte gierig, mich noch näher an sich zu ziehen. Sein Herz schlug unglaublich schnell in seiner Brust, die er gegen meine Seite presste. Er streichelte mich zwar nicht, aber seine Hände griffen nach mir, lagen jetzt sehr fest auf meiner Hüfte und meinem Oberschenkel.
Ich brauchte meine gesamte Willenskraft, um mich von ihm wegzudrehen. Tief atmete ich ein. „Es ist wichtig, Clay, du musst mir bitte etwas versprechen", sagte ich atemlos, eindringlich, aber so freundlich wie möglich, und es fiel mir ehrlich gesagt verdammt schwer, meinen Arm von seinen Schultern zu schieben und ein kleines Stückchen von ihm abzurücken.
Er registrierte mein zögerndes Zurückweichen mit einem enorm frustrierten Knurren, hielt mich jedoch glücklicherweise nicht auf, worüber ich aber tief drinnen weniger erleichtert war, als ich mir eingestehen wollte. Was war nur mit mir los? Verdammt, dieser Mann und seine spürbar starke Libido brachten mich schon wieder total durcheinander! Ich musste jetzt unbedingt einen kühlen Kopf behalten und meine eigene Erregung in den Griff bekommen.
Clay hatte damit spürbar viel mehr zu kämpfen als ich. Er knurrte ein paarmal so laut, als wollte er eigentlich lieber schreien, ließ mich aber schließlich los und setzte sich gerade hin. Stöhnend legte er sich beide Hände über das Gesicht und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen.
Ich gab ihm ein paar Minuten und betrachtete ihn von der Seite mit einem warmen Gefühl im Bauch. Obwohl es ihm merkbar schwerfiel, akzeptierte er meine Abfuhr diesmal und machte keinerlei Anstalten, mich mit Gewalt überreden zu wollen, dies hier weiter zu treiben. Er war kein schlechter Mensch, ganz bestimmt nicht.
Wir saßen nun nebeneinander, ohne uns noch zu berühren, und das Schweigen wurde mit der Zeit richtig blöd. Clay saß angelehnt auf der Couch, die Augen unverändert geschlossen, die Hände über dem Gesicht, tief atmend, und ansonsten erneut in Bewegungslosigkeit erstarrt. Ich beobachtete ihn und versuchte abzuschätzen, in welcher Stimmung er jetzt wohl war, was er nun von mir dachte, wo ich ihn schon wieder vor den Kopf stieß, was mir tief drinnen echt leid tat, obwohl es zweifellos unvermeidlich war.
„Es tut mir leid, Clay, ich will das...", fing ich entschuldigend an, aber er unterbrach mich sofort ziemlich barsch. „Du willst das nicht mehr, weil du dich von mir getrennt hast!" zischte er hörbar frustriert. Seine Hände fielen förmlich von seinem Gesicht herunter und landeten auf seinen Oberschenkeln. Er riss die Augen auf, drehte den Kopf zu mir und fixierte mich mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung. „Ich bin nicht so dumm, wie du denkst, Eliza!" betonte er erschreckend aggressiv.
Sein Blick und seine Stimme schüchterten mich ein, weswegen ich einen Moment brauchte, um darauf zu reagieren. „Ich halte dich nicht für dumm, Clay!" widersprach ich ihm kleinlaut. Er lachte spöttisch auf. „Dafür sagst du mir das aber ziemlich oft!" warf er mir böse grienend vor.
Darauf wusste ich nichts zu sagen, denn ich war mir nicht sicher, ob er nicht vielleicht recht hatte. Eine Weile starrten wir uns gegenseitig schweigend an, und es tat mir weh, wie kalt und dunkel seine Augen wirkten, obwohl tief drinnen seine Leidenschaft loderte.
Schließlich musste ich den Blickkontakt abbrechen, weil ich die Anklage in seinem Gesicht nicht mehr ertragen konnte. „Es tut mir leid, Clay, aber du siehst doch selbst was passiert, wenn wir uns zu nahe kommen. Wir streiten nur noch und sind böse zueinander. Das ist nicht schön, und ich möchte das nicht mehr..." „Das ist nicht meine Schuld!" warf er sofort trotzig ein, „Du bist doch diejenige, die ständig ihre Meinung ändert!" Ich nickte und wandte mich ihm nochmal zu. Ich schaute ihn genau an und versuchte ein versöhnliches Lächeln, aber sein genervtes Gesicht veränderte sich nicht. „Das liegt doch nur daran, weil ich selbst so verwirrt bin, Clay. Ich brauche ein bisschen Abstand von dir, versteh das doch bitte." Seine Augen verengten sich. „Was meinst du mit Abstand?" wollte er misstrauisch wissen. „Wir dürfen uns eine Zeit lang nicht mehr sehen, Clay. Versprich mir, dass du dich von mir fernhältst, ja? Ich möchte einfach nicht, dass so etwas wie heute nochmal passiert!" „Wie lange?" wollte er sofort ungläubig wissen und beobachtete mich lauernd. Frustriert schloss ich für einen Moment die Augen und atmete tief ein.
Dann schaute ich ihn wieder an. Er beobachtete mich fassungslos. Warum überraschte ihn meine Forderung so, warum tat er denn jetzt so, als würde ich etwas Unmögliches von ihm verlangen? „Clay!" stöhnte ich, „Ich weiß noch nicht wie lange, okay?!" Auf seinem Gesicht erschien zögerlich ein spöttisches Grinsen. „Du bist dir selbst gar nicht sicher", glaubte er festzustellen, aber da irrte er sich gewaltig. Ich war mir vollkommen sicher, dass ich ihn vorerst nicht wiedersehen wollte! In seiner Nähe verlor ich offensichtlich die Kontrolle über mich, und das wollte ich nicht noch einmal erleben. Ich hatte nur keine Ahnung, ob und wann ich eine private Begegnung mit ihm wieder zulassen konnte.
„Doch, ich bin mir sicher, Clay! Ich brauche dringend eine Pause von dem ganzen Stress mit dir!" fuhr ich ihn heftiger an, als ich es gewollt hatte. Er zuckte zusammen, und in seinen Augen erschien ein gequälter Ausdruck, der mir wehtat. „Tut mir leid, dass ich dich so stresse, Eliza", sagte er tonlos und wandte sich ab. Reglos fixierte er den Tisch, atmete schwer, änderte unbehaglich seine Sitzposition und fuhr sich nervös mit den Händen über den Kopf.
Die Stille war bleischwer, während der ich ihn mit klopfendem Herzen beobachtete. Ich bekam den Eindruck, als müsste er sich plötzlich anstrengen, um nicht loszuheulen. Spontan streckte ich die Hand nach ihm aus und berührte ihn am Arm. Er fuhr sofort zu mir hin, taxierte mich verwirrt, und ich streichelte ganz leicht über seinen Oberarm.
„Es tut mir leid, Clay. Ich möchte dir bestimmt nicht wehtun, bitte glaube mir das. Aber das mit uns, das ist mir einfach zu mühsam geworden. Ich kann das nicht mehr", versuchte ich ihm sanft zu erklären. Er hörte mir stumm zu, äußerlich unberührt, doch der gequälte Ausdruck in seinen dunklen Augen wurde so groß, dass es mich fast zerriss. Nur mit Mühe konnte ich seinen Blick weiterhin erwidern. „Clay, wir können doch trotzdem noch gute Freunde bleiben. Ich werde dich immer sehr gern haben", tröstete ich ihn, aber er stieß nur spöttisch die Luft aus. „Du möchtest meine Freundin bleiben? Du meinst, so rein platonisch?" wollte er ziemlich höhnisch von mir wissen.
Seine spürbare Wut und bockige Uneinsichtigkeit ärgerten mich. Er gab mir schon wieder das Gefühl, als würde ich gegen eine Wand reden, an der alle meine so gut gemeinten Worte total abprallten. „Genau das meine ich!" erwiderte ich gereizt, woraufhin er einmal laut und spöttisch auflachte. „Tja, Liz, Scheiße nur, dass ich dich gerade so verflucht gerne ficken würde!" spuckte er mich förmlich an und verzog das Gesicht zu einem frivolen und nahezu bösartigen Grinsen.
Entsetzt über seine ordinäre Ausdrucksweise zog ich scharf die Luft ein, woraufhin Clay mich auslachte und sich im nächsten Moment stöhnend abwandte. Er schüttelte sich unbehaglich, beugte sich zum Tisch hin, nahm sich fahrig eine Zigarette aus meiner Schachtel und zündete sie mit zitternden Fingern an. Unruhig rutschte er auf dem Sofa herum, ohne mich anzusehen.
Ich dagegen beobachtete ihn ganz genau. Er war aufgebracht, immer noch höchst erregt, und irgendwie konnte ich das sogar verstehen. Er hatte sich in unsere harmlose Schmuserei hineingesteigert, ganz wie es seine Art war. Er hatte nicht begriffen, was ich mit meinem sanften Streicheln bezwecken wollte, nämlich ausschließlich, ihn zu trösten. Für Clay Banton musste jeder Körperkontakt irgendwann in Sex gipfeln. So beschränkt war dieser Mann, und ich liebte ihn eigentlich dafür. Aber im Moment ging er mir mit seiner zunehmenden Zappelei unglaublich auf die Nerven.
„Das ist ja sehr schmeichelhaft, dass du mich ficken willst", bemerkte ich spöttisch und ärgerte mich, weil meine Stimme so gekränkt klang. Clay wandte sich mir zu, zog an der Zigarette und schaute mich einen Moment lang prüfend an. „Wie soll ich es denn nennen? Wäre dir bumsen lieber? Vögeln? Flachlegen? Oder vielleicht Liebe machen?" zählte er gelangweilt auf. Ich hielt mir die Ohren zu, schüttelte abwehrend den Kopf, und er lachte nochmal freudlos. „Komm schon, Liz, du weißt doch genau, was ich meine. Und du willst es ganz genauso sehr wie ich", behauptete er plötzlich richtig traurig. Er schloss die Augen und drehte den Kopf weg. „Wie lange willst du dir denn noch etwas vormachen?" fragte er resigniert.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen, weil ich wusste, dass er im Grunde recht hatte, und es ärgerte mich, dass er mir meine eigene Lust anscheinend so stark anmerkte. „Nein, ich möchte das nicht mehr, Clay! Das führt doch zu nichts!" begehrte ich verzweifelt auf. „Das muss auch zu nichts führen!" erwiderte er und drehte sich wieder zu mir. Er schaute mir tief in die Augen und ich hatte Mühe damit, seinem durchdringenden Blick standzuhalten. Seine dunklen, grün-braunen Augen schienen von innen heraus zu leuchten. Hinter seiner immensen Wut, Geilheit und Traurigkeit huschte auf einmal ein enorm liebevolles Lächeln vorbei, was mich so erstaunte, dass mein Herz einige Schläge aussetzte.
Clay zog nochmal an seiner Zigarette und legte sie danach in den Aschenbecher. Zögernd streckte er nun seine Hand nach mir aus und strich mit seinem Finger ganz leicht über mein Gesicht. „Eliza", flüsterte er drängend, „Bitte! Tu das bitte nicht. Verlass mich nicht." Sein Flehen verursachte mir einen schmerzhaften Stich in den Eingeweiden, mein Körper zog sich förmlich gequält zusammen, als hätte er mir ein Messer ins Herz gestoßen. Plötzlich fühlte ich mich eiskalt, dann heiß, wie erstarrt, konnte ihn nur noch hilflos anschauen und schluckte hart.
Clay ließ mich nicht aus den Augen, er musterte mich aufmerksam. „Was soll ich denn machen, Liz? Sag es mir, ich tu alles, was immer du willst", versprach der Mann mir hastig und eindeutig wirr, rückte verzweifelt näher und umfasste mit seiner Hand begierig meinen Hals. „Hör mal, es geht mir nicht gut, Liz. Bitte bleib bei mir. Ich schaff das nicht ohne dich", wisperte er reichlich deprimiert, und seine Stimme brach dabei, in seinen Augen glitzerten Tränen.
Mir selbst war jetzt auch zum Heulen zumute, denn Clay strahlte so viel Ratlosigkeit, Leid und Verwirrung aus, dass ich davon fast erschlagen wurde. Herr Banton hatte sich unverhofft wieder in das kleine Kind verwandelt, vollkommen hilflos und allein in der grausamen Welt, und er schaute mich an, als könnte nur ich allein sein Leben retten. In seinen Augen steckten so große Emotionen, dass ich davon vollkommen überflutet wurde. Mir fiel nichts anderes mehr ein, als meine Arme auszubreiten, ihn zu umarmen und an mich zu drücken, denn meine Stimme versagte in diesem Moment komplett.
„Ach,Clay...", konnte ich nur noch heiser krächzen. Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag fühlte ich mich hinterrücks besiegt. Der clevere Mann hatte mich irgendwie ausgetrickst, oder vielleicht war er auch einfach nur er selbst geblieben. Jedenfalls glaubte ich ihm jedes Wort, wollte diesen Menschen nur noch schnellstmöglich retten, und ich genoss seine direkte Nähe und seine angenehme Wärme in diesem Moment viel mehr, als ich mir nach unserer hässlichen Auseinandersetzung, nach all meinen Überlegungen und Entschlüssen hätte träumen lassen.
Aber es fühlte sich einfach überwältigend gut an, so sehr von jemandem gebraucht zu werden, es schien meinem Leben unvermittelt einen wichtigen Sinn zu geben. Schlagartig war ich so voll mit riesengroßer Liebe und Sorge für ihn, dass mir meine eigene Trennung tatsächlich irgendwie absurd vorkam. Ich konnte ihn doch gar nicht verlassen! Er liebte mich, er brauchte mich und begehrte mich von ganzem Herzen! So etwas war selten und enorm wertvoll! Wie sollte ich darauf jemals verzichten können?! Ohne ihn würde mein Leben doch nur noch trostlos und leer sein!
All meine vorherigen Gründe für meinen Schlussstrich schienen plötzlich völlig bedeutungslos zu sein, ohne das ich es hätte verhindern können. Meine Gedanken liefen autonom rückwärts, wurden überrumpelt von meiner mächtigen Zuneigung zu Clay Banton.
Der Mann registrierte mein sorgendes, liebevolles, tröstendes Entgegenkommen mit einem spontanen Schluchzer zwischen Depression, Glück und Verwirrung, klammerte sich gleich darauf abermals an mich und hielt sich höchst verzweifelt an mir fest. Sein Gesicht war nah an meinem Ohr, er atmete laut hinein und seufzte: „Gott, Liz... du machst mich total verrückt." Diesen Satz konnte man auf mehrere Arten deuten, und Herr Banton meinte damit in diesem Augenblick ausnahmslos sie alle.
Der attraktive Mann, der sich so entsetzlich gut anfühlte, war total irre, restlos entflammt, völlig verwirrt und hemmungslos verrückt nach mir. Es pulsierte spürbar schnell und heiß vor Erregung und Verlangen in ihm. Ich drückte ihn an mich, fuhr mit meinen Händen über seinen faszinierenden Körper, und meine Gedanken verstummten. Schlagartig wollte ich nur noch den Augenblick mit ihm genießen und an nichts anderes mehr denken, denn dieser intime Moment mit ihm war schlicht alles, was noch zählte. Denn was war das Leben denn schon anderes, als nur eine willkürliche Aneinanderreihung von vergänglichen, einmaligen Momenten?!
Ich konnte nicht genug von ihm kriegen, wollte immer noch viel mehr. Seine Finger tasteten sich zielstrebig an meinem Schenkel entlang, zwischen meine Beine, die ich unwillkürlich einladend ein wenig für ihn öffnete. Er fand meine empfindlichste Stelle in meinem Schritt und übte mit seiner erfahrenen Hand genau dort auf diese Art rhythmisch Druck aus, sodass meine Erregung abrupt in die Höhe schnellte. Ungewollt stöhnte ich auf, klammerte mich an seine Schultern und konnte mich kaum noch beherrschen. Gleichzeitig berührte Clay mit seiner Zungenspitze die zarte Stelle hinter meinem Ohr, was ich so intensiv spürte, dass endgültig alles andere restlos verblasste. Nur noch dieser fantastische Mann und meine Lust auf ihn blieben übrig.
Clay
Meine friedlichen Schmetterlingsphantasien verwandelten sich zunehmend in reine Erotik, als sie damit anfing, mich immer intensiver zu streicheln, mich an diesen Stellen anzufassen, die diese Gefühle unwillkürlich in mir auslösen. Sie berührte sanft meinen Nacken, meinen Hals hinter meinen Ohren, fuhr mit ihrem Finger durch mein Gesicht und an dem verdammten Striemen entlang. Ihre andere Hand tastete zielstrebig jede meiner Brust- und Bauchmuskeln ab und landete dann irgendwie an den Innenseiten meiner Oberschenkel.
Gleichzeitig machte sie mir klar, dass sie keine Intimitäten mehr mit mir wollte, was so verflucht paradox war, dass ich beinahe durchdrehte.
Später wurde alles echt erbärmlich, und ich war mir schon längst nicht mehr sicher, ob ich lieber heulen oder kotzen sollte, so schnell wie möglich hier verschwinden oder sie einfach mit Gewalt nehmen. Mein Gehirn war komplett leer, nur noch geil, irgendwie völlig konfus, getillt oder vielleicht auch nur ausgeschaltet.
Inzwischen hatte sie mich nahezu hundertprozentig auf Sex gepolt, und ich wusste nicht mehr wohin mit diesem scheiß heftigen Begehren, was mich so umfassend ausfüllte, dass ich am liebsten nur noch schreien wollte. Mein Schwanz war total unangenehm eng in meine Jeans gepresst und so hart, dass es wehtat.
Die Frau geilte mich auf, zog sich zurück und fasste mich wieder an, sodass ich sie am liebsten anbrüllen wollte, sie sollte sich doch bitteschön endlich mal entscheiden. Sie war mächtig scharf auf mich, schaute mich mit diesem gierigen Ausdruck an, mit diesem hinlänglich bekannten Verlangen in ihren Augen, ihr Atem ging schwer und ihr Blick wanderte pausenlos sehnsüchtig zu meinem Schwanz hin.
Dann ließ sie mich los und erklärte wiederholt, sie wollte das alles nicht mehr, sie wollte mich nicht mehr, und ich konnte diese beschissene Lüge echt nicht länger ertragen. Irgendwann war ich so umfassend verzweifelt, dass ich anfing sie anzubetteln, was echt armselig war, und wofür ich mich selbst abgrundtief verachtete.
Aber ich hatte keinen blassen Schimmer davon, was los war, was hier passierte, was sie überhaupt erwartete oder mit ihren Worten oder Zärtlichkeiten zu vermitteln versuchte. Da war nichts anderes mehr in mir, kein Gedanke an die Zukunft oder ein Leben ohne sie, denn das konnte ich mir ohnehin nicht vorstellen und wollte es auch gar nicht. Ich wollte sie nur noch ficken und mein Verlangen stillen, was mein sämtliches Denken erfüllte, und mein Körper machte sowieso, was er wollte, das spürte ich nur allzu deutlich.
Aber dann änderte sie nochmal ihre Meinung und umarmte mich wieder, und ich klammerte mich noch einmal an ihren fantastischen Körper und alles verschwamm, nur noch ihr geiler Geruch in meiner Nase, ihre weiche Haut an meinem Gesicht und ich dachte nur noch, du musst sie jetzt unbedingt festhalten, du darfst sie auf keinen Fall nochmal verlieren, denn dann wäre ich wahrscheinlich hier auf diesem scheiß Sofa explodiert.
Also trieb ich es verzweifelt hastig voran, tat einfach irgendetwas, was mir einprogrammiert war, um eine Frau so schnell wie möglich aufzugeilen, und das funktionierte auch irgendwie. Sie empfing mich endlich, öffnete sich für mich, stöhnte zustimmend und hielt sich begierig an mir fest. Die Frau kam zu mir zurück, sie wollte mich bedingungslos, und alles andere war nach ungefähr fünf Sekunden scheißegal.
Eliza
Plötzlich ertönte laut und anhaltend meine Türklingel. Erschrocken wollte ich mich sofort von Clay losmachen und mich aufrichten, obwohl mir das ziemlich schwerfiel und tief drinnen leid tat. Ich war erregt und brauchte eine Minute, um mich zu sammeln.
Er war bei dem unerwarteten Krach genau wie ich verschreckt zusammengezuckt. Wir saßen immer noch nah beieinander, eng umschlungen auf der Couch.
Nun öffnete er seine Augen und griff panisch nach mir, weigerte sich vehement mich loszulassen. „Nein, nein, nein, Eliza! Hör jetzt nicht auf!" bat er mich eindringlich und taxierte mich flehentlich. Er atmete schwer und versuchte verbissen mich festzuhalten, meine Hand, die inzwischen seine Jeans aufgeknöpft hatte und bis auf seine Boxershorts vorgedrungen war, zurück an ihren Platz zu drängen. Aber ich weigerte mich und schüttelte den Kopf. „Wer kann das sein?" fragte ich ihn erstaunt.
Die brutale Störung unserer Intimitäten hatte mich mit einem Donnerschlag zurück in die Realität befördert. Plötzlich schien es mir überhaupt nicht mehr eine so gute Idee zu sein, mit Clay Banton herum zu machen. Immerhin hatte ich mich vor Kurzem von diesem Mann getrennt. Es war daher nicht ratsam, ihn schon wieder so nah an mich heranzulassen, meldete sich mein Verstand energisch zurück. Was war nur los mit mir? Ich war doch kein Tier, ich konnte meine eigenen Begierden sehr wohl im Zaum halten!
Clay wollte das jedoch überhaupt nicht einsehen. Meine Hand hatte seinen steifen Schwanz in seinen Shorts vorwitzig noch mehr erregt, und er war keineswegs gewillt, die Sache an diesem Punkt abzubrechen. Einerseits konnte ich ihn verstehen. Andererseits war ich froh über die Störung, weil sie mich zweifellos vor einer riesengroßen Dummheit bewahrt hatte. Mit Sicherheit hätte ich es hinterher bereut, versuchte ich mir einzuhämmern. Verdammt, das war haarscharf, war mir durchaus bewusst.
„Bleib bitte bei mir, Liz! Lass mich nicht hängen!" keuchte Clay ungehalten, hörbar verzweifelt, aber ich entzog mich ihm und drehte mich weiter von ihm weg. „Das kann doch jetzt nicht dein ernst sein!" fauchte er plötzlich so zornig, dass es mich erschreckte. Irritiert und bestürzt schaute ich ihn an. In seinen Augen loderte ein gefährliches Feuer.
Das penetrante Klingeln hörte auf, um im selben Moment erneut zu ertönen. Jemand vor der Tür war scheinbar fest entschlossen eingelassen zu werden. „Wer kann das denn bloß sein?" fragte ich mich noch einmal. Ich hatte wirklich keine Ahnung und beschloss, Clays spürbar aufbrausende Emotionen vorsichtshalber zu ignorieren.
Clay knurrte unbehaglich, genervt, wütend, und richtete sich widerstrebend auf. „Ist doch scheißegal! Mach nicht auf!" forderte er mich grob auf. Beschwörend fixierte er mich. „Bitte hör nicht auf jetzt. Bitte nicht, Eliza, um Himmels Willen! Tu mir das nicht an!" ächzte er geschlagen.
Er ahnte bereits, dass sein überaus hartnäckiger und deshalb beinahe von Erfolg gekrönter Versuch, mich irgendwie zum Sex zu überlisten, für ihn mit dem Klingeln an meiner Tür endgültig gescheitert war. Diese Tatsache gefiel ihm merkbar überhaupt nicht, er konnte sie kaum akzeptieren. Noch bevor er sich darüber Sorgen machte, wer da vielleicht vor der Tür stand, war er erst einmal fassungslos und entsetzt über das abrupte Ende unserer Intimität.
„Fuck, Liz!" quengelte er hilflos, „Das kannst du mir echt nicht antun!" Er beugte sich zu mir hin und lächelte mich lüstern an. „Es war sehr schön, was du mit meinem Schwanz getan hast", flüsterte er anerkennend, „Bitte mach doch einfach weiter, ja?" Seine Augen standen in Flammen, als er mich flehend fixierte.
Ich zögerte, denn ich hatte ja eigentlich auch große Lust auf ihn, und ich spielte für mein Leben gerne mit seinem Penis herum. Aber das Klingeln an meiner Tür wollte nicht aufhören. Kurz darauf hämmerte plötzlich jemand erbost gegen meine Wohnungstür. Ich dachte sofort erschrocken: Mein Gott, der ist ja schon hier oben! Steht die Haustür unten etwa immer noch offen? Wie dumm und leichtsinnig!
Clay guckte zur Tür hin und schien über das Hämmern ebenfalls kurz irritiert zu sein. Im nächsten Moment wandte er sich aber hastig wieder mir zu. „Ignoriere das doch, ja? Lass mich jetzt nicht im Stich, bitte!" forderte er mich drängend auf. Er packte meine Hand und drückte sie unmissverständlich gegen seine Shorts, unter denen sein steinharter Schwanz sich meiner Hand gierig entgegen zu strecken schien. Ich schüttelte fassungslos den Kopf, zog meinen Arm energisch zurück und war insgeheim heilfroh, als er mich ohne Widerstand losließ. „Nein, Clay, das kann ich doch nicht einfach ignorieren! Das muss was Wichtiges sein, so wie der sich aufführt!"
Ich war über diesen unangemeldeten, sehr hartnäckigen und offenbar aggressiven Besucher ziemlich beunruhigt und gleichzeitig immens froh, in dieser bedrohlichen Situation nicht allein in der Wohnung zu sein. Banton ist stark, er kann mich im Notfall gegen jeden Angreifer verteidigen, dachte ich erleichtert.
Liebevoll und dankbar lächelte ich ihn an. Der Blick, mit dem Clay mein Lächeln erwiderte, war allerdings alles andere als freundlich oder entgegenkommend. Ich schaute ihn verblüfft an, und erst jetzt begriff ich langsam, wie hoch der sexuelle Erregungsgrad wirklich war, den der Mann mittlerweile erreicht hatte. Wie konnte das nur passieren, dachte ich überrascht, so lange haben wir doch nun wirklich nicht geknutscht?! Und er sieht schon aus, als würde er jeden Moment explodieren?! Steht er tatsächlich schon kurz vorm Orgasmus?!
Ich war mir keiner Schuld bewusst und konnte Clay nur erstaunt betrachten. Der Mann rang tatsächlich nach Luft und zitterte vor unterdrückter Wut und Geilheit am ganzen Körper. Unruhig rutschte er auf dem Sofa herum und durchbohrte mich förmlich mit seinen dunklen, flammenden Augen, die gleichzeitig trübe und glasklar wirkten.
Plötzlich griff er nach meinen Handgelenken, zog mich daran energisch zu sich hin, bis ich fast auf seinem Schoß saß und zwang mich so, ihm meine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. „Hör mal... Eliza... das kannst du jetzt echt nicht bringen... das ist zu viel...das geht so was von gar nicht!" versuchte er mir mühsam zu erklären. Sein Griff um meine Handgelenke war viel zu stark, er tat mir weh.
Ich guckte in sein aufgelöstes, immer noch schönes Gesicht und schwankte zwischen Furcht, Unverständnis und Amüsement. Ich war unsicher, was ich jetzt sagen, wie ich darauf reagieren sollte. Mach keinen Fehler, warnte mich eine innere Stimme, sonst dreht der womöglich jeden Moment total durch oder wird gewalttätig.
„Clay... beruhige dich...", versuchte ich es sanft. Er grinste böse, packte mich unvermittelt an den Hüften und hob mich mühelos auf seinen Schoß, wo ich sehr gut fühlen konnte, wie bereit er wirklich für mich war. Clay umschlang mich, presste mich stöhnend an sich, erschauderte gurrend. Sein Gesicht war dicht bei meinem, als er mich vielsagend fixierte. „Weißt du überhaupt, was du mir antust, Eliza? Wie schlimm es für mich ist, wenn du mich immer wieder...?" Er verstummte, als er mein amüsiertes Lächeln bemerkte.
Clay übertrieb maßlos. Der erregte Mann war völlig außer sich, als wäre er seinen eigenen Begierden hilflos ausgeliefert. Und ich konnte meine Belustigung darüber nicht verbergen.
Mein sichtbares Amüsement ärgerte ihn. Er knurrte wütend, krallte seine Finger schmerzhaft in meine Hüfte und holte tief Luft. „Das tut verflucht weh, Eliza! Du bringst mich um! Mit deinem scheiß Spiel machst du mich total impotent!" blaffte Clay mich zornig an. Seine aufgelösten Augen taxierten mich fassungslos. Er meinte es zweifellos todernst, aber ich konnte mir bei dem Wort impotent trotzdem ein nervöses, albernes Lachen nicht verkneifen.
Sein Blick wurde noch wirrer und wütender, aggressiv fing er an zu knurren, und ich merkte irritiert, dass ich große Angst vor ihm bekam. „Du tust mir auch weh!" beschwerte ich mich, weil sein Griff um meine Hüftknochen schon fast einem Schraubstock glich. Er lockerte seine Hände nicht.
Stattdessen atmete er für seine Erwiderung ein, wurde aber plötzlich von einer Stimme vor meiner Wohnungstür unterbrochen. „Jetzt mach schon auf, Eliza! Ich weiß genau, dass Clay bei dir ist!" brüllte Sean erbost in meinem Hausflur, was ich ihm sofort sehr übel nahm, denn das ganze Haus musste ihn hören.
Erst in diesem Moment erinnerte ich mich an das Telefongespräch mit Herrn Valmont. Auch Clay erkannte diese Stimme natürlich auf Anhieb, und für ihn änderte sich damit schlagartig alles. Er zuckte erschrocken zusammen und starrte mich einen Moment lang total verwirrt und entsetzt an. „Du hast ihm gesagt, dass ich hier bin!" fuhr er mich aufgebracht an und tötete mich mit seinem Blick. „Nein, das hab ich nicht, ehrlich!" versicherte ich ihm. Entschieden schüttelte ich den Kopf, aber offenbar glaubte Clay mir nicht.
Hektisch ließ er mich los und schob mich heftig und total achtlos von seinem Schoß hinunter, als wollte er mich so schnell wie möglich loswerden, was mich total verletzte. Hatte er mich noch vor einer Minute angefleht ihn anzufassen, ihn nicht im Stich zu lassen, so hatte er nun plötzlich keinerlei Interesse mehr an mir. Seine Gefühlskälte und Unsensibilität taten mir so weh, dass ich es kaum ertragen konnte. Maßlos gekränkt saß ich neben ihm und beobachtete ihn aufmerksam.
Er rutschte eilig auf dem Sofa so weit nach unten, bis er auf dem Rücken auf der Sitzfläche lag und mit den Knien an die Tischkante stieß. Diese ungewöhnliche Position erleichterte es ihm offenbar, hastig seine Jeans zuzuknöpfen. Jedoch hatte er immer noch beträchtliche Mühe damit, seine zu voller Größe und Härte erwachte Männlichkeit sicher zu verstauen. Außerdem schien er dabei tatsächlich Schmerzen zu haben, denn er ächzte frustriert und verzog gequält sein Gesicht.
In jeder anderen Situation hätte Clay Banton mir leid getan. Bestimmt hätte ich alles tun wollen, um ihm zu helfen, indem ich ihm und unbestritten auch mir selbst zärtlich und liebevoll Erleichterung verschaffte. Aber der Mann hatte mich gerade innerhalb von Sekunden zugunsten von Sean Valmont eiskalt zur Seite geschoben, mich achtlos weggeworfen, und das tat mir so weh, dass ich nicht sicher war, ob ich ihm das jemals verzeihen konnte.
Mein großer Schmerz kanalisierte sich wie so oft automatisch in haltloser Wut. „Hast du ein Problem, Banton? Soll ich dir vielleicht helfen?" fragte ich ihn spöttisch und ließ keinen Zweifel daran, wie sehr sein Anblick mich amüsierte. Clay hatte gerade mühevoll den letzten Knopf seiner engen Jeans zugeknöpft, richtete sich stöhnend auf und warf mir einen gehetzten Blick auswirren, weit aufgerissenen Augen zu. „Lass ihn nicht rein!" ignorierte er meine Spöttelei mit einem ernsthaften Befehl, „Auf gar keinen Fall darfst du ihn reinlassen, Eliza!" Seine aggressive Stimme duldete keinen Widerspruch.
Ich betrachtete ihn mit einer Mischung aus Furcht, Wut und Verachtung. Es gefiel mir überhaupt nicht, dass Clay Banton mir Vorschriften machen wollte. Außerdem machte der Krach, den Sean Valmont vor meiner Tür veranstaltete, mich ziemlich nervös. Es würde mit Sicherheit schon sehr bald Beschwerden von den anderen Mietern hageln, allem voran von Elfriede Koschmidder, wenn er nicht bald damit aufhörte.
„Warum denn nicht?" fragte ich Clay verständnislos und aufmüpfig. Er zog die Augenbrauen zusammen und schaute mich an, als wäre das die dümmste Frage, die ich ihm in dieser Situation überhaupt stellen konnte. „Weil Valmont mich umbringen wird!" informierte er mich zutiefst überzeugt und rang nach Luft.
Ich musterte ihn irritiert. Seine Panik war echt, auch wenn ich sie mir nicht erklären konnte. „Ach, komm schon, Clay, jetzt übertreibe doch nicht so!" wies ich ihn ungehalten zurecht. Clay wollte mir widersprechen, als Sean vor der Tür erneut loslegte. „Wenn du dich das nächste Mal vor mir verstecken willst, Banton, dann parke deinen MG lieber woanders!" schrie er voller Hohn.
Clay stöhnte überfordert auf und hielt sich den Kopf fest, als würde er sich am liebsten die Ohren zuhalten. Ich beobachtete ihn verwundert. Er wirkte völlig verloren und hatte offenbar überhaupt keinen Plan mehr. „Hast du dein Auto direkt vor meinem Haus geparkt?" fragte ich ihn leise. Aus irgendeinem Grund war ich darum bemüht, dass Sean vor der Tür uns nicht hören konnte, obwohl das totaler Schwachsinn war. Valmont war von unserer Anwesenheit dermaßen überzeugt, dass ich keinen Zweifel daran hegte, dass er zur Not ewig draußen auf uns warten würde. Clay taxierte mich gequält. "Natürlich habe ich vor deinem scheiß Haus geparkt!" zischte er aggressiv, „Warum sollte ich auch woanders parken, wenn ich zu dir will!?"
Verzweifelt stöhnte er auf und rutschte nervös auf dem Sofa herum. Es war offensichtlich, dass er sich in seiner Haut mächtig unwohl fühlte. Sein konfuses Elend war so greifbar, dass sich meine Wut auf ihn abschwächte. Du könntest zum Beispiel weiter weg parken, um nicht jedem sofort zu zeigen, wo du dich gerade aufhältst, dachte ich spöttisch. Aber ich sagte es nicht, weil ich Clay in dieser äußerst angespannten Situation nicht noch mehr provozieren wollte.
Gleich darauf guckte der Mann mich verschreckt an und schüttelte verwirrt den Kopf. „Lass ihn nicht rein, Liz!" bat er mich nochmal eindringlich. Seine dunklen Augen waren jetzt eine Mischung aus ungezähmter Geilheit, Verstörtheit und Konfusion.
Aber sein Kumpel Sean forderte mich unentwegt lauthals auf, meine Tür für ihn zu öffnen, er klingelte und klopfte pausenlos. Der höchstwahrscheinlich mal wieder enttäuschte Liebhaber würde mit Sicherheit nicht damit aufhören, bis ich mich zeigte, und das konnte auf gar keinen Fall so weitergehen.
Kurzentschlossen stand ich auf. „Tut mir leid, Clay, aber ich lass ihn jetzt rein!" kündigte ich an und bewegte mich zielstrebig auf die Tür zu. Clay schrie entsetzt auf und starrte mich an. Seine irren Augen fingen vor Panik wahrhaftig an zu flattern. Er sprang sofort auf die Beine und versuchte verzweifelt mich aufzuhalten, indem er mich überholte und sich mir energisch in den Weg stellte.
„Nein, du kannst ihn nicht reinlassen, auf gar keinen Fall!" knurrte er böse und taxierte mich beschwörend. Seine aggressive Uneinsichtigkeit fing an mich zu nerven. „Clay, verdammt nochmal! Was soll ich denn sonst machen? Sean weiß doch genau, dass du hier bei mir bist!" entgegnete ich ungeduldig. Die Lautstärke der Show, die Valmont in meinem Hausflur, direkt vor meiner Tür abzog, ging mir unglaublich auf die Nerven. Ich bekam das dringende Bedürfnis, diesen verrückten Mann endlich zum Schweigen zu bringen, damit wieder Ruhe einkehrte. Tief drinnen befürchtete ich stark, dass Valmont womöglich sogar meine Tür eintreten würde, wenn ich ihn nicht bald hereinließ.
Ganz genau das Gleiche hatte ich vor nicht mal zwei Stunden schon einmal mit Banton mitgemacht, und das ganze Haus hatte dabei zugehört. Und jetzt ging der selbe Scheiß schon wieder los! Gab es eigentlich nur vollkommen durchgeknallte Männer in meinem Leben? Und was wollten sie nur alle von mir? Ich konnte mir das Gezeter meiner Nachbarn wegen der Ruhestörung schon bildlich vorstellen und war total genervt.
Aber Herr Banton gebärdete sich, wie ein zum Tode Verurteilter kurz vor der drohenden Hinrichtung. Offensichtlich vernebelten seine mühevoll unterdrückte Libido und seine irrationale Panik inzwischen vollständig sein Gehirn. Sein durchbohrender Blick war mehr als wirr, als er, dicht vor mir stehend, energisch den Kopf schüttelte und hart meinen Arm packte.
„Lass ihn nicht rein, Liz! Ich bitte dich! Um Himmels Willen!" beschwor er mich zum wiederholten Mal. Ich atmete tief ein, erwiderte seinen Blick und zwang mich gelassen zu bleiben. „Hör mal, Clay, jetzt beruhige dich doch bitte mal! Atme tief durch! Du weißt doch ganz genau, dass du mit Sean noch was Wichtiges zu besprechen hast! Zwischen euch scheint ja wohl eine Sache nicht ganz geklärt zu sein, nicht wahr? Das ist doch jetzt die Gelegenheit dazu!" versuchte ich geduldig, an seine Vernunft zu appellieren. Natürlich meinte ich die Sache mit der neuen Performance, mit der Clay sich nicht wohlfühlte, wie er mir schließlich vor Kurzem anvertraut hatte.
Aber Clay war in diesem Moment so überfüllt mit irrationaler, unkontrollierbarer Angst, dass er meinen Appell gar nicht richtig erfassen konnte. Er fokussierte sich nur mühsam auf mich und atmete viel zu schnell. Nachdrücklich schüttelte er den Kopf. „Nein, wir müssen überhaupt nichts klären, Eliza! Zwischen Valmont und mir ist alles total klar, glaub mir!" behauptete er starrsinnig.
Ich zog meinen Arm mit einem Ruck aus seinem Griff, was er glücklicherweise geschehen ließ. Meine Geduld neigte sich dem Ende entgegen, zumal Sean nicht damit aufhörte, im Flur herumzubrüllen, zu klingeln und gegen meine Tür zu hämmern. Verärgert schlug ich Clay gegen die Brust. Er zuckte zusammen und ging unwillkürlich einen Schritt zurück. „Verdammt, Banton! Was ist denn plötzlich los mit dir?! Merkst du denn gar nicht, wie bescheuert du dich aufführst, oder was? Sean Valmont ist dein bester Freund! Ihr arbeitet eng zusammen! Ihr fickt andauernd miteinander! Ihr könnt normalerweise gar nicht genug davon kriegen, nicht wahr? Warum sollte er dich also umbringen wollen, wenn doch alles klar ist zwischen euch? Warum zur Hölle hast du auf einmal solche Angst vor diesem blöden Typen?!" schnauzte ich Clay spontan, laut und wütend an.
Seine kopflose Reaktion war mir wirklich nicht plausibel. Seine greifbare Panik erschien mir äußerst dumm und total kindisch. Clay stand aufgewühlt vor mir und sah aus, als hätte ich ihn vor den Kopf geschlagen. Der erwachsene, spürbar noch immer höchst erregte Mann ließ mich nicht aus den Augen, aber er hatte Mühe damit, sich auf mich zu konzentrieren. Er zappelte nervös herum, atmete unverändert schnell und hatte offenbar keine Antwort für mich.
Eine Weile war es bis auf sein panisches Keuchen ganz still. „Ich lass ihn jetzt rein!" beschloss ich schließlich entnervt, ungeduldig, und bewegte mich energisch an ihm vorbei. Mit schnellen Schritten eilte ich zur Wohnungstür.
Genau wie ich es befürchtet hatte, kam Clay mir unverzüglich hinterher und packte schon wieder meinen Arm zu fest, um mich aufzuhalten. Ich musste im Flur stehenbleiben und fuhr erbost zu Clay herum. Der ließ mich zögernd wieder los, als er meinen absolut tödlichen Blick auffing. Abwehrend hob er die Hände, als würde er Schläge erwarten. Seine wirren Augen zuckten nervös. Nun standen wir dicht vor der Wohnungstür.
„Hör zu, Eliza... hör mir doch mal zu!" keuchte Clay aufgeregt. Eindeutig wollte er Zeit schinden, um sich einen Ausweg überlegen zu können. Ich schenkte ihm nur widerwillig meine Aufmerksamkeit, denn die Zeit verrann und der Lärm draußen wurde nicht geringer. Clay atmete schwer, holte tief Luft und versuchte sich zu konzentrieren. „Valmont wird mich schlagen, wenn du ihn jetzt hereinlässt! Willst du das denn, Liz? Willst du gerne dabei zusehen, wie scheiß Valmont mich verprügelt?" rief er ganz außer sich.
Ich musterte ihn prüfend und bekam den traurigen Eindruck, dass er tatsächlich schon wieder Nahe daran war, in Tränen auszubrechen. Seine unerwarteten Worte ließen mich irritiert aufhorchen. „Das ist doch Schwachsinn! Warum sollte er dich schlagen wollen?" erwiderte ich verständnislos, obwohl mir tief drinnen intuitiv klar war, dass diese Möglichkeit auf jeden Fall bestand.
„Ich kann euch hören!" flötete Sean Valmont triumphierend draußen vor der Wohnungstür. Zum Glück hatte er mit dem Radau unvermutet aufgehört. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie Sean sein Ohr an meine Tür presste und angestrengt lauschte. „Hau ab!" brüllte Clay aggressiv in seine Richtung, „Lass mich in Ruhe, du verrücktes Arschloch!" Gehetzt blickte er sich nach einem Fluchtweg um, den es natürlich aus dem vierten Stockwerk nicht gab. Kopflos rannte er zurück ins Wohnzimmer, nahm sein Jackett von der Couch und zog es überstürzt an.
Dann stand er hilflos dort und suchte völlig verwirrt nach einem Ausweg. Seine überwältigend starken Emotionen, die er offenbar so gar nicht im Griff hatte, rührten mich auf einmal. Die vage Möglichkeit, dass Sean tatsächlich nur hierher gekommen war, um ihn zu verprügeln, gab der Situation eine andere Note. Ich verstand plötzlich, warum Clay sich so bedroht fühlte. Auch wenn ich seine panische, völlig kopflose Reaktion immer noch übertrieben fand. Schließlich konnte er es zur Not an Kraft auf jeden Fall mit Sean aufnehmen.
Ich ging zu ihm zurück ins Wohnzimmer, blieb vor ihm stehen und lächelte beruhigend. Er blickte mich gequält an, aber auch erstaunt über mein Lächeln. Vorsichtig streichelte ich seine ein bisschen kratzige Wange. Sofort drängte er meiner Hand schutzbedürftig entgegen.
„Lass ihn nicht rein, bitte", jammerte er leise. Ich lächelte verständnisvoll. „Ich muss ihn reinlassen, Clay. Er weiß genau, dass du hier bist. Deshalb wird er von allein nicht wieder weggehen, verstehst du das?" Meine Stimme war ganz sanft. Clay schloss defensiv die Augen und konzentrierte sich hilflos auf das Streicheln meiner zarten Finger an seinem Gesicht. „Valmont ist total wütend auf mich. Diesmal schlägt er mich tot", seufzte er resigniert. Er glaubte wahrhaftig, was er da sagte, daran hatte ich keinen Zweifel. Ich unterdrückte angesichts seiner übertriebenen Melodramatik ein belustigtes Lachen. „Nein, das werde ich nicht zulassen!" versicherte ich Clay.
Mir war nicht klar, warum dieser muskulöse Mann sich so dermaßen ausgeliefert fühlte, wo er doch selbst über genügend Kraft verfügte, um sich mit anderen Männern anlegen zu können. Bei einer Prügelei mit Valmont würde er bestimmt nicht zwingend den Kürzeren ziehen, überlegte ich überzeugt. Aber Clay beurteilte seine Chancen offensichtlich nicht so realistisch. Er fühlte sich aus irgendeinem Grund viel zu oft hilflos und unterlegen und ich vermutete, dass die Wurzeln seiner Selbstzweifel wohl in seiner schwierigen Kindheit lagen.
Nun stand er mit geschlossenen Augen dort, fokussierte sich angespannt auf meine sanfte Berührung und reagierte nicht. Sein Anblick rührte mich, denn er schaltete schon wieder ab und lieferte sich mir total aus. „Guck mich mal an, Clay!" forderte ich ihn nach einiger Zeit auf und zog meine Hand langsam zurück. Seine schönen, wirren Augen öffneten sich nur widerwillig, bedauernd blinzelte er mich an. „Ich lass nicht zu, dass er dich schlägt, okay?" wiederholte ich eindringlich.
Zum ersten Mal, seit er Sean vor meiner Wohnung registriert hatte, huschte ein amüsiertes Lächeln über sein Gesicht. Dass ich ihm gegen Sean beistehen wollte, gefiel ihm anscheinend. „Das kannst du gar nicht verhindern", flüsterte er liebevoll und schüttelte den Kopf. „Das wollen wir erst mal sehen!" erwiderte ich kampfbereit.
Eine Weile schauten wir uns einvernehmlich lächelnd an, und seine Augen wurden mit der Zeit automatisch dunkler, gieriger, weil andere Gedanken aufs Neue und wohl unwillkürlich in seinem Kopf auftauchten, während er mich eingehend betrachtete. Ich konnte Clay genau ansehen, was in ihm vorging, welche Bilder ihm vorschwebten, denn ich kannte ihn gut genug und diese Art der Verwandlung zur Genüge.
Natürlich schmeichelte es mir jedes Mal und steigerte meine eigene Lust beträchtlich, wenn der Mann auf meinen Körper dermaßen fasziniert reagierte, wenn mein Anblick allein ihn sexuell erregte. Clay Banton fütterte damit mein Ego und mein Selbstbewusstsein. Es war typisch für ihn, dass er sich mit Sex aus dieser ungewissen und für ihn spürbar sehr unangenehmen Situation retten wollte.
Schon kam er einen Schritt näher, umfasste meine Schultern und meine Taille und zog mich verlangend dicht an seinen von Gefühlen aufgeputschten Körper heran. Er drückte mich gezielt an sich und stöhnte dabei überwältigt auf. Er war noch immer steinhart, was mich angesichts seiner Panik erstaunte. Oder war es vielleicht gerade die drohende Gefahr, die ihn kontinuierlich antörnte?
„Das fühlt sich gut an...", seufzte Clay an meinem Ohr, den Kopf an meiner Halsbeuge vergraben, „Gott, Liz... du fühlst dich so gut an..." Er erschauderte spürbar und rieb sich an mir. Mein Herz spurtete völlig autonom los, denn es war völlig unbestreitbar, dass Clay Banton sich ebenfalls enorm gut anfühlte. Er war sehr warm, straff und muskulös, strahlte eine Stärke und Geilheit aus, der ich mich nicht entziehen konnte. Hilflos und ein bisschen überrumpelt umarmte ich ihn und tätschelte seinen breiten Rücken. „Du fühlst dich auch gut an, Clay", konnte ich mich nicht bremsen atemlos zuzugeben.
Sofort fühlte er sich in seinem Vorhaben bestärkt und intensivierte seine Bemühungen, oder vielleicht ging es auch einfach nur mit ihm durch. „Ich will dich... Eliza... lass uns in dein Zimmer gehen... bitte... ja?" stöhnte er hingerissen an meinem Ohr und fing an es zu küssen und abzulecken, als hätte es unsere Auseinandersetzung und all meine Worte der letzten Stunde überhaupt nicht gegeben.
Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Wieder einmal war ich völlig erschlagen von Herrn Bantons zweifelhafter Fähigkeit, die Realität komplett auszublenden und restlos seinen Instinkten zu folgen. Vor meiner Wohnungstür stand in diesem Moment Sean Valmont, drängte aggressiv auf Einlass und sorgte immer wieder mit meiner Klingel, seiner Stimme und seinen Fäusten dafür, dass wir ihn auch ja nicht vergaßen. Und das einzige Ziel seiner Begehrlichkeiten, Clay Banton, ging allen Ernstes davon aus, dass ich jetzt in meinem Zimmer mit ihm schlafen würde. Ich war fassungslos und brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten.
Es war schön, was Clay mit mir machte, er war zärtlich zu mir, aber es war vollkommen unangemessen. Doch wie sollte ich ihm das jetzt begreiflich machen, ohne dass er komplett durchdrehte? Ich war ärgerlich und genervt, weil ich von Clay anscheinend hinterrücks immer wieder in die gleiche, unangenehme Situation gezwungen wurde.
Ein paarmal atmete ich noch tief durch, dann machte ich mich langsam von ihm los und betete insgeheim, dass er das gewaltlos hinnehmen würde. Es irritierte mich, dass ich seit diesem Vorfall, der sich vor Kurzem zwischen uns abgespielt hatte, vor Bantons starker Libido und seiner zeitweiligen Unfähigkeit, sie im Zaum zu halten, tatsächlich Angst hatte.
„Warte mal, Clay... Moment mal...", flüsterte ich sanft und küsste ihn flüchtig auf die Wange, während ich ihn vorsichtig von mir wegschob. Er ließ mich widerwillig knurrend los und fixierte mich mit weit aufgerissenen Augen, in denen ich eine Mischung aus Verzweiflung, Aufbegehren und Resignation zu lesen glaubte. Sein Atem ging schwer, vor Anspannung zitterte er am ganzen Körper. Ganz offensichtlich benötigte er Zeit, um sich zu beruhigen.
„Wir müssen uns erst mal um Sean kümmern. Das verstehst du doch, oder?" erklärte ich Clay geduldiger, als ich in Wirklichkeit war. Mein „erst mal" suggerierte ihm zwar, dass ich mich danach um ihn kümmern wollte, was eine Lüge war, die mir aber in dieser Situation clever zu sein schien.
Ich wartete seine Antwort nicht ab, sondern drehte mich sofort herum und ging mit schnellen Schritten zurück zur Wohnungstür, noch ehe Clay in seinem Zustand es schaffte, irgendwie darauf zu reagieren. „Sean? Hörst du mich?" rief ich gegen die geschlossene Tür. Sein Lachen ertönte, was mich ziemlich ärgerte. „Ich höre dich allerdings, Frau Laser!" antwortete Sean spöttisch. „Ich lass dich nur rein, wenn du mir versprichst, Clay nicht zu schlagen!" erklärte ich ihm mit fester Stimme.
Dann warf ich einen Blick zum Wohnzimmer, wo Clay immer noch reglos stand. Er beobachtete mich angestrengt und kam nun zögernd näher. Er sah immer noch erregt und ängstlich aus, komplett aufgelöst, und schüttelte unentwegt mit dem Kopf. Herr Banton wollte auf keinen Fall, dass ich die Tür öffnete, ganz egal, was ich Sean auch für Bedingungen stellte.
Sean war eine ganze Weile still. „Warum sollte ich ihn schlagen wollen?" fragte er mich schließlich argwöhnisch. Ich schaute Clay spontan triumphierend an, denn für mich war das ein eindeutiger Beweis, dass Sean keineswegs hier war, um eine Prügelei anzuzetteln. Ich formte „Siehst du!" mit meinen Lippen in Clays Richtung. Aber den konnten Seans Worte offenbar überhaupt nicht beruhigen. Er schüttelte immer noch den hübschen, wirren Kopf und beschwor mich lautlos, auf keinen Fall die Tür zu öffnen. Es war eine vertrackte Situation, die mir zunehmend auf den Geist ging.
„Also, versprichst du es mir, oder was?" rief ich laut und ungeduldig. „Na klar, wenn es sein muss!" erwiderte Sean gleichgültig. „Jetzt mach endlich auf!" forderte er dann hörbar genervt und ungeduldig. „Was soll denn dieser Scheiß überhaupt?" wollte er verständnislos wissen.
Mein Blick lag auf Herrn Banton, der jetzt im Flur hinter mir stand und mich starr beobachtete. Seans Worte beeindruckten ihn kein bisschen, er glaubte seinem Freund eindeutig kein Wort. Clay sah jetzt in all seiner Aufregung müde und resigniert aus, als hätte er sein schweres Schicksal notgedrungen akzeptiert.
„Versprich es mir, Valmont!" beharrte ich laut, „Versprich mir, dass du Clay nichts tust, wenn ich dich reinlasse!" Ich wollte Clay damit demonstrieren, dass mir dieses Versprechen wirklich wichtig war. Aber Clay wirkte inzwischen, als wäre er eigentlich gar nicht mehr da. Offensichtlich hatte er einfach abgeschaltet, sich erneut fast vollständig in sich selbst zurückgezogen, weil ihm die Situation zunehmend aus den Händen glitt. Das war eine typische Reaktion von Clay. Er stand nur wie erstarrt dort im Flur, fixierte die Tür und atmete schwer. Seine Hände zitterten.
„Herrgott ja!" stöhnte Sean ungehalten, „Ich verspreche dir, dass ich Clay nichts tue, wenn du mich endlich reinlässt!" Ich überlegte, ob ich es wagen konnte, ihn hereinzulassen. Dann wurde mir bewusst, dass ich schlicht gar keine andere Wahl hatte. „Nun lass mich aber auch rein, Laser!" verlangte Sean lauthals voller Ungeduld.
Also öffnete ich zögernd die Tür. Ich war angespannt darauf gefasst, dass Sean hereinstürmen und sich sofort auf Clay stürzen würde, um ihn zu verprügeln. Ein Blick auf Clay verriet mir, dass der ebenfalls damit rechnete, direkt von Sean angegriffen zu werden, sobald die Tür aufging.
Clay hatte jetzt die Augen mühsam konzentriert weit aufgerissen und seinen ganzen Körper kampfbereit angespannt. Erwartungsvoll starrte er die Tür an. Aber er war schwer angeschlagen und schwankte, sodass er sich an der Wand abstützen musste, um sich zu stabilisieren. Um ihn zu schützen und mein Versprechen einhalten zu können, trat ich nervös in den Türspalt, um Sean im Notfall aufhalten zu können, obwohl mir klar war, dass ich dazu nicht in der Lage sein würde.
Aber zu meiner Überraschung kam Sean gar nicht hereingestürmt. Der hartnäckige Mann kam überhaupt nicht. Ich stellte mich irritiert in den Türrahmen und lugte vorsichtig zu ihm hinaus. Sean Valmont stand zwei Schritte von meiner Tür entfernt an das Treppengeländer gelehnt und lächelte mich spöttisch an. „Was für eine Aufregung!" begrüßte er mich voller Hohn.
Sein Anblick drohte mich unwillkürlich aus meinem Konzept zu bringen. Ich hatte mit brutaler Aggressivität gerechnet und sah nur Spott. Im Hausflur stand äußerst gutaussehender Spott.
Ich schluckte und riss mich zusammen. „Was fällt dir ein hier so laut herumzuschreien, so lange bei mir zu klingeln und gegen meine Tür zu hämmern! Was soll dieser Radau, Valmont?" fuhr ich ihn böse an. Sein enorm attraktives Lächeln wurde noch breiter. „Warum lässt du mich nicht herein, Laser?" entgegnete er ungerührt, „Habe ich euch vielleicht bei irgendwas gestört?"
Seine mega faszinierend hellblauen Augen blitzten erwartungsvoll. Er war absolut bereit für diese Konfrontation, sehnte sie förmlich herbei. Sein offen zur Schau getragenes, exorbitantes Selbstbewusstsein imponierte mir unwillkürlich. Mir fiel nichts besseres ein, als ihm die Wahrheit zusagen. „Clay hat große Angst vor dir", informierte ich ihn automatisch, als müsste ich mich vor ihm rechtfertigen. Er lachte amüsiert auf. „Tatsächlich?!" Ich nickte. „Ja, er denkt, du willst ihn verprügeln." Lauernd wartete ich auf seine Reaktion.
Sean betrachtete mich eine Weile nachdenklich. Dann machte er plötzlich einen Schritt auf mich zu. „Lässt du mich jetzt rein, oder was?" fragte er mit einem Hauch von Ungeduld in der Stimme. Ich rührte mich nicht vom Fleck. Ich stand immer noch in der Tür, bereit ihn aufzuhalten. Ich versuchte abzuschätzen, was in ihm vorging. Er wirkte ganz ruhig. „Willst du ihn schlagen?" vergewisserte ich mich ernsthaft. Sean seufzte unduldsam auf und erwiderte meinen bohrenden Blick. „Keine Ahnung", zischte er leise.
Mit seiner spontanen Ehrlichkeit hatte ich nicht gerechnet und starrte ihn überrascht an. Er wich meinem Blick nicht aus. Dann runzelte ich unzufrieden die Stirn. „Hör zu, Valmont, ich werde auf keinen Fall zulassen, dass du Clay in meiner Wohnung schlägst!" machte ich ihm energisch klar.
Er schaute mich abschätzend an, dann lächelte er wieder. Sein Lächeln war dermaßen charmant, dass mein Herz unwillkürlich einige Schläge aussetzte, wie ich verärgert registrierte. Sean kam noch einen Schritt auf mich zu, bis er dicht vor mir stand. Er beugte sich zu mir hin. „Hör zu, Eliza", flüsterte er amüsiert, „Ich werde Clay nicht in deiner Wohnung schlagen, okay?"
Er richtete sich wieder auf und studierte mich lauernd. „Beruhigt dich das?" wollte er von mir wissen. Der funkelnde Spott in seinen Augen ärgerte mich. Aber gleichzeitig war Sean so einnehmend charmant und attraktiv, dass ich allein von seiner Nähe förmlich erschlagen wurde. Verärgert merkte ich, dass ich gegen seine unwiderstehliche Ausstrahlung keine Chance hatte. Anders als Clay Banton würde Sean Valmont sich mir gewiss niemals unterordnen, ging es mir verwirrt durch den Kopf.
„Also gut", seufzte ich schließlich resigniert und ging zögernd einen Schritt zur Seite. Ich öffnete die Tür nur so weit, dass Sean an mir vorbei in meine Wohnung treten konnte, was er auch augenblicklich tat. Als er ohne zu zögern dicht an mir vorbeiging, stieg mir völlig unerwartet der betörende Duft seines Rasierwassers in die Nase. Reflexartig atmete ich tief ein, bis ich mich selbst irritiert zur Ordnung rief. Mein Blick folgte ihm aufmerksam, und ich mahnte mich innerlich, ihn auf jeden Fall im Auge zu behalten, damit ich notfalls sofort eingreifen konnte. Aber gleichzeitig zweifelte ich stark daran, dass ich diesen Mann mit seiner unbändigen Energie überhaupt würde aufhalten können.
Angespannt beobachtete ich die undurchsichtige Situation. Kaum war Sean in meinem Wohnungsflur, da wandte sich seine Aufmerksamkeit auch schon von mir ab zu seinem eigentlichen Ziel. Er fasste unverzüglich Clay ins Visier, der ängstlich, angespannt einige Schritte von ihm entfernt an der Wand lehnte und ihm total ratlos entgegensah. Seans Augen verengten sich auf Anhieb sehr zornig, als er Clay entdeckte. Clay registrierte das nervös und hob instinktiv abwehrend die Hände. Er schaute sich noch immer panisch wirr nach einem Fluchtweg um, rührte sich jedoch nicht von der Stelle.
Ich schloss meine Wohnungstür und ging entschlossen auf die beiden zu. „Du hast mir was versprochen, Valmont!" erinnerte ich ihn eindringlich. Die enorm aggressive Spannung in diesem Raum gefiel mir absolut nicht. Der Testosteron-Gehalt in der Luft schien bedrohlich anzusteigen.
Aber Sean reagierte gar nicht mehr auf mich. Er wirkte, als hätte er meine Anwesenheit einfach vergessen oder zumindest komplett ausgeblendet. Ausschließlich Clay Banton war sichtbar alles, was ihn jetzt noch interessierte. Also blieb ich notgedrungen stehen und wartete nervös darauf, was nun passieren würde.
Die beiden ungefähr gleich großen, attraktiven Männer standen jetzt nah voreinander und schauten sich schweigend an. Je länger die Stille anhielt, desto unbehaglicher wurde sie. Ich bekam das überwältigende Gefühl, dass die Luft in diesem Zimmer sich auf einmal stark elektrisch auflud. Es hätte mich wahrhaftig nicht gewundert, wenn sich aus dem Nichts heraus plötzlich tosende Blitze gebildet hätten, wenn ein mächtiger Sturm aufgekommen wäre, der um Clay und Sean herum durch meinen Flur getobt wäre.
Clay
Valmont kam durchgeknallt zu Elizas Wohnung und das dumme Weib ließ ihn natürlich herein. Das nahm ich ihr wirklich extrem übel, denn ich hatte sie wiederholt so sehr gebeten, es nicht zu tun. Intuitiv bekam ich panische Angst vor Valmont und wusste nicht einmal warum. Ich war geil und konnte mich nur vage erinnern, was wohl passiert war, was ich vergessen hatte zu tun.
Dieser beschissene Tag hatte mich so vollgestopft mit blöden Erinnerungen, niederschmetternden Gefühlen, dass es mir schwerfiel, darüber ernsthaft nachzudenken. Aber mir war augenblicklich völlig klar, dass Sean Valmont verdammt wütend auf mich war, und das bedeutete grundsätzlich immer, dass er mich auf irgendeine Art bestrafen würde. Dessen war ich mir hundertprozentig sicher, lange bevor er die Wohnung betrat.
Ich hatte andere Dinge zutun, zu viele verbale und mentale Schläge einstecken müssen, die zu viele böse Gedanken und Gefühle in mir ausgelöst hatten, und ich war zu Eliza geflüchtet, um mich davon zu erholen, so wie ich es in diesen Fällen immer tue. Deshalb war Valmont vielleicht wütend auf mich. Es ärgerte ihn, weil ich stattdessen nicht zu ihm gekommen war. Sean war selbstverständlich eifersüchtig. Und wahrscheinlich war er außerdem frustriert, weil ich seiner neuen Performance nicht genug Enthusiasmus schenkte, vermutete ich nervös.
Irgendwann stand er jedenfalls dicht vor mir in diesem kleinen Flur in Elizas Wohnung und starrte mich vernichtend an. Es gab kein Entkommen vor seinem durchdringenden Blick aus seinen verflucht wunderbaren blauen Augen. Seine pechschwarzen Pupillen waren so groß, dass sie fast die ganze Iris ausfüllten, sodass ich mich in ihnen spiegelte.
Ich fühlte mich wie ein hilfloses Kaninchen in der Lebendfalle dieser scheiß Wohnung. Ich war ein blöder Idiot, der sein Auto direkt vor dem Hauseingang geparkt hatte, um wütendem Valmont sofort mitzuteilen, wo er mich finden würde. Ich überlegte unentwegt, irgendwie vor ihm zu flüchten, aber es gab keinen Ausweg, obwohl ich lange danach suchte. Ich hatte aber keinen Bock, aus dem vierten Stockwerk durch ein Fenster auf die Straße zu fallen. Ich fand keine Möglichkeit, mich diesem Tribunal zu entziehen, deshalb blieb ich dort.
Außerdem wusste ich sowieso nicht wohin, und ich war die ganze Zeit tierisch geil auf die Frau oder auch irgendwen sonst. Eliza hatte mich mit ihrem kontinuierlichen Wechselspiel von Anfassen und Wegstoßen, Küssen und Schlagen in diesen Zustand versetzt, der verdammt nah am Overkill war. Mein Körper war mittlerweile so angespannt, dass er an allen Enden vegetativ zitterte. Mein Kopf war ein Vakuum, weil jegliches Blut mir in den Schwanz gepumpt worden war, der so hart und eng in die Jeans gepresst wurde, dass es wehtat. Gleichzeitig törnte mich der drückende Schmerz aber auch irgendwie an, und ich verspürte unentwegt den bekloppten, übermächtigen Drang, mich sehr gezielt irgendwo zu reiben.
Aber stattdessen zwang ich mich, dem stechenden Blick von Herrn Valmonts faszinierend hellblauen Augen standzuhalten. Wir sahen uns eine lange Zeit nur reglos an, schätzten unsere derzeitige Verfassung ausführlich gegenseitig ab. Und derweil konnte ich in Seans vertrauten Augen eine Menge lesen, was ich mit der Zeit gebannt zur Kenntnis nahm.
Sean Valmont war ganz ohne Zweifel sehr wütend auf mich. Und er war ebenfalls extrem enttäuscht von mir. Ich musste ihn mit irgendetwas schwer verletzt haben. Zweifellos hatte er nicht wenig Kokain konsumiert, was mich auf der Stelle beunruhigte, weil es seine Gefühle bis zur Raserei steigern konnte. Offenbar hatte der Mann das dringende Bedürfnis mich zu schlagen und konnte sich nur mit großer Mühe bändigen. Schon viel zu lange hatte er sich zurückgehalten, vermutete ich, deshalb war er jetzt nahe daran zuplatzen.
Hinter seiner tosenden Wut konnte ich auch ein eindeutiges Funkeln seiner ständigen Gier nach mir entdecken. Aber diesmal amüsierte mich das kaum, denn es war eine offen brutale und unkontrollierte Gier, die in seinen Augen blitzte.
Wir standen ziemlich lange schweigend und bewegungslos voreinander in diesem Flur. Unser ständiger Blickkontakt wurde mit der Zeit mega intensiv. Seine wunderschönen Augen durchbohrten mich, schlugen mich hart, verurteilten mich zum Tod, tasteten mich ab, vergewaltigten mich brutal, was mich unheimlich nervös machte. Ich stand ganz still, während ich ungewollt hyperventilierte. Mein Herz hämmerte schnell und unruhig. Mir wurde bewusst, dass es nur zwei Möglichkeiten für mich gab, aus dieser Zwangslage wieder herauszukommen. Entweder würde Sean Valmont mich schlagen, oder er würde mich ficken, und beides würde mir Schmerzen bereiten.
Das würde passieren, weil der Mann den ungezähmten Drang in sich verspürte, mir wehzutun. Einen Ausweg gab es für mich nicht, absolut kein Entkommen. Ich fühlte mich extrem bedroht von seinen ungebändigten, förmlich brodelnden, von zu viel gebasetem Koks enorm verstärkten Energien, die er mit in diese Wohnung gebracht hatte. Seine pure Präsenz und der betörende Geruch seines teuren Designer-Rasierwassers wurden so überwältigend, dass ich schon bald befürchtete, restlos den Verstand zu verlieren. Ich ahnte matt, dass ich höchstwahrscheinlich gleich ohnmächtig werden würde.
Letztendlich verlor ich unser Blickduell ziemlich kläglich. Ich konnte die bedrohlichen Emotionen und die offene Anklage in seinen Augen einfach nicht länger ertragen. Maßlos verwirrt und eingeschüchtert brach ich abrupt unseren Blickkontakt ab, indem ich abwehrend die Augen schloss.
„Guck mich an, Banton!" brüllte Sean fast gleichzeitig drohend los. Er packte mich plötzlich hart an der Krawatte und drückte meine Kehle brutal gegen die Wand in meinem Rücken. Erschrocken riss ich die Augen auf. Panisch rang ich nach Luft, bis er seinen brutalen Griff ein wenig lockerte. „Warum warst du nicht im Theater, verdammt?" fragte Sean mich aggressiv. Irritiert starrte ich ihn an. Meine Augen flatterten so nervös, dass ich ihn kaum fixieren konnte.
Ich hatte keine Ahnung, was er hören wollte. Mir fiel nichts ein, was ihn vielleicht besänftigen würde. Ich war hierher gekommen, damit Eliza ihre Hand auf meinen Bauch legte. Ich wollte dringend mit Eliza schlafen. Noch vor Kurzem hatte sie meinen Schwanz äußerst zärtlich mit ihrer Hand liebkost, und ich konnte sie immer noch dort spüren. Ich hatte echte Mühe damit, mich so schnell und unerwartet auf diese völlig andere Situation einzustellen.
„Du hattest mir fest versprochen zu kommen, Banton!" klagte Sean mich lauthals an, „Anscheinend hast du keine Ahnung, wie verflucht wichtig dieser verdammte Termin heute war!"
Defensiv bemühte ich mich, seinen zornigen Blick zu erwidern. In meinem konfusen Gehirn suchte ich hastig nach der passenden Erinnerung daran, was das für ein Termin war, von dem Sean behauptete, er wäre wichtig gewesen. Aber seine großen, pechschwarzen Pupillen in den hellblauen Augen schüchterten mich inzwischen dermaßen ein, dass ich keinen einzigen Gedanken richtig zu fassen bekam.
Hilflos hob ich schließlich meine Hände. „Es tut mir leid", versuchte ich ihn instinktiv milder zu stimmen. Aber das funktionierte leider diesmal überhaupt nicht. „Das will ich nicht von dir hören, verdammt!" schnauzte Sean mich wütend an, „Deine ständigen scheiß Entschuldigungen haben schon viel zu lange keinen Wert mehr! Du solltest endlich damit anfangen, dich so zu verhalten, dass du dich nicht mehr dafür entschuldigen musst!"
„Tut mir leid", wiederholte ich spontan vollkommen verwirrt. Daraufhin schlug er mich erzürnt auf die Wange. „Hör auf, Valmont!" kreischte Eliza sofort entsetzt auf und rief sich damit zurück in unsere Erinnerung. „Halt dich da raus!" knurrte Sean unfreundlich in ihre Richtung, ohne den Blick von mir zu nehmen. „Du hast mir versprochen, ihn nicht zu schlagen!" beharrte sie energisch und kam mutig einen Schritt auf uns zu. „Ich werde ihn nicht schlagen, verdammt!" erwiderte Sean genervt, ohne mich aus den Augen zu lassen.
Aber seine Worte beruhigten mich überhaupt nicht, weil ich es inzwischen definitiv besser wusste. Seine glühenden Augen verrieten mir, dass er sich nur mit Mühe zusammenriss, dass er nahe daran war, völlig die Kontrolle über sich zu verlieren. Und diese Tatsache machte mir eine Heidenangst.
Panisch holte ich tief Luft. „Ich war heute beim Methadonarzt!" erzählte ich ihm hastig, „Ich nehme jetzt Methadon, darum hatte ich keine Zeit fürs Theater! Du wolltest doch unbedingt, dass ich zum Arzt gehe, Valmont! Du selbst hast mich doch da hingeschickt!" Nervös trat ich auf der Stelle und wartete auf seine Reaktion. Er betrachtete mich lauernd, dann huschte ein überraschtes Lächeln über sein verflucht hübsches Gesicht. „Du warst beim Arzt?" fragte er misstrauisch nach. Ich nickte fahrig und zwang mich ruhiger zu atmen, denn mir war vom Hyperventilieren schon ganz schwindelig.
„Ja doch, ehrlich! Er hat mir Methadon gegeben! Ich werde das auf jeden Fall jetzt durchziehen, Sean!" versicherte ich ihm eilends. Der Mann musterte mich abschätzend, ohne meine Krawatte loszulassen. Es war klar, dass er meinen Worten nicht traute. „Der Arzt öffnet um acht Uhr morgens, Clay! Du hättest also locker um vier Uhr nachmittags im Theater sein können!" warf er mir spöttisch vor. Seine Stimme klang endlich nicht mehr ganz so unerbittlich, was mich spontan ein wenig erleichterte.
Aber Eliza zerstörte meine minimale Erleichterung auf der Stelle, als sie Sean triumphierend informierte: „Clay kam um vier zu mir!" Für eine Sekunde schloss ich intuitiv stöhnend die Augen. Augenblicklich war mir klar, dass das so ziemlich das Allerdümmste gewesen war, was sie in dieser Situation zu Valmont hätte sagen können.
Und damit hatte ich leider vollkommen recht. Sofort flammte seine brennende Eifersucht in seinen Augen auf und steigerte seine Wut enorm. Jetzt explodiert er gleich, befürchtete ich alarmiert.
Aber zu meinem grenzenlosen Erstaunen zwang er sich anscheinend, sich vor Liz nichts anmerken zu lassen. Wahrscheinlich gönnte er ihr diesen Triumph nicht. Dennoch kostete sie ihren Triumph sichtbar aus. „Er fand es wohl wichtiger, zu mir zu kommen, als zu dir ins Theater!" setzte sie unbedarft noch eins drauf.
Ich warf ihr nervös einen warnenden Blick zu, der Valmont natürlich überhaupt nicht gefiel. Eliza kannte Sean aber nicht gut genug, um diese gefährliche Situation richtig einschätzen zu können. Sie war ziemlich naiv und lächelte amüsiert. Sean ignorierte sie nur mühsam. Er packte mich plötzlich wieder hart an der Kehle und presste mich gegen die Wand. „Du blödes Arschloch!" zischte er mir aufgebracht zu, „Wir hatten heute die verdammte erste Probe von Supernova Soul!" „Es tut mir leid, Sean!" krächzte ich verwirrt und rang panisch nach Luft. „Lass mich los!" bat ich ihn atemlos.
Er genoss meine Qual viel zu lange, bis er seinen Griff endlich ein wenig lockerte. Panisch, krampfhaft atmete ich tief ein. Sean studierte mich mit offener Verachtung. „Hast du dir Supernova Soul überhaupt nur ein Mal angeguckt, seit du gestern von uns weggefahren bist?" wollte er höhnisch von mir wissen. Hinter seinem aggressiven Spott lag seine riesengroße Enttäuschung über meine Unzuverlässigkeit und Gleichgültigkeit.
Ich war sicher, dass er die Antwort auf seine Fangfrage längst wusste, und langsam ging mir diese unangenehme, demütigende Szene mächtig auf den Geist. Wie zur Hölle soll ich den Text von Supernova Soul lernen, während wir noch Psychotic Kühlschrank aufführen, dachte ich aufsässig. Ich kann mir unmöglich zwei ellenlange Textpassagen und unzählige Choreographien von zwei verschiedenen scheiß Performances merken! Bestimmt würde ich mit meinen Rollen total durcheinander kommen!
„Selbstverständlich habe ich mir Supernova Soul angesehen! Du hast mich ja gestern gezwungen, es mir stundenlang anzusehen!" antwortete ich Sean genervt. Er verzog das Gesicht und knurrte: „Gestern? Du redest von gestern? Ich meine aber die Zeit danach! Hast du nur ein einziges Mal seitdem reingeguckt, hä?!" „Ich habe es mir unentwegt angesehen!" log ich ihm verzweifelt ins Gesicht. Trotzig taxierte ich ihn und wünschte mir, er würde mit diesem Scheiß endlich aufhören und seine Hand auf meinen Bauch legen.
Sean Valmont wusste natürlich, dass ich ihm nicht die Wahrheit sagte, und das entfachte seinen Zorn erneut. Seine Augen blitzten absolut verhängnisvoll. Er sagte gar nichts. „Lass mich los!" wiederholte ich protestierend, „Ich muss pinkeln!"
Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, aber ich suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, diesem Wahnsinn zu entkommen. Ich fühlte mich diesem völlig durchgeknallten und absolut verheerend kokainberauschten Mann dermaßen ausgeliefert, dass mir alles recht gewesen wäre, um seiner Gewalt und seinem tödlichen Blick zu entfliehen. Die ganze Zeit hatte ich große Angst davor, dass er jeden Moment anfangen würde, auf mich einzuschlagen. Ich kannte Sean Valmont einfach viel zu gut, um sicher zu sein, dass er nicht mehr sehr weit vom ersten Schlag entfernt war.
Unbehaglich wurde mir zunehmend das völlige Fehlen der beruhigenden Wirkung des Heroins bewusst, was mich so lange täglich begleitet hatte. Und verdammt, ich sehnte mich ganz erbärmlich nach ein wenig Beruhigung! Ich sehnte mir die vertraute Mauer aus Zuckerwatte um mich herum herbei, oder wenigstens irgendeinen Vollrausch. Das Methadon bewahrte mich zwar halbwegs vor den Qualen des körperlichen Entzugs, aber es bescherte mir gleichzeitig eine äußerst unangenehme, ungewohnte und schlicht knallharte Nüchternheit. Ich spürte den Affen unter der Oberfläche meines Körpers. Er würde nicht herauskommen, solange das Methadon wirkte, aber pausenlos lauerte er dort, wie eine unsichtbare Gefahr, ein ständig drohender Begleiter. Dieses Gefühl gefiel mir überhaupt nicht. Die ganze Situation fing an, mich unglaublich zu nerven. Mit Valmonts komplett irrationaler Wut konnte ich nichts anfangen. Ich hatte keine Ahnung, was er eigentlich von mir wollte.
Sean
Es war wirklich keine große Überraschung für mich, dass Clay sich bei Eliza verkrochen hatte, und ich ihn ausgerechnet dort aufspüren musste. Tatsächlich war Eliza immer die erste Adresse, wenn man ihn suchte, weil er ständig bei dieser Frau Zuflucht suchte. Ich wusste das. Trotzdem enttäuschte es mich auch diesmal maßlos. Es machte mich wütend, weil es mich so sehr verletzte.
Die Situation in diesem Flur, in dieser verdammten Wohnung, war mehr als absurd. Dimitri hatte mir auf der Straße ein bisschen lupenreines Kokain verkauft, und jetzt hatte ich Mühe damit, nicht die Kontrolle über mich zu verlieren. Clay Banton stand so verdammt nah vor mir. Seine Furcht vor mir war tatsächlich so gigantisch, dass ich sie mit jeder Faser meines Körpers spüren konnte, was mich überraschenderweise enorm antörnte.
Ich hielt ihn an seiner blöden, roten Krawatte gepackt, hatte seine Kehle hart gegen die Wand in seinem Rücken gepresst, sodass er kaum noch atmen konnte. Ich fixierte ihn unentwegt und hatte dabei das dringende Bedürfnis auf ihn einzuschlagen. Ich wollte ihn dringend schlagen oder ficken, wahrscheinlich beides gleichzeitig.
Definitiv hatte ich keine Ahnung, wie diese Sache ausgehen würde. In meinem Kopf war keinerlei Plan mehr. Clay Banton stand direkt vor mir, und damit war mein Ziel schlicht erreicht. Alles in mir war plötzlich irgendwie leer und gleichzeitig bis zum Rand vollgestopft mit mächtigen Emotionen, die nun völlig unwillkürlich und ungebremst aus mir heraus drängten. Ganz ohne Zweifel wurden meine Gefühle von der chemischen Droge mächtig angeheizt, während ich die Fähigkeit, sie zu kontrollieren, immer mehr zu verlieren schien.
Ich machte ihm heftige Vorwürfe, warf ihm berechtigterweise vor, uns im Theater im Stich gelassen zu haben. Offenbar hatte er auch diesen wichtigen Termin einfach vergessen, was mich nicht einmal besonders überraschte. Aber seine dumme Ignoranz machte mich zum wiederholten Mal sehr wütend.
Er erzählte mir hastig etwas über Methadon, versuchte spürbar verzweifelt, sein Fehlen im Theater irgendwie zu rechtfertigen. Aber für seine ständigen, schon instinktiv hervorgebrachten Entschuldigungen war es viel zu spät.
In diesem Moment gab es nichts mehr, was mich von meiner Wut hätte abbringen können. Clay hätte in diesem Flur nichts tun oder sagen können, was das Ruder vielleicht noch herumgerissen oder ihm auch nur einen vagen Vorteil verschafft hätte. Es gab für ihn und auch für mich selbst kein Entkommen aus dieser Situation. Das war mir sofort klar, genau in der Sekunde, als ich ihn bei Eliza Laser fand.
Zwar wusste ich nicht, wie sich unsere Konfrontation entwickeln würde. Ich hatte keine Vorstellung davon, was genau passieren würde. Aber wohin dieser Weg uns führte, das wurde mir zunehmend klar. Und auch Clay begann es zu ahnen, je länger er mich in diesem Flur erlebte. Obwohl es uns an diesem Punkt noch nicht richtig bewusst war. Ich konnte aber die ganze Zeit seine mächtige Angst in seinen Augen sehen, was mich aus irgendeinem Grund unglaublich erregte. Seine Panik vor dem Schmerz und dem Unvermeidlichen, seine Hilflosigkeit vor meiner starken Präsenz, sein total wütendes Aufbegehren tief drinnen. All seine greifbaren Gefühle in seinen weit aufgerissenen, wirren, schönen Augen waren wie ein starkes Aphrodisiakum für mich. Mein Herz schlug hart, aber ich zwang mich, ganz ruhig zu bleiben.
„Clay ist zu mir gekommen!" sagte Eliza später voller Hohn und Überheblichkeit zu mir. „Er fand es wohl wichtiger, zu mir zu kommen, als zu dir ins Theater!" setzte sie ihrem beschissenen Triumph die Krone auf. Clay verstand auf Anhieb und warf ihr erschrocken einen warnenden Blick zu, der mich extrem ärgerte. Ich versuchte mühsam, diese schmerzhaft wahren Worte und den viel zu vertraulichen Augenkontakt zu ignorieren.
„Wir hatten heute die verdammte erste Probe von Supernova Soul!" versuchte ich Clay begreiflich zu machen. „Hast du nur ein einziges Mal in dein Textbuch geschaut?" fragte ich ihn anklagend. Er beteuerte es, log mich aber dreist an. Ich wusste längst, dass er das neue Buch nicht mehr aufgeschlagen hatte, seit er am Tag zuvor mein Haus verlassen hatte. Es interessierte ihn einfach nicht genug.
Dieses Gespräch war genauso, als würde ich mit einem Phantom reden, denn seine Reaktion blieb völlig aus. Herr Banton hatte zu große Angst, war zu aufgewühlt und verwirrt, um meine Worte richtig zu erfassen, den Sinn meiner Aussagen richtig einordnen zu können. Es machte mich unglaublich wütend, dass er meine angebrachten Vorwürfe schlicht nicht begriff.
Ich beschimpfte ihn spontan und drückte ihn erneut mit der Kehle gegen die Wand, bis er keine Luft mehr bekam. Er knurrte und rang panisch nach Sauerstoff, was mich unwillkürlich tierisch aufgeilte, wie ich fasziniert zur Kenntnis nahm. „Lass mich los!" jammerte Clay keuchend. „Ich muss pinkeln!" behauptete er flehentlich. Ich lockerte meinen Griff aber kaum. Ich taxierte ihn und versuchte abzuschätzen, ob er in diesem Punkt die Wahrheit sagte. Er erwiderte meinen prüfenden Blick dermaßen unterwürfig, dass mein Herz unvermittelt einige Schläge aussetzte.
"Bitte, Sean, bitte lass mich los!" flüsterte er beschwörend, betörend atemlos. Es war eine Weile still in diesem Raum, während wir uns stumm fixierten, nur sein Ventilieren und mein kräftiger Herzschlag in meinen Ohren. Plötzlich bekam ich den beinahe übermächtigen Drang, sexuell motiviert über ihn herzufallen. Mein Körper reagierte augenblicklich, als könnte er es nicht erwarten. Die Zeit schien minutenlang komplett still zu stehen.
Bis Eliza diesen verzauberten Moment vernichtete, indem sie sich lauthals zurück in mein Gedächtnis schimpfte: „Es reicht, Valmont! Lass ihn jetzt endlich los, hörst du?!" Ihre kühne Stimme duldete keinen Widerspruch. Ich lachte spöttisch und warf ihr einen geringschätzigen Blick zu. Die Frau war wahrlich nicht in der Position, mir auch nur irgendetwas befehlen zu können, das war sie nie, und das sollte sie langsam auch begreifen.
Ich glaube aber nicht, dass sie es begriff, denn sie sah kampfbereit und arrogant aus. Sie beobachtete mich die ganze Zeit aufmerksam mit einer extrem merkwürdigen Mischung aus Neugier, Respekt, Faszination und Abneigung. Genervt wandte ich mich von ihr ab. Für mich gab es jetzt keine Alternativen mehr.
Kurzentschlossen griff ich Clay hart an seiner Krawatte und zog ihn ruckartig zu mir hin. Er versuchte nicht einmal, sich gegen mich zu wehren. Ich packte ihn und schubste ihn ohne zu zögern vor mir her zum Badezimmer. Ich handelte bewusst so überraschend schnell, dass keiner der beiden darauf reagieren konnte, nicht mal ansatzweise. Ich versetzte dem alarmierten, total überrumpelten Mann spontan einen so heftigen Schlag in den Rücken, dass er ins Badezimmer stolperte, sein Gleichgewicht verlor und hinfiel. Im gleichen Moment hatte ich auch schon die Tür hinter uns geschlossen und den Schlüssel zweimal herumgedreht.
Nun war ich zusammen mit Clay Banton allein in diesem Waschraum. Der Mann meiner Begierden war vollends in meiner Gewalt. Einige Zeit stand ich reglos, sprachlos an der Tür. Ich betrachtete ihn genau und kostete die erregende Gewissheit meiner uneingeschränkten Machtposition aus. Er war so verdammt hübsch, so unglaublich derangiert und hilflos. Er lag auf dem harten Fliesenboden und stöhnte schmerzerfüllt: „Fuck....! Du...! Was...?" Er atmete viel zu schnell, sodass nur einzelne Wörter aus ihm herauskamen.
Mühsam drehte er sich herum und schaute mich erstaunt an, völlig verwirrt. Wir musterten uns noch eine Weile abschätzend. Überraschend schnell dämmerte Clay sichtbar, was ich jetzt von ihm wollte. Er kannte mich zu gut, um mir mein Erfordernis nicht anzumerken. Es bedurfte keiner Worte, um die Situation zwischen uns zu klären. Und das war eine weitere Tatsache, die mich an diesem Punkt zusätzlich erregte, ein Verstehen ohne verbale Kommunikation. Diese so überwältigend vertraute, intensive seelische Verbindung, die es ausschließlich zwischen Clay Banton und Sean Valmont gab.
Reflexartig holte ich tief Luft. Meine Erektion fühlte sich langsam ziemlich prall an. Bewegungslos stand ich an dieser Tür und guckte auf ihn herunter. Er schaute mit der ihm eigenen Mischung aus Demut, Wut und Konfrontationsbereitschaft zu mir hoch, von der ich nicht genug kriegen konnte.
Schließlich bewegte er sich ächzend, ohne mich aus den Augen zu lassen. Anscheinend tat ihm jede Regung weh. Ich registrierte, dass er immer noch verletzt aussah, vielleicht sogar mehr als gestern. Clay richtete seinen muskulösen Oberkörper auf und lehnte sich ein wenig zurück, wobei er sich mit beiden Händen hinter sich abstützte. Betont langsam und aufreizend streckte er seine langen Beine auf dem Boden aus und präsentierte mir sein Becken, während er mich vielsagend taxierte.
Mit unwillkürlich stockendem Atem und etlichen aussetzenden Herzschlägen registrierte ich, dass er genau wie ich eine Erektion hatte. Herr Banton war trotz seiner greifbaren Angst sichtbar sexuell erregt, obwohl ich ihn erst vor wenigen Augenblicken massiv bedroht und mit meiner Faust nahezu erwürgt hatte. Oder vielleicht hatten auch gerade meine Präsenz, meine Aggressivität und die Luftnot ihn aufgegeilt, was wiederum mich ziemlich stark antörnte.
Ich war dermaßen überwältigt von dieser Eventualität, dass ich mindestens zwei Minuten brauchte, um auf diese frivole Information reagieren zu können, die Clay mir wortlos nach Luft ringend, aber mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht dreist entgegen schleuderte. Ich starrte unwillkürlich gierig auf die eindeutige Beule in seiner engen Jeans und war viel zu lange total fassungslos, während ich mich irritiert fragte, wie ich dieses Detail nur hatte übersehen können.
Nur mit Mühe konnte ich mich irgendwann von dem verlockenden Anblick losreißen und verworren in sein Gesicht schauen, wo ich nun ein offen amüsiertes Lächeln fand. Er machte sich über mich lustig. Meine unwillkürlich gebannte Reaktion auf seinen steifen Schwanz amüsierte ihn, und das ärgerte mich enorm. Das war ich gar nicht, rief ich mich bekloppt enttäuscht und verärgert zur Räson, ich habe das bestimmt nicht verursacht, sondern einzig die verdammte Frau!
„Was hast du gemacht, bevor ich hierher kam, Clay? Hast du dich ausführlich mit Eliza vergnügt?" fauchte ich ihn wütend an und ging drohend zwei Schritte auf ihn zu. Sein Lächeln starb augenblicklich, er beobachtete mich alarmiert. „Nein, das war kein Vergnügen!" erwiderte er sofort und schüttelte bekräftigend den Kopf. „Warum bist du dann immer noch hier?" fragte ich höhnisch, weil ich ihm kein Wort glaubte, denn Liz war permanent geil auf meinen Mann. Clay schwieg ratlos, als wüsste er selbst nicht, warum er eigentlich noch hier war.
„Guck dich doch an, Banton! Eliza hat dich total geil gemacht!" warf ich ihm vor, obwohl mir das zweifellos gar nicht zustand. Während ich sie aussprach, tat diese Vorstellung mir weh, schürte meine Eifersucht, und das gefiel mir überhaupt nicht. Reiß dich zusammen, dachte ich bei mir, lass dich nicht von so einem blöden Scheiß runter ziehen!
Clay blies spöttisch die Luft aus. „Eliza hat mich höchstens total wahnsinnig gemacht", spuckte er mich wütend an, zog eine angewiderte Grimasse und wich dann meinem Blick aus, indem er nachdenklich, aber auch provozierend auf seinen Schwanz starrte.
Verblüfft musterte ich ihn. Was sollte das denn bedeuten? Was war da passiert zwischen den beiden? Hatten sie sich etwa gestritten? War seine sexuelle Erregung deshalb womöglich tatsächlich nur auf mich zurückzuführen? Der Gedanke, die vage Möglichkeit, dass die große Liebe zwischen Clay und Eliza abgekühlt war, gefiel mir und besänftigte mich. Die eventuellen Spannungen zwischen Banton und Laser interessierten mich aber längst nicht genug, um weiter nachzufragen, schon gar nicht jetzt in diesem Moment, wo mein Körper und meine Seele unter Hochspannung standen.
Stattdessen folgte ich wie ferngelenkt seinem Blick, sah mir nochmal ausführlich, sehnsüchtig seine ausgebeulte Jeans an und spürte meine eigene Erregung allein dadurch stärker werden. Magisch angezogen näherte ich mich ihm und ließ mich dicht neben ihm auf den harten Boden sinken. Ohne Umschweife legte ich ihm meine Hand flach auf den Schwanz, weil ich nicht länger warten konnte. Ich fühlte seine enorm erregende Größe und Härte unter dem Baumwollstoff sehr intensiv und wollte meinen Mann unwillkürlich und auf der Stelle auspacken und flachlegen.
Clay keuchte leise, rührte sich aber nicht und guckte mich nur mit dunklen Augen an, die automatisch gieriger wurden. Ich bewegte meine Hand auf der Jeans ganz sanft hin und her, während ich ihn konzentriert beobachtete, um ja keine seiner geilen Reaktionen zu verpassen.
Clay enttäuschte mich nicht. Er erschauderte unwillkürlich, ein leichtes Zittern durchlief seinen gesamten Körper. Er atmete ganz tief, seufzte wohlig auf und schloss hingebungsvoll die Augen. Mega angetörnt von seiner unmittelbaren Reaktion öffnete ich spontan ungeduldig zwei Knöpfe seiner Jeans. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, denn etwas drängte zunehmend machtvoll in mir.
Plötzlich riss Clay die Augen auf, als wäre ihm schlagartig etwas eingefallen. Der Mann griff hektisch nach meiner Hand, wollte mich aufhalten und schüttelte entsetzt den Kopf. „Nein... warte mal... nicht...", kam irgendwie aus ihm heraus. Ich lächelte ihn erwartungsvoll an und öffnete trotz seiner heftigen Gegenwehr einen weiteren Knopf. Dieses Spiel gefiel mir. „Warum nicht?" wollte ich amüsiert von ihm wissen.
Erst in diesem Moment fing Eliza Laser, die ich natürlich bewusst draußen im Flur hatte stehen lassen, damit an, äußerst verärgert gegen ihre Badezimmertür zu hämmern. Vielleicht war sie von meiner überraschenden Aktion zu verblüfft gewesen, um sofort darauf reagieren zu können, dass ich ihr Clay dreist weggenommen hatte. „Mach sofort die Tür auf, Valmont! Ich warne dich! Wenn du Clay was antust, dann bring ich dich um, du Arsch!" drohte sie mir lauthals.
Es passte ihr in der Tat überhaupt nicht, dass ich sie auf diese Weise überlistet und von ihrem Schützling getrennt hatte. Mir gefiel es dafür umso mehr, dass Clay und ich jetzt außerhalb ihrer Reichweite waren. Schließlich hatte sie mich vorher auch ziemlich lange blöde vor der Tür stehen lassen. Außerdem konnte ich die zornige Frau im Moment überhaupt nicht gebrauchen.
Ich warf Clay einen belustigten, geilen und verschwörerischen Blick zu. Er sah auf einmal genervt und unglücklich aus. „Darum nicht!" antwortete er und deutete zur Tür, hinter der Eliza sich hörbar aufregte. Sie verlangte wiederholt von mir, sofort die verdammte Tür zu öffnen, was ich aber absolut nicht in Erwägung zog. Es war mir inzwischen völlig egal, was das dumme Weib da draußen veranstaltete. Ich beschloss, sie einfach komplett zu ignorieren, was mir nicht mal besonders schwerfiel.
Meine ganze Aufmerksamkeit wandte sich überaus gierig Clay zu, der immer noch ausgestreckt auf dem Boden saß, mich jetzt aber in einer überraschend kraftvollen, hastigen Bewegung zur Seite schob und erstaunlich schnell aufstand. Er überrumpelte mich, deshalb konnte ich ihn nicht aufhalten. „Nein, Sean... hör auf... nicht hier!" betonte er irgendwie konfus, als wäre er sich selbst nicht sicher. Der Mann lief nervös im Badezimmer herum, als würde er einen Ausweg suchen.
Ich stand auf und betrachtete ihn eingehend, frivol lächelnd. „Seit wann hast du solche Skrupel, Banton?" spottete ich atemlos, denn ich wusste, dass er mir ohnehin nicht entkommen konnte. Seine Weigerung erhöhte nur die Spannung, und damit war ich sehr einverstanden. Clay blieb stehen und schloss für einen Moment überfordert die Augen.
Dann sah er mich beschwörend an. „Das geht auf keinen Fall! Liz dreht total durch, wenn wir es hier drin treiben!" wandte er verstört ein. Herr Banton meinte es ernst, aber ich lachte nur spöttisch auf. „Vor wem hast du denn jetzt mehr Angst, Clay? Vor ihr oder vor mir?" verhöhnte ich ihn belustigt. Er schüttelte gekränkt und verwirrt den Kopf. „Ich habe nicht...", fing er an, brach dann aber ab und drehte sich von mir weg. „Ich muss pinkeln", seufzte er hilflos und drehte mir den Rücken zu.
In dieser Sekunde konnte ich nicht länger widerstehen, es überwältigte mich. Ich war mit nur einem Schritt dicht bei ihm und umschlang spontan seinen wohlgeformten Körper. Ich schmiegte mich gierig von hinten fest an ihn, sodass er meine Erektion an seinem Hinterteil fühlen musste. Wollüstig presste ich mich gegen ihn und atmete tief in sein Ohr. „Du bist so ein elender Schisser!" spottete ich zärtlich und küsste atemlos seinen Hals.
Konfus stöhnte er auf. Seine Muskeln verspannten sich widerwillig, stocksteif stand er dort und rührte sich nicht. Für mich fühlte es sich an, als würde ich einen Eisklotz umarmen. Trotzdem versuchte ich eine Weile verzweifelt, seine Nähe zu genießen. Er widersetzte sich passiv, indem er sich schlicht total abschaltete, was mich angesichts seiner eigenen Erregung irritierte, und was mich unglaublich wütend machte.
Außerdem fiel es mir zunehmend schwerer, die feindliche Umgebung auszublenden. Eliza drohte mir von draußen unentwegt, dass sie mich umbringen würde, wenn ich Clay etwas antun würde. Sie teilte uns hörbar zornig und dickköpfig mit, dass sie jetzt das Schloss ausbauen würde und die Tür somit in wenigen Minuten auf bekäme. „Und dann kannst du dich auf einiges gefasst machen, Valmont!" brüllte sie völlig außer sich. „Das meint sie total ernst", warnte Clay mich leise. „Halt einfach dein Maul!" erwiderte ich ungehalten.
Inzwischen war ich extrem erregt, und es ging mir echt auf den Geist, dass Banton so abweisend war, und dass Laser unsere intime Zweisamkeit so massiv bedrohte. Meine unbefriedigte Geilheit verwandelte sich zunehmend in neu erwachte Aggressivität, ohne dass ich auch nur eine Chance hatte, sie unter Kontrolle zu bekommen. Das Kokain verpasste mir unentwegt unzählige Adrenalinschübe.
„Zieh deine Hosen runter!" befahl ich Clay gehetzt und fummelte intuitiv hastig, noch bevor er irgendwie reagieren konnte, vorne an seinem Hosenschlitz herum, während ich ihn von hinten umschlungen hielt. Ich öffnete gewaltsam noch einige Knöpfe seiner Jeans. „Nein, hör auf! Lass mich in Ruhe!" fauchte er geschockt und versuchte mich abzuwehren.
Als hätte er mir nicht selbst vor wenigen Minuten seinen scheiß Ständer präsentiert, was mich fuchsteufelswild machte. Meine zielgerichtete Hartnäckigkeit erzürnte Herrn Banton anscheinend langsam. Ich konnte seine abrupte Weigerung aber nicht akzeptieren, dazu war ich viel zu entschlossen und statisch aufgeladen. Seine emotionale Kälte mir gegenüber kränkte mich. Außerdem schuldete der Mann mir weit mehr als seine blöde Standard-Entschuldigung, fand ich. Er war einfach absolut nicht in der Position, sich mir zu widersetzten, das war er auch sonst niemals, und das wusste er auch ganz genau.
Aber diese Tatsache hinderte ihn nicht daran, es in Elizas Badezimmer trotzdem zu versuchen. Mit aller Kraft fing er damit an, sich gegen mich zu wehren. Meine Bemühungen, ihm die Hosen herunterzuziehen, wurden dadurch aber nur noch brutaler. Für mich gab es an diesem Punkt längst kein Zurück mehr. Diese Option hatte nie bestanden, schon seit ich vom Theater weggefahren war, um Clay zu finden. Ich war nicht mehr in der Lage, meine Bedürfnisse unter Kontrolle zu bekommen, und das wollte ich auch gar nicht mehr. Clays verzweifelt starke Gegenwehr bewirkte nichts als eine weitere immense Steigerung meiner sexuellen Aggressivität.
Ich hing ihm schwer im Nacken, knöpfte seine Jeans auf und zog sie ihm halbwegs herunter, ohne dass er ernsthaft etwas dagegen unternehmen konnte. „Hör auf! Lass mich!" zischte er aufgebracht, panisch nach Luft ringend, erreichte aber nur das Gegenteil damit. Je mehr er sich widersetzte, desto entschlossener wurde mein Handeln. Er war stark, und ich brauchte meine ganze Kraft.
Eine Weile war ich so sehr damit beschäftigt ihn zu entkleiden, dass ich nichts anderes mehr wahrnahm. Deshalb weiß ich nicht, wo Eliza auf einmal herkam. Anscheinend hatte sie es tatsächlich irgendwie geschafft, diese verfluchte Badezimmertür zu öffnen.
Jedenfalls stand sie urplötzlich vor uns und starrte uns entgeistert an. Ich presste mich immer noch von hinten mit meinem ganzen Körper gegen Clay. Ich hielt ihn hart gepackt, meine Finger in seine Boxershorts gekrallt, nahe daran sie herunterzuziehen, wenn er sie nur nicht so hartnäckig festgehalten hätte. Ich bin mir völlig sicher, es hätte höchstens noch Sekunden gedauert, und ich hätte ihm seine verdammten Designer-Shorts einfach vom Leib gerissen.
Aber völlig unerwartet stand Eliza Laser dort. Sie funkelte mich offen angewidert an und schrie: „Du verdammtes, perverses Arschloch, Valmont! Was glaubst du eigentlich, was du da machst!?"
Aufgeregt, genervt und angestrengt rang ich nach Luft. Ich brauchte einen langen Moment, um überhaupt irgendwie auf sie reagieren zu können. Es fiel mir enorm schwer, mich zu sammeln und zusammenzureißen. Aber ich hatte Übung darin, und deshalb schaffte ich es auch diesmal.
Betont geringschätzig warf ich ihr einen Blick zu, ohne Clay loszulassen. „Du hast mir nicht verboten, ihn zu ficken!" erwiderte ich so cool, wie ich es in dieser Situation hinbekam. Tatsächlich hatte die Frau mir ja nur verboten, Clay zu schlagen.
Sie schnappte aber sofort aufgebracht nach Luft und durchbohrte mich mit ihrem tödlichen Blick. „Du besitzt die bodenlose Frechheit, es hier... in meinem Badezimmer...." Vor Empörung fehlten ihr offenbar die Worte. Eliza sah unglaublich entsetzt aus, sie starrte mich absolut sprachlos an, und das amüsierte mich. Ein bisschen konfus versuchte ich zu Atem zu kommen, mich zu konzentrieren, um ihrem brodelnden Zorn gewachsen zu sein. Ihre Augen schossen Giftpfeile auf mich ab. Ich grinste ziemlich überheblich und ließ mich nichts anmerken.
Aber in Wahrheit war mir in diesem Augenblick plötzlich zum Kotzen zumute, weil etwas Böses zunehmend in mein Bewusstsein hämmerte: Elizas unerwünschte Anwesenheit zerstörte restlos diese ganze verflucht erregende Situation. Meine sehr reelle Chance auf diese enorm geile Rache an Clay Banton verwandelte sich durch das Auftauchen der Frau in nichts als Peinlichkeit.
„Lass ihn auf der Stelle los! Sofort!" schrie Eliza mich an, „Du wirst ihn nicht anrühren, Valmont, du verdammte schwule Sau! Du krankhaft geiles, schwules Monster!"
Selbstverständlich fing sie auf der Stelle damit an, mich übelst zu beschimpfen. Nichts anderes hatte ich erwartet, denn ich kannte gar nichts anderes von ihr in diesen zahlreichen, peinlichen Situationen. Grundsätzlich immer entlud sie ihre Eifersucht lautstark in gemeinen Schimpfwörtern für mich, wenn sie mich mit Clay beim Sex erwischte. Diese Art Bestrafung war ich von Eliza Laser wahrhaftig gewohnt. Trotzdem verletzten mich ihre gehässigen Worte jedes Mal aufs Neue.
Ich schloss die Augen und atmete tief, bewusst, regelmäßig ein und aus, weil mir unwillkürlich Gedanken in den Sinn kamen, die echt gefährlich waren, und die damit zusammenhingen, wie ich die keifende Bitch wohl schnellstmöglich zum Schweigen bringen konnte. Was ich dafür tun musste, um mit Clay Banton einfach sofort dort weiterzumachen, wo die Frau uns unterbrochen hatte. Die Stimme des Kokains in meinem Kopf glich einem Teufel, der mich zornig anfeuerte, ich bräuchte nur einen einzigen Schlag, um ihr den Schädel einzuschlagen, nur einen Griff um ihre Kehle, um ihr das Genick zu brechen.
Diese Gedanken waren stark, aber zum Glück war ich trotz allem noch genug Herr meiner Sinne, um sie als bedrohlich einzustufen und mühevoll zur Seite zu schieben. Nachein paar brenzligen Minuten hatte ich mich wieder im Griff.
Nur äußerst widerwillig lockerte ich schließlich meinen felsenfesten Griff um Clay, der sich augenblicklich aus meinen Armen wand, hastig seine Hosen hochzog und seine Jeans zuknöpfte. Panisch, konfus und besorgt stolperte er einige Schritte von mir weg. Außerhalb meiner Reichweite blieb er stehen und warf mir zögernd einen Blick zu, der irgendwo zwischen Wut und Bedauern lag, mich aber kaum mit ihm versöhnte, weil schon sein nächster Blick Eliza galt. Seine nervösen Augen wanderten verwirrt, hilflos und überfordert von seiner Freundin zu mir und zurück.
Miss Laser wusste noch mehr verletzende Bezeichnungen für mich und meine sexuelle Ausrichtung, die sie mir lauthals entgegen schrie. Ich stand dort in ihrem Badezimmer und hatte Mühe damit, mich zurückzuhalten, der Frau nicht auf der Stelle ihr viel zu lautes Maul zu stopfen. Sie verletzte mich immens, aber ich zwang mich, mir nichts anmerken zulassen. Ich hörte nicht auf, selbstbewusst zu grinsen, betrachtete sie amüsiert und ließ ihren gemeinen Wortschwall äußerlich reglos über mich ergehen.
Später holte sie endlich mal Luft, verstummte abrupt und starrte mich nur noch angewidert an. „Ist es jetzt genug?" fragte ich sie spöttisch. Ich versuchte, ganz ruhig zu wirken, obwohl mein Herz hart schlug, meine Nervenenden allesamt vibrierten und ich keine Ahnung hatte, wie ich diesen Scheiß hier aushalten sollte.
„Nein, es ist anscheinend nie genug für dich, Valmont, niemals!" brüllte Liz vernichtend auf mich nieder. Ich betrachtete sie mitleidig. „Das sagst ausgerechnet du?!" verhöhnte ich sie. Sie schaute mich irritiert an. „Was willst du damit sagen?" erkundigte sie sich lauernd. Ich grinste breit und drehte mich kampfbereit zu ihr hin. „Wer ist es denn hier, der nicht genug von Clay kriegen kann, hä? Wie lange hast du denn schon angeblich Schluss mit Herrn Banton gemacht, Laser? Wie oft hast du ihm schon erzählt, dass du ihn verlassen würdest? Und was ist jetzt? Du stehst hier und kämpfst für ihn wie eine Löwin! Du wirst ihn niemals verlassen! Und erzähl mir nicht, dass du ihn nicht am liebsten auf der Stelle ficken würdest!" warf ich ihr herablassend an den Kopf.
Böse lächelnd beobachtete ich ihre Reaktion, die exakt so ausfiel, wie ich es erwartet hatte. Ich hatte ihr nämlich eine Wahrheit an den Kopf geknallt, die sie nicht hören wollte. Eine Tatsache, die sie nicht wahrhaben wollte. Meine Worte trafen sie sichtbar so tief drinnen, dass sie mir nichts entgegensetzen konnte. Eliza war nicht in der Lage, sich verbal mit dieser Wahrheit auseinanderzusetzen, denn sie hatte keine Erklärung. Weil es hierbei um Gefühle ging, die sie sich selbst nicht erklären konnte, die vielleicht niemand definieren konnte.
Meine betont cool hervorgebrachten Worte schlugen die Frau auf der Stelle emotional K.O.. Ich registrierte das mit riesengroßer Genugtuung. Sie stand keuchend dort und starrte mich entsetzt an. Ich lächelte siegesbewusst. Sie brauchte eine Weile, um mit diesem Niederschlag fertig zu werden.
Letztendlich blieb ihr nur noch ihre Wut übrig. „Rede nicht solchen Scheiß, du blöde Schwuchtel!" schrie sie plötzlich auf, machte einen flinken Schritt auf mich zu und trat mich völlig unerwartet mit Wucht in die Eier. Ihre Bewegung war viel zu schnell, zu gezielt, als dass ich hätte abwehrend reagieren können. Sie trat mich mit ihrem grenzenlosen Zorn unvermittelt brutal in meine empfindlichste Stelle, und ich Idiot hatte das tatsächlich nicht kommen sehen.
Der unmittelbare Schmerz war so stark, dass ich unwillkürlich aufstöhnte, reflexartig die getroffene Stelle packte und nach vorne zusammenklappte. Meine Beine knickten mir einfach weg, und ich fiel hinab auf ihre harten Fliesen. Mir wurde tatsächlich schwarz vor Augen. Meine Ohren rauschten dumpf, alles verschwamm irgendwie.
Aber trotzdem konnte ich noch Clay hören, der erschrocken und entsetzt aufheulte: „Was tust du denn da?" „Ich trete ihm seine schwulen Eier kaputt!" zischte Liz bösartig und enorm befriedigt. „Warum machst du denn so was?!" jammerte Clay gequält. Seine offen fassungslose Anteilnahme war heilender Balsam auf meine Wunden.
Anscheinend wollte Clay spontan besorgt zu mir eilen, aber Eliza riss ihn am Arm gepackt wütend zurück. „Er wollte dich gerade vergewaltigen, du Dummkopf!" erklärte sie ihm sehr eindringlich. „Na und? Das geht dich doch einen Scheiß an!" erwiderte er aufgebracht. In all meinem stechenden Schmerz fand ich Clays Worte sehr aufbauend. Spontan hob ich den Kopf und lächelte ihn mühevoll an.
Aber er bekam von meinem Lächeln nichts mit, denn seine ganze Aufmerksamkeit lag jetzt auf Frau Eliza Laser, die ihn höchst entgeistert musterte. „Was redest du denn da? Es soll mich nichts angehen, wenn dieser Arsch dir Gewalt antut? Du hast mich doch vorhin noch angejammert, wie viel Angst du vor ihm hättest, oder etwa nicht?" setzte sie ihm gekränkt auseinander. Er schüttelte verwirrt den Kopf. „Nein, ich wollte nicht, dass du...", setzte er an, wurde aber sogleich von seiner beleidigten Freundin unterbrochen. „Weißt du, Clay, du könntest dich wirklich mal langsam entscheiden, was du eigentlich von mir willst! Du kommst doch ständig zu mir, wenn es dir ach so schlecht geht! Du willst doch andauernd von mir getröstet und beschützt werden, oder etwa nicht? Was bist du für ein blödes Weichei! Du bist so erbärmlich, dass du noch nicht einmal selber weißt, was du eigentlich willst!" klagte sie ihn ungeduldig, schrill und lauthals an.
Rumms! Das hatte gesessen! Danach herrschte eine eiskalte Totenstille in diesem Badezimmer, die eindeutig zu lange anhielt. Auf dem Boden kniend kämpfte ich unverändert mit dem Schmerz zwischen meinen Beinen und konnte daher nicht sehen, was genau passierte. Aber anscheinend wusste Clay nichts darauf zu erwidern, was Eliza noch wütender machte. Er hätte sich jetzt für sie entscheiden müssen, aber dazu war er nicht in der Lage, und ich hätte ihm dafür am liebsten die Füße geküsst.
Clay schwieg so lange, bis Eliza schließlich die mega angespannte Stille durchbrach: „Na gut, Banton, dann kann ich dir auch nicht mehr helfen! Von mir aus geh doch und fick mit Valmont! Da stehst du doch so drauf, du perverse Sau!" Die Frau war richtig obszön, redete sich in Rage und damit um Kopf und Kragen, wie ich befriedigt zur Kenntnis nahm. Clay taxierte sie irritiert. Er wurde sichtbar ziemlich tief verletzt von ihren gemeinen Worten.
„Ja, gut so, Liz! Gib's ihm!" konnte ich mir nicht verkneifen, das dumme Mädchen spöttisch anzufeuern. Eliza fuhr zornig zu mir herum. Ich stand stöhnend langsam auf. Der Schmerz war immer noch stark, aber die Dinge schienen sich jetzt zum Guten für mich zu wenden. Ich lächelte Clay erwartungsvoll an und streckte meine Hand nach ihm aus. „Hast du das gehört? Eliza Laser hat uns ganz offiziell die Erlaubnis zum Ficken gegeben, Banton! Jetzt können wir loslegen!" grinste ich zynisch.
Clay riss nervös die Augen auf. Er war mehr als verwirrt und dieser ganzen Situation in keiner Weise gewachsen. „Mann, du bist so widerlich, Valmont!" zischte Liz verächtlich und verdrehte genervt die Pupillen, „Glaubst du denn ernsthaft, Clay fickt jetzt mit dir?" Amüsiert lachte ich auf. „Natürlich wird er das tun! Er liebt es nämlich, wenn ich ihn ficke. Nicht wahr, Herr Banton?!"
Ich sah prüfend zu Clay hin, dessen Blick erneut nervös zwischen Liz und mir hin und her huschte, ohne ein Ziel zu finden. Clay wirkte in diesem Moment merkwürdig verloren. „Aber nicht in meinem Badezimmer!" rief Eliza abwehrend. Ich lächelte sie charmant und vielsagend an. „Warum denn nicht? Ich bin sicher, Clay hat nichts dagegen, wenn du uns zusiehst! Im Gegenteil, das ist schon lange ein heimlicher erotischer Wunsch von ihm!" erklärte ich ihr spöttisch.
Meine Absicht, sie mit meinem intimen Wissen zu schocken, gelang mir natürlich auf Anhieb. „Du bist ja krank!" entfuhr es Eliza wütend. Ich lachte siegesgewiss und schaute wieder zu Clay, meine Hand immer noch besitzergreifend nach ihm ausgestreckt. „Komm her!" forderte ich ihn lüstern lächelnd auf.
Er stand reglos dort und atmete schwer. Liz war endlich still. Mein Schmerz verebbte langsam, und erst jetzt hatte ich richtig Gelegenheit, Herrn Banton genauer zu betrachten. Ich stellte mir unwillkürlich vor, ihn gewaltsam auszuziehen. Diese Vorstellung erregte mich plötzlich stark. Ich fragte mich nervös, ob ich es hinnehmen könnte, falls Eliza uns tatsächlich zusehen wollte. Ich dachte einen Moment lang ernsthaft darüber nach, bis mir klar wurde, dass die Frau das auf keinen Fall tun würde. Clay und mich beim Sex zu beobachten würde sie nur maßlos kränken, aber auf keinen Fall aufgeilen, glaubte ich zu wissen.
Eine Minute später fiel mir plötzlich auf, dass Clays Anblick mir nicht mehr gefiel. Erst jetzt bemerkte ich seinen erstaunlich alarmierenden Zustand. Clay Banton war vollkommen außer sich, er hyperventilierte wieder, wie ich überrascht registrierte. Eliza schaute jetzt ebenfalls zu ihm. Aber aus irgendeinem Grund bemerkte sie seine total verstörte Verfassung nicht, oder es interessierte sie nicht. Vielleicht war sie einfach zu wütend dafür.
„Entscheide dich jetzt endlich mal, du ignoranter Idiot, er oder ich!" stellte sie ihn gnadenlos vor die Wahl, „Na los, jetzt sag schon, was du willst, Memme!" Sie musterte ihn arrogant und offen feindselig.
Clay atmete flach und schnell. Er zitterte am ganzen Körper vor Anspannung und beobachtete uns entsetzt mit unverhohlener Ablehnung. Eine Weile war es angespannt still im Raum. Dann holte Clay tief Luft. „Shit, was zur Hölle ist los mit euch? Seid ihr total bescheuert?! Was fällt euch eigentlich ein?! Ich werde heute mit keinem von euch ficken! Überhaupt werde ich mit niemandem mehr ficken!" schrie er plötzlich los.
Der aufgeregte Mann strahlte eine erstaunliche Energie aus, als er uns mit genervt zusammengezogenen Augenbrauen fixierte. Abwechselnd schoss er Giftpfeile auf Eliza und mich ab. „Und redet gefälligst nicht über mich, als wäre ich gar nicht da! Ich bin nicht euer verdammtes Spielzeug, um das ihr euch streiten und nach Belieben verfügen könnt!" brüllte er völlig unkontrolliert.
Im nächsten Augenblick drehte er sich plötzlich um und rannte überstürzt aus dem Badezimmer. Schon war er im Flur, dann konnten wir nur noch hören, dass er die Wohnungstür zornig laut hinter sich zuschlug.
Bantons äußerst heftige, erstaunlich selbstbewusste Reaktion kam für mich und Eliza wohl gleichermaßen überraschend. Wir waren total verblüfft und sahen uns einen Moment lang erstaunt an. Ich fühlte mich, wie vor den Kopf geschlagen. Was fällt ihm ein, mich einfach hier stehen zu lassen, dachte ich spontan enttäuscht und wütend, wie kann er mir das antun!
Drei Sekunden später riss ich mich zusammen, raffte mich auf und rannte instinktiv hinter Clay her. Der entkommt mir heute nicht, schrie es aufgeputscht in meinem Kopf und Körper. Dieser verfluchte Mann kann meiner berechtigten Rache heute auf gar keinen Fall entgehen! Der ist schon längst überfällig.
Clay
Als ich in Windeseile Elizas Wohnung verließ und hastig die vielen Treppen in ihrem Hausflur hinunter sprang, panisch drei bis vier Stufen auf einmal nehmend, war ich einen kurzen, grausamen Moment lang wieder acht Jahre alt.
Meine Mutter hatte mich mitten in der Nacht geweckt und aus dem Bett gezerrt. Sie befahl mir streng, mich sofort anzuziehen. Wir würden gehen, sagte sie mir, und dass ich mich beeilen sollte. „Hvarer pabbi?" fragte ich sie sofort und bekam dafür eine schallende Ohrfeige, weil ich in der Aufregung isländisch gesprochen hatte. „Du sollst gefälligst deutsch mit mir sprechen!" schnauzte meine Mutter mich an, „Beeil dich jetzt!"
Das Anziehen ging ihr nicht schnell genug, deshalb riss sie mir förmlich den Schlafanzug vom Leib und steckte mich ruppig in meine Klamotten. „Wo ist Papa?" fragte ich sie noch einmal. Ich hatte keine Ahnung, was vor sich ging, aber ich ahnte Böses. „Der kommt nicht mit!" knurrte meine Mutter mit zusammengebissenen Zähnen. „Nein, das geht nicht!" rief ich sofort entsetzt, aber sie beachtete meine Einwände gar nicht.
Sie packte mich hart am Arm und zerrte mich aus dem Haus. „Das geht nicht! Papa muss mitkommen!" rief ich immer wieder. Draußen vor dem Haus war es stockfinster, es war eiskalt und der Schnee lag hoch. Ich warf panisch einen Blick zur Werkstatt und registrierte, dass dort Licht brannte. Pabbi musste in seiner Werkstatt sein und arbeiten, wie er es so oft die ganze Nacht lang tat. Sofort wollte ich zur Werkstatt laufen, ich wollte unbedingt zu ihm.
Meine Gegenwehr wurde stark, aber meine Mutter war davon kaum beeindruckt. Ihr Griff um meinen Arm wurde schmerzhaft, sie ließ mich nicht los und schleifte mich gewaltsam zum Auto, was zu meinem Erstaunen schon mit laufendem Motor vor dem Haus stand. Ich fing an zu schreien, rief gellend nach meinem Vater und bat ihn auf isländisch, mir doch bitte zu helfen. „Pabbi, hjálpa mér! Pabbi, hjálpa mér!"
Eine weitere schallende Ohrfeige brachte mich zum Schweigen. „Hör gefälligst auf damit, isländisch zu reden, Clay! Diese hässliche Sprache wirst du nie wieder in den Mund nehmen, hörst du?" fauchte meine Mutter mich an und schubste mich gewaltsam auf den Rücksitz des Wagens, wo schon meine Schwestern grinsend auf mich warteten. Für meine Halbschwestern war diese Aktion keine Überraschung, wahrscheinlich waren sie schon lange eingeweiht gewesen. Außerdem hatten sie so was und Ähnliches schon mitgemacht, für Adriane war es sogar schon das vierte Mal.
Ich dagegen war völlig außer mir, vor den Kopf geschlagen, meine ganze Welt brach gerade krachend in sich zusammen. Aus irgendeinem Grund ahnte ich sofort, dass ich meinen geliebten pabbi niemals wiedersehen würde.
Die Autotür flog zu und ließ sich von innen nicht mehr öffnen. Meine Schwestern griffen alle nach mir, packten mich überall an, wie sie es oft und mit Vorliebe taten, und hielten mich aufgeregt kichernd ganz fest. Für sie war unsere nächtliche Flucht nichts weiter als ein Abenteuer.
Meine Mutter setzte sich eilig ans Steuer und fuhr ohne zu Zögern einfach los. Ich beobachtete durch das Heckfenster, wie die erleuchtete Werkstatt sich immer weiter entfernte, wie sie immer kleiner wurde, und vorlauter Verzweiflung fing ich an zu weinen. Meine Mutter warf mir einen genervten Blick zu und fauchte: „Sei still, Clay, stell dich nicht so an! Und hör um Himmels Willen auf zu heulen! Richtige Männer heulen nicht! Du bist doch nicht schwul!"
Noch in derselben Nacht fuhren wir zum Flughafen Keflavík und von dort mit dem ersten Flieger nach Kanada. So weit ich weiß hat keiner von uns die Insel seitdem je wieder betreten. Mir wurde klar, dass meine Mutter diesen drastischen Schritt schon lange und gut geplant hatte, ohne dass ich etwas davon mitbekommen hatte. Bis auf ein paar meiner Klamotten, die meine Mutter für mich mitnahm, musste ich alle meine Sachen, die mir etwas bedeutet hatten, auf Island zurücklassen. Alle meine heimlich gemalten und aufbewahrten Bilder, und vor allem jede der kleinen Skulpturen, die mein Vater mir geschenkt hatte, und die ich wohlweißlich vor meiner Mutter versteckt hatte.
Bis heute weiß ich nicht, warum mein Vater damals nicht auf meine Hilferufe reagiert hat. Hat er mich nicht gehört? Wollte er mich nicht hören? Oder war er vielleicht doch nicht da? Aber warum war dann in der Werkstatt das Licht an? Und warum hat Alvar Ljúfurson nicht um mich gekämpft? Wollte er mich nicht bei sich behalten? Warum hat er nie wieder versucht, Kontakt zu mir aufzunehmen? Das alles werde ich wohl nie erfahren.
In dieser schwarzen Nacht starb jedenfalls so einiges in mir, meine Kindheit war schlagartig vorbei, und ich spürte zum ersten Mal in meinem jungen Leben diesen alles verschlingenden Zorn in mir wüten, der mich im Grunde nie wieder verlassen würde.
Ganz genauso fühlte ich mich jetzt, als ich in Elizas Treppenhaus hektisch die Stufen hinunter sprang. Ich war voller Zorn und Verzweiflung, und es fühlte sich an, als würde meine ganze Welt komplett in sich zusammenbrechen. Es hätte mich überhaupt nicht gewundert, wenn das verdammte Haus einfach um mich herum zusammengekracht wäre. Innerlich war ich für kurze Zeit wieder der kleine Junge, der hilflos nach seinem Vater schrie und nicht gehört wurde.
Entsetzt schüttelte ich das schmerzende Bild vom achtjährigen Clay Banton aus meinem verwirrten Kopf und besann mich darauf, dass ich inzwischen erwachsen war und längst nicht mehr so umfassend hilflos, wie ich es damals gewesen war. In den letzen paar Minuten hatte sich eine Erkenntnis in mein Gehirn gebrannt: Ich konnte für immer und ewig das Opfer bleiben, oder ich konnte endlich meinen Arsch hochkriegen und mich gegen diese Willkür wehren. Viel zu lange hatte ich gebraucht, um das endlich zu kapieren.
Viel zu lange hatte ich heute versucht, Eliza zu besänftigen, irgendwas zu tun oder zu sagen, damit sie wieder zu der Frau wurde, die ich gerade brauchte. Aber sie war nicht zum ersten Mal grausam zu mir gewesen, hatte echt verletzende Dinge zu mir gesagt, hatte mich geschlagen und mir unentwegt damit gedroht, mich zu verlassen. Sie hatte mich längst verlassen, nur um mich dann im nächsten Moment wieder überaus gierig anzufassen. Die verrückte Frau hatte schlicht immer genau das mit mir gemacht, was ihr gerade in den Sinn gekommen war. Eliza war extrem launenhaft und wankelmütig gewesen und hatte mich damit zweifellos fast in den Wahnsinn getrieben. Und ich hatte mich nicht dagegen gewehrt. Die ganze Zeit war ich nur ihr dummer Spielball gewesen, der sich alles von ihr gefallen ließ, so schmerzhaft oder absurd es auch gewesen war.
Sean hatte mich auch nicht zum ersten Mal bedroht, mich gewürgt und gewaltsam in Elizas Badezimmer geschubst, sodass ich auf die harten Fliesen gefallen war und mir dabei die Knie geprellt hatte. Er hatte mir seine Hand auf den Schwanz gelegt, und in diesen verfluchten paar Sekunden, in denen ich in seine irren und gierigen Augen schaute, wurde mir plötzlich schmerzhaft bewusst, wie ich behandelt worden war, wie Sean Valmont, Eliza Laser und andere Menschen mich immerzu behandelten. Mit wie beschissen wenig bis gar keinem verdammten Respekt sie mir ständig begegneten.
Sean hatte in Elizas Badezimmer mit seinen Fingern gezielt meinen harten Schwanz in meiner Jeans gedrückt, was sich verflucht geil angefühlt hatte, aber ich konnte nur noch daran denken, dass er das in diesem Moment nur tat, weil er wütend auf mich war, weil er sich an mir rächen und mich bestrafen wollte.
Mein ganzes scheiß Leben schien sich plötzlich immerzu nur noch um meinen verdammten Schwanz zu drehen, den ganzen verfickten Tag lang. Wegen dieses Körperteils war ich in der Drobs ausführlich ausgelacht worden. Eliza hatte mich mit ihrem Spielchen so geil gemacht, bis ich sie total schwach und ausgeliefert angebettelt hatte, mich anzufassen, mich nicht zu verlassen, was total unverzeihbar war. Melanie vom Junkie-Brunch hatte mir nur ihre peinliche Abfuhr erteilen können, weil ich ihr in meiner drängenden Geilheit die Chance dazu gegeben hatte.
Ich war ein dauergeiler Vollidiot, der bestraft und ausgelacht wurde, und zum zweiten Mal an diesem Tag hasste ich mich dafür. Jeder konnte viel zu oft mit mir machen, was immer er wollte, ganz besonders Laser und Valmont.
Als die beiden auch noch damit angefangen hatten, sich über meinen Kopf hinweg um mich zu streiten, hatte ich schlagartig die Schnauze voll und endlich kapiert, dass ich für sie nichts weiter als ein hirnloses Spielzeug war. Diese bittere Erkenntnis hatte mich plötzlich so wahnsinnig wütend gemacht, dass jetzt in mir ein absolut verheerender Sturm tobte. Es war der alles verschlingende Zorn meiner Kindheit, der mit voller Macht über mich hereinbrach.
Meine Geilheit war mir in Elizas Badezimmer schlagartig komplett vergangen, weil sich alles in mir heftigst zusammenzog, als ich es endlich begriffen hatte, und ich verachtete mich dafür, dass ich solange gebraucht hatte, um es endlich zu kapieren. Meine Erektion war restlos in sich zusammengefallen. Zurückgeblieben war nur ein dumpfer Schmerz, ein drückendes scheiß Gefühl, weil ich kurz vor dem Ziel ohne Ergebnis aufgehört hatte. Ich war ein verdammter Luftballon, dem man sämtliche Luft herausgelassen hatte.
Dieses beschissene Gefühl kannte ich, hatte es in ähnlichen Situationen schon erlebt, aber diesmal war es um einiges schlimmer und intensiver. Ich fühlte mich so was von total unbefriedigt! Und ich wusste mit absolut hundertprozentiger Sicherheit, dass ich für den Rest meines verfluchten, kleinen Lebens nie wieder eine Erektion haben würde. Nie wieder würde ich irgendwen vögeln.
Liz, mein Mädchen, mein verdammter scheiß Schmetterling hatte mich tatsächlich vor die unmögliche Wahl gestellt. Sie hatte eiskalt von mir verlangt, mich zwischen Eliza Laser und Sean Valmont zu entscheiden. Das war so verflucht fies und unfair gewesen, dass ich in diesem einen schmerzlichen Augenblick plötzlich begriffen hatte, dass ich keinen von ihnen wählen konnte, und deshalb beide verlieren würde.
Es war alles vorbei, der ganze Scheiß war mir in einer verdammten Supernova um die Ohren geflogen, und jetzt gab es nur noch kaputte Trümmer, nur noch Schwarz oder Grau und sonst absolut nichts mehr für mich. Die einzigen beiden Menschen, die mir auf irgendeine Art zweifellos verdammt viel bedeutet hatten, waren nicht mehr da, und jetzt war ich vollkommen allein auf dieser brutalen scheiß Welt. Es gab niemanden mehr und keinen Ort, an den ich hätte gehen können. Keine einzige Hand mehr auf meinem Bauch, keine Schulter zum Anlehnen, kein Sex und nie mehr ein liebes Wort.
Meine ganze, ständig wackelige Welt war noch einmal krachend in sich zusammengestürzt, der verfluchte Albtraum meiner Kindheit hatte sich wahrhaftig wiederholt. Und ich hatte nicht mal den kleinsten Hauch einer Ahnung davon, wie es überhaupt dazu gekommen war, was passiert war, was ich getan hatte oder welche Fehler mir unterlaufen waren, ohne dass ich sie auch nur bemerkt hätte. Ich war entsetzt, panisch, maßlos verwirrt und wirklich mega wütend.
Verdammt, welches Recht der Welt hatte Laser denn, mich derart mies zu behandeln, arrogant mit mir herumzuspielen und mich damit total verrückt zu machen. Warum zur Hölle drohte die Frau mir pausenlos damit, mich zu verlassen, bis ich am liebsten kotzen würde. Das war so verdammt unfair, warum tat sie mir das an, wo ich mich doch immer nur um sie bemühte. Es war gar kein Wunder, dass ich total angepisst gewesen und spontan über sie hergefallen war! Sie war es selbst Schuld, denn sie hatte mich bis aufs Blut gereizt mit ihrer Unentschlossenheit, mit ihren ständigen, total unerträglichen Weiberlaunen! Außerdem war ich sowieso ein schlechter Mensch, ein fucking Triebtäter, denn es hatte mich verflucht nochmal total angetörnt, ihr auf diese Art Gewalt anzutun.
Und aus welchem Grund sollte Valmont das Recht haben, sich dermaßen aufzuspielen, wie der bekloppte Allmächtige, mich derart beschissen anzuschnauzen, mich zu schlagen und zu bestrafen. Nur wegen einer scheiß Probe oder irgendwelchen scheiß Terminen, die mich ohnehin nicht interessierten!? Kein Mensch durfte mich so behandeln, zur Hölle, niemand auf der ganzen Welt durfte mich schlagen! Aber Laser und Valmont hatten das beide getan, sie taten es ständig gerne, und davon hatte ich jetzt endgültig genug.
Ich hatte so was von verdammt nochmal die Schnauze voll davon, wie ein Idiot behandelt zu werden, wie jemand, mit dem man umspringen konnte, wie man gerade wollte, weil er sich sowieso nicht wehrte oder einfach zublöd war, um es zu kapieren. Ja, ich war wirklich blöd gewesen, das musste ich einsehen, ich hatte so verflucht lange gebraucht. Aber jetzt war alles sonnenklar, und nie wieder würde ich so etwas mit mir machen lassen, nicht mal annähernd!
Im Grunde wunderte ich mich gar nicht, dass jetzt schlagartig alles vorbei war, denn das war es ja schließlich immer. Mein ganzes verdammtes Leben lang war irgendwann plötzlich die ganze Welt explodiert! Das war mir anscheinend vorherbestimmt, mein unabwendbares Schicksal.
Fuck, mein Schwanz und besonders meine Eier schmerzten, weil ich diese starke Erregung mittendrin abgebrochen hatte, das fühlte sich wirklich nicht gut an. Und überhaupt tat mir alles zunehmend weh, ich spürte alle meine unzähligen Wunden, denn ich war von irgendwelchen unbekannten Wichsern zusammengeschlagen worden, und zwar vollkommen grundlos.
Es war doch eigentlich immer das gleiche, jemand war plötzlich wütend auf mich und rächte sich, und das hing mir so was von zum Hals raus. Nie wieder sollte irgendwer wütend auf mich sein, die konnten mich alle mal, ich brauchte überhaupt niemanden mehr! Bald möglichst würde ich meine Sachen packen und diese scheiß Stadt für immer verlassen. Für mich war es mal wieder definitiv höchste Zeit zu gehen.
Mit jedem schmerzhaften Atemzug wurde mir bewusster, dass die 80 Milligramm Methadon, die der Doc mir heute Morgen zugestanden hatte, bei Weitem nicht ausreichten, damit ich den Rest dieses verdammten Tages ohne Affen würde überstehen können. Die paar Chinesen, die ich bei Travis geraucht hatte, waren auch nur noch eine blasse Erinnerung. Die absolute Nüchternheit und damit die absolute Klarheit schlugen gnadenlos zu, mir war eiskalt, und das alles fühlte sich zum Kotzen an, es schmerzte einfach überall an mir und tief in mir, und ich fühlte mich so entsetzlich leer und total einsam.
Es war nicht meine Schuld gewesen, nichts davon, ich hatte nichts getan, aber Laser und Valmont hassten mich anscheinend aus irgendeinem beschissenen Grund, keine Ahnung. Sie behandelten mich wie ihren Besitz, wie ihr verdammtes Spielzeug, mit dem sie tun und lassen konnten, was sie gerade wollten, und heute hatten sie mich Weißgott nicht gut behandelt. Auf diesen demütigenden Mist hatte ich keine Lust mehr. Ich hatte schlicht keinen Bock mehr, der Vollidiot der Nation zu sein, über den man sich ständig totlachen konnte, weil er nackt oder geil oder dumm war, oder alles gleichzeitig. Dieser offene Krieg aus Hass, Wut und Gewalt, Gemeinheit und Arroganz war viel mehr, als ich ertragen wollte. Deshalb würde ich schnellstmöglich hier verschwinden und den ganzen verdammten Scheiß hinter mir lassen.
Als ich endlich die letzten vier Stufen hinunter sprang und durch die offene Haustür hinaus auf den Bürgersteig trat, wusste ich ganz genau, dass ich gehen musste. Der Gedanke an Flucht fühlte sich vage vertraut an. Nur hatte ich leider nicht die geringste Ahnung, wohin ich gehen sollte oder konnte, oder ob es wo auch immer besser werden würde, was ich stark bezweifelte. Meine ganze Welt lag in Trümmern. Jemand hatte mich gewaltsam aus dem warmen Bett und hinaus in die eiskalte, stockfinstere Nacht gezerrt.
Eliza
Etwas stimmt nicht, merkte ich irritiert, als Valmont hinter Banton her aus meinem Badezimmer stürmte und mich allein zurückließ. Irgendwas ist da gerade gründlich schiefgegangen.
Ich war nämlich bei Weitem nicht so erleichtert, die beiden total bekloppten und überaus aggressiven Männer los zu sein, wie ich es hätte sein sollen. Ich fühlte mich gar nicht befreit, war nicht unendlich froh, nach dieser mühsamen Auseinandersetzung endlich wieder meine Ruhe zu haben, obwohl ich doch genau das die ganze Zeit herbeigesehnt hatte.
Clay Bantons plötzliche Flucht aus meiner Wohnung fühlte sich zu meiner Irritation nicht so gut und eindeutig nach Sieg an, wie ich es erwartet hatte. Anstatt mit mir zufrieden zu sein, sah ich nur seine traurigen Augen vor mir, diese umfassende Enttäuschung und der mächtige Zorn in seinem Gesicht, als er gerade dort gestanden und Sean und mir lauthals vorgeworfen hatte, wir würden ihn wie ein Spielzeug behandeln. Dieser Vorwurf gab mir zu denken, denn mir war klar, dass Clay damit recht hatte.
Ich war wütend auf ihn gewesen und hatte ihn nicht gut behandelt. Sean und ich hatten uns ziemlich arrogant um ihn gestritten, was wir ja eigentlich immer taten, und ich hatte nie darüber nachgedacht, wie Clay sich wohl dabei fühlte.
Plötzlich wurde es immer kälter in meinem Badezimmer, obwohl die Heizung an war. Auf einmal fühlte ich mich ziemlich allein, die Stille fing damit an, mir in den Ohren zu dröhnen, und mein Gewissen meldete sich erneut, das mich anschrie, ich hätte in den letzten beiden Stunden so ziemlich alles falsch gemacht, was ich mit Clay Banton hätte falsch machen können.
Nun gut, ich hatte ihn nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst, aber andererseits hatte ich doch nur die Wahrheit zu ihm gesagt. Der Mann war schließlich dreist zu mir gekommen, obwohl ich ihn mehrmals gebeten hatte, das sein zu lassen. Und diese ganze stressige Situation war für mich schließlich auch nicht einfach gewesen.
Zum ersten Mal hatte ich ihn vor die entscheidende Wahl gestellt. Ich hatte ihn gezwungen, sich zwischen Sean Valmont und mir zu entscheiden. Das war zweifellos falsch gewesen, und ich hatte es eigentlich auch gar nicht vorgehabt. Es war mir im Eifer des heftigen Gefechts mit Sean irgendwie herausgerutscht. Und dann hatte ich in meiner Blödheit auch noch insgeheim darauf gehofft, dass Clay sich für mich entscheiden würde, was ich im Nachhinein echt nicht fassen konnte. Ich kannte diesen Mann schließlich gut genug, um ganz genau zu wissen, dass er zwischen Valmont und mir nie würde wählen können.
Selbstverständlich hatte Clay sich für keinen von uns entschieden, sondern war überfordert und beleidigt weggerannt, wie das dumme, kleine Kind, das er viel zu oft war. Damit hätte ich doch nun wirklich rechnen müssen! Warum fühlte ich mich also deswegen so verletzt? Warum machte es mich so traurig und beunruhigte mich maßlos? Ich sollte lieber froh sein, denn das war es doch schließlich, was ich die ganze Zeit von ihm gewollt hatte: Dass Clay Banton aus meinem Leben verschwand.
Aber ich war nicht froh, denn dabei war etwas gründlich schiefgelaufen, das spürte ich in jeder Faser meiner Seele. Seine Flucht hatte mich nicht überrascht, jedoch umso mehr der Ausdruck seiner Augen, der brennende Zorn in seinem Gesicht, die unbändige Energie, die er ausstrahlte, als er uns vorgeworfen hatte, dass wir ihn respektlos behandeln würden. Denn Valmont und ich hatten ihn gerade zweifellos ohne jeden Respekt behandelt.
Mir wurde klar, dass ich Clay noch niemals vorher in einem so aufgelösten Zustand erlebt hatte, noch nie war er dermaßen zornig und aggressiv gewesen. Noch nie hatte ich diesen total enttäuschten, zweifellos tief verachtenden Ausdruck in seinen schönen Augen gesehen, der mir noch in der Erinnerung kalte Schauer über den Rücken jagte. Dieser Mann hatte mich wahrhaftig verlassen, das wusste ich genau.
Jetzt war Clay Banton also tatsächlich aus meiner Wohnung und aus meinem Leben verschwunden, und diese verwirrende Leere fühlte sich erschreckend endgültig an. Die Stille schrie in meinem Kopf, und meine Wohnung war auf einmal viel zu groß. Was, wenn Clay niemals zurückkommen würde? Was, wenn ich ihn mit meinen fiesen Gemeinheiten endgültig vergrault hatte? Was, wenn er diesmal auf mich hören und sich für immer von mir fernhalten würde? Wäre das nicht genau das, was ich unbedingt gewollt und ständig von ihm verlangt hatte? Eine Trennung auf unbestimmte Zeit?
Wie um mich zu quälen kamen unwillkürlich unzählige Erinnerungen in mir hoch, natürlich ausschließlich an meine guten Zeiten mit diesem sensiblen, freundlichen, zärtlichen, mutigen, leidenschaftlichen und lustigen jungen Mann. All diese verdammten Situationen, die mich jetzt, im Nachhinein, nur noch schmerzten, weil sie vorbei und verloren waren, und sich nicht wiederholen würden.
Clay Banton hatte mich demnach zweifellos plötzlich verstanden und sich auf seine Art mit einem lauten Schrei von mir verabschiedet, das wurde mir langsam immer klarer. Sein letzter, tödlicher Blick für mich war eindeutig gewesen, absolut unmissverständlich. Diesmal würde er nicht zu mir zurückkommen. Schlussendlich gehörte der Sieg mir.
Aber zu meiner Verwirrung hatte ich nur das ungute Gefühl, als wäre alles viel zu schnell gegangen, entschieden zu plötzlich passiert. Die ganze ungewollte Auseinandersetzung war irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Ich hatte mich viel zu sehr von meinen wirren Gefühlen leiten lassen, und das plötzliche Auftauchen von Sean Valmont hatte die Sache auch nicht gerade einfacher gemacht.
Und jetzt hatte ich das dringende Bedürfnis, diese traurige Sache klarzustellen, es irgendwie doch noch zu einem gütlichen Abschluss zu bringen. Denn in diesem Moment fühlte es sich an, wie mittendrin im hässlichsten Streit abgebrochen, und das konnte ich nicht so stehenlassen. Ich wollte mich nicht im Zorn von Clay trennen, das hatte ich nie gewollt! Und doch war es passiert.
Was sollte ich also jetzt nur tun? Konnte ich überhaupt noch irgendwas tun? Clay hatte so verdammt traurig ausgesehen, als er weggerannt war, als wäre seine ganze Welt zusammengebrochen. Und er war so entsetzlich wütend gewesen, wie ich ihn vorher definitiv noch nie erlebt hatte. Er hatte Sean und mir mit vor Zorn blitzenden Augen vorgeworfen, ihn wie ein willenloses Spielzeug zu behandeln, und ich musste zugeben, dass wir das schon recht oft getan hatten.
Aber das hieß doch noch lange nicht, dass wir ihn nicht trotzdem total gern hatten! Mann, Valmont und ich taten doch alles für ihn, wir hatten uns schon mehrmals sämtliche Beine für ihn ausgerissen und würden das bestimmt immer wieder tun! Das musste Clay doch eigentlich wissen! Oder hatten wir ihm vielleicht schon zu lange nicht mehr gezeigt, dass er geliebt wurde?
Verdammt, was war denn nur in meinem Badezimmer auf einmal mit ihm passiert? Ich hatte das unangenehme und total alarmierende Gefühl, dass ich irgendwas enorm Wichtiges und Grundlegendes nicht richtig mitgekriegt hatte. Dieser völlig unbekannte, fast angewiderte Ausdruck in Clays Augen beunruhigte mich zunehmend und ich wusste, dass ich das an diesem Punkt nicht so stehenlassen konnte. Das war keine einvernehmliche Trennung gewesen, so wie ich sie mir vorgestellt hatte, sondern eine Kriegserklärung oder so was.
Und was mich am allermeisten daran störte: Clay hatte sich nicht nur von mir auf diese merkwürdige Art verabschiedet, nein. Seinen Freund Valmont hatte er tatsächlich ganz genauso endgültig zurückgelassen. Wenn die beiden Männer doch wenigstens zusammen abgehauen wären! Aber Banton war eindeutig und richtig demonstrativ allein gegangen, er hatte uns beide wütend verlassen, und das sah ihm wahrhaftig nicht ähnlich. Dabei beruhigte mich auch nicht, dass Sean ihm sofort hinterher gestürmt war, denn Sean Valmont war in einer so aggressiven Verfassung gewesen, dass er Clay wohl kaum guttun würde.
Vorhin hatte es tatsächlich so ausgesehen, als wollte dieser schwule Mistkerl seinen Freund gewaltsam zum Sex zwingen! Aber ich war mir nicht sicher, denn was wusste ich schon von ihren Praktiken! Im Grunde wollte ich auch gar nicht so genau darüber Bescheid wissen, was die beiden aneinander antörnte.
Aber abgesehen davon stand eins inzwischen für mich fest: Ich hatte Clay Banton zu meiner großen Schande nicht ernst genug genommen! Immer wieder hatte er doch betont, dass es ihm nicht gut ging. Er hatte mich in diesem Punkt definitiv nicht angelogen. Und ich hatte das mit einem Achselzucken abgetan und seine Verfassung in keinster Weise gebessert, ganz im Gegenteil.
Und jetzt fing ich schon wieder damit an, mir deshalb zunehmend Sorgen um Clay zu machen. Verdammt, ich vermisste Herrn Banton jetzt schon, er fehlte mir ganz entsetzlich! Ich sehnte mich enorm nach seinen Zärtlichkeiten, seinem Lächeln, seinem warmen Körper dicht an meinem. Der sanfte Mann fühlte sich doch so entsetzlich gut an!
Verdammt nochmal, reiß dich zusammen, rief eine laute, energische, ärgerliche Stimme in meinem Kopf. Er ist weg und genau das wolltest du doch schließlich die ganze Zeit. Du hast es wiederholt von ihm verlangt, und er ist jetzt endlich gegangen. Er hat dich verlassen und wird nicht wiederkommen. Sei also froh, hake den schrecklich komplizierten Typen mitsamt seiner von harten Drogen verseuchten Welt endgültig ab und wende dich deinem eigenen Leben zu! Aber wie um alles in der Welt sollte ich mir denn mein Leben ohne Clay vorstellen?
Clay
Es war sehr kalt und düster draußen, auf der Straße lag Schnee. Ich rannte die paar Meter zu meinem schneebedeckten Auto und suchte hektisch in meinem Jackett nach dem Schlüssel. In diesem Moment hatte ich das übermenschliche Bedürfnis nach Heroin. Ich versuchte verwirrt, mich an dem Gedanken festzuhalten, bald einen Chinesen zu rauchen. Ich plante diese Aktion und mein Treffen mit Sergej minutiös und ärgerte mich, dass ich kein Handy dabei hatte, mit dem ich ihn sofort hätte anrufen können.
Ich konnte meinen Autoschlüssel nicht finden, und das machte mich tierisch nervös. Als ich ihn endlich in der Jacke fühlte, registrierte ich, dass Valmonts verfluchter Jeep viel zu dicht hinter meinem MG stand. Der Arsch hatte mich tatsächlich dreist zugeparkt, der Wichser, sodass ich das mit dem Wegfahren wohl vorerst vergessen konnte. Meine rasende Wut stieg nochmal beträchtlich.
Im nächsten Moment kam auch schon der Jeep-Besitzer aus dem Haus gestürmt, der mir offenbar ziemlich schnell gefolgt war. Er entdeckte mich sofort, denn unsere Autos standen ja direkt vor der Tür. Sean sah mich an und grinste spontan siegesgewiss. Es freute ihn sichtbar, dass ich nicht wegfahren konnte. Seine schönen Augen waren tatsächlich immer noch gierig und geil, absolut besessen von seiner Rache.
Ich brauchte nur einen Blick, dann wusste ich genau, was los war, was mich erwartete. Er hatte mir ja auch in Elizas Badezimmer schon eine eindrucksvolle Kostprobe davon serviert. Sean stoppte und bewegte sich dann langsam auf mich zu, ohne mich aus den Augen zu lassen. Seine schwarzen Pupillen blitzten absolut verhängnisvoll im Schein der Straßenlaterne, ein verdammter Tiger im Jagdfieber.
Ich starrte ihn konfus an, und mein Herz beschleunigte sein Hämmern. Mir wurde bewusst, dass ich es nicht mehr schaffen würde, das Auto aufzuschließen und mich darin zu verbarrikadieren, bevor Valmont mich packen würde. Plötzlich konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Intuitiv drehte ich mich von ihm weg und rannte einfach los, meinem mächtigen Fluchtinstinkt bedingungslos gehorchend. Ich kannte die Richtung nicht und hatte auch kein Ziel, wollte einfach nur auf diese dumme Art entkommen, weil ich mich vor dieser Auseinandersetzung und dem zu erwartenden Schmerz enorm fürchtete. Ich war ein entsetzlicher Feigling. Ohne mich umzusehen wusste ich aber, dass Valmont mir auf der Stelle folgte. Ich wusste auch, dass er nicht aufgeben und mich früher oder später einholen würde, dass es kein Entkommen für mich gab. Dennoch versuchte ich diese sinnlose Flucht, denn ich hatte keine Gedanken mehr, nur noch lebensrettende Reflexe.
Ich rannte die Straße entlang, bog dann irgendwo in einen schmalen Weg ab und landete irgendwie in diesem scheiß Stadtpark. Ich atmete viel zu schwer, meine Lunge tat weh. Alles tat mir weh, denn ich war schon wieder geschlagen worden, und das ärgerte mich jetzt maßlos. Es ging mir durch den Kopf, dass, wenn ich besser in Form wäre, ich vielleicht eine Chance gehabt hätte, Sean Valmont hinter mir zu lassen.
Aber ich war vor Kurzem brutal verprügelt worden, schwer verletzt und böse zerschnitten, mein frisch genähtes Bein pochte schmerzhaft bei jedem Schritt. Ich hatte an diesem Tag noch nicht mal eine blöde Schmerztablette genommen, und deshalb war alles vollkommen sinnlos.
Selbstverständlich kam der rasende Mann viel zu schnell näher. Ich konnte ihn hinter mir atmen hören und machte mich innerlich bereit, so gut es ging, bevor er mich schließlich unvermittelt fest am verletzten Arm packte. Ich geriet durch seinen plötzlichen Angriff ins Ungleichgewicht und stolperte haltlos, obwohl ich versucht hatte, mich darauf vorzubereiten. Trotzdem ging mein Schlag, den ich ihm gezielt verpassen wollte, blöderweise ins Leere, weil Valmont trotz des Überraschungsangriffs mühelos auswich.
Erstaunt ließ er mich los und taxierte mich prüfend, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass ich auf ihn losgehen würde. Aber ich war total zornig und völlig außer mir, denn ich hatte keine Lust mehr, das ständige Opfer zu sein. Deshalb nahm ich all meinen Mut und meine Kraft zusammen und fixierte ihn drohend. „Lass mich in Ruhe!" schrie ich ihn an, „Was zur Hölle willst du von mir?"
Der überirdisch gutaussehende Sean Valmont stand breit grinsend höchstens zwei Meter von mir entfernt und studierte mich ausführlich und genüsslich. Sein Blick wanderte aufmerksam über mein Gesicht und dann langsam an meinem angespannten Körper entlang, bis er ziemlich lange auf meinem Schwanz verweilte. Der mit Auszeichnung studierte und preisgekrönte Universitätsprofessor war unverändert tierisch geil auf mich und konnte sich kaum noch zurückhalten. Das Kokain putschte ihn kontinuierlich auf. Meine tosende Wut amüsierte ihn nur. Dieses scheiß Spiel machte ihm einen Höllenspaß!
Schließlich besann er sich und guckte mir in die Augen. „Du hast mich angelogen! Du hast schon wieder nichts von dem getan, was du mir fest versprochen hattest!" klagte er mich erstaunlich ruhig an. Seine wohlklingende Stimme hörte sich verletzt an, obwohl er sich bemühte, das zu verbergen. Ich atmete tief, wich seinem durchbohrenden Blick nicht aus und zwang mich, meine Panik zu kontrollieren.
Wir standen uns auf einem schmalen, schneebedeckten Schotterweg gegenüber und mir dämmerte, dass es ein verhängnisvoller Fehler von mir gewesen war, ausgerechnet in diesen zur Zeit anscheinend total menschenleeren Stadtpark zu flüchten. Denn hier war ich Valmont schutzlos ausgeliefert. Nichts würde ihn bremsen, weil es weit und breit keinen einzigen Zeugen seiner Rache an mir gab.
Nach ein paar Schrecksekunden aufgrund dieser alarmierenden Erkenntnis riss ich mich jedoch zusammen, denn ich wollte zum Verrecken nicht länger der hilflose Idiot sein, mit dem man alles ungestraft machen konnte. „Na und? Scheiß doch was drauf, Valmont! Was bildest du dir denn ein, dass du jetzt deswegen mit mir machen darfst, hä?" brüllte ich und ging aggressiv einen Schritt auf ihn zu, bis ich ihn fast berührte. Er war so verblüfft, dass er mich nur fassungslos anstarren konnte, was mich ungemein befriedigte. „Du kannst gar nichts tun, Valmont!" schrie ich triumphierend, „Ich scheiß auf deine ach so wichtigen Termine!"
Mir war völlig klar, dass ich Sean mit jedem Wort enorme emotionale Schläge verpasste, und das törnte mich in dieser Situation ganz schön an. Ich war so wütend auf ihn, ich hasste ihn für seine Arroganz und seine verdammte Besessenheit von mir. Ich hasste ihn dafür, dass er mich mit seinem unwichtigen Mist daran hinderte, jetzt sofort Sergej anzurufen. Nicht eine Sekunde länger wollte ich Sean Valmonts selbstgefällige Überheblichkeit reglos hinnehmen.
Bevor der Mann sich auch nur halbwegs von meinen bösen Worten erholen konnte, schlug ich ihn abrupt so hart gegen die Schulter, dass er tatsächlich rückwärts taumelte. Im nächsten Moment setzte ich schnell noch ein paar Schläge nach, die ihn ziemlich feste irgendwo am Oberkörper trafen. „Krieg dich endlich ein und lass mich in Ruhe, verdammt nochmal!" forderte ich ihn lauthals auf, während ich ihn vernichtend fixierte.
Aber Sean war neben seiner spürbaren Geilheit ebenfalls extrem wütend auf mich und zusätzlich absolut kokainberauscht. Der Mann war unverändert besessen von mir und seiner Rache, deshalb fing er sich viel zu schnell, und mein Überraschungsmoment verpuffte, als er auch schon damit anfing sich zu wehren. Er schlug mich gegen die Brust, was echt wehtat. „Ich lass mich nicht von dir verarschen, Banton! Wenn du mir was versprichst, dann hast du das gefälligst auch zu halten!" knurrte er mich zornig an. Ich lachte spöttisch auf. „Und wenn nicht? Was dann?" forderte ich ihn hämisch heraus und schlug ihn nochmal, aber er blockte mich ab, weil er jetzt damit rechnete. „Dann musst du auch mit den Konsequenzen leben, Herr Banton!" meinte Sean gefährlich leise und schlug mich ein paarmal gegen Brust und Bauch, wovon ich blöderweise ins Taumeln geriet, weil ich zu langsam war, um ihn abzuwehren oder ihm auszuweichen.
Seine Schläge taten total weh, und mir war zum Heulen zumute. Aber gleichzeitig stieg auch mein mächtiger Zorn, weil ich definitiv nicht mehr gewillt war, diesen Scheiß ohne Gegenwehr hinzunehmen, wie ich es sonst viel zu oft getan hatte. Also riss ich mich zusammen und stürmte wieder auf ihn zu, sobald ich mich gefangen hatte. „Was bildest du dir ein, Valmont? Denkst du ernsthaft, du dürftest mich bestrafen?" Meine Stimme überschlug sich beinahe, so absurd war dieser Gedanke. Obwohl ich eigentlich längst wusste, dass er genau das dachte, es auch diesmal tun würde und auch schon viel zu oft auf irgendeine Art getan hatte.
Sean taxierte mich arrogant grinsend. Er atmete schwer vor Erregung. Der Tiger hatte seine Beute dicht vor Augen. „Ich muss dich sogar bestrafen, Banton, weil du sonst nämlich nie erwachsen wirst!" knallte er mir allen Ernstes vor den Kopf, woraufhin ich ihn einen Moment lang perplex anstarrte, weil ich seine unglaubliche Arroganz nicht fassen konnte. Meine Wut steigerte sich enorm, und schon im nächsten Augenblick verteilte ich zornig blitzschnell noch ein paar Schläge auf seinem attraktiven Körper, die ihn so hart trafen, dass er tatsächlich schmerzerfüllt aufstöhnte.
Das gefiel mir ungemein, aber blöderweise war das Schlagen ziemlich anstrengend, sodass ich erschöpft nach Luft rang. Mein verdammtes Herz hämmerte viel zu schnell und das Blut rauschte mir adrenalingetränkt in den Ohren. Sean dagegen schien die Anstrengung überhaupt nichts auszumachen. Er war mehr als hervorragend in Form und außerdem koksfit.
„Du bist so ein selbstgefälliger Arsch!" schrie ich ihn beleidigt an, „Ich bin schon seit Jahren erwachsen!" „Du bist so was von meilenweit davon entfernt, erwachsen zu sein!" entgegnete Sean sofort zutiefst überzeugt.
Es war ganz still, während wir uns eine Weile nur hasserfüllt und kampfbereit anstarrten. Derweil ich gekränkt nach einer cleveren Erwiderung suchte, begriff ich immer deutlicher, wie recht Sean Valmont hatte, dass genau das sogar das entscheidende Faktum unserer ganzen verdammten Beziehung war. Er war der ständig Vernünftige, der Erwachsene, der immer treffend wusste, was wann zu tun war und niemals den Überblick verlor. Er war derjenige, der mir zuverlässig sagte, was ich machen sollte, wenn ich mal wieder völlig planlos in der Luft hing, im Chaos und in Depressionen versank und alles um mich herum sich aufzulösen schien.
Bisher hatte Valmont mich noch aus jedem Tief herausgeholt, und sei es nur dadurch, dass er mir irgendeine kreative Arbeit gab, hinter der ich mich verstecken konnte. Der Mann hatte dummerweise völlig recht, in vielerlei Hinsicht war ich nicht mal annähernd erwachsen, würde es vielleicht niemals sein. Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich wollte nicht länger das hilflose, dumme Kind sein, das man andauernd an die Hand nehmen musste.
Dieses Thema verwirrte mich, und mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können, deshalb fixierte ich Sean nur wütend. Mühsam schob ich die aufkommende Panik bei dem Gedanken beiseite, dass Valmont bald weg und damit niemand mehr da sein würde, der mich aus dem verfluchten grauen Nebel retten konnte.
Ich taxierte ihn aufgebracht, konfus, und er betrachtete mich nochmal sehr ausführlich und besitzergreifend. Er studierte gierig mein Gesicht und meinen ganzen Körper mit seinem stechenden Blick, genoss jeden Zentimeter, geilte sich an meinem Anblick auf, und dabei atmete er immer schwerer. Seine Augen glühten in der Dämmerung, er war enorm erregt, und es drängte ihn zunehmend nach Erleichterung. Das machte mich tierisch nervös, weil ich immer noch keine Idee hatte, wie ich seiner Rache entgehen konnte, obwohl ich pausenlos versuchte, darüber nachzudenken. Aber mein Kopf war leer und gleichzeitig vollgestopft mit wirren Emotionen. Mein Zorn tobte in mir, weil ich nicht mehr ungefragt Herrn Valmonts Spielzeug sein wollte.
Unvermittelt veränderten sich Seans hellblaue Augen, was ich sofort alarmiert zur Kenntnis nahm. Sein drängender Blick wurde irgendwie traurig, vielleicht sogar verzweifelt, keine Ahnung. Er holte tief Luft und schüttelte nachdenklich den Kopf. „Nein, du bist nicht erwachsen, Clay, du bist impulsiv und gedankenlos, genau wie ein Kind", sagte er ganz ruhig. Ich glotzte ihn ziemlich blöde an, und er zögerte. Es arbeitete in seinem perfekten Kopf. Für einen Moment schloss er die Augen, gab sich einen Ruck und schaute mich wieder sehnsüchtig an. „Und dafür liebe ich dich weitaus mehr, als ich ertragen kann", beichtete Sean Valmont mir wahrhaftig mit vor Gefühlswucht krächzender Stimme. Der Mann war dabei so angespannt, dass er am ganzen Leib zitterte. Dann stöhnte er erleichtert auf, als hätte er sich gerade von einer zentnerschweren Last befreit.
Aber nur drei Sekunden später riss er auch schon entsetzt die Augen auf und starrte mich total erschrocken an, weil er nämlich ganz genau wusste, dass er gerade absoluten Mist gebaut hatte. Er liebte mich mehr, als er ertragen konnte?! Was zur Hölle sollte das? Er hätte mich genauso gut vor den Kopf treten können! So etwas wollte ich definitiv nicht hören, von niemandem, schon gar nicht von Valmont. Mit so einem verflucht komplizierten Scheiß konnte ich nichts anfangen, und ich wollte ihn bestimmt nicht in meinem Kopf haben. Dieser gefühlsbeladene Mist setzte mich unter Druck, engte mich ganz enorm ein, und das konnte ich auf den Tod nicht leiden. Es hörte sich an, als wären seine Gefühle meine Schuld, als könnte nur ich etwas daran ändern.
Außerdem kapierte ich das sowieso nicht, weil er mir doch vor einer Minute noch vorgeworfen hatte, nicht erwachsen zu sein. Wie konnte er mich also jetzt genau deswegen lieben? Und überhaupt konnte mich ja gar kein Mensch lieben, denn ich war vielleicht alles mögliche, aber mit Sicherheit war ich nicht scheiß liebenswert!
Fuck! Fuck! Fuck! Sean Valmonts tiefgreifende Worte berührten mich auf irgendeine intime Art, die mir absolut zuwider war. Plötzlich fühlte ich mich, als würde ich keine Luft mehr kriegen, als würde mir jemand mit einem verfluchten Seil die Kehle zuschnüren. Der hinterhältige Mann wollte mich mit solchen Lügen ja nur fertigmachen!
Entsetzt und zornig riss ich die Augen auf, schnappte nach Luft und taxierte ihn vorwurfsvoll. Sean wusste genau, was er mit seinem bekloppten Geständnis angerichtet hatte, er kannte mich schließlich gut genug. Intuitiv ging er einige Schritte rückwärts, schüttelte verwirrt den hübschen Kopf und hob beschwichtigend die Hände. Bestimmt hätte er seine Worte gerne zurückgenommen, denn sie waren ihm zweifellos irgendwie herausgerutscht. Aber dazu war es jetzt zu spät, denn er hatte mich bis in die Haarspitzen provoziert, und jetzt war ich auf mehr als Hundertachtzig.
Mit zwei schnellen Schritten war ich dicht bei ihm und schubste ihn mit beiden Händen gegen seine Brust abrupt von mir weg. Er war irgendwie abgelenkt, überrascht und konfus wegen seiner eigenen Worte, deshalb reagierte er kaum und stolperte haltlos rückwärts. Ich folgte ihm energisch. „Was soll das, Valmont? Was bedeutet das? Warum sagst du mir so was?" schrie ich ihn geringschätzig an und trieb ihn mit weiteren harten Schubsern vor mir her, von denen er wehrlos zurücktaumelte. Ich wartete auf seine Antwort, aber er hob nur träge die Arme, guckte mich unglücklich an und sagte nichts.
Das machte mich noch wütender und ich schlug ihn. Dann holte ich tief Luft und fixierte ihn drohend. „Du kannst mich also nicht ertragen, hä? Da hab ich eine Neuigkeit für dich, Arschloch, ich kann dich schon längst nicht mehr scheiß ertragen!" Noch einmal schubste ihn ihn ziemlich brutal, sodass er tatsächlich das Gleichgewicht verlor, rückwärts stolperte, hinfiel und auf seinem knackigen Hintern landete. Inzwischen waren wir allerdings auf eine Wiese geraten, deshalb wurde sein Sturz vom schneebedeckten, weichen Gras abgefangen.
„Das habe ich nicht gesagt! Ich liebe dich, Clay!" seufzte Sean konfus und abwehrend. Das stach mir direkt in die Eingeweide, und ich stöhnte frustriert auf. Als ich dicht bei ihm stand und auf ihn hinunterblickte, war ich kurz davor, ihn mit voller Wucht gegen seine langen, wohlgeformten Beine zu treten, so wütend war ich auf ihn, so verwirrt von seinem Verhalten und seinen Worten. Es gefiel mir nicht, was er machte, dass er ausgerechnet jetzt von Liebe quatschte, wo doch gerade absolut nichts an ihm zärtlich oder liebevoll war. Der Mann war einfach nur total dicht und aufgeputscht vom Koks, unverändert ausgeklinkt und besessen von seiner Rache an mir.
Das alles passte kein bisschen zu seinem Liebesscheiß. Also wollte er mich mit seinen Worten eindeutig nur durcheinanderbringen! Es ärgerte mich, dass er damit sehr wohl Erfolg hatte. Ich war enorm verwirrt, aber als ich mich gerade entschlossen hatte, ihn für diesen hinterhältigen Mist heftigst zu treten, war er schon in einer kräftigen, schnellen Bewegung aufgestanden. Das nervte mich noch mehr, weil ich durch mein dummes Zögern die Chance vertan hatte, ihn vielleicht zu besiegen.
„Du verdammter, blöder Wichser! Erzähl mir nicht solche Lügen, du scheiß Schwuchtel!" schrie ich aufgebracht und machte einen abrupten Satz nach vorn. Ich holte aus und schlug ihn mit Wucht gegen die Schulter, dann gegen die Brust und in den Bauch. Meine Fäuste flogen nur so über seinen harten, muskulösen, angespannten Körper, und das tat meinen Händen weh, aber es befriedigte mich auch, weil ich ihm anmerkte, dass ich ihm damit ziemlich wehtat.
„Ich liebe dich, Clay", wiederholte Sean ächzend. „Halt bloß deine blöde Fresse, du Arsch!" brüllte ich atemlos, obwohl mir klar war, dass er mich keineswegs anlog. Ich wollte es nur nicht von ihm hören, und das wusste er auch ganz genau. Sean stöhnte „Clay..." und wachte viel zu schnell aus seiner Irritation auf, womöglich durch den Schmerz, den ich ihm zufügte.
Er schlug mich unerwartet, aber ich blockte ihn trotzdem halbwegs ab, sodass seine Schläge nur schmerzhaft meine Unterarme trafen. Gleich darauf schlug ich ihn nochmal mit der Faust, aber er blockte mich ab und verteilte auf meiner Brust noch ein paar Schläge, die mir die Luft aus den Lungen pressten.
„Keine Sorge, Valmont, ich bin bald weg, dann musst du mich nicht mehr ertragen!" konnte ich mich nicht bremsen, ihm lauthals mitzuteilen, obwohl das ein grober Fehler war. Danach landete ich wieder ein paar harte Treffer auf seinen Rippen, weil er entsetzt die Augen aufriss und mich merkbar verunsichert anstarrte. Sean war spontan wie vor den Kopf geschlagen, total fassungslos, und das gefiel mir ungemein.
Aber schon im nächsten Moment hatte er sich erneut gefangen. „Du gehst nirgendwo hin, Banton!" knurrte er mich streng an und schlug mich gegen den Bauch, die Brust und die Oberarme. Er tat mir echt weh und das machte mich wütend. Ich konnte es nicht ertragen, wie arrogant er schon wieder war. Es war zum Kotzen, dass der Mann sich tatsächlich einbildete, mich hier festhalten zu können, wenn ich gehen wollte.
Mit einem zornigen Schrei stürzte ich mich auf ihn. Er erwartete mich kampfbereit, und schon waren wir mitten in der schönsten Prügelei angelangt. Unsere Schläge folgten abwechselnd immer schneller und härter aufeinander, wir schubsten uns, taumelten über diese große Wiese und schenkten uns gegenseitig überhaupt nichts. Wohlweislich beschränkten wir uns dabei auf unsere Oberkörper und die Arme, seltener die Oberschenkel, weil wir unsere Gesichter nicht verletzen wollten, als hätten wir uns abgesprochen.
Mit der Zeit gesellte sich zu dieser körperlichen Auseinandersetzung spürbar irgendwas hinzu, eine enorm zornige Emotion, ein unausgesprochener Konflikt, der anscheinend schon lange zwischen uns geschwelt hatte. Ich war erstaunt, wie viel Wut sich zwischen uns angesammelt hatte, ohne das ich es auch nur geahnt hatte. Sean war tatsächlich ganz enorm wütend auf mich. Der starke Mann reagierte sich völlig hemmungslos an mir ab, aber diesmal tat ich ganz genau das gleiche mit ihm, so gut ich es in meinem angeschlagenen, viel zunüchternen Zustand eben hinbekam. Ich glaube aber, dass ich mich recht gut gegen ihn behauptete. Zumindest machte ich es ihm bestimmt nicht zu leicht.
Dieser Kampf war keine zärtliche Balgerei, wie wir sie sonst so oft hatten, kein sexuelles Vorspiel, hier ging es wirklich ans Eingemachte. Sean und ich waren unverhofft auf der Zielgeraden unserer Beziehung angelangt. Dies war die große Endabrechnung.
Sean
Mann, dieses Gefühl war so endgeil, dass ich es kaum fassen, kaum damit umgehen konnte. Eine ganz fantastisch angenehme, herrlich warme, mächtige Kraft brauste durch meine Adern, erfüllte die kleinsten Kapillaren, meine unzähligen Nervenenden vibrierten im aufgeregten Freudentanz. Alle meine Sinne waren hellwach und enorm geschärft, ich nahm meine Umgebung und mich selbst so intensiv wahr, wie schon lange nicht mehr. Ich fühlte mich absolut unbesiegbar und bärenstark, ich war der verdammte Superman, Batman, Spiderman und Ironman in einer Person.
Nein, Dimitri hatte mich definitiv nicht angelogen, als ich ihn in der Stadt gefragt hatte, ob sein schneeweißes Pulver auch von guter Qualität wäre. Wider besseres Wissen hatte ich sofort gierig neben ihm angehalten, als ich in der Stadt zufällig an ihm vorbeigefahren war. Er war in meinen Jeep gestiegen und hatte mir versichert, dass sein Stoff lupenrein wäre, und ich sollte bloß gut auf mich aufpassen, dass ich nicht zu viel davon auf einmal konsumierte.
Selbstverständlich hatte ich auf der Stelle etwas bei ihm gekauft. In meinem überdrehten Zustand, in dieser fiebrigen Kokain-Geilheit, kann man gar nicht anders handeln. Niemand auf der ganzen Welt kann mir erzählen, dass er in diesem Moment auf seinen Verstand hören und widerstehen würde. Noch im Jeep hatte ich das ganze viertel Gramm weg gesnieft, weil ich auf das Zeug so scharf war, dass mir das mit der Pfeife in diesem Augenblick zu lange gedauert hätte.
Und jetzt bekam ich die einzige Belohnung meiner Sucht, die Pflanzenchemie jubelte in meinem Körper, feierte die wildeste Techno-Party in meinem Kopf und konnte sich gar nicht mehr einkriegen.
Clay war urplötzlich vor mir geflüchtet. Der verwirrte und überforderte Mann hatte mich mit seiner Lieblingsfrau Eliza Laser in deren Badezimmer dreist stehenlassen. Zuerst ärgerte ich mich darüber und war ziemlich gekränkt, aber dann fand ich diese neue, unerwartete Situation echt aufregend. Mein enorm heiß begehrtes Ziel lief hilflos vor mir davon, weil er Angst vor meiner überwältigenden Stärke und Potenz hatte.
Clay Bantons unüberlegte Feigheit katapultierte mich direkt in die Position des überlegenden Jägers, und das gefiel mir. Aufgedreht, fiebrig rannte ich ihm sofort hinterher, sprang diese vielen Stufen im Treppenhaus hinunter und malte mir dabei meine unmittelbar bevorstehende Rache aus, meine gewalttätige Wiedergutmachung, die mir schon sehr lange zustand. Ich hatte ihn viel zu lange vermisst, war wegen ihm in unangenehme Situationen geraten, und ich war davon überzeugt, dass Herr Banton mir auch diesmal nichts würde entgegensetzen können. Er war schlicht nicht in der Lage, sich dauerhaft gegen mich zu wehren, wenn ich etwas von ihm wollte, was er in ähnlichen Situationen schon hinlänglich bewiesen hatte.
Als ich aus dem Haus trat, stand er an seinem Auto und suchte in seiner Jacke nach dem Schlüssel, der Idiot. Er suchte tatsächlich seinen Autoschlüssel, obwohl ich seinen MG bewusst mit meinem viel größeren Jeep zugeparkt hatte, weil ich so wütend gewesen war, ihn ausgerechnet bei Eliza zu finden. Er schaute mich gehetzt an, konfus, panisch, und erst in diesem Moment fiel ihm auf, dass er sowieso nicht eher wegfahren konnte, bis ich es ihm erlauben würde.
Wir schauten uns einen Moment lang an und ich versuchte abzuschätzen, in welcher Stimmung er jetzt wohl war, ob er immer noch so zornig war, wie gerade in Elizas Badezimmer, als er uns lautstark vorgeworfen hatte, wir würden ihn wie ein Spielzeug behandeln, was er in der Tat für Eliza und mich sehr oft war. Zeitweilig wurde Clay meistens wütend, beschimpfte mich oder bekämpfte mich auch, aber trotz allem bekam ich letzten Endes jedes Mal genau das von ihm, was ich wollte.
Und ich wollte ihn jetzt unbedingt, war tierisch geil auf ihn, wollte ihn hart von hinten nehmen, und ich wollte ihm dabei wehtun. Nicht zu viel, aber gerade so viel, dass er meine Rache verstehen würde, meine Verärgerung, meine Enttäuschung, meinen Schmerz, einfach irgendwas von mir. Unablässig versuchte ich es auf diese Art, obwohl mir total klar war, dass Herr Banton mich nie begreifen würde. Weil er nämlich meine Empfindungen schlicht nicht mit mir teilte.
Aber im nächsten Moment drehte Clay sich abrupt von mir weg und spurtete los. Der Mann nahm seine Beine in die Hand und lief vor mir weg, als ginge es dabei um sein Leben. Darüber war ich nur etwa drei Sekunden lang irritiert. Dann machte mein Herz einen erfreuten, aufgeregten Hüpfer, weil es diese Sache auf spannende Weise verlängerte, weil die geile Jagd noch weiterging.
Unverzüglich nahm ich die Verfolgung auf, folgte ihm in einigem Abstand die Straße entlang und ließ seinen breiten Rücken dabei nicht aus den Augen. Man merkte ihm an, dass er verletzt war, er hinkte ganz leicht, und ich erinnerte mich an diese tiefe, lange Schnittwunde an seinem Bein, und wie ich sie in meinem Zimmer geleckt hatte. Ich erinnerte mich an die harten Nähte an meiner Zunge, dann an seinen harten Schwanz in meinem Mund, und das machte mich ganz kribbelig, sodass ich mein Tempo unwillkürlich steigerte.
Zu meiner freudigen Überraschung bog Clay nach einiger Zeit in den Stadtpark ein, und mir war sofort klar, dass wir dort um diese Zeit und bei diesem Wetter herrlich ungestört sein würden. Mein Herzschlag beschleunigte sich bei dem Gedanken, ihn gleich im Freien zu ficken, und wie verdammt gefährlich das eigentlich für mich sein würde. Aber gerade die Gefahr törnte mich total an, denn ich war unantastbar und mir konnte ja nicht wirklich etwas passieren. Ich fand es ausgesprochen dumm von Clay, mir auf diese unüberlegte, aber auch liebenswürdige Weise auch noch entgegenzukommen. Aber höchstwahrscheinlich bekam er gar nicht richtig mit, wohin er eigentlich rannte.
Er wollte nur weg von mir und war dabei nicht besonders schnell oder erfolgreich. Es fiel mir total leicht, ihm auf den Fersen zu bleiben und schließlich näher an ihn heranzukommen. Als ich ihn letztendlich erreichte und am Arm packte, war ich vom Joggen noch nicht mal außer Atem.
Aber dann geschah etwas, womit ich in meiner kopflosen Gier und Vorfreude nicht gerechnet hatte. Als Clay mich hinter sich spürte, fuhr er abrupt zu mir herum und wollte mich schlagen. Mühelos konnte ich ihm ausweichen, denn obwohl er sich offenbar innerlich darauf vorbereitet hatte, war sein Schlag ziemlich unkontrolliert. „Lass mich ihn Ruhe!" schrie Clay völlig durchgedreht, „Was zur Hölle willst du von mir?"
Erstaunt ließ ich ihn los, stand vor ihm auf diesem Parkweg und betrachtete ihn mit einem warmen Gefühl im Bauch. Der Mann war mit seinem aufgelösten Gesicht und den vor Wut funkelnden Augen wunderschön. Es amüsierte mich, wie hilflos zornig er war, ratlos trotzig, wie ein kleines Kind. Er atmete schwer, offenbar hatte der Weg hierher ihn weitaus mehr angestrengt, als mich. Am liebsten hätte ich ihn jetzt in den Arm genommen und ihn bei mir ausruhen lassen, ihn ganz sanft gestreichelt. Aber das war nicht drin, denn ich durfte meine Rache nicht vergessen, meine ungeheuerliche Wut auf ihn, obwohl mich das jetzt, bei seinem direkten Anblick, schon einige Mühe kostete.
„Du hast mich angelogen", erklärte ich ihm, „Du hast schon wieder deine Versprechen nicht eingehalten!" Ich will ihn haben, jetzt sofort, dachte ich sehnsüchtig, und schaute mich verstohlen nach einem ungestörten, möglichst blickdichten Plätzchen in der Nähe um.
Im nächsten Moment änderte sich die angenehme, spannende Situation schlagartig, weil Clay erschreckend aggressiv auf mich zukam und mir zornig etwas entgegen brüllte, das mich innerlich fast entzwei riss: „Scheiß doch was drauf! Ich scheiß auf deine Termine! Du kannst gar nichts tun, Valmont! Krieg dich ein und lass mich in Ruhe!"
Dann schlug er mich nochmal, und zwar viel zu fest. Das nervte mich extrem, denn ich wollte mich jetzt nicht mit ihm schlagen. Sein purer Anblick, meine geilen Erinnerungen und die unbedingte Erwartung hatten mich sexuell erregt und schon halbwegs steif gemacht, und das irritierte und behinderte mich bei einem Kampf. Außerdem hatte ich große Angst vor einem Schlag unter die Gürtellinie, denn der Tritt von Frau Laser in ihrem Badezimmer war kaum zu ertragen gewesen und die Qual noch viel zu frisch.
Aber Clay Banton schlug mich frustrierend gezielt und schmerzhaft, sodass ich nicht immer ausweichen oder ihn abwehren konnte. Der Mann fixierte mich dabei mit einem derart tödlichen Blick voller hasserfüllter Verachtung, dass ich darunter unvermittelt fast zusammenbrach. Was ist nur mit ihm los, dachte ich verstört und alarmiert, da stimmt was nicht, so außer sich und offen feindselig habe ich ihn wahrhaftig noch nie erlebt!
Doch ich ließ mir nichts anmerken, denn seine tosende Aggressivität provozierte mich zu stark. Verärgert schlug ich ihn ein paarmal gegen den Oberkörper und versuchte ihm begreiflich zu machen, dass er gefälligst seine Versprechen einhalten sollte, oder eben mit den Konsequenzen leben musste.
Aber natürlich kam das gar nicht bei ihm an. Clay erwiderte spöttisch: „Denkst du ernsthaft, du dürftest mich bestrafen?" Obwohl er genau wusste, dass ich ihn bisher noch jedes Mal auf irgendeine Art für seine verdammte, unakzeptable Unzuverlässigkeit bestraft hatte, und diese Konsequenz auch diesmal für angemessen hielt. Ich versuchte, ihm auch das geduldig zu erklären, indem ich ihn darauf hinwies, dass er nur auf diesem Weg erwachsen werden könnte.
Clay war sofort beleidigt und betonte, dass er längst erwachsen wäre, wovon er wahrhaftig meilenweit entfernt war, und das sagte ich ihm auch. Dieses blöde, sinnlose und zeitraubende Geplänkel nervte mich. Ich wollte meinen Mann ganz nah bei mir haben, so schnell wie möglich tief in ihm sein, und nicht mit ihm über diese ernsten Themen diskutieren. Zum Reden hatte ich in meinem aufgeputschten Zustand nicht die geringste Lust und schon gar keine Geduld.
Während Clay noch immer nach irgendeiner cleveren Erwiderung suchte, schaute ich ihn mir nochmal prüfend an, sein schönes Gesicht und seinen wohlgeformten Körper. Sein Anblick überwältigte mich, beunruhigte und erstaunte mich gleichermaßen. Etwas Fundamentales stimmte nicht mit Clay Banton. Etwas hatte sich geändert. Irgendetwas war in diesem verfluchten Badezimmer mit ihm passiert, was ich nicht richtig mitbekommen hatte.
Dieser Mann, der vor mir auf dem Parkweg stand und mich hasserfüllt fixierte, war mir seltsam fremd, und ich begann unvermittelt zu begreifen, dass gerade alle sorgsam errichteten Mauern von ihm abfielen, und dass das keineswegs eine bewusste Entscheidung von ihm war.
Da steckten so unglaublich viele und starke Gefühle in ihm. Das hatte ich schon vom ersten Moment an gespürt, schon als er vor Jahren auf dieser Probebühne in der Kunsthochschule zum ersten Mal für mich Gitarre spielte. Vielleicht war es sogar genau das gewesen, was mich an ihm auf der Stelle magisch anzog. Dieses spannende Gefühl, dass da noch viel mehr in ihm steckte, mächtige Dinge, die man auf den ersten Blick nicht mal ahnen konnte. Doch nun schien es mir, als würden seine verdrängten Emotionen gerade allesamt aus ihm hinausdrängen.
Clay Banton suchte nach den richtigen Worten, um mir zu beweisen, dass er sehr wohl schon erwachsen war. Aber während er darüber nachdachte, zeigte er mir nur zunehmend das kleine, verwirrte, mega impulsive Kind, das in ihm steckte. Ich beobachtete ihn ganz genau, war total gebannt, fasziniert und überwältigt von seiner Verwandlung, und eine heiße Welle der Zuneigung erfasste mich unvermittelt, die so stark war, dass ich irritiert nach Luft schnappte.
Mit einem Mal begriff ich glasklar, warum Banton auf der Bühne so gut sein konnte. Warum er in der Lage war, die Menschen zu fesseln, obwohl er in der Kunsthochschule mit Sicherheit kaum ernsthaft etwas gelernt hatte. Aber was ich mir in der Schule recht mühsam jahrelang erarbeitet hatte, schien er von Natur aus zu besitzen. Im Gegensatz zu mir spielte Clay die Gefühle nicht, sondern er trug jedes einzelne noch hundertprozentig in sich. Nichts hatte seine Empathie gekillt, keine Erziehung oder Erfahrung hatte ihn seiner Gefühle beraubt oder ihn dazu veranlasst, sie zu verstecken, zu verleugnen oder zu vergessen.
Nein, das alles war absolut echt an ihm. Seine besondere Begabung bestand darin, dass es ihm nichts ausmachte, sein Publikum hemmungslos an seinen Empfindungen teilhaben zu lassen. Nur deshalb kam er auf der Bühne und bei seiner Musik so authentisch rüber, steckte so erstaunlich viel in seiner Stimme, wenn er Texte aufsagte oder sang. Seine selbstgemalten Bilder und seine selbstgeschriebenen Songtexte fesselten so, weil die Inhalte nicht nur dargestellt wurden, sie wurden von Clay wahrhaftig gelebt.
Von dieser Erkenntnis wurde ich fast erschlagen, obwohl ich es eigentlich schon immer irgendwie gewusst oder zumindest gespürt hatte. Clay Banton hatte etwas geschafft, was nur wenigen Menschen im Laufe ihres Lebens gelang. Er hatte das Kind in sich am Leben gehalten. Und nun schien es aus irgendeinem Grund immer deutlicher hervorzukommen.
„Du bist nicht erwachsen, Clay", sagte ich zu ihm, „Du bist impulsiv und gedankenlos, genau wie ein Kind."
Meine Worte gefielen ihm überhaupt nicht. Der dumme Mann fühlte sich durch meine Aussage herabgesetzt und gekränkt, obwohl dieses erstaunliche Faktum von mir in diesem Moment als riesengroßes Kompliment gemeint war.
Aber Clay verstand mich nicht, und ich musste in den nächsten Minuten hilflos mit ansehen, wie seine innere Mutation voranschritt, bis sie schließlich erschreckende Ausmaße annahm. Ich war irritiert, irgendwie auch verwirrt, alarmiert, und hatte das riesengroße Bedürfnis, ihn schnellstmöglich zu beruhigen. Weil nämlich diese ganze Situation in eine Richtung abzudriften schien, die mir keineswegs gefiel.
Deshalb gab ich mir einen Ruck und eröffnete ihm ganz spontan, wie sehr ich ihn genau deswegen liebte, weil er eben im Gegensatz zu mir im Inneren ein gefühlvolles Kind geblieben war. Ich sagte es ihm instinktiv, unbesiegbar im absoluten Koksrausch, gestand ihm tatsächlich meine riesengroße Liebe. Hätte ich vorher nur eine einzige Sekunde darüber nachgedacht, dann hätte ich mir diesen Satz mit absoluter Sicherheit verkniffen. Aber verdammt, zu gerne nahm ich Clay doch immer wieder an die Hand, um ihm den richtigen Weg zu zeigen, und wurde dann jedes Mal mit seiner unbändigen, kindlichen Freude dafür belohnt.
Aber meine gut gemeinten Worte, die ihn beruhigen und ihm schmeicheln sollten, bewirkten leider nur das totale Gegenteil. Ich hätte womöglich damit rechnen müssen, tat es aber in dieser Situation nicht. Vielleicht wählte ich auch einfach nur die völlig falschen Worte, keine Ahnung. Jedenfalls kam gar nichts so bei ihm an, wie ich es gemeint hatte.
Stattdessen schob Clay Banton auf einmal alle seine starken Gefühle beiseite, bis nur noch ein einziges übrig war: Gnadenlose, tosende und alles vernichtende Wut. Erschrocken, traurig und echt beunruhigt beobachtete ich ihn und konnte nicht fassen, was mit ihm passierte. Seine grün-braunen Augen glühten verhängnisvoll in der Dämmerung, als er mich drohend taxierte.
Nein, so hatte mein Mann mich definitiv noch niemals angeschaut. Mit solchen endgültigen, absolut vernichtenden Worten voller offenem Abscheu hatte er mich noch nie angebrüllt. Noch nicht mal seine Stimme hatte sich je so angehört, nicht mal annähernd. Clay verachtete und vernichtete mich gänzlich ohne Mitgefühl, beinahe schrill vor lauter aufbrausendem Zorn. Es war schwer für mich, das zu erleben, irgendwie damit zurechtzukommen.
Er schubste mich angewidert von sich weg, und ich taumelte haltlos rückwärts über diese schneebedeckte Wiese. Clay beschimpfte mich brutal und schlug mich dabei echt schmerzhaft, und ich begriff langsam, dass sich seine Verfassung seit der unfreundlichen Badezimmer-Szene nicht gebessert, sondern extrem verschlechtert hatte. Herr Banton war unbemerkt ein vollkommen anderer Mensch geworden, denn der Hass brannte so lichterloh in ihm, dass sonst nichts mehr von ihm übrig war.
Sein Abscheu tat mir enorm weh, und ich brauchte eine Weile, um das zu schlucken, damit auf irgendeine Weise umgehen zu können. Während er mich anschrie, mich schlug und immer wieder brutal von sich weg schubste, kamen mir unvermittelt verschiedene Situationen in den Sinn, die ich mit diesem Mann schon erlebt hatte. Ich verstand langsam, dass dies hier eigentlich gar nicht unbedingt so neu oder unerwartet war, wie es mir in diesem Moment vorkam. Clay Banton hatte diesen stürmischen Hass und diese depressive Traurigkeit, die beide hell lodernd in seinen Augen brannten, schon immer in sich getragen, schon seit unserer ersten Begegnung. Es waren seine ureigenen Dämonen, über die er niemals sprach und die er tief in sich vergraben und versteckt gehalten hatte. Noch nie hatte er sie mir in letzter Konsequenz gezeigt.
Nun explodierten sie aus irgendeinem Grund in ihm und fegten mich buchstäblich von meinen Füßen, als er mich so brutal schubste, dass ich hart auf den Hintern fiel. „Ich liebe dich,Clay!" kam es verzweifelt aus mir heraus, weil ich das dringende Bedürfnis hatte, ihn zu besänftigen, meinen vertrauten Mann zurückzuholen. Ich hatte keine Ahnung, was genau die dunklen Dämonen in ihm geweckt, was sie herausgeholt hatte, aber diese Entwicklung meiner Rache gefiel mir überhaupt nicht.
Ich wollte etwas Bestimmtes von ihm, hatte mich tierisch darauf gefreut, und ich konnte nicht einsehen, dass er sich dermaßen gegen mich wehrte. Mit seinem Widerwillen hatte ich gerechnet, denn dass er sich ein bisschen gegen mich sträuben würde war ja vorauszusehen und hätte die ganze Sache richtig spannend gemacht, den Reiz enorm erhöht.
Aber das hier war völlig anders. Es war eine hässliche Premiere und hatte rein gar nichts mehr damit zu tun, was ich früher schon mit Clay erlebt hatte. Seine völlig unkontrollierbare, offen feindselige Verfassung nervte mich, irritierte mich und war mir auf viele Arten unheimlich. Es erschwerte, was ich für uns beide geplant hatte. Die bitterböse Verachtung in seinem Blick und seinen Worten tat mir total weh, genauso wie seine viel zu harten Schläge gegen meinen Körper. So gnadenlos und komplett ausgeklinkt kannte ich Herrn Banton nicht, und ich hätte auch nicht mal ansatzweise geahnt, ihn jemals dermaßen zornig zu erleben. Das war nicht mehr mein vertrauter Mann, der da äußerst brutal mit dem Ziel der absoluten Vernichtung auf mich losging, das war definitiv ein völlig fremder Mensch.
Zu jeder anderen Zeit hätte ich höchstwahrscheinlich ganz anders darauf reagiert. Ich hätte ihn wohl einfach in den Arm genommen, ihn festgehalten und es sicherlich mit viel Geduld irgendwie geschafft ihn zu beruhigen. Vielleicht hätte ich ihn aufgefordert, mit mir über seine düsteren Probleme zu reden und hätte ihm dann aufmerksam zugehört. Bestimmt wäre mir etwas eingefallen, um die gefährliche Situation zu entschärfen.
Aber Banton wählte für seine Katharsis den denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Ich war gerade selbst ziemlich wütend auf ihn, denn er hatte mich enttäuscht, mich verletzt, und jetzt tat er nichts anderes. Schon seit Stunden freute ich mich auf meine Rache, meine Wiedergutmachung, meine Belohnung für all das, was ich wegen ihm durchlitten und auf mich genommen hatte. Ich war verflucht geil auf ihn und alles in mir schrie förmlich nach sexueller Befriedigung. In diesem Moment war ich weit davon entfernt, erwachsen und besonnen reagieren zu können. Ich war dazu einfach nicht in der Lage. Denn das starke Kokain beherrschte meine Gedanken und Handlungen, verhinderte weitere vernünftige Überlegungen vollends und verwandelte mich durch Bantons raue, schmerzhafte Behandlung unversehens vom unbesiegbaren Superman in den unberechenbaren Hulk.
Als ich damit anfing, ihn richtig hart zu schlagen und mich dabei nicht mehr zurückzunehmen, gerieten wir in einen brutalen Kampf, der seinesgleichen suchte. Meine ganze Konzentration fokussierte sich darauf, ihn so schnell wie möglich zu besiegen, denn ich hatte keine Lust mehr, noch viel länger zu warten.
Wir schubsten und schlugen uns gegenseitig schreiend über diese große Wiese, und ich nahm nichts anderes mehr wahr. Nur noch ihn, seine vernichtende Wut, der brennende Zorn und Abscheu in seinen Augen, seine erstaunliche Präsenz und Stärke, die Wucht, mit der er auf mich einschlug, die absolut unerträglichen Worte, die unvermittelt so scharf in meine Seele schnitten, dass ich fast daran zugrunde ging, als er sie mir spöttisch entgegen brüllte: „Keine Sorge, Valmont, ich bin bald weg, dann musst du mich nicht mehr ertragen!"
Diesen Satz konnte ich nicht richtig erfassen, denn er war zu brutal, zu absurd, viel zu schmerzhaft. Er war viel mehr, als ich ertragen konnte, und ich wollte nicht mal darüber nachdenken, was Clay überhaupt damit meinte. Er konnte nicht weg sein, das war schlicht unmöglich. Ich liebte und brauchte ihn doch weitaus mehr, als mein eigenes Leben!
Dass er so etwas Bizarres überhaupt zu mir sagte, dass er es wagte, mir mit seinem Weggang oder auch mit Selbstmord zu drohen, machte mich unglaublich wütend. Die vage Vorstellung davon, dass Clay Banton plötzlich nicht mehr da sein könnte, legte in meinem Kopf automatisch einen Schalter um. Ich klinkte wohl vollends aus, mein Verstand verabschiedete sich endgültig und überließ dem Kokain unwillkürlich die vollständige Befehlsgewalt.
„Du gehst nirgendwo hin, Banton!" konnte ich ihn noch mühsam anknurren, und dann schlugen wir uns noch eine Weile, während es um uns herum immer dunkler wurde und aufs Neue anfing zu schneien. Aber davon bekam ich nichts mit, denn das Koks erwärmte mich, betäubte mich, deshalb spürte ich keine Kälte und kaum noch Schmerz.
Banton hielt sich ebenfalls nicht zurück, er drosch mit ganzer Kraft auf mich ein. Aber er war angeschlagen und verletzt, schon ziemlich außer Atem, deshalb waren seine Schläge nicht halb so wirkungsvoll, wie sie sonst gewesen wären. Es fiel mir nicht besonders schwer, ihn mir halbwegs vom Hals zu halten, ihn abzuwehren und ihm ein paar echt heftige Schläge gegen seinen Körper zu verpassen, von denen er fast das Gleichgewicht verlor. Clay war erstaunlich tapfer, er war trotz seinem Handicap stark und schlug sich recht gut.
Aber er hatte gegen mich trotzdem keine Chance, wie ich im Laufe der Zeit befriedigt zur Kenntnis nahm. Je länger wir miteinander kämpften, umso ungeduldiger wurde ich, denn ich wollte mich ja gar nicht mit ihm schlagen, sondern ihn endlich für mich haben, ganz nah bei mir. Es überraschte und beeindruckte mich, wie viel Energie der verletzte Mann aufbringen konnte, wie verbissen er sich auf mich stürzte, als gäbe es kein Morgen.
Dennoch wurden seine Schläge mit der Zeit schwächer, unkoordinierter, zielloser, er taumelte zunehmend und atmete viel zu schwer. Das zornige Feuer in seinen Augen brannte unverändert lichterloh, aber sein verletzter Körper geriet an seine Grenzen, der Schmerz, den ihm meine harten Schläge zweifellos zufügten, machte ihm immer mehr zu schaffen.
Der arme Kerl ist wahrhaftig völlig nüchtern, fiel mir plötzlich auf, er hat heute höchstwahrscheinlich tatsächlich nur Methadon genommen, deshalb spürt er meine Schläge weitaus mehr, als ich die seinen. Ich war gerührt, dass Clay mich in diesem Punkt anscheinend nicht angelogen hatte. Aber ich war auch genervt, entschieden zu aufgeputscht und wütend auf ihn, um Mitleid zu empfinden. Das reicht jetzt, dachte ich nur verärgert, ich habe jetzt keinen Bock mehr auf diesen Scheiß!
Also fing ich damit an ihn zu treten, was ihn sofort aus dem Gleichgewicht brachte, weil er damit nicht gerechnet hatte. Schreiend versuchte er, mich seinerseits auch mit den Füßen zu attackieren, aber er trug nur weiche, schwarze Sneakers, und ich hatte meine schweren Stiefel an, war also enorm im Vorteil.
Überhaupt war Herr Banton zwar sehr seriös, aber für einen Kampf denkbar schlecht angezogen. Er trug sein bestes graues Jackett, ein hellblaues Seidenhemd, eine passende Weste und seine weinrote Krawatte, die mich förmlich dazu einlud, ihn ständig daran zu packen und zu mir hinzuziehen. Dunkelblaue Markenjeans zierten seine langen, muskulösen Beine, gegen die ich ihn jetzt immer häufiger mit meinen Motorradstiefeln trat. Clay starrte mich keuchend, mit schmerzverzerrtem Gesicht und vor Abscheu und Unglauben weit aufgerissenen Augen an. Offenbar fand er meine Tritte ziemlich unfair, und das waren sie zweifellos auch, aber das war mir total egal. Ich hatte so was von genug und wollte jetzt endlich mal vorankommen, schnellstmöglich ein Ende finden.
Mit den Augen wählte ich zwischen den Schlägen und Tritten ein geeignetes Ziel in unserer unmittelbaren Umgebung aus. Inzwischen war es schon recht dunkel geworden, was mir sehr zugute kam. Ich erinnerte mich an diesen kleinen Abhang, der hinunter zu den Bahngleisen führte, und versuchte mich zu orientieren. Wir waren zu meiner Freude bereits im Laufe des Kampfes unbemerkt in die Nähe dieser Stelle im Park geraten, also war es nicht mehr allzu weit bis dort. Meine geile Vorfreude wuchs wieder und breitete sich unwillkürlich auch in meiner Jeans aus.
Inzwischen war ich nur noch genervt von Clays körperlichen Attacken. Seine Schläge und Tritte waren so wahllos und chaotisch geworden, dass sie mich kaum noch trafen und noch weniger schmerzten. Der erschöpfte Mann rang nach Luft und taumelte benommen über die Wiese, ganz eindeutig schwanden seine Kräfte rapide, obwohl die Intensität seines Zornes sich sichtbar nicht verändert hatte.
„Du Arsch! Lass mich in Ruhe!" wiederholte er atemlos und taxierte mich. „Du kannst nicht ständig über mich verfügen, Valmont!" Das wollen wir doch mal sehen, dachte ich amüsiert bei mir und versetzte ihm abrupt einen gut gezielten, kräftigen Tritt gegen seinen verletzten Oberschenkel, genau in Höhe der langen Schnittwunde.
Clay schrie gequält auf und wollte nach der getroffenen Stelle greifen, aber da knickte ihm auch schon das Bein ein, sodass er hilflos hinab auf die Wiese fiel und seinen Sturz mit den Händen abfangen musste. Im nächsten Moment hatte ich ihn an der Krawatte und am Revers des Jacketts gepackt und schleifte ihn einfach mit mir mit, quer über die Wiese in Richtung meines vorher ausgewählten Ziels. „Lass mich sofort los! Lass mich in Ruhe! Hör auf damit, du verdammte schwule Sau!" kreischte Clay hilflos und zappelte hartnäckig in meinem festen Griff herum, sodass sein Jackett zerriss und ich ihn woanders packen musste.
Aber er war verletzt und müde, unsere gewalttätige Auseinandersetzung hatte ihn enorm ausgelaugt, und deshalb konnte er sich nicht mehr wirkungsvoll gegen mich wehren, was ich befriedigt und spöttisch, aber auch liebevoll zur Kenntnis nahm. Ich packte ihn irgendwo an der Jacke, am Hemd und an der Krawatte und zog ihn relativ mühelos mit. Nervös ließ ich dabei meinen Blick sorgfältig durch den Park schweifen, um irgendwelche Zeugen oder Spanner ausfindig zu machen, die ich jetzt echt nicht gebrauchen konnte.
Aber es war schon Abend, und ich konnte im Schneetreiben niemanden entdecken. Dieser Park war menschenleer, und Clay hatte mich selbst hierher geführt, wofür ich ihm dankbar war. Ich schaute ihn an, wie er in meinem festen Griff zappelte, während ich ihn rückwärts über die Erde zog, sein schönes Gesicht wutverzerrt, nach Luft ringend, mir absolut hilflos ausgeliefert, und bei dem Gedanken, was ich gleich mit ihm machen würde, stieg meine Erregung ins Unermessliche.
Ich liebe ihn so, dachte ich aufgeregt und spürte ständig eine neue, warme Welle des Kokains durch mein Gehirn schwappen, durch meinen gesamten, aufgedrehten Körper. Ich will ihn jetzt unbedingt haben, fuhr mir durch den Kopf, aber ich möchte ihm dabei nicht mehr wehtun. Ich habe ihn gerade echt brutal verprügelt, aber er wollte es ja nicht anders, der Dummkopf. Irritiert merkte ich, dass ich überhaupt nicht mehr wütend auf Clay war, obwohl er mich unverändert bösartig beschimpfte und mir tödliche Blicke zuwarf. Sein spürbarer Zorn machte mich jetzt nur noch traurig, denn ich verstand nicht, was ihn dermaßen stark erzürnt haben konnte. Ich begriff nicht, woher sein Abscheu gegen mich kam.
Eigentlich verstand ich seine ganze merkwürdige, sinnlose Aktion nicht, sein hilfloses Aufbegehren, seine schmerzhaften Worte, all das war mir fremd und unbegreiflich. So kannte ich meinen Mann nicht, und ich wollte ihn auch nicht länger in diesem aufgelösten, total feindseligen Zustand erleben. Clay hatte es auch diesmal irgendwie unbemerkt geschafft, mir meine Wut auf ihn wegzunehmen, und jetzt wollte ich ihn eigentlich nur noch beruhigen und lieb zu ihm sein.
Aber gleichzeitig wütete auch der Teufel in mir, und mein fast übermenschliches Bedürfnis nach sexueller Befriedigung, gegen das ich nicht ankam. Also zog ich ihn gewaltsam ins Gebüsch, schubste ihn den Abhang hinunter und folgte ihm unverzüglich. Noch einmal suchte ich aufmerksam die Gegend nach unerwünschten Zuschauern ab. Aber hier im Gebüsch waren wir relativ unsichtbar, obwohl die verdammten Sträucher alle noch kahl waren. Außerdem stieg mein Puls bei dem Gedanken an die unmittelbare Gefahr, in die ich mich hier begab.
Berauschendes Adrenalin erfüllte mich, gesellte sich zu dem jubelnden Schnee in mir, und ich schob alle Bedenken beiseite und stürzte mich auf Clay Banton, der auf dem hart gefrorenen Boden lag und sich gerade erst halbwegs aufrappelte. „Verdammt, Valmont...", beschwerte er sich müde, als ich auch schon bei ihm war, seinen fantastischen Körper zurück auf die schmutzige Erde drückte und mich mit meinem ganzen Gewicht auf ihn legte. Clay wehrte sich nach besten Kräften und schimpfte mich übel aus. Aber er war mehr als erschöpft und konnte sich kaum rühren, weil ich seine Arme neben seinem Kopf festhielt.
Schließlich brach er stöhnend zusammen und lag besiegt unter mir. Eine Weile war nur unser aufgeregtes Keuchen zu hören, als wir reglos aufeinanderlagen, uns gegenseitig tief in die Augen schauten und unsere Kräfte sondierten. Ihn gegen seinen Willen hierher zu ziehen war anstrengender gewesen, als ich vermutet hatte, und wir brauchten beide einige Zeit, um wieder halbwegs zu Atem zu kommen.
Derweil genoss ich seine unmittelbare Nähe unglaublich, spürte intensiv die Wärme, die sein erhitzter Körper ausstrahlte, fühlte bewusst die Knochen und harten Muskeln unter seiner Kleidung, an seiner breiten Brust, seinem fantastischen Bauch und seinen starken Oberschenkeln. Den einzigen Mann all meiner Sehnsüchte in meiner Gewalt zu wissen törnte mich so stark an, dass ich nichts anderes mehr wahrnahm.
Mir stockte der Atem, es rauschte dumpf in meinen Ohren, vor meinen Augen flimmerte es, mein Herz raste und vor Wollust durchliefen mich pausenlos heiße Schauer. Überaus gierig presste ich meine pochende Erektion an seine Leiste, was sich verflucht geil anfühlte, und am liebsten hätte ich ihn vollständig in mich hineingezogen. „Gott... Clay...", stöhnte ich überwältigt aus tiefster Kehle.
Er bewegte sich überhaupt nicht mehr, und für einen kurzen Moment schien er unverhofft wieder mein vertraut devoter Liebhaber zu sein, was mich so extrem anmachte, dass ich beinahe auf der Stelle abspritzte. Nur mit größter Mühe konnte ich mich davor retten, indem ich hastig an etwas anderes dachte. Mich krampfhaft an meine Wut und Enttäuschung erinnerte und die unerfreuliche Ursache dafür, dass wir hier zusammen in diesem Gebüsch lagen.
Von der unerwartet starken Steigerung und Intensität meiner Geilheit übermannt, hielt ich die Luft an und schloss nervös die Augen, um mich besser konzentrieren zu können. Schwer atmend lag ich auf ihm, mein Gewicht erdrückte ihn wahrscheinlich fast. Clay atmete ebenfalls tief ein und aus, um sich zu beruhigen.
„Was willst du von mir, Sean?" fragte er nach einer ganzen Weile plötzlich so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte, und obwohl er das schon längst wusste. Er wusste es bereits seit dem Augenblick, als er mich in Elizas Wohnung angesehen hatte, dessen war ich mir total sicher. Ich öffnete die Augen und blickte ihn prüfend an. Es erleichterte mich, wie gefasst er auf einmal wirkte. Seine ungeheure Wut auf mich schien sich endlich verflüchtigt zu haben. Er hatte sich offenbar genug abreagiert, oder vielleicht war er inzwischen auch einfach nur zu müde für weitere Gegenwehr.
„Du weißt genau, was ich will... Du kannst es spüren", erwiderte ich frivol grinsend und drückte meinen Schwanz nochmal gegen ihn, ohne seine Arme dabei loszulassen. Diese direkte Stimulation fuhr mir sofort heiß durch den Unterleib und ließ mich ungewollt aufseufzen. „Sag's mir!" forderte Clay mich auf und beobachtete mich aufmerksam.
Seine Stimme hörte sich auf einmal sanft an. Er lächelte tatsächlich amüsiert und sogar irgendwie liebevoll, was mich sofort alarmierte, weil ich ihn doch so verflucht gut kannte. Du musst verdammt gut aufpassen, dass er dich nicht verarscht, warnte mich eine innere Stimme. Pass bloß auf, dass er dir nicht nur etwas vorspielt, um dich damit abzulenken und dich so leichter zu besiegen! Seine Wut und sein Hass vorhin waren viel zu gewaltig, als dass sie jetzt plötzlich vollständig verraucht sein können!
Ich war mir zwar nicht sicher, was Clay insgeheim im Schilde führte oder mit seinem Wunsch bezweckte, aber ich redete mir irritiert ein, dass es ihn bestimmt selbst antörnte, wenn wir über diese Sache hier reden würden. Außerdem war ich gerade mehr als aufgegeilt, schlicht überirdisch scharf auf ihn und darauf, ihn mir endlich genau so zu nehmen, wie ich es mir schon die ganze Zeit vorgestellt hatte. Mein Körper und meine Seele schrien danach, ich konnte nicht länger warten. Die starke Chemie in meiner Blutbahn ließ mir keine andere Wahl. Es wurde verdammt nochmal Zeit!
„Ich will... dich!" eröffnete ich Clay atemlos, beugte mich zu ihm hinunter und fing damit an, sein schönes Gesicht zu küssen. „Ich brauche dich... so sehr!" Mein Mund küsste und leckte sich zu seinem Ohr hin, ich biss ihn zart ins Ohrläppchen und leckte seinen Hals. Das Gefühl seiner warmen, weichen Haut an meiner Zunge fuhr mir sofort in den Schwanz, den ich kaum noch bändigen konnte. Automatisch presste ich ihn nochmal gegen Clays Hüfte. „Ich will dich unbedingt, Clay... jetzt sofort!" keuchte ich ungeduldig an seinem Hals.
Er rührte sich nicht, wehrte mich aber auch nicht ab, und ich überlegte konfus, ob ich ihn wohl jetzt loslassen konnte. Im nächsten Moment tat ich es aber schon, weil ich total ungeduldig war. Zögernd ließ ich seine Arme los, um mit meiner Hand über seinen Körper streichen zu können. Ich fuhr mit meinen Fingern grob über seine Kleidung, über seine Brust und den Bauch, bis hinunter zu den Knöpfen seiner Jeans, und rechnete dabei jeden Moment fest damit, dass Clay erneut damit anfangen würde, sich gegen mich zu wehren, sobald ich ihm die Chance dazu gab. Dass er mich vielleicht schlagen oder von sich herunter schubsen würde.
Aber der fantastische Mann blieb ganz still liegen. Er ließ mich reglos gewähren, als ich ihn überall derb anfasste, was mich echt verblüffte. Augenblicklich war ich voller Liebe für ihn, voller Dankbarkeit, und ich konnte es gar nicht fassen, dass er dies hier geschehen ließ. Ganz nah zog ich ihn zu mir, presste mich begierig auf ihn und versuchte angestrengt, in seinen schönen Augen seine wahren Absichten zu entdecken. In der Dämmerung fixierte ich seinen Blick und wollte ihn wirklich richtig verstehen, wollte unbedingt begreifen, was gerade in ihm vorging, wie er sich fühlte, und wie er über mein Vorhaben dachte.
Aber ich hatte keine Ahnung, was in ihm passierte. Ich glaubte nur verzweifelt, in seinen viel zu dunklen Augen eine abgrundtiefe Traurigkeit zu finden, die mich fast verrückt machte, weil ich sie nicht länger ertragen konnte.
Mein Körper, meine Seele und mein harter Schwanz gierten nach unmittelbarer Befriedigung, die Droge loderte hell in mir, und ich fürchtete, jeden Moment zu kommen oder den Verstand zu verlieren. Mein Herz hämmerte entschieden zu schnell. Meine Erregung und das Kokain ließen mich pausenlos erzittern, erschwerten mir das Atmen und machten vernünftige Überlegungen schlicht unmöglich.
„Clay, du... darfst mich nicht hassen...", stöhnte ich kläglich, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, „....weißt du... ich kann nicht..." Verwirrt brach ich ab. Erschaudernd vergrub ich mein Gesicht an seinem Hals und küsste ihn verlangend hinter seinem Ohr. Ich ertrage es nicht, wenn er mich hasst, dachte ich total konfus, das darf so nicht passieren, nicht auf diese Art.
Obwohl ich gerade dabei war, meine so lang herbeigesehnte Rache an Banton auszuüben, und ich ursprünglich sehr wohl vorgehabt hatte, ihn mit Gewalt zu nehmen und ihm dabei bewusst wehzutun, so war mir dieses Vorhaben plötzlich nicht mehr möglich. Es schien mir auf einmal total verachtenswert und falsch zu sein. Clay hatte das nicht verdient, und ich war doch auch gar nicht so ein Mann. Doch meine eigenen, unerwarteten Zweifel irritierten mich in diesem Moment so stark, dass ich beinahe durchdrehte.
„Clay... ich...", ächzte ich hilflos und presste mich gegen ihn, drückte ihn mit meinem ganzen Gewicht auf den hartgefrorenen Boden runter. Jetzt nimm ihn schon, schrie der Teufel in mir wütend voller Ungeduld, hör sofort auf mit diesem Scheiß und fick ihn, hart, jetzt, auf der Stelle, oder du wirst gleich peinlich in deine Unterhose abspritzen!
In diesem Moment spürte ich Clays Arme, die er zögernd um meinen Rücken legte, seine Hände, die fest über meine Jacke streichelten. „Ist schon gut", sagte Clay erstaunlich ruhig und grinste mich gutmütig an, „Hör auf zu denken, Valmont. Du solltest es lieber genießen. Denn danach bin ich weg."
Clay
Er fing an mich zu treten, was wegen seiner scheiß Motorradstiefel absolut unfair war und höllisch wehtat. Inzwischen tat mir sowieso alles weh, und ich hätte am liebsten geheult und mich in irgendeine stille Ecke verkrochen. Aber da war noch mein Zorn, der unverändert lichterloh brannte, auch wenn mein angeschlagener, verletzter Körper immer lautere Alarmsignale an mein Gehirn sendete. Ich war todmüde und bekam meine Beine kaum noch hoch.
Überhaupt schien Sean von meinen Schlägen und Tritten wenig beeindruckt zu sein, auch meine Beschimpfungen tangierten ihn nicht wirklich, was mich echt sauer machte, aber ich konnte es nicht ändern. Ich war am Ende, hatte keine Kraft mehr, fühlte mich leer und müde, unverändert stocknüchtern, was sich total Scheiße anfühlte.
Als er mich gezielt gegen meinen verletzten Oberschenkel trat, fühlte es sich an, als würde er mir das Bein brechen, so stark war der Schmerz. Ich konnte spüren, wie die frische Naht dabei aufplatzte und das Blut unverzüglich mein Bein hinunterlief. Vor Hilflosigkeit, Schmerz und Zorn drehte ich fast durch. Ich bekam düstere Mordgedanken gegen Valmont, aber mein Bein knickte nur ein und ich fiel wie ein Idiot auf die kalte, nasse Wiese.
Noch bevor ich aufstehen konnte, griff er hastig nach mir, packte mich hart irgendwo an den Klamotten und zog mich brutal über den Boden in irgendein Gebüsch. Ich schrie ihn an und wehrte mich nach besten Kräften, sodass mein teures Jackett und mein Hemd zerrissen, was mich total ärgerte. Sean hinderte das aber nicht daran, mich woanders zu packen und weiter mit sich über die steinharte Erde zu schleifen. Ich hatte verdammt nochmal keine einzige verfickte kleine Chance mehr gegen den Mann, und das frustrierte mich mehr, als ich ertragen konnte!
Er zerrte mich fast mühelos eine Weile durch diese stacheligen Sträucher, die abseits des Weges standen. Dann fielen wir plötzlich irgendwie einen kleinen Abhang hinunter.
Letztendlich befand ich mich keuchend unter ihm. Er lag auf mir, hielt meine Arme felsenfest, und wir starrten uns eine Weile aufgewühlt an. Wir atmeten beide schwer von der Anstrengung des im Nachhinein sinnlosen Kampfes, den ich eindeutig verloren hatte.
Es war so bitterkalt hier draußen, dass unser Atem weißer Dampf wurde. Seine fantastisch hellblauen Augen verschlangen mich jetzt gierig. Die pechschwarzen, riesigen Pupillen funkelten förmlich vor Zorn und Erregung. Der Mann war immer noch außer Kontrolle, absolut unbesiegbar und unsterblich durch das Kokain. Mir dämmerte, dass es für den Versuch der Gegenwehr zu spät war. Es gab jetzt kein Zurück mehr für uns. Nichts hätte ihn noch aufgehalten.
Innerhalb von drei Sekunden wurde mir klar, dass ich dieses ganze beschissene Spiel verloren hatte. Sean Valmont forderte seine Rache, seine egoistische, brutale Wiedergutmachung, die ich ihm nicht verweigern konnte.
„Gott... Clay...", stöhnte er überwältigt aus tiefster Kehle, erdrückte mich mit seinem Gewicht und presste seinen harten Schwanz gezielt an meine Leiste. Er musste sich schwer zusammenreißen, um nicht auf der Stelle zu kommen. Das amüsierte mich tief drinnen, weil Valmont im Moment seiner eigenen aufgeputschten Geilheit total ausgeliefert war.
Der Boden unter mir war eiskalt gefroren, und ich wäre gerne aufgestanden und abgehauen. Aber Valmont lag schwer auf mir, er wollte mich und wärmte mich. Also ließ ich es gut sein, denn ich hatte ohnehin keine andere Wahl.
„Was willst du von mir, Sean?" fragte ich ihn ziemlich geringschätzig, spöttisch, was er aber in seinem Zustand gar nicht merkte. „Du weißt genau, was ich will. Du kannst es spüren", erwiderte er ungeduldig und sorgte nochmal dafür, dass ich seinen verdammt harten Penis auch ja registrierte.
Natürlich war mir klar, was er wollte. Ich hatte es schon in Elizas Wohnung gewusst, als Sean dort aufgetaucht war. Lange hatte ich verbissen versucht, mich dagegen aufzulehnen, meine Strafe abzuwenden, ihm seine Rache zu verderben, denn ich hatte keinen Bock mehr, sein willenloses Spielzeug zu sein, mit dem er alles machen konnte. Aber es war Valmont schlicht egal, ob ich gerade Bock auf ihn hatte. Meine Meinung interessierte ihn einen Scheiß. Daran musste ich hart schlucken.
Ich zwang mich, ruhiger zu werden, damit ich diese verfluchte Sache möglichst schadenfrei überstehen konnte. Denn mir war völlig klar, in welch labilem, gefährlichem Zustand der koksdurchtränkte Sean Valmont sich befand. Gefährlich für mich, aber zweifellos auch für ihn.
„Sag's mir!" forderte ich ihn auf, um ihn damit zu zwingen, seine Gedanken zu ordnen, sich zu konzentrieren. Es wäre nämlich höchst fatal, wenn er komplett durchdreht, dachte ich nervös. Sean versicherte mir, wie sehr er mich wollte und brauchte, und er log mich nicht an, das war offensichtlich. Tief drinnen schmeichelten mir seine starken Gefühle, aber dann rief ich mich verärgert zur Vernunft, denn es waren in diesem Moment ja nur seine Wut, die Geilheit und die Droge, die durch ihn sprachen.
Der Mann fing ungeduldig damit an, mit seinen weichen, vollen Lippen mein Gesicht zu liebkosen. Er küsste und leckte mich hastig ab, was ziemlich nass war, sich aber auch recht gut anfühlte. Endlich ließ er meine Arme los, die er die ganze Zeit auf die Erde gedrückt hatte, und die mir mangels Blutzirkulation eingeschlafen waren. Er beschäftigte sich eine Weile überaus gierig mit meinem Körper, fuhr grob mit seiner Hand über meine Kleidung, fasste mich überall an, küsste und leckte meinen Hals ziemlich chaotisch.
Der große Mann lag viel zu schwer auf mir, er erdrückte mich fast und erschwerte mir das Atmen. Sein vertrauter Körper roch fantastisch und seine kopflosen Zärtlichkeiten fühlten sich okay an, aber nichts davon konnte mich noch erreichen. Innerlich war ich unbemerkt ein Steinblock geworden, und Valmont hämmerte wahllos an mir herum, meißelte unzählige Formen in mich, ohne dass ich noch wirklich etwas davon mitbekam. Es passierte völlig autonom, dass mein Verstand sich abschaltete, meine Seele irgendwo anders hinging und meinen Körper absolut leer zurückließ. Nichts von all dem konnte mich noch berühren, denn in Wahrheit war ich ja gar nicht mehr da. Dieser Zustand und dieses Gefühl waren mir merkwürdigerweise tief drinnen höchst vertraut.
Valmont spürte meine mentale Abwesenheit wohl irgendwie, denn er richtete sich nach einiger Zeit auf und schaute mir prüfend in die Augen, als wäre er auf der Suche nach der letzten Wahrheit. Ich ließ auch seine Analyse reglos über mich ergehen und erwiderte den Blick ausdruckslos.
Anscheinend gefiel ihm nicht, was er in meinen Augen zu sehen glaubte. „Clay... du darfst mich nicht hassen...", seufzte er mit einem Mal verzweifelt. Der irritierte Mann war inzwischen völlig von der Rolle, kaum noch Herr seiner Sinne und seiner eigenen Libido komplett ausgeliefert. Am liebsten hätte ich ihn lauthals ausgelacht. Aber ich verkniff mir das, denn ich wollte auf keinen Fall nochmal von ihm geschlagen werden.
Es amüsierte mich mehr, als ich in dieser Lage vermutet hätte, dass der alte Sean Valmont noch irgendwo hinter dem Unbesiegbaren steckte, der Sean, der ständig alles kaputt grübelte, der vor lauter Zweifeln und Bedenken andauernd vergaß zu leben.
„Clay... ich...", ächzte er ratlos und presste sich gegen mich, drückte mich mit seinem ganzen Gewicht auf den hartgefrorenen Boden runter, sodass ich kaum noch Luft bekam. Spätestens an diesem Punkt wollte ich es nur noch so schnell wie möglich hinter mich bringen. „Ist schon gut", beruhigte ich ihn resigniert, „Hör auf zu denken, Valmont."
Und dann machte ich den gleichen Fehler wie Sean, als er mir vorhin übereilt seine Liebe gestanden hatte. Ich sagte etwas, was ich auf keinen Fall hätte sagen dürfen. Aber in diesem Moment war mir gar nicht richtig bewusst, dass ich meine spontanen Gedanken laut aussprach. „Du solltest es lieber genießen, denn danach bin ich weg", erklärte ich ihm arrogant.
Nur zwei Sekunden später verdrehte ich genervt die Augen, denn mir war augenblicklich klar, dass ich Scheiße gebaut hatte. Aber diesen unbedacht herausgerutschten Satz konnte ich blöderweise nicht mehr zurücknehmen.
Valmonts ratloses Gesicht veränderte sich schlagartig in eine wirre, zornige Fratze. „Was soll das heißen, Banton? Warum sagst du so was?" knurrte er mich an und knuffte mich hart in den Bauch. „Was bedeutet das, du bist weg? Wo willst du denn hin?" verlangte er zu wissen.
Ich schloss verärgert die Augen und antwortete nicht. „Guck mich an!" befahl er sofort, und ich öffnete die Augen knurrend wieder. Der Mann ging mir ganz schön auf den Sack! „Drohst du mir etwa tatsächlich mit Selbstmord?" glaubte er unsinniger Weise verstanden zu haben. „Wagst du es, mir zu drohen? Willst du abhauen? Willst du mich verlassen, oder was?"
Hinter seinem tosenden Zorn war seine Angst und Unsicherheit unverkennbar. Meine Ankündigung schockierte ihn weitaus mehr, als er kompensieren konnte. „Nein...", keuchte ich hilflos, denn ich hatte Angst vor neuen Schlägen, „Warte... ist schon gut..." Nervös versuchte ich zu Atem zu kommen, mich zu beruhigen, aber er war verdammt schwer und zur Zeit viel stärker als ich.
Sean taxierte mich drohend und knuffte mich noch ein paarmal ziemlich unfreundlich. Seine hellblauen Augen mit den riesigen, pechschwarzen Pupillen blitzten verhängnisvoll in der Dämmerung, als er tief Luft holte. „Sag so was nie wieder, Banton, denn du kommst hier nicht weg, hörst du?! Es ist nämlich alles deine Schuld! Du allein bist an dem hier schuld! Nur wegen dir sind wir jetzt hier! Alles passiert nur wegen dir! Du hast mich total verarscht und deine Versprechen nicht eingehalten! Schon wieder nicht! Hast du denn ernsthaft erwartet, ich würde das einfach so hinnehmen?!" hielt der aufgebrachte Mann mir eine ätzende Standpauke.
Ich schüttelte stumm den Kopf und bemühte mich, zurück in meine teilnahmslose Apathie zu finden. Ich wollte mich nicht länger mit ihm auseinandersetzen. Dieses Thema war mir zuwider, und ich hätte ohnehin nichts mehr sagen können, was ihn beruhigt hätte. Er war außer Kontrolle und deshalb nicht erreichbar für mich. Er sollte tun, was er tun musste, und mich danach für immer in Ruhe lassen. Innerlich hatte ich mich längst von ihm verabschiedet.
Sean war so stark erregt, dass er eine Weile brauchte, um meine Worte zu verdauen und seine Gedanken neu zu ordnen. Für ihn war meine Flucht und unser Kampf sowieso nichts weiter als ein geiles Vorspiel gewesen. Auch meine unüberlegte Ankündigung konnte ihn nicht von seinem drängenden Ziel abhalten, im Gegenteil. Mein drohender Abschied regte ihn nur noch mehr auf, feuerte ihn an und bestätigte ihn in der Annahme, vollkommen richtig und berechtigt zu handeln. Sean hatte das unbedingte Recht dazu, mich für meinen Verrat zu bestrafen, jetzt mehr denn je.
Valmont war noch immer der wilde, unbezwingbare Tiger auf der Jagd, der sich jetzt manisch an seiner Beute aufgeilte. Der körperliche Übergang vom gewalttätigen Kampf zum dominanten Sexualakt vollzog sich bei ihm rasend schnell und fließend. Wenn ich mich nicht so enorm schlecht gefühlt hätte, dann hätte ich laut lachen können.
Plötzlich beugte Sean sich zu mir herunter und küsste mich heftig. Dann hob er nochmal den Kopf und taxierte mich. „Du gehst nirgendwo hin, Banton! Du bist von allem die scheiß Ursache und zu bleiben ist das Mindeste, was du tun kannst", knurrte er streng und meinte es todernst.
Seine Hand fuhr gierig, hastig über meinen Kopf, strich durch mein Haar, über mein Gesicht, meinen ganzen Körper, zielstrebig zwischen meine Beine. Seine Finger knöpften eilig meine Jeans auf und schoben sich tief in meine Unterhose. Es übermannte ihn gewaltig, und er konnte sich nicht länger zurückhalten. Es drängte ihn enorm, deshalb war er nicht länger fähig, über meine Worte oder sonst was nachzudenken. Knurrend schob er jeden Gedanken beiseite, ließ sämtliche Skrupel sausen und folgte blind seinen Instinkten.
Dieser Mann wollte mich auf der Stelle, und zwar buchstäblich mit Haut und Haaren. Seine Geilheit und das Kokain hatten selbstverständlich und letztendlich die Oberhand gewonnen. Nicht mal ein Sean Valmont kam gegen diese geballte Power an, höchstwahrscheinlich vermochte das niemand. Nichts und niemand hätte ihn jetzt noch stoppen können.
Wir küssten uns eine ganze Weile ziemlich hitzig, und ich fand das nicht mal unangenehm. Seine groben Zärtlichkeiten blieben jedoch zu oberflächlich, waren viel zu hastig und triebgesteuert, als dass sie mich in dieser Situation auch nur annähernd hätten erreichen können. Ich war todmüde, schwer verletzt, verwirrt und verstört. Der sehr lange verdrängte, dunkle Zorn, der schwarze Schatten, mein ständiger Begleiter, der unerwartet aus den Tiefen meiner Seele hervorgekrochen gekommen war, tobte fast unverändert stark in mir.
Deshalb schaltete ich mit der Zeit intuitiv aufs Neue ab, und zu diesem Zeitpunkt fühlte ich eigentlich gar nichts mehr. Noch einmal merkte ich erstaunt, dass mein irritierter Verstand dieses Gefühl von irgendwoher kannte, diese unterlegene, demütigende Situation fühlte sich merkwürdig vertraut an. Nur hatte ich keinen blassen Schimmer, woher diese seltsame Erfahrung wohl stammte. Vollkommen autonom lief ich innerlich weg und versteckte meine Seele ziemlich gut.
„Dreh dich um!" forderte der durchgeknallte Mann mich relativ schnell keuchend auf und rutschte ungeduldig von mir herunter. Ich betrachtete ihn gleichgültig. Er sah sich nervös nach allen Seiten um, aber ohne wirklich etwas zu sehen. Sein wirrer Blick hastete nur ziellos durch die Gegend.
Ich richtete mich halbwegs auf, um mich zu orientieren. In diesem dichten Gebüsch, an diesem Abhang waren wir zwar einigermaßen vor neugierigen Blicken geschützt, aber es war noch nicht richtig dunkel, noch immer Winter, die Sträucher absolut kahl, und deshalb war unser Versteck nicht ideal. Am Ende der Böschung konnte ich zwischen den Bäumen irgendwelche Bahngleise erkennen.
Sean Valmont, der studierte Universitätsdozent mit dem untadeligen Ruf, hatte selbstverständlich Angst davor, bei seiner niederträchtigen, homosexuellen Tat entdeckt, beobachtet oder womöglich sogar gefilmt oder fotografiert zu werden. Aber seine typische Angst war in diesem Moment bei Weitem nicht mehr groß genug, als dass er sein Vorhaben deswegen aufgegeben hätte. Seine wütende, sexuelle Energie war ganz eindeutig beträchtlich größer, als seine Furcht vor den möglichen negativen Folgen, nicht nur für seine Karriere.
Allerdings hatte er es jetzt auffällig eilig, was ein eindeutiges Indiz dafür war, dass er sich bei aller Geilheit hier im Gebüsch unwohl fühlte. „Mach schon! Beeil dich!" fauchte er ungeduldig, was irgendwas in mir auslöste, irgendeine böse Erinnerung, die mich bis ins Mark erschütterte. Unwillkürlich wurde meine tiefste Wut aufs Neue angefacht, bis sie innerhalb von Sekunden abermals lichterloh brannte.
Schlagartig wurde ich aus meiner Apathie gerissen und war hellwach. „Fuck! Verpiss dich, Valmont! Lass mich in Ruhe, verdammt!" kam es schneller aus mir heraus, als ich denken konnte. Brutal schubste ich ihn von mir weg, sodass er überrascht ein Stückchen den Abhang hinunterfiel, bis ein Baumstamm seinen Fall stoppte.
Hektisch wollte ich aufstehen und flüchten, aber er ließ sich das natürlich nicht gefallen und war viel zu schnell wieder bei mir. Zornig packte er mich und riss mich gnadenlos herum. „Hör auf, Clay! Sei nicht dumm!" schrie er mich an. „Du kommst hier sowieso nicht mehr raus, glaub mir! Du schuldest mir das! Und wenn du dich wehrst, wird es nur schlimmer!" erklärte er mit vor Aufregung schriller Stimme.
„Bitte, Clay! Sei nicht dumm! Bitte!" wiederholte er eindringlich an meinem Ohr, während er mit beiden Armen besitzergreifend meinen wütenden Körper umschlang. Dabei schien ihm meine Gegenwehr in Wahrheit zu gefallen, weil sie ihn nämlich nur noch mehr antörnte.
Sean packte mich fest, riss an meinem verletzten Arm, schlug mich ein paarmal äußerst schmerzhaft gegen den Rücken und die Nieren, drückte mich nieder und postierte meinen Körper schließlich direkt vor seinen. Er zwang mich auf die Knie, ohne das ich etwas dagegen tun konnte. Der Boden unter uns war sandig und schneebedeckt, eiskalt, hartgefroren, und ich konnte an der Böschung keinen richtigen Halt finden. Meine vielen Wunden schmerzten. Mein aufgerissener, blutiger Oberschenkel pochte. Mein Herz schlug heftig von innen gegen meine Rippen.
Verzweifelt versuchte ich mich zu beruhigen, indem ich tief ein und aus atmete. Aber ich hatte plötzlich Angst, war nervös, widerwillig und verkrampft. Und genau das machte mir noch mehr Angst, denn es würde den Schmerz, den Valmont dabei war mir zuzufügen, mit Sicherheit verstärken.
Ich hatte mir diesen durchgeknallten, aufgeputschten, egoistischen Mann mittlerweile sehr genau angesehen und seine Verfassung war mir sonnenklar. Er würde in diesem Zustand der absoluten Unbesiegbarkeit und grenzenlosen Erregung nicht in der Lage sein, auf mich Rücksicht zu nehmen. Und offenbar hatte er das ja auch sowieso nicht vor, sondern war im Gegenteil viel zu geil darauf, mich durch Schmerz zu bestrafen.
„Fuck!" hörte ich Valmont auf einmal entsetzt fluchen. Ich kniete vor ihm und drehte mich fragend zu ihm um. Er hockte auch auf den Knien, hielt mich mit einer Hand am Hosenbund fest und fummelte mit der anderen suchend in seiner Kleidung herum. Mir war sofort klar, was er dort so verzweifelt suchte. Spontan wollte ich mich darüber amüsieren, dass der Herr Professor tatsächlich für seine lang geplante Rache keine Kondome parat hatte. Aber irgendwie gelang mir das nicht. Ich fand es nämlich überhaupt nicht lustig. Die ganze angespannte, feindselige Situation war kein bisschen lustig. Mir wurde eiskalt und alles zog sich in mir zusammen.
Sean warf mir einen gehetzten, wütenden Blick zu, als wäre seine Vergesslichkeit meine Schuld. Dabei trug er, im Gegensatz zu mir, doch sowieso nur äußerst selten Pariser bei sich, und es wunderte mich wirklich nicht, dass er auch jetzt keins hatte. Offensichtlich gab der Arsch mir für jeden kleinen Scheiß die alleinige Schuld, was mich ganz schön nervte.
Ganz kurz blitzte in meinem Gehirn die unverhoffte Möglichkeit auf, diesem gewalttätigen Akt doch noch zu entkommen, denn Valmont würde mich mit Sicherheit nicht ohne Kondom ficken. Dazu hatte er einfach entschieden zu viel Furcht vor tödlichen Krankheiten. Aber bestimmt wird er mich stattdessen brutal verprügeln, überlegte ich besorgt. Es stand außer Frage, dass der Mann sich schnellstens irgendwie abreagieren musste.
Ich saß nervös dort und musterte ihn prüfend. Inzwischen war es fast dunkel geworden, aber von den Bahngleisen her schien ein wenig Licht durch die Sträucher, irgendwo dort unten war ein Scheinwerfer an. Sean sah gehetzt und zornig aus, aber immer noch wunderschön. Er atmete schwer, und in seinen außergewöhnlichen, funkelnden Augen blitzte unwillkürlich seine Verletzbarkeit auf. Er war dem Kokain und seinen entfesselten Trieben ausgeliefert. Sean Valmont hatte die Kontrolle über sich verloren, und ich wusste nur zu gut, dass das eigentlich für ihn das Schlimmste war, was ihm passieren konnte.
All das registrierte ich innerhalb von Sekunden. Du darfst mich nicht hassen, Clay, hatte er zu mir gesagt. Erstaunt wurde mir klar, dass ich ihn tatsächlich nicht hasste. Ich konnte ihn gar nicht hassen, ganz egal, was auch immer er mit mir vorhatte. Er war nämlich einer von genau zwei Menschen gewesen, die alles mit mir tun durften.
Das war jetzt zwar vorbei, aber dies hier könnte ja auch so etwas wie ein Abschiedsgeschenk sein, fuhr es mir durch den Kopf. Diese unerfreuliche Sache so zu sehen, sie auf diese Art zu empfinden, würde es mir zweifellos leichter machen. Jedoch war das einfacher gedacht, als getan.
Meine Hand wanderte zögernd an meine hintere Hosentasche. Sean folgte mit seinem Blick alarmiert meiner heimlichen Bewegung. Im nächsten Moment begriff er auch schon. „Du hast eins! Selbstverständlich!" entfuhr es ihm atemlos, und schon stürzte er sich auf meine Kleidung, um dreist die Taschen zu durchwühlen. Sein Gesicht erhellte sich, und man konnte die Erleichterung in seiner Stimme nicht überhören.
Ich fragte mich plötzlich irritiert, ob er mich nicht in seinem durchgeknallten Zustand auch ohne Gummi gefickt hätte. Vielleicht hätte er sich einfach nicht mehr davon abhalten können, dachte ich, womöglich hätte er das wirklich getan, hätte alle Bedenken über Bord geworfen, und das hätte mir bestimmt nicht gefallen. Ich schlug mir imaginär anerkennend auf die Schulter dafür, dass ich das feuchte Latex grundsätzlich automatisch einsteckte, bevor ich aus dem Haus ging, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Diese Handlung war mir einprogrammiert, geschah unbewusst, und jetzt war ich enorm froh darüber.
Sean fummelte hektisch einige Kondome aus meiner Jeans und sah sie sich im Lichtschein an. Dankbar registrierte ich, dass er mit Kennerblick blitzschnell eins der stärkeren, feuchteren Marken auswählte und die anderen achtlos auf den Boden warf.
„Guck weg! Dreh dich um!" knurrte er gereizt mit vor Aufregung schriller Stimme. „Sieh mich nicht an!" verlangte er drängend und knöpfte sich eilig die Jeans auf. Je näher er seinem Ziel kam, desto überdrehter wirkte er. Ich bemerkte den nassen Schweiß, der ihm aus allen Poren ausbrach, was eindeutig das überkochende Kokain bewirkte. Fahrig wischte er sich über die nasse Stirn und blickte mich prüfend an. „Dreh dich um, Clay!" wiederholte er warnend, aber ich konnte ihn nur fassungslos anstarren, denn sein Wunsch war mehr als absurd. Mann, der Typ wollte mich gerade vergewaltigen, und beim Anziehen des Kondoms schämte er sich plötzlich vor mir?! Was für ein Schwachsinn!
Ich fixierte ihn grinsend und verzog spöttisch das Gesicht, bevor ich mich bremsen konnte. „Ist das dein Ernst?" fragte ich ihn kichernd. Hätte ich vorher nur einen Moment lang darüber nachgedacht, dann hätte ich mich verdammt nochmal einfach umgedreht. Aber es war trotz all dieser Scheiße auch irgendwie faszinierend, Valmont in seinem durchgedrehten Zustand zu beobachten. Die verheerende, übermächtige Wirkung der Droge faszinierte mich, und wie offensichtlich er die ganze Zeit dagegen ankämpfte, ohne auch nur die geringste Chance zu haben.
Der Dummkopf hat eindeutig zu viel genommen, dämmerte mir, und die Erkenntnis beunruhigte mich mehr, als mir lieb war. Sean hat sich zu große Mengen von dem gebaseten Zeug eingefahren, verstand ich, der Mann befindet sich wahrhaftig haarscharf an einer scheiß Überdosis Kokain!
Doch zu diesem Zeitpunkt war Valmont noch viel zu abgelenkt, viel zu stark sexuell erregt und scharf auf mich, um die drohende Gefahr, in der er schwebte, selbst zu bemerken. Außerdem fühlte er sich unverändert unbesiegbar, er war unsterblich und hatte alles Recht der Welt auf seine Rache. Der unbezähmbare Tiger war vollständig in seinem Element.
Er quittierte meinen dummen, unüberlegten Spott mit einem mega zornigen Fauchen. Im nächsten Augenblick fing er verärgert damit an, mich zu schlagen und an mir herumzuzerren. „Machst du dich über mich lustig, Banton? Findest du das alles hier vielleicht lustig?" schrie er ganz außer sich. „Nein...", versuchte ich mich zu retten, aber er hörte mich gar nicht. „Du drehst dich jetzt um und guckst mich nicht an, verdammt! Du machst jetzt genau das, was ich dir sage! Wage es ja nicht, mich auszulachen, Herr Banton! Dein scheiß Grinsen wird dir sowieso gleich vergehen!" fauchte Valmont viel zu laut.
Er schlug mich gegen den Rücken und in die Seite, packte meinen Kopf und drückte mich brutal in eine Position, in der ich ihn nicht mehr ansehen konnte. Anscheinend hatte er vergessen, dass wir uns in einem öffentlichen Park befanden, oder es war ihm plötzlich scheißegal.
Ich hockte jetzt vor ihm auf den Knien, den Oberkörper gesenkt, mein Gesicht dicht über der kalten Erde. „Wehe, du rührst dich, Banton! Bewege dich ja nicht!" drohte Sean lauthals, während er sich wohl hastig das Kondom überzog. In diesen paar Sekunden musste er mich loslassen, aber mir war die Lust auf Gegenwehr oder einen weiteren sinnlosen Fluchtversuch vergangen. Denn seine Schläge taten brutal weh, und ich wollte das alles nur noch so schnell wie möglich hinter mich bringen. Er ist total geil und bald soweit, er kann sich kaum noch beherrschen, es wird nicht lange dauern, versuchte ich mir zuzureden.
Tatsächlich brauchte Valmont nur wenige Sekunden, um sich für seinen Sexualakt zu präparieren, denn er hatte, wie ich, mit der Handhabung von Kondomen reichlich Erfahrung. Einen Moment später war er schon wieder dicht hinter mir. Meine Jeans stand immer noch offen, deshalb konnte er sie leicht mit beiden Händen am Bund greifen und plötzlich mit einem heftigen Ruck samt Boxershorts herunterziehen. Er zog mir die Hosen bis zu den Knöcheln herunter, obwohl das gar nicht nötig war.
Sofort blies mir der kalte Wind auf die nackte Haut, ich fror entsetzlich, bekam eine Gänsehaut und fing an zu zittern. Sean merkte das und kroch noch näher an mich heran. Er packte mich im Nacken und an der Jacke und zog energisch meinen Oberkörper hoch, während er dicht hinter mir kniete und seinen Schwanz an meinen Arsch presste. Seine Arme umschlangen mich fest und er fing an, meine Brust zu streicheln. Sein Gesicht war dicht an meinem rechten Ohr. Sein Atem ging schnell und schwer. „Hasst du mich jetzt? Bist du wütend auf mich, Clay?" keuchte er fragend hinein und leckte mich, knabberte gierig an meinem Ohrläppchen.
Mein Kopf war total leer gefegt und ich hatte keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte. Ich war nervös und hatte Angst vor dem Schmerz. Es irritierte mich, dass es mir nicht nochmal gelingen wollte, meinen Verstand abzuschalten und meine empfindliche Seele in ihr vorübergehendes Versteck in Sicherheit zu bringen. Aber mein einziger Liebhaber, Mister Sean Valmont war plötzlich so nah, so dicht bei mir, er roch vertraut und strahlte eine sehr angenehme Hitze aus. Ich konnte den heißblütigen Mann nicht ausblenden, obwohl ich es versuchte, und das verwirrte, erstaunte und frustrierte mich.
„Ja, ich bin wütend auf dich, Sean. Aber ich hasse dich nicht", antwortete ich ihm schließlich wahrheitsgemäß. Er lachte ziemlich wirr auf. „Das ist gut, Clay, weißt du, ich bin nämlich auch ganz schön sauer auf dich", eröffnete er mir keine Neuigkeit, „Du verarschst mich andauernd... versprichst mir wichtige Sachen... und... hältst sie dann nicht ein...."
Während er sprach, umarmte er mich von hinten, knöpfte meine Jacke, meine Weste und mein Hemd auf, streichelte über meinen Brustkorb und meinen Bauch. Seine Hände waren in der Kälte angenehm warm. „Ich will, das du es verstehst, Clay... versuche es zu verstehen, okay... es geht hier... genau darum... deine verdammte Gleichgültigkeit... das ist alles viel zu wichtig für mich... für uns... und du vergisst es einfach, verdammt..." Mit seinen gierigen Fingern erreichte er zielstrebig meinen Schwanz und meine Eier, befingerte, liebkoste sie ausführlich und geilte sich dabei an meinem Körper auf, an dem Gefühl seiner uneingeschränkten Macht über mich. Deshalb wurden seine Sätze mit der Zeit abgehackt, er schnappte nach Luft, seufzte und keuchte lauter an meinem Ohr.
Ich konnte dieser absurden Situation nichts Erotisches abgewinnen, denn mir war kalt, ich war verletzt und fühlte mich von ihm gedemütigt. Seine Worte kamen nicht bei mir an, denn ich spürte nur seine drängende Berührung, die mir in diesem Moment mehr als zuwider war. Er versuchte sanft zu sein, aber er konnte es kaum noch, und verflucht nochmal, ich wollte in diesem Gebüsch nicht von ihm angefasst werden! Ich bemühte mich, ganz ruhig zu werden, aber meine Angst und mein Zorn steigerten sich nur.
Sean packte mich kraftvoll und zog mich noch mehr zu sich hin. Er streichelte lüstern meinen Hintern, rieb sich gierig an mir, sodass ich seinen harten Penis in meiner Ritze spürte. „Fuck... Clay... du hast definitiv... den geilsten Arsch... der Welt...", teilte er mir überwältigt mit und schob mir erstaunlich vorsichtig einen Finger in den Arsch, dann noch einen, was sich im Grunde nicht schlecht anfühlte. Wenn ich ehrlich war, gefiel es mir sogar, und ich musste daran denken, dass Eliza das niemals für mich getan hatte, weil sie diese ganze überaus erogene Zone komplett ablehnte.
Valmont atmete jetzt sehr laut. Der Anblick und das Gefühl meines Hinterteils steigerten seine Erregung blitzartig in ungeahnte Höhen. „...Clay...das...", brachte er nur noch hervor, stöhnte laut auf, zog seine Finger raus und biss mich schmerzhaft in meinen Hals und mein Ohrläppchen. Seine Hände fuhren hektisch an meinen Oberschenkeln hinauf und hinunter, wobei er rechts unabsichtlich an der Naht zehrte.
Dann zog er sich plötzlich ein wenig zurück, und obwohl ich es hinter mir nicht sehen konnte wusste ich, dass er hitzig nach seinem Schwanz griff. Es war soweit, er konnte sich endgültig nicht länger beherrschen und wollte es wohl auch gar nicht mehr. Automatisch verkrampfte mein gesamter Körper sich vor aufbrausendem Widerwillen, was denkbar ungünstig für mich war.
Hastig konzentrierte ich mich darauf, mich möglichst zu entspannen, als Valmont auch schon unvermittelt tief in mich eindrang. Vielleicht versuchte er, trotz seiner immensen Wut auf mich, dabei so sanft und vorsichtig vorzugehen, wie es ihm möglich war. Jedoch überstieg sein mächtiges Verlangen seine minimale Selbstkontrolle momentan bei Weitem, und deshalb war sein Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der megageile Mann brachte sich in Position, knallte seinen Unterleib gegen meinen Arsch und stieß dabei ruckartig, mit seiner ganzen verflucht harten Erektion in mich, und ich stöhnte unwillkürlich schmerzerfüllt auf.
„Sei still!" keuchte Sean sofort alarmiert, „Halt's Maul, Banton! Halt bloß die Fresse!" Ich biss mir auf die Lippen und zwang mich, so ruhig wie möglich zu sein. Sean zog mich wieder dicht an sich heran, umarmte mich fest von hinten, streichelte über meine nackte Haut unter dem Hemd, fuhr mit seinen warmen Händen über meine Brust und meinen Bauch. Eine Weile genoss er zitternd das Gefühl unserer körperlichen Verbundenheit. Ich spürte ihn sehr viel intensiver, als mir im Moment lieb war, deshalb brauchte ich diese Zeit dringend, um mich an ihn zu gewöhnen.
„Du bist so geil...", seufzte er dicht an meinem Ohr, „Fuck... ich liebe dich so sehr... Clay Banton..." Seine Hände streichelten sich an mir hinab zu meinen Geschlechtsorganen, die er nochmals ausführlich betastete und dabei stöhnend erschauderte, weil er so begeistert war.
Nur mühsam konnte ich ein spöttisches Lachen verschlucken, denn ich wusste wirklich nicht, was seine brutale Rache an mir mit Liebe zu tun haben sollte. Das, was er hier mit mir machte, war doch wohl eher auf Enttäuschung, Wut und Hass begründet, das hatte er doch vorhin auch selbst zugegeben. Und jetzt quatschte er auf einmal wieder von Liebe, der Wichser!
Mir entwich ein höhnisches Schnaufen, bevor ich mich bremsen konnte. Fatalerweise gefiel Valmont das überhaupt nicht, weil er mich gut genug kannte, um mein Geräusch richtig zu deuten.
Sofort knurrte er äußerst böse und schlug mich viel zu doll in den Bauch. „Hör auf zu lachen! Du machst dich nicht über mich lustig, Banton! Verdammt nochmal!" schrie er wütend und schnappte aufgebracht nach Luft. Zornig packte er meinen Nacken und drückte meinen Oberkörper brutal tief hinunter, bis mein Gesicht fast auf die schmutzige Erde knallte. Ich konnte mich gerade noch mit den Händen an dem Abhang abstützen. Der Boden war so kalt, dass mir fast die nackten Finger und die Knie abfroren, irgendwelche kleinen Steinchen gruben sich in mein Fleisch.
Im nächsten Moment griff Sean nach meinen Hüftknochen, bohrte mir seine Fingernägel erbost tief in die Lenden und fickte mich ein paarmal äußerst aggressiv. Wahrscheinlich wollte er dabei trotz allem leise sein, aber das gelang ihm mit wachsender Erregung nicht mehr. Sean hielt zitternd inne, beugte sich begierig über mich und fuhr mit seinen Händen unter meine Kleidung. Von meinem Nacken ausgehend strich er meinen Rücken hinab, genau an meiner Wirbelsäule entlang, als wollte er jeden Wirbel einzeln fühlen. „Shit... dein Körper ist...perfekt... so geil... du törnst mich total an...", begeisterte er sich atemlos. Mit seinen Fingern tastete er gierig über meine Oberschenkel, rechts an der Naht entlang, dann nach vorn zwischen meine Beine, zu meinen Eiern und meinem Schwanz und befingerte meine Organe abermals ausgiebig, was ihn total wild machte.
Zwischendurch schlug er mich wiederholt mit der flachen Hand, immer genau einmal irgendwohin, gegen den Rücken, den Hintern und die Beine, auch auf meine Nieren, was mir wirklich sehr wehtat.
Kurz darauf richtete Sean sich gurrend wieder auf, packte erneut besitzergreifend meine Hüftknochen, bohrte mir ein weiteres Mal schmerzhaft seine manikürten Fingernägel in die Lenden und fickte mich haltlos mit stetig wachsender Brutalität.
Ich schloss die Augen und hielt so still wie möglich, als er mich ungezügelt vögelte und auf meine nackte Haut schlug. Ich vergrub meine Finger in die schneebedeckte, dunkle Erde, um auf dem Abhang halbwegs Halt zu finden. Mir stiegen ungewollt Tränen in die Augen, denn ich fühlte mich entsetzlich benutzt und gedemütigt. Mein einziger Trost dabei war die absolute Gewissheit, dass der höchst erregte Mann diese direkte Stimulation nicht lange durchhalten würde.
Meine geprellte Niere, die Naht am Oberarm und der verletzte Oberschenkel pochten quälend, meine unzähligen Schnittwunden brannten in der Kälte, die vielen Hämatome an meinem geschundenen Körper schmerzten, Valmont tat mir ziemlich weh. Vielleicht war das zu viel auf einmal. Meine beschissen stocknüchterne Seele fand jedenfalls kein Versteck mehr. Ich bildete mir ein, genau spüren zu können, wie meine Haut an mehreren Stellen einriss.
Wie erwartet kam Valmont nach höchstens zwei Minuten intensiven Bumsens, obwohl mir die Tortur in dieser Situation weitaus länger vorkam. Der haltlos entfesselte Mann steigerte sich noch und erreichte sein Ziel ruckartig, überirdisch, gewaltig. Er zerkratzte schmerzhaft meine Haut, ächzte, stöhnte überwältigt laut, zuckte mehrmals vegetativ zusammen. Offensichtlich nahm er seine Umgebung einschließlich seines Opfers in diesen paar Sekunden nicht mehr wahr.
Womöglich wäre das meine Chance gewesen zu entkommen. Wahrscheinlich hätte ich ihn in diesem Moment von mir weg schubsen und entkommen können. Aber ich war fertig mit der Welt und konnte mich nicht mal mehr zur Flucht oder Gegenwehr aufraffen.
Als sein Höhepunkt vorbei war, fiel er mir plötzlich kraftlos auf den Rücken. Darauf war ich nicht gefasst gewesen, deshalb brach ich prompt unter ihm zusammen, sodass ich auf meinem Bauch landete, und er kam viel zu schwer auf mir zu liegen. Aber sein enorm erhitzter Körper wärmte mich auch angenehm. Valmont zuckte unwillkürlich, er rang um Luft, zitterte an sämtlichen Extremitäten und brauchte nochmal etliche Minuten, um sich so weit unter Kontrolle zu bekommen, damit er seine Umgebung wieder wahrnahm.
„Clay...", ächzte er nach einer langen Zeit der Stille, in der nur sein Keuchen zu hören gewesen war, „...Clay... fuck...das..." Wir waren körperlich noch immer miteinander verbunden, er steckte noch in mir und ich konnte genau fühlen, wie er langsam kleiner wurde. Am liebsten hätte ich mich sofort aufgerichtet und ihn hastig, gewaltsam von mir herunter geschubst, denn ich wollte ihn nicht mehr spüren. Ich wollte nicht mehr mit ihm auf diese Art verbunden sein, und auch auf keine einzige andere Art mehr. Ich wollte nur noch von ihm weg, so schnell und so weit wie irgend möglich. Mein ursprünglicher Zorn brannte so lichterloh in mir, dass mein Herz hart hämmerte und mir das Atmen schwerfiel.
Aber ich mahnte mich zur Ruhe. Auf gar keinen Fall wollte ich Valmont nochmal verärgern, denn ich hätte weitere Schläge von ihm schlicht nicht ertragen. Verstohlen wischte ich mir über die feuchten Augen und zwang mich, mit dem blöden, jämmerlichen Heulen aufzuhören.
„Shit.. Clay... das war... total...", setzte er nochmal an und brach wieder ab. Herr Valmont war verwirrt, merkbar erstaunt und völlig sprachlos. Auch ich wusste nicht, was ich in dieser bizarren Situation sagen sollte. Diese schweigsamen Minuten direkt nach einem intensiven Fick sind immer seltsam, aber dies hier war mit Abstand das Befremdlichste, was ich je erlebt hatte. Denn ich merkte irritiert, dass ich diesen brutalen Mann trotz seiner abscheulichen Rache nicht hassen konnte. Da war immer noch irgendwas in meinem Kopf, was mich untrennbar mit ihm verband, obwohl ich das wahrhaftig nicht mehr wollte.
Eine lange Weile war es bis auf unser dampfendes Ventilieren ganz still in diesem scheiß Gebüsch, während der leise Schnee immer dichter auf uns rieselte. Nur unten an den Bahngleisen waren hämmernde Geräusche zu hören, und für einen kurzen Moment geriet ich in Panik, dass vielleicht verdammte, neugierige Bahnarbeiter uns in dieser kompromittierenden Position finden und anzeigen, filmen und fotografieren würden.
„...fuck... das... Clay!" stöhnte Sean konfus und küsste plötzlich überstürzt meinen Nacken, mein Ohr und meinen Hals, leckte begierig mit seiner heißen Zunge über meine kühle Haut. Zärtlich fuhr er mit seinen gespreizten Fingern über meinen Kopf und durch mein Haar, streichelte ehrfürchtig an meiner Seite entlang nach unten, bis zu meinen Beinen, als wollte er sich mit Sanftheit für seine vorherige Brutalität entschuldigen. Er war so fasziniert von meinem Körper, dass er die alarmierenden Geräusche von den Gleisen gar nicht zuhören schien. Das wunderte mich, weil doch sonst immer zuerst er derjenige war, der solche Gefahren in der Öffentlichkeit extrem fürchtete.
„Sean, bitte... mir ist kalt...", stotterte ich hilflos, nachdem ich mir einen Ruck gegeben hatte, weil er gar nicht mehr damit aufhören wollte, mich ehrfurchtsvoll zu streicheln. „Ich wärme dich!" erwiderte er sofort hilfsbereit und breitete sich über mir aus, so gut er es konnte. Tatsächlich war sein verschwitzter Körper angenehm warm.
Aber trotzdem wollte ich ihn jetzt endlich loswerden. Er war viel zu schwer, und außerdem war die Erde unter mir eiskalt und alles andere als bequem. „Sean...", quengelte ich unbestimmt, als er sein Gesicht erneut von hinten an mein Ohr drängte. „Du bist etwas ganz besonderes, Clay! Verstehst du es jetzt? Ich will unbedingt, dass du es verstehst!" flüsterte er atemlos hinein und leckte meine Ohrmuschel. „Du sollst es richtig verstehen, hörst du?!" Unruhig rutschte er auf mir herum, denn er konnte nicht länger stillliegen. Nervös spürte ich, dass er aufs Neue anfing zu zittern, er zuckte alarmierend heftig und atmete zu unruhig.
„Ich verstehe dich, Sean", versicherte ich ihm, obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, wovon er eigentlich sprach. „Das... ist total wichtig...", ächzte Valmont und richtete sich endlich auf, was ich erleichtert zur Kenntnis nahm. Der Mann zog sich vorsichtig aus mir heraus, wobei er das Kondom gewissenhaft festhielt.
Eilig setzte ich mich auf und machte eine oberflächliche Bestandsaufnahme der körperlichen Schäden, die ich durch Seans gewalttätige Rache erlitten hatte. Mist, mein Bein blutete immer noch, Siamaks sorgfältige Naht sah nicht gut aus. Auch an meinem Oberarm schien etwas nicht zu stimmen. Vielleicht war während der Prügelei oder auf dem Weg hierher irgendwas kaputtgegangen. Meine Knie waren aufgeschürft, meine Lenden schmückten tiefe Furchen von Fingernägeln und ich entdeckte auch an meinen nackten Beinen neue Schrammen.
Genervt zog ich mir die Boxershorts und Jeans hoch und knöpfte meine Hose zu. Dann wandte ich mich herum, damit ich meinen Peiniger ansehen konnte. Herr Valmont hockte auf seinen gutaussehenden, unversehrten Knien und hatte sichtbar Mühe, sich zu konzentrieren. Er rupfte sich mit zitternden Fingern das Kondom ab, knotete es zu und steckte es in seine Jackentasche, worüber ich grinsen musste, weil er so umweltbewusst war oder keine Spuren hinterlassen wollte. Der Professor zog sich mühsam, in hockender Position die Hosen hoch und knöpfte fahrig seine Jeans zu. Dabei guckte er sich nervös nach allen Seiten um, als müsste er sich neu orientieren. Vielleicht fiel ihm auch erst jetzt wieder ein, in welch öffentlicher und damit gefährlicher Lage er sich befand.
Ich musterte ihn aufmerksam, prüfend im schwachen Schein der Bahnlichter, weil mir sofort auffiel, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Der postkoitale Sean Valmont war nämlich keineswegs müde, so wie es normal gewesen wäre. Seinen mega aufgeputschten Zustand konnte man gar nicht übersehen. Das verdammte Benzoylecgoninmethylester wütete unverändert stark in ihm, die harte Droge durchflutete ihn kräftig in heftigen und immer schneller aufeinanderfolgenden Wellen. Sean schwitzte unverändert stark aus allen Poren, atmete zu hastig und hatte seine Feinmotorik kaum im Griff. Mann, der Idiot hat wahrhaftig eine scheiß Überdosis, merkte ich spöttisch und gehässig, weil ich fand, dass ihm das recht geschah. Ich war aber auch ziemlich genervt und tief drinnen sogar ein wenig besorgt.
Unverhofft trafen sich unsere Blicke. Er lächelte verhalten und eindeutig entschuldigend. Sein unbändiger Zorn auf mich, sein heftiges Bedürfnis nach Rache hatte sich mit seinem Orgasmus verabschiedet. „Du verstehst es jetzt... nicht wahr, Clay?... du weißt jetzt, warum ich das tun musste... du hast es begriffen...", flüsterte er befriedigt. Seine wirren Augen mit den riesigen Pupillen zuckten überdreht hin und her, er konnte mich kaum noch fixieren. Ich lächelte beruhigend. „Ja, ich verstehe es jetzt, Sean", versicherte ich ihm, obwohl das eine glatte Lüge war, denn ich verstand überhaupt nichts. Seine scheiß Rache fand ich absolut unfair und verachtenswert. Valmont ahnte höchstwahrscheinlich, dass ich ihn anlog, aber er ließ es wohlweislich gut sein. Womöglich dachte er in seinem überdrehten Kokswahn aber auch, dass ich tatsächlich irgendwas davon kapiert hätte, was in der letzten halben Stunde zwischen uns geschehen war.
Viel aktueller und akuter war jetzt jedoch, dass die Wirkung der offenbar unglaublichen Menge Kokain, die er heute konsumiert haben musste, ihm jetzt, unmittelbar nach seinem sexuellen Höhepunkt, spürbar immer mehr und zunehmend negativer zu schaffen machte. Ich kannte das aus eigener Erfahrung und stellte mir die Frage, wie man ihm und vorrangig mir selbst am besten helfen konnte. Mein Verlangen nach Heroin war ungebrochen stark, und ich wusste nur zu gut, dass shore jetzt genau das Richtige für Valmont und mich wäre, um runter zu kommen und auszuruhen. Außerdem hatte ich zweifellos eine Belohnung verdient, fand ich. Bei dem Gedanken fingen meine kalten Finger an zu kribbeln. Ich war unglaublich geil auf ein paar Chinesen. Außerdem wirkte das scheiß Methadon anscheinend kaum noch, oder der Stress hatte die Wirkung gekillt, der Affe kroch jedenfalls immer drängender in meinen Hinterkopf.
„Mann... das ist...", stotterte Sean verwirrt und wischte sich fahrig über sein schweißnasses, immer noch wunderschönes Gesicht, „Clay.. ich glaube..." Hilflos zitternd schaute er mich an. Offenkundig war ihm gar nicht richtig klar, was mit ihm passierte, und das wunderte mich, denn eigentlich hatte er auch mit Kokain reichlich Erfahrung. Aber Sean Valmont schien jetzt, unmittelbar nach seiner brutalen Rache an mir, irgendwie verlegen zu sein, total konfus, beschämt und entsetzt, weil er die Kontrolle über sich verloren hatte und die harte Droge ihn viel fester in ihrer Gewalt hatte, als ihm gefallen konnte. „Fuck... was?... Clay... das ist deine Schuld...", murmelte er unbehaglich stöhnend und versuchte aufzustehen. Aber er zitterte inzwischen tatsächlich so stark, dass er nicht richtig auf die Beine kam.
Ich konnte ihm ansehen, wie sehr er sich vor mir schämte, vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen, oder er verachtete sich selbst für seine Tat. Mit einem Gefühl zwischen unbändiger Wut, Schadenfreude und Rührung beobachtete ich ihn.
„Wir müssen jetzt dringend hier abhauen...", schlug er vor, plötzlich alarmiert, denn seine koksbedingte Paranoia schlug zu. „...da hinten sind Arbeiter...", hatte er auch schon bemerkt und zeigte mit ausgestrecktem Arm hinab auf die Gleise hinter den Sträuchern. „Die haben uns vielleicht gesehen und die Polizei gerufen", befürchtete Valmont panisch und hatte es auf einmal eilig, auf die Füße zukommen. „Fuck, das ist deine Schuld... nur wegen dir passiert das alles...", murmelte er bestürzt. Sein Gefühl der Verwirrung und Panik steigerte sich sichtbar. Er schaffte es nicht, unseren Blickkontakt länger aufrecht zu erhalten. Seine strahlend hellblauen Augen wanderten stattdessen unruhig durch die Umgebung, schwankend stand er auf.
„Das ist nicht meine Schuld, Sean", widersprach ich genervt, weil ich seine wiederholte Anklage nicht leiden konnte. Mit eiskalten Fingern knöpfte ich mein Hemd, meine Weste und mein Jackett zu. „Du hast mich in dieses Gebüsch gezwungen", stellte ich beleidigt klar.
Sean fuhr zu mir herum, als wollte er sich auf mich stürzen. Drohend starrte er auf mich hinab, während er unruhig an dem Abhang auf der Stelle trat. „Das hattest du verdient! Du hast mich total provoziert! Wie soll ich denn sonst darauf reagieren?" fuhr er mich zornig an, „Soll ich etwa so tun, als wäre nichts gewesen! Dieses ArtHouse-Interview war total wichtig! Und ich habe vergeblich auf dich gewartet, schon wieder!"
„Das ist keine Rechtfertigung für das hier!" entgegnete ich ziemlich laut und stand energisch auf. Mit Wucht versetzte ich ihm einen Schlag gegen die Brust, sodass er auf dem schrägen Boden ins Straucheln geriet. Nur mit Mühe konnte er sich an einem Baumstamm abfangen. Ich fixierte ihn kampfbereit, weil ich das motivierende Gefühl hatte, ihm zunehmend überlegen zu sein. Aber er hielt sich nur stöhnend den Kopf fest und wischte sich mit den Fingern über die schwitzige Stirn. „Du bist so ein Arsch, Valmont! Du hast mich vergewaltigt, verdammt nochmal!" konnte ich mich nicht bremsen, ihm lautstark vorzuwerfen.
Sean hörte mich scheinbar gar nicht. Er starrte irritiert auf seine Hände, weil er zum ersten Mal das Blut daran registrierte, was er beim Ficken von meinem verletzten Bein gewischt hatte, ohne es zu merken. „Clay?... Was?" stotterte der erschütterte Mann und musterte mich zögernd. Sein Blick fand mein schon wieder mit Blut besudeltes Hosenbein, und er verstand. Panisch rang er nach Luft. Sean war verwirrt und merkbar extrem verstört, als er begriff, dass er mich schwerer verletzt hatte, als sicherlich in seiner Absicht gelegen hatte.
Ich beobachtete mit Genugtuung seine Reaktion, und es besänftigte mich, dass ihm dieser Umstand nicht gleichgültig war, dass es ihm höchstwahrscheinlich sogar leid tat. Außerdem hatte ich endgültig die Schnauze voll von gewalttätigen Auseinandersetzungen jeder Art. Ich wollte jetzt nur noch so schnell wie möglich hier weg und jede Menge Chinesen rauchen.
Kurzentschlossen drehte ich mich um und kraxelte den verdammten Abhang hinauf, als Sean hinter mir verzweifelt aufstöhnte. „Clay... wo willst du hin... verschwindest du jetzt?" rief er geknickt und hörte sich richtig unglücklich an. „Ja, genau, ich will hier weg!" knurrte ich genervt.
Bevor ich mich zu ihm umdrehen konnte, war Sean schon dicht hinter mir und drängte mit seinem Gesicht gegen mein Ohr. „Es tut mir leid, aber das hast du dir selbst zuzuschreiben! Du allein hast das provoziert!" bekräftigte er deutlich wirr.
Ich stand ganz still und wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Einerseits war ich viel zu wütend, um ihm so schnell vergeben zu können, obwohl er sich wohl gerade irgendwie bei mir entschuldigt hatte. Andererseits tat er mir aber auch leid, denn es war mehr als offensichtlich, dass er seine gesamte Selbstkontrolle viel umfassender an das Kokain abgegeben hatte, als ursprünglich beabsichtigt. Der Trottel hatte es mit dem Basen eindeutig mächtig übertrieben!
Der inzwischen bedenklich aufgedrehte Mann drängte sich gegen mich, und ich spürte förmlich, wie hart und schnell sein Herz hinter seinen Rippen hämmerte. Sean schnappte nach Luft und wischte sich abermals über das Gesicht.
„Schon gut, Valmont! Es war sowieso das letzte Mal!" sagte ich ziemlich arrogant, bevor ich mich bremsen konnte. Ruppig und genervt schob ich ihn von mir weg und kämpfte mich eilig durch das dichte Gebüsch, bis ich endlich oben zurück auf dem Weg stand. Verwirrt schaute ich mich um, denn ich konnte mich nicht erinnern, wo der verdammte Parkausgang war.
Sean brauchte eine ganze Minute, bevor meine Worte richtig bei ihm ankamen. Dann entwich ihm urplötzlich ein seltsames Jaulen. „Warum sagst du das immer wieder?" heulte er auf, stürzte mir hastig durch die Sträucher hinterher, landete neben mir auf dem Parkweg und klammerte sich spontan verzweifelt an mir fest. „Was heißt das, das letzte Mal? Warum drohst du mir damit, Clay Banton? Musst du mir das auch noch antun? Hast du mich denn noch nicht genug gequält?" beklagte er sich vollkommen überfordert.
Sein kindischer Überfall nervte mich total, amüsierte mich aber auch, denn dies hier war nicht mehr der überlegende, erwachsene Herr Professor, sondern ein zitterndes, schwitzendes Kokswrack mit typischer Panik und Paranoia. Zum ersten Mal, seit er an diesem Abend Elizas Wohnung betreten hatte, war ich ihm haushoch überlegen, und das war ein äußerst seltenes, enorm befriedigendes und angenehmes Gefühl. Irgendwie konnte ich ihm nicht mal mehr böse sein, denn er wurde gerade wahrhaftig genug bestraft.
„Was? Ich quäle dich? Das ist ja wohl eher umgekehrt gelaufen!" stellte ich grinsend richtig, denn er redete den totalen Schwachsinn. Sean ließ mich endlich los und musterte mich mit unstetem Blick. „Du bist selbst schuld, Clay! Du bist an allem schuld!" behauptete er wirr. Panisch schaute er sich nochmals nach allen Seiten um, suchte die Umgebung nach filmenden Kameras, fotografierenden Handys oder Polizisten ab, die nur in seiner Einbildung existierten.
„Ist schon gut, Sean", beruhigte ich ihn spontan. Es rührte mich unwillkürlich mehr, als mir lieb war, wie verwirrt und ängstlich der starke, unbesiegbare Tiger jetzt war, wie ausgeliefert dieser Droge, die er offenbar im Moment nicht richtig einzuschätzen wusste.
Valmont fuhr zornig zu mir herum. „Was? Es soll gut sein? Meinst du das ernst? Nichts ist gut, Banton! Überhaupt nichts ist gut, verstehst du? Du verarschst mich andauernd, versprichst mir irgendeinen Scheiß und kümmerst dich dann gar nicht darum! Und jetzt quatschst du auch noch ständig vom Weggehen, als wolltest du mich einfach im Stich lassen!" Er war mächtig aufgebracht und wollte erneut nach mir greifen, aber ich wich ihm geschickt aus und schubste ihn von mir. „Beruhige dich!" forderte ich ihn genervt auf. Er schüttelte den Kopf und fixierte mich. „Nein, Banton, irgendwann muss mal Schluss sein mit deinem Scheiß! Wir haben so viel zusammen aufgebaut und ich verlasse mich auf dich, aber du trittst mich nur immer wieder in den Arsch!" schrie er mich wütend an.
Er wollte mich schlagen, aber nochmal war ich schneller und wich ihm aus, weil seine Bewegungen so überstürzt und unkoordiniert geworden waren. „Hör mal, Sean, dir geht's nicht gut, du brauchst jetzt dringend ein starkes Sedativum", schlug ich gelassen vor, und mein Herz setzte vor freudiger Erwartung einige Schläge aus.
Sean drehte abrupt den Kopf zu mir. „Was? Du hörst mir überhaupt nicht zu! Du kapierst gar nichts! Es ist dir scheißegal, wenn alles kaputtgeht! Du bist so ein ignorantes Arschloch, Banton!" brüllte er ganz außer sich. Ich schüttelte grinsend den Kopf, weil sein wirres Ausrasten mich inzwischen echt amüsierte. „Mann, guck dich doch an, Valmont!" zischte ich geringschätzig.
Verwirrt schaute er an sich herunter, und ich nutzte spontan die Gelegenheit und entfernte mich rasch von ihm. Prüfend ließ ich meinen Blick einmal rundum schweifen, aber die jetzt vom Schnee weiße Grünanlage schien noch immer menschenleer zu sein. Es war dunkel geworden, nur ein paar Parklampen beleuchteten den schmalen Fußweg. Ich schlug eine Richtung ein, von der ich hoffte, dass sie zum Ausgang führen würde.
Valmont hatte ich schon abgehakt, als er mich plötzlich von hinten ansprang und mit Wucht in den Hintern trat. Seine Motorradstiefel taten gemein weh, und ich geriet ins Stolpern. „Du verdammter Wichser!" schrie er mich durchgedreht an, „Das ist deine schuld! Das Kokain ist allein deine Idee gewesen! Du warst es, der mir diese ganzen verfluchten scheiß Drogen angedreht hat! Nur wegen dir nehme ich doch den ganzen Dreck! Du bist daran schuld! Alles passiert nur wegen dir! Du machst mich total kaputt und merkst es nicht einmal!" Seine Pupillen funkelten verachtend und anklagend in der Dunkelheit.
In meinen Augen hatte er komplett den Verstand verloren, aber sein Tritt machte mich richtig sauer. „Rede nicht so einen Blödsinn, Valmont! Ich habe dich nie dazu gezwungen, irgendwas zu nehmen! Das wolltest du alles ganz freiwillig tun!" berichtigte ich ihn wütend. Er schüttelte so energisch den Kopf, dass er fast davon umfiel. „Ich wollte dich doch nur verstehen!" schrie er verzweifelt.
Darüber musste ich kurz höhnisch lachen, und Sean starrte mich so entsetzt an, als würde er auf einmal die Welt nicht mehr verstehen. „Ich habe dich nicht dazu gezwungen, so viel Koks zu basen! Du konntest selbst den Hals nicht voll kriegen!" knurrte ich abfällig, denn seine Anklage ging mir total auf den Sack. Der Mann war unfair, und das gefiel mir nicht.
Jetzt taxierte er mich, als würde er mich zum ersten Mal sehen. „Du... woher weißt du das?" wollte er irritiert wissen, weil er sich das echt nicht erklären konnte. „Ich weiß es eben!" erwiderte ich trotzig, weil ich enorm wütend auf Valmont war. Außerdem wollte ich Travis nicht in die Pfanne hauen, weil er mir sonst eventuell nichts mehr erzählen würde, womöglich sogar nichts mehr verkaufen, und das wollte ich nicht riskieren.
Sean rang nach Luft und konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Mit bebenden Fingern wischte er sich über das schweißnasse Gesicht und taxierte mich fassungslos. „Du... bist kein Mensch... Banton.. Du bist ein Teufel!" stammelte er entgeistert, worüber ich noch einmal spöttisch lachen musste. Mit einem berauschenden Machtgefühl im Bauch grinste ich ihn an.
Sean Valmont sah aus, als müsste er jeden Moment kotzen oder heulen, als er sich auch schon panisch herumdrehte. Mit fliegenden Füßen, stolpernd und kopflos lief er durch den leeren Park davon. Als wäre ich auf einmal gefährlich, und er müsste sich vor mir in Sicherheit bringen. Offenbar hatte er den Kampf gegen seine Paranoia verloren.
Ich stand noch eine Weile dort, zündete mir eine Zigarette an und schaute ihm nach. Ich war froh, ihn endlich los zu sein. So ein blöder Spinner, dachte ich spöttisch. Dann überlegte ich ungeduldig, wo ich jetzt am schnellsten shore herbekam.
Sean
Eine kurze Episode im winterlich kahlen, bitterkalten, zum Glück menschenleeren Stadtpark bei Schneefall. Ein weiteres Beispiel von unverzeihlichem und absolutem Kontrollverlust.
Ich wollte ihn für seine gemeine Ignoranz bestrafen. Ich bestrafte ihn für seinen Verrat, seine erneute Flucht zu Eliza, seine bloße Existenz. Ich war unsterblich, unbesiegbar, mehr als wütend, aufgeladen und mega geil auf ihn, aber auch verwirrt und verzweifelt. Die mächtigen Emotionen wuchsen mir über den Kopf. Das Kokain gewann an Intensität und schaltete meinen Verstand gnadenlos aus. Ein böser, übermächtiger Trieb in mir gewann hundertprozentig die Oberhand.
Clay Banton lief davon und ich geradewegs hinter ihm her. Es schneite, war eisig und windig, aber ich konnte die Kälte nicht spüren. Meine Wut und Erregung steigerten sich noch durch seine Flucht. Das lupenreine Kokain kochte beständig in mir auf, machte mich bärenstark und schmerzunempfindlich. Der Mann hatte natürlich keine Chance, mir zu entkommen, keine Möglichkeit, sich mir zu widersetzen. Später versuchte er es auch gar nicht mehr.
Wir prügelten uns brutal auf einer Wiese, entfesselt, als ginge es um unser Leben, irgendeine Grundsatzentscheidung stand an, und dabei verletzte ich ihn viel schwerer, als es jemals in meiner Absicht gelegen hatte.
Ich packte ihn schließlich und zog ihn in irgendein nahes Gebüsch. Wir fielen zusammen die Böschung zu den Bahngleisen hinab und blieben dort. Ich erinnere mich an seinen überirdisch schönen Körper, das Gefühl seiner harten Muskeln und seiner warmen, weichen Haut. Er faszinierte und erregte mich mehr, als ich verarbeiten konnte. Ich weiß noch, dass ich mir eins seiner Kondome nahm, die er ständig hinten in seiner Jeanstasche mit sich herumtrug.
Ansonsten weiß ich nicht mehr, was genau geschah. Höchstwahrscheinlich fickte ich ihn viel zu schnell und brutal. Ich schlug ihn wiederholt mit der flachen Hand und befriedigte meine starken Bedürfnisse absolut egoistisch und zielgesteuert an seinem wunderschönen Körper. Es ist sehr zweifelhaft, ob Clay Gefallen daran fand.
Aber es sollte ihm auch gar nicht gefallen, denn dann wäre es ja keine wirksame Rache gewesen. Worte und Erklärungen waren bei ihm sowieso sinnlos. Nur auf diese Art würde meine Wut sich ihm für alle Zeit einprägen, dessen war ich mir sicher.
Ich kam überraschend schnell. Mein Orgasmus war überwältigend, sphärisch, was wahrscheinlich auch am Koks lag, keine Ahnung. Ich erinnere mich an die Angst, dass jemand uns hören und entdecken würde. Dass jemand uns anzeigen oder uns erkennen und dann über uns berichten würde. Ich hatte Angst vor der Polizei, vor der Presse und vor neugierigen Spannern. Gleichzeitig törnte diese Gefahr mich aber auch unglaublich an, zumindest für eine lange Zeit. Der triste Ort war viel zu hart, aber ich spürte keine Kälte mehr. Ich spürte nur noch Clay Banton und verlor mich vollständig in diesem Mann.
Letztendlich war es nur eine Sache von wenigen Minuten. Nach meinem Orgasmus übernahm das Kokain für mich, und meine Angst verwandelte sich zunehmend in quälende Paranoia. Überall sah ich plötzlich nur noch Polizisten und Reporter lauern. Mein Herz schlug so schnell und hart, dass ich sekündlich einen Herzinfarkt erwartete. Der Schweiß brach mir aus. Meine Ohren dröhnten.
Jede Faser meiner Seele schrie gewaltig nach Clay Banton. Aber obwohl ich ihm körperlich überlegen war, besiegte er mich im Endeffekt mit erschreckender Leichtigkeit. Er tat das auf eine Weise, die sehr subtil war, wohl überlegt und absolut gnadenlos. Er lachte mich aus, schlug mir meine Liebe ins Gesicht und drohte mir unentwegt damit, dass er einfach verschwinden würde. Er behauptete eiskalt, dass er weggehen würde. Das war viel schlimmer, als ich ertragen oder begreifen konnte. Damit konnte ich überhaupt nicht umgehen. Seine Rache war um einiges grausamer als meine, denn er verwandelte sich in einen diabolisch lachenden Teufel.
Diese Erinnerung ist nur vage. Ich habe keine Ahnung, wie ich danach in mein Auto kam.
Clay
Ich stand eine ganze Weile dort, rauchte eine Marlboro und lachte ihm laut und spöttisch hinterher, während ich seine kopflose Flucht beobachtete. Er lief tatsächlich vor mir davon, und das war so dermaßen absurd, dass ich es kaum fassen konnte. Weil es nämlich normalerweise immer nur ich war, der aus irgendeinem Grund vor ihm davonlief. Meistens hatte er dann vor, mich zu schlagen, und ich wollte mich deshalb vor ihm in Sicherheit bringen.
Vorhin noch, vor gerade mal einer halben Stunde oder so, war ich doch vor ihm weggelaufen. Ich war hierher in diesen scheiß Park gerannt, und er hatte mich gnadenlos verfolgt, wie ein verdammter Tiger auf der Jagd.
Aber nun hatte sich die Situation plötzlich komplett verändert, ins genaue Gegenteil verwandelt, denn Valmont lief dermaßen überstürzt vor mir weg, als wäre der verdammte Teufel hinter ihm her. So etwas hatte der Mann definitiv noch niemals getan. Seine Reaktion war so ungewohnt, dermaßen erstaunlich, dass ich ihn absolut nicht begreifen konnte und deshalb nur haltlos über ihn lachte. Hatte er mich nicht wahrhaftig so genannt? Einen verfickten Teufel? Offenbar hatte das Kokain ihm seltsame visuelle Eindrücke vorgegaukelt, vermutete ich spöttisch.
Das Bild, dass sich mir bot, während der Mann zunehmend im Schneetreiben verschwand, war derart neu und bizarr, dass ich es gar nicht fassen konnte. Ich hatte keine Ahnung, was überhaupt passiert war, aus welchem Grund er plötzlich abhaute, aber Sean verschwand ziemlich schnell in der Dunkelheit. Ich beobachtete lachend, wie der Schnee seine Fußspuren zudeckte, bis nichts mehr von ihm übrig war. Als wäre er nie hier gewesen.
Von allein wurde mein Lachen zunehmend hysterisch, weil in mir eine völlig widersinnige Panik aufstieg, dass ich meinen einzigen Vertrauten niemals wiedersehen würde. Fuck, Sean Valmont konnte doch nicht einfach weg sein, er war verflucht nochmal doch viel zu wichtig für mich, unerlässlich für mein Leben, oder? Wer um alles in der Welt sollte mir denn jetzt sagen, was zu tun war? Was um Himmels Willen sollte ich denn jetzt nur tun?
Plötzlich wurde mir extrem kalt, noch kälter als sowieso schon, und mein hysterisches Lachen verwandelte sich unbemerkt in ein hysterisches Schreien, weil mir schlagartig wieder einfiel, was gerade geschehen war, was er mit mir gemacht hatte, und wogegen ich mich schon wieder nicht hatte wehren können. Mir wurde auf einmal bewusst, dass ich überhaupt keinen Grund zu lachen hatte, denn nichts davon war auch nur ansatzweise lustig gewesen. „Du hast mich nicht besiegt!" schrie ich Sean Valmont hinterher, obwohl er längst nicht mehr zu sehen war, und warf meine Kippe wütend auf den Boden. „Du kannst mich gar nicht besiegen, du schwuler Arsch!" brüllte ich, als wäre ich von Sinnen.
Dann durchzuckte mich irgendwas, ein Blitz vielleicht, oder eine starke Emotion, die nicht genau zu definieren war. Jedenfalls fiel ich unwillkürlich hinab auf meine geprellten Knie, meine Beine knickten ein, als könnten sie mich schlagartig nicht mehr tragen. Hilflos hockte ich im Schnee, brüllte wie blöd herum und schlug mit meinen Fäusten ein paarmal auf die kalte Erde, was wehtat und total sinnlos war. Aber irgendwas in mir wollte unbedingt heraus, wahrscheinlich war es einfach nur meine tosende Wut. Es brodelte unverändert in mir, kochte beständig und ließ mein Herz hart hämmern.
Ich erinnerte mich viel zu genau an diese scheiß Tat, diese angeblich selbst verschuldete Strafe, Sean Valmonts berechtigte Rache an mir, und ich spürte ihn noch viel zu deutlich, als würde sein scheiß Schwanz noch immer in mir stecken, schmerzhaft, als hätte er mir mit Gewalt einen dicken Besenstiel in den Arsch gerammt, und das kotzte mich enorm an.
Überhaupt tat mir alles weh, ein inzwischen verflucht vertrautes scheiß Gefühl. Und in diesem Moment wollte ich nichts anderes mehr, als diese verdammten Schmerzen endlich loszuwerden, diese quälenden Gedanken und niederschmetternden Erinnerungen komplett zu killen. Am liebsten wollte ich diesen ganzen scheiß Tag auslöschen, oder wenigstens die letzte halbe Stunde.
Aber das würde nicht passieren, denn es war geschehen, ich hatte das alles wahrhaftig erlebt. Und jetzt war es in meinem dummen Kopf, rumorte dort und quälte mich, und ich konnte und wollte das nicht länger hinnehmen.
Sean Valmont war verschwunden. Er würde bestimmt nicht zurückkommen. Und ein starker, instinktiver Impuls tobte in mir, dem Mann sofort hinterherzurennen, ihn einzuholen und mich an ihm festzuklammern. Ich wollte dringend, dass Sean sofort seine Hand auf meinen Bauch legte. Ich wollte mich unbedingt in seine starken Arme flüchten, denn ich konnte es nicht ertragen, verlassen worden und jetzt so verdammt allein zu sein. Diese Leere und Stille war unerträglich!
Es ging mir echt nicht gut, als die Nässe durch meine Hosenbeine kroch und ich mich schließlich aufraffte, wieder aufzustehen. Nein, das geht nicht, sagte ich mir, du kannst ihm unmöglich hinterherrennen, das wäre total schwach und absolut unverzeihlich. Denn der Herr Professor hat dich gerade wie ein Stück Dreck behandelt, er hat dich einen Teufel genannt, und allein deshalb solltest du ihn jetzt schlicht abhaken. Du wirst ihn nicht wiedersehen, und das ist gut so. Verdammt nochmal!
Unruhig, mit hämmerndem Herzen stand ich dort, unschlüssig, nach irgendwas suchend schaute ich mich um, und plötzlich fiel mir ein, dass ich in diesem Stadtpark schon mindestens einmal gewesen war, wahrscheinlich sogar öfter. Ich erinnerte mich, dass ich mit Eliza hier gewesen war. Genau auf dieser Wiese hatten wir im Sommer auf ihren Wunsch hin ein Picknick veranstaltet. Ich erinnerte mich an ihre bunte Picknickdecke und an diesen Korb, in dem sie echt leckere Sachen eingepackt hatte. Wir hatten gemeinsam auf dieser Wiese gesessen und uns gegenseitig gefüttert. Sie hatte pausenlos über meine dummen Witze gelacht, und auf ihrer Decke hatten wir später ein bisschen herumgeschmust. Das war ein verdammt wundervoller Nachmittag gewesen.
Diese irritierenden Bilder tauchten in meinem Kopf auf, sie fingen unwillkürlich an zu flackern, und dann fiel mir abrupt ein, dass Eliza für mich endgültig verloren war, weil sie mich nämlich verlassen hatte, aus welchem scheiß Grund auch immer. „Nein, ich habe dich verlassen, du blöde Fotze!" schrie ich überaus zornig, weil sie mich außerdem gedemütigt hatte und ich es echt nicht länger ertragen konnte, ständig nur das dumme Opfer zu sein.
Das alles war tatsächlich passiert, wurde mir schmerzhaft klar, und nichts konnte noch etwas daran ändern. Eliza Laser und Sean Valmont, die beiden einzig wichtigen Menschen in meinem Leben, waren ein für allemal und für immer verschwunden.
Mann, das fühlte sich alles überhaupt nicht gut an, diese Gedanken und Gefühle gingen mir unglaublich auf den Sack, und ich wollte nicht eine Minute länger nachdenken, mich an überhaupt nichts mehr erinnern müssen. Hastig drehte ich mich herum, denn ich wollte nicht noch länger in diese Richtung glotzen, in der Sean verschwunden war, nicht länger diese Wiese sehen, die mich an bessere Zeiten erinnerte. Ich hielt meinen verwirrten Kopf fest und zwang mich, meine wild wirbelnden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. Es reichte jetzt, definitiv! Ich musste schnellstens etwas gegen den Affen tun, der sich immer hartnäckiger bemerkbar machte, sich hinterhältig in meine Seele und meinen angeschlagenen Körper schlich und mich daran erinnerte, das jetzt nur noch eins wichtig war: So schnell wie möglich jede Menge shore besorgen!
Sean
Als nächstes erinnere ich mich daran, dass ich allein und völlig reglos in meinem Auto saß und total ernsthaft auf den Tod wartete. Schon in der nächsten Sekunde konnte es soweit sein, und ich sehnte mich auf eine dringende Art danach. Mein Herz klopfte rasend schnell. Es schlug so hart und schmerzhaft in meiner Brust, hämmerte so zornig von innen gegen meine Rippen, dass ich fest damit rechnete, dass es jeden Moment explodieren oder einfach stehenbleiben würde.
Es war wohl bitterkalt im Jeep, aber mir war mega heiß. Ich war total durchgeschwitzt. Der nie enden wollende Schweiß sammelte sich pausenlos auf meiner kribbelnden Haut, lief mir in die Augen, und ich saß wie angewurzelt auf dem Fahrersitz hinter dem Steuer und atmete viel zu schwer. Mein Körper war dermaßen angespannt, dass er an allen Enden vegetativ zitterte.
Der Motor war aus, die Anlage auch, es war dunkel und völlig still um mich. Ich hatte keine Ahnung, wie ich hierhergekommen war oder wohin ich überhaupt gefahren war. Der Jeep stand irgendwo, anscheinend hatte ich ihn hier geparkt. Das Auto war eingeschneit, deshalb konnte ich durch die Scheiben nichts sehen. Gefühlsmäßig befand ich mich in einem stockdunklen, schallisolierten Vakuum. Es existierte überhaupt keine Welt mehr da draußen. Es gab nur noch mich, meinen erstarrten, völlig überdrehten Körper, mein heftig, enorm schmerzhaft hämmerndes Herz und den rasend schnell nahenden Tod.
Mein Blutdruck befand sich spürbar in unmessbaren Höhen, was sich absolut beängstigend anfühlte, weil es mir zunehmend die Luft zum Atmen raubte. Auch meinen mehr als stolpernd galoppierenden Puls hätte wohl niemand mehr bestimmen können. Noch immer steckte ich in meinem verfluchten, durchgedrehten Körper fest. Aber jeden Augenblick musste alles vorbei sein, ich würde schlagartig befreit werden, und ich konnte das Ende verdammt nochmal nicht mehr erwarten. Ich sehnte mit jeder irritierten Faser meiner verletzten Seele den endgültigen Schlussstrich herbei.
Vage ahnte ich, dass irgendwas passiert war, was weit über meinen konfusen Verstand hinausging, und an das ich mich auf gar keinen Fall erinnern wollte. Etwas hatte meine Welt zum Einstürzen gebracht und machte alles komplett sinnlos. Es herrschte jetzt nur noch eine leere, quälende Dunkelheit. Und ich wusste mit hundertprozentiger Sicherheit, dass ich nichts mehr tun konnte, keine Chance mehr hatte, um an dieser Situation etwas zu verändern. Es war vorbei. Eine unabwendbare Tatsache.
Meine Gedanken rasten so schnell, dass ich keinen einzigen auch nur halbwegs zu fassen bekam. Kein einziges Bild nahm in meinem Kopf reale Gestalt an. Denn ich war mir gewiss, dass es jetzt nichts mehr für mich zu tun gab. Es war im Grunde völlig egal, was eigentlich genau passiert war. Das spielte überhaupt keine Rolle mehr, denn es war passiert und damit Vergangenheit. Jetzt konnte ich nur noch auf das Ende warten, den allerletzten Akt meines beschissenen Lebens herbeisehnen, und es gab definitiv gar nichts mehr in dieser Welt, was mich hier festgehalten hätte. Da war nichts mehr, wofür sich ein Weiterleben für mich gelohnt hätte.
Mein aufgeputschter Körper kribbelte und bebte unwillkürlich, meine Nervenenden vibrierten. Und doch war ich total bewegungslos. Ich presste meine Zähne so stark zusammen, dass mein Kiefer wehtat, damit sie nicht länger ungebremst aufeinanderschlugen.
Komm schon, drängte ich mein Herz ungeduldig, nach Luft ringend und wirr, während es unablässig zornig hämmerte und jeden Augenblick meine Rippen von innen heraus zu sprengen schien, explodiere schon oder bleib endlich stehen, befreie mich aus diesem verfluchten Albtraum! Ich möchte nicht länger hier drin feststecken. Es gibt hier endgültig nichts und niemanden mehr für mich!
Und in der nächsten Welt kann es nur besser werden! Es wurde doch in verschiedenen Quellen herrlich angepriesen, dieses geheimnisvolle, verlockende Leben nach dem Tod. Es gäbe dort keine Schmerzen mehr, hieß es, man wurde belohnt und sollte wunschlos glücklich sein. Und ich war ja im irdischen Leben kein schlechter Mensch gewesen, dachte ich. Immer hatte ich mich bemüht, unablässig gekämpft und mein Bestes gegeben. Also sah ich keinen Grund, warum ich nicht diese neue Welt erblicken durfte. Sie würden mich ganz bestimmt einlassen, hoffte ich zumindest, in dieses Paradies, den Himmel oder nach Walhalla, oder wo auch immer sonst.
Ich versuchte ängstlich, mir mein Leben nach dem Tod vorzustellen, aber ich hatte keine Ahnung, die Bilder verschwammen, und deshalb ließ ich es wieder sein.
Außerdem war da noch ein anderer Gedanke, der sich hartnäckig zwischen die paradiesischen Bilder schob. Was, wenn da überhaupt nichts war? Was, wenn all die vielen Geschichten und Beschreibungen reine Erfindung waren, womöglich der totale Schwachsinn, und nach dem Tod wartete einfach nur überhaupt nichts mehr auf mich. Gar nichts. Nur noch eine dunkle, stille Leere. Das schlichte Ende meiner gesamten Existenz. Ich konnte mich nicht erinnern, was vor meiner Geburt gewesen war, also warum sollte da nach meinem Tod überhaupt etwas auf mich warten?! Womöglich war jede Vorstellung von einem Leben nach dem Tod reines Wunschdenken. Vielleicht war da in Wahrheit einfach nur ein großes Nichts.
Aber selbst wenn, auch das wäre mir mehr als recht, das spürte ich in jeder verdammten Faser meiner Seele. Nichts war mir absolut willkommen! Alles, alles, alles würde besser sein, selbst die große, alles umfassende Dunkelheit wäre um jeden Preis enorm viel besser als das Hier und Jetzt.
Frustriert und ungeduldig stöhnte ich auf. Dieser unfassbar große Schmerz in meiner Seele. Diese unerträgliche Leere in mir, riesige Verzweiflung über etwas, was ich verloren hatte, unglaubliche Traurigkeit über das Ende von irgendwas. Ich war so deprimiert wie noch niemals zuvor. Bisher hatte ich immer noch irgendwie versucht, Hürden zu überwinden, jedes Problem zu lösen oder mich durchzukämpfen. Aber das war jetzt nicht mehr möglich, denn ich war dazu einfach nicht länger in der Lage.
Jemand hatte mich tausend prozentig besiegt. Ein einziger Mann, an den ich idiotischerweise mein gesamtes irdisches Leben untrennbar gekoppelt hatte, hatte mich mit einem Lachen vernichtet. Ich war von einem Teufel lachend entzweigerissen worden und fühlte mich allein nicht länger lebensfähig. Die grausame Gegenwart tat so verflucht weh. Jeder einzelne verdammte Atemzug war eine Qual, sodass ich das Gefühl hatte, es nicht eine Sekunde länger erdulden zu können. Ich konnte mein jämmerliches bisschen Leben nicht mehr ertragen. In den Tiefen meines verwirrten Verstandes lauerte eine Schuld, die ich auf mich geladen hatte, und unter der ich jetzt völlig wehrlos zusammenbrach. Das war definitiv zu viel, das konnte ich gar nicht überleben. Ich musste einsehen, dass scheiß Sean Valmont bei Weitem nicht stark genug war.
Eliza
Kaum hatte sich die Erkenntnis richtig in meinem Verstand durchgesetzt, dass Clay Banton nun endgültig aus meinem Leben verschwunden war, sich mit einem Schrei verabschiedet hatte und nicht zurückkommen würde, da brach er auch schon mächtig und unaufhaltsam aus mir hervor: Mein dank meines Vaters wohl schon ziemlich früh in meiner Kindheit entwickelter, in den Tiefen meiner Seele ständig lauernder Hang zum Masochismus.
Oder wie sonst war es zu erklären, dass ich wahrhaftig, wie ferngelenkt all die Papiere wieder hervorkramte, diese Erinnerungsstücke, die ich doch vor Kurzem nicht ohne Grund ganz hinten in der untersten Schublade versteckt hatte?! Welchen Grund gab es sonst dafür, dass ich jetzt lang ausgestreckt auf meinem Bett lag und mir pausenlos alte Fotos und Zeichnungen von ihm ansah?!
Nein, das war ein ganz klarer Fall: Ich war zweifellos ein böses Mädchen gewesen, hatte ihn wiederholt schlecht behandelt, ihn geschlagen und von mir weggestoßen, und darum hatte ich diese Strafe verdient. Der tiefe Schmerz und die traurige Sehnsucht, die mich beim Anblick der Bilder aus längst vergangenen Zeiten erfüllten, waren genau die richtige Strafe für mich.
Ich hatte seine Gemälde nicht ohne Grund von meinen Wänden genommen, aber jetzt musste ich sie mir unbedingt nochmal ansehen, und ich wusste bei jeder Zeichnung noch ganz genau, zu welchem Anlass er sie für mich gemalt hatte.
Vielleicht wollte ich mich auch nur von ihm verabschieden, weil ich das quälende Gefühl hatte, dass ich dazu irgendwie noch nicht die Chance gehabt hatte. Das Ende unserer zweijährigen Beziehung war im Endeffekt zu plötzlich passiert. Clay war abrupt und ohne Vorwarnung aus meinem Leben verschwunden, und das tat ganz schön weh. Das Schlimmste daran war, dass er im Streit gegangen war, mit einem zornigen, verachtenden Ausdruck in seinen grün-braunen Augen, der mich noch immer schmerzte.
Aber gut, wenn er es so haben wollte, dann sollte es eben so sein. Wahrscheinlich konnte er diesen Schritt nur auf diese Art realisieren, und das musste ich schweren Herzens akzeptieren.
Ich lag auf meinem Bett und schaute mir auf dem Tablet Fotos von ihm an. Es waren Fotos von uns beiden, zusammen, lustige und ausgelassene Selfies, Aufnahmen, für die er kichernd für mich posiert hatte. Zu jedem einzelnen Bild fand ich die passende Erinnerung in meinem Gedächtnis, all diese Begebenheiten, die wir gemeinsam erlebt hatten, und es fühlte sich an, als wäre es erst gestern passiert. Als wären wir gestern noch ein glückliches Paar gewesen, aber das stimmte ja ganz und gar nicht.
Verärgert zwang ich mich, den traurigen Tatsachen ins Auge zu schauen. Clay Banton war bedauerlicherweise ein sehr kranker Mensch, ein Mann, der harte Drogen konsumierte, und zwar nicht zu knapp. Er war ein Mann, der seine Sexualität extrem offen und wahllos auslebte, jemand, der auf Dauer niemals eine reine Zweierbeziehung ertragen konnte. Und darum hatte ich mich von ihm getrennt. Die Zeit mit ihm war zweifellos intensiv und sehr oft schön gewesen, aber nun war sie vorbei und ich musste mich endlich auf meine Zukunft konzentrieren.
Ja, das würde ich tun, gleich morgen würde ich damit anfangen. Aber heute Abend wollte ich mich nochmal ganz der Vergangenheit widmen, die erste große Liebe meines Lebens, von der ich so viel gelernt hatte, Revue passieren lassen. Und den großen Schmerz über den Verlust, den ich dabei empfand, den hatte ich mir redlich verdient.
Clay
Fuck! Der verdammte Geldautomat im Vorraum der Bank, die ansonsten schon geschlossen war, behauptete eiskalt, dass mein scheiß Verfügungsrahmen nicht ausreichen würde, um die benötigten hundertsechzig Euro auszuspucken! Aber ich brauchte ganz dringend genau diese Summe, damit Sergej mir die bestellte shore geben würde. Gerade hatte ich doch in dieser Telefonzelle fünf Gramm von ihm gefordert, und er hatte einem Treffen zugestimmt, also war von seiner Seite aus alles klar!
Ohne hundertsechzig Euro würde er mir überhaupt nichts geben. Und mit zu wenig Geld würde er stinksauer sein. Wahrscheinlich war er ohnehin schon stinksauer auf mich, weil ich mich in meiner drängenden Gier nicht hatte zurückhalten können, am Telefon eine genaue Menge zu erwähnen. Okay, ich hatte nichts weiter als „Fünf" gesagt, aber für die Bullen, die eventuell sein Handy abhörten, war allein diese Zahl wohl eindeutig.
Fuck! Das war Scheiße, das hätte mir nicht passieren dürfen! Und jetzt war auch noch mein Geld alle, keine Ahnung wieso. Der verfluchte Automat ließ sich nicht erweichen und spuckte nur scheiß fünfzig Euro aus, und dieser Schein war der endgültig allerletzte, den ich von ihm bekommen würde, daran ließ er keinen Zweifel. Was war nur los, wo war denn bloß mein ganzes scheiß Geld geblieben? Zornig trat ich ein paarmal gegen den verfluchten Automaten, bis mir plötzlich die Überwachungskameras im Vorraum der Bank einfielen, und ich so schnell ich konnte machte, dass ich da weg kam.
Dunkel erinnerte ich mich daran, dass ich dem Methadondoc meinen gesamten Lohn aus der Werbeagentur gegeben hatte, damit er mir dafür Methadon gab. Diese unüberlegte, voreilige Tat bereute ich nun zutiefst, denn für die 500 Euro, die Tom mir für meine Zeichnungen bezahlt hatte, hätte ich verdammt viel wunderbare shore kaufen können. Aber das war jetzt zu spät. Ich konnte das Geld wohl kaum vom Doc zurückfordern, also musste ich mich mit den Tatsachen abfinden und mich irgendwie damit arrangieren.
Aber das Gefühl, das ich hatte, als ich den MG am Friedhof parkte, ausstieg und mich auf den Weg zum üblichen Treffpunkt mit Sergej machte, war alles andere als gut. Ich war nervös und unsicher und suchte die ganze Zeit irgendeine Ausrede, irgendeine plausible Erklärung für meine mangelnden Finanzen. Shit, ich wollte unbedingt fünf Gramm haben! Alles andere hätte mich heute Abend definitiv nicht mehr zufriedengestellt! Und das Rauchen war heute auch nicht mehr genug, nein, als erstes würde ich mir einen fetten Knaller verpassen, das war der einzige Wunsch, den ich zur Zeit noch hatte.
Es ging mir nicht gut, und ich hätte die Frau in der Apotheke am liebsten kräftig ins Gesicht geschlagen, als ich ihren Blick auf mir spürte, der grundsätzlich immer dann auftauchte, wenn ich in der Apotheke eine Packung Insulinspritzen verlangte. Die PTA schaute mich entsetzt an, traurig, mega vorwurfsvoll, weil sie anscheinend genau wusste, wofür ich die verdammten Spritzen brauchte. Aus irgendeinem Grund wussten sie immer sofort, dass ich kein Diabetiker war, sondern ein verfickter Junkie, der sich die Spritze geben wollte. Das konnte man zweifellos an ihrem Blick ablesen, der jedes Mal unmittelbar auf die Bestellung folgte. Noch nie hatte mich eine PTA anders angeschaut, wann immer ich mir in einer Apotheke Insulinspritzen gekauft hatte, und dieser Blick stach mir jedes Mal direkt in die Seele. Die alarmierten Augen klagten mich böse an, machten mich minderwertig und verachtenswert kriminell. Das war schwer zu ertragen.
Aber scheiß doch was drauf, dachte ich grimmig, das Weib hatte mir auch diesmal die verdammte 10er Packung geben müssen, obwohl sich sichtbar alles in ihr heftig dagegen gesträubt hatte. Danach hatte ich mir in der Drogerie noch eine kleine Dose Ascorbinsäure gekauft, und dabei mühsam die vielen entsetzten Blicke ignoriert, die mich in der Stadt von anderen Leuten pausenlos verfolgt hatten, das nervige Getuschel, das hinter meinem Rücken einsetzte. Irgendwas an meinem Aussehen gefiel meinen Mitmenschen anscheinend nicht, aber ich wollte ganz bestimmt nicht näher darüber nachdenken.
Jedenfalls hatte ich jetzt schon mal zwei wichtige Zutaten für mein dringliches Verlangen besorgt, es ging also voran, wenn auch längst nicht so schnell, wie es mir gefallen hätte. Blöd nur, und echt alarmierend, dass ich für diese zwei Dinge meinen einzigen Fünfziger hatte anbrechen müssen, und jetzt hatte ich nicht mehr genug Geld für Sergej, und das würde er mir total übelnehmen. Ich hatte tollkühn etwas bei ihm bestellt, das ich nicht bezahlen konnte, und das ging ja mal so was von gar nicht für ihn! Ich hatte noch nicht mal mehr genug Geld für zweieinhalb Gramm, und ich wollte doch unbedingt fünf haben!
Fuck! Aber da musste ich jetzt durch. Der schneebedeckte Weg über den dunklen, menschenleeren Friedhof zur hintersten Ecke war echt mühsam und schien sich endlos hinzuziehen. Wenigstens hatte es inzwischen fast aufgehört zu schneien, aber es war immer noch entsetzlich kalt, und ich zitterte an allen Enden, sodass meine Zähne wahllos aufeinander schlugen. Mein verletztes Bein schmerzte fürchterlich, ich konnte damit kaum noch auftreten, mein Arm tat weh und bei jedem Atemzug stach mir irgendwas in die Rippen. Nein, ich war am Ende, und ich wollte diese unerträglichen Schmerzen nicht eine Sekunde länger erdulden müssen, ich wollte meinen verrückten Kopf endlich zum Schweigen bringen, definitiv!
Zu meiner Überraschung war Sergej schon da. Ich sah die Glut seiner Zigarette schon von Weitem, als ich mühsam zum Treffpunkt humpelte. Damit hatte ich nicht gerechnet, denn es passierte nur äußerst selten. Sofort wurde ich noch nervöser, was mir überhaupt nicht gefiel, und ich atmete ein paarmal tief durch. Noch immer hatte ich keine Erklärung für mein fehlendes Geld, und ich hatte total keine Ahnung, was ich jetzt tun oder ihm sagen sollte, damit er mir trotzdem die scheiß shore gab, die ich dringend haben wollte.
Aber noch bevor ich richtig bei Sergej angekommen war, hatte er mich auch schon entdeckt und kam mir mit schnellen Schritten entgegen. Wir trafen uns genau an einer der wenigen Laternen auf dem Friedhof, wo er mich im schwachen Lichtschein so erschrocken und mega entsetzt studierte, dass ich irritiert an mir herunter sah. „лайно!" entfuhr es ihm auf ukrainisch. Im nächsten Moment besann er sich und meinte: „Scheiße, Clay! Was ist passiert?!"
Diese unerwartete Begrüßung brachte mich total aus dem Konzept, denn im Moment schien mir nichts unwichtiger zu sein, als mein scheiß Aussehen. „Was meinst du?" erwiderte ich verwirrt, als er auch schon den Arm hob und nach meinem Kopf griff. In Erwartung von Schlägen duckte ich mich intuitiv unter ihm weg, sodass er seinen Arm erstaunt zurückzog. Eine Weile betrachtete er mich abschätzend, ich glotzte blöd zurück, dann hob er seinen Arm nochmal, diesmal ganz langsam. Offenbar wollte er mich gar nicht schlagen, deshalb blieb ich starr stehen, und da zupfte er irgendwelche kleinen Stöckchen und Blätter aus meinen Haaren, die er mir auf seiner flachen Hand zeigte.
„Clay, was ist dir passiert? Bist du überfallen worden?" fragte er besorgt. Sein prüfender, erschrockener Blick ging mir unglaublich auf den Sack. „Es ist nichts, Sergej... ich...", stotterte ich genervt, als er auch schon entschieden den Kopf schüttelte. „Mann, erzähl nichts! Guck dich doch an!" rief er fassungslos. „Was ist passiert? Wer hat dich zugerichtet?" wollte er neugierig wissen.
Aber ich hatte keine Lust, mit ihm darüber zu reden. Ich wollte mich noch nicht mal daran erinnern. Darum schüttelte ich ebenfalls den Kopf. „Das ist doch jetzt echt egal, Sergej! Das ist gar nichts!" betonte ich verärgert. Er stieß ein verblüfftes Lachen aus, ließ die Blätter und Stöckchen aus meinen Haaren auf den Boden rieseln und schnippte seine Kippe über den Friedhof. „Gar nichts? Das nennst du gar nichts?" zischte er fassungslos und zog an meiner zerrissenen, schmutzigen und blutigen Kleidung herum, um mir die Schäden vor Augen zu führen.
Unwillig ging ich einen Schritt zurück und entzog mich seinem Zugriff. Für so einen Scheiß hatte ich jetzt wirklich keine Zeit! „Hör mal, ich will fünf Gramm haben, aber ich habe jetzt noch nicht genug Geld dabei...", eröffnete ich ihm geradeheraus, damit die äußerst unangenehme Sache endlich mal voranging. Sofort riss er die Augen auf und durchbohrte mich aufmerksam mit seinem dunklem Blick. Ja, ja, genau das hatte ich erwartet, so etwas hörte er natürlich nicht gerne, der Arsch! Seine angebliche Sorge um mich war scheinbar augenblicklich vergessen, und das schmerzte mich irgendwo und machte mich außerdem wütend.
Aber ich zwang mich, mir nichts anmerken zu lassen. „Ich habe noch genug Geld, Sergej! Ich komme da jetzt nur nicht dran, ich kann erst morgen zum Schalter gehen, okay? Du kriegst den Rest gleich morgen, ich schwöre es dir!" redete ich panisch auf ihn ein. Mein Herz hämmerte nervös, denn ich hatte unglaubliche Angst, dass er mir das so dringend herbeigesehnte Heroin nicht geben würde. „Wie viel hast du?" wollte er lauernd wissen. Ich schloss die Augen und atmete zweimal tief durch. Bei der mickrigen Summe, die ich ihm geben konnte, würde er ausklinken, aber ich konnte es nicht ändern.
Also gab ich mir einen Ruck, öffnete ich die Augen und fixierte ihn flehentlich. „Ich habe Dreißig und ein paar Zerquetschte...", flüsterte ich fast. Seine Augen wurden prompt noch größer. Er taxierte mich, als hätte ich den Verstand verloren. „Du willst für dreißig Euro fünf Gramm von mir haben?" vergewisserte er sich total bescheuert, dabei hatte er mich genau verstanden. Ich nickte verzweifelt, er starrte mich strafend an, und dann fiel ich instinktiv vor ihm auf die Knie, weil meine Chancen denkbar schlecht standen, und ich das viel zu gut wusste.
„Bitte, Sergej, bitte mach eine Ausnahme für mich, ja? Gib mir bis morgen den Rest auf Kombi! Ja, tust du das bitte für mich? Ich schwöre dir, dass ich morgen..." Er hob beschwichtigend die Hände, deshalb brach ich mein jämmerliches Betteln ab. Sergej ging einen Schritt zurück und studierte mich verblüfft. „Bitte, nur bis morgen, okay? Gleich morgen früh kann ich zum Schalter gehen! Ich krieg nur am Automaten nichts mehr, aber am Schalter ist das überhaupt kein Problem, und ich schwöre dir..."
„Schon gut, Clay, warte mal!" unterbrach er mich ungehalten und fixierte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. Offenbar gefiel ihm nicht, was er sah, und das machte mich noch nervöser. Mein Herz hämmerte, und ich rang nach Luft. Verdammt, dachte ich, das geht nicht, das dauert alles viel zu lange, ich kann jetzt echt nicht mehr! Ich werde jeden Moment umfallen und sterben, wenn er das verfluchte Zeug nicht sofort rausrückt! Fuck!
„Warum kriegst du nichts mehr am Automaten?" erkundigte Sergej sich misstrauisch. Ich stöhnte frustriert auf. Es war entwürdigend, so vor ihm zu knien und zu ihm aufzuschauen. Außerdem kroch mir die Kälte und Nässe auf die Haut, und überhaupt fühlte ich mich mehr als absolut beschissen. Ich war mir nicht sicher, ob ich diese ätzende, ungewisse Situation noch viel länger ertragen konnte.
„Weil es ein verdammtes Sparkonto ist! Ich habe es eigens fürs Haus angelegt... oder wenn was am Auto kaputt ist. Ich.. kann darauf nicht am Automaten zugreifen, aber am Schalter...", erklärte ich ihm hastig. Erneut brachte er mich arrogant mit einer heftigen Handbewegung zum Schweigen. Sein Blick war so prüfend, vorwurfsvoll und misstrauisch, dass ich ihm am liebsten auf der Stelle die Fresse poliert hätte. Aber ich war angeschlagen und echt nicht in guter Verfassung, darum hätte ich gegen ihn sowieso keine Chance gehabt. Also ließ ich das Prügeln sein und glotzte ihn stattdessen nur flehend und unterwürfig an.
Sergej überlegte viel zu lange. „Hör zu, Clay, du darfst nicht am Telefon irgendwas bestellen, klar? Und schon gar nicht, wenn du nicht genug Geld dafür hast!" tadelte er mich, als wäre ich ein beklopptes Kleinkind, was mich rasend machte. Nur mit Mühe konnte ich eine spontane, wenig schmeichelhafte Bezeichnung für ihn zurückhalten. „Ich gebe dir für dreißig Euro. Damit kommst du bis morgen aus, und dann sehen wir weiter", bestimmte der Wichser allen Ernstes.
Entsetzt schnappte ich nach Luft und griff hilfesuchend nach seinen Beinen, lange bevor ich darüber nachdenken konnte. „Nein, das geht nicht! Ich komme damit nicht aus, Sergej! Ich schiebe einen Affen, und das bisschen für dreißig reicht auf keinen Fall bis morgen!" fuhr es panisch aus mir heraus. Vor meinen Augen fing es an zu flimmern, mein Kopf dröhnte, ich fühlte mich einer Ohnmacht nahe. „Nein, tu mir das nicht an, bitte nicht! Ich besorge das Geld morgen, du kannst dich auf mich verlassen, Sergej! Habe ich dich jemals angelogen?"
Ich klammerte mich flehend an seinen Beinen fest und fixierte von unten herauf sein Gesicht, und er schaute verblüfft zu mir runter. Auf seinem Gesicht erschien ein amüsiertes Grinsen, was mich enorm anfeuerte, sämtlichen Stolz zum Teufel zu schicken. „Bitte, Sergej! Bitte, bitte nicht!Bitte gib mir einfach die fünf Gramm, und ich bezahle sie dir gleich morgen früh, ja?" jammerte ich bettelnd, wie ein Junkie auf Affe das eben so macht. Er antwortete nicht, und ich spürte Tränen in meine Augen steigen, die ich nur halbwegs zurückhalten konnte. „Bitte, ich dreh total durch, wenn du mir nichts gibst! Es geht mir nicht gut, Sergej, ich brauche das Zeug ganz dringend, jetzt sofort!" flehte ich ihn keuchend an, während ich ihn heulend anstarrte und wie ein Geisteskranker an seinen Beinen hing.
Er war jetzt echt erstaunt von meinem Verhalten, verblüfft von meiner Hartnäckigkeit und zweifellos auch besorgt. „Mann, beruhige dich, Clay!" zischte er hilflos und schaute sich unruhig nach allen Seiten um, als würde er erwarten, dass jeden Moment die Polizei auftauchte. Zweifellos war die dramatische Szene, die ich ihm auf diesem Friedhof machte, irgendwie nicht angebracht, und wahrscheinlich war ich zu laut, aber das war mir alles total egal. Ich wollte meine fünf Gramm, und ich hätte in diesem Moment schlicht alles dafür getan, um sie zu kriegen.
„Nur bis morgen! Nur auf Kombi, ja? Bitte, Sergej! Bitte mach eine Ausnahme für mich! Wie viel habe ich schon bei dir gekauft, hm? Habe ich dich jemals enttäuscht?" redete ich automatisch weiter auf ihn ein, weil es nämlich hier tatsächlich um mein Leben ging. Der Dealer schien langsam zu begreifen, dass mir diese Sache wirklich ernst war, und dass er mich nicht mit ein paar Mikrogramm abspeisen konnte. Ich würde nicht aufgeben, und bestimmt hatte er auch keine Lust darauf, noch viel länger auf diesem scheiß Friedhof herumzustehen. Normalerweise dauerten unsere Begegnungen höchstens eine Minute, und jetzt waren wir gefühlsmäßig schon seit Ewigkeiten hier.
„Also gut, zweieinhalb. Bis morgen. Aber kein Gramm mehr!" kam er mir letztendlich merkbar ungern entgegen. Aber ich wollte das nicht hören, denn ich hatte mich nun mal an meinen fünf Gramm festgebissen. „Nein!" schrie ich verzweifelt auf, „Ich brauche die scheiß Fünf! Ich muss die unbedingt sofort haben! Ich schiebe hier einen verfluchten Affen, und du lässt mich einfach verrecken!"
Anklagend und gleichzeitig beschissen unterwürfig starrte ich zu ihm rauf, aber ich konnte ihn mittlerweile kaum noch sehen, weil meine Tränen die Sicht verschleierten. Seine kurzen Beine unter den Jeans fühlten sich ziemlich hart an, offenbar hatte er starke Muskeln. Mein Gesicht war irritierend nah an seinem Unterleib, und während ich verwirrt auf seinen Schritt schaute, kam mir der Gedanke, dass ich ihm anbieten könnte, ihm für die fünf Gramm einen zu blasen oder so. Ich hätte das auf jeden Fall sofort getan, aber irgendwie war mir klar, dass Sergej damit nicht einverstanden sein würde.
Plötzlich verlor der Ukrainer die Geduld, als hätte er meine schmutzigen Gedanken irgendwie gespürt. „Mann, jetzt hör auf, Banton! Dreh nicht durch und krieg dich wieder ein! Ich kann dir keine fünf Gramm für dreißig Euro geben!" knurrte er genervt, „Lass mich endlich los und steh auf, verdammt!" Er packte mich und schubste mich weg, schüttelte mich energisch ab, und ich fiel wehrlos in den Schnee.
Das lief alles echt nicht gut und ich war total verzweifelt. Wollte dieser scheiß Tag eigentlich nie enden? Musste immer noch mehr Mist passieren? Wie lange sollte ich das bitteschön noch aushalten?
Wütend wischte ich mir über die Augen und zwang mich, mit dem erbärmlichen Heulen aufzuhören. Wie von Sinnen kramte ich in den Taschen meiner Jacke und holte die paar Geldscheine und Münzen heraus, die ich ihm mit zitternden Fingern hinhielt. „Nur bis morgen! Bitte! Nur bis morgen früh, ich flehe dich an!" wimmerte ich hilflos.
Sergej stand plötzlich wie erstarrt dort. Er sah aus, wie vor den Kopf geschlagen und taxierte geschockt den Boden, einen Gegenstand, der mit dem Geld aus meiner Jacke gefallen war. Irritiert folgte ich seinem Blick und registrierte, dass die Packung Insulinspritzen, die ich in der Apotheke gekauft hatte, unbemerkt aus meinem Jackett gefallen war. Hastig griff ich danach und steckte den Beutel wieder ein.
„Was ist das?" fragte Sergej hörbar alarmiert, „Hast du Spritzen gekauft?" Total entgeistert musterte er mich. Ich schloss die Augen und nickte. Irgendwie drehte sich alles um mich herum, vor meinen Augen tanzten bunte Punkte, und ich hatte das Gefühl, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Die Schmerzen wurden schlimmer, der Affe wütete in meinem Hirn, und ich war mir nicht sicher, ob ich nicht gleich sterben würde. Ich lag im Schnee, und das war verflucht kalt und nass, aber ich hatte keine Kraft mehr aufzustehen, also blieb ich liegen. Meine Felle schwammen davon und ich hatte keine Idee, was ich jetzt tun sollte. Das passt ja, dachte ich matt, ich bin schon auf einem Friedhof, da können die mich ja gleich ein paar Meter tiefer befördern.
Ich öffnete die Augen und guckte ihn ratlos, resigniert an. Zu meiner grenzenlosen Überraschung kam Sergej auf mich zu, hockte sich vor mir hin und studierte mich interessiert. Sein prüfender Blick war unangenehm, deshalb wich ich ihm stöhnend aus. „Warum hast du Spritzen gekauft?" wollte er merkbar angespannt von mir wissen. „Weil ich die shore ballern will!" erwiderte ich ungeduldig, denn diese Frage war nun wirklich total überflüssig. Ich verstand nicht, warum Sergej deswegen so entsetzt zu sein schien. „Seit wann ballerst du wieder, Freund? Du hast doch Ewigkeiten nicht geballert! Du kannst nicht ballern, weil du nämlich die Einstiche auf der Bühne nicht haben darfst!" hielt der Ukrainer mir ernsthaft vor.
Seine unnötige, akzentbelastete Predigt nervte mich dermaßen, dass ich verärgert die Augenbrauen zusammenzog. Was quatschte er denn da für einen Schrott? Das ging ihn doch überhaupt nichts an! Ihm konnte ja wohl scheißegal sein, auf welchem Wege ich seine shore konsumierte!
Mir fiel keine Erwiderung ein, da redete Sergej schon weiter auf mich ein, und seine Stimme hörte sich höchst alarmiert und besorgt an. „Hör mal, Clay, was ist mit dir los? Mit dir stimmt doch was nicht! Was ist passiert? Warum hast du überhaupt einen Affen? Du hast heute Methadon gekriegt, du kannst gar keinen Affen haben!" Seine Worte ließen mich aufhorchen. „Woher weißt du das?" fuhr ich ihn ärgerlich an. Er lächelte irgendwie spöttisch. „Du bist Clay Banton, weißt du!? Du kannst in dieser Stadt so gut wie nichts unbemerkt tun. Vor allem kannst du nicht nach Ewigkeiten in der Drobs beim Junkie-Brunch auftauchen, ohne dass sich das rasend schnell herumspricht!"
Fuck! dachte ich sofort zornig, irgendwer hat schon wieder über mich gequatscht, das ist total zum Kotzen! Bestimmt hat Melanie überall herumerzählt, dass ich im Methadonprogramm bin! Hätte ich doch bloß nicht mit ihr geredet, das hat ja sowieso zu nichts geführt! Verdammtes, schwatzhaftes Weibsbild!
Mein Zorn flammte auf, und ich schnappte unwillkürlich nach Luft und warf Sergej einen vernichtenden Blick zu, den er erstaunt auffing. Direkt hob er beschwichtigend die Hände. „Ich habe sehr wohl einen Affen, Sergej! Der Doc hat mir heute morgen gerade mal 80 Miligramm gegeben! Die reichen bei Weitem nicht für so einen Tag wie heute!" erklärte ich ihm mühsam beherrscht. „Was ist heute passiert?" fragte er augenblicklich neugierig, aber ich wollte ihm nicht antworten.
Er lächelte mich so mitleidig an, dass ich ihm dafür am liebsten eine reingehauen hätte. Nur mit großer Mühe konnte ich mich zurückhalten und hustete nervös. Sergej hob den Arm. Bevor ich mich intuitiv ducken konnte, hatte er mir schon tröstend über den Kopf gestreichelt. Das verblüffte mich so, dass ich ihn nur noch verwirrt anstarren konnte. Er lachte leise, aber es hörte sich betrübt an.
„Sag es mir bitte, Clay. Was ist mit dir los? Was willst du mit Spritzen? Warum willst du unbedingt fünf Gramm haben?" Er machte eine fragende Pause, in der er mich eindringlich fixierte. Ich erwiderte seinen Blick, und mir kam die tollkühne Idee ihn anzuspringen, einfach in seinen Taschen nach der shore zu suchen, mir die scheiß shore mit Gewalt zu nehmen und dann so schnell wie möglich abzuhauen. Ziemlich ernsthaft dachte ich über diese Möglichkeit nach, denn meine Geduld näherte sich mit riesigen Schritten ihrem Ende. Eine Weile war es ganz still.
„Willst du dich umbringen?" flüsterte Sergej schließlich zögernd, fast ängstlich und merkbar erschüttert. Ich begriff nicht, warum ihn dieser Gedanke dermaßen aus der Fassung brachte, denn auch das konnte ihm doch herzlich gleichgültig sein. Aber nein, dann verliert er seinen besten Kunden, das ist der einzige Grund, warum ihm das nicht gefällt, dachte ich grimmig.
Überaus spöttisch blies ich Luft aus. „Und wenn schon!" spuckte ich ihn an, „Das interessiert dich doch einen Scheiß!" Seine Augen verengten sich. Er sah aus, als hätte ich ihn mit meinen Worten gekränkt, was ich echt nicht kapierte. Das Schweigen dauerte noch einmal viel zu lange. Ungeduldig streckte ich meine Hand nach ihm aus. „Gibst du mir jetzt die fünf Gramm, oder was?" blaffte ich genervt. Sergej schüttelte den Kopf und stand auf. „Nein, ich gebe dir gar nichts, Clay. Du bekommst von mir nicht shore, wenn du dich damit umbringen willst. Das lade ich mir nicht auf", erklärte er gefasst und ein bisschen beleidigt.
Ein schmerzhafter Stich durchzuckte mich, mein Zorn kochte automatisch auf, ich geriet in eine Panikattacke oder so was, weil ich diese Abfuhr nicht ertragen konnte. „Das lädst du dir nicht auf?" schrie ich aufgebracht, „Du bist so ein Arsch! Wir kennen uns schon ewig, und du lässt mich hier eiskalt verrecken!"
Nervös rang ich nach Luft. Ich meinem Kopf drehte sich alles und ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich jetzt machen sollte, welche Chance es noch für mich gab, mich irgendwie zu retten. Das alles fühlte sich an, wie eine weitere unakzeptable Niederlage. Ein heftiger Schüttelfrost erfasste mich, ließ mich ungesteuert erzittern, meine Zähne klapperten, und ein mächtiger Schmerz erfüllte mich, der so groß war, dass mir unwillkürlich neue Tränen in die Augen stiegen. Der kalte Schweiß brach mir aus allen Poren hervor und mein Magen krampfte sich zusammen. Ich konnte das Kotzen nicht zurückhalten. Eilig, ächzend richtete ich mich halbwegs auf, drehte mich hastig von ihm weg und kotzte Luft, Galle und Spucke in den Schnee, weil mein Magen scheinbar leer war.
Natürlich war es absolut pietätlos von mir, auf diesem Friedhof zu kotzen, aber verdammt, ich konnte nichts dagegen tun. Die Zeit stand still. Es war ansonsten ganz ruhig, während ich kotzte, würgte und zwischendurch nach Luft schnappte. Ich zwang mich, nicht allzu laut zu schluchzen, weil das so jämmerlich war, dass ich mich dafür total verachtete. Ich war zur Zeit ein so erbärmliches Wrack und mein Lieblingsdealer bekam alles genau mit, und das machte mich unglaublich klein. Ich muss hier weg, dachte ich konfus, das geht nicht, ich kann mich nicht noch länger vor ihm zum Idioten machen!
Nur widerwillig gab ich meinen Plan auf, ihm das Heroin mit Gewalt abzunehmen, denn ich spürte nur zu deutlich, dass ich dazu im Moment nicht in der Verfassung war. Außerdem wollte ich auf gar keinen Fall nochmal geschlagen werden. Ich hatte große Schwierigkeiten damit, mich auf diese äußerst unangenehme Situation zu konzentrieren.
„Okay... okay...", stöhnte ich schließlich, als das Kotzen endlich überstanden war, „...dann gib mir halt die zweieinhalb...und... ich bezahle den Rest dann morgen... ja? Okay?" Unsicher blickte ich zu ihm hin. Er stand noch immer unverändert dort, hatte mich anscheinend nicht aus den Augen gelassen. Ich konnte seinen Blick nicht deuten. Er schwankte irgendwo zwischen Entsetzen, Unverständnis, Mitleid, Amüsement und Arroganz.
Angespannt wartete ich auf seine Antwort. Er holte tief Luft und seufzte schwer. „Es geht dir tatsächlich nicht gut, was, Freund?" bemerkte er überflüssigerweise. „Mann, wovon rede ich denn die ganze Zeit!?" fauchte ich geringschätzig. Er lachte amüsiert, was mich beinahe wahnsinnig machte, weil ich ihn echt nicht amüsieren wollte. Stöhnend wandte ich mich ab und bemühte mich, auf die Beine zu kommen. Ich wollte nicht länger in diesem beschissen kalten, nassen Schnee liegen. Meine Finger waren inzwischen so umfassend durchgefroren, dass sie mir fast abfielen. Ich konnte den Schmerz kaum noch ertragen, wischte mir die scheiß Tränen weg und zwang mich, mich zusammenzureißen.
Mühsam beherrscht stand ich schließlich auf viel zu wackeligen Beinen. Ich schaute Sergej auffordernd an, hielt ihm mein Geld hin und wartete nur noch darauf, dass er mir endlich die shore gab. Aber er zögerte, überlegte sich irgendwas, und ich wäre ihm dafür am liebsten an den Hals gesprungen. Zitternd hielt ich mich zurück und fixierte ihn drängend.
Am Ende fasste er einen erstaunlichen Entschluss. „Hör mal, mein Freund, ich kann dich jetzt nicht mit der shore abhauen lassen. Du bist total schräg drauf. Es geht dir schlecht. Ich will nicht schuld sein, wenn du durchdrehst und Mist baust. Wenn du dich umbringst oder was auch immer." „Fuck, ich will mich nicht umbringen! Wie kommst du auf den Scheiß?!" schrie ich genervt los, weil ich nicht begriff, wieso er sich diesen Quatsch in den Kopf gesetzt hatte. Er hob nochmal die Hände und lächelte beruhigend. „Irgendwas stimmt nicht mit dir, Clay Banton. Dir ist Schlimmes passiert. Bevor ich das nicht einschätzen kann, werde ich dich nicht aus den Augen lassen!" beschloss Sergej total cool.
Er hätte mich genauso gut ins Gesicht schlagen können. Verdutzt glotzte ich ihn an. Ich konnte seine Worte überhaupt nicht einordnen, denn so etwas Bizarres hatte er noch niemals zu mir gesagt. „Was heißt das jetzt?" erkundigte ich mich eindeutig verwirrt und voller Angst, dass ich nach all der Mühe trotzdem nicht an seinen Stoff herankommen würde. Er lächelte breit, war tatsächlich amüsiert, was mich ganz schön ankotzte, aber ich vermochte es nicht zu ändern.
Das Warten auf seine Antwort dauerte mir zu lange. „Sergej, bitte! Wir kennen uns schon so lange, und ich kann nicht ewig...", jammerte ich los, als er mich auch schon unterbrach. „Beruhige dich, Clay! Steck dein Geld erst mal wieder ein. Wir gehen jetzt zu mir. Meine Frau ist mit Kindern bei Schwiegermutter", erzählte er mir grinsend. Seine Idee schien ihn froh zu stimmen.
Ich war inzwischen so kaputt, dass ich seine Worte kein bisschen kapierte. „Was soll ich denn bei dir?" entfuhr es mir ungeduldig. Ich war total angepisst, denn es interessierte mich einen Scheiß, wo seine Familie sich gerade aufhielt. Ich wollte mir jetzt endlich die shore einfahren, und sonst echt überhaupt nichts mehr. In meiner Vorstellung war ich schon längst zu Hause und gab mir die herrlichste gun, die ich je genossen hatte. Obwohl mich der Gedanke an meine Wohnung auch ganz schön nervös machte, weil da irgendwas lauerte, was ich eventuell nicht würde ertragen können. Jedoch war meine Gier nach der Droge weitaus größer, als meine Furcht vor leeren Zimmern voller Gespenster.
Sergej lachte laut, und diesmal hätte ich ihm dafür wirklich fast eine gescheuert. Angespannt ballte ich meine kalten Hände zu Fäusten und atmete tief durch. Er strich mir tröstend über den Kopf, verwuschelte mein Haar, bevor ich ihm ausweichen konnte. „Du bist unbezahlbar, Clay!" kicherte er kopfschüttelnd, „Bei mir können wir was gegen deinen Affen tun. Was denn sonst?!"
Spöttisch taxierte er mich, aber ich brauchte noch etliche Sekunden, um sein Angebot richtig in meinem verwirrten Kopf einzuordnen. „Bei dir?" entfuhr es mir fassungslos, als die Ungeheuerlichkeit seines Vorschlages abrupt bei mir einschlug. Er lachte schon wieder, und ich wollte ihn dafür wahrhaftig töten. Gutmütig schlug er mir seinen Arm um die Schultern. „Komm schon, Freund. Du sollst nicht länger leiden, was?!" meinte er erstaunlich zutraulich.
Ich war sprachlos. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Bisher war es nämlich schlicht ausgeschlossen gewesen, dass Sergej jemanden mit in seine heilige Wohnung nahm. Man durfte ja noch nicht einmal wissen, wo genau er eigentlich wohnte. Nicht umsonst war unser Treffpunkt seit jeher dieser verdammte Friedhof gewesen. Und jetzt konnte ich mein total unerwartetes Glück kaum fassen. Bestimmt wohnte Sergej ganz hier in der Nähe, und das bedeutete, dass ich nicht mal mehr den weiten Weg bis nach Hause fahren musste, um mich umfassend zu heilen. Ich konnte dieser Quälerei jetzt gleich ein Ende setzen und würde dabei sogar nicht allein sein. Meine ersehnte Erlösung war in überraschend greifbare Nähe gerückt. Diese unverhoffte Wendung meiner schlimmen Situation passte nicht in meinen irren Schädel rein. Ich war so dermaßen verwirrt und verblüfft, dass ich prompt nochmal kotzen musste. Aber diesmal kam wirklich nichts mehr raus, nur noch heiße Luft.
Sean
Ein plötzlicher, unangenehmer Lärm erschreckte mich. Ich zuckte zusammen, riss die Augen auf, sah gar nichts und dachte im ersten Moment, ich wäre blind. Mein Herz hämmerte unverändert schmerzhaft, und ich konnte nicht begreifen, dass es das immer noch tat, warum es nicht längst explodiert oder einfach stehengeblieben war. Schon seit gefühlten Ewigkeiten saß ich hier in meinem scheiß Auto und wartete mehr als sehnsüchtig auf den erlösenden Tod. Mir war schwindelig und ich hatte wahnsinnigen Durst.
Der Lärm wollte nicht aufhören, sodass ich mir stöhnend die Ohren zuhielt. Nur zögernd drang in mein konfuses Bewusstsein, dass es die Melodie vom Ritt der Walküren war, der mir einen Anruf auf dem Handy signalisierte. Diese Musik war wie ein ferner Weckruf aus einer ganz anderen Welt, wie eine Erinnerung an etwas, an das ich auf keinen Fall denken wollte.
Ich wollte auch nicht in dieses andere Leben zurück, denn ich fühlte mich sicher dort, wo ich war. Ich war von sämtlicher Entscheidungslast oder Verantwortung befreit. Es konnte ja jetzt höchstens noch ein paar Minuten dauern, bis mein überfordertes Herz endlich seinen Dienst versagen und mir die so dringend ersehnte Ruhe schenken würde. Ja, ich brauchte Ruhe, Stille und Frieden und das Ende des unerträglichen Schmerzes in mir!
Endlich brach der Lärm ab, und ich atmete erleichtert auf. Mist, ich musste dringend pinkeln, aber ich wollte mich nicht vom Fleck bewegen. Ich wollte gar nichts mehr tun, nur noch sterben, verdammt, das war doch wirklich nicht zu viel verlangt!
Aber mein verfluchtes Herz kämpfte unermüdlich weiter, hart, schnell und schmerzend, mit ungeheurem Druck, als wollte es nie wieder damit aufhören. Das Atmen wurde dadurch zur Qual, und ich rang unvermindert krampfhaft nach Sauerstoff und fragte mich, wann dieses lebensnotwendige Zeug wohl im Innern des Wagens verbraucht sein würde. Ich hatte doch extra sämtliche Lüftungsklappen des Jeeps fest geschlossen. Eigentlich sollte hier drin langsam nur noch Kohlenmonoxid sein, dachte ich genervt. Normalerweise sollte ich schon lange tot sein.
Aber scheinbar wurde mir noch nicht mal mehr dieser letzte Wunsch gewährt, denn ich atmete noch immer, saß immer noch wie angewurzelt auf diesem Fahrersitz in meinem eingeschneiten Automobil. Vielleicht muss ich nachhelfen, grübelte ich verärgert, ungeduldig und wirr, vielleicht funktioniert das nicht so leicht, obwohl es sich wirklich schon seit gefühlten Stunden so anfühlt, als wäre es jeden Moment vorbei mit mir.
Ich war total frustriert, als der unerwünschte Lärm in meiner Jacke erneut losbrach. Zornig riss ich meine Lederjacke auf, holte das scheiß Handy raus und drückte den Anruf weg, ohne aufs Display zu gucken.
Die einsetzende Stille tat gut. Ich wollte jetzt verdammt nochmal nichts hören. Ich wollte nicht gestört werden. Dies hier war enorm wichtig, es war mein Abschied von dieser Welt, meine endgültige Flucht vor jedem unerträglichen Schmerz in mir. Und niemand hätte mich davon abhalten können, das Ende herbeizusehnen und alles dafür zu tun, damit ich mein Ziel auch erreichte. Es gab jetzt nichts anderes mehr.
Es sollte nichts anderes mehr geben, aber kaum hatte ich das Handy wieder in der Innentasche der Jacke verstaut, begann der Ritt der Walküren von vorn. "Fuck! " schrie ich maßlos erbost, fischte das verfluchte Handy hervor und drückte den Störenfried nochmal weg. Hektisch wollte ich das verdammte Gerät ausschalten, damit es mich nicht länger quälen und irritieren konnte, als es auch schon abermals klingelte.
Das Display war hell erleuchtet, und mein Blick fiel automatisch auf den Namen, der dort auftauchte: Louis Frédéric. Irgendwas stach mir in die Eingeweide, irgendeine Erinnerung, die vage Hoffnung auf irgendwas. Keine Ahnung warum, aber ich nahm das Gespräch spontan an, ohne darüber nachzudenken.
Ich hob mein Handy überstürzt an mein Ohr und krächzte fragend hinein: „Ja?" Erst jetzt merkte ich, dass mein Hals total ausgedörrt war. Ich räusperte mich unbehaglich und verspürte wieder einen unglaublichen Durst. „Sean?" fragte Louis am anderen Ende der Leitung. „Ja", ächzte ich heiser. Es wunderte mich, dass überhaupt noch ein Ton aus meinem Mund kam, hatte ich ihn doch schon vor gefühlten Ewigkeiten für immer verschlossen.
„Was ist los, Sean, hast du mich da eben zweimal weggedrückt?" wollte Louis irritiert von mir wissen. Seine vertraute Stimme schwankte zwischen Verärgerung, Kränkung und Besorgnis. Es nervte mich enorm, dass er instinktiv ahnte, dass etwas nicht in Ordnung war. Schon bereute ich es zutiefst, mich auf ihn eingelassen zu haben. „Nein", behauptete ich verärgert. Louis seufzte und holte hörbar Luft. „Ich wollte dir nur sagen, dass ich dein Herzblatt nicht erreichen kann. Der Knallkopf geht nicht an sein Handy, und zu Hause ist er scheinbar auch nie", erzählte er mir hörbar frustriert und bedauernd.
Ich hatte keine Ahnung, wovon Louis Frédéric sprach, was er mit diesen Worten meinte oder wen er zu erreichen versuchte oder warum. „Okay", sagte ich völlig ratlos.
Daraufhin war es eine Weile still in der Leitung, währenddessen ich unverändert nach Luft rang. Meine Finger zitterten so stark, dass ich das Handy kaum festhalten konnte. Krampfhaft presste ich das Gerät an mein Ohr, sodass meine Gelenke und mein Ohr schmerzten. Es war stockdunkel um mich, nur das Display des Handys erleuchtete den Innenraum meines Jeeps ein wenig. Ich registrierte, dass mein Atem weißer Qualm war, der sich auf den Innenseiten der Scheiben als Wasserdampf festsetzte. Fasziniert beobachtete ich, wie mein Atem in Stößen in der eiskalten Luft verdampfte. Ich war schon lange erstarrt und mittlerweile nicht mehr dazu fähig, mich auch nur irgendwie zu bewegen. Mein Kopf war komplett leergefegt.
„Sean? Ist alles in Ordnung mit dir?" hörte ich nach etlichen Minuten Louis' besorgte Stimme. „Ja", sagte ich leise. „Hast du mich verstanden? Ich wollte Clay seine neue Ausstellung ans Herz legen, wie wir es besprochen haben. Aber ich konnte ihn heute den ganzen Tag lang nicht erreichen", wiederholte Louis arglos und fragte: „Weißt du, wo Clay ist?"
Er riss mir fast das Herz raus, als er den Namen aussprach, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als wenn das tatsächlich funktioniert hätte. Verdammt nochmal, ich wollte doch endlich erlöst werden, ich wollte doch endlich nichts mehr fühlen müssen! Aber da war er schon wieder, dieser heftige Schmerz in meiner Seele, als hätte Louis das Feuer mit seinen Worten neu angefacht.
„Nein", krächzte ich mühsam und spürte Tränen in meine Augen steigen, die ich da absolut nicht haben wollte. Verärgert wischte ich mir über das Gesicht, und jede Bewegung war eine Qual, als wäre ich komplett eingerostet. Frustriert stöhnte ich auf, bevor ich mich bremsen konnte, was ein grober Fehler war. „Was ist los, Sean? Was ist passiert?" fragte Louis sofort, mega alarmiert von dem Geräusch, das ich ungewollt von mir gegeben hatte.
Es ärgerte mich enorm, dass es mir nicht gelang, ihm etwas vorzumachen. Zornig schluckte ich meine Tränen herunter, weil ich befürchtete, dass er meine Depressionen irgendwie durch das Telefon spüren konnte. „Nichts. Alles okay", versuchte ich ihn mühsam zu beruhigen. Ich wollte nicht länger mit ihm reden. Ich wollte sterben. Punkt. Und doch war da irgendwas, was mich in dieser Leitung festhielt.
Herr von Ravenhorst kannte mich zu gut und wusste meine derzeitige Stimmung direkt richtig zu erfassen, sogar allein durch das gottverdammte Telefon, was ich wirklich nicht begreifen konnte.
„Wo bist du? Was machst du? Bist du allein?" forschte er hörbar beunruhigt nach. Ich schloss die Augen und wünschte mir, ich hätte das verfluchte Handy geradewegs aus dem Fenster geworfen, anstatt dranzugehen. Ich wünschte mir sehnlichst, dieser aufdringliche, viel zu neugierige Mensch im Lautsprecher würde mich einfach in Ruhe sterben lassen. Und doch konnte ich ihn nicht wegdrücken, denn er fühlte sich aus irgendeinem Grund an, wie meine allerletzte Chance. Auch wenn mir das alles zu hoch war und ich eigentlich nichts mehr kapierte.
Nochmal stöhnte ich frustriert auf, ohne es verhindern zu können. „Sean Valmont! Rede mit mir! Wo bist du? Was ist los mit dir?!" Seine Stimme hörte sich plötzlich schrill an, fast schon panisch. Etwas alarmierte ihn immens, auch wenn mir nicht einleuchtete, was zur Hölle das sein konnte. „Es ist schon gut", krächzte ich ziemlich blöd, weil ich keinen Schimmer davon hatte, was er hören wollte. „Was ist passiert? Sag's mir, Sean! Sprich mit mir! Wo bist du? Wo ist Clay?" quatschte Louis mir ins Ohr, aber ich wollte das alles gar nicht hören, schon gar nicht diesen Namen.
Langsam ließ ich meinen Arm mit dem Handy sinken und atmete ganz tief ein. Die Augen noch immer geschlossen saß ich zitternd dort und spürte nur noch mein Herz hart und schnell hämmern, mein heißes Blut, was zu druckvoll durch meine Adern gepumpt wurde, sodass es in meinen Ohren rauschte. Die Hand mit dem Handy lag bewegungslos auf meinem Oberschenkel, und Louis Frédéric rief unermüdlich irgendwas, redete aus weiter Ferne mit mir, aber ich verstand ihn nicht. Schließlich war ich doch längst in einer ganz anderen Welt, auf dem direkten Weg in ein besseres Leben. Ich konzentrierte mich abermals ausschließlich auf meinen Herzschlag, in unverändert drängender Hoffnung, dass der nächste Schlag endlich der allerletzte sein würde.
Clay
Er hatte mich wahrhaftig zu sich nach Hause eingeladen. Und obwohl das eine Premiere war, die ich nicht kapierte, folgte ich ihm aufgeregt, erfreut und extrem schussgeil. Die Idee mit der gun war mir ganz plötzlich gekommen, an irgendeinem dunklen Punkt in der Vergangenheit. Ich hatte mich an überwältigende Kicks erinnert, die ich schon seit Ewigkeiten vermisste, und jetzt ließ die Vorstellung mich nicht mehr los. Das Chinesenrauchen war klasse und normalerweise genügte es mir voll und ganz. Aber die Wirkung trat nun mal langsam ein, zwar unmittelbar, aber sanft und vorsichtig. Meine derzeitige Stimmung verlangte aber dringend nach etwas anderem, Härterem, Intensiverem. Ich war davon überzeugt, dass diese Belohnung, die lang ersehnte Wohltat mir zustand, und nichts hätte mich davon abgehalten.
Wir verließen den Friedhof über einen gut versteckten Hinterausgang, den ich noch nie bemerkt hatte, und liefen dann ein kurzes Stück die Straße entlang. Sein Arm lag noch immer locker auf meinen Schultern, und obwohl ich ihn gerne abgeschüttelt hätte, ließ ich ihn gewähren, weil ich ihn nicht verärgern wollte. Auf keinen Fall wollte ich einen dummen Fehler machen, der womöglich seine Meinung geändert hätte.
Das Laufen fiel mir enorm schwer. Ich konnte nur noch humpeln, weil der Schmerz und der Affe zu groß waren, und ich konnte es nicht erwarten, endlich das Heroin zu konsumieren und damit beides schlagartig loszuwerden. Da war kein anderer Gedanke mehr in meinem Kopf, nur noch drängendes Verlangen nach dem Gift.
Sergej wohnte tatsächlich direkt neben dem Friedhof in einem Mehrfamilienhaus, vermutlich zur Miete, und zwar in der zweiten Etage. Endlich ließ er meine Schultern los, um die Haustür aufzuschließen. Ich folgte ihm in das elegante Haus, schleppte mich leise stöhnend die Treppen hinauf und dann in die Wohnung rein, die nicht besonders groß zu sein schien. Das überraschte mich, weil er mindestens drei kleine Kinder hatte und seine Frau scheinbar jedes Jahr ein neues warf.
Aber mein Erstaunen über sein beengtes Zuhause legte sich, als mir klar wurde, dass Sergej zwar ein ziemlich erfolgreicher, mittelgroßer Dealer war, aber von dem teuren Zeug eindeutig zu große Mengen selbst verbrauchte, als hätte er damit Reichtümer anhäufen können.
Nun schloss er zweimal die Tür hinter uns ab, schaltete das Licht an und musterte mich prüfend von oben bis unten. „Zieh bitte Schuhe aus. Lass dich ansehen. Bist du schmutzig?" sagte er so fokussiert, dass mir sofort klar war, wie ernst er es meinte. Der Familienvater begutachtete penibel meine ramponierte Kleidung, klopfte meinen Rücken und den Hintern ab, wobei ich mir total lächerlich vorkam, als wäre ich eins seiner Kleinkinder. Dennoch hielt ich still, als er mich gewissenhaft abcheckte.
Danach wartete er, bis ich mühsam meine Schuhe ausgezogen hatte, die er neben seine eigenen in eine Ecke des winzigen Flurs auf einen dort für diesen Zweck bereitliegenden Aufnehmer stellte.
Endlich schob er mich geradewegs in sein geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer und schaltete auch hier das Licht an. Dort drückte er mich auf eine weiße Ledercouch. „Setz dich und beruhige dich, Freund. Ich bin sofort zurück", sprach er geschäftig zu mir und verschwand irgendwo in der Wohnung.
Ich saß auf dem ungewohnten Sofa, in diesem fremden Zimmer und schaute mich zwangsläufig um, obwohl ich echt auf heißen Kohlen saß. Es war mir im Moment total schnurz, wie Sergejs Wohnung aussah oder wie viel Geld er mit dem Dealen verdiente. Ich hatte schon viel zu lange ein wichtigeres Problem, denn der Affe wütete in mir, fachte meinen Zorn an, und ich konnte das nicht eine Sekunde länger aushalten.
„Bring einen Löffel und Wasser mit!" rief ich in die Richtung, in der Sergej verschwunden war, aber er antwortete nicht. Hektisch knöpfte ich mein Jackett auf und holte mit bebenden Fingern den Beutel Insulinspritzen und die Dose Ascorbinsäure heraus. Beides stellte ich auf dem flachen Wohnzimmertisch ab, der aus Glas war, mit kunstvoll verschlungenen Metallbeinen. Gegenüber der Couch nahm ein großer Schrank die ganze Wand ein. Darin stand ein Flachbildfernseher, der viel kleiner als mein eigener war, aber nicht winzig. Die Wände waren alle weiß angestrichen, und es hingen viele vergrößerte und gerahmte Fotos dort, auf denen anscheinend Sergej und seine Familie abgebildet waren. Auf dem Fußboden lagen einige bunte Spielsachen herum, die einzige Unordentlichkeit, die ich entdecken konnte.
Ungeduldig schaute ich in Richtung Flur. Wo blieb der Kerl nur so lange? Dass er mich mit hierher in sein heiliges Zuhause genommen hatte, kam mir immer noch höchst suspekt vor. So etwas hätte ich niemals erwartet, und ich verstand es auch nicht. Bisher hatten Sergej und ich ausschließlich eine rein geschäftliche Beziehung geführt. Unsere zahlreichen Begegnungen dauerten bislang höchstens eine Minute, einzig zum shore-Geld-Austausch, und gänzlich ohne irgendwelche Vertraulichkeiten. Ich wusste so gut wie nichts über ihn, und es hatte mich auch nie interessiert. Er verkaufte guten Stoff, war immer korrekt, das war alles.
Der Mann mit dem deutlich ukrainischen Akzent, der nicht viel älter als ich sein konnte, hatte meines Wissens noch niemals irgendjemanden mit in seine Wohnung genommen, und ich konnte mir nicht erklären, warum er diesbezüglich für mich seinen Standpunkt geändert hatte. Aber es kam meinem Vorhaben entgegen, war bequem für mich, darum nahm ich es gerne als gegeben hin.
Jedenfalls war ich heilfroh, dass seine Frau und die Kinder nicht da waren, denn ich wollte mir jetzt in Ruhe einen Knaller machen, und dabei bestimmt keine unbeteiligten Zuschauer haben. Die Abwesenheit seiner Familie war wohl der Auslöser, warum Sergej mich überhaupt mit hierher genommen hatte, vermutete ich. Vielleicht wollte er, genau wie ich, einfach nicht gerne allein sein. Dieser Gedanke gefiel mir irgendwie. Seine Frau hatte angeblich mit Drogen nichts zu tun, sie wollte bestimmt nicht irgendwelche Junkies in ihrer Wohnung sitzen haben.
Ich hatte Sergej mit seiner Familie nur ein paarmal zufällig in der Stadt getroffen. Aber wir hatten dann jedes Mal einvernehmlich so getan, als würden wir uns nicht kennen.
Mann, je länger ich hier untätig auf dieser Couch sitzen musste, umso nervöser wurde ich. Meine brennende Ungeduld wuchs sekündlich. Ich war so geil auf einen Schuss, wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Klar war das Rauchen okay, und klar würde es mir helfen, aber das Spritzen spielte eben trotzdem nochmal in einer anderen Liga. Stur verdrängte ich alle warnenden Stimmen in meinem wirren Gehirn, die mich von diesem gefährlich unkontrollierbaren Schritt abhalten wollten, die mir böse vorwarfen, ein echter Schwachkopf zu sein. Ja, ich wollte eigentlich nie wieder ballern, aber verdammt, ich konnte doch wohl ein Mal eine Ausnahme machen! Das hatte ich mir nach all dieser entwürdigenden Scheiße, an die ich nicht denken wollte, mehr als verdient!
Allerdings war ich mittlerweile so dermaßen durchgefroren, dass ich völlig zu recht daran zweifelte, in absehbarer Zeit mit der winzigen gun überhaupt umgehen zu können, geschweige denn eine passende Vene zu treffen. Bei Kälte zogen sich nämlich alle Adern im Körper zusammen und waren dann mega schwer zu finden. Meine eiskalten Finger zitterten wie bekloppt. Meine Hände waren knallrot und schmerzten enorm, weil sie langsam auftauten. In Sergejs Wohnung war es zwar angenehm warm, aber es würde bestimmt noch ewig dauern, bis ich meine Motorik wieder vollständig im Griff hatte.
Der verfluchte Affe erleichterte die Sache auch nicht gerade, schubste mich von einem Schüttelfrost in den nächsten, steckte kochendes Blei in meine Knochen, ließ kalten Schweiß aus meinen Achseln laufen und krampfte meine Muskeln unablässig zusammen.
Fuck, jetzt konnte ich es aber echt nicht länger ertragen, hier untätig herumzusitzen! Wo blieb der Arsch denn nur, was machte er so lange, warum ließ er mich warten?! Zunehmend nervös sprang ich auf und lief unruhig in diesem Zimmer herum. Im Grunde uninteressiert schaute ich mir die vielen Familienfotos an und stellte neidlos fest, dass Sergejs ukrainische Frau eine totale Schönheit war. Auch seine Kleinkinder sahen auf den Fotografien schlicht herzallerliebst aus, aber sie waren mit Sicherheit ganz schön anstrengend. Sergej wirkte auf allen Bildern glücklich und zufrieden. Trotzdem wollte ich mit dem mehrfachen Familienvater auf keinen Fall tauschen, nicht um alles in der Welt. Ich konnte mir nicht vorstellen, meine persönliche Freiheit für eine eigene Großfamilie zu opfern.
Genervt, weil Sergej mich so lange warten ließ, drehte ich mich zur Tür und überlegte ernsthaft, ihn suchen zu gehen. So groß war diese Wohnung nicht, ich würde ihn bestimmt schnell finden. Aber vielleicht würde er wütend werden, wenn ich das Wohnzimmer verließ, wo er mich ja schließlich platziert hatte.
Gerade beschloss ich, dass mir das egal war, als Sergej plötzlich in der Tür auftauchte. Missbilligend bemerkte er, dass ich an der Schrankwand stand. Mit einer ruppigen Handbewegung schickte er mich zurück auf das Sofa. Ich gehorchte gerne, hatte der Dealer doch tatsächlich einen Löffel und Wasser mitgebracht, wie ich mit freudig klopfendem Herzen registrierte. Außerdem hatte er noch zwei Gläser und eine Flasche Wodka dabei. „Setz dich, Clay!" befahl er mir ungehalten, „Beruhige dich!"
Dauernd wiederholte der Wichser, dass ich mich beruhigen sollte, das nervte total. Beruhigen ist definitiv nicht drin, solange der tanzende Affe in mir wütet, du Arsch, und das sollte dir eigentlich auch sonnenklar sein, dachte ich zornig, hielt mich jedoch zurück und setzte mich folgsam zurück auf die weiße Ledercouch.
Sergej kam neben mich, legte alles auf dem Tisch ab und goss jedem von uns ein Glas Wodka ein. Obwohl ich nicht übermäßig auf dieses geschmacklose Zeug stand, stürzte ich mich gierig auf das Glas und nahm ein paar große Schlucke. Die 40 % Alkohol brannten sich in meinen Magen, und ich musste mich anstrengen, um sie nicht sofort wieder auszuspucken. Sergej beobachtete mich aufmerksam. „Wenn du kotzen musst, dann geh ins Bad! Hier raus und zweite Tür links!" legte er mir streng nahe, aber ich hatte mich schon wieder im Griff.
Zitternd legte ich meine Schachtel Marlboro und das Zippo auf den Tisch. Jetzt fehlte nur noch die shore, deshalb schaute ich Sergej auffordernd an. Er lächelte ganz merkwürdig liebevoll, als ob meine Anwesenheit ihn richtig erfreuen würde, was ich echt nicht einordnen konnte.
„Gib mir die Zweieinhalb!" forderte ich ihn ungeduldig auf. Mühsam unterdrückte ich einen Frustschrei, als er den Kopf schüttelte. „Immer langsam, Freund. Zuerst erzählst du mal, was du heute schon alles eingeworfen hast!" bestimmte er arrogant, als hätte er irgendwelche Macht über mich. Shit, die hat er tatsächlich, merkte ich nach ein paar verblüfften Sekunden total angepisst, er hat nun mal die scheiß shore!
„Was meinst du denn damit?" hakte ich gereizt nach und fand sein selbstbewusstes Grinsen zum Reinschlagen. Sergej betrachtete mich gutmütig. „Clay, du willst dir Knaller machen. Das ist lebensgefährlich, wenn du schon viel anderes Zeug intus hast. An Mischungen aus Alkohol, Tabletten und Heroin sterben die allermeisten Junkies, weißt du das nicht? Außerdem kennst du deine Dosierung gar nicht mehr, so lange, wie du nicht geballert hast. Ich will sicher gehen, dass dir nichts passiert. Darum habe ich dich mit hierher genommen und passe auf dich auf."
Verwirrt studierte ich ihn, denn so viel auf einmal hatte er noch nie zu mir gesagt. Seine Worte ergaben für mich jedoch überhaupt keinen Sinn, auch wenn sie mich merkwürdig rührten und er wohl irgendwie recht hatte. Ich war aber extrem affig und ungeduldig, und darum wollte ich jetzt bestimmt nicht mit ihm diskutieren.
„Du selbst hast mir doch gerade Alkohol gegeben!" warf ich ihm spöttisch vor. Er nickte und nippte an seinem Glas. „Ja, aber nur wenig. Hast du heute was geschluckt oder gesoffen, Clay?" forschte er unbeirrt nach, was mich total verrückt machte, weil ich es eilig hatte. Unruhig zappelte ich auf dem Sofa herum, zog die Augenbrauen zusammen und taxierte ihn irritiert. Was sollte dieser Mist bedeuten? Warum gab er mir nicht einfach die scheiß shore, verdammt nochmal!? Jede weitere Minute bedeutete nur eine verlängerte Qual für mich, warum kapierte Sergej das nicht?! Schließlich nahm er doch selbst andauernd Heroin, musste sich also mit diesem Problem auskennen, oder?!
„Nein, Sergej, ich bin so nüchtern wie seit ewigen Zeiten nicht mehr, ich schwöre!" versicherte ich ihm eindringlich. Das war nicht mal gelogen, denn diese ätzende, ungewohnte Nüchternheit spürte ich ja schon den ganzen Tag lang. Inständig hoffte ich, dass der misstrauische Mann mir glauben würde.
Er schaute mich prüfend an, und ich bemühte mich, seinen forschenden Blick so freundlich und ruhig wie möglich zu erwidern. Aber in Wahrheit war ich nicht im geringsten ruhig, alles in mir schrie nach Erleichterung, nach dem Gift in seinen Taschen. Mein unbändiger Zorn kochte in mir, und ich hatte zunehmend Mühe damit, ihn halbwegs unter Verschluss zu halten. Sergej sollte auf keinen Fall merken, wie wütend ich wirklich war, wie verletzt und gierig, denn das hätte seine Macht über mich nur noch vergrößert.
Immer noch musterte er mich neugierig, als wäre ich ein interessantes Studienobjekt. Inzwischen war mir sehr danach, seine ganze schöne Wohnung zu zerlegen, einfach alles hier kaputtzuschlagen und ihn gleich mit. Tief atmete ich durch und schloss die Augen, um mich besser kontrollieren zu können.
„Hast du irgendwelche Pillen genommen?" wollte er nochmal wissen. „Nein! Gar nichts!" knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen, und auch das war leider die Wahrheit. Ich hatte ja heute Morgen sogar vergessen, die scheiß Schmerztabletten und die Antibiotika einzunehmen. Und jetzt sehnte ich mich so stark nach wenigstens einer Schmerztablette, denn die Schmerzen überall waren so heftig, dass ich es kaum noch aushielt. Imaginär trat ich mir selbst in den Arsch für meine dumme Vergesslichkeit.
Ich schlug die Augen auf und fokussierte mich auf Sergejs Gesicht. „Hör mal, Sergej, ich bin ehrlich total nüchtern. Deshalb geht es mir doch so beschissen, weil ich heute noch rein gar nichts genommen habe! Das kannst du mir echt glauben! Bitte gib mir jetzt die shore! Bitte! Ich kann jetzt ehrlich nicht länger warten, okay?!" versuchte ich ihm begreiflich zu machen. Sein prüfender Blick veränderte sich nicht, aber seine Augen funkelten amüsiert, was mich fast durchdrehen ließ. Der Schweiß brach mir aus, und ich wischte mir nervös über die Stirn. Eine Weile war es ganz still, während wir uns gegenseitig belauerten. Mein Herz hämmerte in meinen Ohren.
„Warum hast du den Doktor nicht einfach um mehr Methadon gebeten? Ich verstehe dich nicht, Clay! Kein Mensch hat noch einen Affen, seit es Methadon gibt!" bemerkte Sergej spöttisch. Es kostete mich eine gewaltige Kraftanstrengung, ihm nicht augenblicklich zornig an die Kehle zu springen. „Ich habe ihn um mehr gebeten! Aber er wollte mir nicht mehr geben!" erklärte ich mit letzter Kraft.
Im nächsten Moment krampften sich meine Eingeweide plötzlich dermaßen schmerzhaft zusammen, dass ich mich instinktiv vorbeugte und meine Arme über dem Bauch verschränkte, um ihn festzuhalten, damit er nicht entzweiriss. Gekrümmt stöhnte ich gequält auf. Ein Schüttelfrost erschütterte meinen gesamten Leib und ich rang nach Luft. Du bist so blöd, schrie eine Stimme in meinem wirren Kopf, er will dir gar nichts geben, jetzt, wo er weiß, dass du kaum Geld hast. Der coole Mann verarscht dich hier doch nur!
Zutiefst bereute ich es, überhaupt mit ihm hierher in seine Wohnung gekommen zu sein. Du könntest jetzt schon längst bei Travis sein, dachte ich konfus, der würde dich bestimmt nicht unnötig warten lassen! Irgendwelche enorm bösen Erinnerungen drängten sich hartnäckig, hinterhältig in mein Gehirn, und ich war nahe daran, komplett die Nerven zu verlieren.
Auf einmal spürte ich Sergejs Hand auf meinem Kopf, er streichelte durch mein Haar, und ich fuhr panisch zu ihm herum. „Hey, Freund! Beruhige dich!" lächelte er tröstend. „Was soll der Scheiß?" schrie ich ihn spontan an, „Amüsierst du dich gut? Ist das hier ein Spiel für dich?"
Mit meiner ganzen Existenz wollte ich den Mann für seine grinsende Überlegenheit zusammenschlagen. Aber ich hatte genug von Gewalttätigkeiten jeder Art. Also stand ich mühsam auf, um diese verdammte Wohnung schnellstmöglich zu verlassen und mir was Neues auszudenken. Allerdings zweifelte ich stark daran, noch sehr viel länger durchhalten zu können.
Noch bevor ich richtig auf den Beinen war, griff Sergej meinen Arm und zog mich ruppig zurück,ohne dass ich ihn abwehren konnte. Ich fiel gegen ihn auf die Couch, und er packte überraschend stark mein Genick. „Du willst spielen?" fragte er mich streng, wobei in seiner Stimme ein höchst aggressiver Unterton mitschwang. Er taxierte mich lauernd. Verärgert spürte ich meine Angst vor ihm. Ich hatte total Schiss vor seinen möglichen Schlägen. Ich war genug verprügelt worden. Sean hatte mich verprügelt. Dieser Gedanke schnitt sich abrupt messerscharf in meine Seele und ich konnte nur noch abwehrend die Augen schließen. Nein, keine Gedanken mehr! dachte ich verwirrt. Kein einziger verfluchter Gedanke mehr! Bitte nicht!
Unwillkürlich brach ich zusammen und schüttelte hilflos den Kopf. „Nein, Sergej, es tut mir leid. Ich möchte mir doch nur einen Knaller machen", seufzte ich, riss die Augen auf und griff gierig nach dem Löffel und dem Wasser auf dem Tisch, wobei ich mich Sergejs starkem Griff entwand. Glücklicherweise ließ er mich los, machte aber immer noch keine Anstalten, die shore herauszurücken.
Ich musste einfach irgendwas tun, mich dringend ablenken, sonst wäre ich komplett durchgedreht. „Ich habe dir geschworen, dass ich nüchtern bin. Was also ist dein verficktes Problem?!" zischte ich stinksauer, ohne ihn anzusehen, während ich mir den Stil des Löffels so zurecht bog, dass er gerade auf dem Tisch lag und nicht umkippte. Dann nahm ich die Wasserflasche, denn ich wollte ein bisschen Wasser auf den Löffel gießen. Aber meine verdammten Finger zitterten so stark, dass ich die verfluchte Flasche nicht mal aufbekam. Frustriert ließ ich es sein und nahm stattdessen noch einen Schluck Wodka.
Sergej ließ mich die ganze Zeit nicht aus den Augen, bewegte ich auch nicht, und ich bemühte mich, ihn weitestgehend zu ignorieren. Das war ein Fehler, dachte ich nervös, es gefällt ihm nicht, wie ich ihn angezischt habe. Ich muss besser aufpassen, damit ich ihn nicht noch mehr verärgere. Wenn er wütend wird, dann gibt er mir womöglich wirklich nichts. Ich hatte keinen Plan, was ich jetzt tun sollte. Es ging mir miserabel und ich war nicht sicher, ob ich die Kraft aufbringen konnte, um diese Wohnung jemals wieder zu verlassen. Eine Weile war es still.
Plötzlich strich Sergej mir nochmal durchs Haar, was wohl langsam zur Gewohnheit wurde, und was mich total nervte. „Ich habe kein Problem, Clay, aber du hast viele", stellte er betrübt fest. Darauf wusste ich nichts zu erwidern, also herrschte einen Moment Schweigen. Sergej seufzte. „Du hast recht, Freund. Tut mir leid", gab er zu meiner Überraschung leise zu. Perplex starrte ich ihn an, aber auch misstrauisch, ob er mich nur weiterhin verarschen wollte. Mein Lieblingsdealer lächelte entschuldigend und schob seine Finger in seine Hosentasche. „Du musst verstehen, Clay, ich mache Sorgen um dir. Du bist kaputt. Du hast Schlimmes erlebt. Ich will nicht, dass du darum eine Überdosis nimmst", erklärte er mir behutsam in fehlerhaftem deutsch, was mich irgendwo tief berührte.
Er holte tatsächlich ein Päckchen mit Heroin hervor, legte es auf den Tisch, und ich war darüber so dermaßen erleichtert, dass ich ihm nicht länger böse sein konnte. Endlich, endlich ging es voran! Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis ich erlöst werden würde. „Schon gut", versicherte ich ihm hastig und riss so überstürzt und gierig den Plastikbeutel mit den Insulinspritzen auf, dass alle zehn Pumpen über den Tisch flogen. „Hey, warte! Langsam! Pass auf!" rief Sergej lachend, sammelte die Spritzen gutmütig ein und schob sie zurück in den aufgerissenen Beutel.
Ich hatte derweil große Mühe mit der kleinen Dose Ascorbinsäure, die sich mit meinen bebenden Fingern ebenfalls nicht aufschrauben ließ. Sergej beobachtete mich selig lächelnd. Er war jetzt seltsam liebenswürdig, und mir fiel auf, dass wir noch niemals so vertraulich miteinander umgegangen waren. Bisher hatten wir ja noch nicht mal annähernd so viel Zeit zusammen verbracht. Ich verstand nicht, warum dieser Mann sich überhaupt so viele unnötige Gedanken um meine Gesundheit machte. War seine angebliche Sorge ernst gemeint? Oder war das alles nur ein komisches Spiel für ihn? War ich vielleicht nur hier, um ihm die Langeweile zu vertreiben, solange seine Familie nicht da war?
Ach, scheißegal jetzt! schob ich die unsinnigen Grübeleien beiseite. Mein Magen krampfte schon wieder, meine Knochen rissen und meine Muskeln zuckten. Nervös wischte ich mir über die Stirn. Verdammt, diese Pumpen waren so winzig! Ich würde sie nicht ruhig halten können, und schon gar nicht konnte ich damit jetzt eine Ader treffen, das musste ich einsehen. Meine Finger waren noch immer eiskalt, sie schmerzten, und ich hatte sie kaum in meiner Gewalt. Ernsthaft überlegte ich, mangels möglicher Alternativen lieber doch erst mal ein paar Chinesen zu rauchen, um meinen Körper und meine Seele zu beruhigen. Die gun lief mir ja nicht weg, obwohl ich den Kick beim Ballern wie blöd herbeisehnte.
Ich zwang mich zur Konzentration und schraubte mühsam die kleine Wasserflasche auf. Blöderweise zitterten meine Hände so stark, dass ich das Wasser auf dem Tisch verschüttete, als ich etwas davon in den Löffel gießen wollte. Sergej schrie erschrocken auf und rettete das pack vor der nassen Vernichtung, indem er es hastig wieder an sich nahm. „Pass auf!" tadelte er mich, „Das Zeug ist kostbar!"
Das musste er mir wirklich nicht sagen. Schnell stellte ich die Flasche zurück auf den Tisch und warf Sergej einen entschuldigenden Blick zu. Bestimmt gefiel es ihm nicht, wenn ich herum kleckerte und dabei seine schöne Wohnung versaute. Aber ich gab mir hier echt Mühe, das musste er doch wohl zu würdigen wissen.
Vorsichtig schaute ich ihn an. Sergej lächelte unverändert, also machte ich mir nicht allzu große Sorgen. Offenbar fand er meine zittrigen und hektischen Bemühungen höchst unterhaltsam, denn er beobachtete jeden meiner Schritte interessiert.
Fuck, ich bin zu affig, ich schaffe das nicht mehr allein, dämmerte mir genervt, ich werde ihn früher oder später um Hilfe bitten müssen. Meine Abhängigkeit von Sergej und seiner shore gefiel mir überhaupt nicht. Ich war dem Mann komplett ausgeliefert und gnadenlos unterlegen. Außerdem war es mehr als offensichtlich, dass er mich und meinen Affen in der Tat enorm erheiternd fand. Am liebsten hätte ich ihm sein sichtbares Amüsement aus dem Gesicht geschlagen.
Aber ich riss mich zusammen und versuchte es stattdessen nochmal mit der Dose Ascorbinsäure, um mich von meinem Frust abzulenken. Leider ließ sich die verdammte Dose nicht aufschrauben, sodass ich genervt aufstöhnte. Hektisch rieb ich mir die Finger, um sie schneller aufzuwärmen, aber das funktionierte kaum.
Ein erneuter Schüttelfrost krümmte mich zusammen, und ich verabschiedete mich besiegt von meinem Stolz. Flehend sah ich den Ukrainer an, der neben mir auf dem Sofa saß und mich unablässig neugierig studierte. „Hör mal, ich schaffe das im Moment nicht, Sergej. Kannst du mir bitte helfen?" überwand ich mich so freundlich wie möglich. Sein Lächeln wurde breiter, er grinste mich zufrieden an. „Erzählst du mir, was dir passiert ist?" erwiderte er seelenruhig.
Nicht zum ersten Mal befand ich mich vollständig in seiner Gewalt. Er konnte sich jede Bedingung oder Forderung ausdenken, denn ich hätte in diesem Moment schlicht alles getan, und das wusste er ganz genau.
„Ja, ich erzähle es dir, gleich sofort. Aber bitte, hilf mir jetzt erst!" nickte ich ungeduldig, weil mir nichts anderes übrig blieb. „Ich dachte schon, du fragst nie", bemerkte Sergej spöttisch. „Gib mir erstmal alles Geld, das du hast!" forderte er mich auf, ganz der Dealer, und ich gab ihm die paar Kröten, die er in sein Portemonnaie steckte. Dann legte er das pack auf eine trockene Stelle des Tisches und faltete es vorsichtig auseinander. Leider war nicht allzu viel shore drin, wie ich mit einem abschätzenden Blick registrierte, aber die Menge würde wohl für meinen Knaller reichen.
Der Anblick allein entzückte mich total. Jetzt konnte ich nur noch nervös dasitzen und dem Profi zuschauen. Mein Leben lag in Gänze in seiner Hand. Das hatte es schon von Anfang an getan, seit unserer Begegnung auf dem Friedhof. Einerseits erniedrigte mich diese Tatsache enorm, aber andererseits ging es jetzt endlich vorwärts. Meine Qual näherte sich mit seinen schnellen, geübten Handgriffen ihrem Ende, und meine Gier war weitaus stärker, als das Gefühl der Niederlage.
Sergej war jetzt schwer beschäftigt, und ich schaute ihm zitternd zu. Er zog den Löffel zu sich hin, schüttete etwas Wasser darauf und warf ein paar Krümel Ascorbinsäure hinein, die er mit einem Streichholz unterrührte. Natürlich war das Aufschrauben der kleinen Dose für ihn kein Problem gewesen. Aufgeregt nahm ich noch einen Schluck Wodka. Ich war wirklich kaputt, total fertig mit der Welt und konnte mir noch nicht mal mehr meinen eigenen Schuss zubereiten, und das nervte mich total.
Es war nett von Sergej, mir diesbezüglich behilflich zu sein, und allein deswegen war mir seine Anwesenheit jetzt sehr recht. Mit zunehmend hämmerndem Herzen saß ich neben ihm und beobachtete seine routinierten Schritte. Er schüttete ein wenig Heroin in das Wasser-Ascorbin-Gemisch auf dem Löffel, hob dann mit beneidenswert ruhigen Händen den Löffel auf und hielt die Flamme seines Feuerzeugs darunter. Das Zaubermittel kochte schnell auf. Ein herrlich vertrauter Geruch zog durch das Wohnzimmer, der mich unwillkürlich schnuppern und ganz tief einatmen ließ. Wohlig seufzte ich auf.
Sergej lachte schon wieder belustigt. Er amüsierte sich tatsächlich über mein Elend, und das gefiel mir überhaupt nicht. Aber ich beschloss, so lange darüber hinwegzusehen, bis ich geheilt sein würde, was jetzt nicht mehr lange dauern konnte. Später kann ich ihm ja immer noch sagen, dass er ein arroganter Arsch ist, dachte ich verärgert. Obwohl ich das wahrscheinlich ohnehin nicht tun würde, weil Sergej nun mal mein Lieblingsdealer war.
Aber zuerst musste ich sowieso schnellstmöglich den Affen vertreiben, der mich immer heftiger quälte und mir damit unglaublich auf den Sack ging. Meine Augen wurden größer, ich schnappte aufgeregt nach Luft, als Sergej eine Insulinspritze aus dem Beutel nahm. Er zog die rote Kappe ab, die dieser Art von Pumpen ihren liebevollen Namen Rotkäppchen eingebracht hatten.
Hektisch holte ich eine Marlboro aus meiner Schachtel, riss von einer Zigarette den Filter ab, knibbelte das Papier ab und warf den reinen Filter auf den Löffel. Zum Glück klappte wenigstens das ohne Pannen, worauf ich total stolz war. Der Filter sog sofort die herrliche Mischung in sich auf. Mein in diesem Augenblick bester Freund zog mit der Nadel durch den Filter die Hälfte der braunen Lösung auf, drückte alle Reste von Luft heraus und legte die Spritze beiseite. Bevor ich irritiert protestieren konnte, machte er das gleiche mit einer zweiten gun, bis schließlich zwei halbwegs gefüllte Spritzen auf dem Tisch lagen.
Verwirrt guckte ich mir die beiden Pumpen an, dann Sergej, der zufrieden lächelte. Ich war wütend, denn ich wollte überhaupt nicht einsehen, warum ich nur die Hälfte des geilen Zeugs bekommen sollte. Es war doch sowieso schon reichlich wenig shore auf dem Löffel gewesen! Und jetzt hatte Sergej von dem Wenigen sogar nur die scheiß Hälfte in meine gun aufgezogen?! Fuck! Wollte der Penner mich schon wieder verarschen? So hatte ich mir das bestimmt nicht vorgestellt!
Mein Herz hämmerte zornig los und ich rang nach Luft. Nur mühsam konnte ich mich zurückhalten, ihm nicht sofort an die Kehle zu gehen. Stattdessen grapschte ich nach seinem Arm und fixierte ihn eindringlich. „Nein... warte mal... hör mal, Sergej, das...", stotterte ich und holte tief Luft. Sein Grinsen nahm sein ganzes Gesicht ein, denn mein Entsetzen amüsierte ihn total. „Das geht nicht, Sergej! Du kannst mir nicht nur die Hälfte geben! Das reicht doch nie und nimmer!" setzte ich nochmal an, und sein Lachen ließ mich beinahe ausklinken. Mein Griff um seinen Arm wurde stärker. „Ich brauche alles! Das war doch sowieso nur so wenig! Ich habe dir dreißig Euro gegeben, das kommt nicht hin, Sergej! Du hast nicht gesagt, dass ich nur die Hälfte kriege!" beschwerte ich mich aufgebracht.
Er schüttelte lachend den Kopf, als würde ich verdammte Witze für ihn reißen. Mit einem schnellen Handgriff hatte er meine zitternden Finger von seinem Arm gelöst. „Warte doch erstmal ab, Freund. Du kriegst jetzt die Hälfte. Und dann sehen wir weiter. Du wirst heute nicht sterben. Ich gehe kein Risiko ein. Hier, bedien dich!"
Er machte eine einladende Geste zu der Spritze hin und brachte mich damit bewusst in neue Verlegenheit, weil ich nämlich zur Zeit kein bisschen in der Lage war, mir die gun selbst reinzuballern, und das war Sergej sehr wohl bewusst. Mann, am liebsten wollte ich den arroganten Arsch total alle machen, aber ich war nun mal auf ihn angewiesen. Außerdem fehlte mir die Kraft und vor allem die Geduld für solche Auseinandersetzungen.
Ich war am Ende, und deshalb zog ich kurzentschlossen hastig mein Jackett aus und krempelte den Ärmel meines Hemdes hoch. Mein ohnehin schon stark angekratzter Stolz verbot es mir, den Mann nochmal um Hilfe zu bitten. Ich würde mir das verdammte Ding jetzt reinknallen, und wenn es das Letzte war, was ich noch tun würde!
„Deine schöne Jacke, Clay! Wie schade! Was ist damit passiert? Wer war das denn?" fragte Sergej mich erschüttert, während er mein Jackett an sich nahm und den eingerissenen Ärmel begutachtete. Ich wollte daran nicht erinnert werden, deshalb konzentrierte ich mich ganz darauf, eine der guns vom Tisch auszuwählen. Selbstverständlich wählte ich diejenige, in der augenscheinlich ein winziges bisschen mehr brauner Inhalt zu sehen war, und nahm sie.
Shit, meine blöden Finger zitterten wie blöd. Das Zittern wurde mit dem Ansteigen meiner Nervosität und Vorfreude nur immer schlimmer. Je ruhiger ich meine Hände halten wollte, um so mehr schienen sie sich dagegen zu sträuben, was mich ganz verrückt machte.
Sergej schaute auf, weil ich ihm nicht antwortete. Er bemerkte mein Vorhaben und nahm mir in einer schnellen Bewegung die Spritze weg, bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte. „Hey! Was soll das?!" schrie ich sofort zornig und tötete ihn mit einem wirren Blick. „Hör auf, Clay, lass das sein! Du darfst nicht deine Arme stechen!" tadelte der Mann mich allen Ernstes. Mir blieb vor Empörung die Luft weg. „Denk an deine Arbeit, Freund! Du bist berühmt und stehst auf Bühne! Du kannst nicht Einstiche an Armen haben!" erläuterte Sergej mir streng, wofür ich ihm um ein Haar meine Faust in die Fresse rammte. Langsam konnte ich mich kaum noch bremsen, merkte ich nervös, es fiel mir zunehmend schwerer, mich bezüglich des Schlagens zurückzuhalten.
„Mann, das wäre doch nur ein Einstich! Ein einziger, verdammt!" brüllte ich ungeduldig los, total mit den Nerven am Ende. Sergej hob beschwichtigend die Hände, wobei er mir mit der Spritze vor der Nase herumwedelte. „Und wenn du nicht beim ersten Mal triffst, oder überhaupt nicht richtig triffst? Oder wenn genau dieser Stich auf dem nächsten Foto oder Video von dir genau zu sehen ist?" hielt er mir vor und guckte mir beschwörend in die Augen.
Ich wollte den ganzen Quatsch jetzt nicht hören, auch wenn er wahrscheinlich irgendwo recht hatte. „Also, was schlägst du vor?" knurrte ich gereizt, ungeduldig, denn mir fiel nichts besseres mehr ein. Mein Kopf war leergefegt. Ich war ausschließlich auf den heiß ersehnten, nahe bevorstehenden Kick gepolt, und eine weitere Verzögerung konnte ich schlicht nicht ertragen.
„Dein schönes Hemd, schau nur! Wie schade!" lenkte Sergej ab und betastete wahrhaftig die eingerissenen Stellen an meinem Hemd, was extrem merkwürdig war. Offenbar verspürte der Typ aus irgendeinem seltsamen Grund das Bedürfnis, mich anzufassen. Entgeistert starrte ich ihn an. Der verarschte mich doch hier, aber ganz gewaltig! Dumm nur, dass ich in meiner derzeitigen Position überhaupt nichts dagegen tun konnte!
Stöhnend schloss ich die Augen, atmete tief und zwang mich, so ruhig wie möglich sitzen zu bleiben. Obwohl mein Körper und meine Seele inzwischen so zornig waren, dass ich sie kaum noch bändigen konnte.
Viel zu lange war es ganz still in diesem bekloppten Wohnzimmer, während der Mann irgendwie meine Kleidung abzupfte. Anscheinend suchte er nach weiteren Schäden oder so was. Als ich Sergejs Hand abermals auf meinem Kopf spürte, riss ich meine Augen wieder auf. Er lächelte gutmütig, fast liebevoll, was mir echt zu hoch war. Einerseits behandelte er mich wie ein Kleinkind und quälte mich, indem er mich unnötig hinhielt, aber andererseits schien ihm mein Wohlergehen tatsächlich am Herzen zu liegen. Mein angeschlagener Zustand ging ihm scheinbar wirklich nahe. Das kapierte ich nicht und ich hatte keine Idee, was ich tun sollte.
„Auf die Arme guckt man zuerst. Nimm besser eine versteckte Stelle", befahl der Mann mir besserwisserisch und deutete vage auf meine Füße. Er war so besonnen und nervig besorgt, dass ich beinahe durchdrehte. Schließlich hatte Sergej Arsch keine Entscheidungsgewalt über mich, er war nicht mein verdammter Erziehungsberechtigter! Was bildete der Wichser sich überhaupt ein?!
Gehorsam winkelte ich knurrend mein rechtes Bein an, um meine graue Socke auszuziehen, und wurde sofort dafür bestraft. Ein scharfer Schmerz durchzuckte mich, sodass ich elend aufstöhnte und das Bein hastig zurück auf den Boden setzte. Automatisch griff ich mir an den zerschnittenen Oberschenkel, wo der Schmerz hergekommen war. Prüfend schaute ich mir die Stelle an und bemerkte verstört, dass das Blut inzwischen weit mehr durch den Jeansstoff gesickert war, als ich vermutet hatte.
„Gott, Clay! Was ist das nur?" entfuhr es Sergej erschrocken, der meinem Blick gefolgt war. „Tut mir leid. Ich bin verletzt", sagte ich hilflos, weil ich tatsächlich einen kleinen Blutfleck auf dem weißen Ledersofa verursacht hatte, ohne es zu merken. Bevor ich den Flecken unauffällig mit meiner Hand abwischen oder verdecken konnte, hatte Sergej ihn ebenfalls entdeckt. „лайно!" zischte er verärgert. Er sprang auf, und mein Puls geriet ins Stocken. Ich zog unwillkürlich den Kopf ein.
Jetzt schlägt er mich oder schmeißt mich raus, befürchtete ich mit klopfendem Herzen, aber das darf er mir nicht antun, so kurz vorm Ziel! Ich muss mir nämlich jetzt sofort diese verfluchte Spritze reinjagen, und sonst gar nichts mehr! Dummerweise hatte aber Sergej immer noch meine gun in der Hand und ich zog es in Erwägung, einfach die zweite Pumpe vom Tisch für mich zu nehmen. Diese weitere unakzeptable Verzögerung meines Vorhabens war mehr, als ich aushalten konnte, und ich musste mich anstrengen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Erstaunlicherweise schien der Dealer aber doch mehr besorgt als verärgert zu sein, denn er streichelte mir nochmal durchs Haar und guckte mich mitleidig an. „Warte einen Moment, Clay. Ich hole Handtuch", erklärte er leise, und ich nickte ergeben. Ich sah nur, dass er die Spritze auf den Tisch legte. Als er sich herumdrehte und das Wohnzimmer verließ, hatte ich mir die gun schon geschnappt. Ungeduldig und extrem fiebrig winkelte ich mein linkes, halbwegs unverletztes Bein an. Hastig zog ich mir den nassen Strumpf aus und ließ ihn auf den Boden fallen. Dann stellte ich den Fuß auf die Kante des Sofas und begutachtete ihn aufmerksam von allen Seiten.
Wie ich es befürchtet hatte, war ich dermaßen durchgefroren, dass an meinem Fuß keine einzige dunkle Vene zu finden war. Ich fand überhaupt keine Adern, da war einfach nur weißes Fleisch, das sich über meine Knochen spannte. Verzweifelt schob ich mein Hosenbein hoch und suchte meinen Unterschenkel ab, mit dem gleichen deprimierenden Ergebnis.
Zornig legte ich die Spritze auf den Tisch, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, als Sergej auch schon zurückkam. Er hatte einen feuchten Putzlappen geholt, mit dem er jetzt sorgfältig seine kostbare Ledercouch säuberte. Es erleichterte mich mehr, als in dieser Situation vermutet, dass mein Blut sich scheinbar leicht abwischen ließ. Offenbar war es noch nicht eingetrocknet.
Außerdem hatte Sergej ein großes Handtuch mitgebracht, dass er jetzt vorsichtig um mein verletztes Bein wickelte, um weitere Blutflecken zu vermeiden. Dabei musste ich das Bein ein bisschen anheben, was ich abgelenkt tat. Das war alles gut und schön und ich verstand seine Vorsicht ja auch. Natürlich wollte er keine hässlichen, dunkelroten Flecken auf seinem weißen Ledersofa, das hätte wohl niemandem gefallen.
Aber der ganze Scheiß half mir überhaupt nicht bei meinem shore-Problem, und das war inzwischen so allumfassend geworden, dass ich nichts anderes mehr richtig wahrnahm. Ich spürte nur noch den Affen, all der Schmerz in mir, die unbändige Gier, den kalten Schweiß in meinen Achselhöhlen, der an meinem Körper hinablief, die zerrenden Krämpfe in den Eingeweiden. Meine Seele, die sich anfühlte, als würde sie nackt und völlig wehrlos in einem tosenden Sturm herumliegen, sodass jeder sie mit Leichtigkeit hätte zertreten können.
In einem Anfall von endgültiger Ungeduld nahm ich hastig die kleine Insulinspritze vom Tisch und stach mit der Nadel hektisch und wahllos in meinen linken Fuß, ungefähr in Höhe des Knöchels, was sehr wehtat. Meine Finger zitterten so stark, dass ich die Pumpe kaum halten konnte. Trotzdem schaffte ich es irgendwie, den kleinen Kolben ein winziges Stückchen hochzuziehen. Manisch starrte ich auf die gun, aber ich zog beim Anziehen kein Blut hinein, also hatte ich keine Vene getroffen. Fuck! Zweimal stocherte ich noch sinnlos nach allen Seiten, dann zog ich die gun wieder heraus, schob den Kolben so weit hinunter, bis keine Luft mehr in der Spritze war, und versuchte sofort eine andere Stelle an meinem Fuß. Diese Prozedur wiederholte ich noch ein paarmal, leider ohne erquickendes Ergebnis. Alle meine Venen hatten sich vor der verfluchten Kälte in Sicherheit gebracht.
Das Stechen schmerzte und hing mir schon jetzt zum Hals raus. Mann, es gab definitiv einen guten Grund, warum ich mit diesem Scheiß eigentlich längst abgeschlossen hatte! Es nervte unglaublich, sinnlos in seinem eigenen Fleisch herum zu stechen! Außerdem tat es ziemlich weh und hinterließ hässliche, entlarvende, dunkle Löcher in der Haut. Aber verdammt, ich hatte -irgendwie hatte ich - mir war was angetan worden, und ich wollte doch nur - eine kleine Belohnung, weil ich doch - zu viele Grausamkeiten - ich war verletzt worden - jemand hatte mich verlassen - ich hatte etwas enorm Wichtiges verloren - ich musste gehen - und ich war...
Nein, ich wollte mich nicht daran erinnern, was passiert war. Zum Verrecken wollte ich jetzt keine quälenden Gedanken in meinem Kopf haben. Ich wollte nur noch den Kick spüren, den das Heroin mir laut lockend versprach. Mit jeder verdammten Faser meiner Existenz sehnte ich mich nach dem Erlöschen sämtlicher Dämonen in mir, der totalen Erleuchtung der totalen Dunkelheit.
Ächzend, ziellos stach ich in meinem Bein herum und bekam kaum mit, dass zwischendurch einzelne Tränen aus meinen Augen tropften. Leider hatte ich keinen Erfolg. Meine Finger zitterten zu stark, daran lag es! Ich musste mich nur besser konzentrieren! Normalerweise brauchte ich zum Ballern meine Extremitäten nicht abzubinden, weil meine Adern deutlich genug ausgebildet waren. Aber die verfluchte Kälte draußen hatte mir alles versaut.
Hektisch schaute ich mich nach etwas um, mit dem ich mein Bein abbinden konnte, um die verfluchten Venen hervorzulocken, als Sergej mir mit einem raschen Griff zum zweiten Mal die Spritze wegnahm. Erschrocken zuckte ich zusammen und starrte ihn panisch an, hatte ich ihn doch in den letzten Minuten oder Stunden komplett ausgeblendet.
„Hör doch auf mit dem Scheiß! Was machst du denn nur?!" tadelte er mich hörbar entsetzt. „Gib mir das zurück!" brüllte ich von Sinnen. Zornig grapschte ich nach dem Plastikteil in seiner Hand, aber er wich mir mühelos aus und ging einen Schritt zurück. Fassungslos betrachtete er mich. „Beruhige dich, Clay! Was ist los mit dir?" forschte er erschüttert nach, was absolut zum Kotzen war, denn er wusste inzwischen schließlich nur zu gut, was mit mir los war. „Ich bin krank, Sergej!" schrie ich ihn überaus zornig an.
Mühsam stand ich auf und wollte ihm einen Faustschlag ins Gesicht verpassen, weil mein Geduldsfaden definitiv zerrissen war. Blöderweise ging mein Schlag ins Leere, weil der Dealer einfach auswich und mich zurück auf die Couch schubste. Ich geriet ins Stolpern und fiel rückwärts, wo ich auf dem weichen Leder landete. „Gib mir das zurück!" wiederholte ich jammernd viel zu laut und streckte meine Hand nach der gun aus. Tränen liefen über mein Gesicht, die ich wütend wegwischte.
Dann lag ich auf seinem Sofa und konnte ihn nur noch beschwörend fixieren, weil mir nichts weiter einfiel. Ich machte mich total zum Trottel, aber ich hatte schlicht keine Wahl mehr. Entweder er würde mir die Pumpe geben, oder ich würde in drei Sekunden tot sein. Das war so sicher, wie das Amen in der Kirche.
Sergej stand am Ende des Sofas und betrachtete mich mit einer nervigen Mischung aus Faszination, Vorwurf und Mitleid. Endlich machte er einen Schritt auf mich zu und setzte sich ans Ende der Couch, direkt neben meine Füße. „Jetzt beruhige dich, Freund! Calm down, Clay! Ich helfe dir ja", beschloss er gutmütig. Es gefiel mir nicht, dass er mir helfen wollte, denn ich wollte seine verfluchte Hilfe gar nicht mehr. Ich hasste ihn für seine Arroganz und Überlegenheit. Andererseits war mir alles egal, Hauptsache ich würde endlich das scheiß Heroin irgendwie in meinen Körper kriegen.
Also nickte ich ergeben und ließ ihn machen, als er nach meinem nackten linken Fuß griff und ihn anhob, um ihn sich auf den Schoß zu legen. „Was hast du angerichtet?!" fragte Sergej mich kopfschüttelnd, als er die blutenden Einstiche in meiner Haut entdeckte. Eine Antwort sparte ich mir. Ich lag lang ausgestreckt auf dem Leder und starrte ihn auffordernd an. Mein ganzer Körper bebte vor Anspannung und Unbehagen, und ich hatte Mühe damit, ruhig liegen zu bleiben. Es war mir egal, wie mein Fuß aussah. Mir war alles scheißegal, was nicht mit dieser Insulinspritze und dem darin befindlichen Heroin zu tun hatte.
Mit hart klopfendem Herzen und angehaltenem Atem beobachtete ich, wie Sergej meinen Fuß und meinen Unterschenkel mit routinierten Augen überprüfte. Er betastete meine Haut und suchte mit Kennerblick nach einer geeigneten Vene. Ich ertappte mich dabei, wie ich Stoßgebete zum Himmel losschickte, dass er schnell etwas finden und dann sofort treffen würde. Ich hatte bis oben hin die Schnauze voll von den verfluchten Entzugserscheinungen, war der Kälte in mir, der Schmerzen, dem brennenden Zorn und der quälenden Bilder in meinem Kopf mehr als überdrüssig.
Schneller als befürchtet hatte Sergej eine geeignete Stelle ausgemacht, ungefähr in der Nähe meines linken Knöchels, wo ich es ja auch schon mehrmals versucht hatte. Deshalb zweifelte ich auch sofort daran, dass der Ukrainer an dieser Stelle eine Vene treffen konnte. „Nein, das...", fing ich an zu meckern, als der Mann auch schon zielstrebig in meine Haut stach. Ich biss die Zähne zusammen. Behutsam, mit bemerkenswert ruhigen Fingern zog er an, und augenblicklich schoss dunkelrotes Blut in die gun. Er hatte wahrhaftig beim ersten Versuch getroffen.
In diesem Moment war ich davon überzeugt, noch niemals etwas Schöneres gesehen zu haben, als das Blut, was sich in der Spritze mit der shore vermengte. Erleichtert stöhnte ich auf, und Sergej grinste breit vor sich hin. Er war sichtbar zufrieden mit sich, und ich gönnte ihm diesen Triumph von Herzen. Konzentriert, vorsichtig und sehr langsam drückte er den winzigen Kolben hinunter und beförderte so das ersehnte shore-Ascorbin-Gemisch endlich in meine Blutbahn.
Ich konnte mein Glück kaum fassen und wäre dem Mann am liebsten dankbar um den Hals gefallen. Vielleicht hätte ich ihn sogar abgeknutscht oder so was, was echt peinlich gewesen wäre.
Aber stattdessen lag ich nur bequem auf seiner weißen Ledercouch, meinen nackten Fuß unverändert auf Sergejs Schoß. Er hielt ganz sanft meine Ferse umfasst, um den Fuß zu stabilisieren, während er den Kolben der gun mit ruhigen Händen fast zärtlich hinunterdrückte. Auf einmal spürte ich irritiert, wie intim diese ganze Angelegenheit doch eigentlich war. Mein Leben lag in seiner Hand. Und er verschaffte mir eine unglaubliche Wohltat.
Noch bevor er die shore auch nur zur Hälfte in mir versenkt hatte, schmeckte ich es schon deutlich auf meiner Zunge: Dieser höchst vertraute, wunderbare Geschmack aus Heroin, gemischt mit einem Hauch saurer Ascorbinsäure. Sergej drückte wie in Zeitlupe die ganze Ladung in mich, aber ich konnte ihm nicht bis zum Ende dabei zusehen. Schon vorher sank mein Kopf überwältigt zurück auf die Couch.
Von der Einstichstelle an meinem Knöchel ausgehend überflutete mich eine warme Welle aus absolutem Wohlbefinden, die restlos alle Schmerzen, jede Wut und sämtliches Unbehagen in einem sanften Schwall aus mir hinfort spülte. Ich spürte die mächtige, überirdisch angenehme Flut überdeutlich in mir emporsteigen. Zuerst an meinem linken Knöchel, wo alles seinen Anfang nahm, dann mein Bein hinauf, flott durch meinen Unter- und Oberschenkel, danach quer durch meinen Unterleib, wo sie ein höchst entzückendes, geiles Kribbeln verursachte. Rasend schnell erreichte das angenehme Glücksgefühl meinen Bauch, floss weiter hinauf durch meinen Brustkorb und umspülte alle meine inneren Organe.
Nach höchstens drei Sekunden hatte das Gefühl meinen Kopf erreicht und schwappte mitten hinein in mein mehr als empfängliches Gehirn, wo es eine kunterbunte, überaus faszinierende Explosion auslöste. Weiche Zuckerwatte breitete sich aus. Schlagartig war alles, was schlecht, quälend oder schmerzhaft in mir gewesen war, komplett verschwunden. Meine Stimmbänder formten über meinen Mund ganz von alleine so etwas wie „Wow!". Aber das wurde meiner totalen, existenziellen Überwältigung nicht mal annähernd gerecht.
Kim
Oh-kay, so langsam machte ich mir Sorgen. Nicht eine einzige meiner unzähligen SMS beantwortete er. Den ganzen Tag war er telefonisch nicht erreichbar. Dabei hatte ich ihm doch extra sein Smartphone zurückgebracht. Und nach unseren gemeinsamen intimen Erlebnissen war es beim Abschied von ihm für mich selbstverständlich gewesen, dass wir uns so bald wie möglich wiedersehen würden. Ich hatte es in der Nacht zuvor zweifellos an seinen geilen, überwältigten und faszinierten Augen ablesen können, dass er mich auf jeden Fall dringend wiedersehen wollte. Auch wenn wir in seinem Auto keinen festen Termin ausgemacht hatten.
In der Mittagspause fiel mir auf, dass in der Uni immer mehr Leute kichernd in ihre Handys, Tablets und Notebooks starrten. Die Menschen rotteten sich auffällig zusammen und amüsierten sich gemeinsam köstlich über etwas, was wohl im Internet zu sehen war. Zuerst wollte ich das noch ignorieren, aber meine Neugier siegte, und schließlich kam auch ich an dem Namen, der immer wieder geflüstert und gerufen wurde, nicht mehr vorbei: Clay Banton.
Mein Herz blieb stehen. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und schaute mit anderen aus meinem Kurs einer Kommilitonin über die Schulter, die gerade ihr Notebook aufgeklappt hatte und die Seite aufrief, die sich rasend schnell herumgesprochen hatte: Bennet's Blog.
Zu meinem absoluten Entsetzen musste ich mir auf dem Bildschirm Clay ansehen, der offenkundig bewusstlos auf dem Boden in seinem Badezimmer lag und von dieser fürchterlichen Reporterin Jill Bennet auf empörende und kompromittierende Weise bloßgestellt wurde. Die dreiste Frau hatte Clay in allen Einzelheiten gefilmt und fotografiert. Mit Vorliebe zeigte sie Clays Genitalien aus allen Richtungen in Großaufnahme. Sie fasste ihn sogar überall an und machte dabei immer wieder unpassende, gemeine Bemerkungen. Zum Beispiel erzählte sie frei heraus, dass Clay auf alle Arten von Sex stehen würde, und dass er mit Männern und Frauen schlief. Außerdem zog sie spöttisch über Clays Mutter und seine Familie her, die anscheinend ziemlich bunt zusammengewürfelt war.
Ich konnte nicht fassen, wie indiskret und kaltschnäuzig Jill Bennet meinen Clay mit solchen intimen Einzelheiten lächerlich machte. Am liebsten hätte ich jedem an der Uni seinen Bildschirm aus der Hand gerissen und ihn auf dem Boden zertrümmert. Ich wollte die albernen und schadenfrohen Menschen zornig anschreien: Hört sofort auf damit! Merkt ihr denn gar nicht, wie fies das ist? Clay ist ein Mensch wie ihr! Euch würde es doch auch nicht gefallen, auf so eine gemeine Art öffentlich blamiert zu werden!
Aber es war ohnehin zu spät, um noch etwas zu unternehmen. Bennet's Blog war längst in aller Munde. Anscheinend wollte jeder neugierig wissen, wer der Mann denn eigentlich war, der da im Blog mehr als privat vorgestellt wurde. Und es gab einfach zu Viele an der Uni, die Clay Banton schon aus dem Theater kannten. Zu viele Menschen hatten ihn schon mal auf irgendeiner Bühne gesehen, sodass an diesem Tag auch noch der letzte Unwissende erfuhr, wer der nackte Mann im Blog in Wirklichkeit war.
Ein paar Eingeweihte begriffen auch ziemlich schnell, dass Clay Banton außerdem unser Stammdealer Tino war, weil sie sein Gesicht im Blog wiedererkannten. Richtig schlimm wurde es für mich, als die Studenten sich an den Vorfall vom Samstagabend erinnerten, wo Clay auf der Bühne von zwei Steinen getroffen worden war. Die Videos der unseligen Vorstellung wurden aufgerufen, und schon kam heraus, dass ich diejenige war, die Clay im Theater lautstark der versuchten Vergewaltigung bezichtigt hatte.
Verzweifelt bemühte ich mich, meine Anklage gegen Clay als schlechten Scherz darzustellen, an dem kein wahres Wort war, aber das hatte kaum einen Sinn. Sie hörten mir schlicht nicht zu oder glaubten mir nicht. Mein Herz tat mir schrecklich weh. Es war nämlich mein Clay, über den da kichernd und spöttisch hergezogen wurde. Mein Clay wurde nackt bloßgestellt. Es war der Mann, nach dem ich mich schon den ganzen Tag schmerzlich verzerrte, eigentlich schon seit dem Augenblick, in dem wir uns in der Nacht zuvor in seinem Auto mit einem Kuss voneinander verabschiedet hatten.
Und ich konnte ihn immer noch tief in mir spüren, erinnerte mich an jede kleine Einzelheit unserer letzten, überaus intimen Begegnung. Es brach mir das Herz, dass gerade dieser Mann heute das Gespött der ganzen verdammten Universität wurde.
Und Schuld daran hatte allein diese Reporterin, diese verfluchte Jill Bennet. Am liebsten hätte ich der Bitch den Kopf abgerissen. Ich konnte mir nicht erklären, wie die Frau es überhaupt geschafft hatte, so viele private und intime Einzelheiten aus Clays Leben zu erfahren und ihn dann auch noch auf diese peinliche Weise zu dokumentieren. Hatte er ihr das etwa erlaubt?Hatte sie ihn um Erlaubnis gefragt? Wusste er überhaupt von diesem Blog?
Verdammt, warum ging Clay nicht an sein Telefon? Wo steckte er, und warum beantwortete er meine SMS nicht? Im Laufe des Tages wurde ich immer wütender und unruhiger, denn es gab jetzt zu viele Fragen in meinem Kopf, auf die ich keine Antwort wusste. An Lernen war sowieso nicht mehr zu denken. An der Uni wurde es total unerträglich für mich, also schwänzte ich die Nachmittagskurse, obwohl ich mir das eigentlich nicht erlauben konnte.
Stattdessen machte ich mich nervös auf den langen Weg zu Clays Haus. Ich musste ihn dringend wiedersehen, und ich wollte ihn so einiges fragen. Die ellenlange Busfahrt zog sich gefühlsmäßig noch länger hin, als am Nachmittag zuvor. Ich stieg an der Endhaltestelle aus und rannte die letzte Strecke nahezu. Es war sehr kalt, vereinzelt fiel Schnee vom grauen Himmel. Das Gewerbegebiet, in dem Clay wohnte, war am heutigen Montag kaum wiederzuerkennen. Überall wurde gearbeitet.
Ich eilte geradewegs zu seinem Haus und wurde sofort bitter enttäuscht. Sein Auto stand nämlich nicht vor der Tür und ich ahnte, dass er gar nicht zu Hause war. Trotzdem versuchte ich es verbissen, hämmerte wie besessen gegen seine Tür und wartete bestimmt bald zwei Stunden lang im eiskalten Hausflur auf ihn. Aber der Mann tauchte zu meiner Betrübnis nicht auf.
Es machte mich fast verrückt, dass ich ihn nicht erreichen konnte. War es wegen diesem verdammten Blog? Verkroch er sich vielleicht deswegen irgendwo? Oder versteckte er sich etwa vor mir? Dieser Gedanke schnitt mir scharf ins Herz. Die Ungewissheit fraß mich total auf.
Letztendlich war ich völlig durchgefroren und machte mich mit Tränen in den Augen resigniert auf den Heimweg. Noch einmal nahm ich den Bus, um nach Hause zu fahren. Aber in der Stadt entschied ich mich spontan nochmal um. Vielleicht würde ich ihn ja hier irgendwo finden. Womöglich war er in der Innenstadt unterwegs.
Wie blöd rannte ich in der Stadtmitte herum, um ihn zu finden. Ich hoffte so sehr, dass ich Clay Banton irgendwo zufällig treffen würde. Er musste doch schließlich irgendwo sein! Und ich sehnte mich doch so entsetzlich nach diesem Mann. Er war der einzige Mensch auf der Welt, der mich in diesem Moment noch interessierte. Pausenlos hatte ich unsere letzte Begegnung vor Augen, die Zärtlichkeit, mit der er mich berührt hatte, seine ungebändigte Geilheit, sein faszinierendes Lachen und seine erstaunliche Gutmütigkeit.
Ich spürte meine Sehnsucht schmerzhaft körperlich und die Unruhe wuchs quälend in mir. Es gab einen guten Grund, warum er mir nicht antwortete und nicht an sein Handy ging. Bestimmt war ihm etwas Schlimmes passiert! Und während ich wie von Sinnen ziel- und planlos durch die Stadt irrte, in der drängenden Hoffnung, ihn irgendwo zu entdecken, drang plötzlich sein Name ganz deutlich an mein Ohr. Schon öfter hatte ich erstaunt geglaubt, ihn leise irgendwo zu hören, war mir aber nicht sicher gewesen.
Jetzt fuhr ich aufgeschreckt herum und erkannte auf Anhieb Michael und Kerstin aus meinem Kurs, die sich tatsächlich gerade über ihn unterhielten. „Hast du das gesehen?" fragte Michael kopfschüttelnd, „Was ist nur mit Clay Banton los?"
Sofort wandte ich mich aufgeregt und hektisch an die beiden Kommilitonen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich konnte meine Ungeduld und meinen inneren Aufruhr kaum vor ihnen verbergen. „Habt ihr ihn gesehen?" fuhr ich die beiden panisch an. Sie betrachteten mich irritiert. „Hallo Kim", grüßte Kerstin und betrachtete mich erstaunt. „Wen?" wollte Michael amüsiert wissen. „Clay Banton!" drängte ich ungeduldig. Meine Mitstudenten nickten einvernehmlich. „Wann war das? Und wo?" horchte ich sie aufgeregt aus. Sie schauten mich an, als hätte ich den Verstand verloren, aber das war mir in diesem Moment egal. „Der Typ war vorhin hier", erzählte Kerstin mir endlich leise. „Er hat etwas in dieser Apotheke gekauft", ergänzte Michael. Er drehte sich zur Seite und zeigte auf die Sonnen-Apotheke, vor der wir gerade standen. „Wann war das? Und wo ist er jetzt?" entfuhr es mir voller Ungeduld. Ich schwankte zwischen Panik und unfassbarer Freude, weil endlich jemand ihn gesehen hatte und mir vielleicht weiterhelfen konnte.
Aber Michael und Kerstin enttäuschten mich bitterlich. „Er war vor knapp einer halben Stunde in der Apotheke", meinte Kerstin gleichgültig, „Aber woher sollen wir bitteschön wissen, wo er jetzt ist?" Michael grinste breit und fragte: „Warum interessiert dich das so brennend, Kim? Hast du dir heute etwa auch Bennet's Blog angesehen? Willst du dir den verrückten, nackten Traumtypen auch ganz dringend in natura ansehen?" Die beiden lachten laut über etwas, das ich nicht verstand.
Mir war auch überhaupt nicht zum Lachen zumute, denn ich verzerrte mich nach diesem einen, ganz besonderen Mann. Es erschien mir unerträglich, dass scheinbar alle Welt ihn inzwischen so intim gesehen hatte und sich schadenfroh und geringschätzig über ihn amüsierte. So ist er gar nicht, wollte ich verzweifelt losschreien, er ist doch in Wirklichkeit ganz anders! Ihr kennt ihn doch gar nicht! Keiner von euch kennt ihn! Dieser scheiß Blog ist nichts als eine gemeine Lüge! Hört sofort auf, über ihn zu lachen! Nur ich allein kenne ihn, wie er in Wahrheit ist! Nur ich habe gestern sein wahres Gesicht gesehen, und an ihm ist absolut nichts lächerlich! Im Gegenteil, er ist der freundlichste, gütigste und begabteste Mensch, den ich je kennengelernt habe!
Die zornigen Worte wollten dringend aus mir heraus. Aber ich hielt den Mund und riss mich zusammen, weil meine Beziehung zu Clay Banton niemanden etwas anging. Mein Protest hätte nur noch weitere unangenehme Fragen heraufbeschworen, und das musste ich um jeden Preis vermeiden. „Ich will nur was von ihm kaufen", behauptete ich so cool wie möglich, weil ich wusste, dass Kerstin und Michael auch schon mal dope bei Tino erworben hatten. „Du, ich glaube nicht, dass der jemals noch mal was verkaufen wird. Wo doch jetzt jeder seinen echten Namen kennt. Das wäre doch viel zu riskant für ihn", entgegnete Kerstin achselzuckend.
Michael wurde ernst und sah mich lange prüfend an, als würde er mich erforschen wollen. Als ob er meine wahren Absichten in Bezug auf Banton erkennen wollte, was mir überhaupt nicht gefiel. Nervös schaute ich in eine andere Richtung. „Jedenfalls wird Herr Banton heute mit Sicherheit nichts mehr verkaufen", behauptete Michael leise. „Warum nicht?" fragte ich ihn sofort mit klopfendem Herzen. „Weil der arme Kerl absolut fertig aussah", eröffnete Michael mir und fixierte mich aufmerksam. Mein Herz setzte etliche Schläge aus und ich hatte große Mühe, mir nichts anmerken zu lassen.
„Was bedeutet fertig?" hakte ich nach und hatte gleichzeitig große Angst vor der Antwort. „Na eben fertig. Seine Kleidung war total schmutzig und überall zerrissen. Der Typ war völlig durchnässt, als hätte er sich auf dem Boden herumgewälzt. Außerdem sah er ziemlich verletzt aus und bewegte sich so mühsam, als wäre er schlimm verprügelt worden", berichtete Michael mit ernstem Gesicht. Offenbar fand er Clays Anblick nicht mehr lustig, und das versöhnte mich ein bisschen mit ihm.
Allerdings schnitt jedes Wort von ihm, jede Beschreibung von Clay mir schmerzhaft in meine aufgewühlte Seele. Um Himmels Willen! Was hatte das zu bedeuten? Wer um alles in der Welt hatte ihn schon wieder geschlagen? Was war mit ihm passiert? Und warum lief er in so einem desolaten Zustand in der Stadt herum? Ausgerechnet heute, wo er doch unglücklicherweise sowieso schon in aller Munde war! Was hatte er sich in der Apotheke gekauft? Mein Kopf schwirrte augenblicklich vor ungelösten, drängenden, enorm besorgniserregenden Fragen.
Michael und Kerstin beobachteten mich aufmerksam, misstrauisch, irgendwie besorgt und ziemlich erstaunt. Sie konnten sich mein riesiges Interesse an diesem Mann offensichtlich nicht erklären. Vielleicht ahnten sie, dass hinter meiner verzweifelten Suche viel mehr stand, als nur ein Drogenkauf.
„Und in welche Richtung ist er nach der Apotheke weggegangen?" erkundigte ich mich so ruhig wie möglich. Die beiden zeigten vage in eine Richtung, die aus der Innenstadt herausführte. Ich bedankte mich hastig und verabschiedete mich auf der Stelle. Sichtbar irritiert schauten meine Mitstudenten mir nach, als ich panisch die Straße entlang eilte.
Okay, jetzt machte ich mir richtig Sorgen! Die schrecklichsten Szenarien tauchten vor meinem inneren Auge auf. Meinem liebsten Mann, an den ich schon seit Ewigkeiten unentwegt dachte, war etwas Schlimmes angetan worden. Nach meiner unverzeihlichen Rache in der Samstagnacht war er schon wieder verprügelt worden. Diesmal allerdings von jemandem, den ich bestimmt nicht kannte, hoffte ich jedenfalls. Vielleicht war es jemand gewesen, der ihn heute in diesem scheiß Blog gesehen hatte, und ihn deshalb jetzt hasste. Es gab so viele Wirrköpfe auf der Welt, so viel Neid und Missgunst.
Clay Banton war böswillig verletzt worden. Es ging ihm nicht gut. Nur deshalb meldete er sich nicht bei mir, das war der einzige Grund! Ein brutaler Verbrecher hatte ihn übel zugerichtet! Obwohl er doch sowieso schon so furchtbar verletzt gewesen war, und zwar durch meine eigene Schuld, die immer noch tonnenschwer auf mir lastete.
Mein Liebster, der sanfteste Mensch der Welt sah absolut fertig aus, hatte Michael gerade behauptet. Diese Information, allein die Vorstellung konnte ich kaum begreifen, geschweige denn ertragen. Die ungeklärten Befürchtungen und schlimmen Vermutungen fuhren in meinem Kopf Achterbahn. Zwingend musste ich diesen besonderen Mann finden, jetzt noch sehr viel dringlicher, als zuvor schon. Nicht einen einzigen ruhigen Moment würde ich noch haben, bevor ich Clay nicht gefunden hatte!
Plötzlich piepste mein Handy in meiner Tasche. Hastig holte ich es hervor und guckte mit hämmerndem Herzen aufs Display. Aber zu meiner Enttäuschung war es nur eine weitere SMS von Ben, in der er mich hartnäckig um ein Treffen am Abend bat. Genervt antwortete ich ihm nochmal, dass ich heute wirklich keine Zeit für ihn hätte, weil ich unbedingt lernen musste.
Diese Lüge fiel mir erstaunlich leicht. Mein Ex-Freund Ben wusste ja nicht, dass er für mich schon längst keine Rolle mehr spielte, weil es keinen anderen Mann mehr in meinem Gefühlsleben gab. Es existierte nur noch dieser eine, der außergewöhnliche Mensch, ein faszinierender Fremder aus einem fernen Land, dessen Gedanke allein mir wohliges Herzklopfen bereitete. Ich sehnte mich so sehr nach ihm, wie ich mich noch nie nach jemandem gesehnt hatte!
In diesem Moment aber klopfte mein Herz laut, schnell und unruhig vor lauter Angst um ihn. Ich musste mich anstrengen, um nicht vollends in Panik zu geraten. Es ging ihm nicht gut, und das fühlte sich an, als würde ich innerlich zerrissen. Etwas sehr Schlimmes war mit ihm passiert! Er war schon wieder geschlagen worden! Das war unverzeihlich und absolut unerklärlich. Ausgerechnet Clay Banton musste so viel erleiden, ein Mann, der so liebenswürdig war, dass ich es kaum begreifen konnte. Warum um alles in der Welt war das nur so, dass gerade die besonderen Menschen, die sanften und kreativen, die ihrer Umwelt so unglaublich viel zu geben hatten, immer am allermeisten leiden mussten?! Das war so ungerecht und so entsetzlich traurig!
Meine Seele schmerzte und Tränen traten in meine Augen. Ich musste jetzt zwingend zu ihm. Ich musste ihm unbedingt beistehen, ihn trösten und ihm alles Gute tun, was in meiner Macht stand. Denn ich liebte ihn doch so sehr, jede Faser meiner Existenz gehörte seit gestern ihm allein. Im Grunde hatte ich nur noch eine einzige Möglichkeit, die eine vage Hoffnung auf Erfolg versprach: Zurück zu seinem Haus fahren und vor seiner Tür geduldig so lange auf ihn warten, bis er hoffentlich irgendwann nach Hause kommen würde.
Sean
Jemand klopfte urplötzlich laut gegen die Seitenscheibe an der Fahrerseite. Eine behandschuhte Hand wischte direkt neben meinem Kopf den Schnee von der Scheibe, und ich pisste mir dabei vor Schreck um ein Haar in die Hose.
In den letzten Minuten oder Stunden war mein menschliches Bedürfnis von allein immer drängender geworden, hatte mich zunehmend nervig meiner alleinigen Konzentration und Fixierung auf den Tod beraubt. Aber ich wollte jetzt nicht zurück in diese andere Welt da draußen, wollte auf keinen Fall aus meinem sicheren Kokon aussteigen und meine Blase entleeren, denn das erschien mir so beschissen irdisch zu sein, und damit hatte ich doch schon seit sehr langer Zeit abgeschlossen.
Mein Herz hämmerte unverändert hart und zog mir schmerzhaft den Brustkorb zusammen. Ich schwitzte, keuchte und rang nach Luft, biss mir auf die Zunge und presste unbehaglich meine Oberschenkel zusammen.
Jemand versuchte von außen hartnäckig die Fahrertür zu öffnen, aber ich hatte das Auto mitsamt aller Eingänge fest verschlossen. Schon wieder wurde viel zu laut an die Scheibe geklopft. Jemand schrie irgendwas da draußen.
Ich registrierte meine Hand, die bewegungslos auf meinem Schenkel lag, das Handy noch immer eingeschaltet und krampfhaft fest umschlossen. Ich war nicht sicher, ob ich meine Finger noch bewegen konnte, ob ich dieses Telefon je würde loslassen können. Ganz vorsichtig versuchte ich mich zu bewegen, lockerte meine verkrampften, schmerzenden Finger Millimeter um Millimeter. Es dauerte lange, bis das Handy schließlich von meinem Bein rutschte und irgendwo in den Fußraum fiel, wo ich es unbeachtet liegen ließ.
Das Hämmern gegen meine Seitenscheibe nervte mich unglaublich. Es störte penetrant meine Konzentration, also drehte ich sehr langsam meinen Kopf in diese Richtung. Mein Nacken schmerzte. Meine Muskeln waren total verkrampft. Ich fühlte mich wie eingerostet. Und Fuck, ich musste wirklich unglaublich dringend pinkeln! Mein Hals war ausgedörrt. Ich schluckte trocken und rang nach Luft. Mein Schädel würde platzen, wenn der Lärm nicht augenblicklich aufhörte!
Draußen war jemand und hatte scheinbar nicht vor, einfach wieder zu verschwinden. Ein Mensch stand dort, der mir bekannt vorkam, den ich aber im Dunkeln nicht richtig identifizieren konnte. Noch immer wusste ich nicht, wo ich meinen Jeep geparkt hatte. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand.
Seit Ewigkeiten hatte ich nichts anderes gesehen als Dunkelheit, das Innere meines Autos im schwachen Schein des Handydisplays. Mein Atem, der in der Kälte kondensiert war. Ich fühlte mich besiegt und war unglaublich frustriert darüber, dass mein letzter Wunsch mir nicht erfüllt worden war. Offenbar war mein Herz viel stärker, als ich angenommen hatte. Es schlug immer noch stark, zornig und kräftig in meiner Brust, unverändert viel zu schnell. Mein Puls raste und schickte mir beständig neuen Schweiß auf die feuchte Haut. Es hatte sich gar nichts verändert.
Meine übervolle Blase meldete mir überdeutlich und auf die unangenehmste Art, dass ich sehr wohl noch lebte. Der Schmerz in meinem Unterleib war mehr als quälend geworden, und ich musste mir jetzt bald was einfallen lassen. Der Gedanke schreckte mich ab, dass sich meine Blase bei Eintritt meines Todes unwillkürlich von allein entleeren würde. Und derjenige, der mich irgendwann tot hier finden würde, der würde mich dann mit peinlich vollgepisster Hose vorfinden. Diese Vorstellung war mir extrem peinlich, obwohl das totaler Schwachsinn war. Es konnte mir im Grunde schlicht egal sein, denn ich wäre ja dann schließlich nicht mehr da.
Jedoch sah es wohl nicht so aus, als würde mein sehnlichster Wunsch mir in nächster Zeit noch erfüllt werden. Das lebenswichtige Organ pumpte viel zu kräftig und unbeirrbar mein kochendes Blut durch meine unzähligen Adern. Mein Kreislauf funktionierte offenbar, aber mir war schwindelig.
„Sean Valmont! Mach sofort die Tür auf!" schrie Jemand hörbar ungeduldig, der draußen direkt vor der Fahrertür lauerte. Es war Derselbe, der diesen ärgerlichen Lärm verursachte, indem er immer wieder höchst belästigend gegen die Seitenscheibe klopfte. Ich kniff genervt die Augen zusammen und versuchte angestrengt, ihn in der Dunkelheit draußen zu identifizieren.
Offenkundig stand ein Mann dicht neben dem Auto. Sein Gesicht war pausenlos nah an der Scheibe. Er hatte das Glas vom Schnee befreit und glotzte total indiskret in den Innenraum meines Jeeps, was mich echt wütend machte. Trotzig streckte ich ihm meine vertrocknete Zunge heraus, nachdem ich sie mühsam vom Gaumen gelöst hatte. Ich würde meine Tür nicht für alles in der Welt für ihn öffnen, und wenn er sich auf den Kopf stellte. Für niemanden würde ich diese Tür noch mal öffnen! Hier drin war ich nämlich sicher. Genau hier gehörte ich in diesem Moment hin, und ich wollte nirgendwo anders sein. Ich musste nur noch ein bisschen länger hier sitzen bleiben. Nur noch ein wenig länger durchhalten. Ein Draußen gab es für mich schon längst nicht mehr. Hier drin lag meine ganze Zukunft. Und die konnte ja mittlerweile höchstens noch aus Minuten bestehen, oder?!
Blöd nur, dass meine Blase völlig anderer Meinung war. Das verdammte Organ wollte unbedingt geleert werden und schickte ständig lautere Alarmsignale an mein verwirrtes Gehirn. Fuck! So viel hatte ich doch gar nicht getrunken, oder? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Ich erinnerte mich an überhaupt nichts mehr. Alles war völlig verschwommen. Rein gar nichts hatte noch irgendeinen Sinn für mich.
„Sean, verdammt! Hör mir zu! Mach. Die. Tür. Auf!" forderte der Stalker draußen mich lautstark auf und zeigte durch das Glas wie blöde mit seinem Finger auf den Türgriff an der Innenseite der Fahrertür. Was wollte dieses lästige Arschloch von mir? Warum ließ er mich nicht einfach in Ruhe sterben? Träge starrte ich ihn an. Er glotzte auffordernd zurück.
Seine Visage war sehr nah an meiner, nur durch die dünne Seitenscheibe getrennt, und ich erinnerte mich langsam an dieses Gesicht. Ein Name fiel mir dazu ein, der unwillkürlich ein warmes Gefühl in meinem Bauch auslöste. Ein unbestimmtes Gefühl von Dankbarkeit und Vertrautheit kam in mir hoch. Louis Frédéric von Ravenhorst. Nur zögernd nahm der Name in meinem Kopf Gestalt an, ordnete sich irgendwo ein und knüpfte die richtige Verbindung zu dem Menschen vor meiner Wagentür. Ja, der Mann da dicht neben mir, nur durch das Glas und Blech des Jeeps von mir getrennt, war Louis.
„Mach. Die. Tür. Auf. Sean!" wiederholte Louis andauernd und zeigte drängend mit seinem Finger hinunter zu dem Griff in der Seitentür. Er versuchte hartnäckig, die Tür von außen zu öffnen, hatte aber natürlich keine Chance. Das amüsierte mich irgendwie, aber nicht sehr. Ich lächelte nur kurz, dann ließ ich es irritiert wieder sein. Mein Lächeln fühlte sich komplett falsch an, als würde es nicht zu mir gehören.
Überhaupt erschien mein eigener Körper mir seltsam fremd zu sein, als hätte ich ihn eigentlich schon seit Ewigkeiten verlassen. Aber leider stimmte das gar nicht. Ich steckte unverändert hier drin fest, in diesen verdammten Knochen und Muskeln, in diesem Fleisch und dem Blut. In dieser Gestalt war ich gefangen, und ich hatte keine Ahnung, warum oder wann das passiert war, oder welchen Sinn diese Existenzform eigentlich für mich haben sollte. Niemand hatte mich gefragt, ob ich mich in diesem Körper niederlassen wollte. Dieses Leben war mir einfach aufgezwungen worden, und dieser Gedanke machte mich wütend. Niemand hatte mir eine Wahl gelassen. Das war einfach über meinen Kopf hinweg beschlossen worden. Du bist Sean Valmont und du steckst jetzt in diesem Körper fest. Sieh zu, wie du damit fertig wirst! Das ist dein Problem und du musst allein damit klarkommen!
Verdammt! Ich wollte aber gar nicht mehr! Ich wollte zum Verrecken nicht mehr! Warum sollte etwas anderes darüber entscheiden, wie lange ich es noch in diesem Körper auszuhalten hatte?! Warum sollte ich es womöglich noch Jahrzehnte hier drin aushalten müssen?!
Die tosenden, haltlosen Gedanken verwirrten und deprimierten mich. Stöhnend hielt ich mir den pochenden Kopf fest. Louis klopfte erstaunlich geduldig gegen das Glas und riss mir damit fast den Schädel vom Hals. Fuck! Das war zu laut! Alles, was der lästige Typ veranstaltete, war entschieden zu laut! Ich sehnte mich so sehr nach Ruhe und Frieden. Ich wollte doch nichts weiter, als ganz in Ruhe dieses scheiß Leben zu beenden. „Mach. Die. Tür. Auf. Sean!" Immer wieder dieser Befehl aus weiter Ferne.
Und dann meine scheiß Blase, die mich zunehmend schmerzhaft quälte. Entweder leerte ich sie in der nächsten Minute, oder sie würde höchstwahrscheinlich zerplatzen. Konnte man an einer geplatzten Blase sterben? Wahrscheinlich schon, aber das wäre ja wohl voll eklig und total peinlich, dachte ich unangenehm berührt. Die eindeutig kompromittierende Vorstellung gefiel mir nicht. Außerdem tat diese Sache fürchterlich weh.
Also musste ich mangels Alternativen wohl oder übel die zweite Möglichkeit in Angriff nehmen. Unbehaglich stöhnend veränderte ich meine Sitzposition und kniff die Beine zusammen. Vorsichtig testete ich meine allgemeine Beweglichkeit, die in der Tat enorm eingerostet war. Wahrscheinlich hatte ich inzwischen seit etlichen Stunden reglos in meinem Wagen gesessen. Alle meine Muskeln waren fürchterlich steif und total verkrampft. Meine Knochen protestierten gegen die kleinste Bewegung mit einem Knacken.
So, jetzt konnte ich es aber unmöglich noch länger herauszögern. Ich hatte definitiv keine andere Wahl mehr. Ich musste sofort hinaus und auf der Stelle meine quälend übervolle Blase restlos entleeren! Denn selbstverständlich wollte ich auf gar keinen Fall den ziemlich wertvollen Innenraum von meinem schönen Jeep ausgerechnet mit meinem Urin beschmutzen. Einfach ins Auto pinkeln? Das wäre mir wahrlich nicht im Traum eingefallen, noch nicht mal in dieser komplett durchgedrehten Situation.
Ohne darüber nachzudenken oder noch länger zögern zu können streckte ich meinen Arm hastig nach dem Türgriff aus, hakte meine steifen, widerspenstigen Finger an den Griff und zog dran. Die Tür klackte und wurde augenblicklich von außen aufgerissen. Die Innenbeleuchtung sprang an, blendete mich tierisch, und ich schloss intuitiv stöhnend die Augen.
„Verdammt, Valmont! Was zur Hölle machst du hier? Was ist denn nur los? Was ist passiert? So was machst du nie wieder, klar?!" fiel der Mann sofort verärgert über mich her, besorgt, vorwurfsvoll, der schon viel zu lange neben meinem Auto auf mich gewartet hatte. Louis, dachte ich, diesen Menschen kenne ich schon seit etlichen Jahren. Instinktiv stufte ich ihn als ungefährlich ein, deshalb fiel es mir überhaupt nicht schwer, ihn einfach zu ignorieren, obwohl er sich nervig zu mir hinbeugte und an meiner Jacke zerrte.
Vorsichtig öffnete ich meine Augen und zwang mich zur Konzentration. Mühsam drehte ich mich auf dem Sitz zur Seite, schob meine Beine aus dem Auto und stemmte mich aus dem Fahrersitz hoch. Meine Beine wollten fast einknicken, als ich eilig aus dem Wagen stolperte. Mir war noch immer schwindelig.
„Sean, verdammt! Was ist los? Sprich mit mir!" forderte Louis mich viel zu laut auf. Er packte meinen Arm, den ich ihm sofort mit einem heftigen, verärgerten Ruck wieder entzog. Für diesen Mist hatte ich jetzt keine Zeit. Ich musste mehr als dringend pinkeln, und ich hatte keine Ahnung, wo ich mich überhaupt befand. Meine Beine trugen mich nicht richtig, deshalb torkelte ich verwirrt ein paar Schritte vom Auto weg durch den Schnee. Mit mühevoll aufgerissenen Augen starrte ich angestrengt in die Dunkelheit, auf der Suche nach Orientierung.
Die Innenbeleuchtung des Wagens erhellte die seltsam einsame Umgebung nur schwach. Anscheinend war ich in einem Wald gelandet, hatte das Auto auf diesem abgelegenen Waldweg geparkt. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie oder warum ich hierher gefahren war. Aber jetzt kam es mir sehr entgegen, denn hier konnte ich auf jeden Fall gefahrlos mein irdisches Problem lösen.
Louis Frédéric lief mir penetrant nach, ließ mich nicht aus den Augen und quatschte andauernd auf mich ein. Aber ich hörte ihn kaum noch, denn ich wollte ihn komplett ignorieren. Der Mann nervte total, und ich wollte mich nicht mit ihm beschäftigen. Ich wollte nur noch den quälenden Schmerz in meinem Unterleib loswerden. Es war mir ein absolutes Rätsel, wie der Kerl es überhaupt geschafft hatte, mich hier an diesem abgelegenen Ort aufzuspüren. Offenbar war ich doch ziemlich weit weg von jeglicher Zivilisation. Mit Sicherheit war ich nicht hierher gefahren, um gestört und schnell gefunden zu werden. Wie war es also Louis gelungen, mich zu finden? Und warum hatte er mich überhaupt gesucht? Was zur Hölle wollte er ausgerechnet jetzt von mir? Ich konnte echt niemanden gebrauchen.
Stöhnend machte ich noch ein paar Schritte, um von ihm wegzukommen, aber er folgte mir aufdringlich auf dem Fuße. „Hör zu, Valmont! Rede mit mir! Was ist los mit dir? Bist du betrunken?" forschte er pausenlos wissbegierig nach. Seine Stimme deprimierte mich, aber ich wusste nicht genau warum. Ich wollte diese Stimme jetzt nicht hören. Ich wollte nichts und niemanden mehr hören. Seine Aufdringlichkeit ging mir unglaublich auf die Nerven.
„Hau ab! Lass mich in Ruhe!" schrie ich ihn schließlich ungeduldig an und fuhr zornig zu ihm herum. Er blieb stehen, schaute mich verblüfft an, und ich schubste ihn spontan kräftig von mir weg. Mit beiden Händen traf ich Louis überraschend hart an der Brust, sodass er tatsächlich zurücktaumelte. Durch meinen Stoß verlor er das Gleichgewicht und plumpste mit dem Hintern rückwärts in den Schnee, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Verwirrt starrte ich ihn an, wie er da plötzlich neben meinem Jeep auf dem nassen Boden saß. Er taxierte mich so sprachlos, verletzt und vor den Kopf geschlagen, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam. „Tut mir leid. Ich muss pissen", erklärte ich ihm, obwohl ihn das einen Scheiß anging.
Hastig drehte ich mich herum und taumelte noch ein paar weitere Schritte von dem Mann und vom Auto weg, zu einer Stelle im Wald, wo es schon recht dunkel war. Hinter einem Baum konnte ich endgültig nicht länger warten. Nur zwei Sekunden später würde ich mir wahrhaftig in die Hose pieseln, das spürte ich nur zu deutlich.
Also griff ich hinunter und knöpfte eilig mit zittrigen Fingern meine Jeans auf. Ich holte meinen Schwanz heraus und stand eine Weile dort. Während ich ihn in der Hand hielt, spürte ich, wie verdammt schwer es mir fiel, meine total verkrampften Muskeln zu lösen. Ich hatte meinen Harndrang so lange stur unterdrückt, dass er sich jetzt nicht so einfach auslösen ließ. Fuck! Dieser Scheiß tat verflucht weh, und ich geriet beinahe in Panik deswegen, weil sich so lange nichts tat.
Es erschien mir, wie eine quälende Ewigkeit, bis meine Blase sich zögernd zur Leerung entschloss. Maßlos erleichtert stöhnte ich laut auf, als der Strahl endlich den Schnee traf. Das Gefühl der Linderung war überwältigend.
Dann stand ich ungefähr drei Stunden dort und pinkelte. Ohne es zu merken oder auch nur darüber nachzudenken versuchte ich irgendwann, Buchstaben in den Schnee zu pissen, vielleicht aus Langeweile. Ich schrieb ein ziemlich schiefes T, dann probierte ich ein O und ein N. Ehe ich es richtig mitbekam, hatte ich schon TONMOND in den weißen Schnee gepinkelt. Als das Wort fertig war, schaute ich mir die Buchstaben eine Weile reglos an.
Obwohl man es wirklich kaum erkennen oder lesen konnte, löste das Wort plötzlich etwas Heftiges in mir aus, was ich nicht richtig begreifen konnte. Entsetzt schrie ich auf, wandte panisch den Blick ab, ächzte laut und drückte wütend auch noch die letzte Flüssigkeit aus mir heraus.
Vollständig entleert und angenehm befreit packte ich meinen Schwanz wieder ein und stolperte eilig von dieser verfluchten Stelle hinter dem Baum weg, die mir auf einmal äußerst bedrohlich erschien. Automatisch ging ich zurück zum Auto, denn dort war das einzige Licht in der Umgebung, zu dem es mich irgendwie hinzog.
Erst beim Näherkommen bemerkte ich, dass Louis auf meinem Fahrersitz saß und mir bei offener Fahrertür abwartend entgegensah. Seinen Gesichtsausdruck, der im Schatten lag, konnte ich nicht deuten. Hinter meinen Jeep erkannte ich Louis' wunderschönen Aston Martin Vanquish S, den er wohl dort geparkt hatte. Ich fühlte mich unverändert mega aufgeputscht, mein Puls raste und schon wieder lief mir Schweiß in die Augen. Mein Herz hämmerte laut in meinen Ohren. Die kalte Nachtluft tat erstaunlich gut und ich zog sie tief in meine heißen Lungen. Mein Kopf war leergefegt.
Zögernd näherte ich mich meinem ältesten Freund, nicht wissend, was jetzt passieren würde, als Louis auch schon ausstieg und mit schnellen Schritten auf mich zukam. Noch bevor ich irgendwie reagieren konnte, hatte er mir schon einen überraschend kräftigen Schlag gegen die Schulter verpasst, und ich fiel wie ein nasser Sack rückwärts in den Schnee. Okay, das war die Retourkutsche von eben, dachte ich konfus und mühte mich ab, um so schnell wie möglich wieder aufzustehen. Auf keinen Fall wollte ich zu Louis Frédéric von Ravenhorst aufschauen müssen.
Schließlich standen wir dicht voreinander neben dem offenen Jeep im Schein der Innenbeleuchtung und schauten uns gegenseitig prüfend in die Augen. Das Schweigen dauerte gefühlt ewig, während ich weiterhin nach Luft rang und mir nervös über die Stirn wischte.
„Du hast eine Überdosis, du Idiot!" glaubte Louis schließlich mit Kennerblick festzustellen. „Schwachsinn!" fuhr ich ihn wütend an, echt erbost, weil er mich Idiot genannt hatte. „Mann, guck dich doch an, Valmont! Du bist total überdreht! Du hast entschieden zu viel Koks intus!" fauchte Louis zornig. Offenbar gefiel ihm nicht, was er sah. „Mir geht's hervorragend!" behauptete ich stur, „Was zur Hölle willst du eigentlich hier?" Er lachte freudlos laut auf. „Das könnte ich ja wohl eher dich fragen!" Beschwörend fixierte er mich. „Was machst du hier, Sean?" fragte er überdeutlich.
Seit Blick drängte auf eine ehrliche Antwort, aber ich hatte überhaupt keinen Bock, ihm irgendetwas zu erklären. Deshalb schwieg ich störrisch und wich seinem Blick aus. Er seufzte schwer. „Was willst du hier, Sean? Warum bist du hier hingefahren? Warum hast du mir am Telefon nicht mehr geantwortet?" bedrängte er mich mit nervigen Fragen, auf die ich nicht mal selbst eine Antwort wusste. Sein aufdringlicher Blick brannte sich in meine Seele.
„Fuck, kann ich nicht mal meine Ruhe haben? Ich wollte einfach nur mal meine Ruhe haben!" kläffte ich ihn schließlich böse an, als ich die Anspannung in der Luft nicht länger aushielt. „Das glaube ich dir nicht!" hielt er sofort dagegen, und ich stöhnte frustriert auf. „Ich bin nur hierher gefahren, um einmal allein zu sein! Und jetzt kommst du und gehst mir total auf den Sack!" knurrte ich und wollte mich von ihm wegdrehen.
Aber er packte sofort meine Schulter, drehte mich zu sich hin und fixierte mich eindringlich. „Das stimmt nicht, Sean! Verdammt, ich kenne dich viel zu gut, mein Lieber! Du bist total fertig mit der Welt! Du bist völlig durchgedreht! Es geht dir hier absolut nicht ums Alleinsein!" behauptete Louis echt nervtötend.
Am liebsten hätte ich ihn geschlagen, damit er mich endlich in Ruhe ließ. Es ging mir wahrlich nicht gut, ich war verwirrt und aufgeputscht, und ich hatte keine Ahnung, wie lange ich seine aufdringliche Neugier oder meinen beängstigenden Zustand noch ertragen konnte. Ich bereute es, die Tür geöffnet zu haben und ausgestiegen zu sein, denn jetzt musste ich mich mit diesem besorgten Mann beschäftigen, der mich viel zu gut kannte.
„Wie zur Hölle hast du mich gefunden?" fragte ich schließlich, um schnellstmöglich das Thema zu wechseln. Er seufzte nochmal schwer. „Mann, du bist so ein Arsch, Sean!" stöhnte er erschlagen, „Du hast mich am Telefon einfach auflaufen lassen. Du hast keinen Ton mehr von dir gegeben, und ich habe mir entsetzliche Sorgen um dich gemacht! Ich musste dein verdammtes Handy orten, um dich hier im Wald aufzuspüren."
Ich erinnerte mich an mein Handy in meiner Hand und ärgerte mich schwarz, dass ich es nicht einfach ausgeschaltet und den Akku entfernt hatte. Damit hätte ich diese total lästige Auseinandersetzung mit Louis ganz einfach vermeiden können, dachte ich frustriert. Aber ich Idiot hatte es gründlich verkackt, hatte mein Handy eingeschaltet gelassen, und der allmächtige Louis Frédéric hatte es natürlich irgendwie fertiggebracht, das verfluchte Teil einfach zu orten. Mir war nicht klar, wie er das geschafft hatte, aber es wunderte mich kein bisschen.
„Bitte, Louis. Lass mich einfach in Ruhe!" ächzte ich überfordert und drehte mich endgültig von ihm weg. Ratlos starrte ich hinaus in den dunklen Wald. Ich hatte keinen Schimmer, was ich jetzt tun sollte. Ich fühlte mich miserabel. Etwas stimmte ganz und gar nicht mit mir und meiner Welt, aber ich hatte keine Idee, was genau das eigentlich war. Auf gar keinen Fall wollte ich mich an etwas erinnern oder irgendwas analysieren, aber Louis zeigte kein Erbarmen. Hartnäckig blieb er bei mir stehen und folgte meinem Blick.
Nochmal war es eine lange Zeit still, währenddessen ich Mühe damit hatte, ruhig zu atmen und mir nichts anmerken zu lassen. Mein Körper war so aufgedreht, dass ich an sämtlichen Enden vegetativ zitterte. Krampfhaft atmete ich ein und aus. Mein Herz hämmerte wie verrückt und wollte scheinbar nie wieder damit aufhören. Ich hatte unverändert so großen Durst, dass ich letztendlich verzweifelt in die Knie ging, ein bisschen Schnee zusammenklaubte, der sauber aussah, und ihn mir gierig in den Mund steckte. Mann, das kühle Nass tat überwältigend gut!
„Du musst dich jetzt erst mal ganz dringend beruhigen, Sean", bemerkte Louis leise, „Was zur Hölle hast du dir nur alles eingefahren?" Ich sparte mir eine Antwort und steckte mir noch mehr Schnee in den Mund. Ich wünschte mir, er würde endlich verschwinden. Ich wünschte mir dringend, mein verfluchtes Herz würde auf der Stelle explodieren.
Plötzlich drehte Louis sich kurzentschlossen um, sagte im Befehlston: „Warte hier!" und ging zu seinem Auto, worüber ich wirklich froh war. Ich überlegte, jetzt schnell in den Jeep zu steigen und wegzufahren. Ich war nicht sicher, diesen Scheiß hier noch länger ertragen zu können. Andererseits wusste ich gar nicht wohin. Das Problem schien irgendwie in mir selbst zu stecken, also war eine Flucht sowieso gar nicht möglich. Außerdem war da irgendwas an Louis, was mich bei ihm festhielt. Irgendwie schien er eine Chance zu sein. Auch wenn mir nicht im Geringsten klar war, worin diese Chance für mich überhaupt noch bestehen konnte.
Clay
„Ich werde sehr bald hier abhauen", informierte ich Sergej aus keinem besonderen Grund.
Behaglich ausgestreckt lag ich auf seiner bequemen, weißen Ledercouch und fühlte mich wunschlos glücklich. Meine Füße waren nackt und ruhten dicht neben ihm, denn er saß am anderen Ende des Sofas. Alles, was jemals schlecht in mir gewesen war, jeder kleinste Schmerz und jeder elende Gedanke, war vom Heroin zuverlässig dick in weiche Zuckerwatte gepackt, fest verschnürt und in den hintersten Winkel meines Gehirns verfrachtet worden. Ich erinnerte mich, aber die Erinnerung tat jetzt kein bisschen weh. Alles Unangenehme war sehr weit weg und konnte mich nicht mehr erreichen. Mein zugeknalltes Gehirn meldete mir nur noch reine Behaglichkeit und Zufriedenheit. Mir war wohlig warm und alles an mir war höchst angenehm gedämpft, als wäre ich selbst vollständig in süße Zuckerwatte gehüllt worden.
Ja, Sergejs shore war eben doch unverändert und mit Abstand die allerbeste! Er war mindestens so dicht wie ich, hatten wir uns doch inzwischen beide zwei Ladungen in die Venen gejagt, wobei er mir beim zweiten Mal nicht mehr behilflich sein musste. Außerdem war die Wodkaflasche mittlerweile halb leer, und ich fühlte mich vom Alkohol federleicht.
Im Fernsehen lief irgendeine Serie, die ich noch nie gesehen hatte. Es handelte sich anscheinend um eine abendliche Daily Soap, eine total seichte Seifenoper, die Sergej offensichtlich täglich mitverfolgte, denn er erklärte mir andauernd, wer wer war und wer was mit wem zu tun hatte. Obwohl mich der Unsinn nicht die Bohne interessierte, störte mich sein Gequatsche nicht.
Jetzt drehte er seinen typisch ukrainischen Kopf zu mir und meinte gutmütig: „Du kannst ruhig lange bleiben, Freund. Meine Frau kommt mit Kindern erst Freitag zurück." Mit trägen Augen fixierte ich ihn und lachte verblüfft, weil es mich überraschte und irgendwie berührte, dass mein Dealer mich einlud, noch viel länger bei ihm zu wohnen. Meinte er das etwa ernst? Hatte er tatsächlich Freitag gesagt? Heute war doch erst Montag, bis Freitag war es also noch eine Ewigkeit!
Plötzlich streifte mich die verwirrende Möglichkeit, dass Sergej vielleicht wahrhaftig Interesse an mir haben könnte und mich aus diesem Grund so lange bei sich in der Wohnung behalten wollte. Unwillkürlich aufgeregt spurtete mein Herz bei diesem Gedanken einen Moment lang los.
Bis mir klar wurde, dass er mich einfach nur nicht richtig verstanden hatte. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Nein, ich meinte doch, dass ich diese Stadt demnächst verlassen werde", stellte ich die Sache richtig.
Seine Reaktion verblüffte mich schon wieder. So erschrocken, wie die Betäubung der shore es ihm noch erlaubte, riss er die Augen auf und taxierte mich. „Du willst von hier weggehen?" fragte er hörbar entgeistert nach. Ich zuckte mit den Achseln und angelte mir eine Marlboro aus der Schachtel auf dem Tisch. Mit meinem Zippo steckte ich sie an und nahm einen tiefen Zug. Dann blickte ich Sergej prüfend an, weil mir sein offensichtliches Entsetzen nicht einleuchtete. „Ja, ich hau hier sehr bald ab", bestätigte ich lächelnd, denn dieser Gedanke fühlte sich absolut richtig und befreiend an, auch wenn mir nicht ganz klar war, weshalb eigentlich.
„Warum?" wollte Sergej wissen und wandte sich mir halbwegs aufgeschreckt zu. Nochmal hob ich gleichgültig die Schultern. „Mich hält hier nichts mehr", gab ich eine ziemlich lahme Erklärung ab, die Sergej sofort mit einem heftigen Kopfschütteln quittierte. „Das kannst du nicht machen, Clay! Du kannst nicht abhauen! Du bist doch hier ein großer Star! Die Menschen lieben dich! Du kannst nicht einfach gehen, du musst doch für uns auf Bühne stehen!" ereiferte er sich und guckte mich beschwörend an.
Beinahe hätte ich ihn lauthals ausgelacht, verschluckte das Lachen aber, weil ich ihn nicht kränken wollte. „Ich bin kein Star...", kicherte ich amüsiert, nicht wissend, wie er auf so einen Blödsinn kam, doch er schüttelte nochmal entschieden den Kopf und behauptete: „Du bist ein Star, Freund! Die Menschen lieben dich! Du machst schöne Musik für uns und spielst für uns Theater! Das bedeutet den Leuten was, Clay!"
Diesmal schaffte ich es nicht, mein spöttisches Lachen abzuwürgen. „So ein kompletter Scheiß!" prustete ich belustigt los. „Das ist kein Scheiß!" erwiderte Sergej und hörte sich tatsächlich ein wenig gekränkt an, „Die Menschen lieben dich, Clay. Sie wollen dich auch weiter auf Bühne sehen." Ich blies spöttisch Luft aus. „Ja klar, Sergej! Die Menschen lieben mich so sehr, dass sie mich mit Steinen von der Bühne jagen und mich andauernd verprügeln!" würgte ich seine merkwürdige Begeisterung abfällig ab. Eigentlich sollte es sich spöttisch anhören, aber der Gedanke und die Erinnerung taten mir irgendwo weh.
Verwirrt brach in den Blickkontakt ab und nahm noch einen tiefen Zug von der Marlboro. Sergej schüttelte den Kopf. „Nein, das sind doch nur wenige Idioten, die so tun, Clay! Die allermeisten Menschen lieben dich und wollen dich nicht verlieren!" bekräftigte er stur.
Ich zog die Augenbrauen zusammen und musterte ihn misstrauisch. Seine Worte klangen irritierend aufrichtig und überzeugt. Ich war mir nicht sicher, ob er mich nicht gerade verarschen wollte. Aber auch sein Blick schien ehrlich zu sein. Vergeblich suchte ich so etwas wie Sarkasmus oder Spott bei ihm, und das wollte mir nicht einleuchten. Stattdessen klopfte mein Herz wieder stärker, weil sich mein Verdacht verstärkte, dass dieser Mann auf eine bestimmte, geile Art an mir interessiert sein könnte.
„Sergej...", winkte ich konfus ab, als er plötzlich über meinen nackten Fuß strich, als wollte er ihn streicheln. „Bitte geh nicht weg, Clay. Das kannst du uns nicht antun!" bat er mich wahrhaftig, sodass ich ihn irritiert anstarrte. Eine Weile lang war es still, während ich seine Worte sacken ließ und seine Berührung in mich aufnahm. „Meinst du uns oder dir?" fragte ich ihn schließlich, bevor ich mich bremsen konnte. Nervös zog ich an meiner Zigarette, denn diese Situation wurde eindeutig spannend. Sergej überlegte lange und erwiderte dann verwirrt: „Wo ist der Unterschied?"
Schnell schüttelte ich den Kopf und ruderte zurück. „Nein, da ist keiner. Vergiss es!" Mit blöde klopfendem Herzen wandte ich mich ab und fixierte stattdessen den Fernseher, wo gerade irgendwelche grottenschlechten Schauspieler sich recht erfolglos abmühten, um einen authentischen Streit zu simulierten.
Sergej streichelte jetzt eindeutig meinen nackten Fuß. Ich spürte seine zärtlichen Finger überdeutlich auf meiner Haut und hatte keinen blassen Schimmer, was ich davon halten sollte. Überhaupt hatte mein Dealer sich mir überraschend vertraulich präsentiert, seit wir uns auf dem Friedhof getroffen hatten. Er hatte sich angeblich Sorgen um mich gemacht. Er hatte meinen verletzten rechten Oberschenkel mit seinem Handtuch umwickelt und die Einstiche an meinen Füßen sorgfältig mit einem Wattebausch abgetupft.
Und jetzt bat er mich tatsächlich, bei ihm zu bleiben, nicht nur in seiner Wohnung, sondern auch in dieser Stadt. Das kapierte ich nicht, denn er war nur mein Dealer und ansonsten hatten wir eigentlich noch nie irgendwas miteinander zu tun gehabt. Ich konnte mir nicht erklären, warum er sich überhaupt Gedanken um mich machte, mich für wichtig erachtete und nicht auf mich verzichten wollte.
Trotzdem berührte diese Tatsache mich tief, schmeichelte mir auf eine direkte Art. Dankbar lächelte ich ihn an und stellte mir unwillkürlich vor ihn anzufassen. Seine unerwartete Freundlichkeit törnte mich an. Ich verspürte eine ganz sanfte, betäubte Lust auf Sex. Ob er es wohl hinnehmen würde, wenn ich mich ihm auf diese Weise nähere, überlegte ich mit klopfendem Herzen. Konnte ich ihn einfach so küssen? Oder würde er mich wütend wegjagen? Schließlich war der Mann verheiratet und hatte mehrere Kinder. Mir wäre bisher nicht im Traum eingefallen, dass ausgerechnet Sergej auch an Männern interessiert sein könnte.
Die vage Vorstellung erregte mich prompt. Aufgeregt schnappte ich nach Luft, bis eine ziemlich träge Stimme in meinem Kopf mich verärgert zur Ordnung rief: Hör sofort auf mit dem Scheiß! Du drehst schon wieder total durch, denkst gierig hechelnd an Sex, während du mit einem Familienvater zusammen bist, von dem du so gut wie nichts weißt. Mann, reiß dich zusammen, Banton! Mit dir stimmt doch ganz gewaltig was nicht! Das ist doch alles total harmlos! Ihr habt euch gemeinsam zwei Knaller verpasst, er hat dir beim ersten geholfen, und sonst wird hier überhaupt nichts passieren, klar!?
Ich seufzte und betrachtete ihn. Er streichelte gedankenverloren über meinen Fuß und lächelte mich an. Seine Augen waren so dunkel, dass ich seine Pupillen nicht erkennen konnte. „Nein, du gehst nicht weg, oder, Clay Banton? Du wirst auch weiter für uns schöne Musik machen und auf der Bühne Geschichten spielen." „Warum willst du das?" konnte ich mich nicht zurückhalten. Er war offenkundig verwirrt. „Was meinst du?" „Warum willst du nicht, dass ich die Stadt verlasse, Sergej?" erkundigte ich mich ungeduldig, weil mir das zu hoch war.
Der Dealer war gut im Geschäft, er hatte jede Menge Kunden, mein Weggang würde ihn wohl kaum in den Ruin treiben. Und eine andere Erklärung gab es nicht. Bestimmt erlaubte er sich lediglich einen seltsamen Scherz mit mir!
Sergej betrachtete mich lange, während er nach den richtigen Wörtern suchte. „Weil du wichtig bist", sagte er endlich leise. „Für wen?" hakte ich ungehalten nach und zog meinen Fuß aus seinem Griff, weil sein Streicheln mich zunehmend nervös machte. Irritiert setzte ich mich auf.
Vor etlichen Jahren war ich nur aus einem Grund in diese Stadt gekommen, weil es nämlich hier eine Kunsthochschule gab, die angeblich ganz gut sein sollte. Ich hatte die wahnwitzige und tollkühne Idee gehabt, an dieser Schule Musik und Malerei zu studieren, um vielleicht irgendwann und irgendwie damit richtig viel Geld verdienen zu können. Aber dann war alles anders gekommen. Die Wichser hatten mich von der blöden Penne geworfen, lange bevor ich auch nur irgendeinen Abschluss erreichen konnte. Meine ziemlich vagen Zukunftspläne landeten daraufhin wütend in der Mülltonne.
Sergej beobachtete mich erstaunt, er verstand meine Irritation nicht. „Du bist Clay Banton", bekräftigte er, als würde das alles erklären. Stöhnend drückte ich meine Kippe in den Aschenbecher und wischte mir aufgewühlt über das Gesicht. „Na und? Was bedeutet das schon?Du bist Sergej...." Mir fiel auf, dass ich nicht mal Sergejs Nachnamen kannte. Bisher hatte ich wirklich nicht viel mit ihm zu tun gehabt, und ich hatte ihm auch meinen Nachnamen nie verraten. Aber offenbar kannte er ihn aus anderen Quellen.
„Schwarz", lächelte er jetzt. „Was?" „Mein Name ist Sergej Schwarz", verriet er mir und zündete sich eine Zigarette an. „Das hört sich nicht sehr ukrainisch an", bemerkte ich verwundert, obwohl das nun wirklich keine Rolle spielte. Sergej lachte amüsiert. „Banton ist auch nicht gerade typisch isländisch", hielt er dagegen und hatte recht. Eine Weile lächelten wir uns an, bis mein Herz wieder spürbar losklopfte und ich mich irritiert abwandte. „Du bist Sergej Schwarz", murmelte ich leise, aber ich wusste gar nicht mehr, warum ich das tat. Irgendwas verwirrte mich hier enorm, und das gefiel mir immer weniger.
„Das kann man gar nicht vergleichen, Clay", nahm Sergej das unselige Thema wieder auf, „Ich bin nur irgendjemand, aber du bist ein bekannter Mann, ein großer Künstler." Je öfter er so etwas Absurdes über mich sagte, umso mehr nervte es mich. Ich wollte das nicht hören, denn es schien mich unter Druck zu setzten, und das konnte ich nicht leiden. „Ich bin kein großer Künstler!" stellte ich verärgert klar und schaute ihn strafend an. „Hör auf damit!" forderte ich ihn ungeduldig auf, aber sein Lächeln wurde nicht geringer, denn er war anderer Meinung. „Doch, Clay, du bist berühmt in dieser Stadt. Und zwar, weil du große Kunst machst", beharrte er grinsend, streckte seinen Arm aus und streichelte über meinen Oberarm. „Bitte glaube das doch. Du kannst stolz auf dich sein", versuchte er mich aufzumuntern. „Hör auf mit dem Scheiß!" knurrte ich wütend und entzog ihm meinen Arm, indem ich mich unauffällig vorbeugte und noch einen großen Schluck Wodka nahm.
Dieses Gespräch gefiel mir nicht. Es ging hier um Dinge, die mich irgendwo berührten, und damit wollte ich mich jetzt nicht beschäftigen. Außerdem hatte ich den zunehmenden Verdacht, dass der Mann sich gerade gewaltig über mich lustig machte.
Aber Sergej war unglaublich stur, nahezu besessen von seiner scheiß Illusion. „Bitte, Clay, du bist so ein Gewinn für diese Stadt. Du darfst nicht einfach weggehen", beschwor er mich und hörte sich dabei traurig an. Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief ein. Dann schaute ich ihn mit schmalen Augen an. „Ich verschwinde hier, Sergej, und zwar so schnell wie möglich", bekräftigte ich und meinte es ernst. Sein dummes Geschwätz bestärkte mich nur in dem Gefühl, mit meinem Weggang den einzig richtigen Schritt zu tun.
Er zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete mich nachdenklich. „Du glaubst mir nicht", stellte er besorgt fest. Freudlos lachte ich auf. „Nein, Sergej, ich glaube dir nicht, denn du redest so einen Scheiß! Kein Mensch wird mich vermissen, wenn ich weg bin. Die Menschen hassen mich total, sie schlagen und beschimpfen mich und lachen mich andauernd aus!" erzählte ich ihm spontan und bereute es im gleichen Moment, weil seine Augen sich erschrocken weiteten. Meine Eingeweide zogen sich zusammen. Fuck! dachte ich, ich muss jetzt unbedingt sofort damit aufhören.
Aber es war zu spät, denn böse Erinnerungen kamen unwillkürlich in mir hoch. Nach meinem Rausschmiss aus der Kunsthochschule hatte ich damals die Stadt sofort verlassen wollen. Aber dann war da plötzlich Sean Valmont gewesen, der mich immer wieder hartnäckig in seine kreativen Experimente mit einbezog und mich damit irgendwie unbemerkt an diesem Ort festhielt. Und später war total unverhofft mein kleiner Schmetterling in mein wirres Leben geflattert. Eliza Laser hatte mein inneres Bedürfnis zu flüchten im Laufe unserer Beziehung vollständig aus mir getilgt.
Aber das war jetzt anders, denn ich hatte meine beiden wichtigsten Gründe zu bleiben an einem einzigen Abend verloren. Die plötzliche Erinnerung an diese Ereignisse, die noch verdammt frisch waren, tat mir schlagartig so weh, dass ich hart schlucken musste.
Um mich abzulenken, schüttete ich mir schnell neuen Wodka ein. Konfus und nervös schaute ich mich auf dem Tisch um, aber es war keine shore mehr dort. Sergej hatte sein kleines pack mit mir zusammen geleert, und ich hatte keine Ahnung, an welchem Ort in der Wohnung er sein Heroin aufbewahrte.
Und ich wollte jetzt unbedingt noch sehr viel mehr Heroin konsumieren. Die unerwünschten Bilder in meinem Kopf machten mir mehr zu schaffen, als ich im Moment verpacken konnte. Nein, ich konnte und wollte mich nicht damit beschäftigen. Das verwirrte mich, tat enorm weh und störte meinen seligen Herointrip. Eigentlich wollte ich überhaupt nicht mehr nachdenken, deshalb hatte ich mich doch schließlich stoned gemacht. Aber offensichtlich reichte die Menge der Substanz noch längst nicht aus, ich brauchte ganz dringend noch sehr viel mehr davon!
Hilfesuchend wandte ich mich an Sergej und fixierte ihn flehend. „Was ist jetzt, Sergej, gibst du mir die fünf Gramm bis morgen auf Kombi?" fragte ich ihn geradeheraus im drängenden Bemühen, endlich das Thema zu wechseln und die grausamen Bilder in meinem Kopf zu vertreiben. Ich war wütend, weil der Arsch mich mit seinem blöden Gequatsche an diesen verdammten Scheiß erinnert hatte.
„Wer hat dich geschlagen, Clay? Wer hat dich beschimpft und ausgelacht?" horchte Sergej mich aufmerksam aus. Ich schüttelte entschieden den Kopf, weil ich darüber ganz sicher nicht mit ihm sprechen wollte. „Irgendwer. Ist doch egal!" schmetterte ich ihn ab und verzog genervt das Gesicht. „Du wolltest mir erzählen, was dir passiert ist", erinnerte er mich gutmütig lächelnd, und ich wollte ihm dieses Lächeln gerne aus dem Gesicht schlagen. „Nein, das ist doch Schwachsinn! Es gibt nichts zu erzählen! Da steh ich doch drüber!" behauptete ich so cool wie möglich. „Du hast es mir geschworen!" meinte Sergej vorwurfsvoll. „Ich erzähle es dir später, okay?" schlug ich hastig vor, obwohl ich mich an so einen Schwur nicht erinnerte.
„Aber jetzt noch mal wegen der shore...", fing ich drängend an, als der nervige Typ mich auch schon unterbrach. „Du verstehst es nicht?" fragte Sergej mich leise, aber erstaunlich intensiv. Er ignorierte dreist meinen lebensnotwendigen Wunsch, mir auf der Stelle noch mehr shore zu geben, und war hörbar verwundert. Prüfend schaute er mich an. „Was verstehe ich nicht?" fragte ich verwirrt zurück. „Warum ich nicht will, dass du hier weggehst, Clay?" „Nein, ich verstehe es nicht, Sergej", gab ich seufzend zu, hob die Schultern und erwiderte seinen Blick, während ich noch einen Schluck Wodka nahm. Dieses Zeug machte sich in meinen Gehirn bemerkbar.
Er lächelte friedlich. „Hör mal, wie lange kennen wir uns jetzt schon?" wollte er wissen. „Ein paar Jahre?" schätzte ich unsicher. Er lachte belustigt. „Nein, Clay, wir kennen uns schon seit sehr vielen Jahren! Du bist ein sehr guter Freund für mich! Warum wundert es dich also, dass du mir wichtig bist? Ich habe dich mitgenommen, damit du dich nicht umbringst! Warum verstehst du nicht, dass du nicht weggehen sollst?"
Darauf wusste ich keine Antwort. Ich war verwirrt, denn ich hätte Sergej niemals als sehr guten Freund oder wichtig angesehen. Der Typ war einfach nur ein korrekter Dealer für mich, den ich gerne in Anspruch nahm. Gut, ich kannte ihn tatsächlich schon recht lange. Kurz nachdem ich in diese Stadt gekommen war, hatten wir uns auf der Szene kennengelernt. Damals war er noch unverheiratet und kinderlos gewesen. Er fuhr ständig mit seinem Fahrrad durch die Gegend und hatte seine shore hinten im Rücklicht versteckt. Wir waren immer ganz gut miteinander ausgekommen. Aber im Grunde war es mir total scheißegal, was mit ihm passierte. Jedoch jetzt fragte ich mich verunsichert, was dieser Umstand eigentlich über mich aussagte.
„Das ist traurig, Clay. Du hältst nicht viel von dir selbst", glaubte Sergej festzustellen. Ich glotzte ihn ziemlich blöde an und nahm noch einen Schluck. Das scheiß Zeug schmeckte echt nach gar nichts, wirkte aber recht gut, wie ich befriedigt feststellte. „Du schenkst anderen Menschen so viel mit deiner Kunst. Du erfreust sie auf der Bühne mit Musik, Theater und Malerei. Aber das ist dir selber nicht klar. Du kannst dir nicht vorstellen, wie wichtig du für Menschen bist. Die würden dich alle schrecklich vermissen, wenn du weggehst", redete Sergej Schwarz auf mich ein und guckte mich eindringlich an.
Irgendwie ging mir sein verfluchtes Getue um meine Person langsam an die Substanz. Unwillig stöhnte ich auf. „Sag mal, hast du nicht zugehört? Die hassen mich! Die lachen mich aus und verprügeln mich! Die würden mich höchstens als Prügelknaben vermissen!" wiederholte ich, schwankend zwischen Zorn und Spott.
Aber der Mann schüttelte schon wieder den Kopf. „Nein, das sind nur ganz wenige Idioten, die das tun. Die allermeisten Menschen lieben dich und deine Kunst!" beharrte der Arsch total eigensinnig, dabei konnte er das in Wahrheit gar nicht wissen. Verzweifelt stöhnte ich auf. „Ist schon gut", wollte ich ihn geschlagen abwehren, aber er schüttelte weiter mit seinem Ukrainerdickkopf. „Nein, das ist nicht gut, Clay. Das ist traurig. Du musst dich selbst lieben", behauptete der Mann fucking unbeirrbar.
Unbehaglich wand ich mich auf dem Sofa herum. Shit, das Gespräch mit Sergej bewegte sich auf eine Richtung und Intensität zu, die mir immer weniger gefiel. Etwas total Bescheuertes kratzte hinterhältig an meiner Zuckerwatten-Zufriedenheit, und das wollte ich auf keinen Fall hinnehmen. Ich spürte diesen vertrauten Zorn in mir aufkommen, den ich mit Hilfe der shore längst überwunden zu haben geglaubt hatte. Verzweifelt taxierte ich ihn und grübelte nach einer Möglichkeit, die Situation für mich augenblicklich sehr viel angenehmer zu machen.
„Sag mal, würdest du bitte deine Hand auf meinen Bauch legen?" fragte ich ihn hastig in dem übermenschlichen Bedürfnis, ihn auf der Stelle zum Schweigen zu bringen, nach dem Erstbesten, was mir dazu einfiel. Das gelang mir auf Anhieb, denn er starrte mich verblüfft an, wirkte wie vor den Kopf gestoßen. Unsicher lächelte ich und zog ungeduldig mein Hemd und Unterhemd aus der Jeans. Hoffentlich macht er das jetzt einfach, flehte ich innerlich nervös, legt mir seine verdammte Hand auf den Bauch, dann wäre doch sofort alles wieder in Ordnung. Der Gedanke machte mich ganz kribbelig.
„Ich soll dich anfassen?" erkundigte Sergej sich total bescheuert. Er guckte mich an, als hätte ich ihm gerade einen unsittlichen Vorschlag gemacht. Verlegen schüttelte ich den Kopf. „Nein, nur deine Hand auf meinen Bauch legen", erklärte ich und hob mein Hemd hoch, um ihm meinen nackten Bauch zu zeigen. Er wandte sofort geschockt den Blick ab, als hätte ich den Verstand verloren. Offensichtlich konnte er mit meiner Bitte überhaupt nichts anfangen. „Clay... nein... das mach ich nicht... das ist merkwürdig...", stotterte er irritiert.
Das lief ja mal überhaupt nicht gut. Sergej würde seine Hand nirgendwo hinlegen, das machte er mit seiner ablehnenden Reaktion und Körpersprache mehr als deutlich. Enttäuscht ließ ich mein Hemd wieder sinken. Ich sehnte mich ganz erbärmlich nach einer Hand auf meinem Bauch und hatte keinen Plan, was ich jetzt tun sollte. Wenigstens hielt er endlich die Klappe.
Das folgende Schweigen wurde jedoch ellenlang und mehr als unangenehm. Wir schauten beide verlegen in eine andere Richtung. Sergej starrte pikiert auf den Fernseher, wo es gerade eine sterile Liebesszene gab, und ich fixierte frustriert die Wodkaflasche. Mann, der Penner ist so ein Arsch! dachte ich wütend. Erst quatscht er davon, wie wichtig ich für ihn und wer weiß wen wäre, und dann erfüllt er mir noch nicht mal den kleinsten verdammten Wunsch!
Sergejs Abfuhr deprimierte mich weitaus mehr, als mir lieb war. Sehnsüchtig schaute ich mir die Packung Insulinspritzen an, die aufgerissen auf dem Tisch lag. Vier Pumpen hatten wir schon verbraucht, blieben immer noch sechs übrig. Allerdings hatte ich Sergej nur etwas über dreißig Euro geben können, und ich zweifelte daran, ob er mir noch eine Ladung vorstrecken würde.
Gerade hatte ich mich entschlossen, ihn direkt danach zu fragen, als er sich plötzlich zu mir drehte. „Was ist dir passiert, Clay? Du wolltest mir erzählen!" drängte Sergej mich erneut und betrachtete mich unglücklich. Mit Sicherheit überspielte er bewusst meinen Wunsch nach seiner Hand auf mir. Womöglich dachte er jetzt, ich wäre nicht ganz normal, aber das interessierte mich nicht. Ich war total wütend und enttäuscht. Es nervte mich, dass die verfluchte shore so schnell ihre beruhigende Wirkung verlor. Vielleicht waren aber auch nur meine inneren Dämonen stärker, die mein Dealer mit seinen bekloppten Behauptungen geweckt hatte.
„Nein, Sergej, ich erzähle dir überhaupt nichts!" erwiderte ich trotzig, denn ich sah gar nicht ein, ihm einen Gefallen zu tun, wenn er mir nicht mal seine Hand gönnte. „Du hast versprochen!" beschwerte er sich, „Etwas Schlimmes ist dir passiert! Du bist verletzt worden! Du wolltest dich deshalb umbringen!" „Das wollte ich nie!" schrie ich angepisst, aber er überhörte meinen Einwand. „Du bist viel zu traurig, Clay. Das ist nicht gut. Du musst glücklich sein. Du bist großer Künstler", ließ der Arsch es einfach nicht gut sein. Er beobachtete mich interessiert und ich hatte den alarmierenden Eindruck, als würde er sich insgeheim köstlich über mich amüsieren.
Das brachte mein Fass zum Überlaufen. Zornig sprang ich auf und lief wie aufgescheucht barfuß und planlos in seinem Wohnzimmer herum, immer die paar Meter hin und her, um meine Gedanken zu ordnen. Sergej ließ mich nicht aus den Augen und wartete sichtbar gespannt ab, was jetzt passieren würde.
Schließlich fuhr ich zu ihm herum und zeigte mit dem Finger auf ihn. „Okay, großer Dealer, dann erzähle ich dir jetzt mal, was für ein Künstler ich bin! Ich mache überhaupt nichts für andere! Andere sind mir scheißegal! Ich mache die Musik nur für mich selbst und es ist mir scheißegal, was jemand davon hält! Ich male Bilder, weil es mir Spaß macht oder weil ich damit Geld verdiene! Und auf der Theaterbühne stehe ich auch nur, weil Valmont mich ständig dazu nötigt, und ich mache mit Sicherheit nichts davon, um irgendein fremdes Arschloch zu erfreuen!" kam die ungeschönte Wahrheit wie von selbst aus mir heraus.
Dann stand ich verwirrt dort, schnappte aufgewühlt nach Luft und taxierte ihn wütend. Er saß unverändert auf seinem Sofa und betrachtete mich interessiert. „Valmont nötigt dich?" fragte er überrascht. Und schon bereute ich es, Sean überhaupt erwähnt zu haben. Aber der Professor war nun mal die alleinige Ursache meiner gesamten Schauspielkarriere. Von mir aus hätte ich mich wohl niemals auf eine Theaterbühne gestellt. Irgendwie hatte Herr Valmont mich dazu gebracht, obwohl ich meistens kaum eine Ahnung hatte, was ich dort eigentlich tat.
Jetzt nervte es mich unglaublich, dass von meinem schönen Vortrag ausgerechnet der Name Valmont bei Sergej hängengeblieben war. „Scheiß auf Valmont!" brüllte ich spontan los und tötete Sergej mit meinem wirren Blick, den er erstaunt auffing. Mein Herz hämmerte.Das geht nicht, dachte ich, ich will mich doch jetzt gar nicht streiten, ich will mich einfach nur total zuknallen! Ich konnte nicht begreifen, warum die angenehme Situation in Sergejs Wohnung sich plötzlich so sehr gewandelt hatte.
„Aber ihr seid doch zusammen, Sean und du", sagte der Ukrainer betont ruhig zu mir. Er war neugierig und amüsiert. Meine Wut schüchterte ihn kein bisschen ein, und das nervte mich total. „Was? Wie kommst du darauf? Wir sind nicht zusammen!" fuhr ich ihn alarmiert an. Ich stand dort ratlos in seinem Wohnzimmer und musterte ihn verwirrt. Es gefiel mir nicht, wie er mich ansah, wie gutmütig er lächelte. Als wäre ich ein hormongebeutelter Teenager, mit dem man Nachsicht üben musste.
„Ach, komm schon, Clay! Jeder weiß doch, dass du mit Sean Valmont zusammen bist!" bemerkte er jetzt und nahm sich eine neue Zigarette vom Tisch. Während er sie anzündete, grinste er mich amüsiert an.
Sein Blick war zweideutig, und das brachte mein Blut zum Kochen. Ich hatte Mühe damit, mich zusammenzureißen und nicht zornig über ihn herzufallen. Am liebsten wollte ich ihm sämtliche Zähne aus dem Gesicht schlagen, aber ich mahnte mich zur Besonnenheit. Ich wollte noch viel mehr shore von ihm haben, also durfte ich ihn auf keinen Fall schlagen. Er will dich nur provozieren, redete ich mir selbst zu, es gefällt ihm, wenn du ausklinkst, lass dich nicht darauf ein!
Also spielte ich mühsam den Coolen und setzte mich langsam zurück auf die Couch. „Woher hast du deine Weisheiten?" erkundigte ich mich, ohne ihn dabei anzusehen. Stattdessen nahm ich noch einen Schluck Wodka und zündete mir ebenfalls eine Marlboro an. Dann schloss ich konzentriert die Augen, um meine aufwallende Wut besser im Zaum halten zu können. Eine Zeit lang war es bis auf den Fernseher ganz still.
„Du bist berühmt, Clay Banton. Du bist ein Star. Schon vergessen? Jeder kennt deine Liebe zu Sean Valmont", erklärte Sergej mir endlich kichernd und stieß mir damit tief in die Seele. Ich zwang mich krampfhaft dazu, mir nichts anmerken zu lassen und schwor mir gleichzeitig grimmig, dieses verdammte Thema auf der Stelle abzuwürgen.
Kurzentschlossen riss ich die Augen auf und schaute ihn flehend an. „Gibst du mir jetzt die fünf Gramm auf Kombi? Bitte, Sergej!" kam ich hastig zum Wesentlichen zurück. Er betrachtete mich eine Weile nachdenklich lächelnd. Ich hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging und konnte nur hilflos abwarten, während ich seinen Blick mühsam beherrscht erwiderte.
„Beruhige dich, Freund. Ich lasse dich schon nicht hängen", erlöste der freundliche Mann mich endlich aus meiner Anspannung. Augenblicklich ging es mir sehr viel besser und ich konnte sein Lächeln erleichtert erwidern. Allerdings hatte ich mittlerweile das dringende Bedürfnis, diese Wohnung so schnell wie möglich zu verlassen, bevor die Situation sich nochmal rasend schnell ins Unangenehme wandeln konnte.
„Du bist viel zu emotional, Clay, genau wie jeder große Künstler", grinste Sergej liebevoll. Obwohl es mir total gegen den Strich ging, dass er mich ständig so bezeichnete, war mir doch irgendwie klar, dass er es eigentlich nicht böse meinte. Also schluckte ich meine Wut und meinen Widerwillen hinunter, nahm einen Zug aus der Zigarette und lächelte dankbar.
„Gibst du mir dann bitte jetzt die Fünf!" forderte ich ihn auf und konnte meine plötzliche Gier kaum verbergen. Er riss verblüfft die Augen auf. „So eilig auf einmal, Freund?" wollte er wissen, und ich wich seinem Blick aus und nickte. „Ja... ich... muss jetzt weg...", erklärte ich ziemlich lahm. „Wohin?" fragte er sofort alarmiert und hörte sich richtig unglücklich an.
Mein Blick wanderte zu ihm, und ich stellte mir unwillkürlich vor, ihn grob herumzureißen und meine Lippen auf seine zu pressen. Ich würde ihn so lange hart ficken, bis er die Welt nicht mehr verstehen würde. Ich würde ihm seinen großen Künstler und Sean Valmont komplett aus dem Schädel vögeln. Diese Vorstellung gefiel mir, sodass ich belustigt grinsen konnte. Er war nur ein dummer Dealer. Er konnte mir gar nichts.
„Ich habe noch was vor, Sergej. Es war nicht geplant, dass ich hierher in deine Wohnung komme. Ich muss jetzt weg", erklärte ich ihm und es befriedigte mich insgeheim, wie traurig ihn das anscheinend machte. Ich würde ihn und alle seine seltsamen Ansichten über mich hier in seiner Wohnung allein lassen. Dann konnte er sich seinen Star an den Hut stecken! Bei dem Gedanken amüsiert kicherte ich leise.
„Du musst sofort ins Krankenhaus gehen, Clay!" bemerkte Sergej plötzlich, „Du blutest noch immer." Besorgt zeigte er auf meinen Oberschenkel. Irritiert schaute ich mir die Sache an. Bei meinem unruhigen Herumlaufen vorhin hatte ich das Handtuch verloren, und jetzt fiel mir auf, dass noch mehr Blut durch meine Jeans gesickert war. Shit! Hörte das auch mal auf? Prompt spürte ich unbehaglich neuerlichen Schmerz in mir aufkommen. Bevor ich hier verschwand, musste ich mir ganz dringend noch einen Knaller machen, sonst würde es mir schon bald wieder ziemlich schlecht gehen. Ich brauchte mindestens noch einen Schuss.
„Fuck!" entfuhr es mir ärgerlich. „Du bist schwer verletzt. Du musst sofort ins Krankenhaus", wiederholte Sergej beschwörend. Ich nickte abgelenkt und streckte meine Hand nach ihm aus. „Okay, okay. Aber vorher brauche ich dringend noch was, bitte gib mir die shore!"
Er zögerte und dachte eine Weile nach, was mich fast verrückt machte. Irgendwie hatte ich es auf einmal ziemlich eilig. Ich wollte schnellstens hier weg, denn etwas war hier bedrohlich, auch wenn mir nicht klar war, was genau das war. Wahrscheinlich hatte ich Angst, dass Sergej nochmal irgendwas Blödes zu mir sagen würde, was böse Dämonen wecken konnte.
„Hör mal, Clay, von fünf war nie die Rede. Ich gebe dir keine fünf Gramm mehr. Du hast schon was für deine dreißig Euro gekriegt", verwandelte Sergej Schwarz sich schlagartig zurück in den geschäftstüchtigen Dealer. Seine scheiß Worte entlockten mir ein genervtes Stöhnen. „Mann, das wäre doch nur auf Kombi! Ich gebe dir morgen dein verdammtes Geld, das kannst du mir ruhig mal glauben!" knurrte ich wütend. Es nervte total, mit ihm diesen beschissenen Kampf zu führen. Das ist der Dank für jahrelange treue Kundschaft, dachte ich geringschätzig.
Nochmal überlegte er viel zu lange. Um mich abzulenken, schaute ich mir meinen linken Oberarm an. Ich ärgerte mich, dass mein teures Hemd zerrissen und schmutzig war. Außerdem war am Ärmel Blut durchgesickert, und das beunruhigte mich, denn es bedeutete höchstwahrscheinlich, dass auch die Naht am Arm kaputtgegangen war. Etwas Dunkles schlich sich hinterhältig in mein Gehirn, was ich dort auf keinen Fall haben wollte, eine Erinnerung.
Hastig sprang ich auf und schüttete mir nervös neuen Wodka ein. Dann drückte ich die Kippe in den Aschenbecher und setzte mich wieder hin. Endlich kam Sergej in die Gänge, indem er nachdenklich aufstand. „Okay, ich gebe dir was auf Kombi. Aber ich will das Geld morgen haben, Clay. Verspreche das! Ich habe keine Lust, der Kohle hinterherzurennen, klar?!" Seine Stimme war streng, fast drohend. „Ja, ja, ich versprech's dir, Sergej!" Ich nickte besiegt, denn ich hatte keine Lust mehr, mich mit ihm anzulegen. Inzwischen war mir so gut wie alles recht, wenn er nur noch was rausrückte. Ich freute mich auf den nächsten Knaller und war erleichtert, als Sergej zögernd aus dem Zimmer ging, um meine shore zu holen.
Während ich dort saß und ungeduldig auf ihn wartete, tauchte eine ganz andere Erinnerung in meinem wirren, betäubten Kopf auf. Ein unscharfes Bild von einem Mann, den ich bisher nur einmal in meinem Leben getroffen hatte. Dunkle, feurige Augen in einem orientalischen Gesicht. Weiße Klamotten an einem perfekten Körper. Doktor Siamak Tourani.
Mein Herz fing an, spürbar zu klopfen, eine aufgeregte Wärme breitete sich in mir aus. Oh ja, ich würde von hier aus direkt zum Krankenhaus fahren! Siamak würde zum zweiten Mal mit seinen geschickten Händen meine Wunden nähen. Und diesmal würde er mir nicht ausweichen können, beschloss ich unartig. Breit grinsend stellte ich mir vor, wie ich den geilen Arzt auf der breiten Liege in seinem Behandlungszimmer vögeln würde. Ich würde ihn so lange hart ficken, bis er seinen studierten Verstand verlieren würde. Diese Vorstellung törnte mich so stark an, dass ich eine träge Regung an meinem Schwanz verspürte, die sich echt geil anfühlte. Das war auf jeden Fall ausbaufähig. Erfüllt von unanständiger Vorfreude kicherte ich leise vor mich hin.
Sean
Die Zeit stand still. Oder hatte sie nur für mich aufgehört zu existieren?
Seit Ewigkeiten saß ich hier, auf dem anthrazit-ledernen Beifahrersitz meines bright-white-farbenen Jeep Cherokee Overland. Durch die Scheiben sah ich gar nichts, spiegelte mich nur in ihnen, und ich war davon überzeugt, dass es da draußen keine Welt mehr für mich gab. Louis Frédéric von Ravenhorst, der still und bewegungslos neben mir auf dem Fahrersitz saß, hatte alle Türen geschlossen, nachdem ich hier auf seine Anweisung hin ohne Widerstand eingestiegen war. Der Mann hatte auch die Innenbeleuchtung und die Sitzheizung angeschaltet, und obwohl mir unverändert megaheiß war und ich schwitzte wie Sau, war mir das alles völlig egal.
In meinem Fußraum standen drei Flaschen Mineralwasser, die Louis aus seinem Wagen geholt und von denen ich eine schon fast geleert hatte. Vor gefühlten Stunden hatte er mir außerdem zwei Valium gegeben, die ich ohne zu zögern oder darüber nachzudenken mit dem Wasser geschluckt hatte.
Langsam wurde es besser. Ich konnte genau fühlen, wie mein durchgedrehtes, wild hämmerndes Herz sich zunehmend beruhigte. Das ärgerte mich, weil ich wohl zu recht befürchtete, dass damit mein Tod in weite Ferne rückte. Meine Sehnsucht nach dem Exitus war ungebrochen, mein Verlangen nach Linderung enorm.
Andererseits erleichterte es mich, dass das extrem bedrohliche Gefühl der unmittelbaren Todesgefahr sich spürbar abschwächte, denn ich war mir sicher, dass ich das ständige Ringen um Luft nicht mehr sehr lange ausgehalten hätte. Gewiss hätte ich schon bald etwas total Beklopptes gemacht, dachte ich nervös, und die Klarheit, dass ich mich womöglich an einem Abschleppseil am nächsten Baum aufgehängt oder mich mit den Abgasen des Jeeps vergiftet hätte, ängstigte mich auf einmal.
Nein, zweifellos war es gut für mich, dass Louis gekommen war. Es war gut, dass er bei mir blieb und mir damit das Leben rettete, auch wenn ich seine plötzliche Anwesenheit noch immer nicht richtig realisiert hatte.
Louis Frédéric war ganz ruhig. Der Mann saß reglos neben mir und schwieg, wofür ich ihm dankbar war, denn ich hätte Fragen oder Vorwürfe jetzt nicht ertragen. Jedoch war mir bewusst, dass seine Fragen auf jeden Fall noch kommen würden, dass er mir nur diesen Aufschub gab, damit ich mich mit Hilfe der Valium beruhigen konnte.
Und diese Zeit brauchte ich tatsächlich dringend. Ich fürchtete mich vor seinen Fragen, denn ich hatte keine Antworten für ihn. Ich hatte noch nicht einmal Antworten für mich selbst, spürte nur den alles umfassenden, unerträglichen Schmerz in mir, fühlte mich depressiv und war total enttäuscht darüber, dass mein so ernsthaft unternommener Fluchtversuch offenbar gescheitert war.
Irgendwann konnte ich mein frustrierendes Gefühl des Versagens nicht länger aushalten. Die Stille wurde unerträglich. Ich musste mich dringend ablenken, deshalb drehte ich mich langsam zu Louis hin. Jede Bewegung war noch immer ungewohnt und mühsam. Er wandte sich mir sofort zu, als hätte er die ganze Zeit nur auf eine Regung von mir gewartet, und schaute mich höchst aufmerksam an. Ich musste mich ein paarmal räuspern, denn das Sprechen fiel mir noch schwer, obwohl ich meine Kehle inzwischen mit Schnee und Wasser angefeuchtet hatte.
„Sag mal, schleppst du immer Diazepam mit dir herum, falls du zufällig mal eine Benzo brauchst?" fragte ich ihn spöttisch, weil es mich wunderte, dass er dieses Zeug für mich parat gehabt hatte. Louis lächelte amüsiert, schüttelte kaum merklich mit dem Kopf und antwortete: „Nein, Sean, ich bin kein Tabletten-Junkie." „Wo kommen die zwei Valium dann her, die du mir gegeben hast? Warum hattest du die ausgerechnet jetzt dabei?" hakte ich nach und fixierte ihn. Er betrachtete mich, als müsste ich das eigentlich wissen, was mich irgendwie nervös machte. Unbehaglich wich ich seinem Blick aus und griff nach der Wasserflasche. „Ich hatte so eine Ahnung, dass du die vielleicht brauchen könntest...", erzählte Louis leise. „Warum? Woher kam deine Ahnung?" begehrte ich zu wissen, ohne ihn anzusehen.
Plötzlich nervte es mich wieder, dass Louis mir zu Hilfe geeilt war, dass er mich so schnell finden konnte, obwohl ich das bestimmt nicht gewollt hatte. Ich war mir noch keineswegs sicher, ob der Tod für mich nicht doch die bessere Alternative wäre, als jetzt einfach so weitermachen zu müssen. Ich zweifelte daran, ob ich überhaupt stark genug war, um weiterzumachen. Ärgerlich schraubte ich die Flasche auf und nahm noch ein paar Schlucke Wasser.
Louis seufzte tief und holte Luft. „Mann, Sean, du hast dich gerade am Telefon genau so aufgedreht angehört und ringend nach Luft geschnappt, wie auf unserer Party gestern." „Du meinst auf deiner Party!" betonte ich knurrig, weil ich mich daran nicht gerne erinnerte, aber er überhörte das. „Ich habe sofort vermutet, dass es dir nicht gut geht, und dass das mit zu viel Kokain zusammenhängen könnte, das du offenbar schon wieder genommen hast." „Ja, genau wie auf deiner Party!" sagte ich grimmig und vorwurfsvoll, aber auch diesmal reagierte er nicht darauf.
„Was ist los mit dir? Warum knallst du dich zwei Tage hintereinander bis zur Überdosis mit Koks voll?" erkundigte er sich stattdessen ganz ruhig und beobachtete mich aufmerksam. In seiner Stimme lag kein Vorwurf, nur ehrliche Besorgnis, wie ich es von ihm kannte. Louis ist nicht der Typ für Vorwürfe, erinnerte ich mich mit einem warmen Gefühl im Bauch. Ich schloss die Augen und lehnte meinen müden Kopf an die bequeme Kopfstütze meines Beifahrersitzes. Ich fühlte mich enorm ausgelaugt, schmutzig und nass vom klebrigen Schweiß. Erleichtert spürte ich, wie mit der allgemeinen Beruhigung auch das unangenehme Schwitzen langsam aufhörte.
„Ich kann deine blöden Tanzpartys ohne Koks nicht ertragen", knurrte ich unfreundlich, weil die unwillkürliche Erinnerung an meine Rolle bei seinen Orgien mich wütend machte. Obwohl ich mich in Wahrheit nur an Bruchstücke dieser Nacht erinnerte, allerdings intensiver und deprimierender, als mir lieb war. Louis schwieg eine Weile, während er mich intensiv musterte. Ich öffnete die Augen und starrte stur geradeaus auf die Windschutzscheibe, die außen voller Schnee war, und in der ich mich spiegelte. Ich widerstand nur mit Mühe dem plötzlichen Impuls, die Scheibe mit einem gezielten Faustschlag kaputtzuschlagen.
„Okay, das verstehe ich. Obwohl du es gestern trotzdem nicht so dermaßen übertreiben musstest", meinte Louis schließlich entgegenkommend. „Und jetzt verrate mir den heutigen Grund", forderte er mich behutsam auf. Der Mann ließ mich nicht aus den Augen. Sein forschender Blick schien bis in meine verletzte Seele vorzudringen, und das gefiel mir überhaupt nicht. Ich war mir nicht sicher, ob ich dieses Gespräch mit ihm führen wollte.
Andererseits war mir bewusst, dass ich verdammt froh und dankbar sein konnte, dass sich überhaupt jemand für mich interessierte. Dass da jemand gekommen war, um mich vor mir selbst zu retten. Mir war durchaus klar, welch großes Geschenk seine Freundschaft war, und dass längst nicht jeder so ein enormes Glück hatte. Ohne ihn wäre ich jetzt womöglich schon tot, hämmerte es immerzu drohend in meinem Hinterkopf.
Trotzdem wollten mir die schwierigen Worte nicht über die Lippen, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich mich ausdrücken sollte. Im Grunde wusste ich überhaupt nicht, was ich sagen sollte, denn ich hatte auch für mich selbst keine brauchbare Erklärung. Auf keinen Fall wollte ich mich an die Ereignisse dieses Tages erinnern, denn das fühlte sich extrem bedrohlich an. Es war vor Kurzem etwas echt Schlimmes passiert, was ich nicht verkraften konnte, und ich fürchtete mich total davor, der Sache auf den Grund zu gehen.
Nervös nahm ich noch einen Schluck Wasser, angelte mir eine Zigarette aus der Innentasche meiner Lederjacke und zündete sie mit zitternden Fingern an. Meine Muskeln gehorchten mir immer besser, meine Feinmotorik funktionierte, und das erleichterte mich. Es wird schon, versuchte ich mir selbst zuzureden, du stehst das durch, du hast schon ganz andere Sachen überlebt.
Aber verdammt, diesmal war es anders, das spürte ich in jeder verwirrten Faser meiner Existenz, diesmal war es verflucht viel anders! Eventuell würde es mich dieses Mal komplett zerstören. Lebensgefährlich verwundet worden war ich zweifellos schon. Clay Banton hatte mich besiegt.
Panisch kniff ich die Augen zusammen und zwang mich dazu, das unwillkürlich auftauchende Bild von seinem lachenden Gesicht und seinen diabolisch funkelnden Augen aus meinem Kopf zu verbannen. Louis' Aufforderung stand schwer im Raum. Er wollte den Grund für meinen übermäßigen Kokainkonsum erfahren, aber ich konnte mich nicht überwinden, den Mund aufzumachen. Ich wollte auf gar keinen Fall an Clay denken, war konfus, nicht in der Lage zu sprechen, und das angespannte Schweigen im Inneren meines Jeeps wurde mit der Zeit immer bedrückender.
Schließlich seufzte Louis und drehte seinen Kopf nach vorne. „Du wolltest gerade deine Autotür nicht für mich öffnen, nicht wahr, Sean? Du hättest mich eiskalt draußen stehenlassen. Du bist nur aus deinem Jeep ausgestiegen, weil du so dringend pinkeln musstest", sagte er ohne erkennbare Gefühlsregung. Er stellte es nur fest, aber ich wusste trotzdem, dass ihn dieser Umstand kränkte. „Ja, das stimmt", sagte ich schnell, weil ich fand, dass er zumindest die Wahrheit verdient hatte. Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Sein Blick wanderte zurück zu mir. „Sag mir bitte warum, Sean Valmont", flüsterte er fast, so enorm drängend, dass ich instinktiv abwehrend die Augen wieder schloss. Mein Herz, gerade im Begriff sich zu beruhigen, fing verstärkt an zu klopfen, denn schmerzende Erinnerungen schossen mir ins Hirn, die ich mit aller Macht panisch abwehrte.
Mit geschlossenen Augen saß ich eine Weile dort und atmete nervös ein und aus. Das Schweigen war bleischwer, während Louis geduldig auf meine Antwort wartete. Gleich wird er mich nach Clay fragen, das dauert nicht mehr lange, erwartete ich panisch, verdammt, ich will aber nicht mit ihm über Clay reden! Ich möchte nie wieder über Banton auch nur nachdenken!
Schließlich gab ich mir kurzentschlossen einen enormen Ruck. „Ich wollte allein sein, weil ich sterben wollte", krächzte ich nach heftigem inneren Kampf mühsam.
So, die Wahrheit ist endlich raus, und jetzt kannst du mich meinetwegen lauthals auslachen, Herr von Ravenhorst, dachte ich geschlagen, obwohl ich genau wusste, dass er das nicht tun würde. Er hatte mich auch schon früher nie ausgelacht, ganz egal, welchen lächerlichen Scheiß ich auch immer gesagt oder verbockt hatte. Und ich hatte im Laufe unserer langjährigen Freundschaft in seiner Anwesenheit schon jede Menge Blödsinn verzapft.
Nun konnte ich ihn hart schlucken hören, und es rührte mich, dass ihm mein Geständnis naheging, und dass er mich ernst genug nahm, um mir sofort zu glauben. „Wolltest du dich mit Kokain umbringen?" fragte er zögernd, und ich blies spontan spöttisch Luft aus, weil mir das in diesem Moment so absurd vorkam, obwohl es doch eine Tatsache war. Idiotischerweise hatte ich doch wahrhaftig beim Warten auf den Tod die ganze Zeit allein auf die enorm bedrohliche Wirkung der Doge gesetzt.
„Schwachsinn!" entfuhr es mir, während ich die Augen öffnete und mich zu ihm wandte. Mit der rechten Hand ließ ich das Seitenfenster ein Stück herunter, sodass ein wenig Schnee in den Innenraum fiel, und klopfte die Asche meiner Zigarette nach draußen. Die eisige Kälte, die durch das offene Fenster hereinkam, fühlte sich auf meinem heißen, schweißnassen Gesicht sehr angenehm an.
„Wie wolltest du sterben, Sean?" forschte Louis mit ruhiger Stimme und einer Engelsgeduld nach. Sein Blick lag wieder äußerst aufmerksam und prüfend auf mir, und das gefiel mir nicht, weil es mich irgendwie einschüchterte. Scheiße, ich hätte nicht an mein Handy gehen sollen, dachte ich verärgert, dann müsste ich mich jetzt gar nicht mit ihm und seinen aufdringlichen Fragen auseinandersetzen. Hätte ich das verfluchte Handy doch nur ausgeschaltet! Ich wünschte, Louis würde mich jetzt einfach in Ruhe lassen!
In diesem Moment piepste etwas laut, eine kurze Melodie in der Stille, weil irgendeine SMS eingegangen war. Ich erkannte die Melodie, hatte sie selbst einprogrammiert. Als hätte mein Smartphone meine Gedanken gehört, meldete es sich plötzlich. Das Telefon lag unverändert irgendwo im Fußraum des Fahrersitzes, und Louis bückte sich sofort neugierig danach und angelte es hervor. „Du hast nach unserem Gespräch nicht mal aufgelegt!" stellte er fest und drückte die entsprechende Taste. Dann hielt er mir das Smartphone fragend hin, aber ich schüttelte überaus nervös den Kopf und sog das beruhigende Nikotin tief in meine Lungen.
Ich fürchtete, eine SMS von Clay jetzt nicht ertragen zu können. Gleichzeitig hoffte ich inständig, dass diese Nachricht vielleicht von Clay sein könnte. Hatte er mir verziehen? Konnte er mir verzeihen? Musste er mir überhaupt verzeihen? Wollte ich, dass er mir verzieh? Konnte ich ihn nochmal sehen? Wollte er mich jemals wiedersehen? Fuck, er ist weg, ich muss alle unsere zukünftigen Auftritte absagen, fiel mir plötzlich siedend heiß ein, und außerdem hat er kein Handy mehr, weil sie es ihm dreist geklaut haben.
Entsetzt stöhnend kniff ich die Augen zu, schüttelte panisch den Kopf und legte mir die Hände schützend über das Gesicht. Jeder einzelne Gedanke an ihn schnitt mir unerträglich tief und schmerzhaft in die Seele, und ich versuchte energisch, das auf dem schnellsten Weg abzuwürgen, was gar nicht so leicht war.
„Darf ich deine SMS lesen?" wollte Louis wissen, höflich und gut erzogen wie eh und je. „Von mir aus." Ich nickte, denn es war mir egal. Alles da draußen war mir völlig egal. Es hatte ohnehin keine Bedeutung, geschweige denn irgendeinen verdammten Sinn. Es war alles vorbei und verloren und ich hatte keine Ahnung, wie ich jetzt weitermachen sollte, ob ich dazu überhaupt noch fähig war. Erneut sehnte ich mich ganz erbärmlich nach der Endgültigkeit, öffnete die Augen und warf Louis einen hilfeflehenden Blick zu.
Aber er bemerkte meinen Blick nicht, denn er schaute gerade interessiert auf mein Handy, weil er diese SMS las. „Dein Freund Marc fragt dich, ob es dir gut geht und alles okay ist", teilte er mir mit und hielt mir das Telefon hin, als sollte ich seine Information überprüfen, aber ich schaute gar nicht hin. Stattdessen betrachtete ich Louis' Gesicht und fragte mich deprimiert, ob dieser Mann mir vielleicht irgendwie weiterhelfen konnte. Ich war total enttäuscht, weil die Nachricht lediglich von Marc Hellberg stammte, und nicht von Clay Banton, obwohl der ja gar kein Handy mehr hatte.
Louis studierte mich aufmerksam mit unzufrieden gerunzelter Stirn. „Marc sorgt sich um dich", behauptete er leise. Genervt holte ich tief Luft. „Ja, ja, Marc sorgt sich immerzu um mich!" blaffte ich unüberlegt los. „Und das nervt dich offenbar", bemerkte Louis erstaunt. „Man kann es auch übertreiben!" knurrte ich, drehte den Kopf weg und klopfte energisch Asche aus dem Fenster. „Glaubst du, dass es Marc etwas ausmachen würde, wenn du heute gestorben wärst?" fragte Louis mich geradeheraus und beobachtete meine Reaktion. „Na klar würde es ihm was ausmachen", gab ich ohne Umschweife zu und schaute ihn aufmüpfig an. Herr von Ravenhorst hatte etwas vor, was mir nicht gefiel, das spürte ich genau.
„Wäre Marc dann traurig?" fragte er ruhig. „Ja, das wäre er zweifellos", seufzte ich, weil ich mir Marcs Reaktion auf mein Ableben bildhaft vorstellen konnte. Marc würde sich mit Sicherheit gar nicht mehr einkriegen und wochenlang hemmungslos heulen. Dieses Bild in meinem Kopf berührte mich mehr, als mir lieb war.
Louis warf mir einen vielsagenden Blick zu, dem ich nur mit Mühe standhielt. „Denkst du, dass dein Tod mir etwas ausmachen würde?" kam es prompt von ihm und mir entwich unwillkürlich ein zorniges Knurren. Der Mann neben mir auf dem Fahrersitz war tatsächlich gerade dabei, mir ein schlechtes Gewissen zu machen, mir irgendeine Schuld zuzuweisen, und das konnte ich nicht leiden und wollte es auch keineswegs einsehen. Was sollte der Scheiß? Warum sollte ich mir bei meinem Selbstmord denn um andere Gedanken machen? Schließlich war es doch nur ich, der hier Todesqualen litt, oder?!
„Hör auf, Louis!" knurrte ich warnend. Er ließ mich nicht aus den Augen. „Warum, Sean? Gefällt dir der Gedanke nicht, wie ich auf deinen Tod reagieren würde?" Bockig drehte ich den Kopf weg, nahm noch einen tiefen Zug und warf die Kippe dann mit Wucht aus dem offenen Seitenfenster in den Schnee. Mühevoll widerstand ich dem mächtigen Drang, sofort die Autotür zu öffnen und mein Heil in der Flucht zu suchen.
Aber ich wollte mir diese Blöße vor Louis nicht geben. Herr von Ravenhorst sollte auf gar keinen Fall denken, dass ich feige war und Angst vor ihm hätte. Ich hatte auch keine Angst vor ihm, sondern nur vor den Bildern in meinem Kopf, die er mit seinen Fragen heraufbeschwor. Ich hatte große Angst davor, schon bald über Clay Banton sprechen zu müssen. Die ganze Zeit hatte ich panische Furcht davor, dass wir irgendwann bei diesem Thema landen würden, was schlicht unvermeidlich war. Denn mir war völlig klar, dass Louis Frédéric sich den wahren Grund meines im Nachhinein recht stümperhaften Selbstmordversuchs längst denken konnte.
Plötzlich holte er tief Luft. „Also, Sean Valmont, ich kann dir versichern, es würde mir etwas ausmachen, wenn du tot wärst. Es würde mir sogar verdammt viel ausmachen! Ich würde mir große Vorwürfe machen, ich wäre geschockt und entsetzt. Für den Rest meines Lebens würde ich denken, dass ich etwas falsch gemacht und etwas übersehen hätte. Mit absoluter Sicherheit würde ich es mir niemals verzeihen, dass ich dich nicht retten konnte, das kannst du mir glauben!" informierte Louis mich, und seine Stimme zitterte dabei.
Vorsichtig, verwundert schaute ich zu ihm hin, und sein Anblick brach mir fast das Herz. So abgrundtief traurig hatte ich meinen ältesten Freund wahrscheinlich noch nie gesehen. Er schluchzte wahrhaftig leise, unterdrückt und wischte sich mit einem Finger verstohlen über die Augen. „Louis... ich... lebe doch noch...", stammelte ich hilflos, eindeutig überfordert von seinen mächtigen Gefühlen.
Das hätte ich nicht gedacht, fuhr es mir irritiert durch den Sinn, dass ihm mein Tod tatsächlich so vielausmachen würde. Im Grunde hatte ich ja in den letzten einsamen Stunden an niemanden mehr gedacht, sondern ausschließlich an mich selbst und mein persönliches Elend. Plötzlich erschien mir das irgendwie egoistisch und engstirnig, auch wenn mir der Gedanke nicht gefiel, denn ich hatte mir das ja schließlich nicht selbst ausgesucht und weißgott Höllenqualen gelitten.
Und jetzt? Litt ich nicht immer noch ganz genauso? Ich war unverändert von jemandem besiegt und verlassen worden. Es hatte sich doch verdammt nochmal nicht das Geringste an meiner deprimierenden Situation verändert! Warum fühlte ich mich dann trotzdem auf einmal so viel besser? Lag das etwa an diesen zwei Valium, die ich geschluckt hatte? Oder lag es nur an Louis' Anwesenheit? War der Grund seine ehrliche Anteilnahme, war das überhaupt möglich? Konnten ausgesprochene Worte und Gefühle denn dermaßen mächtig sein?
Ich war enorm verwirrt und betrachtete Louis ratlos, der sich jetzt sichtbar zusammenriss. „Ja, du lebst noch, Valmont, und darüber bin ich echt verdammt froh!" eröffnete er mir erleichtert lächelnd. Langsam streckte er seinen Arm aus und streichelte sanft über meine Schulter, wie um seine Aussage zu bekräftigen. Dabei glaubte ich ihm auch so und lächelte ihn ein wenig hilflos an. Ich hatte einen Kloß im Hals und konnte gerade nicht sprechen. Auch fehlten mir sowieso die Worte. „Mach so was nie wieder, hörst du? Jage mir bloß nie wieder so einen Schrecken ein, versprich mir das, okay?" drängte Louis Frédéric mich, „Bitte, Sean, versprich es mir!" „Ja, ist gut", krächzte ich reichlich konfus, womit er sich glücklicherweise zufriedengab.
Es wurde langsam spürbar kalt im Innenraum meines Autos, deshalb ließ ich das Seitenfenster durch einen schnellen Tastendruck an meiner Beifahrertür geräuschlos wieder hochgleiten. Danach war es eine lange Zeit still, während Louis über meine Schulter streichelte und ich mich unter seinen zärtlichen Fingern zunehmend verkrampfte, aber zwanghaft versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Er hatte mir gerade ziemlich nette Dinge gesagt, er sorgte sich zweifellos um mich, und deshalb wollte ich ihn auf keinen Fall durch eine Abfuhr enttäuschen oder kränken.
Aber mit meinem Kopf stimmte etwas nicht. Meine Gedanken wirbelten verstärkt wahllos umher, versuchten panisch, das quälende Bild von Clay Banton zu vermeiden, und landeten doch nahezu zwanghaft immer wieder bei diesem wunderschönen Gesicht. Clays böses, teuflisches, mich gnadenlos vernichtendes Lachen, seine überaus grausamen Worte: „Genieße es lieber. Denn danach bin ich weg." Nun, ich hatte es genossen, ganz ohne Frage, dieser Orgasmus hatte mir schlicht das Gehirn weggeblasen. Aber jetzt war nichts mehr von mir übrig, nur noch ein schwammiger Brei, der nichts mehr zustande brachte, an dem ich mich mental hätte festhalten können. In mir war nichts mehr außer Chaos. Nur noch ein riesengroßer Schmerz über mein Versagen und den unerträglichen Verlust.
Nach langer Zeit des nachdenklichen Schweigens zog Louis seine Hand von meiner Schulter zurück und seufzte schwer. „Ich kapiere das einfach nicht, Sean. Hast du tatsächlich wer weiß wie lange allein hier in deinem Jeep gesessen und einfach so auf den Tod gewartet?" erkundigte er sich fassungslos und betrachtete mich forschend. So, wie er es aussprach, hörte sich mein Selbstmordversuch absolut idiotisch an, und das machte mich wütend. Es gefiel mir nicht, als Dummkopf dargestellt zu werden, obwohl Louis in Wahrheit genau den Punkt getroffen hatte.
„Ich habe gehofft, dass das Koks mich umbringt", beichtete ich ihm trotzdem, weil mir gerade keine Lügen einfielen. Außerdem war mir tief drinnen klar, dass mir, wenn überhaupt, nur die Wahrheit eventuell weiterhelfen konnte. „Also wolltest du dich doch mit einer Überdosis Kokain töten?" horchte Louis auf, denn diese Möglichkeit hatte ich ja vorhin schon vehement abgestritten. Ungeduldig schüttelte ich den Kopf und griff nach einer der Flaschen im Fußraum, um mich mit irgendwas zu beschäftigen.
„Nein, verdammt! Ich hatte heute Nachmittag ein total wichtiges Interview mit ArtHouse, dafür brauchte ich einen Fitmacher. Du weißt ja wohl noch, wie ich heute morgen aussah, und zwar dank deiner supertollen und ach so erfolgreichen Party in der Nacht!" Louis Frédéric überhörte wohlweislich meinen höhnischen, verärgerten und sarkastischen Tonfall, als ich seine Orgie erwähnte, sondern grinste zweideutig und griff nach meinem Nacken, um ihn auf eine höchst angenehme Art zu massieren. Sofort erfasste mich ein wohliger Schauer und ich seufzte verblüfft auf. Louis stöhnte begeistert: „Mann, war das geil heute morgen in meiner Badewanne, nicht wahr, Sean, erinnerst du dich?"
Automatisch hatte ich die Bilder von unserem erotischen Badewannenspaß vor Augen, und ich musste zugeben, dass auch dieser Orgasmus nicht von schlechten Eltern gewesen war, weil Louis ihn dermaßen lange hinausgezögert hatte, bis ich beinahe glaubte den Verstand zu verlieren. „Ich erinnere mich", grinste ich verlegen und erschauderte ungewollt unter seiner intensiven Nackenmassage.
Aber im nächsten Moment wurde Louis schon wieder ernst, zog seinen Arm zurück und betrachtete mich traurig. „Was hat sich denn bloß so gravierend geändert, Sean? Wie kommt es, dass du morgens vergnüglichen Sex im Bad mit mir hast und dich am gleichen Abend, gerade mal ein paar Stunden später umbringen willst? Was ist in dieser kurzen Zeit passiert, Herr Valmont?" verlangte er zu wissen und flehte hörbar nach der Wahrheit.
Augenblicklich zog sich alles in mir schmerzhaft zusammen und mein Herz setzte ein paar Schläge aus. Intuitiv abwehrend schloss ich die Augen, nahm nervös ein paar große Schlucke Wasser, drehte die Flasche zu und stellte sie zurück auf den Boden. Dann saß ich hilflos dort und alles in mir verkrampfte sich. Aufgewühlt rang ich nach Luft, atmete tief ein und aus, um nicht vollends die Nerven zu verlieren. Jetzt ist es also soweit, registrierte ich panisch, jetzt passiert genau das, wovor ich mich schon die ganze Zeit wie verrückt gefürchtet habe. Ich muss Louis von Clay erzählen und davon, was ich in diesem Stadtpark mit Clay gemacht habe. Ich muss Louis irgendwie erklären, warum ich komplett die Kontrolle über mich verloren und diesem übermächtigen Verlangen nach Rache nachgegeben habe, obwohl ich es mir jetzt im Nachhinein selbst nicht mehr erklären kann.
Der rettende Impuls, aus dem Auto zu flüchten und dieser Beichte damit zu entkommen, wurde nochmal immens groß, aber ich zwang mich mühsam dazu, trotzdem sitzenzubleiben. Tief drinnen wollte ich mich ja der Wahrheit stellen, aber die Hürde erschien mir in diesem Moment zu hoch zu sein. Denn ich musste Louis und mir selbst gegenüber eine unverzeihliche Schuld eingestehen, die mich inzwischen so grausam erdrückte, dass ich mir sicher war, damit auf keinen Fall weiterleben zu können.
Clay
Wow, dieser dritte Knaller bei Sergej hatte ganz schön reingehauen! Vielleicht hatte mein Lieblingsdealer für meinen vorgestreckten Abschiedsschuss mehr shore für mich aufgekocht, als in den beiden Spritzen davor gewesen war, aber daran konnte ich mich nicht genau erinnern und es war mir auch egal. Ich fühlte nur diese saugute Wirkung und mich so richtig wohl. Meine Zuckerwattenfestung stand felsenfest um mich herum und war total abwehrbereit. Nichts konnte noch richtig an mich herankommen, nichts tangierte mich in irgendeiner Form. Zusätzlich hatte ich den Alkoholgehalt in Sergejs Wodka vielleicht ein bisschen unterschätzt, denn ich fühlte mich inzwischen viel betrunkener, als ich nach den paar Gläsern in seiner Wohnung erwartet hatte.
Mein blutendes Bein war ein guter Vorwand gewesen, um ihn zu verlassen, denn er hatte mich selbst sichtbar besorgt zum Krankenhaus geschickt und mich daher anstandslos gehenlassen, ohne mir noch weitere nervige Fragen zu stellen oder mich vollzulabern.
Nun saß ich ziemlich zugedröhnt hinter dem Steuer von meinem Auto und zwang mich verbissen, mich allein auf die Straße und den Verkehr zu konzentrieren, der wegen des massigen Schneefalls irgendwie chaotisch war. Auf keinen Fall wollte ich einen Unfall bauen oder auf andere Art unangenehm auffallen, denn für solche Verzögerungen hatte ich jetzt keine Zeit. Ich fuhr schließlich geradewegs zum Christopherus-Krankenhaus, wo Siamak hoffentlich schon sehnsüchtig auf mich wartete. Diese Vorstellung machte mich ganz kribbelig und ich freute mich tierisch auf den megascharfen, orientalischen Doktor. Ich konnte es kaum erwarten, ihm endlich zum zweiten Mal zu begegnen und malte mir die geilsten Sachen aus.
Zum Glück ging auf der Fahrt alles glatt und schon bald kam das große Gebäude in Sichtweite. Ich parkte den MG auf dem Mitarbeiterparkplatz, obwohl mehrere Schilder mir androhten, dass mein unbefugtes Fahrzeug abgeschleppt werden würde. Aber ich hatte kein Geld für die Parkgebühren im Besucherparkhaus und keine Lust, irgendwo außerhalb womöglich stundenlang einen verdammten Parkplatz zu suchen. Es war Abend, das Krankenhaus offenbar gut besucht, deshalb waren freie Parkplätze zur Zeit Mangelware.
Unbehelligt stieg ich aus dem Auto und schloss die Türen ab. Dann betrat ich das Christopherus-Krankenhaus durch den hell erleuchteten Mitarbeitereingang, den ich noch von Samstagnacht kannte, als Eliza mich gegen meinen Willen hierher mitgeschleppt hatte. Die Erinnerung an Eliza Laser tauchte in meinem betäubten Gehirn auf und verschwand wieder, ohne eine nennenswerte Spur zu hinterlassen. Stattdessen stieg meine freudige Aufregung.
Gleichzeitig war ich aber auch angenehm gleichgültig, was die Vergangenheit oder meine unmittelbare Zukunft anbelangte. Ich fühlte mich total vernebelt, und doch spürte ich unterschwellig den heftigen Schmerz in meinem Körper. Jeder einzelne Schritt war mühsam. Fuck, scheiß Valmont hat mich ganz schön fest geschlagen, der Arsch, dachte ich wütend, und seine Tritte mit den Stiefeln waren echt das Letzte! Das werde ich dem Wichser noch heimzahlen, wenn ich erst wieder besser in Form bin!
Plötzlich fiel mir ein, dass ich keine Ahnung hatte, ob Siamak noch immer Dienst in der Notaufnahme hatte, weil ich ja seinen Schichtplan nicht kannte. Eliza jetzt noch danach zu fragen schien mir keine Option zu sein. Meine Hoffnung darauf, den geilen Mann in ein paar Minuten wiederzusehen, war dafür aber umso größer.
Ich humpelte orientierungslos durch die vielen Gänge und dachte die ganze Zeit an diesen geheimnisvollen, fremdländischen Arzt mit den von innen heraus leuchtenden, extrem dunklen Augen, den pechschwarzen Haaren und der olivfarbenen, samtweichen Haut. Kurz machte ich mir Gedanken, ob Siamak wohl wütend oder enttäuscht von mir sein würde, wenn er feststellen musste, dass ich mir die von ihm so sorgfältig hergestellten Nähte trotz seiner unzähligen Bitten und Warnungen um Vorsicht trotzdem herausgerissen hatte. Würde er mir meine Unachtsamkeit vorwerfen oder war er nur froh, mich deswegen so schnell wiederzusehen? Sollte ich ihm erzählen, wie genau es passiert war? Konnte ich ihm die Wahrheit sagen? Interessierte ihn das?
Bestimmt wird er mich danach fragen, schon allein für seinen bekloppten Bericht, ich sollte also besser auf diese Frage vorbereitet sein, vermutete ich leicht genervt. Dann kam mir die Idee, dass ich einfach behaupten könnte, ich hätte es mit Absicht getan, als Vorwand, weil ich ihn unbedingt heute treffen wollte. Dieser Gedanke und die Vorstellung seiner irritierten Reaktion darauf ließ mich laut lachen.
Aber schon im nächsten Augenblick fuhr mir was anderes durchs Gehirn, was mir weniger gefiel: Vielleicht reagierte Siamak Tourani genauso geschockt und entsetzt auf mein angeschlagenes Äußeres wie so viele Leute, an denen ich seit der Stadtpark-Episode vorbeigekommen war. Hatten die mich in der Stadt nicht alle angestarrt und hinter meinem Rücken getuschelt? Vor allem Sergej Schwarz hatte sich bei meinem Anblick ja kaum noch eingekriegt. Fuck, auf noch so eine übertrieben dramatische Szene wie auf dem Friedhof hatte ich jetzt so gar keinen Bock, das war total unangenehm!
Abrupt blieb ich stehen und schaute mich suchend um. Irgendwie hatte ich mich wohl in diesen ellenlangen Gängen, die alle gleich aussahen, verlaufen, denn ich hatte keinen Schimmer mehr, wo ich mich befand oder in welcher Richtung die verdammte Notaufnahme war. Stattdessen entdeckte ich jedoch ein Hinweisschild auf eine Besuchertoilette und steuerte direkt darauf zu.
Ich betrat den hell erleuchteten Raum, der nur aus einer Toilette und einem kleinen Vorraum mit Waschbecken bestand, und schloss mich darin ein. Nachdem ich gepinkelt und mir anschließend die von Erde und Blut schmutzigen Hände gewaschen hatte, schaute ich eine Weile in den Spiegel über dem Waschbecken. Mir fiel auf, dass ich absolut stoned aussah, total zugeknallt, meine Pupillen waren winzig, und ich hatte einen eindeutig besoffenen Ausdruck im Gesicht, der mich total amüsierte. Leise kichernd wusch ich mir mein Gesicht und die Arme ab. Danach versuchte ich ziemlich sinnlos, meine schmutzige Kleidung hier und da mit Wasser zu säubern. Aber ich war vom Schnee sowieso schon ziemlich nass. Gegen die Risse in meinem Hemd und im Jackett konnte ich wohl nichts machen, aber ich band mir die weinrote Krawatte neu und fuhr mir ordnend mit gespreizten Fingern durchs Haar.
Dabei pflückte ich noch ein bisschen Gestrüpp aus meinen Haaren, das Sergej übersehen hatte. Das muss wohl passiert sein, als Sean mich durch diese Sträucher gezerrt hat, dachte ich, und begutachtete seine Bissspuren an meinem Ohr und Hals. Prompt erinnerte ich mich daran, wie gierig Valmont mich angefasst hatte, wie fordernd, aber auch zärtlich seine Finger über meine nackte Haut gefahren waren.
Mir wurde warm und ich knöpfte mein Jackett auf. Zögernd legte ich mir die Hände auf die Brust und den Bauch und stand eine Weile so dort. Plötzlich dachte ich, wie verdammt wundervoll es wäre, wenn Sean Valmont jetzt sofort seine Hand auf meinen Bauch legen würde. Ich bekam ein wenig Sehnsucht.
Nach ein paar Minuten wurde mir jedoch klar, dass Valmont das womöglich nie wieder tun würde. Verärgert schob ich den Gedanken beiseite und nahm mir grimmig vor, in den nächsten zwei Stunden auf jeden Fall noch jemanden zu finden, der mir seine verfickte scheiß Hand genau da hinlegen würde, wo ich sie haben wollte.
Ich war irgendwie aufgewühlt, verließ das Klo und suchte eine Krankenschwester, die mir mit besorgtem Gesicht den Weg zur Notaufnahme erklärte. Ich flirtete mit ihr, aber ihre Besorgnis veränderte sich nicht. Eine zweite Schwester kam hinzu, und beide fingen hinter meinem Rücken an zu tuscheln. Ich ignorierte das und auch all die anderen glotzenden Gesichter, an denen ich vorbeikam.
Ich irrte noch ein bisschen in dem viel zu riesigen Gebäude herum, bis ich letztendlich ein paar Schilder fand, die mich direkt zur Notaufnahme führten. Erleichtert wandte ich mich an den eindeutig beschrifteten Anmeldeschalter. Irgendein Pfleger schickte mich ins Wartezimmer, nachdem er meine Personalien aufgenommen und meine Krankenkarte einbehalten hatte. Als ich ihm meinen Namen nannte, starrte er mich einen Moment lang total verblüfft an, als würde er mich kennen.
Das Wartezimmer war zu meinem Leidwesen voll mit Leuten, die alle irgendeine Hilfe benötigten. Bei manchen war das Problem offensichtlich, bei anderen nicht. Eine viel zu lange Zeit saß ich zwischen ihnen auf einem der unbequemen Metallstühle und versuchte mit aller Macht, nicht allzu nervös zu werden. Mein Herz klopfte aber hart, ich war erwartungsvoll. Ich freute mich jetzt wie irre auf Siamak und hatte unheimlich Bock auf den Arzt.
Die Zeit wurde mir zu lang. Immer wieder kam mal jemand dran, aber das Ganze ging quälend langsam vor sich. Ich hatte ein so starkes Bedürfnis nach Nettigkeiten, freundlichen Worten, irgendwas, was nichts mit Rache, Wut oder Brutalität zu tun hatte, dass meine Augen automatisch das Wartezimmer nach einem potentiellen Bett- oder wenigstens Flirtpartner absuchten. Aber leider hatten die Menschen hier ganz andere Sorgen, denn sie waren verletzt oder hatten akute Schmerzen, sodass mir keiner von ihnen in Flirtlaune erschien, was echt frustrierend war.
Schließlich versuchte ich mein Glück bei einer blonden Frau mir gegenüber, die scheinbar nur ihre leise jammernde Freundin begleitete, indem ich verstärkt Blickkontakt zu ihr aufnahm. In ungefähr einer Minute hatte ich erfasst, dass sie nicht völlig abgeneigt war. Also stand ich auf und setzte mich auf den Platz neben ihr, der gerade frei wurde, weil der Typ, der dort gesessen hatte, aufgerufen wurde.
Die Frau rückte sofort ein Stückchen von mir weg, als ich auf den Stuhl neben ihr fiel, was ich total unhöflich fand. „Geht's dir gut?" fragte ich sie freundlich. Sie taxierte mich irritiert, irgendwas an mir gefiel ihr nicht. „Geht dich das was an?" erwiderte sie schnippisch, während sie mich hochnäsig musterte. Ich schenkte ihr mein schönstes Lächeln. „Ich meinte nur so... weil du hier in der Notaufnahme sitzt...", erklärte ich ihr gespielt schüchtern. Ihr Blick wanderte über mein Gesicht und blieb an meinem blauen Auge haften. „Ich begleite nur meine Freundin", bestätigte sie knapp, was ich schon lange kapiert hatte.
Ich schaute an ihr vorbei zu ihrer brünetten Freundin, die zusammengekrümmt mit schmerzverzerrtem Gesicht auf ihrer anderen Seite kauerte, mir jetzt aber einen nervösen Blick zuwarf. Auch die Freundin bekam ein Lächeln von mir geschenkt, aber sie schaute sofort gehemmt weg. „Was hast du denn?" erkundigte ich mich besorgt bei der Frau. Ihr Kopf drehte sich zurück zu mir, meine Anteilnahme berührte sie. Sie versuchte ein gequältes Grinsen und murmelte mit zusammengebissenen Zähnen: „Bauchschmerzen." „Das tut mir leid", versicherte ich ihr sofort, „Hoffentlich kommst du gleich dran." Sie nickte dankbar, wich dann aber unruhig meinem Blick aus.
Also wandte ich mich nochmal an die Blonde neben mir, aber das Weib kam mir zuvor. „Und was ist dein Problem? Ich meine, außer, dass du total besoffen bist", wollte sie spöttisch wissen, wedelte übertrieben mit ihrer Hand vor ihrem Gesicht herum und funkelte mich angriffslustig an. Ihr Temperament gefiel mir, darum lächelte ich amüsiert. „Weißt du, ich bin nicht total besoffen...", behauptete ich grinsend. „Deine Fahne sagt mir was anderes!" entgegnete sie und betrachtete mich aufmerksam.
Ihre neugierigen Augen wanderten ausführlich an meinem Körper entlang, sodass ich mich ein wenig zurücklehnte und ihre Begutachtung über mich ergehen ließ. Erst jetzt ging mir auf, dass mein Atem anscheinend nach Alkohol roch, genauer gesagt nach Sergejs Wodka, aber das war mir so was von schnurz. Diese Frau hier war eindeutig interessiert, und mein Jagdfieber längst geweckt.
„Wollen wir nachher was zusammen machen?" fragte ich sie geradeheraus. Sie lachte perplex auf und guckte mir in die Augen. „Nachher?" „Ja, wenn es deiner Freundin wieder besser geht", schlug ich hoffnungsvoll vor. Die Blonde grinste jetzt, war merkbar belustigt, aber auch geschmeichelt. „Du verlierst wohl keine Zeit, was?" kam es arrogant von ihr. „Wir könnten zu mir nach Hause fahren", stellte ich ihr ein bisschen überstürzt in Aussicht, „Ich habe eine echt tolle Wohnung." „Mann, ich kenne dich doch gar nicht!" stöhnte sie abwehrend und schüttelte fassungslos den Kopf. „Du könntest mich kennenlernen", flüsterte ich verheißungsvoll, woraufhin sie nochmal spöttisch lachte. „Spinnst du?" kicherte sie.
Also ruderte ich zurück. „Hör mal, wir können auch gerne woanders hingehen. In einen Club vielleicht, oder in eine Kneipe", machte ich hastig neue Vorschläge. Die Frau betrachtete mich verwundert, aber nicht abgeneigt. Sie schwieg eine Weile und ließ mich zappeln, während ihr Blick sich an meinem zerrissenen Hemd und Jackett vorbei an mein blutiges Hosenbein heftete.
„Was ist denn da passiert? Bist du verletzt?" wechselte sie das Thema, was mich ganz schön nervte. „Ich habe jemanden verprügelt", erzählte ich ihr ungehalten, weil ich mich nicht besser im Griff hatte. Ihre Augen wurden groß. „Du hast jemanden verprügelt?" wiederholte sie entgeistert. Ich nickte schnaufend, weil ich mich an den verlorenen Kampf mit Valmont erinnerte, und das gefiel mir gar nicht.
Die Frau musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Also bist du ein Schläger?" fragte sie ziemlich vorwurfsvoll und abweisend. „Nein", seufzte ich, weil unser Gespräch irgendwie in die falsche Richtung lief. Warum kam die blöde Olle nicht einfach nachher mit zu mir? Warum zögerte sie, wo lag denn ihr verdammtes Problem? Tief drinnen registrierte ich, dass dies hier nicht mein bester Flirt war, und ich musste einsehen, dass ich es wohl im Moment schlicht nicht besser drauf hatte.
Schnell wandte ich mich an die blonde Frau und lächelte charmant. „Nein, ich stehe überhaupt nicht auf Prügeleien, das kannst du mir echt glauben. Dieser Typ hatte mich total grundlos angegriffen, und ich habe mich nur verteidigt", versuchte ich, meinen Fehler auszubügeln. „Du solltest ihn mal sehen!" setzte ich noch machohaft hinzu, weil sie sich wieder besorgt meine beschädigte Kleidung ansah.
Zu meiner Genugtuung erhellte sich ihr Gesicht, sie war amüsiert von meinen Worten, und genau das hatte ich bezweckt. In diesem Moment wurde eine Frau Irgendwas aufgerufen, und blöderweise war das diese braunhaarige Freundin mit den Bauchschmerzen. Beide Frauen sprangen sofort erleichtert auf, und ich beeilte mich zu fragen: „Also sehen wir uns gleich? Wenn wir hier fertig sind?" Blondie warf mir noch einen vieldeutigen Blick zu und blieb mir eine Antwort schuldig. Schon wandte sie sich ab und stützte ihre jammernde Freundin, als sie zu Zweit aus dem Wartezimmer gingen.
Ich blieb allein zurück und fühlte mich wie ein Versager. Das war nicht perfekt gelaufen, und ich hatte keinen Schimmer, ob die Frau tatsächlich nachher auf mich warten würde. Im Grunde rechnete ich nicht damit, und das deprimierte mich viel mehr, als es sollte. Meine Lust auf Flirts kam nicht zurück, und ich saß nochmal eine ellenlange Zeit sinnlos da herum. Fast war ich versucht, Eliza anzurufen, damit sie irgendwas deichselte, damit ich schneller dran kam. Dann hätte ich sie auch fragen können, ob Siamak überhaupt noch Dienst hatte.
Aber etwas hielt mich davon ab, deshalb passierte erst mal gar nichts mehr. Das scheiß Wartezimmer frustrierte mich. Das Husten und Jammern der Menschen ging mir voll auf die Nüsse. Als ich endlich aufgerufen wurde, war ich inzwischen nahe daran abzuhauen, denn ich hatte einfach keinen Bock mehr, länger dort zu sein. Aber meine Schmerzen waren im Laufe der Zeit wieder schlimmer geworden, und ich war total scharf auf Siamak und seine Schmerztabletten. Und nun gab es kein Zurück mehr.
Ich wurde von einer gutaussehenden Frau in ein Behandlungszimmer gebracht und dort zurückgelassen mit dem Hinweis, dass der Doktor sich bald um mich kümmern würde. Es war tatsächlich ganz genau das selbe Zimmer, indem Siamak mich in dieser Nacht untersucht und genäht hatte. Als ich den Raum erkannte, deutete ich es automatisch als gutes Omen. „Hat Doktor Tourani heute Dienst?" fragte ich die Krankenschwester aufgeregt, die auf dem Rückweg war und nun in der Tür stehenblieb. Sie drehte sich zu mir um und lächelte freundlich, während sie mich interessiert betrachtete. „Ja, Doktor Tourani kommt gleich", versicherte sie mir, und ich prustete spontan belustigt los, weil ihre Information so eindeutig zweideutig war.
Die sympathische Frau lachte amüsiert mit und schaute mich noch einen Moment irritiert an. Ich wollte sie echt gerne dankbar auf die Wange küssen, oder irgendwo anders hin, aber sie drehte sich schon um und verließ endgültig den Raum. Sie machte die Tür hinter sich zu und ich war allein.
Die Gewissheit, dass mich gleich tatsächlich dieser geile Mann erneut nähen und verbinden würde, steigerte meine Vorfreude extrem. Mit der freudigen Erwartung kamen jedoch auch die Bedenken zurück. Ich fürchtete Siamaks Wut, denn ich hatte von zornigen Leuten total die Schnauze voll. Nervös lief ich in dem kleinen Zimmer hin und her und grübelte darüber nach, wie ich mich jetzt wohl am besten verhalten musste, damit Siamak mich nicht länger für einen Psychopathen hielt. Die dunkle Erinnerung daran, dass Eliza in dieser Nacht im Auto irgend so was Blödes behauptet hatte, lastete plötzlich schwer auf meiner sensiblen Seele. Ich zermarterte mir das Hirn, was genau Liz über Siams Meinung von mir gesagt hatte, aber ich hatte es vergessen. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass der Doktor sich bei Eliza über mich beschwert hatte, und diesen Verrat fand ich noch immer ganz schön ätzend.
Andererseits war ich unheimlich scharf auf den Arzt und zog ernsthaft in Erwägung, mich jetzt sofort schon mal vollständig für ihn auszuziehen. Diese Phantasie, nackt mit dem Doc intim zu werden, törnte mich total an. Aber ich zögerte, denn ich wollte nichts falsch machen und beschloss schweren Herzens, mit dem Ausziehen doch lieber noch zu warten, bis er mich dazu auffordern würde.
Dann fiel mir der Medikamentenschrank ins Auge, und ich lief sofort hin, um ihn mir näher anzusehen. Der Schrank an der Wand hatte zwei Glastüren, und ich stand davor und konnte mir genau diese Arzneimittel ansehen, die dort aufbewahrt wurden. Ich versuchte, die kleine Schrift auf den Packungen zu lesen, um irgendwas Gutes für mich zu finden.
In diesem Moment ging die Tür mit einem Ruck auf und jemand trat sehr schnell, mit angenehm vertraut selbstbewusstem Schritt in das Untersuchungszimmer. „Versuch es erst gar nicht, Clay. Der Schrank ist abgeschlossen", rief Doktor Tourani ein bisschen spöttisch in den Raum. Ich schaute zu ihm hin, und mein Herz setzte einige Schläge aus, weil er immer noch so verdammt überwältigend aussah.
Falls ihn mein schickes Outfit oder mein desolater Zustand überraschten, so ließ er sich nichts anmerken. Höchstwahrscheinlich hatte ihn schon jemand auf mich vorbereitet. Er kam schnell näher und reichte mir zur Begrüßung seine schöne Hand, die ich sofort ergriff. Wir wechselten einen energischen Händedruck.
„Hallo Siamak", krächzte ich und hustete nervös. Er schaute mir prüfend in die Augen und lächelte echt bezaubernd. „Hallo Clay. Was kann ich für dich tun?" erkundigte er sich fast zärtlich. Mich drängte es ganz enorm, ihn darum zu bitten, mir seine Hand auf den Bauch zu legen. Aber ich zögerte, und die Chance war vertan, als er einen Schritt zurückging.
„Oh, Clay! Was ist dir denn passiert?" Sein Blick wurde besorgt und wanderte suchend über meinen Körper. Er hatte wohl keine Zeit zu verlieren, denn er kam sofort zur Sache. „Hast du Schmerzen?" wollte er beunruhigt wissen und schüttelte bei meinem Anblick fassungslos den Kopf. Seine sanfte Anteilnahme, sein besorgtes Interesse an meinem Wohlbefinden überwältigte mich nahezu. Ich schnappte nach Luft, weil mein Herz anfing zu rasen. Dieser Mann törnte mich ganz extrem an! Der zauberhafte Siamak Tourani stand vor mir und blickte nochmal fragend in mein Gesicht. Ich schloss für einen Moment die Augen, um mich zu konzentrieren. Dann schaute ich ihn wieder an. Er betrachtete mich höchst aufmerksam mit dunkelbraun leuchtenden Augen.
„Mein Bein tut weh...", informierte ich ihn vage und wies mit meinem Kopf zögernd auf meinen rechten Oberschenkel. Seine Aufmerksamkeit wanderte sofort zu der angegebenen Stelle, wo er mit einem frustrierten Seufzer das Blut registrierte, das durch meine Jeans gesickert war. „Oh, Gott, Clay. Was ist denn da passiert?" fragte er noch einmal. „Ich weiß nicht", antwortete ich ausweichend. Er warf mir einen kurzen Blick zu, der seine Zweifel an meiner Antwort dokumentierte, kommentierte meine Lüge jedoch nicht.
„Ziehst du die Jeans aus?" fragte er mich stattdessen behutsam, und da wusste ich mit einem Schlag ganz genau, dass der geile Mann sich noch sehr gut an mich erinnerte. Er konnte sich an alleserinnern, was zwischen uns passiert war, obwohl er in der Zwischenzeit bestimmt hundert andere Patienten behandelt hatte. Die Erkenntnis, dass Doktor Siamak Tourani mich keineswegs vergessen hatte, beflügelte mich nahezu. Mein Herz geriet ins Stocken und ich rang nach Luft.
„Klar! Ich tue alles für dich!" versicherte ich ihm schnell, drehte mich herum und machte zwei Schritte auf die schmale Liege zu, die immer noch an der Seite des Zimmers stand. Dort fing ich ohne zu zögern an mich auszuziehen. Es machte mir überhaupt nichts aus, mich vor Siamak zu entkleiden. Im Gegenteil, ich konnte es kaum erwarten. Es törnte mich an, gefiel mir außerordentlich, verursachte mir unwillkürlich wohlige Schauer in der Wirbelsäule. Meine Härchen im Nacken stellten sich auf bei dem Gedanken, dass er mich gleich anfassen würde.
Ich zog mein gutes graues Jackett aus und legte es auf die Liege. Dabei fiel mir auf, dass das Jackett ganz nass und schmutzig und an einigen Stellen eingerissen war, die ich vorher noch nicht bemerkt hatte. Das musste wohl passiert sein, als ich mit Sean Valmont auf dem schneebedeckten, erdigen Boden herumgerutscht war. Die dazugehörigen Bilder in meinem Kopf brachten mich kurz aus dem Konzept. Die vielen Schäden ärgerten mich, weil es sehr teuer werden würde, das wertvolle Jackett reinigen und reparieren zu lassen, falls man es überhaupt noch nähen konnte.
Ich schaute unglücklich zu Siamak hin und registrierte, dass er mir keineswegs beim Ausziehen zusah, obwohl ich nichts dagegen gehabt hätte. Aber dazu war Siam schlicht zu höflich und diskret. Er stand an der breiten Liege in der Zimmermitte und war in ein Krankenblatt vertieft, das wahrscheinlich meins war, und welches mir vorher gar nicht aufgefallen war. Offenbar hatte er die Unterlagen mit hierher gebracht und las nun schnell noch mal nach, was über mich dort vermerkt war. Ich lächelte gutmütig. Es ist ja klar, dass er sich nicht jedes kleinste Detail merken kann, bei den vielen Menschen, die er ständig verarzten muss, dachte ich liebevoll, da darf er sich ruhig vorher in seinen Aufzeichnungen vergewissern.
Doktor Tourani sah unglaublich gut aus mit seinem attraktiven, muskulösen Körper, den pechschwarzen, kurzen Haaren und der dunkel schimmernden Haut, wie er dort in seinen schneeweißen Arbeitsklamotten in der Mitte des Raumes stand und konzentriert auf das Blatt guckte. Sein Anblick war so faszinierend, dass ich mich nicht von ihm losreißen konnte. Mein Herz klopfte noch immer hart, mein Schwanz reagierte ein bisschen.
Nur mit Mühe konnte ich mich nach ein paar Minuten auf meine Aufgabe besinnen. Gedankenverloren zog ich die graue Wollweste aus, band mir die rote Krawatte ab, knöpfte mein zerrissenes, hellblaues Seidenhemd auf, zog es aus und legte es zu den anderen Sachen auf die Liege, ohne den Mann dabei aus den Augen zu lassen. Dieser äußerst ansehnliche Arzt erregte mich, und mein Kopf hatte automatisch sexuelle Bilder dazu parat. Ich atmete ganz tief.
Plötzlich spürte er wohl irgendwie meinen Blick, denn er schaute fragend auf und bemerkte, dass ich ihn hingerissen anstarrte. Er lächelte amüsiert, und ich guckte hastig zum Fenster hin. Draußen schneite es immer noch, inzwischen viel stärker, als zuvor im Park.
„Heute Morgen hat mich dein Hausarzt angerufen", erzählte Siamak mir freundlich, „Er hat mich nach dem Untersuchungsbericht von Samstagnacht gefragt, den ich ihm dann auch sofort gefaxt habe." Zögernd drehte ich den Kopf und blickte ihn wieder an. „Ja, ich war heute dort", bestätigte ich nickend. Siamak lächelte atemberaubend. „Hat er dich ins Methadonprogramm aufgenommen?" fragte er mich interessiert, obwohl ich mir sicher war, dass er die Antwort längst kannte. Ganz bestimmt hatte doch der Methadondoc mit Siamak am Telefon über mich gesprochen.
„Nein, das Programm ist voll. Aber ich kann als Selbstzahler teilnehmen", informierte ich ihn dennoch. Siamak nickte wohlwollend. „Also versuchst du es tatsächlich nochmal mit Methadon", stellte er fest, wobei seine Stimme irritierend überrascht klang, was mich unwillkürlich ärgerte. „Ja, das hatte ich doch gesagt!" betonte ich eine Spur zu aggressiv, weil es mich wütend machte, dass Herr Tourani offenbar an meiner Ankündigung, ich würde heute wieder mit Methadon anfangen, gezweifelt hatte. „Schön, Clay, das freut mich", behauptete er, was ich nicht kapierte, und lächelte zufrieden.
Wir schauten uns einen Moment freundschaftlich an, dann wanderte sein Blick prüfend an mir hinab zu meinem rechten Oberschenkel, und mir fiel wieder ein, dass ich ja die Hose ausziehen wollte. Schnell knöpfte ich die dunkelblaue, enge Jeans auf und zog sie behutsam herunter, um die Naht nicht noch mehr zu beschädigen. Die vielen dunklen Flecken an den Hosenbeinen fielen mir auf, die vielleicht Erde oder noch mehr Blut waren. Es ärgerte mich, wie verdammt schmutzig ich anscheinend war, und nur durch scheiß Valmonts Schuld. Ich schlüpfte aus den schwarzen Sneakers, zog vorsichtig die Jeans aus und legte sie auf die Liege. Schon stand ich in grauer Unterwäsche und auf grauen Socken auf dem grauen Linoleum.
Siamak bemerkte, dass ich fertig ausgezogen war, und deutete einladend auf die große Liege in der Raummitte. „Komm hierher, Clay, leg dich bitte hierhin!" forderte er mich geschäftig auf, während sein interessierter Blick sorgfältig über meinen gesamten, angeschlagenen Körper wanderte und schließlich an der beschädigten Naht an meinem Bein hängenblieb.
Nur zu gerne ging ich auf ihn zu. Ich machte es ganz langsam und genoss jeden einzelnen Schritt. Dann setzte ich mich auf die Liege und ließ mich genüsslich vor ihm auf den Rücken sinken. Die breite Liege war ziemlich hart, aber trotzdem halbwegs bequem. Es gefiel mir, ihm so nah zu sein, und am liebsten hätte ich ihn jetzt auf der Stelle geküsst und begierig über mich gezogen. Die Vorstellung machte mich ungeduldig und geil, verursachte ein wohliges Kribbeln in meinem Schwanz, sodass ich leise seufzte.
Seine Aufmerksamkeit lag zur Gänze auf meinem halbnackten Körper, aber leider merkbar nur aus ärztlicher Sicht. Er schaute sich all die neuen blauen Flecken an, die ich Sean Valmont zu verdanken hatte, und studierte dann die schwarzen Fäden in meinem Oberarm und dem Oberschenkel. Seine zarten Finger betasteten mich prüfend hier und da. Siamaks schönes Gesicht bekam einen zunehmend gequälten Ausdruck, je länger er mich untersuchte, und das tat mir leid, es gefiel mir nicht.
„Kann ich bitte eine Schmerztablette haben?" fragte ich ihn schnell, weil ich ihn von meinen Verletzungen, die ihm offensichtlich viel zu nahegingen, ablenken wollte. Seine Augen richteten sich auf mein Gesicht, er lächelte verhalten. „Wie viele hast du heute schon genommen, Clay?" wollte er gutmütig wissen, was mich total ärgerte, weil er offenkundig davon ausging, dass ich die Dinger wie Bonbons fraß. Außerdem hatte er mich doch selbst schon gefragt, ob ich Schmerzen hätte. „Ich habe heute noch keine einzige genommen, Siamak!" versicherte ich ihm knurrig. Sein Lächeln wurde breiter, denn er war amüsiert. „Dann ist es kein Wunder, dass du Schmerzen hast", bemerkte er ein bisschen arrogant. „Ja, genau, darum frage ich dich ja jetzt danach!" erwiderte ich ungeduldig.
Ich rechnete damit, dass er jetzt zum Schrank gehen und das Zaubermittel für mich holen würde, aber Siamak bewegte sich nicht. Er blieb stur neben der Liege stehen und betrachtete mich eine lange Zeit nachdenklich.
Schließlich wurde sein abschätzender Blickkontakt unangenehm, denn ich glaubte, in seinen Augen einen Vorwurf zu sehen. „Was ist denn?" erkundigte ich mich verunsichert. „Du bist heute ziemlich betrunken, nicht wahr, Clay?" flüsterte er fast. Das nervte mich nun wirklich total, denn es ging ihn einen Scheiß an und spielte außerdem keine Rolle. Schließlich war ich ja nicht sternhagelvoll oder so. Lustlos stöhnte ich auf. „Ja.. ich... habe bei einem Freund ein... wenig Wodka getrunken...", gab ich widerwillig zu. Er nickte bedächtig. „Ein wenig?" hakte er bescheuert zweifelnd nach und hob anklagend die buschigen Augenbrauen. „Ein paar Schlucke, verdammt!" entfuhr es mir zu heftig.
Dann biss ich mir auf die Lippen, weil ich eigentlich nicht laut werden oder fluchen wollte. Der Doc hob prompt beschwichtigend seine schönen Hände. „Ist schon gut, Clay. Ich gebe dir eine Tablette", entschied er zu meiner Zufriedenheit und machte sich direkt auf den Weg zum Schrank.
Ich war aufgewühlt, weil ich mich über ihn ärgerte und das eigentlich gar nicht wollte. Ich wollte doch viel lieber eine geile Zeit mit ihm haben, seine Anwesenheit genießen und auf jeden Fall kräftig mit ihm flirten! Warum klappte das denn nicht richtig? Warum brodelte noch immer dieser alles verschlingende Zorn unter meiner Oberfläche? Ich muss mir noch viel mehr Mühe geben, dachte ich verzweifelt, er merkt nur, dass ich besoffen bin, aber nicht, wie sehr ich ihn mag. Fuck, ich musste mich besser konzentrieren, aber in meinem Kopf war zu viel Zuckerwatte und entschieden zu viel Chaos. Alles fühlte sich total schwammig an.
Seufzend richtete ich mich auf und beobachtete, wie Siamak mit seinem Schlüssel den Medikamentenschrank aufschloss, etwas suchte, herausnahm und dann mit der Tablette zu mir zurückkam. Er drückte mir die weiße Pille in die Hand und ging zum Wasserspender, um mir einen Pappbecher mit Wasser zu zapfen. Auch den Becher brachte er mir hilfsbereit an die Liege, und ich schluckte den kleinen Schmerzkiller schnell und spülte mit Wasser nach.
Verdammt, ich fühlte diese verfluchten Schmerzen überall lauern, an den beklopptesten Stellen meines verletzten Körpers, trotz dem Alkohol in meinem Blut, trotz all dem Zeugs, was ich mir geballert hatte. Ich brauche noch mehr davon, dachte ich gierig, ich muss noch viel mehr shore nehmen! Zum Glück hatte Sergej mir zu guter Letzt vertrauensvoll knapp zwei Gramm auf Kombi mitgegeben. Sehnsüchtig schaute ich zu meinem Jackett auf der Liege hin, in dessen Innentasche das Heroin auf mich wartete, was ein recht gefährliches, weil kein gutes Versteck war. Aber ich konnte die shore ja wohl kaum während der Untersuchung in meiner Boxershorts lassen, denn der Arzt hätte sie dort ganz leicht gefunden.
Shit, ich darf auf keinen Fall meine Socken ausziehen, fiel mir plötzlich siedend heiß ein, wenn Siamak meine frischen Einstiche an meinen Knöcheln sieht, dann wird er garantiert nicht mehr mit mir flirten wollen! Automatisch zog ich die Beine an, griff hinunter und zerrte die grauen Strümpfe so weit hinauf, bis sie fast zerrissen. Glücklicherweise verdeckten sie die Einstichstellen ganz gut, wie ich mit einem Blick überprüfte. Nun war ich heilfroh, dass Sergej mich vorausschauend daran gehindert hatte, die Spritzen in meine Armbeugen zu stechen.
Siamak beobachtete mich, nahm mir den Becker ab und warf ihn in den Papierkorb. Dann lächelte er mich besänftigend an. Ich erwiderte sein Lächeln so charmant, wie ich es hinbekam, aber er drehte sich schon wieder um. „Wie ist es dir seit Samstagnacht ergangen, Clay? Hast du noch Kopfschmerzen? Musstest du dich übergeben?" fragte er mich neugierig, während er was aus dem Schrank holte. „Nein... es geht schon...", erwiderte ich irgendwie blöd. „Tun dir die Nieren noch sehr weh? Ist noch immer Blut in deinem Urin?" wollte der Doc geschäftig wissen. „Nein... ich weiß nicht... ist schon okay...", stammelte ich idiotisch, weil mir das peinlich war, obwohl ich doch gerade erst sehr wohl noch Blut gepinkelt hatte.
„Leg dich bitte wieder hin", bat Siamak, als er zu mir zurückkam und sich auf dem Weg dünne Gummihandschuhe überzog. Ich gehorchte gerne, sank auf meinen Rücken, und er desinfizierte meinen zerschnittenen Schenkel mit diesem ätzenden Zeug. Der plötzliche Schmerz war so stark, dass ich ungewollt laut aufstöhnte. „Oh, tut mir leid. Ich hätte dich vorwarnen sollen", meinte Siamak erschrocken. Entschuldigend warf er mir einen Blick zu. Ich lächelte kläglich, da wandte er sich auch schon ab und erneut meinem Bein zu.
Interessiert begutachtete er die lange Naht, betastete sie ganz sanft mit seinen behandschuhten Fingern. Ich hob den Kopf, um mir die Sache genauer anzusehen. Tatsächlich war der schwarze Faden an mehreren Stellen aus meiner aufgeplatzten Haut gerissen. Es gab neue Blutergüsse, wo Valmont mich hart mit seinen Stiefeln und Fäusten getroffen hatte, aber nur noch sehr wenig Blut lief mein Bein hinab.
„Wie ist das passiert?" wollte Doktor Tourani zum dritten Mal wissen. „Und wo ist dein Verband geblieben, Clay?" setzte er erstaunt hinzu. Seine Stimme hörte sich nur wenig vorwurfsvoll an, hauptsächlich traurig, und es drängte ihn eindeutig nach der Wahrheit.
Allerdings schnürte sich unvermittelt mein Hals zu, weil abrupt diese verfluchten Bilder in meinem Kopf auftauchten. Sean Valmont, wie er mich mit irre zornigem Blick trat und einen Teufel nannte. Eliza Laser, die mich nicht in ihre Wohnung ließ und von mir verlangte, mich zwischen ihr und Valmont zu entscheiden. Ein dünnes Mädchen, das mich liebevoll lächelnd bat, ihr von meinem Vater zu erzählen und isländisch für sie zu sprechen. Ich selbst, wie ich mir in der Dusche wirr entfesselt die Verbände herunter schrubbte. Meine Gedanken überschlugen sich, intuitiv flammte mein Zorn auf und meine Gedärme verkrampften.
Nervös starrte ich an die bekannte gelbe Decke, fixierte krampfhaft den hässlichen Riss in der Ecke und rang nach Luft. Das verdammte Neonlicht blendete mich, sodass ich die Augen schließen musste. Ich hatte das beklemmende Gefühl, mich nicht bewegen zu dürfen und keinen Ton mehr von mir geben zu können. Was soll der verfickte Scheiß, dachte ich enorm wütend, warum kratzt dieser verfluchte Mist noch so stark an meiner Zufriedenheit, wo ich doch extra so viel shore geballert habe!? So etwas kann ich jetzt echt nicht gebrauchen! Panisch zwang ich mich, die schmerzenden Bilder aus meinem blöden Schädel zu verbannen und öffnete energisch die Augen.
Weil ich nicht antwortete, drehte sich Siamaks schöner Kopf fragend zu mir. Seine dunklen, feurigen Augen leuchteten mich mitfühlend an. Sein sanfter Blick wärmte meine Seele, und innerhalb der nächsten drei Sekunden entschied ich spontan wagemutig, ihm tatsächlich die Wahrheit zu sagen. Auf einmal bekam ich das überaus dringende Bedürfnis, mit diesem unbekannten Mann mein böses Erlebnis zu teilen. Gleichzeitig fing mein Herz abermals aufgeregt zu hämmern an und mir fiel auf, wie angenehm warm es in diesem Zimmer war. Ich atmete tief ein und gab mir einen Ruck.
„Ich bin in einem Gebüsch vergewaltigt worden", verriet ich Siamak Tourani ganz leise. Angespannt beobachtete ich seine Reaktion, denn ich wollte nicht das kleinste Detail davon verpassen.
Trotz meiner leisen Stimme hatte er mich genau verstanden. Augenblicklich stockte ihm der Atem, er ließ kraftlos die Arme sinken, zog die Augenbrauen zusammen, riss erschrocken seine Augen und den Mund auf und starrte mich total entsetzt an. Die Zeit schien stillzustehen, während der Mann mich reglos fixierte und merkbar hilflos versuchte, das eben Gehörte zu verarbeiten. Unser Blickkontakt war sehr intensiv und faszinierend intim. Ich war ihm unglaublich dankbar, dass er meine Behauptung offenbar nicht eine Sekunde lang anzweifelte.
„Oh Clay... das... ist...", brachte er stockend hervor, verstummte ratlos und atmete scharf ein. Sein hilfloses Entsetzen wurde so greifbar, dass ich es mit der Zeit bedauerte, ihn mit der Wahrheit so sehr geschockt zu haben. „Ist schon okay...", versuchte ich intuitiv ihn zu beruhigen und berührte leicht, tröstend seinen Unterarm.
Daraufhin atmete er schwer aus und schloss tatsächlich seufzend die Augen. Ganz ruhig stand er dort, atmete tief ein und aus und bewegte sich ansonsten überhaupt nicht. Bei dieser Gelegenheit schaute ich ihn mir genau an, überwältigt von seiner unerwartet heftigen und offen emotionalen Reaktion auf mein Geständnis.
Siamak hatte sichtbar große Mühe damit, meinen schockierenden Satz zu verdauen. Er war immer noch wahnsinnig attraktiv, aber ich bemerkte auch, wie müde und erschöpft er aussah. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, die aber aufgrund seiner gebräunten Haut kaum auffielen. Sofort fragte ich mich besorgt, wie lange er wohl schon ununterbrochen in dieser hektischen Notaufnahme Dienst tat. Womöglich arbeitete er ohne Pause schon seit Tagen und Nächten hier. Danach muss ich ihn unbedingt fragen, nahm ich mir vor, streichelte sanft seinen muskulösen Arm und war fasziniert, weil er ihn nicht wegzog.
„Das ist nicht okay, Clay. Es ist niemals okay, wenn dir jemand Gewalt antut", murmelte Doktor Tourani plötzlich mit geschlossenen Augen. Er seufzte schwer und schlug die Augen wieder auf. Sein stechender Blick traf mich, und es irritierte mich, wie verzweifelt er auf einmal aussah. Er war wütend über das Unrecht, was mir angetan worden war, hatte sich aber beneidenswert gut im Griff. Ich wollte ihn gerne weiter berühren, ihn noch viel mehr berühren, ihn irgendwie beruhigen, aber stattdessen zog ich meine Hand verunsichert zurück.
„Nein... das...", stammelte ich ehrlich verwirrt. Er lächelte kläglich. „Waren das die gleichen Typen, die dich am Samstag verprügelt haben?" wollte er vorsichtig wissen. Mit dieser Frage hätte ich rechnen müssen, trotzdem traf sie mich unvorbereitet. Hastig schüttelte ich den Kopf und sagte schnell: „Nein." Du darfst ihm auf keinen Fall Seans Namen nennen, warnte mich eine Stimme in meinem Kopf, sonst kriegt Sean richtig Ärger mit der Polizei, und das will ich auf gar keinen Fall.
„Und möchtest du immer noch niemanden anzeigen?" fragte der Doc gleich darauf tatsächlich, als hätte er meine Gedanken gehört. Der studierte Mann sah total resigniert aus und klang auch so. Noch einmal schüttelte ich den Kopf, blieb aber diesmal stumm. Er betrachtete mich noch einen Moment mit offenem Mitleid, was mir überhaupt nicht gefiel, dann drehte er sich kurzentschlossen um und ging zu dem Schrank, um noch einige benötigte Dinge zu holen. Er hantierte eine Weile am Schrank, wo ich ihn nicht sehen konnte, ohne meinen Kopf zu drehen.
Aber ich widerstand dem Impuls, das zu tun. Meine Gedanken gerieten durcheinander, weil ich plötzlich ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich Siamak diesen Kummer bereitete, was wirklich nicht in meiner Absicht gelegen hatte. Fuck, ich hätte einfach meine blöde Schnauze halten sollen, schimpfte ich mit mir, das war jetzt total daneben! Die Atmosphäre im Behandlungsraum war merkbar angespannt und das deprimierte mich, weil ich mich eigentlich auf eine geile Zeit mit Siamak gefreut hatte.
Nach einer Weile tauchte er wieder neben mir an der Liege auf und guckte mich traurig an. „Bist du bei dieser Vergewaltigung schwer verletzt worden, Clay?" fragte er mich behutsam und ernst. Sein Blick wanderte prüfend auf meinen Unterleib und mir war sofort klar, welche Verletzungen ihm vorschwebten. Nun ja, mein Hintern schmerzte tatsächlich, besonders beim Sitzen, das hatte ich schon im Auto auf der Fahrt hierher besonders gemerkt. Valmonts harter Schwanz hatte meine empfindliche Haut bei diesem ungebremsten Fick offenbar irgendwo aufgerissen. Und obwohl mir seine intime Frage ziemlich peinlich war, beschloss ich mutig, auch diesmal ganz ehrlich zu Siamak zu sein. Ich hatte nämlich großes Vertrauen zu ihm, denn er hatte sich ja noch nie lustig über mich gemacht. Und sein sanftes Interesse an meiner Gesundheit verursachte mir ein richtig wohlig warmes Gefühl im Bauch.
Lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Nein, nicht schwer... nur ein... wenig...", beantwortete ich seine Frage schüchtern. Hitze stieg mir ins Gesicht, als würde ich rot werden, was mir sonst nie passierte. Verlegen wandte ich den Blick von ihm ab und starrte stattdessen an die Decke zu den Neonlichtern. „Also hast du noch einmal Glück im Unglück gehabt, was?" hörte ich Siamak bemerken, und es freute mich, dass seine Stimme sich so erleichtert anhörte. Er fühlt tatsächlich mit mir mit, dachte ich bewegt, dieser Mann ist immer noch unglaublich nett zu mir. Und das war ja auch genau das, was ich mir von meinem zweiten Besuch bei ihm erhofft hatte.
Dankbar warf ich ihm einen Blick zu. Er lächelte wunderschön und meinte: „Ich werde dir nachher eine antibakterielle Salbe mitgeben, Clay. Nur zur Sicherheit." „Okay, danke!" lächelte ich charmant zurück und versuchte einen kleinen Flirt, der aber ins Leere lief, denn schon im nächsten Moment wandte Siamak seine Aufmerksamkeit wieder vollends auf meinen Oberschenkel.
„Ich gebe dir eine örtliche Betäubung, okay?" kündigte er an und stach im nächsten Augenblick auch schon in meine Haut, ohne dass ich überhaupt reagieren konnte. Das Mittel wirkte sofort, betäubte meinen Schenkel angenehm, als der Doktor mit einer Schere vorsichtig die Naht gänzlich auftrennte und von meinem zerschnittenen Bein entfernte. Ich schaute ihm interessiert dabei zu und es faszinierte mich enorm, wie geschickt er war, wie schnell, selbstsicher und routiniert. Er wusste natürlich ganz genau, was zu tun war, um mir bestmöglich zu helfen, und das törnte mich wahnsinnig an. Ich muss diesen geilen Mann haben, dachte ich sehnsüchtig, ich will ihn unbedingt ganz nah bei mir fühlen. Ich möchte alles von ihm fühlen!
Als er anfing mich neu zu vernähen, hämmerte mein Herz richtig schnell. Wegen der örtlichen Betäubung konnte ich es aber diesmal überhaupt nicht spüren, als er rhythmisch in meine Haut stach, den schwarzen Faden durchzog und erneut zustach. Offenbar hatte Siamak mir diesmal wesentlich mehr Betäubungsmittel verpasst als beim ersten Mal, und mir kam der Verdacht, dass er das mit voller Absicht getan hatte. Der vorausschauende Mann wollte wohl verhindern, dass ich mich nochmal an seinen Nähkünsten und dem daraus resultierenden Schmerz aufgeilen konnte. Mein verletzter Oberschenkel war inzwischen vollkommen gefühllos, aber das störte mich nicht übermäßig, denn ich wollte mich gar nicht zwingend aufgeilen, und das taube Gefühl war angenehm. Außerdem wirkte inzwischen die Schmerztablette ganz gut.
Gebannt beobachtete ich Siamak Tourani bei seiner ihm sichtbar vertrauten Arbeit. Sein orientalisches Gesicht war wunderschön, die buschigen, hübsch geschwungenen Augenbrauen, die dunkelbraunen Augen, die kantige Nase, seine vollen Lippen, das markante Kinn und die getönte, matt schimmernde Haut. Der sensible Mann war höchst konzentriert, und allein dieses friedliche Bild verursachte mir wohlige Schauer in der Wirbelsäule. Ich konnte es nicht fassen, wie freundlich dieser Mann zu mir war, wie gut und sorgfältig er sich um mich kümmerte. An ihm war absolut nichts Vorwurfsvolles, Wütendes oder offen Feindseliges. Höchstwahrscheinlich hatte er noch nicht einmal mehr einen aggressiven Gedanken, und das tat mir so enorm gut, dass ich überwältigt aufstöhnte.
Siamak hob den Blick und lächelte mich amüsiert an. „Das gefällt dir immer noch, was?" stellte er leicht neckend fest. „Ja, total, obwohl ich überhaupt nichts davon spüren kann", erwiderte ich grinsend. Er nickte, denn dass ich nichts fühlte, war für ihn natürlich keine Überraschung.
Plötzlich wurde sein Gesicht wieder ernst. „Hast du schon einmal daran gedacht eine Therapie zu machen?" fragte er mich völlig unerwartet. Ich zuckte zusammen und starrte ihn erschrocken an. Es war mir schleierhaft, warum er den wundervoll friedlichen Moment mit dieser beschissenen Frage kaputtmachte. „Was? Warum denn? Was für eine Therapie?" entfuhr es mir entgeistert. Er lächelte beruhigend. „Nur keine Aufregung, Clay. Ich frage ja nur." „Warum fragst du mich das?" wollte ich unglücklich von ihm wissen. Er wandte sich ab und wieder seiner Arbeit zu. „Ich glaube einfach, das du professionelle Hilfe gebrauchen kannst", eröffnete er mir ganz ruhig, während er konzentriert die letzten Stiche an meinem Bein vollendete.
Ich drehte meinen Kopf gekränkt von ihm weg und fixierte verwirrt die Decke. Meine Gedanken wirbelten ungebremst in meinem irren Schädel herum. Ich fragte mich verzweifelt, was ich denn diesmal bloß falsch gemacht hatte. Warum dachte Doktor Siamak Tourani schon wieder, dass ich psychologische Hilfe brauchte? Hatte ich mich etwa hier bei ihm irgendwie verkehrt verhalten? Hatte ich ihm einen neuen Anlass gegeben, an meiner Psyche zu zweifeln? Die Vorstellung deprimierte mich viel mehr, als mir lieb war. Traurig dachte ich darüber nach, aber ich konnte an meinem bisherigen Verhalten in diesem Krankenhaus beim besten Willen nichts Krankes entdecken.
Fuck, ich hätte ihm nichts von der Vergewaltigung verraten dürfen, vermutete ich ärgerlich, das hat ihn total geschockt und jetzt denkt er bestimmt, dass ich das nicht allein verarbeiten kann, was totaler Schwachsinn ist, denn ich habe schon viel schlimmere Dinge verarbeitet. Ich fühlte mich, wie vor den Kopf geschlagen, völlig unvorbereitet und grundlos von dem geilen Mann angegriffen, und das machte mich ganz schön wütend. Mein Herz hämmerte wieder verstärkt und ich schnappte nach Luft.
Plötzlich spürte ich, wie er seine Hand auf mein nacktes Knie legte und es beruhigend tätschelte. Mein Kopf fuhr irritiert zu ihm hin. Ich taxierte ihn, und er lächelte noch immer beschwichtigend. „Mach dir keine Sorgen, Clay, ich habe das doch nicht böse gemeint. Das war doch nur ein Gedanke von mir", versicherte er mir behutsam. „Was meinst du mit Therapie? Wie kommst du darauf?" erkundigte ich mich irritiert bei ihm und atmete schwer, um meine aufwallende Wut zu kontrollieren. Seine zärtliche Berührung fuhr mir wie elektrische Blitze durch sämtliche Nervenbahnen. Mein Herz stolperte, ich atmete ganz tief.
Im nächsten Moment streichelten seine Finger sanft über mein neu aufgeschürftes Knie. Er entfernte einige winzige Steinchen aus meiner Haut, während er gedankenverloren überlegte. Die Steinchen hatten sich in meine Knie gegraben, während Sean Valmont mich brutal von hinten gefickt hatte. Ich warf einen schnellen Blick auf die Naht an meinem Oberschenkel, die er kunstvoll vollendet hatte, dann fiel mein Blick nervös auf meine graue Boxershorts.
„Zum Beispiel könntest du dringend ein bisschen mehr Selbstbewusstsein vertragen", schlug Siamak plötzlich vor. Meine Augen wanderten zurück zu ihm, er betrachtete mich nachdenklich. „Ich kann einfach nicht fassen, dass es für dich okay ist, wenn man dich brutal schlägt, vergewaltigt und verletzt", erklärte der Arzt mir eindringlich. Aufmunternd lächelte er mich an, streichelte nochmal sanft über mein Knie, zog dann seine Hand zurück und stand abwartend neben der Liege. Freundlich schaute er auf mich herunter.
Mit einem Mal gefiel es mir überhaupt nicht mehr, so dicht vor ihm auf dem Rücken zu liegen. Er war dabei mich anzugreifen, und ich konnte mich in dieser unterwürfigen Position nicht gut verteidigen. „Nein, das stimmt doch überhaupt nicht! So habe ich das doch gar nicht gemeint!" entfuhr es mir entgeistert, während ich mich energisch mit einem Ruck aufsetzte. Meine plötzliche Bewegung erschreckte ihn. Instinktiv bewegte er sich zwei Schritte rückwärts von mir weg. Lauernd beobachtete er mich aus sicherer Entfernung. Mir fiel konfus auf, dass er sich überhaupt nicht hingesetzt hatte, und mein Blick wanderte nervös suchend durch das Zimmer, um seinen rollbaren Hocker zu finden, der mir vom letzten Mal noch in Erinnerung war. Ich entdeckte das Teil ganz am anderen Ende des Raumes an einer Wand. Warum hat er den heute nicht benutzt? fragte ich mich verwirrt.
„Wie hast du das gemeint, Clay?" hörte ich Siamak vorsichtig nachfragen. Aufgewühlt und verwirrt fuhr ich zu ihm herum. Er beobachtete mich immer noch sehr aufmerksam. „Mit meinem Selbstbewusstsein ist alles völlig in Ordnung!" versicherte ich ihm hektisch, „Immerhin stehe ich andauernd auf irgendwelchen Bühnen herum!"
Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, da bereute ich ihn auch schon. Ich wollte nicht mit Siamak über das Theater sprechen, weil ich fürchtete, dass er sich womöglich über meine Rolle als Kühlschrank amüsieren würde. Konfus schloss ich für einen Moment die Augen, um einen Ausweg zu finden. Konzentriere dich, das ist jetzt enorm wichtig, schrie es aufgescheucht in meinem Kopf.
„Ich finde es überhaupt nicht okay, wenn man mich schlägt. Ich meinte nur... naja... es ist eben passiert...", erklärte ich hastig und riss die Augen auf. „Ich kann das doch sowieso nicht mehr ändern... es ist vorbei, also ist es schon okay...", setzte ich verzweifelt hinzu. Flehentlich taxierte ich ihn und betete, dass er mich verstehen und es gut sein lassen würde. Er erwiderte meinen Blick sehr interessiert und dachte über meine Worte nach.
Eine lange Zeit war es still in diesem Behandlungszimmer. Ich saß unruhig auf der Liege, schaute Siamak in die dunklen Augen und dachte nur: Hör doch jetzt auf damit! Bitte hör doch einfach damit auf und lege lieber sofort deine Hand auf meinen Bauch! Aber natürlich bewegte er sich nicht, stand einfach dort und musterte mich neugierig.
„Also meinst du damit, dass du die Sache nur noch abhaken willst?" erkundigte er sich nach einer Weile wissbegierig. Ich nickte. „Ja, klar. Was soll ich denn auch sonst noch tun?!" Das war eigentlich keine Frage von mir, aber Siamak beantwortete sie trotzdem. „Du könntest zum Beispiel diese feigen Verbrecher anzeigen!" schlug er mir ernsthaft vor und ging mir damit gewaltig auf die Nerven. Entschieden schüttelte ich den Kopf und wich seinem beschwörenden Blick aus. „Nein, das geht auf keinen Fall!" stellte ich nochmals klar, starrte zum Fenster hin und wünschte mich plötzlich aus diesem Zimmer raus. Ich wollte nicht mit diesem Mann über diese Dinge reden, und vor allem sollte er mich mit der scheiß Polizei in Ruhe lassen.
Doch er gab noch nicht auf. „Weißt du, Clay...", begann er ganz vorsichtig und wartete, bis ich meinen Blick zurück auf ihn richtete. Er lächelte fast entschuldigend. „Wenn ich von einem Verbrechen erfahre, dann muss ich das melden", schlug er mir hinterhältig um die Ohren. Ich schloss sofort abwehrend die Augen und atmete tief ein. Meine Hände fingen an zu zittern. Nervös zog ich die Beine heran und krampfte meine Hände um meine Unterschenkel. Mühevoll zwang ich mich zur Ruhe. „Was bedeutet das genau?" fragte ich den Mann lauernd mit geschlossenen Augen. Dann lauschte ich beunruhigt in die Stille hinein.
Doch der Wichser antwortete erst, als ich ihn auffordernd anschaute. Er lächelte immer noch und beobachtete mich, wie ein interessantes Studienobjekt. „Das bedeutet, dass du bald Post von der Polizei bekommen wirst, Clay. Die werden dich zu diesen Straftaten befragen wollen", erörterte Siamak mir ganz sachte. Der Doktor schien auf jede Reaktion von mir gefasst zu sein, denn er ging vorsichtshalber noch zwei Schritte rückwärts von mir weg und fixierte mich wachsam.
Seine Vorsicht irritierte mich. Erwartete er etwa, dass ich mich wegen diesem Mist wütend auf ihn stürzen würde? Der hielt mich wohl für total bescheuert! Selbstverständlich tat ich ihm diesen Gefallen nicht, denn ich war ja schließlich kein Idiot. Wenn ich ihn tätlich angreifen würde, dann würde er mich schneller in die Psychiatrie einsperren, als ich Siamak sagen konnte. Das war mir doch sonnenklar!
Obwohl ich insgeheim in der Tat diesen mächtigen Impuls dazu in mir brennen spürte. Ich wollte ihn für seinen fiesen Verrat gerne derbe schlagen, denn seine Ankündigung machte mich enorm zornig. Aber obwohl es mich außerdem ziemlich herbe enttäuschte, dass Herr Tourani meine Prügelei vom Samstag trotz meines klaren Verbots offenbar schon längst angezeigt hatte, und wohl auch die Vergewaltigung noch anzeigen würde, ließ ich mir meine extreme Wut darüber natürlich nicht anmerken.
Ich versuchte sogar ein Lächeln und nickte ihm leicht zu. „Na dann...", sagte ich unbestimmt und schaute wieder zum Fenster hin, während ich nervös meine nackten Unterschenkel massierte. Draußen schneite es noch immer. Die Welt schien inzwischen völlig weiß zu sein, und ich wünschte mir inständig, dass diese Substanz, die da vom Himmel fiel, saugute, schneeweiße Thai-shore wäre. Auf der Stelle würde ich hinausgehen, mein Maul weit öffnen und die shore einfach hineinrieseln lassen. Leider gab es ja in diesen Breitengraden so gut wie nie Thai-shore zu kaufen, sondern immer nur das hellbraune Zeug. Ich muss nur mehr Heroin nehmen, verlangte es mich abermals, dann wird mir der ganze Scheiß irgendwann nichts mehr ausmachen!
Die nächsten paar Minuten war es wieder einmal totenstill in diesem Zimmer. Nur draußen auf dem Flur konnte man Geräusche hören. Leute eilten hin und her und riefen irgendwas. Ich hatte einige Mühe damit, meine tosende Wut zurückzuschrauben und mit meiner Enttäuschung klarzukommen. Es war ein Fehler, hierherzukommen, dachte ich verbittert, er ist genau so ein Arsch wie alle anderen. Das ist ja immer so, wusste ich aus Erfahrung, dass die Menschen, für die ich irgendwas empfinde, mich letztendlich doch nur in den Hintern treten. Ich darf mich endgültig auf niemanden mehr einlassen, nahm ich mir verbissen vor, und es wird dringend Zeit, dass ich hier schnellstmöglich abhaue. Ich muss den ganzen Mist hinter mir lassen, denn in dieser Stadt gibt es inzwischen entschieden zu viele böse Erinnerungen.
Das eisige Schweigen zwischen Siamak und mir wurde mit der Zeit mega unangenehm, aber ich wusste wirklich nicht, was ich jetzt sagen oder wie ich reagieren sollte.
„Du stehst auf Bühnen herum?" fragte Siamak mich endlich hörbar verblüfft in die Stille hinein. Unwillkürlich sackte ich zusammen, schloss abwehrend die Augen und legte meinen Kopf auf meine Knie. Am liebsten wäre ich auf der Stelle unsichtbar geworden. Nein, ich wollte nicht mit dem Doktor über Psychotic Kühlschrank reden, ganz und gar nicht, und ich war heilfroh, dass er offenbar niemand war, der sich Off-Theaterstücke anschaute. Siamak Tourani wusste nichts von meiner Rolle als Kühlschrank, und so sollte es auch bleiben. Fieberhaft überlegte ich mir einen Ausweg aus dieser Sackgasse.
„Ich mache Musik", verriet ich ihm schließlich widerwillig und hob den Kopf. Er war wagemutig drei Schritte näher gekommen, betrachtete mich aber immer noch angespannt und höchst interessiert. Er lächelte aufmunternd. „Das ist ja toll!" meinte er anerkennend, „Was machst du für Musik?" „Ich spiele Gitarre", murmelte ich und drehte mich von ihm weg. Demonstrativ starrte ich zum Fenster hin, hinter dem es weniger schneite, und ich hoffte, ihm damit deutlich genug zu signalisieren, dass ich darüber nicht mit ihm sprechen wollte.
Zum Glück war Doktor Tourani intelligent und empathisch genug, um meine abwehrende Körperhaltung richtig zu interpretieren. Er kam zögernd auf mich zu und legte mir beruhigend seine Hand auf die Schulter, sodass ich erschrocken zusammenzuckte und ihn irritiert fixierte. „Ach, Clay, hab doch bitte keine Angst!" beschwor er mich und lächelte charmant. Für diese scheiß Unterstellung wollte ich ihm am liebsten eine reinhauen. Aber der engagierte Mann sprach sofort weiter: „Niemand will dich hier zu etwas zwingen, weißt du?! Aber du musst verstehen, dass man diese schlimmen Erlebnisse, die du in den letzten zwei Tagen hattest, nicht so einfach allein für sich abhaken kann. Ohne professionelle Hilfe werden sie dich dein Leben lang verfolgen, das kannst du mir glauben."
Aha, Doktor Tourani ist also neuerdings auch ein Psychologe, dachte ich spöttisch, lachte laut auf und blies höhnisch Luft aus. „Du weißt gar nichts von mir!" entfuhr es mir, bevor ich darüber nachdenken konnte, „Du hast keine Ahnung, was ich schon alles abgehakt habe!"
Im nächsten Moment biss ich mir verärgert auf die Lippen, weil mir klar war, dass er jetzt erst recht nachfragen würde. Siamak betrachtete mich eine Weile traurig. Er hatte beschissenes Mitleid mit mir, und das nervte mich, aber ich zwang mich dazu, seinen betrübten Blick selbstbewusst grinsend zu erwidern.
„Doch, das kann ich mir denken, Clay", behauptete er schließlich sanft und zog seine Hand von meiner Schulter, „Du hast mit Sicherheit schon viel mitgemacht. Das ist ja wahrscheinlich auch der Grund für deine Heroinsucht."
Ungewollt entwand sich meiner Kehle ein knurriges Keuchen, als er das Heroin erwähnte, und mir klarwurde, dass Siamak gerade in meinen Augen gelesen hatte. Er kann an meinen winzigen Pupillen sehen, wie stoned ich bin, registrierte ich erzürnt, das ist total Scheiße!
Schnell wandte ich den Blick ab, aber es war schon zu spät. „Du hast auch heute Heroin konsumiert. Trotz Methadon. Nicht wahr, Clay?" bemerkte Siamak und schaute mich deprimiert an, als hätte ich ihn damit persönlich enttäuscht. Darauf antwortete ich ihm nicht, denn es nervte mich total, dass er sich an diesen Dingen festhielt, wo ich doch viel lieber mit ihm flirten wollte. Ich wollte ihn nah auf meiner Haut fühlen, aber er drückte mir nur pausenlos diesen verdammten Mist rein! Der Arsch provozierte mich ohne Ende und ich hatte nicht den Eindruck, als wollte er damit jemals aufhören. Ich muss hier weg, beschloss ich konfus, das wird heute nichts mehr mit dem! Das wird hier nur immer noch schlimmer!
Aufgescheucht drehte ich mich herum, schwang kurzentschlossen meine Beine von der Liege und sprang auf den Boden. Ich wollte sofort zu meinen Klamotten gehen, mich so schnell wie möglich anziehen und auf der Stelle verschwinden. Aber Siamak hielt mich auf, indem er mich überstürzt am Arm packte. „Nein, Clay, bitte lauf jetzt nicht weg! Bitte bleib noch hier!" bat er mich eindringlich und schaute mich beschwörend an. Ich schüttelte trotzig den Kopf, riss meinen Arm aus seinem Griff und machte zwei hastige Schritte auf die kleinere Liege zu, wo meine Kleidung lag.
Dummerweise knickte mein verletztes Bein dabei ein, weil ich wegen der örtlichen Betäubung noch kein richtiges Gefühl darin hatte. Unwillkürlich geriet ich ins Taumeln, rang um Gleichgewicht und wäre beinahe gestürzt. „Vorsicht, Clay! Pass auf!" rief Siamak erschrocken und kam geistesgegenwärtig herbeigeeilt. Er fasste mich am Arm und rettete mich damit vor einem Sturz.
Aber ich war enorm wütend auf ihn, deshalb riss ich mich sofort nochmal los. „Ich gehe jetzt!" teilte ich ihm viel zu laut mit, „Ich habe keinen Bock mehr, Siamak!" Auch mein nächster Schritt war ein hilfloses Stolpern, mein verfluchtes Bein gehorchte mir nicht. „Nein, Clay... sei vorsichtig... du bist noch betäubt...", stotterte Siamak unglücklich und fasste abermals nach meinem Arm, um mich zustützen. Ich wich ihm fauchend aus und steuerte fest entschlossen meine Klamotten an. Fick dich doch, dachte ich zornig, kümmere dich um deinen eigenen Scheiß! „Ich muss noch deinen Arm nähen, Clay!" erinnerte Siamak mich flehend, aber ich tat so, als würde ich ihn gar nicht hören.
Stolpernd war ich an der Liege angekommen und griff hastig nach meinem Hemd. „Es tut mir leid!" rief der Mann plötzlich hörbar verzweifelt hinter meinem Rücken. Dieser kurze Satz schlug bei mir ein wie eine Bombe. Ich stoppte abrupt, das Hemd fiel zurück auf die Liege. Was war das denn? Der studierte Mann entschuldigte sich bei mir? Wofür denn, um Himmels Willen?
Irritiert drehte ich mich um und schaute ihn misstrauisch an. Er stand dort völlig ratlos mitten im Raum und beobachtete mich unglücklich. Seine dunklen Augen funkelten auf eine beschwörende Art, die mich automatisch in ihren Bann zog. „Es tut mir leid, Clay. Ich wollte dir nicht zu nahetreten", wiederholte er sanft. Mein Herz hämmerte los, weil der Typ so unglaublich gut aussah. Mann, er durfte mir auf alle möglichen Arten nahekommen, das stand mal fest!
„Hör auf mit diesem Mist! Ich will nicht über das Heroin mit dir sprechen!" stellte ich vorsichtshalber erst mal klar. Siamak nickte verständnisvoll. „Ja, ist gut", lenkte er ein. „Du hetzt mir einfach die Bullen auf den Hals, obwohl ich das nicht will! Und du hast mit Eliza über mich getratscht!" beschwerte ich mich wütend, weil ich plötzlich das Bedürfnis hatte, diese Dinge zwischen uns zu klären.
Siamak nickte immerzu, lächelte zauberhaft und kam langsam auf mich zu. „Ja, das war nicht richtig von mir. Es tut mir leid", wiederholte er besänftigend. Es verwirrte mich, wie schnell er mir recht gab, wie widerstandslos er sich entschuldigte, und irgendwie glaubte ich ihm kein Wort. Aber er war verflucht scharf, und er kam unaufhaltsam näher, und deshalb war in meinem Kopf ziemlich schnell nur noch Watte.
„Ich bin nicht...", fing ich an und brach wieder ab, weil Siamak dicht vor mir stehenblieb und mich liebevoll anlächelte. Wohlwollend betrachtete er mich, guckte sich die Bisswunde an meinem Hals an, und ich schnappte aufgeregt nach Luft. „Du bist ein erstaunlich starker Mann, Clay Banton. Du hast schon so viel mitgemacht und bist trotz allem noch voller Energie", bemerkte Herr Tourani anerkennend, was mich noch mehr verwirrte, weil mir der ungeheuerliche Verdacht kam, dass er gerade mit mir flirtete. Außerdem kannte er mich nicht und konnte gar nicht wissen, was ich schon erlebt hatte.
„Du bist auch total stark, Siamak", erwiderte ich automatisch, ohne darüber nachzudenken. Sein bezauberndes Lächeln wurde noch breiter. Er war amüsiert, aber das störte mich im Moment nicht. Ich fixierte ihn und versuchte ein charmantes Augenzwinkern. Mein Herz überschlug sich beinahe vor Aufregung, weil ich ihn plötzlich so dringend küssen wollte. Einen Moment lang schauten wir uns echt intensiv an.
Dann seufzte Siamak und über sein Gesicht huschte eine Traurigkeit, die ich da jetzt auf keinen Fall haben wollte. „Es tut mir leid, was dir passiert ist", flüsterte er fast. „Das muss es nicht!" versicherte ich ihm schnell, weil ich es nicht ertragen konnte, dass er deswegen traurig war. Siamak zögerte und gab sich spürbar einen Ruck. „Ich möchte dich gerne mal kurz in den Arm nehmen, Clay. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich damit nicht meine Kompetenzen überschreite", gestand der attraktive Mann mir völlig unerwartet.
Mein Herz blieb komplett stehen. Perplex riss ich die Augen auf und starrte ihn fassungslos an. Hatte ich richtig gehört? „Siamak... bitte... mach das doch einfach...", stammelte ich drängend, augenblicklich überirdisch geil auf seine Berührung. Sein belustigtes Lachen fesselte mich, erwärmte mich ganz tief von Innen heraus, sodass ich verblüfft mitlachte.
Fünf Sekunden später breitete er zögernd, aber eindeutig einladend seine muskulösen Arme aus. Er taxierte mich, nickte auffordernd, und ich machte ungeduldig einen Schritt auf ihn zu. Er kam noch näher und schlang wahrhaftig behutsam seine Arme um meinen Rücken. Der geile Mann drückte mich an sich, und ich erstarrte.
Zuerst konnte ich gar nicht reagieren, so verdutzt und überrumpelt war ich von seiner plötzlich unmittelbaren Nähe. Aber dann hob ich langsam meine Arme und legte sie ehrfürchtig um seinen schönen Körper. Ich wollte ganz vorsichtig sein, um ihn nicht zu erschrecken. Aber nur drei Sekunden später klammerte ich mich förmlich an ihm fest, weil ich schlicht nicht anders konnte. Es überwältigte mich, er überwältigte mich vollständig.
Mein Gesicht war sehr nah an seinem, denn er war ungefähr so groß wie ich, und ich widerstand nur knapp dem drängenden Verlangen, ihn auf der Stelle gierig auf den Mund zu küssen. Im letzten Moment drehte ich meinen Kopf ganz leicht zur Seite und fuhr mit meiner Nase sanft an seiner Wange entlang bis zu seinem Ohr. Siamak war diesmal nicht gut rasiert, denn ich konnte einige Bartstoppeln fühlen. Er umarmte mich fester, und ein geiler Schauer erfasste mich unwillkürlich und schoss mir sofort in den Schwanz. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich sein zaghaftes Anschwellen überdeutlich spürte.
Meine Arme waren um Siamaks breiten Rücken gelegt, die linke Hand an seinem Nacken erfühlte zärtlich seine weiche Haut und die kleinen Härchen. Die rechte Hand war begierig gegen sein Schulterblatt gedrückt, meine Finger ertasteten seine Knochen und Muskeln unter dem weißen Polohemd. Wie von selbst streichelte diese Hand sich tiefer, schnell an seiner Wirbelsäule entlang nach unten, weil ich ganz dringend seinen Arsch packen und gegen meinen Unterleib pressen wollte. Mein wachsender Schwanz schrie danach, gezielt an Herrn Tourani gerieben zu werden.
„Du fühlst dich gut an", wisperte ich atemlos in sein Ohr. Wohlig seufzend und leise stöhnend schloss ich die Augen und atmete ganz tief seinen ungewohnten Duft in mich ein. Siamak roch kräftig herb, nach irgendeinem Männerdeodorant wahrscheinlich, vermischt mit einem kaum wahrnehmbaren Hauch von Schweiß, was mich enorm antörnte. Ich konnte die angenehme Wärme fühlen, die von ihm ausging, spürte seine Arme und Hände an meinem Rücken, die mich tröstend, beschützend umarmten. Ich spürte deutlich sein Herz an meiner Brust, was ganz ruhig und regelmäßig schlug.
Wir standen in diesem Behandlungsraum und zwischen uns war kein Millimeter Platz mehr, was weit über meinen Verstand hinausging. Mein eigenes Herz schlug so hart und schnell, dass ich aufgeregt nach Luft schnappte. „Du riechst so gut, Siam", keuchte ich hingerissen und konnte mich nicht zurückhalten, gierig über seinen Hals und sein Ohrläppchen zu lecken. Ich stöhnte überwältigt auf, als meine rechte Hand seinen Arsch packte und ich mich instinktiv wollüstig gegen ihn presste. Fuck, ich konnte seinen Schwanz an meinen Lenden spüren, und das brachte mich fast um!
Nur langsam und äußerst widerwillig kam in meinem total erregten, gierigen Verstand an, dass Siamak sich sanft aber energisch von mir löste, dass er mich zurückschob und sich zunehmend aus meiner Umklammerung wand. „Ist schon gut, Clay. Lass mich bitte los", verlangte er betont distanziert. Er hörte nicht auf, mich hartnäckig wegzuschieben. „Nein... bitte... bleib doch...", flehte ich zitternd, ließ ihn nur widerstrebend los und suchte in seinen Augen verzweifelt ein Zeichen seiner sexuellen Erregung.
Aber ziemlich schnell musste ich einsehen, dass da überhaupt nichts war. Doktor Siamak Tourani war tatsächlich kein bisschen geil, und das fühlte sich an, wie ein Eimer voll mit eiskaltem Wasser mitten in die blöde Fresse rein. Total vor den Kopf geschlagen stolperte ich zwei Schritte rückwärts von ihm weg und stieß mit meinem Hintern schmerzhaft gegen die schmale Liege an der Wand, auf der meine Klamotten lagen.
Siam bewegte sich nicht, stand ganz ruhig dort und beobachtete mich gutmütig lächelnd, eindeutig amüsiert und gerührt von meinem Verhalten. Sein höchst interessierter, morbide faszinierter Blick degradierte mich zu einem armen Irren, mit dem man Nachsicht üben musste.
Schlagartig war es mir extrem unangenehm, dass ich mich in seine offenbar nur freundschaftlich gemeinte Umarmung auf diese Art kopflos hineingesteigert hatte. Ich konnte es nicht ertragen, dass mein voreiliger, irgendwie ausgehungerter Penis jetzt total eindeutig meine Unterhose ausbeulte. Schon wieder fühlte ich mich total unbefriedigt, was mich echt wahnsinnig machte, weil es so ein scheiß Gefühl war.
Hastig drehte ich mich von Siamak weg und schaute konfus zum Fenster hin. Ich hatte den drängenden Wunsch, aus diesem Fenster zu springen oder meinen dummen Schädel an der Wand kaputtzuschlagen. Du bist so ein dauergeiler Idiot, schimpfte ich nicht zum ersten Mal mit mir, er wollte dich nur trösten oder beruhigen oder so was, und du geilst dich sofort gierig an ihm auf! Nun hast du dich echt tödlich vor ihm blamiert! Mit Sicherheit hält er dich jetzt für ein total psychopathisches Sexmonster, was sich zum Verrecken nicht beherrschen kann! Du musst verdammt gut aufpassen, dass er dich nicht doch noch in die psychiatrische Abteilung dieses Krankenhauses einsperren lässt, warnte mich die aufgelöste Stimme in meinem Kopf.
Eigentlich wollte ich wütend losschreien, stöhnte aber nur frustriert und verzweifelt auf, als ich plötzlich Siamak hinter mir spürte. Bevor ich mich irritiert zu ihm umdrehen konnte, hatte er mich schon sanft von hinten umarmt. Sein Gesicht war sehr nah an meinem Ohr, seine Hände lagen reglos auf meiner Brust, und ich erstarrte zum zweiten Mal.
„Nein, Clay, bitte schäme dich nicht vor mir. Es ist alles in Ordnung, hörst du? Du musst dir wirklich keinerlei Sorgen machen. Ich fand es sehr schön, dich mal kurz im Arm zu halten. Aber jetzt machen wir mit deiner Behandlung weiter, okay? Ich möchte jetzt deine zweite Schnittwunde nähen, ja? Bitte lege dich dafür nochmal auf die Liege, tust du das bitte?" flüsterte er mir ins Ohr und ließ mich im nächsten Moment schon wieder los. „Da draußen warten nämlich noch jede Menge anderer Patienten auf mich", setzte er wie beiläufig hinzu, aber seine Stimme hatte einen eiligen Klang, als hätte er plötzlich keine Zeit mehr.
Der Mann entfernte sich hörbar von mir, aber ich brauchte noch etliche Minuten, um meine aufwallenden Emotionen herunterzuschrauben und mich wieder halbwegs unter Kontrolle zu kriegen. Shit, Siamak hatte mich mit seiner scheiß innigen Umarmung verflucht aufgegeilt, und jetzt hatte ich den Salat. Nicht nur mein erigierter Schwanz schrie nach Befriedigung, mein ganzer Körper und meine Seele verlangten danach. Das war total heftig! Und dieser scheiß Typ ließ mich eiskalt im Regen stehen und machte einfach mit seiner Arbeit weiter, als wäre gar nichts zwischen uns passiert. Warum tat er mir das an? Wollte er mich verarschen? Spielte der hinterhältige Wichser etwa irgendwelche scheiß Spielchen mit mir und amüsierte sich insgeheim köstlich über mich?
Diese Vermutung, die sich mir förmlich aufdrängte, machte mich enorm zornig. Meine ureigene Wut flammte auf, mein Herz hämmerte schnell und ich rang konfus nach Luft. Außerdem war es total peinlich, in diesem offensichtlichen Zustand lediglich in einer Boxershorts herumzulaufen und ich war mir keineswegs sicher, ob ich mich beherrschen konnte, wenn ich nochmal so halbnackt vor ihm auf dem Rücken lag.
Neue konkrete Befürchtungen tauchten in meinem verwirrten Gehirn auf. Meine Gedanken wirbelten wild durcheinander und es fiel mir verdammt schwer, mich zu konzentrieren. Vehement zwang ich mich dazu, in all dem haltlosen Chaos in meinem Kopf irgendwas richtig zu fassen zu kriegen, um mich mental daran festzuhalten.
Merkwürdigerweise fiel mir in dieser brenzligen Situation spontan dieses seltsame Junkiemädchen ein, dessen nackter Arsch unvermittelt vor meinem inneren Auge auftauchte und mich ohne Vorwarnung breit grinsen ließ. Fuck, die kleine Schlampe war so unersättlich geil gewesen und hatte mich damit total überrascht und mannigfach überwältigt. Wie sie plötzlich furchtlos vor mir gestanden und sich hemmungslos auf die allergeilste Art vor meinen Augen selbst angefasst hatte! Wie sie es mir immer wieder erlaubte, dass ich sie in jedem verdammten Zimmer meiner riesigen Wohnung frei und selbstbestimmt von hinten fickte!
Nein, Kimberly hatte mir den Doggystyle nicht nur erlaubt, sie hatte überaus drängend danach verlangt! Damit hatte das junge Weib mir wohl das größte Geschenk gemacht, was man mir in puncto Geschlechtsverkehr überhaupt machen kann.
Lächelnd, mit einem geilen und warmen Gefühl erinnerte ich mich an den faszinierenden Sex mit der erstaunlichen Kim, als mir plötzlich auffiel, dass ich das undurchsichtige Mädchen wahrhaftig in jedem Raum wollüstig bestiegen hatte, nur in meinem Schlafzimmer nicht. Wenn ich mich richtig erinnerte, dann hatten wir das Schlafzimmer gar nicht betreten. Kimberly und ich hatten es überall in meiner Wohnung getrieben, nur nicht im Bett, und das fand ich auf einmal so witzig, dass ich intuitiv belustigt laut auflachte.
„Kommst du bitte, Clay?" erinnerte Siamak mich an seine Anwesenheit. Seine Stimme hörte sich ungeduldig an, er wollte diese unangenehme Sache hier jetzt so schnell wie möglich hinter sich bringen. Anscheinend hatte ihn meine Geilheit doch mehr berührt, als er wahrhaben oder mir zeigen wollte, und diese Möglichkeit gefiel mir irgendwie. Vielleicht hatte der Herr Doktor mich in Wahrheit nur aus diesem Grund so zärtlich umarmt, weil er nämlich tief drinnen scharf darauf war, mich nochmal mit Erektion zu erleben.
Bei diesem Gedanken wurde mein Lachen ziemlich spöttisch. Ja genau, Siamak hatte mich doch schließlich schon öfter mit Ständer gesehen, das war für ihn doch wirklich nichts Neues. Ich konnte mich also deswegen gar nicht mehr vor ihm blamieren! Im Gegenteil, vielleicht kann ich jetzt mal ein bisschen mit ihm spielen, nahm ich mir hinterhältig grinsend vor.
Böse kichernd drehte ich mich zu ihm um. Er stand schon an der breiten Liege in der Raummitte bereit und wartete offensichtlich nur noch auf mich. Neben ihm auf einer Ablage lagen einige bekannte Dinge, die er für seine Nähaktion brauchte, und die er wohl in der Zwischenzeit aus dem Schrank geholt hatte. „Darf ich bitte meine Jeans wieder anziehen?" fragte ich ihn in der Absicht, meinen Schwanz einzupacken und seine Geduld zu strapazieren.
Siamak warf mir einen betont flüchtigen Blick zu. Der studierte Herr Doktor war merkbar um Abstand bemüht, um eine sofortige Rückkehr zur reinen Arzt-Patient-Beziehung, und das kotzte mich ganz schön an. Dass er auf meine Frage hin bedauernd den Kopf schüttelte, ließ die von der Geilheit verdrängte Wut in meinem Innern aufs Neue aufflackern.
„Nein, bitte warte mit der Jeans noch einen Moment, Clay. Ich muss vorher noch deinen Oberschenkel verbinden", kündigte er freundlich an, und mir entwich ungewollt ein frustriertes Fauchen. Na toll! War ja klar! Der kühl distanzierte Mann wollte mir den Oberschenkel verbinden, während ich einen Ständer hatte, peinlicher ging es ja wohl nicht! Außerdem hingen mir die scheiß Verbände total zum Hals raus, die juckten und waren voll unpraktisch.
„Muss der blöde Verband denn unbedingt sein?" quengelte ich genervt und taxierte ihn vernichtend. Er lächelte amüsiert quer durch das Zimmer. „Ach, Clay! Du hast doch selbst gesehen, was ohne die schützenden Verbände passiert. Deine schöne Naht ist abgerissen, die Wunde ist aufgeplatzt, und das wollen wir doch nicht noch einmal riskieren, nicht wahr?" Er sprach behutsam mit mir, besänftigend, betont artikuliert, wie zu einem kleinen Kind, und am liebsten hätte ich ihm dafür die Fresse poliert.
„Die scheiß Naht ist aufgerissen, weil ich vergewaltigt wurde!" blaffte ich ihn aggressiv an, bevor ich mich bremsen konnte. Sein Gesicht verdunkelte sich sofort, er zog unzufrieden die Augenbrauen zusammen, runzelte die Stirn und betrachtete mich eine Weile ratlos.
„Trotzdem müssen wir die Nähte unbedingt schützen, Clay", beharrte er schließlich mit belegter Stimme. „Ich will aber keine scheiß Verbände mehr!" knurrte ich zornig, weil ich total genervt war.
Daraufhin lachte Siamak belustigt auf und schüttelte grinsend über mich den Kopf, als würde ich ihn gerade spaßig unterhalten. Mir wurde klar, dass ich mich tatsächlich wie ein trotziges Kind benahm, deshalb drehte ich mich hastig nochmal zum Fenster, starrte angespannt hinaus und atmete tief durch, um mich zu beruhigen. Ich konnte die Verbände ja gleich wieder abwickeln, sobald ich hier raus war, nahm ich mir angepisst vor, schon allein deswegen, um scheiß Siamak Tourani eins auszuwischen. Das dumme Vorhaben gefiel mir, denn ich war gerade extrem aufgewühlt. Ich war komplett verwirrt, enorm wütend, sexuell erregt und irgendwie kindisch.
Ach fuck, scheiß doch was drauf, mit dem werde ich fertig, kapitulierte ich letztendlich, weil ich schlicht keine andere Wahl hatte.
Kurzentschlossen drehte ich mich um und lief taumelnd zurück zu der breiten Liege in der Raummitte. Mein verletzter Oberschenkel war immer noch angenehm betäubt, darum spürte ich dort überhaupt keine Schmerzen. Allerdings fiel dadurch auch das Laufen schwer. Ich war aber vorgewarnt und schaffte es ohne weitere Zwischenfälle.
Siamak wirkte erleichtert, als ich mich brav neben ihn auf die breite Liege setzte und mich gleich darauf folgsam auf den Rücken legte. Er ging mit schnellem Schritt um die Liege herum, wobei er die rollbare Ablage mit sich nahm, und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf meinen zerschnittenen linken Oberarm, den er ausführlich studierte.
Später desinfizierte er die Wunde, und ich biss die Zähne zusammen, weil ich mit diesem Schmerz schon gerechnet hatte. Gleich darauf pikste er mich ins Fleisch und ich erwischte ihn dabei, wie er lächelnd eine kleine Spritze aus meinem Arm zog. „Nur die örtliche Betäubung", wiegelte er ab und mir fiel auf, dass er mich diesmal nicht nach meiner Einwilligung gefragt hatte.
Siamak hatte es jetzt tatsächlich eilig und mein schmerzlicher Verdacht wuchs, dass er mich loswerden wollte. Der schwer beschäftigte Arzt fing augenblicklich an zu arbeiten, sobald meine Schnittwunde sich taub anfühlte, was nur Sekunden später geschah. Er entfernte mit einer Schere sorgfältig den halb abgerissenen schwarzen Faden und nähte danach mein zerschnittenes Fleisch ein weiteres Mal geschickt und schnell mit engen, gleichmäßigen Stichen zusammen.
Es faszinierte mich auch diesmal, wie routiniert und selbstbewusst er arbeitete, ohne den geringsten erkennbaren Zweifel oder die Angst, irgendwas falsch zu machen. Doktor Siamak Tourani wusste ganz genau, was er da tat, er strahlte eine imponierende Kompetenz und beneidenswerte Selbstsicherheit aus. Außerdem sah der Mann unverändert zum Reinbeißen aus.
Trotzdem war ich wütend auf ihn, als ich ihn bei seiner Tätigkeit beobachtete. Immerhin hatte er mich vorhin mit seiner Umarmung ganz schön verarscht, er nervte mich mit der Polizei und irgendwelchen scheiß Therapien. Reglos lag ich auf dem Rücken, atmete tief ein und aus und versuchte, ganz ruhig zu werden. Aber in mir tobte und wütete es fast unvermindert, und das kapierte ich nicht, denn die shore und der Alk hätten das alles sehr viel mehr dämpfen müssen.
Die überaus geilen Kimberly-Erinnerungen hatten meinen Schwanz ungesteuert zu voller Größe erblühen lassen. Jetzt sprengte er fast die Boxershorts und lag mir prall und schwer auf dem Unterleib. Es drängte mich, ihn auszupacken und mir einen runter zu holen, aber selbstverständlich hielt ich mich zurück, denn ich war mir nicht sicher, was Siamak wohl dazu sagen würde.
Der faszinierend orientalische, mega ansehnliche Mann tat natürlich stur so, als würde er meine sichtbare Geilheit gar nicht bemerken, als hätte ich nicht eine dicke Erektion in meiner Unterhose. Sein Blick war ausschließlich auf die Schnittwunde an meinem Oberarm gerichtet, während er im Stehen, ein wenig hinabgebeugt, seine zweifellos perfekten Nähkünste demonstrierte. Seine behandschuhten Finger arbeiteten geschickt und schnell, er war höchst konzentriert.
„Warum hast du mich umarmt?" fragte ich ihn in die Stille hinein, weil mir das irgendwie keine Ruhe ließ. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, aber er schaute nicht auf, während er eine Weile überlegte. Offenbar wusste er so schnell keine Antwort, und das irritierte mich.
„Ich wollte es einfach", antwortete er schließlich ganz leise und ziemlich ratlos. Zögernd hob er nun doch den Blick und guckte mich entschuldigend an. „Es tut mir leid,Clay", versicherte er mir und schaute gleich wieder auf meinen Arm. Dass ihm die Sache jetzt auch noch leid tat, gefiel mir überhaupt nicht. Das hörte sich für mich an, als hätte ich es versaut, als wäre alles allein meine Schuld. „Die Umarmung tut dir leid?" entfuhr es mir entgeistert. Er schüttelte kaum merklich den Kopf, während er unbeirrt weiter nähte. „Nein, es tut mir nur leid, dass ich dich damit so..." Er suchte nach dem richtigen Wort. „...aufgewühlt habe", vollendete er seine Erklärung. Ich blies spöttisch Luft aus. „Mann, du hast mich nicht aufgewühlt, Siamak. Du hast mich tierisch aufgegeilt!" stellte ich frei heraus klar und taxierte ihn vorwurfsvoll.
Er konnte sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen, während er sich angestrengt auf meine Wunde fokussierte, und das nervte mich total. „Lachst du mich aus?" knurrte ich drohend und ärgerte mich, dass meine Stimme so gekränkt klang. Siamak hob sofort kopfschüttelnd den Kopf, guckte mich vielsagend an und legte mir beruhigend seine Hand auf den Brustkorb. Sanft streichelte er über meine Rippen, und diese zarte Berührung elektrisierte mich, obwohl mein Unterhemd noch dazwischen war. „Nein, Clay, ich lache dich nicht aus, natürlich nicht!" versicherte er und lächelte gerührt, „Bitte, glaube das niemals von mir!"
Ich betrachtete ihn prüfend und glaubte ihm, weil ich mich daran erinnerte, dass er mich auch schon bei unserer ersten Begegnung, im Gegensatz zu Eliza, die damals noch mit dabei gewesen war, nicht ausgelacht hatte.
Siamak zog zu meinem Bedauern seine Hand von meiner Brust, wandte sich wieder meinem Arm zu und vollendete die letzten Stiche. Ich lag angespannt auf dem Rücken und gierte nach seiner Berührung, seiner Zärtlichkeit, nach reinem Sex mit ihm. Mein Herz schlug zu schnell, ich atmete tief und spürte bei jedem tiefen Atemzug ein Stechen in meiner Brust, was mir schon seit der Prügelei mit Sean aufgefallen war. Fuck, meine Rippen sind womöglich gebrochen, vermutete ich genervt, wollte mich damit jedoch jetzt nicht beschäftigen. Mein Interesse lag ausschließlich auf dem scharfen Doktor, und ich malte mir sehnsüchtig aus, es jetzt sofort mit ihm zu treiben. Die bildhafte Vorstellung gefiel nicht nur meinem Schwanz. War ich nicht überhaupt nur deswegen hierher gekommen?
„Siamak, hör mal...", räusperte ich mich, als ich es schlicht nicht länger aushielt. Er war inzwischen fertig mit meinem Arm. Fragend warf er mir einen Blick zu, und ich suchte hastig nach den richtigen Worten. „Du... musst doch gemerkt haben, wie sehr ich dich mag... du... törnst mich total an...", gab ich schüchtern zu bedenken und wartete gespannt auf seine Reaktion, die leider nicht so ausfiel, wie ich es mir gewünscht hätte.
Siamak schloss abwehrend die Augen und presste die Lippen zusammen. Im nächsten Moment drehte er sich von mir weg und flüchtete zu dem Schrank hin, wo er geschäftig etwas suchte. Ich konnte es nicht fassen, dass er mein gewichtiges Geständnis scheinbar eiskalt ignorieren wollte. „Was sagst du dazu?" drängte ich ihn und richtete mich auf der Liege auf, um ihn besser ansehen zu können. Der Mann beschäftigte sich an dem blöden Schrank und reagierte nicht, was mich echt sauer machte. Er holte Verbände und weißes Klebeband heraus, was mich noch mehr nervte, weil ich keinen Bock darauf hatte.
„Sag doch bitte irgendwas!" rief ich verzweifelt zu ihm hin. Ich ließ die Beine baumeln und war nahe daran, von der Liege zu springen, meine Klamotten anzuziehen und auf der Stelle hier zu verschwinden. Was sollte das denn? Warum ließ er mich so lange zappeln, der Arsch?
Endlich tauchte er aus dem Medikamentenschrank auf, schloss die Glastüren und kam mit den Verbänden in der Hand langsam auf mich zu. Er blieb vor mir stehen und schaute mich nachdenklich an. Dann holte er Luft. „Ich fühle mich geschmeichelt, Clay, ehrlich. Aber ich interessierte mich nicht für Männer, okay?!" erklärte er mir zögernd mit einer überraschend zittrigen Stimme, die ich noch nie von ihm gehört hatte.
Bisher schien Siamak Tourani doch immer so enorm selbstbewusst zu sein, als könnte ihn nichts und niemand aus der Ruhe bringen. Aber jetzt erlebte ich ihn zum ersten Mal total verunsichert, beinahe verletzlich, und das rührte und verblüffte mich so, dass ich ihm spontan tröstend über den Arm streichelte. „Ich bin verheiratet, Clay. Ich habe mit meiner Frau zwei Kinder", gestand der Mann mir, als müsste er sich dafür entschuldigen, was ich echt nicht begreifen konnte.
„Schon okay", versicherte ich ihm schnell und genoss das Gefühl seines starken Bizeps. Mir war nicht klar, was seine Ehe oder seine Kinder mit Sex zu tun haben sollten, aber wenn er nicht auf Männer stand, dann konnte ich wohl nichts machen. Du weißt ja gar nicht, was du verpasst, Honey, dachte ich im Stillen bei mir und grinste ein bisschen dreckig.
In diesem Moment wusste ich mit absoluter Sicherheit, was ich in unmittelbarer Zukunft tun würde. Ich würde nicht nur jemanden finden, der mir seine Hand auf den nackten Bauch legte, sondern ich würde mit dieser Person auch heißen, geilen, harten Sex haben. Das stand für mich fest, und ich freute mich animalisch darauf. Glücklicherweise hatte ja mein Schwanz auch die letzte Attacke recht schadenfrei überstanden, zumindest funktionierte er noch hervorragend, worüber ich viel froher war, als ich mir selbst eingestand. Dankbar und voller Vorfreude warf ich ihm einen Blick zu, indem ich gezielt an mir heruntersah. Mann, er stand echt wie 'ne Eins, lugte vorwitzig aus dem Hosenbund und beulte meine Boxershorts aus.
Wie konnte dieser attraktive Mann, der nicht viel älter als ich, doch bestimmt ebenfalls voll funktionsfähig war und gerade direkt vor mir stand nur ernsthaft so tun, als würde er nichts davon bemerken? Das war mir ein echtes Rätsel. Ob Herr Tourani in Wahrheit vielleicht trotz allem sehr wohl scharf auf mich war und aus irgendwelchen bekloppten Gründen lediglich krampfhaft vermied, mir auf den Schritt zu schauen? Dieser Gedanke amüsierte mich, und ich lächelte Siam abschätzend, auffordernd an, während ich unvermindert genussvoll seinen Arm streichelte.
Aber nur eine Minute später hatte Siamak seinen kurzen Anfall von Unsicherheit schon restlos überwunden. Womöglich musste er sich aber auch nur dringend mit irgendwas beschäftigen. Er legte einen der Verbände, die er in der Hand hielt, auf die Ablage und riss von dem anderen die durchsichtige Plastikfolie ab. Dann wandte er sich meinem frisch genähten, noch gänzlich betäubten linken Oberarm zu. „So, jetzt verbinde ich dich schnell", teilte er mir überflüssigerweise mit. „Bitte sei sehr achtsam mit den Verbänden, Clay, denn wir wollen doch nicht, dass die Naht noch einmal aufreißt, nicht wahr?" Auch sein Hinweis war gänzlich überflüssig, aber ich sah gnädig darüber hinweg und sagte gar nichts.
Ich spürte meinen harten Schwanz überdeutlich, als ich direkt vor Siamak am Rand der Liege saß. Er fühlte sich prall, aber auch unbestreitbar gut an, und es war mir überhaupt nicht mehr peinlich, dass das unartige Organ so auffällig an mir hochstand. Auf einmal fühlte ich mich wieder ziemlich betrunken und war irgendwie übermütig. Der Verdacht, dass Siamak sich innerlich verkrampft von meinem Ständer abzulenken versuchte, amüsierte mich, und ich beobachtete den seriösen Doktor aufmerksam, um meine Annahme vielleicht durch sein Verhalten oder seine Körpersprache bestätigt zu finden.
Geschickt und schnell wickelte er einen neuen, sauberen und schneeweißen Verband um meinen Oberarm, fast ohne mich dabei zu berühren. Trotzdem kam er mir bei dieser Aktion zwangsläufig ziemlich nah, was mich zusätzlich antörnte. Am liebsten hätte ich mich vorgebeugt und ihn auf die Wange geküsst, und dann überall anders hin, aber ich hielt mich zurück, denn mir war klar, dass ich mich zurückhalten musste.
Viel zu schnell war der geile Mann fertig und klebte die Enden der Stoffbahn mit weißem Klebeband fest, was er vorher von einer Rolle abgeschnitten hatte. „Stell dich bitte hin, Clay, dann verbinde ich noch eben die zweite Naht", forderte Siamak mich freundlich lächelnd auf und mir wurde abrupt klar, dass er meinen Oberschenkel meinte, und mein Herz hämmerte los, weil diese Stelle so verdammt nah an meinem Penis war.
Er half mir dabei, von der Liege zu rutschen, obwohl das gar nicht nötig war. Dann stand ich dicht vor ihm und wäre beinahe prompt eingeknickt, weil mein Bein irgendwie betäubt war, oder weil sich plötzlich das Zimmer um mich drehte. Siamak hielt mich fest, indem er mich am Arm packte und schaute mich forschend an. „Ist alles klar mit dir, Clay?" wollte er leicht beunruhigt wissen und schaute mir geradewegs in die Augen. „Ist dir schwindelig?" fragte er ernsthaft, „Hast du Kopfschmerzen?" Ich schüttelte den Kopf. „Nein, geht schon...", murmelte ich und kniff mehrmals die Augen zusammen, um das Schwindelgefühl zu vertreiben.
Siamak ließ mich los, schnappte sich den zweiten Verband von der Ablage und riss die Plastikfolie ab. „Du bist betrunken, Clay. Und du hast vor Kurzem trotz Methadon nicht wenig Heroin konsumiert", bemerkte er plötzlich zum zweiten Mal, was mich total anpisste, weil ich ihm schon gesagt hatte, dass ich über die shore nicht reden wollte. „Ja, das stimmt", gab ich gleichgültig zu, konnte aber den aggressiven Unterton in meiner Stimme nicht vermeiden.
Siamak seufzte schwer, als hätte ich ihn damit persönlich beleidigt, was mich noch wütender machte. „Kannst du mir einen vernünftigen Grund dafür nennen?" forschte er ernsthaft nach, während er meine Beine cool ein Stückchen auseinander schob und routiniert damit anfing, den Verband fest um meinen frisch genähten Oberschenkel zu wickeln.
Mir kam der Verdacht, dass er mit diesem scheiß Thema nur ausgerechnet jetzt anfing, um mich von dieser intimen Aktion abzulenken, und es ärgerte mich, dass er damit vollen Erfolg hatte. Eigentlich wollte ich mich lieber auf diese innige Berührung konzentrieren, seine unmittelbare Nähe genießen und ein bisschen phantasieren. Aber der hinterhältige Doktor kratzte mit seinen Worten schon wieder an meiner Zufriedenheit, und das ging mir unglaublich auf den Senkel.
„Wie wäre es zum Beispiel mit einer Vergewaltigung, Siamak. Ist das ein guter Grund?" knurrte ich geringschätzig und taxierte ihn vorwurfsvoll. Er schaute nicht auf, konzentrierte sich ganz auf seine Tätigkeit, aber ein dunkler Schatten legte sich über sein schönes Gesicht.
Geschickt und schnell, aber auch frustrierend gleichgültig wickelte er diese weiße Stoffbahn straff um meinen Schenkel und ignorierte dabei vollkommen meine Erektion in meiner Boxershorts, obwohl sie ihn förmlich die ganze Zeit ansprang.
In nicht mal zwei Minuten war der Verband fertig. Siamak klebte auch diesmal die Enden fest, zog sich die dünnen Handschuhe aus, warf sie auf die Ablage und richtete sich langsam auf. Der unberührte Mann blieb vor mir stehen und betrachtete mich ausführlich. Er schaute sich meinen verletzten Hals an, dann mein Gesicht, guckte mir tief in die Augen, als würde er nach irgendwas suchen. Sein forschender Blick machte mich nervös, sodass ich schließlich die Augenbrauen zusammenzog und ihn fragend musterte. Er lächelte einfach zauberhaft.
„Es tut mir leid, Clay. Ich wollte dich wirklich nicht kränken", flüsterte er plötzlich fast. Dieser Satz ließ meinen Blutdruck spontan in die Höhe schnellen. Ich konnte nicht fassen, wie gut er mich tatsächlich schon durchschauen konnte. „Nein... ich...", wollte ich abwiegeln, aber er hob die Hände und schüttelte den Kopf. „Weißt du, ich würde so gerne noch sehr viel mehr für dich tun. Aber dazu bin ich nicht ausgebildet, und ich habe auch gar keine Zeit dafür", erklärte er mir sanft. Ich starrte ihn verwirrt an und wusste seine Worte nicht einzuordnen. Aufgeregt atmete ich tief ein. Er lächelte immer noch, und seine dunklen Augen zogen mich magisch an.
„Siamak", sagte ich konfus. Automatisch streckte ich die Hand nach ihm aus, noch bevor ich mich bremsen konnte. Ich erwartete, dass er mir ausweichen würde, aber zu meiner Überraschung tat er das diesmal nicht. Im Gegenteil, er ergriff meine Hand, bevor sie ihn erreichen konnte, und hielt sie mit beiden Händen zart fest. Vorsichtig streichelte er über meinen Handrücken, während er mich liebevoll anlächelte.
„Du hast dich ganz schön gewehrt, nicht wahr, Clay?" stellte er traurig fest und fuhr mit den Daumen einfühlsam über meine Fingerknöchel, die von den vielen Schlägen, die ich tatsächlich ausgeteilt hatte, teilweise aufgeplatzt und zerkratzt waren. Bei der brutalen Erinnerung schnürte sich mein Hals zu, deshalb konnte ich ihm nicht antworten, aber wahrscheinlich erwartete er das auch gar nicht.
Siamak seufzte nochmal und atmete tief ein. „Wenn du irgendwann therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen möchtest, Clay, ganz egal, was auch immer passiert ist, dann kannst du jederzeit hierherkommen. Wir haben hier im Christopherus-Krankenhaus hervorragendes Fachpersonal dafür, das kannst du mir glauben."
Nur im Hinterkopf begriff ich, dass der Arsch schon wieder von der Psychiatrie sprach, und das machte mich ganz schön wütend. Aber seine ungewohnte Berührung, sein behutsames Streicheln war so wundervoll, dass ich seine Worte krampfhaft überhörte und mich ganz auf diesen Moment konzentrierte. Er mag mich doch, dachte ich überwältigt, er fasst mich an, weil er mich gut leiden kann. Dieser Mann ist unglaublich nett zu mir. Ich möchte so gerne noch viel mehr von ihm angefasst werden.
„Siamak", krächzte ich noch einmal und spürte seine Zärtlichkeit in meinen Penis fahren. Daraufhin lachte er leise amüsiert und ließ mich vorsichtig los. „Hast du sonst noch irgendwelche Beschwerden?" fragte er mich abrupt, schlagartig wieder ganz der scheiß seriöse Arzt. Genervt stöhnend zog ich meine Hand zurück und schüttelte den Kopf, weil mir im Moment keine weiteren Beschwerden einfielen, außer dass ich total ausgehungert nach Sex war.
„Okay, dann sind wir für heute wohl fertig. Es war richtig, dass du sofort hierhergekommen bist, Clay. Pass bitte gut auf deine Nähte auf. Und schone dich ein bisschen, du hast noch immer eine leichte Gehirnerschütterung", meinte Siamak emsig und ging zum Schrank an der Wand. „Du kannst dich jetzt wieder anziehen", erwähnte er nebenbei.
Bedauernd schaute ich ihm hinterher, denn ich wollte eigentlich noch länger mit ihm allein in diesem Zimmer sein. Es war angenehm warm hier, und ich wollte ihn dringend auf dieser breiten Liege ficken. Aber ich musste wohl mit dem, was zwischen uns gewesen war, zufrieden sein.
Also machte ich einen Schritt auf die schmale Liege an der Wand zu und fiel im gleichen Moment fast auf die Fresse, weil sich alles drehte und mein Bein unter mir wegknickte. Nur mit Mühe krallte ich mich an der breiten Liege fest, die protestierend laut schepperte. Doktor Tourani, der mittlerweile an dem Schrank stand, fuhr bei dem Lärm zu mir herum und rief erschrocken: „Sei vorsichtig, Clay, du bist betrunken! Und dein Oberschenkel wird noch eine Weile betäubt sein, sodass du nicht richtig laufen kannst."
Mann, halte doch einfach dein Maul, dachte ich genervt und machte zwei vorsichtige Schritte, bis das Schwindelgefühl nachließ. Ich gewöhnte mich an das betäubte Gefühl und erreichte meine Klamotten schließlich ohne Zwischenfälle. Langsam zog ich mir mein Hemd an und knöpfte es zu, als Siamak nochmal zu mir zurückkam und mir die angekündigte Salbe in die Hand drückte. Er erklärte mir genau, wie ich sie anwenden musste, was mir peinlich war, deshalb nickte ich nur und steckte die Salbe schnell in mein Jackett. „Du kannst die antibakterielle Salbe auch für deine unzähligen Schnittwunden verwenden, Clay", schlug Siamak mir freundlich vor.
„Hast du heute die eine Antibiotika pünktlich genommen?" wollte er gleich darauf wissen und ich geriet in Verlegenheit, weil ich ja die scheiß Tablette total vergessen hatte. Zum Glück wartete der Arzt in seinem Element meine Antwort aber gar nicht ab. „Wenn du die Antibiotika nicht ganz genau regelmäßig einnimmst, Clay, dann kann sie nicht mehr wirken. Es ist also nicht verkehrt, wenn du die Schnitte mit der Salbe behandelst, um einer Entzündung vorzubeugen", laberte Siamak mich voll und ging mir damit gehörig auf die Eier, weil er anscheinend davon ausging, dass ich diese blöden Antibiotika sowieso vergessen würde. Offenbar hielt der Wichser mich für unzuverlässig, unvernünftig und gedankenlos, und das machte mich ganz schön sauer.
„Wie lange arbeitest du schon hier?" fragte ich ihn schnell, um das unangenehme Thema zu wechseln. Ich griff nach meiner Jeans, stieg vorsichtig hinein, zog sie behutsam hoch, stopfte meinen Schwanz rein und knöpfte sie mühsam zu. Dann zog ich meine Weste über und guckte Siamak fragend an, weil er so lange keine Antwort gab. Vielleicht musste der Herr Doktor erst entscheiden, ober mir überhaupt antworten wollte, obwohl ich meine Frage total harmlos fand.
„Seit zwei Jahren", verriet er mir endlich lächelnd, sichtbar erstaunt über mein Interesse. „Und hier in der Notaufnahme? Wie lange hast du denn hier schon ununterbrochen Dienst?" wollte ich besorgt von ihm wissen, um einen allerletzten Flirt zu starten. Der gutaussehende Mann, der nah bei mir stand, betrachtete mich einen Moment irritiert, und ich hatte den Eindruck, als wäre er wirklich gerührt über meine Besorgnis.
„Wir arbeiten in der Notaufnahme immer 72 Stunden am Stück, Clay. Danach habe ich dafür zwei Tage frei", informierte er mich mit verheißungsvoll funkelnden Augen. „Du siehst so müde aus, Siamak. Du wirkst auf mich so erschöpft, deshalb", erläuterte ich mitfühlend und fesselte ihn mit meinem charmanten Blick, während mein Herz nochmal verstärkt losklopfte. Siamak lächelte bezaubernd. Er war amüsiert und eindeutig bewegt. „Es ist nett von dir, dass du dir darüber Gedanken machst", erwiderte er und meinte es bestimmt ehrlich.
Noch einmal stand die Zeit still, während ich mutig meine Hand ausstreckte und ganz leicht über Siamaks stoppelige Wange streichelte. Seine gebräunte Haut fühlte sich unter den Barthaaren ganz weich an. Er war diesmal nicht schnell genug, um mir auszuweichen, oder vielleicht wollte er es auch gar nicht. Ganz still, bewegungslos stand er dort, blickte mich fasziniert an und ließ meine sanfte Berührung zu, was ich kaum fassen konnte.
„Vielleicht können wir uns ja mal treffen, wenn du zwei Tage frei hast", schlug ich tollkühn vor, und die Vorstellung steigerte meine Erregung enorm. Doktor Siamak stutzte verblüfft. Er riss die Augen auf, blies perplex lachend Luft aus und schüttelte kaum merklich den Kopf.
Im nächsten Moment wich er meiner liebkosenden Hand mit einer schnellen Bewegung aus und bückte sich nach etwas auf der Liege hinter mir. Er nahm die rote Krawatte auf und zeigte sie mir. Enttäuscht und verwirrt zog ich meinen Arm ein. „Darf ich dir die umbinden?" fragte Herr Tourani mich höflich und lächelte zum Niederknien. Irritiert taxierte ich ihn und nickte einfach mal. Ich war mir nicht sicher, ob er mir jetzt gerade eine Abfuhr erteilt hatte, oder ob meine Chancen auf ein Treffen mit ihm noch immer offen waren. Immerhin hatte er ja nicht sofort entsetzt nein geschrien.
Mein Kopf dröhnte aber ein bisschen, ich fühlte mich wieder verstärkt betrunken und zugedröhnt, und irgendwie ging es mir plötzlich gut, weil ich im Moment keine Schmerzen fühlte, weil er sich von mir hatte anfassen lassen und unser Rendezvous nicht empört abgesagt hatte. Jedenfalls konnte ich ihm nicht böse sein, als er mir tatsächlich fürsorglich die Krawatte um den Hals legte und geschickt einen perfekten Knoten band. Sein wunderschönes Gesicht war dabei dicht vor meinem und ich konnte mich kaum beherrschen, ihn nicht auf der Stelle gierig auf den Mund zu küssen.
Siamak schaute mir vielsagend in die Augen und flüsterte beschwörend: „Du musst ehrlich keine Angst vor einer stationären Therapie haben, Clay. Ich verspreche dir, dass du dich hier im Krankenhaus wohlfühlen wirst. Weißt du, die Menschen, die bei uns arbeiten, sind alle gut ausgebildete Profis. Und sie wollen dir alle nur helfen."
Sean
Als ich das Wort zum ersten Mal hörte, war ich dreizehn Jahre alt. Es war auf einer dieser unzähligen Feste, die regelmäßig im exklusiven Bekanntenkreis meiner Eltern im großen Stil stattfanden. Andauernd hatte irgendwer Geburtstag, wurde irgendwas gefeiert, und jedes Mal wurde die gesamte Familie Valmont dazu eingeladen. Weil mein Vater, der hochangesehene Besitzer der führenden Firma für Baumaschinen im Land, zum ausgewählten Kreis der oberen Zehntausend gehörte.
Meistens langweilte ich mich bei diesen exklusiven Zusammenkünften. Aber gleichzeitig waren sie für mich auch die einzige Gelegenheit, aus meiner kleinen, extrem überbehüteten Welt hinaus und unter andere Leute zu kommen, vorzugsweise zu mir passende Gleichaltrige kennenzulernen, wie meine Eltern sich ausdrückten.
Aber obwohl der Nachwuchs der wohlhabenden Familien zum Teil in meinem Alter war, so schien er doch nie zu mir zu passen. Zumindest empfand ich das so, denn ich konnte mit ihrer arroganten Sichtweise von der ersten Begegnung an nichts anfangen. Der Kontostand meines Vaters interessierte mich nicht, ich kannte die aktuellen Musikcharts und Filme nicht, die neuesten Trends oder teure Anschaffungen waren mir egal. Viel lieber las ich ein Buch, hörte klassische Musik oder besuchte mit meiner Mutter das Opernhaus.
Meine Eltern hielten mich während meiner Kindheit und Jugend penibel von allem fern, was mich möglicherweise aufregen, gefährden oder belasten könnte. Schlechte Schlagzeilen oder Nachrichten über meinen Vater, unsere Familie oder unsere Firma standen bei ihnen ganz oben auf der Gefährdungsliste. Deshalb durfte ich keine Zeitungen lesen und besaß keinen Internetanschluss. Auch ein Handy war mir nicht erlaubt, aber ich kannte ohnehin niemanden, den ich hätte anrufen wollen. Mein goldener Käfig war perfekt von der Außenwelt abgeriegelt, und weil ich es nicht anders kannte, vermisste ich diese Dinge auch nicht.
Probleme tauchten erst später und im Zusammentreffen mit Gleichaltrigen auf. Nach dem offiziellen Teil der Feste durfte sich die Jugend meistens irgendwann in eins der Kinderzimmer zurückziehen, um unter sich zu sein. Ziemlich schnell merkte ich, dass ich irgendwie anders als die anderen Kinder war, und das sollte sich niemals ändern. Allein meiner außergewöhnlichen, in den Augen der anderen als altmodisch und seltsam verlachten Vorlieben wegen galt ich unter den eingebildeten Nachwuchsmillionären wohl schon recht bald als Sonderling. Ich bin sicher, dass sie mich im Grunde nur zu ihren Geburtstagsfesten einluden, weil ihre Eltern sie dazu nötigten. Es gehörte sich so, weil mein Vater sehr viel Geld und Einfluss besaß.
Auch zu dem besagten Fest war ich mit Sicherheit nur aus diesem Grund eingeladen worden, und aus dem gleichen Grund durfte ich die Einladung auch nicht ausschlagen. Frank Greorgius von den berühmten Greorgius-Werken feierte seinen vierzehnten Geburtstag. Er hatte außer mir noch andere Jungs und Mädchen eingeladen, und irgendwann spielten wir in seinem Zimmer diese typischen Teenagerspiele. Auch diesmal bemühte ich mich, nicht unangenehm aufzufallen, denn selbstverständlich wollte ich immer gerne dazugehören und von allen anerkannt sein.
Also log ich bei dem Spiel Wahrheit oder Pflicht, was meine sexuellen Erfahrungen anging, wie sicherlich die anderen Jungs und Mädels auch. Beim Flaschendrehen küsste ich recht unbeholfen sämtliche Mädchen, die alle aus irgendeinem Grund scharf darauf waren, von mir geküsst zu werden. Ich spürte aber schnell, dass das Küssen von Mädchen mich nicht in der Form antörnte, wie es wohl hätte sein sollen.
Die Stimmung auf diesem Fest heizte sich kontinuierlich auf, und als sich später Pärchen bildeten, um in den Ecken oder im Wandschrank zu knutschen, stritten die Mädchen sich tatsächlich um mich.
Frank Greorgius wurde fuchsteufelswild, weil ich ihm auf seinem eigenen Geburtstagsfest eindeutig die Show stahl, obwohl das wahrlich nicht in meiner Absicht gelegen hatte. „Ihr seid vielleicht alle bescheuert!" knurrte er seine weiblichen Gäste unhöflich an, „Bei dem braucht ihr bestimmt nicht Schlange zu stehen, das ist für jede von euch komplett vertane Zeit!"
Alle schauten ihn fragend an, einschließlich mir selbst. Frank grinste gemein, warf mir einen geringschätzigen Blick zu und zischte überaus spöttisch: „Merkt ihr das wirklich nicht? Ihr Mädels müsst blind und taub sein! Sean Valmont ist doch so was von total schwul!"
„Ich kapier das einfach nicht, Sean!" beschwerte Louis sich in die Stille hinein und holte mich damit aus meinen Erinnerungen, „Mensch, du gibst Interviews, seit du sechs Jahre alt bist! Was war an diesem denn so schlimm, dass du dich vorher ausgerechnet mit Kokain zuknallen musstest? Nur, weil es für ArtHouse war? Das kann doch nicht dein Ernst sein!" Mein Freund war hörbar fassungslos, und ich warf ihm einen schnellen Blick zu.
Wir saßen noch immer gemeinsam in meinem Jeep im Schein der Innenbeleuchtung, er auf dem Fahrer-, ich auf dem Beifahrersitz. Inzwischen hatte ich schon anderthalb Flaschen Wasser getrunken und damit meinen ausgetrockneten Körper beruhigt. Auch mein Herz schlug mittlerweile wieder ruhiger, auch das Atmen war nicht länger eine Qual. Das Diazepam tat zuverlässig genau das, was es sollte.
Ich war mir allerdings noch nicht sicher, ob ich darüber wirklich erleichtert war. Je weiter der von mir so flehentlich herbeigesehnte Tod sich von mir entfernte, umso näher schien die eindeutig bedrohliche Wirklichkeit zu kommen, die unmittelbare Gegenwart, die auf einer Vergangenheit basierte, über die ich auf gar keinen Fall nachdenken wollte. Zum Glück bewirkten die Valium in mir auch eine besänftigende Müdigkeit, die sich recht gut anfühlte.
„Deine Party hat mich total geschafft...", wiederholte ich gelangweilt. Plötzlich fauchte Louis so laut und frustriert los, dass ich erschrocken zusammenzuckte und ihn irritiert anstarrte. Er taxierte mich mit zornig funkelnden Augen. „Hör um Himmels Willen auf damit, Valmont! Lüg' mich nicht an! Schiebe diesen Mist hier nicht auf meine Party, das ist totaler Schwachsinn! Deine Mitwirkung dabei ist eine von uns beiden im gegenseitigen Einvernehmen beschlossene Vereinbarung, und du wirst dafür ja wohl mehr als fürstlich entlohnt, das kannst du nicht abstreiten. Außerdem hast du meines Wissens nach schon auf zwei Feten von mir getanzt, und nach keiner von ihnen wolltest du dich umbringen!"
Seine Wut schüchterte mich mehr ein, als mir lieb war, und ich wandte verwirrt den Blick ab. „Hier steckt etwas ganz anderes dahinter, Herr Valmont, und ich kann mir sehr wohl denken, was das in Wirklichkeit ist", setzte Louis etwas leiser, aber nicht minder angespannt hinzu. „Ich kann mir schon denken, wer dir heute so dermaßen zugesetzt hat, dass du sterben willst", flüsterte Louis Frédéric und schnitt mir damit fast die Seele raus.
Mein Herz, gerade erst halbwegs beruhigt, hämmerte intuitiv los, mein abrupt erneut kochender Blutdruck klopfte und rauschte mir laut in den Ohren. Nervös strich ich mir mit den Händen über den wirren Kopf, um mich zu beruhigen. „Nein, das stimmt nicht... so war das nicht...", krächzte ich hilflos abwehrend. Ich wollte auf keinen Fall, dass er diesen Namen aussprach, denn das hätte ich nicht ertragen.
„Und wie war es dann, Sean?" fragte Louis und fixierte mich aufmerksam. Seine Stimme hörte sich drängend an, fast flehend. Er verlor hörbar die Geduld mit mir, und das machte mich zusätzlich nervös.
Ich musste Louis jetzt antworten. Mein bester Freund machte sich Sorgen um mich, er war nur wegen mir hier rausgefahren und verpasste gerade mit Sicherheit irgendeinen wichtigen Termin. Ich musste ihm jetzt ganz ehrlich erzählen, was passiert war, was ich getan hatte, denn Louis Frédéric von Ravenhorst verdiente die Wahrheit. Aber ihm die Wahrheit zu erzählen hieß auch, sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen, sich ihr zu stellen, und dazu war ich einfach nicht fähig. Die Wahrheit auszusprechen bedeutete, dass sie real war, und ich war nicht in der Lage, damit umzugehen.
Unwillkürlich verfiel ich in eine erneute Schockstarre, mein Atem stockte, ich rang nach Luft. Meine Kehle und mein Brustkorb schnürten sich zu. Tief in meinem Innern lauerte unverändert dieser absonderlich große, alles vernichtende Schmerz, den ich nicht ertragen konnte, und ich war nicht bereit dazu, ihn durch ein Geständnis hervorzuholen.
„Louis.. nicht... bitte...", stammelte ich mühsam und klemmte meine absurd zitternden Finger unter meine Oberschenkel. „Warum nicht?" hakte er sofort nach. Müde schloss ich die Augen und saß einfach so dort. Mein Beifahrersitz war ergonomisch gestaltet und daher sehr bequem, aber ich wünschte mich trotzdem sehr weit weg. Ich wollte dringend in einer komplett anderen Welt sein, wo das alles nicht passiert war, und wo ich mir noch ohne Probleme in die Augen sehen konnte.
Louis wartete vergeblich auf meine Antwort. „Das kannst du vergessen, Sean", seufzte er nach einiger Zeit, „Glaub bloß nicht, dass ich dich damit in Ruhe lasse oder dass ich dich womöglich jetzt und hier allein lasse! Dafür ist das echt zu heftig! Du bist total durchgeknallt, willst dich ernsthaft umbringen, und alles nur wegen diesem..." Erschrocken, abwehrend riss ich die Augen auf, fuhr zu ihm herum und zog scharf die Luft ein, sodass Louis seufzend verstummte.
Eine Weile schauten wir uns schweigend an. Ich zwang mich, seinem Blick standzuhalten, obwohl seine Augen viel zu wissbegierig waren und bis tief in meine Seele zu dringen schienen. Unser Schweigen war bleischwer, die Atmosphäre im Auto schien sich bedrohlich aufzuladen.
Schließlich holte Louis tief Luft. „Okay, Sean, dann sage ich dir jetzt, wie es ist. Du hast jetzt noch genau zwei Möglichkeiten. Natürlich kannst du so weitermachen wie bisher, einfach so tun, als wäre gar nichts geschehen und den ganzen Scheiß in dich reinfressen, bis du daran platzen wirst. Und das wird passieren, glaube mir, daran führt kein Weg vorbei, das ist so sicher wie die Inflation."
Er schaute mich vielsagend an und grinste freudlos. „Denn du bist ja schon beinahe geplatzt, nicht wahr? Mann, du wolltest dich umbringen, Sean Valmont! Ist dir überhaupt richtig klar, was das bedeutet? Du wolltest dein Leben wegwerfen! Du hast aufgegeben und auf alles verzichtet, was das Leben lebenswert macht! All die kleinen Momente, in denen du glücklich gewesen bist, all diese Möglichkeiten, du wolltest ernsthaft darauf verzichten! Du wolltest lieber tot sein, als dein Glück zu finden! Aber danach gibt es nichts mehr für dich, Sean! Danach ist alles zu Ende und es gibt definitiv keinen Rückfahrschein! Hörst du, Sean? Das ist endgültig! Damit hast du leichtfertig alle deine Chancen vertan!"
Louis hatte sich in Rage geredet und brauchte einen Moment, um seine spürbar aufwallende Wut und seinen Unglauben herunterzuschrauben. Mein Herz klopfte hart, denn diese Tatsachen ausgesprochen zu hören machte mir mehr zu schaffen, als ich vermutet hatte. Tief drinnen fragte ich mich verstört, was ich mir eigentlich dabei gedacht hatte. Und doch schien mir zu sterben immer noch die leichtere Wahl zu sein, denn weiterzuleben machte mir eine Heidenangst.
Louis griff hinüber in meinen Fußraum und holte sich eine der Wasserflaschen. Er schraubte sie auf und nahm einen großen Schluck. Dann schaute er mich wieder an. „Aber es ist noch nicht zu spät, Sean. Für dich gibt es noch ein paar Chancen, denn du lebst ja glücklicherweise noch. Und nur deshalb hast du auch noch die zweite Möglichkeit."
Er machte eine dramatische Pause, während er noch einen Schluck Wasser trank, die Flasche dann zudrehte und zurück in meinen Fußraum stellte. Er betrachtete mich eine Weile nachdenklich und ich tat so, als würde ich das nicht merken. Ich war aufgewühlt und fixierte die Windschutzscheibe, in der ich mein Gesicht erkennen konnte. Ich sah nicht gut aus, fand ich, mein Haar klebte mir verschwitzt auf der Stirn und meine Augen waren wirr und riesengroß.
Louis seufzte schwer, als hätte er eine große Last auf den Schultern, obwohl doch ich derjenige war, der hier zu leiden hatte. „Wenn du aber nur etwas von dem begriffen hast, was ich dir schon zu erklären versuche, seit ich dich kenne, dann hörst du jetzt endlich auf mit deinem Egotrip, Sean Valmont. Wenn du mich verstanden hast, dann hörst du sofort auf damit, dich hier sinnlos und hemmungslos in deinem Selbstmitleid zu wälzen, als hättest du keinen Stolz mehr", sagte Louis beschwörend zu mir. In seiner Stimme stecke kein Vorwurf, sondern nur eine verständnislose Traurigkeit.
Zögernd drehte ich meinen Kopf und guckte zu ihm hin. Er ließ mich nicht aus den Augen, saß auf seinem Sitz, halb zu mir hingedreht und schenkte mir seine ganze Aufmerksamkeit. Das ist ein Geschenk, dachte ich noch einmal, ich muss verdammt dankbar sein, dass da jemand sitzt, der mir ehrlich zuhören will und den es interessiert, was ich zu sagen habe. Ich war gerührt und hatte gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, weil ich Louis Frédérics Geduld so sehr strapazierte.
Nervös fummelte ich noch eine Zigarette aus meiner Jacke und steckte sie mit bebenden Fingern mühsam an. Tief inhalierte ich den Rauch und hoffte darauf, dass das Nikotin mich genug beruhigen würde, um dieses Gespräch durchzustehen. Mit der anderen Hand ließ ich das Seitenfenster hinunter und aschte nach draußen. Ein eisiger Wind blies auf mein heißes Gesicht, und ich schloss panisch die Augen. Verdammt, dachte ich, warum ist nur alles so verflucht verfahren und schwierig? Warum muss das Leben so hart sein, das ist total unfair und tut weh. Mein Leben war doch von Anfang an ständig ein verdammter Kampf für mich. Und ohne Louis hätte ich diesen Kampf höchstwahrscheinlich schon vor langer Zeit aufgegeben.
Etliche Wochen nachdem Frank Greorgius mich auf seinem Geburtstagsfest als schwul bezeichnet hatte, fragte ich meinen einzigen Vertrauten danach, weil dieses Wort mir einfach keine Ruhe mehr ließ und ich niemand anderen danach fragen konnte. Ich kannte Louis Frédéric von Ravenhorst damals seit ungefähr einem Jahr. Wir trafen uns nur selten und ausschließlich zu offiziellen Anlässen, hatten uns aber im Laufe der Zeit angefreundet, was hauptsächlich daran lag, weil ich es unbedingt wollte.
Der vier Jahre Ältere imponierte mir, er war freundlich zu mir und ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich von ihm mit Sicherheit sehr viel lernen konnte. Louis wirkte auf mich, wie ein spannendes Tor in die mir unbekannte, echte Welt da draußen, auf die ich immer neugieriger wurde, und das war er zweifellos auch.
Im Gegensatz zu mir wusste er schon damals sehr genau, was schwul bedeutet und was es hieß, selber schwul zu sein. Der Siebzehnjährige hatte sich vor Kurzem vor seiner großen Familie geoutet, aber davon wusste ich zu dieser Zeit nichts. Im Gegensatz zu meinen Eltern mit mir, hatte jedoch seine Familie mit seiner Homosexualität keinerlei Problem.
Wir saßen mal wieder hinter der großen Hecke im Garten der von Ravenhorsts und teilten uns eine Zigarette, Louis und ich. Und ich hatte ehrlich keine Ahnung, welches Thema ich mit meiner Frage anschnitt. „Sag mal, Louis, was bedeutet eigentlich schwul?" fragte ich ihn höchst naiv.
Ich erinnere mich, wie er perplex anfing zu husten, weil er sich am Rauch der Zigarette verschluckt hatte. Mit großen Augen starrte er mich an, sodass ich verlegen ahnte, irgendein heißes Eisen angefasst zu haben. „Wie kommst du denn darauf?" wollte er verblüfft von mir wissen. „Frank hat mich so genannt", erzählte ich ihm unbehaglich. „Der Greorgius? Das ist typisch!" zischte Louis geringschätzig, „Der weiß doch gar nicht, was er da sagt. Der benutzt das Wort nur als Schimpfwort." „Ist es eins?" wollte ich wissen.
Daraufhin schaute Louis mich eine Weile nachdenklich an, dann schüttelte er den Kopf. „Es sollte jedenfalls keins sein", seufzte er. Und dann erklärte er mir mit ruhiger, freundlicher Stimme, was schwul bedeutet. Meine Augen wurden immer größer, mein ahnungsloses Herz fing an zu klopfen, weil ich mich tief drinnen in diesen Beschreibungen wiederfand, auch wenn ich mir noch nicht hundertprozentig sicher war. Ich gestand Louis meine heimlichen Befürchtungen, und er verriet mir, dass er selbst ausschließlich auf Jungs stand.
Als er mir versicherte, dass daran nichts verkehrt, krank oder abartig war, fühlte ich mich richtig gut.
Auch an diesem Abend lag ich aufgeregt in meinem Bett und dachte nach, wie es mir so oft nach Gesprächen mit Louis Frédéric erging. Ich hatte etwas Neues von ihm gelernt, was für mein Leben entscheidend werden sollte, und gleichzeitig hatte er mir jede Menge Mut und Selbstbewusstsein mit auf meinen schwierigen Weg gegeben.
Aber jetzt, zwanzig Jahre später, war von meinem damaligen Mut nichts mehr übrig geblieben. Ich saß mit Louis in meinem Jeep und fühlte mich absolut schwach und zunehmend erbärmlich. Er hatte ja recht, ich musste mich endlich zusammennehmen und mit ihm über all das sprechen, was passiert war. Ich musste ihm erklären, was ich getan hatte, und dann mussten wir gemeinsam eine Lösung finden. Louis hat mir doch schon immer irgendwie geholfen, er kann es ganz bestimmt auch diesmal, versuchte ich mir zuzureden.
„Du hast mich vor langer Zeit einmal gefragt, was schwul bedeutet. Erinnerst du dich?" fragte Louis in die unbehagliche Stille hinein. Ich nickte, denn an dieses tiefgreifende und für mein Leben bestimmende Gespräch erinnerte ich mich nur allzu gut. „Damals habe ich dir versichert, dass es absolut okay ist, wenn du dich in einen Mann verliebst", seufzte Louis. Ich schaute ihn an und fragte mich verblüfft, ob er eventuell Gedanken lesen konnte, denn genau an seine damaligen Worte hatte ich ja gerade gedacht. Louis verzog das Gesicht zu einem unglücklichen Grinsen. „Aber wenn ich damals auch nur ansatzweise geahnt hätte, in welchen Mann du dich später tatsächlich verlieben würdest, dann würde ich diese Worte am liebsten jetzt zurücknehmen", gestand er mir und machte mich damit ziemlich wütend.
Was sollte das, warum sagte er so etwas? Warum konnte er nicht einfach mal akzeptieren, wem mein Herz gehörte? Warum zum Teufel konnte das kein Mensch akzeptieren? Das war doch ganz allein meine Sache! Wütend drehte ich den Kopf weg und starrte nochmal eine Weile auf die Windschutzscheibe, während ich gierig an der Kippe zog. Das innere Bedürfnis, sofort irgendwas kaputtzuschlagen, wurde nochmal ziemlich stark. Fuck, dachte ich konfus, ich sollte in dem teuren Jeep wirklich nicht rauchen! Dazu ist er viel zu schade!
„Verdammt nochmal! Ich kapiere das einfach nicht!" platzte es plötzlich ungeduldig aus Louis heraus, dem mein Schweigen eindeutig zu lange gedauert hatte. Erschrocken guckte ich zu ihm hin, er taxierte mich fassungslos. „Warum um Himmels Willen muss es ausgerechnet dieser Typ sein? Der sieht doch noch nicht mal gut aus! Er nimmt ständig harte Drogen. Und außerdem ist er total kaputt und durchgeknallt!" rief Louis aufgebracht.
Er ignorierte mein spontan heftiges, mega gekränktes Kopfschütteln und ereiferte sich direkt weiter: „Was aber am allerschlimmsten an dieser ganzen, unseligen Angelegenheit ist, das ist die unbestreitbare Tatsache, dass er dich kein bisschen liebt! Der verarscht dich doch immer nur! Verdammt, Sean, warum um alles in der Welt verschwendest du deine wertvollen Gefühle an diesen einen Mann, wo doch da draußen noch so unzählbar viele entschieden nettere, weitaus intelligentere und viel besser aussehende Männer herumlaufen!"
Louis musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen, er war unzufrieden und verständnislos. „Nein... hör auf, Louis... das ist unfair...", stotterte ich unbehaglich und war gleichzeitig froh, dass er es offenbar vermied, den Namen Clay auszusprechen. „Du weißt genau, dass man Gefühle nicht steuern kann", setzte ich aufmüpfig hinzu. Louis grinste. „Man kann aber seinen Verstand dazuschalten, Sean. Und den hast du scheinbar vollkommen ausgeschaltet, seit du diesen Mann zum ersten Mal gesehen hast", warf er mir spöttisch vor.
Im nächsten Moment war sein Gesicht wieder ernst. „Jetzt mach schon, Sean Valmont! Rede endlich mit mir! Erzähl mir genau, was passiert ist, und dann überlegen wir uns was. Sag mir doch einfach, was er dir diesmal angetan hat!" forderte er mich seufzend auf. Wenn das mal so einfach wäre, dachte ich, und gab mir einen Ruck.
„Er hat mir nichts angetan", flüsterte ich und meine Kehle schnürte sich augenblicklich zu, als mir klarwurde, dass ich jetzt gestehen würde. Nervös zog ich an meiner Zigarette. Louis studierte mich sehr aufmerksam. „Nicht?" hakte er verwundert nach. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe ihm was angetan", legte ich meine Seele offen zum Sezieren auf ein Tablett, „Ich habe ihn verprügelt, schwer verletzt und... vergewaltigt."
Meine Stimme war immer leiser geworden, und jetzt schloss ich ergeben die Augen und holte tief Luft, weil meine Brust so eng war.
Viel zu lange war es totenstill in meinem Wagen. Merkwürdigerweise fühlte ich mich jedoch befreit, als ob das Aussprechen irgendwas geändert hätte. Ich hatte keine Ahnung, was gerade mit mir passierte, was jetzt noch geschehen würde, aber es fühlte sich an, als hätte ich eine große Hürde überwunden. Bewegungslos saß ich dort und atmete tief ein und aus. Es ist ganz egal, was Louis jetzt von mir denkt, dachte ich resigniert, denn ich habe ihm tatsächlich die Wahrheit gesagt, und jetzt kann er damit machen, was immer er will. Schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden.
Louis brauchte eine erstaunlich lange Zeit, um mein Geständnis zu verdauen, was eigentlich gar nicht zu ihm passte. Irgendwann öffnete ich meine Augen und schaute vorsichtig zu ihm hin. Er hatte mich wohl die ganze Zeit beobachtet, und sein Gesicht war völlig ausdruckslos.
„Das ist heftig", gab er schließlich leise zu, und ich nickte, zog an der Kippe und warf sie danach aus dem offenen Fenster. Es wurde kalt, und ich ließ das Fenster wieder hochfahren. Dann fuhr ich mir nervös über das schweißnasse Gesicht. Ich möchte hier weg, dachte ich konfus, ich möchte einfach nur, dass das alles hier aufhört.
„Ja, er kam nicht zur ersten Probe unserer neuen Performance. Und dann hat er mich auch noch bei dem Interview im Stich gelassen. Ich war wütend auf ihn. Ich wollte ihn bestrafen und konnte mich nicht beherrschen", gab ich freimütig zu und spürte erstaunt, dass mir das Reden zunehmend leichter fiel. „Und jetzt? Wie hat er darauf reagiert?" wollte Louis mit sanfter Stimme wissen. Ich hob die Schultern. „Er hat sich in einen Teufel verwandelt", sagte ich fast gleichgültig.
Louis hob die Stirn. „Was bedeutet das?" „Er hat mich ausgelacht. Er war stinksauer, weil Eliza und ich uns vorher um ihn gestritten hatten." „Aber das macht ihr doch ständig", warf Louis ein und griff nochmal nach der Wasserflasche. „Diesmal war es anders. Diesmal hat er uns beide verlassen. Irgendwas ist mit ihm passiert. Ich fürchte, wir haben die Dämonen in ihm geweckt", erzählte ich und hatte das Gefühl, als würde diese Tatsache erst jetzt real werden, in diesem Moment, als ich sie ausgesprochen hatte. Er ist weg, dachte ich und blieb erstaunlich ruhig dabei, und er wird nicht wiederkommen. Er wird diese Stadt verlassen und ich werde ihn nie wiedersehen.
„Er wird wegziehen", sagte ich zu Louis, „Ich habe ihn verloren." Seufzend schaute ich meinen Freund an und suchte seine Reaktion zu erfassen. Louis überlegte nochmal ziemlich lange, als müsste er sich meine Worte erst mal durch den Kopf gehen lassen. Das reicht jetzt, fuhr mir durch den Sinn, es ist alles gesagt, es tut weh und ich möchte jetzt auf der Stelle damit aufhören.
Aber Louis fing gerade erst an, sich mit meinem Problem zu beschäftigen. Er würde es ernst nehmen und genau sezieren, wie er es schon getan hatte, seit ich zum ersten Mal mit ihm gesprochen hatte. Ich konnte ihm ansehen, wie es in seinem Kopf arbeitete, und ich wartete ruhig ab. Es ist egal, dachte ich erschlagen, es ist doch alles völlig gleichgültig. Nichts hat noch irgendeinen Sinn für mich.
„Woher weißt du, dass er wegziehen will?" fragte Louis nach einiger Zeit. „Er hat es mir angedroht", antwortete ich und hob nochmal ratlos die Schultern, obwohl der Gedanke mir plötzlich wieder enorm wehtat. Es war ein Gefühl, als würde die Welt nochmal einstürzen, als mir die Tragweite dieser Wahrheit abrupt bewusst wurde. Aber ich versuchte verkrampft, mir vor Louis nichts anmerken zu lassen. „Ihr habt also darüber gesprochen?" forschte mein Freund interessiert nach. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, er hat es nur pausenlos erwähnt. Ich habe ihn vergewaltigt, Louis. Das wird er mir niemals verzeihen!" betonte ich das wesentliche Problem.
Louis sah aus, als würde ihm ein Licht aufgehen, was mich misstrauisch machte. Er lächelte wissend und nickte mit dem Kopf. „Du hast ein schlechtes Gewissen, weil du ihn gegen seinen Willen bestiegen hast!" glaubte er verstanden zu haben, und ich schämte mich, weil sich das so niederträchtig und animalisch anhörte. Verlegen und verärgert presste ich die Lippen zusammen und wich seinem forschenden Blick aus. Louis war ein bisschen amüsiert, und das machte mich so wütend, dass ich es kaum ertragen konnte.
„Meine Güte, Sean!" rief er plötzlich, „Also wenn ich eins über deinen Goldjungen weiß, dann ist es das, dass er ziemlich hart im Nehmen ist! Der hat das doch längst vergessen, glaub mir!" behauptete Herr von Ravenhorst lautstark. Ich schüttelte den Kopf und schwieg bockig. Es machte mich wütend, dass Louis mein schwerwiegendes Problem so leicht nahm. Ich bereute es plötzlich, bedingungslos ehrlich gewesen zu sein, denn dieses Gespräch ging mir eindeutig an die Substanz. Es ärgerte mich enorm, dass Louis meine Gefühle so klein machte.
„Hast du mit ihm darüber gesprochen?" fragte er seufzend noch einmal. „Nein. Ich bin weggerannt. Ich weiß nicht genau, was danach passiert ist. Ich war völlig außer Kontrolle", erinnerte ich mich nur ungern. Plötzlich hatte ich Clays lachendes Gesicht vor Augen, seine diabolische Wut, dann seinen überirdisch schönen Körper, seine nackte Haut, und ich spürte eine schmerzhaft zehrende Sehnsucht in mir. Ich ertrage das nicht, hämmerte es in meinem Kopf, ich kann es nicht ertragen, dass er weg ist.
„Sean, guck mich bitte mal an!" forderte Louis mich ruhig auf und wartete ab, bis ich meine Augen widerwillig auf ihn richtete. „Es tut mir leid, aber du bist immer außer Kontrolle, wenn es um Clay Banton geht", warf mein Freund mir an den Kopf und zeigte mir kurz seine weißen Zähne, als ich bei der Aussprache des Namens unwillkürlich zusammenzuckte. „Du hast die Kontrolle schon verloren, als du dich in ihn verliebt hast. Und jetzt scheint es mir, als würdest du jeden Tag ein bisschen weniger werden. Als würdest du dein ganzes Leben nur noch auf diesen einen Mann fokussieren. Das wäre ja halbwegs okay, wenn er deine Gefühle wenigstens ein bisschen erwidern würde. Aber das ist nun mal nicht der Fall. Und es kommt mir vor, als hättest du wegen ihm alles vergessen, was ich dir so mühsam und geduldig beigebracht habe." Seine Ansprache machte mich wütend, weil er mich wie einen liebeskranken Idioten darstellte, auch wenn er wohl irgendwie recht hatte.
Herr von Ravenhorst seufzte theatralisch. „Verdammt, du sollst das tun, was dich glücklich macht, Sean! Das ist der Sinn des Lebens, verstehst du?! Aber dieser Mann macht dich nicht glücklich!" bläute Louis mir verzweifelt ein und taxierte mich vielsagend. „Das macht er wohl!" schrie ich zornig los, „Du hast ja keine Ahnung!" „Ach ja? Womit denn?" fragte Louis zweifelnd nach.
Mein aufbrausender Zorn ließ ihn unbeeindruckt, und ich erinnerte mich blitzartig an all diese Momente, in denen ich mit Clay glücklich gewesen war, wie unglaublich lebendig ich mich fühlte, wenn er nur in meiner Nähe war, und die Bilder schnitten sich tief in meine Seele. Diese Erinnerungen waren höchst privat und gingen niemanden etwas an, deshalb presste ich nochmal die Lippen zusammen und schwieg bockig.
Er wartete eine Weile gespannt, während er mich eingehend beobachtete, dann grinste er wieder. „Das ist gut, Sean. Sei wütend. Solange du wütend bist, bist du lebendig", erklärte er mir behutsam. Ich glotzte ihn ziemlich blöde an, weil ich seine Worte nicht richtig einordnen konnte und von meinen Gefühlen verwirrt war. „Hör zu, niemand ist es wert, dass du dich wegen ihm umbringst. Nichts und niemand ist das wert. Es gibt immer noch einen anderen Weg", versuchte Louis mir geduldig begreiflich zu machen. „Ach ja, welchen denn?" fragte ich ihn abfällig. „Zum Beispiel weiterleben", antwortete er trocken, „Zum Beispiel das Problem anpacken und versuchen es zu lösen." „Aber was soll ich denn tun?" schrie ich verzweifelt, „Er ist weg, Louis. Ich habe ihn verloren, und das überlebe ich nicht!"
Unvermittelt stiegen mir Tränen in die Augen. Hektisch drehte ich den Kopf weg und starrte aus dem Seitenfenster. Draußen hatte es aufgehört zu schneien. Der Wald lag dunkel und friedlich da, und noch einmal sehnte ich mich fast übermenschlich nach der endgültigen Dunkelheit. Ich kann das nicht, dachte ich resigniert, ich kann dieses Problem nicht lösen. Es gibt keine Lösungen mehr.
Noch einmal war es eine lange Zeit still in meinem Jeep, während Louis nachdachte und ich mich sehr weit weg wünschte.
„Also hör zu", fing Herr von Ravenhorst später an und wartete abermals ab, bis ich meinen Kopf fragend zu ihm drehte. Verstohlen wischte ich mir über die feuchten Augen und schluckte meine Tränen hinunter. „Das ist passiert, na gut. Du hast dich gehenlassen und so weiter, das verstehe ich. Schließlich hattest du eine scheiß Überdosis Kokain in dir. Aber das bedeutet nicht, dass du Clay verloren hast."
Ich schloss für einen Augenblick die Lider und seufzte schwer, weil ich das Gefühl hatte, dass Louis den Ernst der Lage einfach nicht richtig verstand. Schon wollte ich ihm widersprechen, aber er brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen.
„Wenn ich das richtig kapiert habe, dann bist du doch direkt nach dem Fick abgehauen. Ihr habt also noch gar nicht darüber geredet. In Wahrheit weißt du gar nicht, wie er darauf reagiert. Du hast keine Ahnung, ob er wirklich die Stadt verlassen will. Du bist einfach davon ausgegangen, weil er mal irgend so was erwähnt hat. Womöglich hat er das nur im Zorn gesagt." Entschieden schüttelte ich den Kopf. „Nein, das hat er ernst gemeint. Ich kenne ihn, und er hatte sich total verändert. Etwas Dunkles ist in ihm geweckt worden. Er ist ein völlig anderer Mensch gewesen", gab ich traurig zu bedenken und bei der Erinnerung zog sich alles in mir schmerzhaft zusammen. Was war das nur, überlegte ich verzweifelt, was zur Hölle ist da nur mit ihm passiert? Was habe ich ihm noch angetan?
„Trotzdem kannst du das nicht mit Sicherheit wissen, bevor du nicht mit ihm darüber gesprochen hast, Sean! Verdammt, du musst den Dingen erst mal genau auf den Grund gehen und nicht einfach irgendwas vermuten! Rede mit Banton und klär die Sache!" verlangte Louis ernsthaft. „Nein das geht nicht. Er wird nie wieder mit mir reden. Er wird mich hassen, Louis", jammerte ich kopflos und fühlte mich absolut erbärmlich.
Louis streckte seinen Arm aus und streichelte mir tröstend über die Schulter. „Hör mal, ich werde ihn schon noch erreichen, und dann rede ich mal ausführlich mit ihm..." „Nein, auf keinen Fall!" schrie ich entsetzt, „Er darf nicht wissen, dass wir uns kennen! Er darf das niemals erfahren, Louis! Versprich mir das!" Louis lachte leise. „Ja, ja, ich werde ja nicht darüber mit ihm reden, reg dich ab, Sean. Ich werde ihn zu seiner dritten Ausstellung nötigen, genau wie wir es abgemacht haben. Und dabei werde ich unauffällig seine Stimmung abchecken, okay?"
Ich nickte hilflos und schaute Louis unglücklich an. Sein Streicheln an meiner Schulter tat diesmal beachtlich gut und ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren.
„Denk doch mal nach, Sean! Clay Banton wird hier bestimmt nicht abhauen, wenn er realisiert, dass ich ihm nochmal so viel Geld für seine Bilder bezahlen will. Er wird auf jeden Fall noch seine Ausstellung abwarten, davon gehe ich aus. Also hast du noch jede Menge Zeit, um diese Sache zwischen euch zu klären." Verschwörerisch lächelte Louis mich an. Ich versuchte ebenfalls ein vorsichtiges, klägliches Lächeln. Weil seine Worte mich erstaunlicherweise trösteten, weil sie sich wie eine total unerwartete Chance anfühlten, ein kleines Licht in der Dunkelheit.
Er ist noch nicht richtig weg, kapierte ich überwältigt und war total verblüfft, vielleicht ist er in Wahrheit noch immer bei mir. Womöglich ist das alles doch nicht so schlimm, wie es sich im Moment anfühlt. Eventuell haben Clay und ich noch eine winzige Perspektive. Eine merkwürdige Wärme stieg aus meinem Bauch auf und fühlte sich an, als würde sich irgendwo weit weg ein Fenster öffnen.
Dankbar warf ich dem unbezahlbaren Mann auf dem Fahrersitz einen Blick zu. Louis Frédéric von Ravenhorst lächelte sichtbar zufrieden vor sich hin.
Eliza
Lieber Clay!
Ich schreibe dir diesen Brief, weil ich das Gefühl habe, dass wir im Streit auseinander gegangen sind, und das lag niemals in meiner Absicht. Auch möchte ich dir noch so viel sagen, wozu ich noch keine richtige Gelegenheit hatte. Ich habe von dir verlangt, dass du weggehen und nicht wiederkommen sollst, und ich glaube, dass du dich jetzt daran halten willst. Aber ich fühle mich dabei nicht wohl, weil ich auf keinen Fall möchte, dass du dich von mir abgeschoben oder weggejagt fühlst. Ach Clay, ich habe dir doch so viel zu verdanken. Du hast mich gelehrt, meinen Körper und meine Seele zu akzeptieren, und das es sehr viel wichtiger ist, was ich selbst von mir denke, als was andere von mir halten. Mit dir habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben wunschlos glücklich gefühlt und wir hatten eine wirklich tolle Zeit zusammen. Aber du weißt selbst, dass du viele Probleme hast, bei denen ich dir nicht helfen kann und die mich sehr belasten. Ich bin nicht stark oder erfahren genug, um dir bei diesen Dingen beistehen zu können, und ich fühle mich davon total überfordert. Das ist der Grund, warum ich unsere Beziehung beendet habe. Und jetzt brauche ich eine Zeit ohne dich, damit ich wieder zu mir selbst zurückfinden kann. Du hast nichts falsch gemacht, Clay, du bist immer lieb zu mir gewesen, und das werde ich dir nie vergessen. Aber in den Umgang, den wir inzwischen miteinander pflegen, hat sich unbemerkt so viel Wut geschlichen, so viele unausgesprochene Vorwürfe und so viel Ratlosigkeit, dass ich es für besser halte, wenn wir uns eine Zeit lang nicht sehen. Ich möchte nicht, dass wir im Zorn noch etwas zueinander sagen, was sich vielleicht nicht wieder gutmachen lässt. Bitte, Clay, versuche doch, dein Leben wieder unter Kontrolle zu bekommen. Nehme das Methadonprogramm ernsthaft in Angriff und schließe es erfolgreich ab, das wünsche ich dir von ganzem Herzen. Vielleicht kannst du auch einige Dinge aus deiner Vergangenheit regeln, die dich doch scheinbar so sehr belasten, dass du andauernd zu harten Drogen gegriffen hast. Bitte versuche mit den Drogen aufzuhören, Clay, du bist viel zu talentiert und wertvoll, um dein Leben mit diesem Gift kaputtzumachen. Ich wünsche dir, dass es dir bald wieder besser geht und du, wie ich, mit einem Lächeln an unsere gemeinsame Zeit denken kannst. Ich möchte dir für immer eine gute Freundin sein.
Deine Liz
Clay
„Stell dich nicht so an, Clay, du musst ehrlich keine Angst vor der Therapie haben. Richtige Männer haben vor gar nichts Angst, hörst du?! Ich verspreche dir, dass du dich in der Psychiatrie wohlfühlen wirst. Die Menschen, die da arbeiten, sind alle gut ausgebildete Profis. Die wollen dir alle nur helfen."
Dieses Versprechen, das meine Mutter mir vor etlichen Jahren gegeben hatte, war schlagartig zurück in meinen Kopf geknallt, hatte mich unwillkürlich paralysiert und entsetzt aufstöhnen lassen. Die dazugehörigen Erinnerungen sprangen mich total unvorbereitet an, hervorgeholt aus den Tiefen meiner Seele durch Doktor Touranis gutgemeinte Beteuerungen, die erschreckend gleich geklungen hatten.
Sofort dröhnte der ganze verfluchte Mist unangenehm bedrohlich in meinem irren Schädel herum. Mein Verstand fiel unaufhaltsam zurück in die Vergangenheit, sodass ich mich nur noch hastig zu Ende anziehen und ohne ein weiteres Wort Siamak und das Krankenhaus auf dem schnellsten Wege verlassen konnte. Ich lief so schnell ich konnte. Aber es war zu spät und hatte keinen Sinn, denn vor den schmerzenden Bildern in meinem Kopf konnte ich erfahrungsgemäß nicht flüchten. Die hatten sich für immer in meinem abgefuckten Gehirn festgesetzt.
Als ich dieses Versprechen, mich in der Psychiatrie wohlzufühlen, zum ersten Mal bekam, hatte meine Mutter mich hart am Arm gepackt. Sie schleifte mich durch diese entsetzlich große und laute Stadt, während sie mich mit mürrischer Stimme zu beruhigen versuchte. Mama packte mich immer am Arm, um mich irgendwohin zu zerren, wo ich freiwillig nicht hinwollte. Ihre Finger glichen dann einem Schraubstock, sie tat mir weh, und jedes Mal blieben an meinem dünnen Arm Blutergüsse und Quetschungen zurück, weil ich mich so verbissen wehrte. Allerdings hatte ich auch diesmal keine Chance gegen sie gehabt. Ich hatte nie eine Chance gegen sie, und ich wünschte mir schon damals längst nichts sehnlicher, als endlich größer zu sein, endlich stärker als sie.
Zu dieser Zeit war ich wahrscheinlich der zornigste, nervigste Neunjährige in der Provinz Alberta, womöglich von ganz Kanada. Seit über einem Jahr lebten wir jetzt schon hier und ich hasste einfach alles an diesem fremden Land. Die viel zu großen Autos, die breiten Straßen, die riesigen Holzhäuser. Ich hasste jeden einzelnen Baum, von denen es hier unzählige gab. Noch nie in meinem Leben hatte ich so viele verdammte Bäume gesehen. Ich verabscheute die mächtigen Berge, die großen, eiskalten Seen und vor allem die Menschen mit ihrer unverständlichen Sprache.
Als wir nach Kanada kamen, konnte ich mich auf englisch kaum ausdrücken, denn in Island hatte ich gerade erst angefangen, englisch zu lernen. In der Schule wurde ich nicht nur wegen meiner Sprachprobleme und dem deutschen und isländischen Akzent ständig ausgelacht. Die zweite Klasse, die ich in Island schon besucht hatte, musste ich in Kanada wiederholen, blieb dann aber trotzdem am Ende des Schuljahres sitzen.
Der neunjährige Clay Banton war ein zutiefst unglücklicher und einsamer Kämpfer gegen die ganze Welt, der sich mit seinem Schicksal nicht abfinden wollte und sich verzweifelt zurück nach Island zu seinem verlorenen pabbi sehnte. Zugegeben, ich machte es meiner Umwelt nicht leicht, lehnte alles von vornherein ab und gab niemandem eine Chance, an mich heranzukommen. Damals war ich unglaublich aggressiv und ständig in Prügeleien verwickelt. Andauernd machte ich mutwillig irgendwas kaputt, weil ich pausenlos diesen zornigen Drang dazu verspürte. Das trotzige Kind hasste die ganze Welt leidenschaftlich und suhlte sich in seinem Unglück.
Zweifellos hatte meine Familie am meisten unter ihrem jüngsten Mitglied zu leiden. Das enge Zusammenleben mit mir war für meine Mutter, ihren neuen Freund und meine Schwestern im ersten Jahr Kanada bestimmt unerträglich, denn ich ließ keine Gelegenheit aus, sie auf irgendeine Art zu bestrafen. Besonders dieser fremde Mann in unserer 2-Zimmer-Wohnung bekam ständig Ärger mit mir, obwohl es seine Wohnung und er wohl im Grunde ein netter Kerl war, wenn ich mich richtig erinnere.
Jedenfalls rieten die ratlosen Lehrer meiner Mutter schon ziemlich bald, mich während der Sommerferien in einer Kinder- und Jugend-Psychiatrie behandeln zu lassen. Meine Mutter stimmte sofort zu. Sie war verwirrt, denn keins ihrer Kinder hatte sich nach einem Umzug je auch nur annähernd so verrückt aufgeführt wie ich. Frau Banton musste nicht überredet werden, obwohl die Kosten für meine Behandlung angeblich so astronomisch hoch waren, dass sie dafür einen Kredit aufnehmen musste, was sie mir später immer wieder vorwerfen würde. Mama war schlicht mit ihren Nerven am Ende und versprach sich von den studierten Fachleuten das, was sie selbst nicht zustande brachte, nämlich, mich irgendwie zu bändigen. Jeder, der mich damals kannte, hoffte auf Besserung und alle wollten mir nur helfen.
Selbstverständlich wurde ich nicht nach meiner Meinung gefragt. Niemanden interessierte es, dass ich die Therapie ablehnte, denn ich sah überhaupt nicht ein, dass ich irgendwelche Hilfe brauchte. Alles, was ich wollte, war doch nur, zurück nach Island zu pabbi zu dürfen. Damals wusste ich noch nicht, dass das niemals passieren würde. Ich hatte die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit meinem Dad auch nach einem Jahr noch nicht aufgegeben.
Während meiner kopflosen Flucht aus dem verfluchten Christopherus-Krankenhaus erinnerte ich mich plötzlich daran, wie meine Mutter mich damals fest am Arm gepackt zu dem imposanten Holzhaus gezerrt hatte. Wir mussten durch die Straßen der lauten Stadt laufen, weil Mama in direkter Nähe des Hauses keinen Parkplatz finden konnte. Ich erinnerte mich viel zu deutlich an jedes Wort, das sie auf diesem Weg zu mir gesagt hatte. Ich spürte förmlich den Schmerz an meinem Arm, hörte ihr Versprechen, und wie genervt und ungeduldig ihre Stimme geklungen hatte. Sie hatte mich dabei nicht angesehen, sondern ihre Augen starr auf ihr Ziel gerichtet gehalten.
Meine Mama war eindeutig froh gewesen, mich endlich loszuwerden, daran hatte sie keinen Zweifel gelassen, und diese Gewissheit hatte mich weitaus mehr verletzt, als ihre Finger an meinem Oberarm, sehr viel mehr, als ich damals wahrhaben wollte. Mit der Kraft meiner Wut und Verzweiflung hatte ich mich auch diesmal gegen ihre Willkür gewehrt, hatte pausenlos versucht mich loszureißen, mich aus ihrem Schraubstockgriff zu winden, aber das hatte sich als total sinnlos erwiesen. Meine Mutter war sehr viel stärker als ich gewesen, entschlossen und absolut gnadenlos. Noch viel zu lange würde sie stärker bleiben.
Dieses frustrierende Gefühl der ausgelieferten Ohnmacht überfiel mich orkanartig, es wütete aufs Neue in mir, und ich schaffte es nicht davor wegzulaufen, obwohl ich es instinktiv panisch versuchte...
Zögernd öffnete ich meine schweren Lider. Nur einen Spalt breit. Ich konnte nichts sehen. Verwirrt, erstaunt registrierte ich, dass meine Stirn schwer auf meinen Knien lag, mein Gesicht mit der Nase so dicht auf den geschlossenen Beinen, dass ich meine dunkle Jeans direkt vor Augen hatte. Mühsam erhob ich meinen zugedröhnten Kopf ein wenig, um mich zu orientieren. Um mich herum war eine enge, schwarz gekachelte Toilettenkabine, erhellt durch grell blaues Neonlicht, die Tür geschlossen. Mein Körper saß tief vorgebeugt auf dem geschlossenen Deckel der Toilette, mein Oberkörper lag schlaff auf meinen Oberschenkeln.
Voll Krass! Was war passiert?
Es dauerte eine Weile, bis mein betäubtes Gehirn träge ansprang und ich mir einen Reim auf meine unerwartete Sitzposition machen konnte. Offenbar war ich trotz Bewusstlosigkeit genau dort sitzengeblieben, wo ich mich vorhin hingesetzt hatte. Verblüfft registrierte ich, dass mein Oberkörper von mir unbemerkt nach vorne gekippt und schlapp auf meinen Oberschenkeln liegengeblieben war. Meine Arme hingen beide leblos rechts und links von meinen Beinen nach unten. Die Finger lagen geknickt auf den kalten, schwarzen Fliesen.
Neben meiner linken Hand entdeckte ich die kleine Insulinspritze. Das Rotkäppchen musste sich wohl zwischenzeitlich unbemerkt aus meiner Haut gelöst haben und war auf die Erde gefallen. Aus dem frischen Einstich in meiner linken Armbeuge war ein bisschen Blut meinen Arm runter gelaufen. Inzwischen war die dunkelrote Spur aber schon halbwegs getrocknet. Ich erinnerte mich, mir gerade genau an dieser Stelle einen dicken Knaller verpasst zu haben.
Ausschließlich zu diesem Zweck hatte ich mich in der kleinen Kabine eingeschlossen. Ich hatte meinen Schuss hier überaus gierig mit einfachsten Mitteln zubereitet und mich danach zum Ballern auf den Klodeckel gesetzt. Zu meiner uneingeschränkten Freude hatte ich in meinem linken Arm auf Anhieb eine Vene getroffen. Dann hatte ich den winzigen Kolben behutsam heruntergedrückt. An diesem Punkt riss meine Erinnerung abrupt ab.
Vermutlich war ich unmittelbar darauf ohnmächtig zusammengeklappt, denn an den so dringend herbeigesehnten Kick erinnerte ich mich blöderweise gar nicht. Mein Oberkörper war jedenfalls auf meine Oberschenkel und meine Arme auf den Boden gefallen, ohne dass ich davon etwas mitgekriegt hatte. Innerhalb von höchstens zwei Sekunden hatte ich komplett das Bewusstsein verloren und deshalb jetzt keinen blassen Schimmer, wie viel Zeit seitdem vergangen war. Saß ich erst seit ein paar Minuten oder etwa schon seit etlichen Stunden hier? Ich hatte keine Ahnung, denn ich war schlicht total abgekackt. Ein irritierendes Erlebnis, was ich schon lange nicht mehr gehabt hatte, aber im Endeffekt nicht unangenehm.
Genauso gut hätte ich jetzt gerade an einer scheiß Überdosis Heroin sterben können, fiel mir matt grinsend ein, dann wäre ich eben nicht mehr aufgewacht. Was soll's!? Ist doch scheißegal! Nichts als ein weiterer toter Junkie auf irgendeinem blöden Klo.
Mein Erwachen war echt merkwürdig, beunruhigte mich jedoch nicht, denn für so was war ich zu umfassend zugeknallt. Endlich habe ich genug genommen, registrierte ich und war äußerst zufrieden mit mir, die shore wirkt klasse und am Ende des Tages ist alles total gleichgültig. Nichts tut mehr weh, merkte ich lächelnd, ich spürte keine meiner Wunden und keine einzige dieser verfluchten Reminiszenzen tangierte mich noch.
Lediglich vage verwirrt richtete ich meinen Oberkörper auf, was mit Hilfe meiner starken Bauchmuskeln einwandfrei funktionierte, und schaute mich mit halb geschlossenen Augen um. Ich befand mich unverändert in dieser beengten Kabine, komplett eingemauert und eingeschlossen. Es gab keine Zwischenräume unter oder über der Tür oder den Wänden, sondern es war ein eigener Raum, in dem sich nur das Klo befand. Ein perfekter Ort, um in der Öffentlichkeit schnellstmöglich Heroin zu spritzen.
Dies war die erste öffentliche Toilette, an der ich auf meiner überstürzten Flucht vom Christopherus-Krankenhaus zufällig vorbeigekommen war. Jählings war ich hier eingebogen, hatte den MG auf dem Parkplatz geparkt und war gierig hierher gerannt, ohne darüber nachzudenken, nur meinen Junkie-Instinkten folgend, meinem exorbitanten Bedürfnis nach Linderung.
Es war die Herrentoilette von McDonald's, in die ich höchst eilig verschwunden war, um mir den besagten Knaller zu machen. Okay, meine gun war vielleicht ein wenig zu gut gefüllt gewesen. Ich sah ein, dass diese Idee auch hätte ins Auge gehen können. Aber in diesem Moment befriedigte mich die starke Wirkung des Heroins enorm.
Die Tür meiner Kabine war abgeschlossen und das war gut so, denn draußen im Waschraum waren dumpf irgendwelche Männer zu hören, die da quatschten, herumliefen oder pinkelten.
Träge hob ich das kleine Rotkäppchen vom Boden auf, steckte ihr die daneben liegende rote Kappe auf die winzige Nadel und verstaute sie zu dem anderen Kram in der Innentasche meines Jacketts. Danach krempelte ich langsam meine Hemds- und Jacken-Ärmel herunter. Schließlich holte ich mir eine Marlboro heraus, zündete sie mit dem Zippo an und rauchte genüsslich.
Mann, ich war ja so was von total zugeknallt!
Der entsetzlich naive aber entzückend gutaussehende Doktor Siamak Tourani hatte es eventuell nicht böse gemeint. Nichtsdestotrotz hatte er mir mit seinem verfluchten Therapie-Gequatsche und seinem beschwörenden Versprechen, ich würde mich im Krankenhaus bestimmt wohlfühlen, zum Schluss unerwartet einen dermaßen harten Schlag verpasst, dass ich wie von der Tarantel gestochen panisch vor ihm und seinen Beteuerungen geflüchtet war. Ich hatte mir in Windeseile die Schuhe angezogen, war aus dem Behandlungszimmer gestürzt und so schnell durch die vielen verdammten Flure bis zum Ausgang des Hospitals gerannt, wie mein betäubtes Bein und Gehirn es mir noch erlaubt hatten.
Der Weg schien kein Ende zu nehmen und die ganze Zeit hatte ich das bedrohliche Gefühl, dass etwas enorm Böses hinter mir her wäre. Letztendlich hatte ich den Mitarbeiterparkplatz und damit mein Auto gefunden, war rasend schnell eingestiegen und mit durchdrehenden Reifen losgefahren. Denn ich musste einfach nur so schnell wie möglich da weg. Irgendwas war plötzlich in mir ausgeklinkt. Ich hatte blöderweise die Kontrolle über mich verloren, sodass ich gegen meinen unwillkürlich einsetzenden, übermächtigen Fluchtinstinkt nicht mehr ankam.
Hatte der verdutzte Doktor mir nicht was hinterhergerufen? Hatten nicht auch andere Menschen irgendwas gerufen? Ich wusste es nicht mehr, hatte nur noch Siamaks letzte Worte im Ohr, die sich tief in meine Seele gebrannt hatten: Ich verspreche dir, dass du dich hier im Krankenhaus wohlfühlen wirst. Weißt du, die Menschen, die bei uns arbeiten, sind alle gut ausgebildete Profis. Und sie wollen dir alle nur helfen.
Drauf geschissen! Das gleiche Versprechen hatte ich schon einmal bekommen, damals, vor sehr langer Zeit. Meine Mutter hatte es mir gegeben, während sie mich gewaltsam am Arm gepackt neben sich her zerrte.
Die ungewollten Assoziationen lösten noch immer, auch nach all den Jahren ein extrem bedrohliches Unbehagen in mir aus, das zweifellos einer Panik gleichkam. Ab und zu war das eben so, dass irgendwas passierte, jemand etwas sagte, ein Geruch oder sonst was mich schlagartig in die Vergangenheit katapultierte, sodass ich völlig wehrlos war und nur noch weglaufen konnte. Ich kannte das und hatte gelernt damit zu leben. Auch wenn ich nichts davon kapierte und meine eigene Überreaktion total peinlich und zum Kotzen fand, so konnte ich doch in diesen Fällen nicht anders damit umgehen.
Und an diesem Tag waren schlimme Dinge passiert, ich war geschlagen und verlassen worden. In Elizas Hausflur war ich ungewollt in die Vergangenheit gerutscht, als ich vor ihr und Sean davonlief, und jetzt schon wieder nach Siamaks Versprechen. Die letzten Stunden waren zweifellos hart für mich gewesen, voller plötzlicher Provokationen, und ich war total genervt davon. Ich wollte den ganzen Scheiß nur noch abhaken und hinter mir lassen. Denn ich hatte wirklich keinen Bock mich zu erinnern. Doch jedes Mal setzten diese scheiß Rückblicke von alleine ein, ohne dass ich sie kontrollieren konnte.
Aber jetzt war ich endlich sicher, merkte ich erfreut. In diesem Moment ging es mir gut. Die zuverlässige shore hatte mich erlöst und geheilt. Hier, in dieser Klokabine konnte mir nichts mehr passieren, dafür hatte ich gesorgt. Ich befand mich in einem wunderbaren, dicht gewebten Zuckerwatten-Kokon. Und Clay Banton, der sich peinlicher Weise viel zu oft wie ein abgefucktes Weichei aufführte, war jetzt endlich stoned genug, um mit einem dumpf gequälten Grinsen die messerscharfen Bilder in seinem Kopf relativ unbeteiligt an sich vorbeiziehen zu lassen.
Die Retrospektive war blitzartig in meinem wirren Hirn aufgetaucht, als Siamak mir exakt das gleiche Versprechen wie meine Mutter gegeben hatte, und seitdem piesackte sie mich, unerwünscht wie Nadelstiche. Es waren Bilder, die ich da auf keinen Fall haben wollte, zwingend dazugehörige Gefühle, auf die ich verdammt gut verzichten konnte. Nur kurzzeitig von der erholsamen, tröstenden Bewusstlosigkeit besiegt, tauchten sie jetzt beschissen hartnäckig wieder auf, während ich reglos in der Kabine saß und eine rauchte.
Mittlerweile waren es nur noch Bruchstücke meiner ersten Psychiatrie-Erfahrung, die jetzt autonom in meinem Gehirn abliefen, denn das meiste davon hatte ich im Laufe der Zeit recht erfolgreich verdrängt. Jedoch, als ich damals mit meiner Mutter widerwillig das imposante Holzhaus betrat, in dem sich die Kinder- und Jugend-Psychiatrie befand, war etwas sehr Schlimmes passiert, was ich bis heute nicht verstand. Mein imaginärer Schutzelf hatte mich aus irgendeinem Grund verlassen. Mein treuer Begleiter, das einzige, was ich aus Island hatte retten können, weigerte sich jäh, mit mir hineinzukommen. Er blieb instinktiv abgeschreckt draußen vor der Tür stehen, um dort acht Wochen lang auf mich zu warten.
Während meiner beschissenen ersten Therapie war ich definitiv völlig allein. Nur deshalb musste ich mich jetzt viel zu deutlich an die Schlafsäle erinnern, und an die anderen Jungs, die alle teils viel älter als ich und von denen einige zweifellos völlig verrückt gewesen waren. Ein eher schmächtiger Neunjähriger wie ich kam den heftig Pubertierenden gerade recht, um ihre widersinnigen Perversitäten an ihm auszuleben. Besonders dieser eine Scheißkerl hatte es von Anfang an auf mich abgesehen.
In diesen viel zu langen Sommerferien lernte ich unfreiwillig, dass mein Schwanz sehr begehrt war, und dass ich mit ihm auch noch etwas anderes machen konnte, als zu pinkeln. Ich weiß nicht, ob niemand merkte, was nachts in den Schlafsälen los war, oder ob es nur niemanden interessierte.
Am Anfang hatten die gut ausgebildeten und studierten Fachleute noch versucht mit mir zu reden. Als sie jedoch letztendlich kapierten, dass meine Englischkenntnisse grottenschlecht und ich nicht in der Lage war, sie richtig zu verstehen, hatten sie sich fast nur noch auf nonverbale Behandlungsmethoden beschränkt. Das bedeutete viele Schläge für mich, Badewannen voll kaltem Wasser, in denen Eiswürfel herumschwammen, und echt fiese Elektroschocks.
Schon in der ersten Nacht versuchte ich abzuhauen, wurde erwischt und machte Bekanntschaft mit dem Besinnungszimmer, was nichts anderes war, als eine gepolsterte Gummizelle. Mann, was habe ich meine kindliche Wut an diesen gepolsterten Wänden ausgelassen, so hart und lange, bis ich regelmäßig erschöpft zusammengebrochen bin. Wegen jedem Scheiß sperrten sie mich tagelang isoliert in das Besinnungszimmer, oft fixierten sie mich auch.
Während der regelmäßig stattfindenden Gruppentherapien wurde ich von den Psychologen oft gedemütigt und als dumm dargestellt, weil ich diese verdammte fremde Sprache nicht verstand und auch nicht verstehen wollte.
Als meine Mutter mich nach zwei Monaten zurückbekam, hatte ich mich sehr zu ihrer Zufriedenheit verändert. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Angst. Ihr einziger Sohn war total verstört, aber das kapierte sie nicht. Meine Mum sah nur das Offensichtliche. Denn mir war schmerzhaft beigebracht worden, aus Angst vor Strafe zu gehorchen, meine Gefühle sorgfältig zu verstecken und nichts mehr herauszulassen, niemanden mehr wissen zu lassen, was ich wollte oder wie es in mir aussah.
Keiner bemerkte den neuen dunklen Dämon, der sich tief in meiner Seele eingenistet hatte und der nie wieder daraus verschwinden sollte. Seine exorbitante Wut richtete sich ausschließlich gegen mich selbst. Dieser Dämon war gefährlich, denn er zwang mich dazu, immer wieder das Risiko zu suchen, bis an meine Grenzen zu gehen und weit darüber hinaus. Er zwang mich, mich auf alle möglichen Arten selbst zu bestrafen.
Um den quälenden Dämon zu betäuben, schluckte, sniefte und rauchte ich bald jedes Zeug, das ich in die Finger bekam. Aber das merkte ja in der ersten Zeit niemand, deshalb dachten sie in den folgenden Jahren ernsthaft, ich wäre in der renommierten Kinder- und Jugend-Psychiatrie tatsächlich geheilt worden.
Fuck, diese Scheiße tat noch immer weh, regte mich beschissen auf, quälte meine Seele, obwohl die shore die verfluchten Bilder erträglich gemacht hatte. Trotzdem hatte ich jetzt definitiv genug davon. Ich schüttelte unwillig den schweren Kopf, als könnte ich die bösen Erlebnisse auf diese Weise herausschütteln, was totaler Schwachsinn war. Ich musste mich dringend ablenken, irgendwas Erbauliches tun, deshalb warf ich die Kippe auf den Boden und trat sie mit Wucht aus. Mein Magen knurrte laut und spürbar. Ich musste unbedingt irgendwas essen, denn das hatte ich gefühlt schon ewig nicht mehr getan.
Als ich träge vom Klo aufstand, drehte sich die ganze verdammte Kabine und ich brauchte einen Moment, um mich zu stabilisieren. Dann schloss ich kurzentschlossen die Tür auf, trat sie auf und trat energisch hinaus in den Waschraum, der zum Glück gerade leer war. Am Waschbecken spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete mich reglos im Spiegel. Meine Lider waren bleischwer, ich bekam die Augen nicht mehr richtig auf. Meine winzigen Pupillen waren in all dem Braun-Grün kaum noch zu erkennen. Mein wirrer Kopf war sichtbar zugedröhnt, und ich grinste mich benommen an.
So, das reichte jetzt mit diesem lästigen Vergangenheits-Scheiß, am liebsten für den Rest meines Lebens! Nun wurde es definitiv Zeit für die angenehmen Seiten! Ich musste schnellstens jemanden finden, der mir seine Hand auf den Bauch legte und sich idealerweise von mir ficken ließ. Fuck, ja, das würde mir jetzt echt gefallen...
Sean
„Du solltest ihm wirklich langsam mal antworten", bemerkte Louis grinsend und hielt mir auffordernd mein Handy vors Gesicht. Gerade war die vierte oder fünfte SMS von Marc eingegangen, der immer noch wissen wollte, ob mit mir alles okay war. Ich war aber genervt davon und wollte ihm nicht antworten.
Ich saß neben Louis auf einem Barhocker an der Theke der Eule und trank Bier. Ich war hierher gefahren, weil ich noch nicht nach Hause wollte, und Louis war mir hartnäckig in seinem Aston Martin gefolgt. Das hatte mich die ganze Fahrt über genervt, weil ich eigentlich von der nächsten Brücke springen wollte oder mit dem Jeep mit Vollgas gegen die nächste Wand knallen, wobei das Auto mir am meisten leidgetan hätte.
Der Gedanke an das endgültige Aus fühlte sich noch immer tröstend an, irgendwie einfacher, als jetzt weiterzumachen, als wäre gar nichts passiert. Wo doch so verdammt viel Mist passiert war. Wo ich doch verlassen und besiegt worden war.
Ich schüttelte verärgert den Kopf, um die deprimierenden Gedanken loszuwerden, aber Louis deutete mein Kopfschütteln falsch. „Warum willst du den armen Kerl nicht endlich beruhigen? Der dreht vor Sorge um dich bestimmt schon durch", meinte er verständnislos und schaute wieder auf mein Handy. „Du bist echt kein guter Freund, Sean!" stellte er kopfschüttelnd fest.
Das wollte ich mir nun nicht sagen lassen, und das wusste er auch. Knurrend riss ich Louis das Telefon aus der Hand, um Marc widerwillig zu antworten. Herr von Ravenhorst grinste sofort befriedigt, was ich trotzig ignorierte. Ich tippte gerade auf antworten, da fing das blöde Handy zu klingeln an, der Ritt der Walküren ging los, was mich unglaublich nervte. Natürlich rief Marc Hellberg an, weil ich auf seine SMS nicht geantwortet hatte.
Spontan nahm ich den Anruf entgegen, schon allein, um die ätzende Melodie abzuwürgen und nahm mir gleichzeitig vor, den Ton bei nächster Gelegenheit zu ändern. „Ja?" bellte ich unfreundlich ins Telefon und hielt mir das andere Ohr zu, weil die Musik und das Stimmengewirr in der Eule so laut waren.
„Gott, Sean! Endlich!" keuchte Marc aufgeregt in der Leitung, „Wo bist du? Warum antwortest du mir denn nicht? Ist alles okay mit dir? Ich habe schon so oft..." Trotz zugedrücktem Ohr konnte ich ihn kaum verstehen. „Warte mal!" würgte ich ihn ungehalten ab und stand verärgert vom Hocker auf, um woanders hinzugehen, wo es vielleicht leiser sein würde.
Louis beobachtete mich aufmerksam, als ich mich durch die Menge zu den Toiletten schlängelte. Ich erreichte den hellen, freundlichen Waschraum und stellte fest, dass es hier tatsächlich leiser war, die Geräusche der Kneipe wurden von der geschlossenen Tür und den Wänden gedämpft.
Nur ungern hob ich mein Handy zurück an mein Ohr und lehnte mich gegen eins der Waschbecken. „Ja?" knurrte ich nochmal ins Telefon, obwohl ich das verdammte Teil viel lieber gegen die nächste Wand gepfeffert hätte. „Wo bist du? In einer Kneipe?" erkundigte Marc sich ein wenig ruhiger, der die Hintergrundgeräusche offenbar richtig gedeutet hatte. „Ja, ich bin in der Eule", gab ich unumwunden zu. „Bist du allein?" wollte Marc sofort wissen. „Ja, allein", log ich, denn auch Marc wusste nichts von meiner besonderen Beziehung zu Louis Frédéric von Ravenhorst, und so sollte es auch bleiben. Ich würde einen Teufel tun und Marc irgendwas von dem erzählen, was in den letzten Stunden mit mir passiert war!
„Wo ist Clay? Hast du ihn gefunden?" fragte Marc zögernd und riss mir damit abrupt das Herz raus. Sofort zog sich alles in mir zusammen und ich musste mich enorm beherrschen, um das Handy nicht doch noch mit Wucht gegen die verdammte Wand zu schmettern. Meine Finger krallten sich schmerzhaft um das schwarze Metallgehäuse. Ich atmete tief, um mich zu kontrollieren und widerstand nur mit Mühe dem starken Drang, Marc auf der Stelle wegzudrücken. Aber dann würde der Mann sich nur noch mehr Sorgen machen, und das wollte ich ihm nicht antun. Tief drinnen war mir völlig klar, dass mein Mitbewohner es gut mit mir meinte.
„Was hast du mit ihm gemacht?" flüsterte Marc alarmiert, der mein Schweigen auf seine eigene Art deutete und mich viel zu verdammt gut kannte. „Gar nichts!" zischte ich spontan wütend. „Ich habe nichts gemacht! Lass mich in Ruhe, Marc, es ist alles in Ordnung, okay?" wehrte ich ihn instinktiv mit allen Kräften ab. Aber meine Worte ließen Herrn Hellberg nur noch mehr aufhorchen, er schnappte hörbar entsetzt nach Luft und vermutete wahrscheinlich das Schlimmste.
„Hör mal, Sean, komm doch jetzt bitte nach Hause, ja? Vincent und ich warten auf dich! Wir können über alles reden...", bat er mich mit bebender Stimme, was mich total auf die Palme brachte, weil ich echt keinen Babysitter ertragen konnte. „Nein, ich bleibe noch hier!" entgegnete ich trotzig, „Mir gefällt es hier, Marc!"
Daraufhin schwieg er eine Weile und ich war nahe daran aufzulegen, hörte dann aber doch seinem ratlosen Atmen zu. Diese Gespräche mit Marc und Vincent kannte ich mittlerweile zur Genüge. Die beiden Wichser würden mir ja doch nur zum tausendsten mal meine Besessenheit von Clay vorwerfen. Sie würden abermals verlangen, dass ich Clay aufgab und darauf konnte ich gut verzichten. Clay Banton, dachte ich und spürte einen schmerzhaften Stich in meinen Eingeweiden, Clay ist nicht mehr da.
Panisch wandte ich mich zum Waschbecken und starrte mein Gesicht im Spiegel an. Ich sah wahrhaftig noch immer fürchterlich aus, völlig verschwitzt und irre. Ich fühlte mich unverändert nass und klebrig, bestimmt stank ich total nach Schweiß, das war widerlich. Plötzlich war es mir unangenehm, in meinem schmutzigen Zustand in dieser öffentlichen, gut besuchten Kneipe zu sein. Vielleicht sollte ich doch lieber sofort nach Hause fahren und erst mal duschen und saubere Klamotten anziehen, dachte ich verwirrt.
„Wir müssen ja nicht reden", lenkte Marc im Handy auf einmal ein, „Wir können auch einfach nur gemeinsam einen Film anschauen oder so." Ich schnaufte geringschätzig und Marc beeilte sich zu betonen: „Es ist nicht gut, wenn du jetzt allein bist, Sean! Bitte, komm schnell nach Hause! Bitte lass dir doch von uns helfen!"
Er bettelte mich an, was ich wirklich erbärmlich fand. Außerdem waren weder er noch Vincent in der Lage mir zu helfen. Niemand konnte das, obwohl Louis Frédéric zugegebenermaßen recht nahe dran war. Immerhin hatte er mich gerade vor meinem Selbstmord gerettet. Mann, ich wollte wirklich sterben, dachte ich erstaunt, ich habe das tatsächlich total ernst gemeint! Diese harte Wahrheit verblüffte und beunruhigte mich mehr, als ich mir eingestehen wollte und ich wusste nicht genau, wie ich damit umgehen sollte.
In diesem Moment ging die Tür auf und Louis kam in den Waschraum. Ich war wohl zu lange weg gewesen, und Herr von Ravenhorst wollte nach mir sehen, was mich ziemlich nervte, weil ich mir dadurch total überwacht vorkam.
Schnell drehte ich mich von ihm weg und hob das Handy ans Ohr. „Hör mal, Marc, ich bleibe noch ein bisschen hier und komme dann nach Hause, vielleicht in einer Stunde oder so, okay?" bemühte ich mich um einen lockeren, unbeschwerten Tonfall. Louis hinter mir lachte leise. Marc im Handy seufzte schwer, wahrscheinlich glaubte er mir nicht. „Okay, ist gut, Sean", gab er nach, weil ihm nichts anderes übrigblieb. „Bitte pass gut auf dich auf!" beschwor Marc mich drängend, und ich legte abrupt genervt auf.
Dann stand ich dort und starrte in den Spiegel. Irgendwelche Gefühle tobten in mir, der quälende Gedanke an Clay Banton. Louis kam näher und legte mir von hinten die Arme um die Brust. „Siehst du, das war doch gar nicht so schwer", flüsterte er zärtlich in mein Ohr, „Lass uns jetzt deine nächste Zukunft strukturieren." Ich lachte perplex und schaute ihn durch den Spiegel an. „Was meinst du damit?" „Zeig mir deine anstehenden Termine. Wir gehen sie zusammen durch und du regelst, was zu regeln ist", schlug Louis ernsthaft vor.
Er wollte wahrhaftig einfach weitermachen, einfach an das Nächstliegende denken und dann immer so weiter. Vielleicht ist das richtig so, dachte ich verwirrt, ich habe doch noch so viel zu tun. Ich musste Seminare abhalten, Musik machen und Theater spielen, und meine eigene Sehnsucht nach dem Tod erschien mir plötzlich irgendwie absurd. Ich lächelte Louis im Spiegel an und er erwiderte mein Lächeln echt bezaubernd. Eine große Welle der Dankbarkeit durchflutete mich und ich wollte ihn gerne küssen.
Als ich mich zu diesem Zweck zu ihm umdrehte, ging nochmal die Tür auf. Ein Typ kam herein und ich stoppte meine Bewegung. Der junge Kerl entdeckte mich, blieb jäh stehen und schaute mich einen Moment verblüfft an. „Du bist doch Sean Valmont, oder? Der Erfinder von Psychotic Kühlschrank", gab er sich spürbar einen Ruck. Ich lächelte automatisch charmant, weil mir das in diesen Situationen einprogrammiert ist, und fühlte mich spontan geschmeichelt, weil er mich erkannt hatte.
Louis kicherte erwartungsvoll, ließ mich los und ging einen Schritt zurück. „Ja, das ist er, der Wunderknabe, das schauspielerische Genie!" bestätigte er albern und deutete auf mich. Der Typ schnappte aufgeregt nach Luft. „Ey, Mann, darf ich ein Selfie mit dir machen?" bat er mich und kramte hektisch nach seinem Handy. Ich warf Louis einen Blick zu, der sich nur mühsam das Lachen verkniff. „Klar!" erlaubte ich diesem Fan großzügig.
Mein Herz tat einige Hüpfer, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob ich erfreut oder genervt war. Natürlich war es schmeichelhaft, erkannt und bewundert zu werden, und meistens genoss ich so etwas ziemlich narzisstisch, ganz ohne Frage. Aber jetzt gerade, in diesem Moment ging es mir doch dafür zu grottenschlecht, oder? Ich wollte doch viel lieber tot sein, als Fotos mit Fans zu machen!
Ich war eindeutig verwirrt, stellte mich aber mit dem Typen hin und lächelte in sein Telefon, als er es am langen Arm vor uns hielt und losknipste. „Machst du noch ein paar Aufnahmen von uns?" fragte er gleich darauf Louis und drückte ihm eifrig sein Smartphone in die Hand. „Nicht hier im Klo, das ist total unästhetisch!" winkte Louis kopfschüttelnd ab und verließ den Waschraum, bevor ich protestieren konnte.
Schockierend fiel mir ein, wie unansehnlich ich gerade aussah, wie verschwitzt und schmutzig ich war, immer noch wirr vom Koks und zunehmend schläfrig von den Valium. Das war total Scheiße, das konnte man auf diesen Fotos bestimmt sehen!
Unschlüssig zögerte ich, Louis zu folgen, als der junge Typ sich mutig an mich wandte. „Ich bin Hannes. Ich habe dich im Theater gesehen, Sean, du bist echt toll!" schwärmte er mich nervös an und lächelte schüchtern. Seine Augen wanderten zu neugierig über mein Gesicht und meinen Körper, sodass ich mich von ihm wegdrehte und mir hastig ein paar Papiertücher aus dem Spender zog. „Hallo Hannes. Vielen Dank!" erwiderte ich höflich und wischte mir mit dem Tuch über das verschwitzte Gesicht und den Hals. Meine Haare sahen schrecklich aus und ich fuhr mir hilflos mit den Fingern hindurch.
Mist, Clay hatte mich in diesem Park ganz schön fest geschlagen, das tat weh, ich hatte bestimmt einige blaue Flecken. Ich spürte den Schmerz unserer entfesselten Prügelei an meinem inzwischen restlos erschöpften Leib. Am liebsten wollte ich mich jetzt in eine stille Ecke verkriechen und nur noch ausruhen, vielleicht auch heulen. Aber so funktionierte das nun mal nicht, das war mir schon als Kind beigebracht worden. Die Show musste auch diesmal weitergehen und ich musste mich dringend zusammenreißen.
Also warf ich die Tücher in den Papierkorb und drehte mich lächelnd zu Hannes um. „Wollen wir dann?" forderte ich ihn freundlich auf und deutete zur Tür. Er nickte dankbar und verließ vor mir den Waschraum, wobei ich ihm gut erzogen die Tür aufhielt und er amüsiert kicherte.
Draußen in der Kneipe, die voller Menschen war, erwartete uns das gewohnt laute Stimmengewirr und leise Musik von Guns n' Roses. Louis stand inmitten der Tische und wartete auf uns. Er hielt das Handy auffällig auf mich gerichtet und mir wurde klar, dass er mich gerade dreist filmte. Louis hantierte so offensichtlich, dass mit der Zeit immer mehr Menschen auf uns aufmerksam wurden. Ich registrierte die neugierigen Blicke auf mir, das aufgeregte Getuschel, und ich glaubte, immer öfter leise meinen Namen zu hören. Noch mehr Handys wurden auf mich gerichtet.
Das passte mir alles überhaupt nicht, denn ich fühlte mich gerade deprimiert und zum Kotzen und außerdem sah ich total beschissen aus. Einen Moment lang kämpfte ich mit aufkommender Panik und dem drängenden Impuls, sofort diese Kneipe zu verlassen und so schnell wie möglich davonzulaufen.
Andererseits fühlte sich diese unerwartete Situation für mich sehr vertraut an, denn mir war schon von klein auf eingebläut worden, dass ich gefälligst zu funktionieren hatte, wenn ein Pressetermin anstand. Niemanden interessierte es dann, ob ich gerade mies drauf war oder keine Lust hatte, denn die Leute sahen im Endeffekt sowieso immer nur das, was sie sehen wollten.
Und im Moment wollten sie offenbar den erfolgreichen, charmanten, gutaussehenden Sean Valmont sehen, also verwandelte ich mich automatisch in ihn. Das passierte von allein, ohne dass es mir richtig bewusst wurde. Es erstaunte mich, wie stark meine Erziehung noch in mir präsent war, obwohl ich mich längst von meinen Eltern und ihrem Umfeld losgesagt hatte.
Kurz warf ich Louis einen strafenden Blick zu, weil mir plötzlich der Verdacht kam, dass mein ständig vorausschauender Freund diese überraschende Szene für mich arrangiert hatte. Womöglich hatte er auf der Fahrt hierher über seine Freisprechanlage im Auto ein paar Fans bestellt, die mich nun hier in der Eule kräftig bewundern sollten. Vielleicht war es Louis Frédéric gewesen, der diesen Hannes auf mich angesetzt hatte.
Aber im nächsten Moment schob ich den Gedanken beiseite, denn eigentlich spielte das ja gar keine Rolle. Es fühlte sich gut an, begehrt zu werden, interessant zu sein, und ich beschloss zwangsläufig, die Aufmerksamkeit, die mir zuteil wurde, zu genießen und so perfekt zu sein, wie ich es in meiner derzeitigen Verfassung hinbekam. Zumindest lenkte mich diese Sache zweifellos von meinen Depressionen ab, und das war echt befreiend.
Also trank ich noch mehr Bier, das fremde Leute mir spendierten, gab ein paar Autogramme, schüttelte Hände, glänzte beim Small Talk und ließ mich unentwegt fotografieren. Ich legte Hannes den Arm um die Schultern, der überrascht und erfreut quietschte, und posierte vor Louis und den anderen Kameras so sympathisch und einfallsreich, wie ich es schon als Kind gelernt hatte.
Herr von Ravenhorst lächelte mich zufrieden an. Er hatte es geschafft mich abzulenken, und tief drinnen war ich ihm dankbar dafür. Seine Augen signalisierten mir dieses Motto, das ich auch von Clay immer wieder zu hören bekam: Nicht denken, Sean Valmont, sondern leben!
Clay
Der verdammte Boden bog sich ständig durch, darum hatte ich echte Mühe, nicht allzu sehr zu taumeln, als ich die Herrentoilette verließ und in den Verkaufsraum von McDonald's trat. Durch meinen Tunnelblick sah ich, dass der große Raum voller Menschen war, die alle hier ihr Abendessen einnahmen. Die Tische waren fast alle besetzt.
Mein Magen knurrte schon wieder, und ich bewegte mich langsam auf eine der Warteschlangen vor den Kassen zu. Hier drin war es echt laut, die Leute quatschten alle durcheinander und ständig wurde durch die Lautsprecheranlage des Drive-In-Schalters irgendwas bestellt und bestätigt. Das Neonlicht war viel zu grell. Nervige Kinder liefen herum und spielten Fangen oder so was. Ich fragte mich, warum ich ausgerechnet hierher gefahren war und wollte diesen unangenehmen Ort eigentlich lieber verlassen. Aber ich hatte Hunger, Bock auf einen Hamburger oder so, also stellte ich mich an.
Es ging echt langsam voran. Gelangweilt schaute ich mich um und registrierte, dass einige Leute auf mich aufmerksam wurden. Keine Ahnung, es war nur so ein Gefühl, weil sie erst prüfend in ihre Smartphones guckten und dann damit anfingen, mich anzustarren und sichtbar aufgeregt miteinander zu tuscheln. Einige versuchten ziemlich stümperhaft, heimlich ein Foto von mir zu machen, was mich amüsierte, weil es so offensichtlich war.
Mir war klar, dass ich immer noch ziemlich abgerissen aussah, aber inzwischen war ich dicht genug, damit mir das herzlich gleichgültig sein konnte. Anstatt von der unerwünschten Aufmerksamkeit genervt und eingeschüchtert zu sein, wie ich es in der Stadt noch gewesen war, grinste ich jetzt dumpf in ihre Objektive und Gesichter. Ich war so umfassend zugeknallt, dass ich wahrscheinlich sowieso nur die Hälfte von all der Aufregung mitbekam.
„Hey, Vorsicht Leute, da steht der psychotische Kühlschrank!" rief irgendein Wichser den uralten Spruch über den Lärm hinweg quer durch das Restaurant. Damit erntete der Arsch allgemeines Gelächter und noch mehr Interesse. Nahezu alle Augen richteten sich auf mich, also wandte ich mich von den Tischen weg und schaute zu der Kasse, vor der ich anstand.
Die Kasse kam viel zu langsam näher, weil die Bedienung so lahmarschig und restlos überfordert war. Ich erinnerte mich, dass ich mangels Alternativen selbst mal in so einem Fastfood-Restaurant gejobbt hatte, und wie beschissen anstrengend das gewesen war. Ich hatte mit der gestresst und unglücklich aussehenden Bedienung hinter der Theke Mitleid. Die junge Frau sah aber trotzdem ganz gut aus. Ich checkte sie eine Weile ab und überlegte, ob ich sie nicht gleich um ein Date bitten sollte, wenn ich endlich drankäme. Ich dachte daran, dass ich echt Lust hatte, diese Frau zu ficken, und das ihr das bestimmt gefallen und sie total entspannen würde. Der Gedanke gefiel mir und ich lächelte versonnen vor mich hin.
In diesem Moment zupften mich ein paar Kinder am Ärmel meiner Jacke und wollten ein Autogramm von mir haben. Das irritierte mich, weil Kinder mich normalerweise nicht ansprachen. Schließlich machten Sean und ich kein Kindertheater, im Gegenteil. Psychotic Kühlschrank war von irgendeinem Kritiker irgendwann mal ab 18 Jahren deklariert worden. Die Bälger hielten mir tatsächlich auffordernd Zettel, Servietten, Bierdeckel und Kugelschreiber hin. Ich nahm den Kram entgegen und malte mein Zeichen ungefähr zwanzig mal auf verschiedene Objekte.
Im Stehen und ohne stabile Unterlage war das total schwierig, deshalb musste ich mich voll darauf konzentrieren. Mir kam der Verdacht, dass die Eltern ihren Nachwuchs zu mir geschickt hatten, weil sie selbst zu feige waren mich anzusprechen, und das amüsierte mich. Suchend ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, um diese schüchternen Eltern auszumachen. Aber die ganze Meute guckte mich an, darum hatte ich keine Ahnung, wer nun zu den Kindern gehörte oder nicht, und eigentlich war mir das auch egal.
Ich gab den Blagen ihre Autogramme und sie stoben lachend ab. Dadurch wurden auch die Leute in den Schlangen vor den Kassen auf mich aufmerksam. Noch mehr Augen richteten sich auf mich. Direkt vor mir in der Reihe standen drei Mädchen, die sich nun alle zu mir umdrehten und mich überrascht musterten.
„Du bist doch Clay Banton, oder?" fragte die eine mich geradeheraus. Sie war blond und sah okay aus. Ich schenkte ihr mein schönstes Lächeln, aber ich war so stoned, dass meine Augen dabei halb geschlossen blieben. „Ja, genau, der bin ich", gab ich freundlich zu.
Die drei Grazien fingen an zu lachen. Das irritierte mich und gefiel mir nicht, weil ich das Gefühl hatte, dass sie mich auslachten, was ich mir nicht erklären konnte. „Was ist denn so lustig?" fragte ich ein bisschen beleidigt, bevor ich mich bremsen konnte. Die Mädchen schauten neugierig an mir herunter, bis ihre Blicke auf den Knöpfen meiner Jeans haften blieben, was mich total irritierte. „Sag mal, stimmt es wirklich, dass du auf alle Arten von Sex stehst, und dass du mit Männern und Frauen schläfst?" wollte die Blonde wissen und guckte mich herausfordernd an. Die beiden anderen Frauen, die eine dunkelblond, die andere brünett, lachten noch lauter und fixierten mich aufgekratzt.
Plötzlich schien es in diesem McDonald's leiser zu werden. Ich konnte förmlich spüren, wie die Idioten in unserer näheren Umgebung gespannt die Ohren spitzten. Sie hatten die indiskrete Frage der Blonden gehört und warteten jetzt alle wissbegierig auf meine Antwort. Was soll das, fragte ich mich verärgert, wie kommt sie auf diesen Scheiß? Woher weiß sie das überhaupt? Das geht die doch nun wirklich nichts an!
Ich war unschlüssig, wie ich auf die viel zu intime Frage reagieren sollte. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust, mit den Weibern mein Sexleben zu diskutieren, zumal auch noch alle mithörten. Ich wollte nur was zu Essen kaufen und dann so schnell wie möglich hier raus. Wie zur Bestätigung knurrte mein Magen nochmal laut und anhaltend.
Plötzlich fiel mir ein, dass ich gar kein Geld mehr hatte, um den gewünschten Hamburger kaufen zu können. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich doch für meine sämtlichen Moneten saugute shore bei Sergej gekauft. Und mein Lieblingsukrainer hatte mir sogar zwei Gramm auf Kombi mitgegeben! Die Erinnerung an das gut verpackte Heroin in meinen Boxershorts ließ meine Laune blitzartig in die Höhe schnellen. Der Knaller vorhin, hier auf dem Klo, hatte mich echt umgehauen, der war megageil gewesen! Das war vielversprechend, das konnte eigentlich gleich in meiner Wohnung nur noch besser werden!
Echt glücklich und erwartungsvoll lächelte ich die drei Frauen an, die meinen Blick gespannt erwiderten. „Wie kommst du denn auf so was?" wich ich geschickt ihrer Frage aus, worauf die drei nochmal lachten, weil sie eben so albern waren, wie Mädchen nun mal sind. Ich sah sie mir genauer an. Sie sahen alle drei okay aus, und ich beschloss, sie gleich von hier aus mit zu mir nach Hause zu nehmen. Sex mit drei willigen Weibern war jetzt genau das, worauf ich Lust hatte.
„Na, das wird doch heute in Bennet's Blog sehr ausführlich behauptet!" informierte die Blonde mich grinsend. „Ja, du bist in diesem Blog echt voll intim vorgestellt worden!" bestätigte ihre Freundin. Sie zückte ihr Smartphone und tippte darauf herum. Zwei Minuten später hielt sie mir den kleinen Bildschirm vor die Nase, in dem gerade ein Video ablief, das ich sofort erkannte. Es war die zweifellos unverschämte Aufnahme, die Jill Bennet heimlich von mir gemacht hatte, als ich am Samstag nach ihrem hinterhältigen Elektroschock bewusstlos auf den Marmorfliesen meines Badezimmers gelegen hatte.
Schon heute Vormittag beim Junkie-Brunch hatte ich mir dieses scheiß Videos zwangsläufig zur Genüge ansehen müssen. Aber erst jetzt dämmerte mir langsam, dass der Blog sich inzwischen in der ganzen verdammten Stadt verbreitet hatte. Definitiv zu viele Menschen hatten sich aus irgendeinem mir völlig rätselhaften Grund diesen Scheiß angeguckt und angehört, und nur deshalb waren sie jetzt alle enorm scharf auf mich!
Endlich ging mir diesbezüglich ein Licht auf. Einen Augenblick lang irrwitzig darüber erschrocken, atmete ich dreimal tief durch. Obwohl ich mir das absurd große Interesse an meiner Person nicht erklären konnte und die ungewohnte Situation echt merkwürdig war, fühlte ich mich eigentlich geschmeichelt. Mir war klar, dass sie mich in dem Blog alle nackt gesehen hatten, und das törnte mich plötzlich auf irgendeine verrückte Art an.
„Also, wie steht es jetzt mit deinen Sex-Vorlieben? Stimmt es, was Jill Bennet über dich behauptet? Bist du wirklich unersättlich?" hakte die vorwitzige Blonde nochmal nach und studierte mich zweideutig grinsend. Ich erwiderte ihr Grinsen amüsiert. „Warum kommst du nicht mit zu mir und findest es heraus?" antwortete ich automatisch, ohne vorher darüber nachzudenken. Die Blonde und ihre zwei Freundinnen prusteten belustigt los. Ich lachte mit, weil die Blonde ein risikofreudiges Funkeln in ihren dunkelblauen Augen hatte, das mir verriet, dass die Frau keineswegs abgeneigt war. Mein träges Herz schlug ein bisschen schneller, weil sich diese lockere Konversation zu einem vielversprechenden Flirt entwickelte.
„Mann, du bist doch krank, Banton! Wie kannst du dich nur dermaßen freizügig ablichten lassen!" zischte ein Typ mir zu, der in der Schlange nebenan stand, und ein paar Idioten in der Nähe nickten und murmelten zusagend. „Du musst es dir ja nicht angucken, wenn es dir nicht gefällt", erwiderte ich cool und erntete damit einige Zustimmung. „Was sollte mir wohl an deinem nackten Körper gefallen!?" knurrte der Typ angewidert, doch die Mädels in unserer näheren Umgebung waren zu meiner Genugtuung anderer Meinung. „Das ist doch total mutig von Clay!" „Außerdem muss er sich nun wirklich nicht verstecken!" „Du bist ja nur neidisch, weil Clay so durchtrainiert ist!" „Du hättest wohl auch gern ein Sixpack und so viele starke Muskeln." „Und so einen hübschen Schwanz!" riefen sie einvernehmlich alle durcheinander und waren echt begeistert von dem Wort Schwanz.
Offenbar fanden sie meinen nackten Körper sehr wohl ansprechend, und das schmeichelte mir auf eine direkte Art. Die meisten Individuen in diesem Raum schauten zweifellos anerkennend und neugierig zu mir hin, auffällig an mir herunter, checkten verstohlen meinen Penis ab, und plötzlich fühlte ich mich richtig gut.
Unwillkürlich schloss ich die Augen, um diesen erregenden Moment festzuhalten. Mann, das fühlte sich mit einem Mal enorm gut an. Ich war total zugeknallt, besoffen vom Wodka, die shore wärmte mich höchst angenehm. Ich konnte genau spüren, wie alles Negative an mir abprallte, weil das Heroin mich so stark und gleichgültig gemacht hatte. Die vielen unbekannten Menschen bei McDonald's konnten mit mir machen und von mir denken, was immer sie wollten, denn nichts davon konnte mich in diesem Augenblick verletzen. Es war mir einfach völlig egal, und ihre dumme und seltsame Bewunderung konnte ich auf eine narzisstische Art sogar genießen.
Spätestens seit der letzten fantastischen Spritze war ich stoned genug, um mir einzubilden, ein echter Star zu sein, der gerade wahrhaftig von seinen Fans umjubelt wurde. Hatte Sergej vorhin nicht immerzu so etwas behauptet? In Sergejs Wohnung hatte mich der Blödsinn noch genervt und unangenehm aufgewühlt. Aber jetzt war ich zu meiner Überraschung plötzlich mittendrin. Die völlig fremden Personen schenkten mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Und ich fand das im Moment ganz schön aufregend.
Auch wenn ich ihr offenbar nur durch einen indiskreten Internet-Blog erwachtes Interesse weder verstand noch nachvollziehen konnte. Das alles hatte jedenfalls jede Menge mit diesem Blog zu tun, das hatte ich begriffen, und ich fragte mich verwirrt, ob ich Jill Bennet jetzt wegen ihrer dreisten Veröffentlichung dankbar sein sollte, oder ob ich die freche, eiskalte Frau nicht stattdessen abgrundtief verachtete.
Natürlich lachten die meisten Dummköpfe in diesem Burgerladen mich mehr oder weniger offensichtlich aus, das kapierte ich sehr wohl. Aber mit ihrem Lachen gaben die Idioten ja gleichzeitig und ohne es zu merken zu, sich den Blog über mich überhaupt erst aufmerksam angeschaut zu haben. Klar schielten sie alle neugierig auf meinen Schwanz, wohl um abzuschätzen, ob er in echt genauso groß war, wie ihnen in Bennet's Blog pausenlos von allen Seiten in Großaufnahme vorgeführt worden war.
Die allermeisten Erwachsenen hier hatten sich meinen Schwanz im Internet scheinbar sehr genau angeguckt, und diese Gewissheit törnte mich im Augenblick total an. Mein ganzer Körper fing vor Aufregung an zu kribbeln, Adrenalin durchströmte mich, mein Herz schlug so schnell, wie die Betäubung durch die shore es noch zuließ.
Plötzlich fühlte ich eine Hand in meinem Schritt. Fremde Finger ertasteten durch meine Jeans hindurch geradewegs meine Geschlechtsorgane. Erschrocken riss ich die Augen auf, weil mir die unerwartete Berührung entschieden zu intim war und ich unwillkürlich Angst hatte, dass mir wer wehtun würde.
Die blonde Frau, mit der ich schon ein paar Worte gewechselt hatte, war mir auf einmal sehr nah und grinste mich provozierend an. Sie hatte ihre Hand dreist zwischen meine Beine geschoben und drückte an mir herum, was sich nicht mal schlecht anfühlte. Trotzdem musste ich mich enorm zusammenreißen, um das Weib nicht auf der Stelle heftig von mir wegzuschubsen oder zumindest ihre Hand gewaltsam von mir zu lösen.
„Na, Clay Banton, kannst du denn auch halten, was uns im Blog so großspurig versprochen wird?" fragte Blondie tollkühn und zwinkerte zweideutig. „Ist dein Schwanz in echt genauso vielversprechend und erfahren?" rief mir eine andere Frau aus der Schlange zu, worauf wieder alle lachten. „Schläfst du wirklich mit Frauen und Männern?" wollte irgendwer nochmal wissen und tat dabei so, als wäre das wer weiß wie faszinierend. „Was verstehst du unter alle Arten von Sex?" erkundigte sich ein Mann mit neidischem Blick, der wohl vorher nicht zugehört hatte.
Die Menge war bizarr interessiert an diesen schlüpfrigen Themen und amüsierte sich prächtig über mich. Ein träger Rundumblick bestätigte mir, dass die Stimmung bei McDonald's inzwischen richtig überdreht war, offenbar ausgelöst durch meine Anwesenheit, was mich total verblüffte. Mein Herz überschlug sich beinahe, ich schnappte nach Luft, weil die Situation so spannend war.
Kurzentschlossen packte ich die Blonde und zog sie noch näher zu mir hin, bis mein Gesicht dicht neben ihrem war. „Wenn du mir was zu Essen spendierst, dann zeige ich dir alles von mir! Dann kannst du dich selbst davon überzeugen!" flüsterte ich verheißungsvoll in ihr kleines Ohr mit dem glitzernden Ring. Mir war eingefallen, dass ich noch immer kein Geld für meinen Hamburger hatte, und die Kasse kam blöderweise immer näher. Es wurde also Zeit, mir diesbezüglich was einfallen zu lassen.
Aber ich war total dicht, deshalb fiel es mir schwer, mich richtig zu konzentrieren. Der ganze Laden drehte sich und schwankte immerzu, es dröhnte dumpf in meinen Ohren und die vielen neugierigen Menschen hatten manchmal absurd verzerrte Gesichter. Ich kicherte belustigt und hielt mich an der Blonden fest, indem ich sie stürmisch umarmte. Begierig leckte ich über ihren Hals, bevor ich mich bremsen konnte.
Sofort verzog sie widerwillig das Gesicht, löste ihre Hand von meinem Schritt, was mich total erleichterte, und schubste mich überraschend energisch von sich weg. Ich geriet ins Taumeln und musste mich an einer anderen Frau festhalten, die hinter mir stand. Diese Frau war mittleren Alters und quietschte entsetzt auf, als ich mich instinktiv an sie klammerte. Der Typ neben ihr packte mich zornig an der Jacke und stieß mich noch weiter weg. „Fass meine Frau nicht an!" knurrte er dabei drohend.
Ich stolperte noch ein bisschen durch die Gegend und konnte mich letztendlich an dieser Theke festhalten, an der man sich kostenlos Servietten und Strohhalme nehmen konnte. An der Kante fing ich meinen Schwung ab, stand dann eine Weile dort, atmete tief und musste abwarten, bis mein Gleichgewichtssinn wieder halbwegs funktionierte.
Der von der unerwarteten Zuwendung angetörnte, gefühlt schmeichelhafte Moment war schlagartig vorbei. Ich bemerkte, dass ich von den aufdringlichen Menschen zunehmend genervt war. Sie hatten mich unfreundlich weggeschubst und das machte mich wütend und gefiel mir überhaupt nicht. Ein weiterer träger Rundumblick aus halb geschlossenen Augen verriet mir, dass sich das allgemeine Interesse zum Glück langsam von mir abwandte. Noch immer traf mich der ein oder andere Blick, ein paar Handys waren weiterhin auf mich gerichtet, aber die noch guckenden fremden Gesichter hatten sich verändert. Sie waren jetzt weniger freundlich oder bewundernd, denn irgendwas an mir gefiel ihnen auf einmal nicht mehr.
Ich hatte keine Ahnung was oder warum und es war mir auch egal. Ich wollte ja sowieso nur diesen verdammten Hamburger haben, denn mein Magen knurrte unverändert. Mir war ein bisschen übel, darum musste ich jetzt unbedingt etwas essen.
Doch die freundlichen Restaurantbesucher sorgten schon selbst dafür, dass ich den Grund ihrer Missbilligung erfuhr. „Clay ist ja total besoffen!" „Und wie abgerissen er aussieht!" „Spielt er nicht in diesem komischen Theaterstück den Kühlschrank?" "Der ist nicht mutig, der ist nur nuttig!" „Der Typ sieht aus wie ein obdachloser Penner!" „Banton kriegt doch kaum noch was mit!" „Der ist sternhagelvoll!" „Er sieht aus, als hätte er sich auf dem dreckigen Boden herumgewälzt." „Bestimmt ist er ein paarmal hingefallen, weil er so betrunken ist", hörte ich einige Idioten abfällig murmeln, aber laut genug, dass ich es nicht überhören konnte.
Solche blöden Kommentare hatte ich heute schon einmal hinter meinem Rücken vernommen. Das war in der Stadt gewesen, wo ich mir Insulinspritzen und Ascorbin gekauft hatte, und die spitzen Zungen hatten mich genervt und gekränkt. Aber jetzt erreichte der teils beleidigende Mist mein Ohr nur oberflächlich, denn ich hatte mich zum Glück gut in schützende Zuckerwatte verpackt. Ich zwang mich dazu, diese Sätze zu ignorieren, denn ich hatte definitiv genug davon. Ich wollte nur noch was essen und danach auf dem schnellsten Weg nach Hause fahren, wo ich mir noch ein bisschen shore einfahren würde. Ich war es nämlich so was von leid, ständig wegen meines Aussehens bemitleidet oder kritisiert zu werden.
Nein, ich musste jetzt endlich nach Hause, mich waschen und umziehen, wollte dringend den Schweiß und Dreck auf meiner Haut loswerden und saubere, trockene Kleidung anziehen. Ich war der nassen, dreckigen und zerrissenen Klamotten an mir total überdrüssig, auch wenn es immer noch mein bestes Jackett war, das ich trug, die teure Weste, das Hemd und die Krawatte. Aber nun sehnte ich mich nach sauberen Sachen und meiner warmen, geräumigen Wohnung.
Allerdings, auf gar keinen Fall wollte ich allein nach Hause fahren, das kam jetzt gar nicht in Frage. Ich konnte jetzt nicht allein sein, nicht nach all dem, das spürte ich in jeder Faser meiner zugedröhnten Existenz. Allein sein wäre nach diesem Montag absolut fatal für mich, unerträglich und totale Scheiße.
Nein, ich sehnte mich ganz erbärmlich nach Zärtlichkeiten, brauchte immer noch ganz dringend eine Hand auf meinem Bauch, und gegen Sex hatte ich auch nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Siamaks scheiß Psychiatrie-Versprechen, das zwangsläufig darauffolgende verfluchte Vergangenheitschaos in meinem Kopf und die unabsichtlich herbeigeführte Bewusstlosigkeit auf dem Klo bei McDonald's hatten mich zwar erneut spürbar unangenehm meiner Erektion beraubt, aber emotional stand ich diesbezüglich noch immer in den Startlöchern. Es verlangte mich unverändert heftig nach sexueller Befriedigung, auch wenn ich inzwischen unbestreitbar sternhagelvoll mit Drogen war und ihn deshalb eventuell gar nicht mehr hoch kriegen würde.
Aber so weit wollte ich sowieso nicht vorausdenken, das tat ich nie. Instinktiv konzentrierte ich mich stur auf das unmittelbar Nächstliegende. Mein von verschiedenen Substanzen getrübter Blick suchte in der stehenden Menge diese blonde Frau, mit der ich vorhin geflirtet hatte, denn ich war mir sicher, dass ich gute Chancen bei ihr hatte. Auch wenn sie mich überstürzt weggestoßen hatte, so hatte sie mir doch vorher dreist an den Schwanz gepackt. Die stand auf mich, ganz klarer Fall, und ich wollte sie unbedingt mitnehmen, am liebsten gemeinsam mit ihren Freundinnen.
Als ich die Blonde entdeckte, hielt sie sich mittlerweile direkt vor einer der Kassen auf und gab gemeinsam mit den beiden anderen ihre Bestellung bei der gestresst und gut aussehenden Bedienung auf. Ich fokussierte mich mühsam auf mein Ziel und marschierte geradewegs auf die Frau zu, vorbei an spöttischen Kommentaren und glotzenden Gesichtern. Um sie zu erreichen, musste ich mich bis zur Theke vordrängeln, was einigen Ärschen nicht gefiel, aber ich ließ mich nicht aufhalten.
Schließlich war ich bei der blonden Frau angekommen, hielt ihr spontan von hinten die Augen zu, beugte mich an ihr Ohr und wisperte: „Na, wie sieht's aus, Süße? Spendierst du mir was zu essen?" „Clay!" quietschte sie überrascht und drehte sich hastig zu mir um. Ich ließ sie los und lächelte charmant. Ihre Gefährtinnen kicherten albern, irgendwie aufgeregt. Die Blonde warf mir einen Blick zu, der eindeutig erfreut war. Das spornte mich enorm an. „Ich bin hübschen Mädchen, die mir was zu essen kaufen, immer wahnsinnig dankbar", erwähnte ich augenzwinkernd. „Was willst du denn essen?" wollte sie hilflos grinsend wissen.
Ihre Augen wanderten nervös durch die nähere Umgebung, weil sie sich zu recht beobachtet fühlte. Sie war im Zugzwang und wollte nicht als geizig gelten. Ich gratulierte mir zu meiner guten Intuition. „Einfach nur einen Hamburger oder so", bat ich achselzuckend. „Kannst du dein Essen etwa nicht selbst bezahlen, Clay Banton?" wollte die Dunkelblonde naserümpfend wissen, „Ich dachte, berühmte Leute wie du sind steinreich!" Ich lachte laut und zwinkerte ihr freundlich zu, worauf sie schüchtern meinem Blick auswich. „Na klar! Aber ich liebe es, wenn bezaubernde Mädels mir was spendieren!" flötete ich und strich ihr wie zufällig über den Arm, sodass sie mich irritiert musterte. Die Braunhaarige schlug mir kumpelhaft auf die Schulter. „Dann bist du bei uns genau richtig, Clay! Wir lieben es, echte Superstars auszuhalten!" kicherte sie amüsiert, während die Blonde bei der Bedienung tatsächlich einen Hamburger mehr bestellte, der bestimmt für mich sein sollte.
Das lief alles richtig gut, und ich war froh deswegen und fühlte mich schlagartig viel besser. Zutraulich legte ich der Brünetten meinen Arm um die schmalen Schultern, drückte sie leicht an mich und war entzückt, weil sie mich nicht abwehrte. „Hör mal, ihr Drei seid total klasse! Ich möchte euch kennenlernen! Zum Dank lade ich euch nach dem Essen zu meiner Party ein, okay?!" tönte ich ziemlich herum.
Plötzlich musste ich mich anstrengen, um nicht allzu sehr zu lallen. Meine Zunge fühlte sich mit einem Mal schwer und unhandlich an, mein Gehirn arbeitete spürbar langsam. Aber die drei Grazien lachten belustigt. Die Mädels waren aufgeregt und längst nicht so schockiert, wie ich insgeheim befürchtet hatte. „Du gibst eine Party?" horchte Blondie auf, die gerade unser Essen bezahlte und abgelenkt zu mir hinsah. Noch andere Leute in der Nähe hatten etwas von einer Party gehört und spitzten sichtbar interessiert die Ohren. „Es gibt eine Party bei dir?" „Lädst du uns auch ein?" „Wir sind dabei!"
Ich hatte aber keinen Bock auf zu viele fremde Menschen in meiner Wohnung, das war mir nach diesem Tag echt zu stressig. Außerdem verringerten zu viele Leute erfahrungsgemäß die Chancen auf einen geilen Fick.
Darum schüttelte ich den Kopf und drückte die Brünette nochmal an mich, die sich das gern gefallen ließ. Die Süße war ein bisschen kleiner als ich und fühlte sich in meinem Arm richtig gut an. „Nein, diese Einladung gilt nur für echte Schönheiten, die mir einen Hamburger ausgeben!" lächelte ich nett und küsste die Süße flüchtig auf die Wange. „Wie viele Hamburger kannst du essen, Clay?" rief eine vorwitzige Frau in der Reihe nebenan und das allgemeine Gelächter schwoll wieder an, das mich inzwischen ganz schön nervte. Mir lag auf der Zunge, dass ich von Schönheiten gesprochen hatte, aber ich wollte diese fremde Frau nicht unnötig kränken, deshalb hielt ich den Mund und lächelte nur einnehmend in die Runde.
„Zu spät, Leute, tut mir echt leid, aber die drei Feen hier waren die ersten und alle Einladungen sind bereits vergeben!" stellte ich grinsend klar und war total hingerissen, als die Braunhaarige in meinem Arm sich spontan zu mir hochreckte und mich dankbar auf die Wange küsste. „Da haben wir ja richtig Glück gehabt! Du bist echt lieb! Danke Clay!" jubelte sie ausgelassen. Die Blonde hatte ihre Bestellung bezahlt, nahm vorsichtig das vollgeladene Tablett und drehte sich damit zu uns um. „Ich hole Strohhalme und Servietten für uns", meinte die Dunkelblonde schnell, die von den drei Freundinnen die härteste Nuss zu sein schien, und machte sich eifrig auf den Weg.
Ich warf der Bedienung hinter der Kasse einen letzten Blick zu. Die unbestreitbar süße Maus tat mir immer noch leid, denn sie war von ihrer mega anstrengenden Arbeit, genau wie fast alle ihre Kollegen, total in Beschlag genommen und wirkte unverändert voll gestresst und müde. Zu gerne hätte ich die fleißige Frau sofort mit nach Hause genommen, um sie auf die schönste Weise umfassend zu verwöhnen. Aber ich hatte keine Ahnung, wie lange sie heute noch arbeiten würde. Womöglich musste sie noch die ganze Nacht hierbleiben, und so lange konnte ich unmöglich warten. In Gedanken machte ich mir eine Notiz, irgendwann später nochmal hier bei ihr vorbeizuschauen.
Zum Glück waren die drei Grazien, die ich mir gerade geangelt hatte, recht vielversprechend. Die Brünette schlang jetzt sogar zutraulich ihren Arm um meine Taille, während mein Arm locker auf ihren schmalen Schultern lag, was mich echt antörnte. Dicht beisammen folgten wir der Blonden, die das volle Tablett balancierte, durch die vielen Tischreihen bis in den hinteren Teil des Restaurants, aufdringlich verfolgt von unzähligen Blicken und einigen Handykameras, die ich aber geflissentlich ignorierte.
Ich konzentrierte mich ganz auf diese fremde Frau in meinem Arm, die mir so nah war, dass ich sie warm an meiner Seite spürte. Mein frisch genähtes Bein war noch ein bisschen betäubt, sodass ich ein wenig taumelte, aber die Brünette stützte mich mit ihrem Körper und rückte nicht von mir ab. Ihre dunklen Haare waren fransig geschnitten und fielen ihr bis auf die Schultern. Ein paar bunte Klammern auf ihrem Kopf verhinderten, dass ihr die Strähnen in die Augen fielen. Ich beugte mich zu ihr herunter und küsste sie kurz auf den Schädel. Ihr Haar war wohl frisch gewaschen, denn es fühlte sich weich an und roch nach irgendeinem unbekannten Shampoo.
Die Frau lachte und schaute zu mir hoch. Unsere Blicke trafen sich, sie lächelte zurückhaltend. Sie hatte sehr tiefgründige, braune Augen, die mich sofort in ihren Bann zogen, weil ich die Traurigkeit sah, die tief in ihnen versteckt war.
Auf einmal erinnerte ich mich blitzartig an Eliza, weil mir der Ausdruck dieser braunen Augen so bekannt vorkam. Irgendwas passierte mit mir, etwas zog sich heftig in mir zusammen. Ich fragte mich plötzlich, warum ich nicht vom Krankenhaus aus direkt zu Eliza gefahren war, was ich doch sonst immer tat, wenn ich sie dringend brauchte. Liz würde mir sofort ihre Hand auf den Bauch legen, dachte ich verwirrt, sie würde bestimmt mit mir schlafen wollen. Eliza Laser würde genau wissen, wie mir zu helfen war, denn sie kannte mich doch so wahnsinnig gut. Mein Schmetterling würde mich auch ohne Worte verstehen.
Mit Liz wäre dieses ganze lästige, aufwendige Anbaggern gar nicht nötig. All die vielen Komplimente, die ich mir ausdenken musste, das ständige Lächeln, der Augenkontakt, die langatmigen Konversationen mit immer ungewissem Ausgang. Wenn ich nämlich Pech hatte, dann konnte ich mich hier bei McDonald's noch so sehr anstrengen, dann würden die drei Weiber, anstatt nachher mit zu mir nach Hause zu kommen, mir am Ende doch nur einen Arschtritt geben.
Das ganze Prozedere war total zeitraubend und anstrengend, aber auch spannend, deshalb war es normalerweise trotzdem einer meiner liebsten Zeitvertreibe. Nur jetzt war ich zu ungeduldig dafür und in keiner guten Verfassung, einfach zu stoned und angeschlagen. Warum bin ich denn nicht schon längst bei Liz, fragte ich mich konfus und müde, Eliza würde mir gerne was zu essen geben und für mich da sein.
Aber im nächsten Moment war der Spuk vorbei, denn ich erinnerte mich daran, dass Frau Laser mich böswillig verlassen hatte, dass sie mich weggejagt hatte wie einen unerwünschten Fremden und mich nicht wiedersehen wollte. Mein Herz stolperte ein bisschen, weil mich diese plötzliche Erkenntnis so sehr schockierte.
Aber eine Minute später hatte ich mich wieder halbwegs im Griff. Zwanghaft schob ich die drängende Sehnsucht nach Miss Eliza Laser beiseite und lächelte die Brünette in meinem Arm an. Sie war nur zweite Wahl, eine Zufallsbekanntschaft, aber sie würde mir genügen müssen.
Und zweifellos gefiel sie mir zusehends, denn sie schien echt anhänglich zu sein. Wir schauten uns immer noch an, während wir uns dicht beieinander durch das Lokal schlängelten. Zögernd hob sie ihre Hand und streichelte mit den Fingern über mein Gesicht. Sie berührte meine Wange, meine Verletzungen, betastete den roten Striemen und die Bisswunde an meinem Hals. „Im Blog bist du aber noch nicht so schwer verletzt gewesen, Clay Banton", stellte sie betrübt fest. „Was ist passiert? Wer hat das getan? Bist du verprügelt worden? Sag mal, hat dich hier etwa jemand gebissen?" bombardierte sie mich mit nervigen Fragen.
Ich musste unwillkürlich an Sean denken, wie entfesselt und enthusiastisch er mich in den Hals und die Schulter gebissen hatte, mit absoluter Sicherheit, ohne dass es ihm in diesem Moment bewusst gewesen war. Der Gedanke ging mir spürbar viel zu nahe, deshalb drängte ich die intime Erinnerung an Mister Sean Valmont und meine unsinnig auftauchende Sehnsucht nach dem Mann zur Seite.
Die braunhaarige Frau guckte mich jetzt voller Mitleid an. Ihr Blick gefiel mir nicht, denn ich wollte nicht von ihr bemitleidet werden, ich hatte es total satt, immer nur Mitleid zu erwecken. Außerdem würde ich dieser Fremden bestimmt nichts über meine gewalttätigen Erlebnisse erzählen. Verdammt! Ich wollte den Scheiß doch endlich abhaken und nie wieder daran denken!
„Wie heißt du denn eigentlich, Schönheit?" wich ich deshalb ihrer Neugierde aus und streichelte ein wenig ihre Wange, die sich glatt und weich anfühlte. Über ihr Gesicht huschte ein amüsiertes Lächeln. „Rebecca", verriet sie mir kichernd. „Es ist schön dich kennenzulernen, Bekki", säuselte ich herum, aber sie verzog angewidert das Gesicht. „Nein, nenn mich bloß nicht Bekki, ich hasse das!" beschwerte das Weibsbild sich laut. „Okay." Ich nickte und stöhnte in Gedanken ungeduldig auf. Meine Hand fiel von ihrer Wange. Ich musste mich anstrengen, nicht zu kotzen und nicht allzu sehr zu torkeln.
„Wir sollten Nadine helfen!" meinte Rebecca plötzlich. Sie deutete auf ihre blonde Freundin, die das volle Tablett mühsam balancierte und auf einen leeren Tisch zusteuerte, der in einer Ecke ganz hinten im Restaurant am Boden festgeschraubt war. Im nächsten Moment löste die Brünette sich von mir und eilte zu der Blonden, um ihr mit dem Tablett zu helfen.
Ich fühlte mich erschöpft und blieb stehen, um die beiden Frauen abzuchecken, die den kleinen, viereckigen Tisch in Beschlag nahmen und das Essen abstellten. Unsere Vorgänger hatten, als sie gegangen waren, ihre leeren Essenspackungen einfach unhöflich auf dem Tisch liegengelassen, sodass Rebecca den Kram erst einsammeln, auf die fremden Tabletts häufen und zum Sammelwagen bringen musste, um für uns Platz zu schaffen. Inzwischen gesellte sich auch die Dritte im Bunde mit Servietten und Strohhalmen zurück zu ihren Gefährtinnen.
Die Mädchen tuschelten aufgeregt, lachten dann gemeinschaftlich und warfen mir einen Blick zu, der irgendwie spöttisch war. Ich beobachtete sie nachdenklich und grübelte darüber nach, ob sich dieser verdammte Aufwand auch tatsächlich für mich lohnen würde. Verunsichert versuchte ich abzuschätzen, wie die Mädchen drauf waren, ob sie auch wirklich experimentierfreudig genug waren, um mit in meine Wohnung zu kommen und dort genau das zu tun, was ich mit ihnen machen wollte. Die Drei waren wohl ein paar Jahre jünger als ich und sahen noch immer okay aus. Zweifellos waren sie neugierig auf mich, angezogen von meiner momentanen Bekanntheit und nicht abgeneigt, Zeit mit mir zu verbringen. Ich hatte so ein enorm starkes Bedürfnis nach Nettigkeiten, Zärtlichkeiten, einfach irgendwas Positivem. Ich war meiner drängenden Sucht nach Sex immer noch hilflos ausgeliefert. Obendrein war mir leicht übel, weil ich so großen Hunger hatte. Mein leerer Magen protestierte nochmal knurrend. „Hey, Clay, komm hierher!" rief Rebecca freundlich und winkte mich zu sich hin. Also ging ich auf die drei Auserwählten zu und hoffte einfach mal das Beste.
Kim
Brrrrrr, war das kalt! Fröstelnd tänzelte ich auf der Stelle, lief einige Schritte hin und her, sprang ein paarmal in die Luft und machte abgedrehte Turnübungen. Verzweifelt versuchte ich, mich durch ständige Bewegung irgendwie warm zu halten. Mittlerweile hielt ich mich schon seit etlichen Stunden vor Clays Haus auf. Immer wieder war ich die dunkle Steintreppe bis zu seiner Wohnungstür hinauf und wieder hinunter gestiegen, hatte mehrmals bei ihm angeklopft in der unsinnigen Hoffnung, dass er vielleicht trotz allem doch zu Hause sein könnte. Aber das war umsonst gewesen, denn niemand hatte mir geöffnet. Nervös war ich dem Bürgersteig bis zur nächsten Kreuzung gefolgt, die Straße entlanggegangen, viele Meilen durch den Schnee gestapft.
Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so allein gefühlt. Wenigstens hatte es inzwischen aufgehört zu schneien, aber die Temperaturen bewegten sich eindeutig im Minusbereich. Bis auf die wenigen Straßenlaternen war es stockdunkel geworden. Das Gewerbegebiet, zu dem Clays Haus gehörte, war ausgestorben, denn alle Firmen und Werkstätten hatten Feierabend gemacht.
Auf meinem Handy kontrollierte ich immer wieder die Uhrzeit, versuchte mich zu beschäftigen, schrieb neue SMS an Clay, die er nicht beantwortete, rief ihn pausenlos an und landete regelmäßig auf seiner Mailbox, die inzwischen nichts mehr speicherte. Meine Finger waren steif gefroren und ich ärgerte mich, dass ich keine Handschuhe angezogen hatte.
Sehnsüchtig hielt ich Ausschau nach seinem MG, diesem dunklen Sportwagen, in dem er mich vor nicht mal 20 Stunden nach Hause gefahren hatte. Zum Abschied hatten wir uns geküsst, nur flüchtig und oberflächlich, als wären wir nichts weiter als gute Freunde. Dabei kannten wir uns doch eigentlich kaum, hatten uns gerade erst am Freitag kennengelernt, und zwar als Dealer und Kundin. Ich konnte nicht fassen, dass unsere erste Begegnung erst drei Tage her war. Denn dieser attraktive Mann erschien mir doch so nah zu sein, so vertraut, als würde ich Clay Banton schon ewig kennen. Wie hatte ich eigentlich all die Jahre ohne ihn leben können? Wie hatte ich zufrieden sein können, ohne dass er mich je berührt hatte?
Sehnsuchtsvoll schaute ich nochmal die Straße hinunter. Aus welcher Richtung würde Clay wohl kommen? Ganz bestimmt kam er jeden Moment mit seinem flotten Auto angefahren, denn er war doch angeblich schon wieder verletzt worden, es ging ihm nicht gut. Er würde nach Hause kommen, um sich hier auszuruhen, und ich würde ihn dabei nach Strich und Faden verwöhnen. Ich würde alles für ihn tun, was immer auch sein Herz begehrte. Mein Verlangen nach diesem sensiblen Mann stieg sekündlich und ich glaubte, das schrecklich ungewisse Warten nicht mehr viel länger ertragen zu können.
Vom langen Stehen taten mir inzwischen die Beine weh und ich hatte das schmerzhafte Bedürfnis, mich schnellstens irgendwo hinzusetzen. Aber ich konnte mich ja schlecht auf den schneenassen Boden setzen, und die Steine der Treppe waren ganz eindeutig auch viel zu kalt dazu. Ich würde mich nur erkälten oder mir andere schlimme Krankheiten holen, wenn ich mich auf diese eiskalte Treppe setzte.
Also blieb ich mühsam aufrecht und bewegte mich weiter hin und her, obwohl ich mittlerweile so durchgefroren war, dass mein Gesicht und meine Finger schmerzhaft brannten. Meine Nase war bestimmt knallrot und fühlte sich an, als würde sie jeden Moment abfallen. Bibbernd zog ich meine Mütze tief ins Gesicht und den Schal bis über den Mund.
Was tue ich eigentlich hier, dachte ich gequält, nun warte ich tatsächlich schon seit Stunden auf ihn, dabei ist es eiskalt. Du solltest lieber zu Hause sein und lernen, schimpfte die Stimme der Vernunft mit mir. In deinem Zimmer ist es jetzt schön warm, denn du könntest einfach die Heizung aufdrehen. Außerdem hast du bald wichtige Prüfungen und kannst es dir gar nicht erlauben, eine weitere Nacht mit Clay Banton zu verbringen.
Aber ich liebe ihn doch so sehr, hielt mein Gefühl, das viel lauter war, sofort widerspenstig dagegen, ich verzehre mich nach ihm, und ich habe keine ruhige Minute mehr, bis ich mich nicht wenigstens davon überzeugt habe, dass es ihm gut geht! Und ja, ich möchte unbedingt die ganze Nacht mit ihm verbringen! Nun habe ich schon so lange auf ihn gewartet, da können ein paar Minuten länger auch nicht mehr schaden, redete ich mir rigoros ein.
In diesem Moment bogen ganz hinten an der Kreuzung auf einmal zwei grelle Scheinwerfer in Clays Straße ein. Mein Herz blieb komplett stehen. Gebannt starrte ich in diese Richtung, in der sich doch so unfassbar lange überhaupt nichts getan hatte. Die ganze Zeit war kein einziger Wagen hier vorbeigefahren, kein Mensch hatte sich mehr blicken lassen, seit die Geschäfte geschlossen waren.
Oh Gott, ich irrte mich nicht, urplötzlich näherte sich eindeutig ein Auto! Unwillkürlich fing mein Herz wie verrückt zu klopfen an, weil ich es nicht erwarten konnte, ihn endlich wiederzusehen. Ich konnte nicht fassen, dass er tatsächlich nach Hause kam, dass meine Ausdauer wirklich belohnt werden sollte. Vielleicht hatte ich insgeheim schon gar nicht mehr damit gerechnet ihn zu sehen, mir diese beunruhigende Möglichkeit aber nicht eingestehen wollen. Meine eigenen Zweifel wurden mir jedoch erst jetzt bewusst, wo sich der ersehnte Wagen langsam näherte.
Selbstverständlich war ich sofort davon überzeugt, dass es nur Clays MG sein konnte, der da angefahren kam. Obwohl ich von meinem Standpunkt aus das Fabrikat gar nicht identifizieren konnte, sondern nur die hellen Scheinwerfer sah, die die Dunkelheit grell durchschnitten. Aber meine Hoffnung war einfach zu riesengroß und konnte ein womöglich anderes Auto schlicht nicht akzeptieren. Ich hatte das Gefühl, eine Enttäuschung nach all den Stunden nicht ertragen zu können.
Mein Herz hämmerte hart, die Freude und Erleichterung überwältigten mich, und am liebsten wollte ich ihm mit ausgebreiteten Armen freudestrahlend entgegenlaufen. Ach, wie freute ich mich schon auf sein überraschtes Gesicht, seinen liebevollen Blick, seine zärtlichen Hände.
Aber irgendwas hielt mich zurück, sodass ich äußerlich reglos stehenblieb und die Szenerie gebannt beobachtete. Der Wagen näherte sich quälend langsam und mir fiel auf, dass die Scheinwerfer merkwürdig hin und her schwankten, als würde dieses Auto im Zickzack fahren, was ich mir nicht erklären konnte. In diesem Moment bog hinter dem ersten ein zweites Auto in die Straße ein. Dieser unbekannte Wagen folgte anscheinend dem MG in kurzem Abstand. Ich war sofort beunruhigt und zog mich instinktiv weiter in Clays dunklen Hauseingang zurück, von wo aus ich die Ereignisse aus der Dunkelheit heraus vorsichtig überwachen konnte.
Ich war alarmiert, denn irgendwas stimmte doch da nicht. Warum kam der MG so langsam voran, und warum um Himmels Willen war da noch ein zweites Fahrzeug? Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und spürte meine Unruhe wachsen, weil ich nicht wusste, was ich davon halten sollte und was jetzt wohl auf mich zukam. Anscheinend kam Herr Banton nicht allein nach Hause, was mir überhaupt nicht gefiel, denn ich wollte ihn doch ganz für mich haben. Ich wartete doch hier auf ihn, er brauchte niemand anderen mehr! Aber ich konnte die Situation nicht ändern. Mir blieb nichts anderes übrig, als still und ungeduldig in meinem Versteck abzuwarten, was passieren würde.
Je näher das erste Auto kam, umso eindeutiger wurde es, dass der Wagen Schlangenlinien fuhr, die manchmal fast die ganze Straße einnahmen. Um Himmels Willen, das war ja lebensgefährlich! Ging es meinem Clay etwa so schlecht, dass er kaum noch Autofahren konnte? Oder - war er betrunken?
Ich fühlte mich, wie vor den Kopf geschlagen. Seinem Fahrstil nach zu urteilen, musste der Mensch am Steuer mindestens hackedicht sein. Oh nein, hoffentlich wurde Clay nicht aggressiv, wenn er so viel getrunken hatte! Immerhin hatte er immer noch jeden Grund der Welt, um wütend auf mich zu sein! Mein Herz beschleunigte sein Hämmern, mir wurde schlecht und die Gedanken wirbelten in meinem Kopf. Ich machte mir große Sorgen über Clays Zustand und fürchtete, dass ich hier an diesem Ort womöglich gerade völlig falsch war. Beinahe bereute ich es schon, in der eisigen Kälte vor seinem Haus ewig lange so sehnsüchtig und dumm auf Herrn Banton gewartet zu haben. Ich hatte die ganze Zeit große Angst um ihn gehabt, während er sich womöglich einfach nur volllaufen ließ?! Das konnte doch nicht wahr sein!
Nein, so ist Clay Banton nicht, versuchte ich mich zu beruhigen, das hat alles einen anderen Grund, vielleicht ist er schwerer verletzt, als du wissen kannst. Aber auch dieser Gedanke beruhigte mich leider keineswegs. Vor Kälte und Aufregung zitternd stand ich im Hauseingang und fixierte diese zwei Fahrzeuge, die sich mir unaufhaltsam näherten.
Als die Scheinwerfer mich zu erfassen drohten, zog ich mich ängstlich noch weiter in die Dunkelheit zurück. Das erste Auto hatte mich fast erreicht, als es plötzlich nach links ausscherte, mit beiden Vorderrädern den Bordstein hochrumpelte, die Laterne knapp verfehlte und sich der Hauswand näherte. Eine Sekunde später wurde ruckartig gebremst. Das Auto schlitterte über den Schnee und kam kurz vor der Wand zum Stehen. Der Motor erstarb, denn der Fahrer hatte den Wagen beim Bremsen abgewürgt.
Endlich konnte ich erkennen, dass es sich tatsächlich um Clays schwarzen Sportwagen handelte. Mein Herz tat vor Freude einen mächtigen Hüpfer. Gleich würde ich meinen fantastischen Mann endlich, endlich, endlich wiedersehen! Plötzlich überaus nervös schnappte ich nach Luft, weil meine Brust sich zuschnürte. Schlagartig wurde mir warm, zum ersten Mal seit etlichen Stunden. Allerdings war ich wegen der undurchsichtigen Situation auch ziemlich verunsichert, darum blieb ich vorsichtshalber im schattigen Hauseingang stehen. Ich wollte erst mal aus der schützenden Dunkelheit heraus beobachten, was weiter passieren würde.
Das zweite Auto hielt hinter dem ersten am Straßenrand an. Jemand schaltete die Scheinwerfer aus und den Motor ab, aber niemand stieg aus. Wenn es gefährlich wird oder er aggressiv ist, dann laufe ich einfach schnell weg, nahm ich mir nervös vor. Dabei wusste ich gar nicht, wohin ich in dieser ausgestorbenen Gegend hätte laufen können. Die nächste Bushaltestelle war ewig weit weg und weit und breit war nichts, was mir im Notfall würde helfen können.
Clay Banton ist nicht gefährlich, redete ich mir verärgert zu, du weißt doch genau, dass er nicht gewalttätig ist! Ihr habt gestern zusammen Wein getrunken und er wurde kein bisschen aggressiv vom Alkohol. Er hat dir doch längst verziehen und ist überhaupt nicht wütend auf dich. In ihm gibt es keine Rachsucht, so etwas kennt dieser sanfte Mann gar nicht. Clay ist doch gestern die ganze Zeit nur lieb gewesen und außergewöhnlich zärtlich noch dazu. Mit diesen Gedanken versuchte ich mir gut zuzureden, aber das klappte nicht besonders gut.
Denn nun schien die Sache doch ein bisschen anders zu liegen, wenn er schon sein Fahrzeug nicht mehr gerade steuern konnte und mit dem MG fast gegen seine eigene Hauswand krachte! Außerdem kam Herr Banton offensichtlich nicht allein nach Hause. Womöglich hatte er ein paar Fans mitgebracht, die ihn heute in diesem beschissenen Blog gesehen hatten. Die ganze Welt schien doch diesen unverschämten Bericht über Clay zu kennen. Es gefiel mir nicht, dass er nicht allein nach Hause kam. Ich hatte mich so sehr auf ihn gefreut und wollte meinen Mann jetzt bestimmt nicht mit anderen Menschen teilen müssen! Oh nein, vielleicht hätte ich doch lieber nicht hier auf ihn warten sollen, das war eine total blöde Idee und womöglich sogar ein verhängnisvoller Fehler, befürchtete ich verzweifelt.
An Clays dunklem Sportwagen öffnete sich ruckartig die Fahrertür sehr weit, als hätte sie plötzlich jemand von innen aufgetreten. Zwei Minuten später kletterte Clay Banton auch schon mühsam aus seinem niedrigen Auto und fiel geradewegs in den Schnee. „Fuck... das ist... kalt...", stöhnte er genervt, lachte aber im nächsten Moment ein wirres Lachen. Eindeutig war er sturzbesoffen, das war auch von meiner Position aus nicht zu übersehen, und ich seufzte innerlich frustriert auf. Na, das konnte ja heiter werden! Vielleicht sollte ich jetzt einfach schnell verschwinden, dachte ich unglücklich, vielleicht kriegt er dann gar nicht mit, dass ich überhaupt hier war.
Aber nein, meine Sehnsucht nach diesem einen Menschen war viel zu groß, um jetzt unverrichteter Dinge abzuhauen. Den ganzen langen Tag hatte ich mich schon nach ihm verzehrt. Ich musste zu ihm, wollte bei ihm sein und alles Gute für ihn tun, was in meiner Macht stand. Es war doch eigentlich ganz egal, ob er nun ein bisschen zu viel getrunken hatte oder nicht. Plötzlich wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass Clay Banton mir nichts zuleide tun würde. Energisch schimpfte ich mit mir selbst, weil ich auch nur einen einzigen Moment lang davor Angst gehabt hatte.
Schon war ich im Begriff zu ihm zu laufen und ihn in die Arme zu schließen, als hinter ihm eine zweite Person kichernd aus seinem Auto kroch. Mein Herzschlag stockte. Ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen, als ich sie aus sicherer Entfernung entsetzt abcheckte. Sie trug pinke Plastikstiefel, die ihr bis über die Knie reichten, dazu schwarze Hot Pants, sodass ein breiter Streifen nackter Haut zwischen Stiefel und Shorts frei blieb. Außerdem trug die Frau eine helle, bauschige Kunstfelljacke und eine sehr lange lila Federboa. Ihr orangefarbenes Haar war gewollt schlampig zu einem hohen Turm aufgesteckt. Ihrem schrillen Outfit nach zu urteilen konnte es sich nur um eine Prostituierte handeln, und zwar um eine Frau, die sehr deutlich älter als Clay war.
Alles zog sich schmerzhaft in mir zusammen, so schockiert war ich im ersten Moment darüber, obwohl mir das eigentlich nicht zustand. Schließlich waren Clay Banton und ich ja kein Paar oder so. Er konnte schlafen, mit wem er wollte, aber es tat trotzdem ganz schön weh, ihn mit dieser Professionellen zu sehen. Und wie vertraut sie miteinander umgingen! Ganz eindeutig kannten sie sich schon länger.
Jetzt beugte sie sich lachend über Clay, der kichernd auf dem Boden im Schnee lag, und versuchte ihm aufzuhelfen, wobei die beiden sich ziemlich albern anstellten. Die Frau konnte Clay gar nicht hochheben, denn er war viel zu schwer und offenbar mehr als instabil. Leider war es allzu offensichtlich, wie zugedröhnt er war. Herr Banton war tatsächlich kaum noch Herr seiner Sinne.
Mir fiel auf, wie gut gekleidet er war, und ich betrachtete ihn mit einem irrational stolzen Gefühl im Bauch. Clay hatte ein schickes, graues Jackett an, das so gut an ihm aussah, als wäre es für ihn persönlich maßgeschneidert worden. Dazu trug er sehr enge dunkelblaue Jeans, die seine langen, wohlgeformten Beine betonten, und schwarze Sneakers. Auf seinem Kopf war eine graue Beanie, die eng anlag und am Hinterkopf ein Stückchen abstand. Seine Kleidung gefiel mir, aber sein zugeknallter Zustand machte mich traurig. Warum hat er das nur gemacht, fragte ich mich deprimiert, warum um Himmels Willen musste er sich heute fast bis zur Besinnungslosigkeit zuknallen?
Ist es vielleicht wegen diesem verdammten Blog gewesen, in dem er pausenlos völlig nackt dargestellt und damit so sehr blamiert worden ist? Die Vermutung machte mich wütend auf diese Jill Bennet, die den verdammten Blog veröffentlicht hatte. Ich wollte gerne zu Clay gehen und ihm endlich aufhelfen. Er konnte doch nicht noch länger da im Schnee liegen, das war viel zu kalt, er würde sich erkälten. Aber etwas hielt mich zurück. Ich hatte Angst und war unsicher, was ich jetzt tun sollte. Ich war total nervös und blieb deshalb unschlüssig in meinem dunklen Versteck stehen, wo Clay und diese blöde Nutte mich nicht sehen konnten.
Allerdings, wenn die beiden gleich näherkamen, dann würden sie mich zwangsläufig entdecken, und davor fürchtete ich mich schon jetzt. Hastig legte ich mir einige Worte zurecht, die die merkwürdige Situation vielleicht entspannen konnten. Auf keinen Fall wollte ich Clay verärgern oder sonst einen dummen Fehler begehen. Meine unangenehme Lage gefiel mir ganz und gar nicht. Ich wünschte mich weit weg von seinem Haus, weit weg von ihm und dieser Frau, auch wenn meine Sehnsucht nach dem Mann ungebrochen war. Mist, dachte ich, ich hätte wirklich nicht hier auf ihn warten sollen! Er braucht mich gar nicht, er weiß sich sehr gut allein zu beschäftigen!
Eifersucht flammte unwillkürlich in mir auf, die ich verärgert zur Seite drängte. Mein Herz pochte schnell, Wut über meine eigene Dummheit und Naivität brannte in mir. Wie hatte ich nur so blöd sein können anzunehmen, dass Clay die gleiche Sehnsucht nach mir verspürte, wie ich nach ihm?! Womöglich hatte er unsere schöne und vertrauliche gemeinsame Zeit längst vergessen und unsere überaus intensiven Intimitäten bedeuteten ihm gar nichts. Dieser Gedanke tat ganz schön weh. Reglos stand ich dort und haarte der Dinge, die da kommen sollten. Am liebsten hätte ich mich unsichtbar gemacht, aber nun gab es keinen Ausweg für mich, ohne das Clay mich gesehen hätte. Ich konnte mich dieser unbehaglichen Situation nicht mehr entziehen.
Dabei hatte ich mir auch meine dritte Begegnung mit Herrn Banton wahrhaftig vollkommen anders vorgestellt! Mit Sicherheit hatte ich keine mittelalte Prostituierte in seiner Begleitung erwartet. Und was war überhaupt mit diesem zweiten Auto, das unverändert hinter Clays MG geparkt war. Warum stieg denn da keiner aus? Was sollte das, was waren das für Leute? Warum waren sie Clay hinterhergefahren? Die ganze Szenerie war ziemlich unheimlich und verwirrend.
Als wären meine Fragen erhört worden, gingen an dem zweiten Auto gleichzeitig alle Türen auf und aus jeder Tür stieg ein Mädchen aus, das vielleicht ungefähr in meinem Alter war. Die Vier lachten und schwatzten ausgelassen, aufgeregt, erwartungsvoll, schlossen den Wagen ab und näherten sich Clay und der Prostituierten. Im Gegensatz zu Clay konnten sie alle noch gerade laufen, waren also wohl nicht so betrunken wie er. Was wollte Clay Banton denn bloß mit so vielen Frauen anfangen, dieser verdammte Gigolo? Das sah ja schon fast wie eine Party aus. Oder ging es hier etwa um Gruppensex?!
Entsetzt schloss ich für einen Moment die Augen. Alles zog sich in mir zusammen bei der Vermutung, was Clay mit den fünf Frauen vorhatte. Damit überschätzte der größenwahnsinnige Mann sich aber ganz gewaltig! Am liebsten hätte ich mich sehr weit weg gebeamt, aber auf der Stelle! Doch ich saß in der Falle und konnte nichts weiter tun, als reglos und noch immer unbemerkt dem seltsamen Treiben zuzusehen.
Endlich kam Clay auf die Beine und bewegte sich sofort zur Front seines Autos, um zu überprüfen, ob er die Wand gerammt hatte. Er musste sich dabei an der Karosserie des dunklen Sportwagens abstützen. Mit besorgtem Gesicht überprüfte er seine vordere Stoßstange und die Motorhaube. „Fuck... das war... knapp...", stellte er lallend fest und guckte erleichtert zu der älteren Frau, die ihm gefolgt war. „Es ist ja nichts passiert. Du hast doch perfekt eingeparkt, Liebling!" flötete die blöde Kuh und machte mich damit ziemlich wütend. Was fiel ihr ein, meinen Clay Liebling zu nennen?! Die hatte sie wohl nicht mehr alle!
„Mila... du spinnst... total...", meinte Clay kopfschüttelnd, ließ es aber gut sein. Er hangelte sich am Auto entlang zurück zur Fahrertür, beugte sich in den Wagen und schaltete das Licht aus. Dann schlug er die Tür zu. Zumindest diese Dinge bekam er noch hin, also war sein Zustand vielleicht doch nicht so besorgniserregend. Das hoffte ich zumindest. Ich war nervös und fürchtete mich davor, ihm gleich in die Augen sehen zu müssen. Wie würde er auf meine unangekündigte Anwesenheit reagieren? Und vor allem: Was sollte ich zu ihm sagen?
Ich musste mir sehr schnell etwas einfallen lassen, denn nun kamen die beiden langsam auf mich zu.Gott, sie war um einiges größer als er und stützte ihn, indem sie zutraulich ihren Arm um seinen Rücken schlang. Wie sehr ich sie dafür hasste, dass sie so vertraut mit meinem Clay umging! Die Alte sollte gefälligst ihre Finger von ihm lassen! Warum hatte er es überhaupt nötig, zu einer Hure zu gehen und sie dann auch noch mit nach Hause zu nehmen?! Und es war ja nicht nur die eine Frau, die er mit hierher brachte, dort hinten kamen noch vier andere womöglich willige Mädchen angeschlendert!
Erst vor wenigen Stunden hatte Banton sich doch mit mir bis zur Grenze der Ohnmacht austoben können, und ich hätte ihm doch auch heute alle seine Bedürfnisse liebend gerne erfüllt! Was war nur diesbezüglich mit diesem Mann los? Wurde er des Fickens denn nie müde? Wollte er ernsthaft diese fünf Frauen in einer Nacht beglücken? War das noch normal?Offensichtlich war ihm völlig egal, mit wem er Sex hatte, wenn er nur Irgendwen dafür fand. Das konnte doch nicht wahr sein!
Meine Gedanken überschlugen sich von allein, fachten meine unsinnige Wut und Eifersucht an, sodass ich mich schließlich nicht mehr zurückhalten konnte. Kurzentschlossen machte ich einen großen Schritt hinaus aus der schützenden Dunkelheit des Hauseingangs. Auf dem Bürgersteig blieb ich angespannt stehen und fixierte den betrunkenen Clay Banton mit festem Blick. Mein Herz klopfte wie verrückt, ich war voller starker, miteinander konkurrierender Gefühle. Das wunderte mich nicht, denn schließlich näherte sich mir dieser eine, ganz besondere Mann, der halbe Wikinger aus Island, mit dem es ohne heftiges Gefühlschaos anscheinend kein Aufeinandertreffen für mich gab. Aber ich wollte mir meine trotz allem riesige Freude, die Furcht, die Eifersucht und meinen Zorn nicht anmerken lassen, sondern die Situation so ruhig und besonnen wie möglich meistern.
Die beiden ärgerlich Vertrauten waren inzwischen fast bei mir angekommen. Es fehlten nur noch zwei Meter, als Clay die beständig halb geschlossenen Augen hob und mich endlich entdeckte. Seine Augen weiteten sich intuitiv erschrocken, was mich tief drin befriedigte. Abrupt stoppte er, schwankte und rang um Gleichgewicht. Die Frau mit den langen Stiefeln an seiner Seite stützte ihn mit ihrem Arm und blieb ebenfalls stehen. Auch sie hatte mich gesehen und guckte mich verwundert an. Sie war viel zu grell geschminkt, was ich total hässlich fand, und womit sie ihr fortgeschrittenes Alter auch nicht mehr überdecken konnte.
Ich versuchte, die Prostituierte stur zu ignorieren und konzentrierte mich ganz auf den faszinierenden Mann an ihrer Seite, auf den ich schon seit sehr vielen Stunden gewartet hatte. Den ganzen langen Tag hatte ich mich sehnsüchtig nach ihm verzerrt, und ich spürte ihn immer noch höchst intim, tief in mir. Ich musste mich anstrengen, um ihm nicht voller irrationaler Wiedersehensfreude um den Hals zu fallen. Aber allein die schrille Frau neben ihm machte mir das unmöglich, denn sie hielt ihn besitzergreifend im Arm und wollte ihn scheinbar nicht loslassen.
Clay hatte sich stabilisiert und starrte mich mit verwirrt und besorgt zusammengezogenen Augenbrauen an. Seine Augen waren jetzt nur noch schmale Schlitze, als könnte er mich nicht richtig erkennen. Er stand einfach dort und wirkte ratlos. Ganz offensichtlich arbeitete sein Gehirn aufgrund der Drogen nur noch sehr langsam, denn es dauerte eine Weile, bis er meine Anwesenheit richtig einordnen konnte. Ich konnte ihm seine Gedankengänge förmlich ansehen, und das faszinierte mich.
Im ersten Moment wusste er mit mir nichts anzufangen und musste sich enorm auf mich konzentrieren, um mich zu identifizieren. Schließlich erinnerte er sich schlagartig an mich, und mit dem Erinnern kam sofort sichtbar seine Angst zurück. Clay ächzte plötzlich erschrocken auf, ging instinktiv einen Schritt zurück und löste sich dabei aus dem Arm der großen Frau, was mir sehr gefiel. Kopfschüttelnd schaute der Mann mich an, dann wanderte sein wirrer Blick suchend durch die nähere Umgebung.
Er hat Angst, merkte ich nicht ohne Genugtuung, er fürchtet schon wieder, dass ich nicht allein gekommen bin. Clay Banton fürchtete sich vor meiner brutalen Rache und meinen gewalttätigen Freunden. Einerseits belustigte mich seine blödsinnige Angst, weil ich gerade irgendwie wütend und enttäuscht von ihm war. Aber andererseits machte sein fehlendes Vertrauen zu mir mich auch ziemlich traurig. Dachte der Mann denn wirklich, ich würde noch einmal meine Freunde auf ihn hetzten, um ihn erneut zusammenschlagen zu lassen? Wie konnte er das nach unserer intimen Zweisamkeit gestern auch nur eine Minute lang annehmen? Warum hatte er denn so wenig Vertrauen zu mir? Ich war verletzt, und das machte mich wütend.
„Nein... das...", stammelte Clay hilflos und suchte mit hastigem, wirrem Blick die Umgebung nach potentiellen Gefahren und Feinden ab. „Ich habe nicht...", beteuerte er und brach erneut konfus ab. „Was ist, Clay Banton?" „Warum hast du angehalten?" „Was sollen wir denn hier?" „Ist deine ach so tolle Wohnung etwa hier?" bedrängten die vier Mädchen ihn, die inzwischen herangekommen waren. Sie entdeckten mich, musterten mich neugierig und blieben abwartend neben Clay und der Prostituierten stehen. „Was ist los, Clay?" „Worauf wartest du?" „Wo findet deine heiße Party denn nun statt?" „Wohnst du etwa hier?" wollten sie noch einmal wissen, denn er stand ratlos dort und hatte keinen Plan mehr. Mein unerwartetes Auftauchen verwirrte und alarmierte ihn scheinbar zutiefst. Er witterte ernsthaft eine große Gefahr, die es in Wahrheit gar nicht gab.
„Wer bist du?" fragte die Frau in den Plastikstiefeln mich freundlich lächelnd, „Kommst du auch zur Party?" Ich ignorierte sie und machte einen Schritt auf Clay zu, der wahrhaftig nervös vor mir zurückwich. „Nein Clay. Ich bin allein", versicherte ich ihm sanft in dem Bedürfnis, ihn damit zu beruhigen. Er schüttelte immerzu den Kopf, blieb aber schließlich schwankend stehen. Stöhnend hielt er sich den zugedröhnten Schädel fest und schloss für einen Moment die Augen.
Erst jetzt fiel mir auf, wie müde und abgerissen er aussah. Seine hübsche Kleidung war nass und ganz schmutzig, das wunderschöne Jackett tatsächlich zerrissen. Wie ist das passiert? Wer hat das bloß getan? fragte ich mich sofort entsetzt. Mitgefühl kam in mir hoch, weil ich vermutete, dass Clay schon wieder von jemandem ohne Grund verprügelt worden war. Ich glaubte, es nicht ertragen zu können, dass meinem liebsten Menschen andauernd so entsetzlich viel Gewalt angetan wurde. Noch immer hatte ich ein enorm schlechtes Gewissen, weil ich selbst es ja gewesen war, die ihn erst vor zwei Tagen ziemlich brutal und unfair behandelt hatte. An die grausamen Bilder meiner entfesselten Rache in der dunklen, entlegenen Gasse unweit des Old Daddys wollte ich gar nicht denken. Ben und seine Freunde hatten Clay fertiggemacht, und ich hatte tatenlos dabei zugesehen, und das würde ich mir nie verzeihen.
Eine Weile war es merkwürdig still, während wir alle auf dem Bürgersteig standen und auf Clays Antwort warteten. Die vier Mädchen und die Frau beäugten mich, ihr Blick wanderte interessiert zwischen Clay und mir hin und her, weil sie sich seine seltsame Reaktion auf mich nicht erklären konnten. Der erwachsene, durchtrainierte Mann hatte sichtbar Angst vor mir, obwohl es dafür keinen Anlass gab. Clay assoziierte mit meiner Gestalt noch immer Schmerzen und Brutalität, trotz der innigen Zärtlichkeit, die wir erst gestern in seiner Wohnung gemeinsam erlebt und genossen hatten. Sein offenes Misstrauen kränkte mich mehr, als ich zugeben wollte. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, ob er denn wirklich schon so schnell alles vergessen hatte, was zwischen uns passiert war.
Nach einer Zeit der angespannten Stille unterbrach die Frau in der hellen Kunstfelljacke auf einmal das betretene Schweigen, indem sie sich überschwänglich an Clay wandte. „Ach, mein armes Schätzchen, was ist denn auf einmal los mit dir? Hast du etwa Angst vor deiner kleinen Freundin?" Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und ich stöhnte in Gedanken angewidert auf.
„Was? Du bist seine Freundin? Im Ernst?" wollte ein blondes Mädchen aufhorchend wissen und musterte mich erstaunt. Die anderen drei machten dramatisch „Oh Oh" und kicherten albern, ihnen gefiel die undurchsichtige Situation offenbar. Scheinbar dachten sie, in mir die unerwartet aufgetauchte und extrem eifersüchtige Geliebte von Clay Banton vor sich zu sehen, und sie amüsierten sich prächtig über seine daraus resultierende Verlegenheit.
Die Hot Pants-Frau küsste Clay tröstend auf die Wange und hinterließ dabei einen deutlich pinken Lippenstiftabdruck auf seiner Haut. Erst jetzt fiel mir auf, dass er schon jede Menge verwischter Spuren in seinem Gesicht hatte. Die Prostituierte, die Clay Mila genannt hatte, hatte ihn also schon häufiger geküsst, vielleicht auch noch andere Mädels mit Lippenstift, was mich ziemlich wütend machte, weil ich so unsinnig eifersüchtig war.
„Komm schon, kleiner Spatz, du musst doch keine Angst vor ihr haben! Wir wollen doch Spaß haben! Wir passen alle gut auf dich auf!" flötete die vom horizontalen Gewerbe und wollte ihn erneut auf die Wange küssen. Aber jetzt knurrte Clay unwillig, wich ihr träge aus und wischte sich fahrig mit den Fingern über das Gesicht, um die unerwünschte Farbe zu entfernen, was ihm aber nur halbwegs gelang. Es gefiel ihm nicht, dass die Frau ihm Angst unterstellte, und das kam mir bekannt vor. Um ihn herum standen gerade sechs Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts (was ich noch immer nicht fassen konnte) und selbstverständlich wollte er vor uns Mädchen nicht wie ein Softie dastehen.
Er atmete laut ein und machte rigoros einen Schritt auf mich zu, bis er dicht vor mir stand. Ich musste mich anstrengen, um nicht vor ihm zurückzuweichen und ihm weiterhin mit festem Blick in die Augen zu sehen. „Was willst du hier, Kim?" fragte er mich laut. Seine Stimme hörte sich fast drohend an, es war offensichtlich, dass meine Anwesenheit ihn ärgerte. Ich war gekränkt und enttäuscht, denn ich wollte so gerne nochmal hören, wie er mich Kim-ber-ly nannte. Ich wollte so gerne nochmal zärtlich und leidenschaftlich von ihm berührt werden, wollte ihn meinen Namen stöhnen hören.
Aber Clay Banton wollte mich nicht. Er hatte sich wahrhaftig genügend Auswahl mit nach Hause genommen, um mich nicht zu brauchen. In Wahrheit war ich im Moment sogar die Allerletzte, die er gebrauchen konnte, und das ließ er mich auch spüren. Aber er konnte mir nichts vormachen, denn ich sah die Nervosität in seinen von Alkohol und Drogen getrübten Augen. Ich spürte seine unverändert große Angst vor neuen Schlägen und neuen Schmerzen.
„Ich bin allein hierhergekommen, Clay", versicherte ich ihm noch einmal mit sanfter Stimme. Ich wollte mich nicht von ihm provozieren lassen, obwohl sein Verhalten, sein Zustand und all seine Weiber mich einschüchterten und zornig machten. „Warum bist du allein hierhergekommen?" kläffte er mich böse an, „Warum, Kim? Warum hast du... deine... Freunde nicht mitgebracht?"
Seine Stimme war schwer, er musste sich anstrengen, um nicht allzu sehr zu lallen. Nur mühsam fokussierte er sich auf mich, denn seine Augen huschten noch immer nervös durch die Gegend, als würden jeden Moment irgendwo Feinde auftauchen. „Weißt du... wir machen hier nämlich... gleich... eine Riesenparty!" informierte Clay mich hämisch grinsend, breitete seine Arme aus und legte sie herausfordernd um Mila und das blonde Mädchen, die neben ihm gestanden hatten. Während er die beiden Frauen zu sich heranzog, sie an sich drückte und die beiden darüber amüsiert kicherten, taxierte er mich eindringlich. „Kim hat echt... tolle Freunde!" informierte er seine Begleiterinnen, ohne den Blick von mir zu nehmen. „Du kannst deine Freunde auch einladen! Sie... können bei unserer Party... mitmachen!" schlug er viel zu laut vor und durchbohrte mich dabei förmlich mit seinem stechenden Blick.
„Na klar!" „Das ist eine gute Idee, Clay!" „Je mehr wir sind, umso lustiger wird es doch!" riefen die Mädchen begeistert, die nicht wissen konnten, welche Freunde Clay tatsächlich meinte. Nur mir war klar, dass er die vier Vermummten ansprach, die ihn Samstagnacht brutal zusammengeschlagen hatten, wobei mein Freund Ben der Anführer gewesen war. Dies war eine Sache nur zwischen Clay und mir, und jedes Wort von ihm tat mir weh. Ich konnte nicht begreifen, warum er so erbarmungslos mit mir umging, warum er offenbar so entsetzlich wütend auf mich war. Hatte er mir nicht erst gestern wiederholt versichert, mir meine brutale Rache verziehen zu haben? Hatten wir nicht erst vor wenigen Stunden berauschenden Sex gehabt, war er nicht erstaunlich zutraulich zu mir gewesen? Der liebreizende Mann hatte mir sogar private Dinge über sich erzählt, und er hatte nur für mich allein isländisch gesprochen! Warum war er jetzt so völlig anders?
Es ist nur der Alkohol, versuchte ich, eine Entschuldigung für Clay zu finden, der Alkohol hat diese normale Wirkung auf ihn, er macht ihn aggressiv. Der einzige Mann hier in dieser merkwürdigen Gruppe möchte vor seinen Eroberungen nicht das Gesicht verlieren, nur darum spielt er mir den harten Macker vor. Eigentlich ist Clay Banton gar nicht so, die unerwartete Situation überfordert ihn nur, versuchte ich mir einzureden. Aber meine Gedanken trösteten mich kaum.
„Clay...", fing ich hilflos an, als er plötzlich gehässig auflachte und die beiden Frauen in seinen Armen noch näher zu sich heranzog. „Willst du nicht auch bei unserer Party mitmachen, Kim? Ich kann... und ich werde... dich so lange ficken... bis du ohnmächtig wirst!" behauptete er herausfordernd und fixierte mich schwankend mit spöttischen Augen. „Wow!" „Hört hört!" „Was für ein toller Hecht!" „Clay Banton! Schäm dich!" kam es aus den Mündern. Mila und die vier jüngeren Frauen fingen lauthals an zu lachen und stießen sich gegenseitig albern an.
Ich merkte Clay sofort an, dass ihm dieses Lachen keineswegs gefiel, denn es war völlig klar, dass die Frauen sich über ihn lustig machten. Der wirre Mann hatte seine großkotzige Ankündigung wahrhaftig ernst gemeint, obwohl ich doch nur zu genau wusste, dass er zu dieser sexuellen Leistung nun wirklich nicht fähig war, nicht mal annähernd, im Gegenteil! Der einzige, der gestern bei unseren wiederholten Sexabenteuern in seiner Wohnung fast jedes Mal einer Ohnmacht nahegekommen war, das war unbestreitbar nur er selbst gewesen! Der Typ hatte es ja nicht mal geschafft, mir trotz unserer vielen Versuche auch nur einen einzigen Orgasmus zu bescheren!
Am liebsten hätte ich ihm diese Wahrheit ins Gesicht geschrien und ihn damit zweifellos vor seinen potentiellen Sexpartnerinnen ziemlich blamiert. Aber irgendwie tat der betrunkene Mann mir plötzlich leid. Clay Banton hatte Angst, er war stoned, müde und verwirrt. Ich wusste nicht, warum er diese Mila und die vier anderen Mädchen mit zu sich nach Hause gebracht hatte, aber jetzt schien ihm das plötzlich gar nicht mehr so sehr zu gefallen. Ihr spöttisches Gelächter kränkte ihn, machte ihn wütend, aber sie merkten das gar nicht.
Clay ließ die beiden Frauen an seiner Seite los, zog die Arme ein und ging noch einen Schritt auf mich zu. Er beugte sich drohend zu mir herunter, bis sein Gesicht dicht vor meinem war und ich den scharfen Alkohol in seinem Atem riechen konnte. „Hau ab, Kim. Lauf lieber weg, so schnell du kannst", forderte Clay mich finster auf. Seine Miene war dabei sehr ernst, und er machte mir damit Angst.
Vielleicht wäre ich seiner Aufforderung sogar nachgekommen, wenn da nicht dieser hilflose Ausdruck in seinen Augen gewesen wäre. Mir wurde klar, dass er mich nur wegschickte, weil er mich beschützen wollte. Er wollte nicht, dass ich bei seiner Party dabei war, weil er keine Ahnung hatte, was dabei alles passieren würde. Scheinbar erwartete er, dass es ziemlich wild zugehen würde. Er konnte die Sache nicht einschätzen und war sich nicht sicher, ob er sich die ganze Zeit unter Kontrolle haben würde. Clay Banton plante in seiner Wohnung wahrhaftig eine Orgie, und es rührte mich, dass er mich nicht dabeihaben wollte, mich also nicht mit den anderen Frauen gleichsetzte.
„Willst du uns deine Freundin nicht endlich mal vorstellen, Spatz?" Die Frau mit den langen Stiefeln trat neben ihn und hakte ihn unter. Freundlich lächelte sie mich an. „Ich bin Djamila", stellte sie sich vor, weil Clay nicht reagierte, und hielt mir ihre Hand hin. Eigentlich wollte ich sie nicht schütteln, aber das erschien mir doch zu unhöflich zu sein, zumal diese Nutte mir ja eigentlich nichts getan hatte. Also gab ich mir einen Ruck und nahm die unerwünschte Hand ganz kurz. „Hallo. Ich bin Kim", sagte ich so knapp wie möglich.
Clay stöhnte entsetzt auf, rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel und wand sich aus Milas Arm heraus, indem er ein Stück zur Seite taumelte. Ich hatte den Eindruck, als wäre ihm die Situation zunehmend unangenehm. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass Mila und ich uns miteinander bekanntmachten.
Jetzt kamen auch die anderen Mädchen näher. Sie verrieten mir ihre Namen, die ich aber sofort wieder vergaß. Ich schüttelte noch vier Hände, obwohl ich das gar nicht wollte. Die ganzen Weiber hier waren mir total lästig. Mir war kalt und ich wollte nichts weiter, als ganz nah bei Clay zu sein und mich an ihm zu wärmen. Mein Clay war verletzt und brauchte meine Hilfe, auch wenn ihm das selbst nicht bewusst war. Mit einem Auge beobachtete ich den trotz unserer Gesellschaft einsamen Mann, der nun ein paar Schritte von uns weg stolperte, als wäre er es, der plötzlich weglaufen wollte.
„Bist du wirklich seine feste Freundin?" fragte mich ein brünettes Mädchen neugierig. „Ja, die bin ich", behauptete ich spontan, einer intuitiven Eingebung folgend. Die Frauen holten alle fünf überrascht Luft und starrten mich verblüfft an. „He, Clay Banton, du hast uns gar nicht gesagt, dass du schon vergeben bist!" rief die Blonde zu Clay hin. „Er hat eine feste Beziehung und flirtet trotzdem wie verrückt mit uns!" stellte die Dunkelblonde entgeistert fest. „Davon wurde im Blog gar nichts erwähnt!" meinte ein anderes Mädchen und die anderen stimmten ihr zu. Damit wusste ich, dass sie tatsächlich alle diesen verdammten Blog gesehen hatten.
„Was ist denn mit Eliza passiert?" wollte Djamila aufhorchend von mir wissen und musterte mich misstrauisch. Ich hatte keine Ahnung, wer Eliza war oder was sie damit andeuten wollte. Ich ärgerte mich nur, dass diese ältliche Prostituierte offenbar mehr über Clay wusste als ich. „Was ist hier los, Clay? Jetzt sag nicht, du hast mit deiner Liz Schluss gemacht! Das kann doch nicht dein Ernst sein!" rief Djamila fassungslos in Clays Richtung, der sich inzwischen schon ein großes Stück von uns entfernt hatte. Zu unser aller Überraschung beschleunigte der betrunkene Mann daraufhin nochmal seinen Schritt. Er hielt sich trotz Beanie mit beiden Händen die Ohren zu, denn er wollte uns nicht mehr hören, und lief hastig quer über die Straße zur anderen Straßenseite.
Es sah so aus, als wollte er wahrhaftig verschwinden und uns einfach in der Kälte vor seinem Haus stehenlassen, was wir alle überhaupt nicht zuordnen konnten. Wir waren echt baff und vor den Kopf gestoßen. „Was ist denn jetzt los?" „Spinnt der?" „Haut der etwa einfach ab?" „Der hat sie ja nicht mehr alle!" „Von wegen tolle Party! Immer diese leeren Versprechungen!" regten die enttäuschten Weiber sich verständnislos auf und schauten Clay kopfschüttelnd hinterher. Der Mann war, wenn man seinen Zustand bedachte, schon erstaunlich weit die Straße entlang getaumelt.
„Was für ein Spinner!" zischte die Dunkelblonde abfällig. „Jetzt verstehe ich langsam, warum man ihn ständig den psychotischen Kühlschrank nennt!" „Ja, er ist eiskalt, der totale Psycho!" stimmte ihre Freundin verärgert zu. Offenbar wussten die beiden nichts über Clays Schauspielerei. „Der arme Schatz. Er ist völlig fertig", seufzte die Frau mit der langen Federboa betrübt und schlang sich ihren Schal fester um den Hals. Wir alle beobachteten Herrn Banton, der uns wahrhaftig verließ, als müsste er vor uns flüchten, und waren erst mal fassungslos über seine Unhöflichkeit. Clay taumelte durch den Schnee und es sah nicht so aus, als wollte er zu uns zurückkommen.
In meinem Kopf arbeitete es, denn ich musste mir etwas einfallen lassen. Clay drohte wahrhaftig zu verschwinden und das wollte ich nach meiner langen Zeit des ungeduldigen Wartens auf keinen Fall tatenlos hinnehmen. Mein Bedürfnis, ihm nah zu sein, war ungebrochen. „Ich rede mal mit ihm", kündigte ich eilig an, obwohl ich das gar nicht musste. Schließlich schuldete ich den fremden Frauen überhaupt nichts. Irgendwie freute es mich, dass Clay anscheinend seine Meinung geändert hatte und jetzt nicht mehr so wild auf seine geplante Sexparty war. Aber dass er auch mich total dreist zwischen seinen vielen Eroberungen stehenließ, fand ich äußerst egoistisch und gemein von ihm.
Kurzentschlossen lief ich dem Mann hinterher, der sich zwar sichtbar beeilte, aufgrund seines übermäßigen Drogenkonsums aber nicht wirklich schnell vorankam. Schon hatte ich die Straßenseite gewechselt und holte ihn an einem Zaun ein. „Warte doch, Clay! Wo willst du denn hin?" rief ich verständnislos. Er drehte sich so schnell zu mir um, dass er dabei fast das Gleichgewicht verlor. „Ich will das nicht!" brüllte er mich an, sodass ich vor Schreck zusammenzuckte. Seine schönen Augen funkelten vor Wut in der Dunkelheit. Er schwankte und musste sich mit einer Hand an dem hohen Maschendrahtzaun festhalten.
Mein Herz klopfte aufgebracht, denn er nervte mich und machte mir Angst, aber ich versuchte, so ruhig wie möglich zu erscheinen. „Was willst du nicht?" fragte ich behutsam nach. Er schüttelte energisch den Kopf. „Ich will nicht, dass du ständig auftauchst und mir alles kaputtmachst!" schrie er vernichtend.
Das war mehr als deutlich! Mit seinen zornigen Worten verletzte er mich enorm. Ich fühlte einen schmerzhaften Stich in meinem Innern und wäre am liebsten auf der Stelle umgekehrt und abgehauen. Bestimmt kommt gleich irgendein Bus, der mich nach Hause bringt, dachte ich maßlos enttäuscht und verbittert, ich sollte jetzt sofort zur Haltestelle laufen. Clay Banton will mich nicht, und ich will mich ihm bestimmt nicht aufdrängen!
Aber irgendwas Seltsames hielt mich zurück. Es fühlte sich an, als wären meine Füße am Boden festgeklebt. Der Mann fixierte mich mit mühsam aufgerissenen Augen, sein Blick flackerte aber immer wieder unruhig an mir vorbei. „Ich will dir nichts kaputtmachen, Clay", versicherte ich ihm gepresst, obwohl ich keine Ahnung hatte, was er überhaupt meinte. Ich ärgerte mich, dass meine große Kränkung so deutlich zu hören war, holte zweimal tief Luft und setzte hinzu: „Es tut mir sehr leid. Bitte verzeih mir."
Clay zuckte förmlich zusammen und starrte mich entgeistert an. In seinem betäubten Kopf arbeitete es sichtbar langsam. Meine Worte erinnerten ihn an den vorherigen Abend, als ich mich pausenlos bei ihm entschuldigt hatte, und irgendwie hatte ich das wohl beabsichtigt. Seine Reaktion rührte mich, und ich versuchte ein entschuldigendes Lächeln.
Schließlich schüttelte Clay den Kopf. „Nein... hör auf... du sollst nicht... das...", lallte er abwehrend, brach konfus ab, wischte sich mit den Fingern ratlos über das Gesicht und schloss für einen Moment seufzend die Augen. Prompt verlor er das Gleichgewicht und bekam Schlagseite. Hastig riss er die Augen auf und krallte seine Finger in die Maschen des Zauns, um nicht umzufallen. „Hör auf dich zu entschuldigen, Kim", wiederholte er flehend und taxierte dabei den schneebedeckten Bürgersteig, als gäbe es dort etwas Faszinierendes zu sehen.
Eine Weile war es still, in der er meinem Blick starr auswich und nervös auf der Stelle trat. „Was hast du denn vor?" fragte ich ihn ganz leise, weil es mich interessierte, obwohl es mich nichts anging. Was für eine Party hatte Clay Banton in seiner Wohnung geplant und sich dazu ausschließlich weibliche Gäste mitgebracht? War meine Vermutung richtig? Hatte er wirklich vor, mit all diesen Frauen Sex zu haben? Da überschätzte der Mann sich aber ganz gewaltig! Außerdem war ich mir nicht sicher, ob die vier Mädchen dem überhaupt zustimmen würden, wovon ich bei Djamila allerdings zweifelsfrei ausging.
Vielleicht hatte er die Professionelle genau aus diesem Grund dazugeholt, um sich wenigstens einer Sexpartnerin sicher sein zu können. Er konnte ja nicht wissen, dass ich hier schon seit vielen Stunden sehnsüchtig auf ihn warte, dachte ich zu seiner Entschuldigung und lächelte versonnen vor mich hin. Clay Banton hatte also Lust auf Sex, und wenn ich ehrlich war, ging es mir schon den ganzen Tag genauso.
Nun war ich neugierig auf seine Antwort, aber er zögerte sehr lange. Ich hatte den Eindruck, als wäre ihm sein im Grunde offensichtliches Vorhaben vor mir auf einmal peinlich. Endlich hob er den Blick und schaute mich mit trüben Augen an. „Ich weiß nicht...", behauptete er ausweichend, „Ich will... einfach einen schönen Abend..." „Und den habe ich dir jetzt kaputtgemacht?" konnte ich mich nicht bremsen, ihn ein wenig vorwurfsvoll zu fragen, weil mir sein Problem nicht einleuchtete.
Seine heftige Reaktion darauf schockierte mich, sodass ich instinktiv zwei Schritte rückwärts von ihm weg machte. Clay knurrte überaus aggressiv, tötete mich förmlich mit seinem Blick und fauchte: „Du bist total gefährlich! Du willst mich verhexen!" Der Mann stand schwankend dort an diesem Zaun, atmete schwer und starrte mich unverwandt an.
Im ersten Moment war ich vor den Kopf geschlagen und extrem beleidigt. Alles zog sich schmerzhaft in mir zusammen. Was redete der betrunkene Kerl denn da? Hatte er mich tatsächlich Hexe genannt? Was fiel dem Arsch eigentlich ein!? Clay Banton hätte mich wohl kaum schlimmer beleidigen und verletzen können. Ich war absolut sprachlos und konnte ihn nur noch strafend angucken. Eigentlich wollte ich mich sofort umdrehen, so schnell wie möglich abhauen und nie wieder zu ihm zurückkommen.
Aber noch einmal hielt mich irgendwas an diesem Ort, irgendwas hielt mich bei ihm fest, sodass ich mich nicht bewegen konnte. Je länger wir uns allerdings gegenseitig schweigend taxierten, umso nervöser wurde Clay. Vielleicht hatte der erwachsene Mann wahrhaftig Angst, dass ich ihn jetzt verhexen würde, was ich schlicht nicht fassen konnte.
Schließlich verlor er unser Blickduell. Er wich meinen anklagenden Augen unbehaglich stöhnend aus und fing damit an, hektisch mit seiner freien Hand die Taschen seiner Kleidung abzutasten. Offenbar musste er sich irgendwie ablenken. Die Finger seiner anderen Hand waren noch immer in die Maschen dieses Zauns gekrallt, als fürchtete er, sofort umzufallen, wenn er sie loslassen würde. Er knöpfte sein Jackett auf und ich bemerkte, dass er eine rote Krawatte und ein hellblaues Seidenhemd trug.
Schließlich angelte er mühsam aus der Innentasche seines Jacketts eine zerknautschte Packung Marlboro und öffnete sie umständlich mit den Zähnen. Als er die Zigaretten herausholte, fiel sein Zippo von ihm unbemerkt zu Boden. Clay stellte fest, dass die Marlboro-Schachtel leer war, fluchte genervt „Fuck!" und stöhnte frustriert auf. Er warf die leere Schachtel einfach auf den Boden und trat aggressiv darauf herum. Dabei ignorierte er mich auffallend, während ich ihn dafür umso intensiver beobachtete.
Er hat Angst, dämmerte mir langsam, Clay Banton hat gerade unglaubliche Angst vor mir und versucht verzweifelt, sich abzulenken und sich nichts anmerken zu lassen. Dieser moderne und erwachsene Mann hat tatsächlich Angst, dass ich ihn jeden Moment verhexen werde. Er fürchtet sich davor, dass ich wieder wütend auf ihn werde.
Ja, ich bin gefährlich, musste ich innerlich seufzend zugeben, ich habe ihm meine Freunde auf den Hals gehetzt, die ihn halb tot geprügelt haben. Aber wie kommt er nur darauf, dass ich böse Zauberkräfte hätte?
Plötzlich fiel mir ein, dass Clay mir von seinem isländischen Vater erzählt hatte, mit dem ihn als Kind ein enges Band verbunden hatte. Hatte er nicht auch von Elfen gesprochen? Vielleicht ist der Glaube an das Übernatürliche auf der verwunschenen Insel Island ganz normal, überlegte ich erstaunt, vielleicht ist Clay Banton mit diesem Glauben aufgewachsen und hat ihn bis heute nicht abgelegt. Womöglich glaubt er tatsächlich an Elfen und Hexen, und es war von ihm gar nicht als Beleidigung gemeint, als er mir vorwarf, ich wollte ihn verhexen. Vielleicht hat er schlicht einen Höllenrespekt vor meinen Zauberkräften.
Je länger ich darüber nachdachte, umso wärmer wurde mir ums Herz. Mein armer Clay war verwirrt und hatte Angst. Er sah sehr erschöpft und angeschlagen aus, bestimmt waren ihm heute schon wieder schlimme Dinge passiert. Ich muss nachsichtig mit ihm sein, beschloss ich gerührt, er meint das alles gar nicht so böse, wie es aus ihm herauskommt. Es ist nur der verdammte Alkohol, der ihn aggressiv macht.
Kurzentschlossen holte ich eine Zigarette aus meiner Schachtel und hielt sie ihm wortlos hin. Er hob nur widerwillig den Blick, guckte mir aber schließlich nachdenklich in die Augen. Er brauchte eine Weile, um zu entscheiden, ob er die angebotene Zigarette annehmen wollte oder nicht, und ich musste mich anstrengen, um nicht amüsiert zu lachen. Irgendwie ist sein Zustand auch lustig, stellte ich irritiert fest, er ist den vielen Drogen in seinem Kopf total ausgeliefert.
„Was willst du von mir, Kimberly?" fragte Clay plötzlich ganz leise. Sein Blick verriet mir, dass er tatsächlich keinerlei Ahnung hatte, warum ich hier vor ihm stand. Der gestrige Abend mit mir hat ihm überhaupt nichts bedeutet und ich bedeute ihm auch nichts, wurde mir enttäuscht klar und ich musste hart schlucken. Aber er hatte mich Kimberly genannt, und das rührte und freute mich wiederum so sehr, dass ich ihm nicht übermäßig böse sein konnte.
„Ich möchte dir eine Zigarette spendieren", antwortete ich so unbeteiligt wie möglich. Er sollte auf keinen Fall merken, dass in mir schon wieder ein wahrer Wirbelsturm von widersprüchlichen Gefühlen tobte, alleine deshalb, weil ich ihm so nah war. Nun grinste er amüsiert, was ihn sofort viel schöner machte. Er ließ endlich den blöden Zaun los und machte zwei vorsichtige Schritte auf mich zu, streckte schwankend den Arm aus und nahm die angebotene Zigarette. Dann suchte er in seiner Kleidung nach seinem Feuerzeug, denn er hatte sein Zippo im Schnee nicht bemerkt.
„Du hast dein Feuerzeug verloren", informierte ich ihn lächelnd und deutete auf die Stelle, wo es lag. Clay schaute sich verwirrt um und entdeckte das gravierte Feuerzeug. Dann stand er ratlos dort und taxierte es eine Weile, als müsste er erst überlegen, ob er es aufheben wollte. Nur langsam verstand ich, dass der Mann sein Eigentum nicht aufheben konnte, ohne in den Schnee zu fallen, er war schlicht zu betrunken dafür und ahnte es auch.
Mit drei schnellen Schritten war ich an ihm vorbeigegangen, bückte mich und hob das Zippo auf. Dann drehte ich mich zu ihm um und hielt es ihm lächelnd hin. Er hatte mich beobachtet und musterte mich nun einige Zeit erstaunt. Abermals dauerte es ziemlich lange, bis er reagierte, weil sein Gehirn so betäubt war. „Du willst es mir nochmal zurückgeben?" fragte Clay lächelnd, und da wusste ich mit einem Schlag genau, dass er den gestrigen Abend mit mir keineswegs vergessen hatte. „Ja, ich würde es dir immer wieder gerne zurückgeben", antwortete ich ebenfalls lächelnd.
Eine Weile lächelten wir uns freundlich an, verbunden in der gemeinsamen Erinnerung, bis Clay abrupt nach dem Feuerzeug griff und es mir förmlich aus der Hand riss. Er wandte sich von mir ab, drehte sich halb herum, steckte die Malboro, die ich ihm spendiert hatte, in seinen Mund und klappte das metallene Zippo auf. Mühsam drehte er an dem kleinen Rädchen und zündete mit zitternden Fingern seine Fluppe an. Er nahm einen tiefen, gierigen Zug, verstaute sein Zippo in der Innentasche und knöpfte fahrig sein Jackett zu.
Nervös warf er einen Blick zu seinem Haus hin und ich folgte seinem Blick. Die fünf Frauen, die er in sein Haus eingeladen und die ich schon beinahe vergessen hatte, standen unverändert dort und warteten sichtbar genervt darauf, dass die wohl von Clay großspurig angekündigte wilde Party endlich losging. Als sie bemerkten, dass wir zu ihnen hinsahen, fingen sie sofort lauthals an zu quengeln. „Was ist denn jetzt?" „Wo ist deine tolle Wohnung, Clay?" „Willst du uns nicht endlich mal sagen, was hier eigentlich los ist?" „Es ist kalt, Clay, wir wollen nicht länger blöde hier draußen herumstehen!" riefen sie quer über die Straße in unsere Richtung.
Clay antwortete nicht, aber sein Gesicht verzog sich besorgt und verärgert. Innerlich jubilierte ich, weil ich den Eindruck bekam, dass er wahrhaftig überlegte, die Weiber loszuwerden. Ich war jetzt bei ihm, und darum brauchte er die anderen Frauen nicht mehr! Dieser Gedanke beflügelte mich nahezu.
„Jetzt mach schon, Clay! Zeig uns deine tolle Wohnung!" „Hier soll die sein?" „Hier gibt es doch gar keine Wohnungen! Du willst uns wohl verarschen!" „Lass uns nicht noch länger warten, Clay Banton!" kam es ungeduldig von den Partywilligen. Ihre arg strapazierte Geduld wurde jedoch noch länger auf die Probe gestellt, denn Clay rührte sich nicht, sondern betrachtete seine Beute nur unschlüssig aus sicherer Entfernung.
„Was willst du mit ihnen anfangen?" wollte ich schließlich von Clay wissen und beobachtete amüsiert seine Reaktion. Er bemerkte den schadenfrohen Spott in meiner Stimme, obwohl ich mich sehr bemüht hatte, ihn zu verbergen. Finster guckte er mich an. „Ich will sie ficken", spuckte er mich förmlich an, sodass ich irritiert zusammenzuckte. Er grinste zufrieden, weil er genau das beabsichtigt hatte. Aus irgendeinem Grund wollte er mich schockieren, auch wenn ich seine Beweggründe nicht verstand.
„Ja... ich bin so... richtig scharf drauf... die zu ficken...", wiederholte er hämisch grinsend und fixierte mich provozierend. Er inhalierte tief und blies den Rauch herausfordernd in meine Richtung. Ich betrachtete ihn und musste mich anstrengen, um ganz ruhig zu bleiben. „Gehst du etwa davon aus, dass du alle Fünf beglücken kannst?" fragte ich ihn mit mühsam beherrschtem Ärger. Sein Grinsen wurde noch breiter. „Das käme auf einen Versuch an, oder nicht?" meinte er achselzuckend.
Er wartete eine Weile ab, ob ich antworten würde, aber mir fiel darauf beim besten Willen keine Antwort ein. Plötzlich wurde sein Blick sehr intensiv. „Oder... Kim-ber-ly?" hakte er drängend nach und konzentrierte sich dabei ganz auf mich. Seine Stimme hatte auf einmal einen warmen Klang, was mich verwirrte und meinen Herzschlag beschleunigte. Außerdem hatte er fast liebevoll Kim-ber-ly zu mir gesagt, und darauf hatte ich insgeheim schon die ganze Zeit sehnsüchtig gewartet.
Meine Gefühle kochten schon wieder, denn einerseits war ich über seine Obszönität und Direktheit entsetzt, aber andererseits verursachten seine Worte auch ein merkwürdiges Kribbeln tief in meinem Bauch. Ja, unbestreitbar war es aufregend, wenn Clay Banton über Sex sprach, weil er das mit so einer erfrischenden Offenheit und Unbedarftheit tat, als wäre es die normalste Sache der Welt.
Nun wartete er immer noch auf irgendeine Antwort von mir, die ich ihm nicht geben konnte. Er rauchte tief und studierte mich so aufmerksam, wie die Drogen in seinem Kopf es ihm noch erlaubten. „Denkst du, es würde sich für mich lohnen, sie alle fünf flachzulegen?" erkundigte Clay sich nach einer Weile der angespannten Stille bei mir. Ich starrte ihn irritiert an und bemerkte, wie viel Spaß es ihm machte, mich mit solchen Fragen in Verlegenheit zu bringen. Das ärgerte mich, und mir lag auf der Zunge, dass es sich für ihn höchstwahrscheinlich lohnen würde, für die Frauen allerdings mit Sicherheit viel weniger. Schließlich kam er ja schon nach spätestens einer viertel Stunde zum Höhepunkt und ließ seine Partnerin danach im Regen stehen. Zumindest war das mit ihm für mich so gelaufen.
Aber ich entschied mich dagegen, denn ich wollte ihn nicht kränken oder verärgern. Außerdem war der Sex mit ihm trotzdem absolut berauschend gewesen. „Das kannst nur du selbst wissen, Clay", stöhnte ich genervt und abwehrend, worauf er belustigt kicherte. Nochmal wurde sein Blick mit einem Mal so intensiv, dass ich ihm kaum standhalten konnte. Er zog gierig an der Kippe, warf sie dann unbeachtet weg und trat so nahe vor mich hin, bis sein Gesicht dicht vor meinem war. Er schaute mir so direkt, so forschend in die Augen, als wäre ich für ihn ein Mysterium, was er auf diese Weise zu ergründen hoffte. Schwer seufzend holte er tief Luft.
„Was willst du von mir, Kimberly?" flehte er beschwörend und fixierte mich verzweifelt. Er wusste es wirklich nicht, konnte sich meine Anwesenheit nicht erklären und fragte mich nicht zum ersten Mal danach. Offenbar drängte es ihn enorm nach einer befriedigenden Erklärung.
Aber was sollte ich ihm jetzt antworten? Ich konnte ihm ja wohl kaum verraten, dass ich mich in ihn verliebt hatte und mich schon den ganzen Tag lang sehnsüchtig nach ihm verzerrte. Das hätte ihn nur unnötig unter Druck gesetzt. Außerdem erwiderte er meine Gefühle offensichtlich nicht, und ich wollte mich nicht vor ihm auf diese persönliche Art bloßstellen.
Also antwortete ich ganz instinktiv: „Ich möchte gerne meine Hand auf deinen Bauch legen, Clay Banton." weil mir das gerade durch den Kopf ging. Meine Stimme war dabei ganz leise und seltsam zittrig, weil die Erinnerung daran, wie intim diese Sache am vorherigen Abend zwischen uns gewesen war, wie entzückt er von dieser Berührung gewesen war, mich unwillkürlich berührte. Ich hatte ihm mit meiner Hand auf seinem nackten Bauch großes Glück beschert und das war genau das, was ich jetzt am liebsten für ihn tun wollte. Ich wollte meinen anhänglichen, liebevollen Mann zurückhaben.
Clay zuckte bei meinem Geständnis wahrhaftig erschrocken zusammen, als hätte ich ihm unerwartet einen Stoß versetzt. Er riss verblüfft die Augen auf, dann zogen sich seine Augenbrauen ungläubig zusammen. Einige Augenblicke war er komplett erstarrt, dann füllten sich seine wunderschönen Augen ganz langsam mit Tränen. „Shit... Kimberly.... das...", stöhnte er erschlagen und wich hastig meinem Blick aus, weil er nicht wollte, dass ich seine Tränen bemerkte.
Der Mann war sichtbar getroffen, und das verstand ich überhaupt nicht. Seine extrem emotionale Reaktion verblüffte mich total. „Ich kann nicht...", fing er abwehrend an und brach sofort wieder ab. Er taumelte ein paar Schritte rückwärts und stieß mit dem Rücken scheppernd gegen den Maschendrahtzaun. „Gott!" ächzte Clay hilflos, „Du killst mich... echt!" Am Zaun sank er wie in Zeitlupe hinab auf den Boden, als würden seine Beine ihn auf einmal nicht mehr tragen.
Zwei Sekunden später saß er mit angezogenen Knien auf der Erde, legte seinen Kopf auf seine Knie und vergrub ihn schützend mit seinen Armen. Seine Schultern bewegten sich nicht, er saß völlig reglos dort, als wäre er am liebsten gar nicht mehr da. Mit so einer Reaktion hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich war besorgt und erst einmal völlig verwirrt. Offenbar hatte ich genau das Falsche gesagt, denn mein gutgemeinter Satz warf Clay vollkommen aus der Bahn, was ich überhaupt nicht einordnen konnte. Himmel! Der Mann saß dort unten im Schnee und murmelte irgendwas vor sich hin, und ich wusste gar nicht mehr, was ich jetzt tun sollte.
Ratlos sah ich zu den fünf wartenden Frauen hin und stellte beunruhigt fest, dass sie die Geduld verloren hatten und schimpfend auf Clay und mich zukamen. „Was ist das für ein Spiel?" riefen sie wütend über die Straße. „Geht das hier auch noch mal weiter?" „Was soll der Scheiß?" „Was bist du denn für ein Spinner, Clay Banton?"
Kaum hatte Clay seinen Namen gehört, fuhr sein Kopf auch schon aufgeschreckt hoch. Hastig wischte er sich mit den Händen über die Augen, um seine Tränen zu trocknen. Er registrierte genervt stöhnend die näherkommenden Frauen und mühte sich hektisch ab, um wieder auf die Beine zukommen. Ich hielt ihm meine Hand hin, um ihm aufzuhelfen, aber er ignorierte mich, was mich mehr kränkte, als ich wahrhaben wollte. Also konnte ich nur tatenlos zusehen, was passieren würde.
Clay war mit Hilfe des Zauns endlich aufgestanden, als die fünf von ihm eindeutig zu lange unbeachteten Partymädchen auch schon direkt vor ihm Stellung bezogen. „Was ist denn jetzt, Clay?" „Hast du's mal bald?" lechzten sie hörbar verärgert nach seiner Aufmerksamkeit. Nur Mila hielt sich auffallend zurück. Die Prostituierte stand ein wenig abseits, sagte nichts und beobachtete Clay mit besorgtem Blick.
Der einzige Mann in unserem Kreis hatte sich spürbar und sichtbar verändert. Er war plötzlich irgendwie entschlossen und krampfhaft konzentriert. Entschuldigend hob er die Hände und blickte seine Eroberungen charmant lächelnd an. „Hey, tut mir echt leid... ihr Hübschen... ihr seid toll... aber die Party findet nicht statt... die Situation hat sich... total geändert...", informierte er sie zögernd. Seine Auserwählten knurrten enttäuscht und gaben abfällige Kommentare ab.
Clay strich der Blonden tröstend mit dem Handrücken über die Wange, bevor sie ausweichen konnte. „Ich habe nicht geahnt, dass Kim hier ist...", meinte Clay achselzuckend und deutete vage auf mich. Sofort guckten die Mädels mich vorwurfsvoll an. In ihren Augen standen tatsächlich Neid und Missgunst, was ich nur schwer ertragen konnte.
„Wer ist sie?" „Ist sie wirklich deine Freundin?" „Warum hast du das nicht gleich gesagt?" „Warum wird im Blog nichts von einer Freundin erwähnt?" „Mann, du hast dich nackt ablichten lassen, Clay!" „Du hast dich uns total an den Hals geworfen! Was sollen wir denn da bitteschön von dir denken?" „Du bist vielleicht ne Spaßbremse!" „Was hältst du denn von Bennet's Blog?" „Macht es dir etwa gar nichts aus, dass alle Welt deinen Freund auf diese Weise zu Gesicht bekommt?" „Abertausende haben bestimmt inzwischen den Blog und Clays... intime Körperteile in Nahaufnahme gesehen!"
Die aufgebrachten Frauen quatschten alle durcheinander, sodass ich erst gar nicht richtig mitbekam, dass sie mich persönlich ansprachen. Bevor ich reagieren konnte, hatte Clay sich aber schon schützend vor mich gestellt. „Nein... lasst sie in Ruhe... sie kann nichts dafür...", versuchte er mit erstaunlich fester Stimme, die Aufregung zu mildern. Mir ging davon das Herz auf, aber die vier Mädchen lachten nur höhnisch. „Sie kann nichts dafür?" „Nur weil sie aufgetaucht ist, willst du plötzlich nicht mehr mit uns feiern!" „Vorher warst du doch total versessen darauf!" "Du hast so getan, als wärst du solo!" „Du hast uns drängelnd eingeladen, Clay Banton!" „Sie ist ja wohl der Grund, warum deine groß angepriesene Party ausfällt, oder?"
Clay schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, Kim ist nicht der Grund... Ich... habe nur... meine Meinung geändert...", behauptete er und machte einige schwankende Schritte von seinen Gespielinnen weg in Richtung seines Hauses. Erneut lief er vor ihnen weg. „Das tut mir leid", wiederholte er lallend, „Aber so was passiert mir andauernd."
„Du bist so ein Arsch!" gingen die Frauen ohne Verständnis auf ihn los und folgten ihm auf der Stelle. „Jetzt verstehe ich auch, warum sie dich psychotisch nennen!" „Du bist wirklich ein bekloppter Kühlschrank!" „Das ist mega ätzend, Clay Banton!" „Wir lassen uns doch nicht von dir verarschen!"
Clay stolperte rückwärts von ihnen weg und sie verfolgten ihn alle wie Gänse. Ich hatte das Bedürfnis, ihm irgendwie zu helfen, war aber zu eingeschüchtert von der geballten weiblichen Power, die auf ihn niederprasselte.
Herr Banton brauchte meine Hilfe aber auch nicht, denn er fand die emotionale und offen enttäuschte Reaktion der Frauen zu meiner Überraschung zusehends amüsant. Er lachte spöttisch und zeigte seine schönen, ebenmäßig weißen Zähne. „Tut mir total leid, Mädels", lallte er belustigt, „Aber ihr müsst euch... leider... eine andere Party suchen."
„Du Arsch!" „Wir fahren dir bis in diese gottverlassene Gegend hinterher und du schickst uns dreist wieder weg?" „Das ist unverschämt!" „Ist das dein Ernst, Banton?" „Wahrscheinlich wohnst du hier nicht mal, oder?" wollte das brünette Mädchen drohend von ihm wissen. Clay grinste breit und schüttelte den Kopf. „Nein, süße Bekki... hier wohnt niemand...", belächelte er sie, strich ihr mit der Hand sachte über die Haare, drehte dann den Kopf zur Seite und spuckte im nächsten Moment auf den Boden.
Die Braunhaarige schnappte hörbar empört nach Luft. Kurz darauf versetzte sie ihm beleidigt einen harten Stoß gegen die Brust. Clay war unverändert stoned und darum alles andere als reaktionsschnell, sodass er völlig wehrlos zurücktaumelte. Das störte ihn aber gar nicht, denn er lachte haltlos dabei, während er versuchte das Gleichgewicht zu halten. „Aber Bekki... nicht so stürmisch...", kicherte er albern. Sein Spott ärgerte die Frau noch mehr. „Du sollst mich nicht so nennen, du verdammter Freak!" schimpfte sie lautstark, lief ihm nach und stieß ihn nochmal mit aller Kraft von sich weg.
Diesmal war ihr Schlag so heftig, dass der beduselte Mann es nicht mehr schaffte sich abzufangen. Mit einem überraschten Aufschrei zwischen Lachen und Erschrecken fiel er rücklings auf den schneebedeckten Asphalt.
Zum Glück kommt hier so selten ein Auto vorbei, fuhr mir verschreckt durch den Sinn, denn Clay lag leichtsinnig mitten auf der Straße. Er wälzte sich tatsächlich amüsiert im Schnee herum und streckte die Arme aus, als wollte er einen Schneeadler machen. Sein ausgelassenes Lachen war enorm ansteckend. Es schien plötzlich tief aus seiner Seele zu stammen, wirkte erleichtert und befreit, sodass ich automatisch mitgrinsen musste.
Schüchtern schaute ich zu der Frau mit den langen Stiefeln und der Federboa hin, die als einzige noch in meiner Nähe stand. Sie war Clay nicht gefolgt, sondern behielt ihn nur unentwegt im Auge, genau wie ich. Ich bemerkte, dass ihr Gesicht sich bei seinem ausgelassenen Anblick nicht erhellte. Sie sah unverändert traurig und besorgt aus, während sie den albernen Mann betrachtete.
„Sei lieb zu ihm", flüsterte Djamila plötzlich und drehte ihren Kopf langsam zu mir. Freundlich lächelte sie mich an. „Bitte sei lieb zu ihm", wiederholte sie gleich noch einmal, „Er ist so..." Die Prostituierte stockte, um nach dem richtigen Wort zu suchen, und ich wartete gespannt darauf, mit welchem Adjektiv sie Clay jetzt wohl beschreiben würde. Sie und Banton waren vorhin so vertraut miteinander umgegangen, dass ich annahm, dass die Nutte ihn schon lange und gut kannte, bestimmt viel besser als ich.
Aber anscheinend fand sie es trotzdem gar nicht so einfach, Clay Banton mit einem Wort zu beschreiben, denn sie dachte einige Zeit darüber nach. „...zerbrechlich", vollendete sie endlich ihren Satz. Damit hatte ich nun wirklich überhaupt nicht gerechnet, darum starrte ich sie perplex an. Von allen Worten, die mir vielleicht eingefallen wären, um diesen besonderen Mann zu beschreiben, wäre zerbrechlich mit Sicherheit das allerletzte gewesen.
Nein, ich hatte diesen abgebrühten Dealer wahrhaftig ganz anders erlebt. Clay Banton hatte meine brutale Rache an ihm, all die enorm harten Schläge, die Tritte und sogar die Messerschnitte erstaunlich stark überstanden. Er war stark genug gewesen, um mir schon am nächsten Tag bedingungslos zu verzeihen. Und jetzt in diesem Moment wirkte er auf mich sogar so, als könnte ihn nichts auf der Welt zerbrechen.
„Was? Clay soll zerbrechlich sein? So ein Quatsch!" fuhr es ungebremst aus mir heraus. Die Frau, die mit Sicherheit die 40 schon überschritten hatte, lächelte ein freudloses Lächeln. „Doch, das trifft es ziemlich gut, glaube ich", bekräftigte sie ihre Meinung. Aber ich konnte ihr nicht zustimmen und schüttelte den Kopf. „Nein, an Clay ist absolut nichts zerbrechlich! Er ist sogar der stärkste Mann, den ich je kennenlernen durfte! Sieh ihn dir doch an!" versuchte ich, sie zu überzeugen, obwohl ich gar nicht wusste, warum ich das tat.
Eigentlich wollte ich mit dieser Frau nicht mal reden, denn Clay hatte sie mit hierher genommen, um mit ihr zu schlafen, und das machte mich enorm sauer und eifersüchtig. Außerdem war sie wohl doppelt so alt wie ich und schüchterte mich irgendwie ein, weil sie so viel Erfahrung und Abgeklärtheit ausstrahlte.
Ich wartete auf ihren Widerspruch, aber Mila überlegte abermals eine Weile. Endlich erklärte sie ganz leise: „Das sind nur die vielen Mauern, die er um seine verletzte Seele errichtet hat." Ihre Worte gingen mir ziemlich nahe und ich fragte mich, ob sie nicht vielleicht doch recht damit hatte, dass Clay tief in seinem Innern zerbrechlich war.
Gemeinsam schauten wir wieder zu dem Mann hin, der sich aufgerichtet hatte. Er saß jetzt auf der Straße und diskutierte mit den Mädchen, die nicht so einfach wieder verschwinden wollten. Die Vier waren wütend und fühlten sich von Clay betrogen. Sie waren ihm vertrauensvoll hierher gefolgt, weil sie etwas Aufregendes erleben wollten, was er ihnen versprochen hatte. Sie konnten nicht einsehen, warum er plötzlich seine Meinung geändert hatte, obwohl das zweifellos sein gutes Recht war.
„Ach, kommt schon, Mädels. Ihr findet bestimmt noch eine andere Party", versuchte Clay sie zu beruhigen, aber sie waren echt aufgebracht. „Was ist nur mit dir los, Clay Banton! Ich habe dir was zu essen gekauft, und du verarscht uns auf so eine gemeine Art!" rief die Blonde gerade. Sie fing zu meinem Entsetzen an, zornig nach Clays Beinen zu treten, woraufhin er sie hastig einzog. „Nein... nicht...", bat er sie verärgert und mühte sich sofort ab, um schnellstmöglich aufzustehen. Er wollte nicht länger zu den Frauen aufsehen müssen.
Leider war er total zugeknallt und kam deshalb nur schwer auf die Beine. Die Mädchen waren sehr unfair, sie schubsten ihn wiederholt zurück in den Schnee und beschimpften ihn. „Mit dir stimmt doch was ganz gewaltig nicht, Banton!" „Ich sag doch, der ist ein echter Psycho!" „So was hab ich auch noch nicht erlebt!" „Erst machst du uns total heiß auf deine Party und jetzt war alles nur heiße Luft!?" "Du baggerst uns dermaßen an, obwohl du eine feste Freundin hast? Sag mal, geht's noch?"
Ich konnte nicht länger tatenlos zusehen und gab mir einen Ruck, um Clay beizustehen. Mit raschem Schritt näherte ich mich den jungen Frauen, die gemeinsam um Clay herumstanden und hämisch und wütend auf ihn runter guckten. „Mann, ihr seid ja echt total enttäuscht!" stellte Clay gerade verblüfft und nicht ohne Stolz fest. „Habt ihr euch schon so sehr auf meinen Schwanz gefreut?" fragte er mit amüsiert blitzenden Augen. Die Mädchen schnappten natürlich beleidigt nach Luft und stritten es rigoros ab, aber ich vermutete, dass der Mann mit seiner Vermutung gar nicht so falsch lag. Sie hatten seinen Schwanz ausführlich in dem Blog gesehen und waren nun enorm neugierig auf das Original gewesen.
Ich habe seinen Penis schon gesehen, und er ist großartig, dachte ich voller Genugtuung und fühlte ein heißes Kribbeln in meinem Unterleib. Plötzlich freute ich mich wie verrückt, meinen Clay gleich ganz für mich allein zu haben. Ich stellte mir vor, ihn langsam auszuziehen, genau wie ich es gestern getan hatte, und wie er mich dabei ansehen würde, und ich konnte es kaum noch erwarten, die unerwünschten Leute hier so schnell wie möglich loszuwerden.
„Hört mal, jetzt reicht es langsam!" rief ich mit einem Mut, den ich mir gar nicht zugetraut hatte, „Ihr müsst seine Entscheidung schon akzeptieren! Da bleibt euch gar nichts anderes übrig!"
Die vier jungen Frauen fuhren sofort aufgebracht zu mir herum und ich musste mich anstrengen, nicht vor Schreck zusammenzuzucken. „Ich habe ihm jede Menge Essen gekauft!" wiederholte die Blonde knurrig, als müsste Clay mit der Party für das Essen bezahlen. Warum hat sie ihm Essen gekauft, fragte ich mich verwirrt, was soll das bedeuten?
Clay war endlich aufgestanden und stand nun auf instabilen Beinen zwischen uns. „Komm her, Sweetie!" forderte er die Blonde auf und hatte sie schon gepackt, bevor sie reagieren konnte. Er umarmte das blonde Mädchen und küsste sie leidenschaftlich, was ich mir kaum ansehen konnte, weil ich schon wieder blöd eifersüchtig wurde. Die Blonde war offensichtlich nicht abgeneigt, denn sie wehrte sich kein bisschen gegen ihn, ließ sogar seine Hände eine Weile forschend über ihren Körper wandern, bis sie ihn schließlich wegschob und nach Luft schnappte. Der innige Kuss hatte sie sichtbar verwirrt, und der Macho Clay grinste zufrieden.
„Danke für den Hamburger... die Pommes... und die Nuggets...", bedankte er sich artig bei dem Mädchen und küsste sie gleich noch einmal. Aber diesmal war sie darauf gefasst und wand sich unwillig aus seiner festen Umarmung heraus. „Mann, du stinkst nach Alkohol und Rauch!" warf sie ihm angewidert vor, aber Clay lachte nur amüsiert. „Ich werde deine... Großzügigkeit nicht vergessen", versprach er ihr lächelnd.
Die Frauen starrten ihn vernichtend an, konnten ihn aber offensichtlich nicht einschüchtern. Ich fürchtete plötzlich, dass die Situation womöglich eskalieren könnte, als Djamila sich glücklicherweise einmischte. „Hey, hört mal, könnt ihr mich bitte mit zurück in die Stadt nehmen?" fragte sie ihre Begleiterinnen, „Ich bin ja vorhin zusammen mit Clay hergefahren und weiß jetzt nicht, wie ich zurückkommen soll."
Zum Glück ließen die vier aufgebrachten Frauen sich schnell von ihr ablenken. Sie nickten und versicherten Djamila, dass sie selbstverständlich mit ihnen fahren könnte, worauf Djamila sich überschwänglich bedankte. Ich schaute zufällig zu Clay hin und bemerkte, dass er mich sehr intensiv beobachtete. Er stand ganz still und hatte seine Augen allein auf mich gerichtet. Er wirkte nachdenklich, erstaunt, als könnte er sich meine Anwesenheit noch immer nicht erklären. Mein Herz stolperte ein bisschen, weil Clay Banton so verdammt gut aussah, trotz seines abgerissenen und angeschlagenen Äußeren.
Am liebsten wollte ich mich sofort in seine lieben Arme werfen, hielt mich aber zurück und wich seinem Blick demonstrativ aus. Mit einem Mal hatte ich Angst, dass er vielleicht auch mich wegschicken würde. Ich war mir keineswegs sicher, ob der Mann mich überhaupt bei sich behalten wollte, denn seine Reaktionen auf mich waren irgendwie widersprüchlich gewesen.
„Komm her...", lallte Clay urplötzlich und griff sich das erstbeste Mädchen, was in seiner Nähe stand. Es war die Brünette, die er jetzt stürmisch umarmte und küsste, als hätte er schon die ganze Zeit darauf gewartet. Für mich war es schwer, das mit anzusehen, und ich hatte den schmerzenden Verdacht, dass Clay sich meinetwegen so provozierend verhielt. Wollte er mir wehtun? Wollte er mich unbedingt vertreiben? Wollte er mich bestrafen, weil ich uneingeladen hier aufgetaucht war? Ich wusste es nicht, aber es schmerzte mich, ihn diese fremde Frau abknutschen zu sehen.
Auch die Brünette wehrte sich nicht, offenbar war sie von seinen unbestreitbaren Kusskünsten überrumpelt. „Du fühlst dich gut an...", flüsterte er drängend in ihr Ohr und leckte über ihren Hals. Er rieb sich sichtbar an ihr, griff mit beiden Händen nach ihrem Hintern, bis sie fast widerstrebend damit anfing, verlegen zu kichern und ihn halbherzig wegschob. „Du bist so ein Psycho!" betitelte sie ihn schon wieder nicht sehr schmeichelhaft. Aber er lächelte nur atemlos, angetörnt, und wollte sie nicht loslassen.
„Hör mal, Clay, ich dachte, deine Party findet nicht statt!" meldete sich Mila schließlich mit lauter, eindeutig vorwurfsvoller Stimme. Clay hob den Blick und schaute über die Schulter der Braunhaarigen fragend zu der Nutte hin. Er zwinkerte ihr tatsächlich zu. „Reiß dich zusammen, Clay!" forderte sie ihn streng auf, woraufhin er das Mädchen in seiner Umklammerung tatsächlich freigab und zwei Schritte zurücktaumelte.
„Ihr seid alle so süß... ich liebe euch total...", stammelte er und wischte sich mit den Händen fahrig über das Gesicht. „Aber... ihr müsst jetzt gehen...", beendete er seine Schmeichelei abrupt. Ich studierte ihn aufmerksam, um herauszufinden, ob er auch mich damit meinte, aber Clay wich meinem Blick auffallend aus. Er vermied es, in meine Richtung zu schauen, und ich wusste nicht, was das bedeuten sollte.
„Ja, lasst uns jetzt gehen", beschloss Djamila und guckte die anderen Frauen auffordernd an. „Er findet uns süß und schickt uns gleichzeitig weg?" „Das soll einer verstehen!" „Der ist doch total durchgeknallt!" "Der ist echt hinüber!" beschwerten die Mädels sich enttäuscht. „Vielleicht lädt Herr Banton uns ja ein anderes Mal nochmal zu sich ein", meinte die Prostituierte und durchbohrte Clay mit einem strafenden Blick. Er fing diesen Blick auf und nickte energisch, sodass er dadurch fast das Gleichgewicht verlor. „Na klar... jederzeit, meine Hübschen... ich meine... ein anderes Mal...ja genau...", stotterte er verwirrt, als wäre er mit seinen Gedanken schon längst ganz woanders.
„Ach, hör doch auf, Banton!" knurrte die Blonde und trat nochmal nah an ihn heran. Der betrunkene Mann schaute ihr gleichgültig entgegen und wich nicht vor ihr zurück. „Du schickst uns ja nur weg, weil dir gerade erst klargeworden ist, dass du ihn sowieso nicht mehr hoch kriegst, weil du so besoffen bist!" meinte die Blonde in der klaren Absicht, ihn zu verletzen oder zu blamieren. Aber er war gar nicht verletzt, sondern grinste nur müde. „Kann schon sein...", gab er gleichmütig zu. „Du hast dich total impotent gesoffen, Clay Banton, gib es doch zu!" schrie das dunkelblonde Mädchen gehässig. Mit überstürzten Schritten lief sie gleich darauf die Straße entlang, um schnell zu dem Auto zu kommen, das hinter Clays MG geparkt stand.
Clay verzog keine Miene, sein erschöpftes, zugeknalltes Grinsen veränderte sich nicht. „Ja... vielleicht stimmt das... aber ihr seid doch trotzdem alle liebend gerne mit zu mir gekommen!" betonte er triumphierend, „Ich war nämlich auch schon so besoffen, als wir uns bei McDonald's getroffen haben... und das habt ihr alle genau gewusst... ihr wolltet trotzdem unbedingt mitkommen..." Er schaute seine Eroberungen der Reihe nach grienend an. Die verbliebenen drei Mädchen schwiegen und wichen seinem Blick schuldbewusst aus, offenbar hatten sie dem nichts entgegenzusetzen.
Clay lächelte jetzt wieder äußerst charmant, was ihn wunderschön machte, sodass ich ihn auf der Stelle in meine Arme schließen wollte. Aber noch immer vermied er es, mich anzusehen, obwohl ich ihn die ganze Zeit fast hypnotisch beobachtete. Ich wollte dringend herausfinden, wie seine Meinung in Bezug auf mich war. Sollte ich jetzt etwa auch gehen? Wollte er, dass ich ging? Sollte ich vielleicht lieber jetzt sofort diese Frauen fragen, ob sie mich ebenfalls mit in die Stadt nehmen konnten? Das wäre für mich auf jeden Fall sehr viel bequemer und schneller gewesen, als auf den blöden Bus warten zu müssen.
Die Gelegenheit war da, diese Lösung bot sich mir förmlich an, und doch konnte ich mich nicht dazu entschließen. Denn ich wollte Clay Banton noch nicht verlassen, auf gar keinen Fall wollte ich so einfach das Feld räumen, denn dafür hatte ich einfach schon viel zu lange auf ihn gewartet. Etwas Merkwürdiges schien mich an diesem Ort festzuhalten.
Also sah ich nur schweigend zu, als auch die anderen drei Frauen sich grummelnd auf den Weg zu ihrem Auto machten. Djamila lächelte jetzt viel zu verliebt und ging langsam auf Clay zu. Er stand ruhig dort und beobachtete sie viel zu erwartungsvoll. Dicht vor ihm blieb sie stehen und guckte ihn eine Weile prüfend an. Er erwiderte ihren Blick ganz ruhig. „Tja, die Hoffnung stirbt eben zuletzt, Mister Banton", flüsterte die Hure total liebevoll, was mich sofort rasend wütend machte. Clay zeigte auch ihr seine schönen, blitzenden Zähne.
Im nächsten Moment hatte er die ältliche Frau, die nur wegen ihrer High Heels größer als er war, wie mir jetzt erst auffiel, schon geschnappt und so nah zu sich herangezogen, bis kein bisschen Platz mehr zwischen ihnen war. Noch einmal musste ich mir ansehen, wie mein liebster Mann eine andere Frau küsste, und es tat auch diesmal verflucht weh. Er reckte sich hinauf und drängte sich gierig gegen sie, während die beiden in einem überaus innigen Zungenkuss versanken. „...ein anderes Mal...", keuchte er fasziniert, „...und immer wieder..."
Meine Eingeweide zogen sich stechend zusammen und ich war sehr nahe daran, so schnell wie möglich davonzulaufen. Ich hatte das dringende Bedürfnis, vor all diesen starken Gefühlen wegzulaufen, die unverändert heftig in mir tobten. Ich konnte die rasende Eifersucht in mir, den quälenden Schmerz, die große Enttäuschung, die pochende Ungewissheit und meine riesige Sehnsucht nach diesem einen Mann, der gerade in den Armen einer anderen lag, kaum noch ertragen.
Aber ich stand nur wie angewurzelt dort auf der Straße und konnte noch nicht mal meinen Blick von ihm abwenden. Clays riesengroße Anziehungskraft sorgte dafür, dass ich mich nicht bewegen konnte. Ich war wie erstarrt und beobachtete ihn reglos, während tief in mir ein Tornado wütete. Und dann begriff ich schlagartig, dass nicht ich diejenige war, die von uns beiden Zauberkräfte hatte, das war er. Clay Banton hatte mich irgendwann innerhalb der letzten zwei Tage mit einem Blick seiner braun-grünen Augen total verhext, und ich hatte bis jetzt nichts davon gemerkt.
Sean
Es ist erstaunlich, wie gut Sean Valmont trotz allem funktionieren konnte, wenn man ihn plötzlich ins kalte Wasser warf. Wie von selbst sprang zuverlässig seine umfangreiche Erziehung an, die von seinen Eltern und Pädagogen jahrelang tief in ihn gepflanzt worden war, und er erinnerte sich automatisch an all die Gesetze der Kommunikation und all die erlernten Verhaltensregeln. Er erinnerte sich daran, dass er in der Öffentlichkeit auf jeden Fall ausnahmslos in jeder Situation den Erwartungen entsprechen musste. Weil es nämlich niemanden interessierte, wie es in seinem Innern in Wahrheit gerade aussah.
Auch die Menschen in der Eule wollten an diesem Abend nur den erfolgreichen, selbstbewussten, strahlenden Sean Valmont sehen, und er zeigte sich ihnen trotz der widrigen Umstände relativ problemlos. Obwohl ich total unvorbereitet und absolut ungewollt, womöglich von Louis in das allgemeine Interesse geworfen worden war, so war mir diese Position doch innerlich höchst vertraut. Also gab ich Autogramme und ließ mich fotografieren, stieß mit fremden Menschen an, die mir alle ein Bier ausgeben wollten, und erzählte später wahrhaftig lustige Anekdoten von meiner Arbeit und aus meiner Studienzeit.
Ich saß mit Louis und Hannes an einem Tisch im hinteren Teil der Kneipe. Viele Leute scharrten sich um uns, weil sie alle an mir und meinen Geschichten interessiert waren. Der mit Kokain und Diazepam gefütterte Sean Valmont glänzte im Mittelpunkt und bediente hemmungslos das narzisstische Arschloch in sich. Der Alkohol lockerte meine Stimmung mit jedem neuen Bierglas mehr, sodass es mir schließlich sogar fast egal war, dass ich momentan zum Weglaufen aussah.
Aber plötzlich ging alles schlagartig kaputt, weil irgendjemand in meiner Nähe den Namen Clay Banton aussprach und die anderen sofort aufhorchend und begeistert darauf einstiegen. Die viel zu neugierigen Menschen in der Eule wollten auf einmal von mir wissen, wo Clay war, was er für ein Mensch war, wie die Zusammenarbeit mit ihm war, ob er nach dem Angriff vom Samstagabend nochmal auf der Bühne stehen wollte, wann wir das nächste Mal gemeinsam auftreten würden. Es interessierte sie brennend, ob ich mir heute schon Bennet's Blog angesehen hätte, ob Jills intime Behauptungen der Wahrheit entsprachen und was Clay oder ich von dieser Veröffentlichung hielten. Die Fragen nahmen kein Ende mehr und drehten sich schließlich nur noch um Herrn Banton. Scheinbar kannte jeder in der Kneipe diesen verfluchten Blog. Jill hatte mir ihr unverschämtes Werk am Sonntag nur sehr kurz und oberflächlich gezeigt, und als jemand mir die Aufnahmen auf seinem Smartphone vorspielte, begriff ich auch warum. Die verdammte Bitch zeigte Clays nackten Körper pausenlos in schamverletzender Art und Weise, und unwillkürlich zog sich vor Wut und Schmerz alles in mir zusammen. Bilder der Vergangenheit tauchten ungesteuert in meinem wirren Kopf auf, quälende Erinnerungen an ihn und die Katastrophe, die mich vor Kurzem ereilt hatte. Ich musste an das Verbrechen denken, was ich an ihm begangen hatte.
Diese Gedanken veränderten alles, meine Stimmung kippte unaufhaltsam zurück in die Depression, und es wurde zunehmend schwieriger bis unmöglich für mich, meine einstudierte Rolle noch länger zufriedenstellend auszufüllen. Meine Fassade fing unwillkürlich an zu bröckeln und mein künstliches Lächeln verlor seine Intensität, ohne dass ich es verhindern konnte. Ich musste kämpfen, um nicht die Fassung zu verlieren, aber mir war absolut klar, dass ich früher oder später verlieren würde. Deshalb fing ich panisch schon mal damit an, mich vage zu verabschieden, auch wenn die Menschen irgendwie protestierten und Louis mich die ganze Zeit aufmerksam beobachtete. Und dann fiel mein Blick blöderweise auf dieses Plakat, was wahrscheinlich schon die ganze Zeit an der Wand gehangen hatte, mir aber irgendwie bisher nicht aufgefallen war. Es war die Ankündigung für den Singer-Songwriter Contest am Mittwoch in der Eule, für den ich Clay und mich schon vor langer Zeit angemeldet hatte. Ich las den Namen TonMond an erster Stelle, denn wir waren die Favoriten und Headliner. Der von Clay gemalte Schriftzug brannte sich augenblicklich tief in meine Seele, und spätestens an diesem Punkt war es endgültig vorbei mit meiner einstudierten Selbstkontrolle.
Die absolute Gewissheit knallte in meinen Kopf, dass Clay nie wieder mit mir auf einer Bühne stehen würde. Er würde kein einziges Mal mehr mit mir zusammen auftreten. Höchstwahrscheinlich wollte er nicht mal mehr etwas mit mir zu tun haben. Möglicherweise war er schon längst aus meinem Leben und der Stadt verschwunden und ich hatte keine Ahnung, wie ich das überleben sollte.
Abrupt stand ich auf, bremste mich dann mit großer Mühe, murmelte irgendwas und bewegte mich gezwungen langsam zum Ausgang. Ich ignorierte die vielen Zurufe, doch bitte noch etwas länger zu bleiben, was zweifellos total unhöflich war. Aber scheiß doch was drauf, wütete es unkontrolliert in mir, denn ich hatte nichts von dieser Farce hier gewollt. Ich wollte kein strahlender Stern am Theater- und Musikhimmel mehr für diese Leute sein. Es ging mir beschissen und genauso sah ich aus, und deshalb wollte ich jetzt nur noch meinen irren Kopf gegen die nächste Wand schmettern. Ich wollte nur noch diesen heftigen Schmerz in mir loswerden, der mich aufs Neue überfiel und quälte.
Mein Herz hämmerte wie verrückt und alles verschwamm vor meinem Blick, die Umgebung schien sich langsam aufzulösen. Der übermäßige Alkohol und die Drogen vernebelten mein Gehirn mehr, als ich erwartet hatte, und weitaus weniger, als ich mir gewünscht hätte. Noch immer fühlte ich mich völlig überdreht, wobei das Valium mich gleichzeitig kontinuierlich einschläferte. Aber vor allem hatte das stundenlange Ringen mit dem Tod und die erzwungene Vorstellung mich unglaublich erschöpft, sodass ich mich mittlerweile kaum noch aufrecht halten konnte. Ich musste so schnell wie möglich aus diesem verfluchten, überfüllten Lokal raus, denn ich konnte die neugierigen Fragen und aufdringlichen Kameras nicht länger ertragen. Meine innere Batterie war restlos leer und verdammt nochmal, ich hatte keine Ahnung, wo Clay war, wie es ihm ging oder wann wir das nächste Mal zusammen auftreten würden, falls wir das überhaupt je wieder taten.
Sean Valmont wollte nur noch seine Ruhe haben und am liebsten die Augen für immer schließen. Die vage Hoffnung, die Louis Frédéric vor vielleicht zwei Stunden, als wir lange gemeinsam in meinem Jeep gesessen hatten, irgendwie aus mir hervorgezaubert hatte, schien auf einmal nur noch eine ferne Erinnerung zu sein. Seine Worte wirkten unwirklich, sehr weit weg, als würden sie mich gar nicht betreffen. Genaugenommen erinnerte ich mich kaum noch an Louis' Hilfsangebote, seinen ansteckenden Optimismus, und ich konnte diese Dinge auch nicht mehr mit meiner persönlichen Situation in Zusammenhang bringen. Der erbärmliche Sean Valmont fiel ungewollt erneut in ein dunkles, schwarzes Loch aus Schuldgefühlen und Verlustängsten. Mit meinem Kopf stimmte eindeutig etwas nicht, denn er weigerte sich beharrlich, irgendwo ein Licht zu sehen. Es gab nur noch diesen einen Gedanken in mir, der alle anderen beharrlich verdrängte: Clay ist nicht mehr da. Alles andere verblasste dagegen, alles schien vorbei und verloren zu sein. Ich war verwirrt und konnte in meiner Existenz einfach keinen Sinn mehr finden.
In dieser deprimierenden Situation, die mich völlig unvorbereitet überfiel, war ich plötzlich verdammt nahe daran, die Eule einfach geradewegs zu verlassen. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich raus, denn ich hatte das Gefühl, die Menschen um mich herum nicht eine Sekunde länger ertragen zu können. Fast wäre ich ein Zechpreller geworden, und das hätte der Besitzer Werner mir mit Sicherheit sehr übelgenommen. Aber aus irgendeinem Grund erinnerte ich mich kurz vor dem Ausgang daran, dass ich zuerst noch bezahlen musste. Also schlängelte ich mich notgedrungen zurück bis zur Theke, um meine Verzehrkarte zu begleichen.
Immer wieder sprach mich irgendwer an, fragte mich irgendwas und bat mich zu bleiben. Ich erklärte ungefähr tausendmal, dass ich jetzt gehen müsste, aber es fiel mir inzwischen enorm schwer, mein charmantes, bedauerndes Lächeln aufrechtzuerhalten. Hilfesuchend rief ich schließlich nach Werner, der hinter der Theke stand und gerade ein Bier zapfte. Er bedeutete mir mit einer Handbewegung, noch einen Moment zu warten. „Wo ist denn Clay?" fragte mich eine Frau, die gerade zufällig neben mir stand, „Wie geht es ihm nach dem gemeinen Angriff am Samstag?" Ich musste mich zwingen, ihr in die Augen zu schauen. „Clay geht's gut. Der kann so was wegstecken", behauptete ich lächelnd, während mein Herz wie bekloppt hämmerte und es mir schwerfiel, ruhig zu atmen. „Wann spielt ihr denn endlich wieder Psychotic Kühlschrank? Ich will Clay unbedingt mal in echt nackt sehen! Dieser Blog über ihn hat mich ganz schön scharf gemacht!" meinte die Frau grinsend und zwinkerte mir zweideutig zu.
Ein paar Leute in der Nähe hatten zugehört und stimmten ihr jetzt laut johlend zu. Jemand schlug mir von hinten kumpelhaft auf die Schulter und erschreckte mich damit fast zu Tode. „Da habt ihr euch ja echt was Tolles ausgedacht, um Werbung für euch zu machen, Sean! Ich wette, eure nächste Vorstellung wird restlos ausverkauft sein!" rief der Typ, der mich geschlagen hatte, und drängte sich dicht an mich heran. „Ihr seid verdammt clever, ihr Zwei, das muss man euch lassen!" „Sex sells!" rief irgendwer übermütig und die ganze Meute stimmte begeistert zu. Mir wurde übel und ich musste mich enorm anstrengen, um das viele Bier in meinem Magen nicht wieder auszuspucken. Krampfhaft fixierte ich meinen Blick auf Werner, der unverändert hinter der Theke beschäftigt war. Verzweifelt versuchte ich, den Barkeeper zu hypnotisieren, damit er endlich zu mir kam. Ich musste dringend bezahlen und dann sofort abhauen. Es wurde langsam brenzlig, denn ich spürte erneute Paranoia in mir aufkommen. Da waren zu viele Menschen um mich herum, sie waren mir viel zu nah, berührten mich unabsichtlich mit ihren Körpern, drängten sich um mich, und alle wollten irgendwas von mir. Ich bekam Platzangst, der Schweiß brach mir aus, ich rang nach Luft, versuchte aber panisch, mir bloß nichts anmerken zu lassen, weil zu viele fremde Augen mich ständig beobachteten.
„Werner!" krächzte ich schließlich, und es hörte sich an, wie ein Hilfeschrei. „Ist schon gut, Sean. Gib mir deine Karte, ich lade dich ein", vernahm ich auf einmal eine ruhige Stimme dicht an meinem Ohr. Panisch fuhr ich herum und erkannte Louis Frédéric von Ravenhorst, der sich unbemerkt zu mir durchgedrängt hatte. Mein wohlhabender Freund schaute mich besorgt an und mir wurde klar, dass er mir meine Panik anmerkte. Das gefiel mir überhaupt nicht, weil es mich klein und schwach erscheinen ließ. „Nein... ich... mach das schon...", versuchte ich, mein Gesicht zu wahren, aber Louis schüttelte beschwörend den Kopf und hielt mir auffordernd seine offene Hand hin, damit ich ihm meine Karte gab. „Warte bitte am Wagen auf mich, okay?" wisperte er kaum hörbar in mein Ohr. Unglücklich warf ich noch einen Blick auf Werner, aber der hatte noch immer keine Zeit zum Abkassieren, also gab ich Louis die verdammte Karte, fühlte mich wie ein jämmerlicher Versager und drehte mich augenblicklich von ihm weg. In der Eule schwoll ein alberner Sprechchor an, denn anscheinend gab es inzwischen nicht einen einzigen verdammten Menschen mehr, der Bennet's Blog noch nicht gesehen hatte. „Sex sells! Sex sells! Sex sells!" brüllte der ganze Laden wie besessen im Chor.
Ich musste mich sehr anstrengen, um mir nicht entsetzt die Ohren zuzuhalten, als ich mich so ruhig und besonnen wie möglich zum Ausgang bewegte. Endlich war ich an der Tür, riss sie auf und stolperte die drei Stufen herunter. Draußen blieb ich stehen und atmete ein paarmal tief die schneidend kalte Nachtluft ein. Keuchend zwang ich meinen Würgereiz unter meine Kontrolle. Dann machte ich mich auf den Weg zu meinem Jeep, der ein Stückchen entfernt auf dem Parkplatz stand. Es schneite nicht mehr, aber meine Füße taumelten durch das weiße Zeug und wirbelten es auf. Mir war schwindelig und ich hatte deutliche, enorm schmerzende Bilder vor Augen. Clay Banton, kniend dicht vor mir, wie ich hart mit der flachen Hand auf seine helle, nackte Haut einschlug, sodass davon jedes Mal rote Abdrücke zurückblieben, die aber gleich darauf verblasst waren. Das Gefühl seiner weichen, heißen Haut in der brennenden Kälte, der Anblick seiner überirdischen Schönheit. Die Intensität seiner dunklen Augen, beinahe irrsinnig vor Zorn, und doch mit einer tiefen Traurigkeit, wie ich sie bei ihm noch nie erlebt hatte. Etwas ist in ihm zerbrochen, verstand ich entsetzt, und das war ganz allein meine Schuld. Immer wieder hatte ich Clay beschuldigt, mich gedankenlos kaputtzumachen. Aber heute hatte ich mit meiner kopflosen Rache wahrhaftig ihn zerstört.
Tränen der Verzweiflung stiegen in meine Augen, als mir das klarwurde, und ich dachte, mit dieser fürchterlichen Schuld nicht eine Sekunde länger leben zu können. Was ist nur passiert, fragte ich mich, wie konnte ich nur dermaßen die Kontrolle über mich verlieren?! Warum zur Hölle habe ich mich nicht einfach von ihm ferngehalten? Es war das verdammte Kokain, begriff ich gleich darauf, die scheiß Droge hat mich meiner Beherrschung beraubt, und der Gedanke fühlte sich tröstlich an, weil er mir irgendwie eine Teilschuld abnahm.
Endlich erreichte ich mein Auto, holte aus meiner Jacke den Schlüssel und drückte den Türöffner. Hastig stieg ich ein und schlug die Autotür zu. Hier hatte ich vor Kurzem sehr lange gesessen und ernsthaft auf den Tod gewartet, und das erschien mir jetzt so dermaßen idiotisch, dass ich es kaum fassen konnte. Ich muss das anders angehen, tobte es durch mein wirres Gehirn, und es entstanden wie von selbst neue Selbstmordpläne, die ich kaum noch kontrollieren konnte, so mächtig waren sie, so zwingend notwendig schienen sie zu sein. Schreiend hielt ich mir den Schädel fest. Ich hatte das enorm drängende Bedürfnis, sofort den Jeep zu starten und mit Karacho gegen die nächste Wand zu donnern. Nur mühsam hielt ich mich davon ab. Panisch hielt ich Ausschau nach Louis, hoffte innerlich, dass er bald kommen und mich noch einmal retten würde. Andererseits fand ich mich so hoffnungslos erbärmlich, dass ich mir nicht sicher war, Louis' besonnene Überlegenheit noch länger ertragen zu können. „Scheiße!" brüllte ich wie ein Irrer und schlug ein paarmal auf mein wertvolles Lenkrad ein, „Fuck! Fuck! Fuck!"
Kontrolle ist das Allerwichtigste, hatte mein Vater mir früher immerzu eingetrichtert, du musst immer und zu jeder Zeit dich selbst, dein Leben und vor allem deine Untergebenen unter Kontrolle haben, Sean. Als Chef schauen sie zu dir auf, und sie können dich nur respektieren, wenn du ihnen das Gefühl gibst, dass du jederzeit alles vollständig unter Kontrolle hast. Du musst immer den Anschein erwecken, genau zu wissen, was zu tun ist, und zwar in jeder Situation. Du darfst dir auf keinen Fall Zweifel erlauben, und schon gar nicht dürfen andere etwas von deinen Zweifeln ahnen. Vergiss niemals, dass du ein Valmont bist, Sean. Das bedeutet, dass du immer an erster Stelle stehst und jederzeit ausnahmslos alles im Griff hast. Du kannst es dir nicht leisten, schwach zu sein, und du hast es nicht nötig, um Hilfe zu bitten. Dein Leben ist ein Haifischbecken, Sean, du musst immer der Stärkste und auf alles vorbereitet sein. Wenn du dir jemals die kleinste Schwäche oder Unsicherheit erlaubst, dann werden die dich da draußen sofort gnadenlos zerfleischen. Und glaube mir, Sean, es gibt jede Menge Haie, die nur darauf lauern, dich fallen zu sehen, und meistens sind das die, von denen du es am wenigsten erwartest.
Als ich mich mit achtzehn Jahren endlich dazu durchringen konnte, mich vor meinen Eltern zu outen, warfen sie mir beide wutentbrannt vor, unverzeihlich schwach zu sein, die Kontrolle über mich zu verlieren und einer kindischen Laune nachzugeben. Meine Mutter bekam damals einen hysterischen Heulkrampf und mein Vater redete über ein halbes Jahr lang kein Wort mehr mit mir. Es ist schwer zu entscheiden, was letztendlich schlimmer für meine Eltern war, mein Schwulsein oder die Tatsache, dass ich, anstatt unsere Firma zu übernehmen, viel lieber Tänzer werden wollte.
Mann, es drängte mich ganz enorm danach, auf der Stelle den Startknopf zu drücken, den Wagen anzumachen und Gas zu geben. Wenn ich jetzt Vollgas geben würde, dann könnte ich einfach geradeaus fahren und würde gleich diese Mauer dort rammen, dachte ich mit einer seltsamen Sehnsucht tief in mir. Dann überlegte ich, dass meine Geschwindigkeit höchstwahrscheinlich noch nicht hoch genug wäre, um zu sterben, die Mauer war einfach nicht weit genug weg. Ich würde nur den schönen, teuren Jeep kaputtfahren, die Airbags würden mich vor Verletzungen schützen, seufzte ich innerlich, das wäre schon wieder der absolute Schwachsinn.
Ungeduldig fiel mein Blick zurück auf den Eingang der Eule, heftete sich panisch dort fest, und ich betete, dass Louis endlich auftauchen würde, um mich von diesen blöden, gefährlichen und widersinnigen Ideen abzuhalten. Ich bin ein Valmont, murmelte ich wie besessen vor mich hin, und ich versuchte mir ernsthaft einzureden, dass das noch immer irgendwas bedeutete.
Clay
Meinen ersten Vollrausch hatte ich mit acht Jahren. Das passierte nur wenige Wochen nachdem wir in Kanada angekommen und bei diesem fremden Mann eingezogen waren, der jetzt mein neuer Vater war, und den meine Mutter im Internet kennengelernt hatte. Sie hatte ein erstaunliches Talent dafür, online Männer zu finden, die sie mitsamt ihrer Kinder bei sich zu Hause aufnahmen. Meine Mum war unbestreitbar hübsch, redegewandt, und sie konnte sehr lebenslustig sein. Der Typ in Kanada hatte nur einen miesen Job und eine winzige Wohnung, aber er nahm uns trotzdem auf und gab uns damit eine kostengünstige Bleibe.
Während meiner Kindheit in Island hatte es mich nie gereizt, meinen Verstand mit irgendeiner Substanz zu betäuben, so etwas war mir völlig unbekannt. Denn ich wollte ja immer hellwach sein, damit ich alles genau mitbekam. Wenn überhaupt, dann war ich zu dieser Zeit höchstens von der faszinierenden isländischen Natur und der Kunst berauscht.
In Kanada gab es zunächst keine Kunst mehr für mich, dafür jedoch jede Menge atemberaubender Naturkulissen, aber die konnte ich ja schon aus Protest nicht leiden. Ziemlich bald fiel mir auf, wie lustig meine Mutter und ihr Typ immer wurden, nachdem sie von diesem Zeug getrunken hatten, was ständig flaschenweise in unserer neuen Wohnung herumstand. Trotz unserer angespannten finanziellen Situation, über die sie sich ansonsten pausenlos stritten, schienen die beiden von diesem Getränk gelöst und glücklich zu sein. Das wollte ich auch. Also griff ich bei der ersten Gelegenheit zu. Irgendwann war ich mal allein zu Hause, weil die Schule ausfiel oder so was. Prompt zog es mich wie ferngelenkt zu den Flaschen hin. Den ersten Schluck Whiskey spuckte ich noch entsetzt in die Spüle. Den zweiten würgte ich irgendwie herunter, obwohl der scharfe Alkohol mir fast die Eingeweide heraus zu brennen schien. Ich kapierte nicht, was die Erwachsenen daran so toll fanden, aber irgendwas musste ja dran sein, sonst würden sie es nicht so gerne trinken, sagte ich mir.
Der achtjährige Clay Banton war neugierig und tapfer. Er überwand seinen Ekel und Würgereiz und kippte sich das unbekannte Zeug rein. Denn das einsame, komplett unverstandene Kind wollte endlich mal wieder etwas anderes fühlen als Entsetzen, Ohnmacht, Wut, Schmerz und Traurigkeit. Zufrieden stellte ich fest, dass mir das Schlucken mit der Zeit leichter fiel, auch wenn mir der Whiskey kein bisschen schmecken wollte. Auch mein Kopf schien mit jedem neuen Schluck leichter zu werden. Die üblen Gedanken und Gefühle verschwanden tatsächlich, bis ich ziemlich bald nur noch träge grinsend in der Ecke lag. Ich war sternhagelvoll.
Als der fremde Mann mich ein paar Stunden später dort fand, hatte ich längst das Bewusstsein verloren. Der Typ kapierte recht schnell, wahrscheinlich sah er auch einfach nur die leere Flasche neben mir. Er brachte mich sofort ins Krankenhaus, wo sie mir den Magen auspumpten, aber daran erinnere ich mich nicht. Angeblich hat mein erster Vollrausch mich fast umgebracht. Jedenfalls bekam meine Mutter richtig großen Ärger. Das Jugendamt schaltete sich wohl ein und ermahnte sie aufs Schärfste wegen ihrer leichtsinnigen Aufsichtspflichtverletzung. Zumindest musste ich mir das in den folgenden Jahren immer wieder anhören. Ihre Wut war riesengroß, ihre Vorwürfe nahmen kein Ende, der Rest der Familie amüsierte sich köstlich über mich und der Alkohol verschwand vorerst aus meinem Blickfeld. Meine Mutter und ihr Typ versteckten die Flaschen irgendwo, und ich machte mir einen Spaß daraus, den Whiskey zu finden, was in der kleinen Wohnung gar nicht so schwer war.
Von da an gehörte der Alk zu meinem Leben dazu, auch wenn ich mich meistens mit wenigen Schlucken zufriedengab, die niemandem auffielen. Erst später, besonders nach meiner ersten Therapie, verlor ich noch so manches Mal die Kontrolle und kippte mich einfach nur total zu. Das angenehm schwerelose Gefühl, die verhängnisvoll lockende Chance auf angebliche Linderung, die substanzielle Fluchtmöglichkeit hatte sich für den Rest meines Lebens in meinem jungen Gehirn festgesetzt.
Auch an diesem Montagabend hatte ich mich sinnlos zugeknallt und fühlte mich inzwischen leicht und unbeschwert. Das Essen mit den drei Weibern bei McDonald's verlief relativ problemlos. Sie gaben mir tatsächlich einen Hamburger aus und teilten ihre Pommes, Chicken-Nuggets und Softdrinks mit mir, und weil ich Hunger und Durst hatte, war ich zufrieden und dankbar deswegen.
Später fütterten wir uns gegenseitig, neckten uns und kamen uns näher. Mit der Zeit wurde es immer deutlicher, dass die drei Mäuse tatsächlich neugierig auf mich waren. Bennet's Blog hatte sie so was von richtig scharf auf mich gemacht, sie waren voll geil auf meinen nackten Körper, und ich beglückwünschte mich insgeheim zu meiner guten Intuition. Die vergnügungssüchtigen Mädchen waren risikobereit und wollten gerne ihren Spaß haben, und den konnte ich ihnen bieten. Ständig riss ich blöde Witze, worüber die Hühner netterweise jedes Mal wie auf Kommando gackerten.
Langsam machte mir das vertraute Spiel richtig Spaß, sodass ich wie verrückt mit ihnen flirtete, obwohl ich so dicht war, dass ich die Augen kaum noch aufbekam. Nadine und Rebekka stiegen gerne auf meine Komplimente ein. Blondie und Bekki waren recht schlagfertig und selbstbewusst, sie forderten mich heraus. Das gefiel mir, weil es die Sache spannend machte und mich anspornte, mir dabei Mühe zu geben. Nur die dritte Frau ließ sich von mir nicht richtig knacken. Die Bitch blieb nervig schnippisch und misstrauisch, was mir jedoch im Grunde egal sein konnte. Ich erreichte mein Ziel nämlich überraschend leicht. Die drei gelangweilten Freundinnen wollten zum Schluss unbedingt mit zu mir kommen, und das war ja letzten Endes alles, was zählte. Meine ständig großspurige Werbung für meine hammermäßige Party fiel glücklicherweise auf fruchtbaren Boden, und die Mädels konnten es schließlich kaum noch erwarten, endlich meine absolut fantastische Wohnung zu sehen. Auch ich war inzwischen ungeduldig, fühlte mich trotz der umfassenden Betäubung total kribbelig und war enorm geil auf Sex. Ich wollte diese fremden Weiber dringend ficken. Und ich war mir mittlerweile ziemlich sicher, dass mindestens eine von ihnen gerne mitmachen würde, Nadine oder Rebekka, von mir aus alle beide, scheißegal.
Die Welt drehte sich mal wieder um mich, als wir später endlich mit dem Essen fertig waren und aufstanden. Rebekka schlag hilfsbereit ihren Arm um mich, um mich zu stützen, und ich küsste sie dafür auf den Kopf mit diesen bunten Klammern. Ich legte ihr den Arm um die schmalen Schultern, drückte sie an mich und schaute auf ihren Schädel. Plötzlich wollte ich unbedingt diese Klammern aus ihren Haaren reißen, um ihre brünetten Haare zu befreien, damit ich mit meinen gespreizten Fingern hindurch fahren konnte. Ich war echt nahe daran, es zu tun, als unerwartet eine vierte Frau zu uns kam, die mich von meinem Vorhaben ablenkte. Es handelte sich um noch eine Freundin der drei Auserwählten, die sich uns gerne anschließen wollte, und da hatte ich nun überhaupt nichts dagegen. Denn die vierte fremde Frau glotzte mich so begierig an, dass ich das Gefühl hatte, sie würde mir jeden Moment, gleich hier im Restaurant die Kleider vom Leib reißen, weil sie sich nicht länger beherrschen konnte. Diese Vorstellung amüsierte mich, gefiel mir und törnte mich irgendwie an. Selbstverständlich hatte auch die neue Unbekannte, die zum Glück ebenfalls okay aussah, meinen nackten Körper schon in Bennet's Blog bewundert, und jetzt war sie gleichermaßen unheimlich scharf auf das Original, und dieser Schwachsinn konnte mir nur recht sein. Ich war restlos zufrieden mit mir, denn die ganze Chose lief prima! Der scheiß Blog kam mir an diesem Abend total vorteilhaft entgegen, Jill Bennets digitale Ergüsse erleichterten mein Vorhaben ganz enorm. Alles funktionierte hervorragend, es entwickelte sich zu meiner vollsten Genugtuung, sodass ich gar nicht mehr aufhören konnte, siegesgewiss zu grinsen. In meiner von den Frauen zugewiesenen Rolle als heiß begehrtes Sexobjekt gefiel ich mir immer besser und verhielt mich automatisch dementsprechend.
Mann, diese rattigen Schnecken waren echt total übermütig, förmlich völlig überdreht. Sie flirteten eindeutig frivol mit mir, packten mich immerzu an intimen Stellen an und provozierten mich dermaßen mit ihren gut entwickelten weiblichen Reizen, dass mein Schwanz in meiner Hose träge damit anfing, auf die angenehmste Art zu zucken. Das fühlte sich gut an, war mega vielversprechend und steigerte meine Vorfreude und heftige Gier nach Sex ganz extrem. Ich konnte es nicht mehr erwarten, die Weiber endlich in meine Wohnung und damit in mein Bett zu karren, und ja, ich hätte sie dafür alle Vier in meinen MG gequetscht oder wäre zur Not auch viermal hin und her gefahren.
Aber als wir endlich draußen auf dem Parkplatz von McDonald's standen, eröffneten sie mir, dass sie ihr eigenes Auto dabei hätten und mir bis zu meiner Wohnung hinterherfahren würden. Das gefiel mir überhaupt nicht, denn es gab ihnen die Möglichkeit, mich kinderleicht in den Hintern zu treten, indem sie ihr Versprechen einfach nicht einhalten und woanders hinfahren würden. Aber was konnte ich schon dagegen tun, mein Auto war sowieso viel zu klein, wie sie auch immer wieder spöttisch betonten, sobald sie kapiert hatten, dass der dunkle Sportwagen meiner war. Also ließ ich die geilen Mäuschen noch ein paarmal schwören und küsste alle Vier zum Abschied verheißungsvoll auf den Mund, was drei Frauen höchst erfreut erwiderten, mir von der prüden Dunkelblonden jedoch eine empörte Ohrfeige einbrachte.
Das anstrengende Weibsvolk haute ab zu ihrem Auto, und obwohl mir vom Küssen schwindelig war und meine Wange brannte, schaffte ich es irgendwie noch, meinen eigenen Wagen aufzuschließen und einzusteigen. Alles drehte sich pausenlos um mich herum, es gab flimmernde Sterne vor meinen Augen, als ich schließlich keuchend allein auf meinem Fahrersitz saß. Plötzlich beschlich mich die nervig unangenehme Ahnung, dass ich die Schnecken wahrscheinlich nie wiedersehen würde und dass deshalb die letzte Stunde, außer dass ich jetzt satt war, vollkommen für den Arsch gewesen war. Womöglich war die ganze schöne Energie, die ich mühevoll für das Aufreißen der Frauen aufgebracht hatte, total verschwendet gewesen. Der Gedanke gefiel mir absolut nicht. Ich fühlte neuerlichen Zorn in mir aufsteigen, den ich mit der Hoffnung beiseite drängte, dass ich mich eventuell täuschte und die Betthäschen unsere Abmachung tatsächlich einhalten würden.
Eine Weile war ich ratlos und starrte dumpf durch die Windschutzscheibe. Vage wurde mir bewusst, dass ich zum Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr eventuell nicht mehr in der Lage war. Dieser letzte Knaller hatte mich total ausgeknockt, schien aber seine volle Wirkung langsam und zunehmend zu entfalten. Die existenzielle Betäubung breitete sich spürbar in mir aus. Mein Gehirn war eindeutig stoned, randvoll mit herrlicher shore, die mich angenehm erwärmte und umfassend in weiche Zuckerwatte gepackt hatte. Tief in den Sitz gelehnt saß ich im engen MG, atmete tief ein und aus und genoss die zärtliche Wohltat in meinem Körper. In diesem Moment hätte es mir überhaupt nichts ausgemacht, jetzt einfach auf der Stelle einzuschlafen, hier sitzenzubleiben und die Augen zu schließen und scheiß auf die ganze Welt.
Unwillkürlich fielen meine Augen zu und eine Sekunde später war ich eingenickt. Aber gefühlt schon im nächsten Augenblick schreckte mich ein lautes Hupen auf. Ich fuhr verwirrt hoch und sah einen dunkelblauen BMW X1 vor meiner Kühlerhaube stehen. Offenbar hatte der so ätzend gehupt. Und dann begriff ich auch schon, dass in dieser unbekannten bayerischen Karre meine Mädels saßen, denn sie starrten mich alle durch ihre Seitenscheiben fassungslos an und machten hektisch, ungeduldig auffordernde Handbewegungen. Ich erinnerte mich an mein geiles Vorhaben und an ihre verlockenden Körper, schenkte ihnen ein erleichtertes Lächeln und eine Kusshand und drehte den Schlüssel herum, der schon im Schloss steckte. Mein Baby sprang mit einem wunderbaren Geräusch an, was mich jedes Mal mit Stolz und Glück erfüllte. Die Frauen fuhren mit dem BMW ein Stückchen zurück, um mir Platz zu machen, damit ich aus der Parklücke rauskam. Also legte ich den ersten Gang ein, ließ die Kupplung kommen und gab vorsichtig Gas.
Oh Shit, ich musste mich wahnsinnig konzentrieren, um den Wagen sicher steuern zu können und die Kontrolle zu behalten, das war total anstrengend. Denn meine Augen funktionierten nicht mehr richtig, und mein Gehirn schon gleich gar nicht. Die ganze Umgebung schien weit weg zu sein, seltsam verzerrt, und ich hatte plötzlich keine Ahnung mehr, wo ich mich eigentlich gerade befand. Ich stoppte nochmal, um mich zur Bedachtsamkeit zu zwingen und mich zu orientieren. Auf gar keinen Fall wollte ich einen blöden Unfall bauen und dadurch vielleicht noch meinen absolut lebensnotwendigen Führerschein verlieren, das kam gar nicht in Frage. Also riss ich die Augen auf und wandte mein bisschen Rest Wachsamkeit auf, um den MG einigermaßen sicher über die unverändert schneebedeckten Straßen zu lenken, was leider nur eine ziemlich geringe Geschwindigkeit zuließ. Im Rückspiegel kontrollierte ich immer wieder, ob dieser merkwürdige BMW mir noch folgte, und fuck, ja, die Mädels schienen wahrhaftig ihr Versprechen einzuhalten. Sie fuhren mir in einigem Abstand langsam hinterher und ich konnte mein Glück kaum fassen. Meine geile Vorfreude stieg ganz erbärmlich an, sammelte sich irgendwie vage in meinem Schoß, und ich kam aus dem dreckigen Grinsen gar nicht mehr heraus.
Der Weg zu meinem Haus führte uns langsam aber sicher aus der Stadt hinaus, und dann entdeckte ich plötzlich Djamila, die einsam am Straßenrand stand und vielleicht dort auf Freier wartete. Mila war wie immer total heiß angezogen, mit Hot Pants, Felljacke, Boa und langen High Heels. Ihr Anblick erinnerte mich an etwas, und deshalb latschte ich spontan heftig auf die Bremse und hielt genau neben ihr an, ohne auch nur einen Moment darüber nachzudenken.
Als ich vor einigen Jahren in dieser Stadt angekommen war, hatte ich nichts außer meinen tollkühnen Studienplänen, einem gefüllten Rucksack, ein bisschen Geld und meiner alten Akustikgitarre dabei. Ich kam blöderweise mitten in der Nacht an, hatte keine Bleibe, wusste nicht wohin, kannte niemanden und irrte ein wenig planlos in diesem Bahnhof herum. Ich nahm den falschen Ausgang und landete hinter dem Bahnhof, wo mir Djamila sofort auffiel. Offenbar wartete die Nutte dort auf Kunden. Die Frau war echt aufreizend und einladend angezogen, und obwohl sie sichtbar ihre besten Jahre hinter sich hatte, sprang in mir sofort das Bedürfnis nach Sex an. Ich hatte wegen dem Umzug schon ein paar Tage lang nicht gefickt und fühlte mich total ausgehungert. Die lange Reise war anstrengend gewesen. Ich wollte mich dringend ein bisschen vergnügen, kannte mich in dieser Stadt nicht aus und hatte auch schlicht keinen Bock, erst noch lange nach jemandem suchen zu müssen. Also sprach ich Djamila an und wir wurden uns überraschend schnell einig. Ich erinnere mich, dass ich sie sogar noch um zehn Euro herunterhandelte. Ich gefiel ihr vom ersten Augenblick an, darum nahm sie mich spontan mit zu sich nach Hause, was sie sonst niemals tat, wie sie mir später gestand. Djamila wurde die erste Frau, die ich in dieser Stadt fickte. Ich spielte ihr in ihrer Wohnung ein paar Songs auf der Gitarre vor, wir bumsten nochmal, und danach durfte ich sogar bei ihr im Bett übernachten. Am nächsten Tag bot sie mir an, so lange bei ihr zu wohnen, bis ich was eigenes gefunden hätte, und das war in meiner unsicheren Situation schlicht das Beste, was mir überhaupt passieren konnte. Zwar wohnte ich nur zwei oder drei Wochen bei ihr, aber seitdem verstehen wir uns super. Mila hat ein echt großes Herz, ist erfrischend entspannt und in sexuellen Dingen unglaublich erfahren. Sie behauptet, nur auf eigene Rechnung zu arbeiten. Ich habe mir nie die Mühe gemacht herauszufinden, ob das stimmt, weil mich das genauso wenig interessiert, wie ihr richtiger Name oder ihre ganze verdammte Lebensgeschichte. Die Hure war von Anfang an an mir bei Weitem interessierter, als ich jemals an ihr. Seitdem ist Djamila jedenfalls eine besondere Freundin für mich, für die ich Zuneigung und Dankbarkeit empfinde. Wann immer ich es eilig und keine Lust auf langwieriges Aufreißen habe, nehme ich Djamilas Dienste immer noch gerne in Anspruch. Und manchmal will sie dafür noch nicht mal mehr Geld von mir.
Definitiv würde es mit dieser Frau keinerlei Probleme geben. Wohl deshalb hielt ich neben ihr an, weil ich mir auf einmal nicht mehr ganz sicher war, ob die vier Chicks in dem protzigen BMW mich überhaupt so befriedigen würden, wie ich es dringend brauchte und haben wollte. Wir hatten schließlich immer nur von einer Party gesprochen, und womöglich kapierten die jungen Mäuschen ja gar nicht, was ich konkret damit meinte. Vielleicht würden sie gleich in meiner Wohnung total enttäuscht sein, weil ich ihnen keine Chips und Erdnussflips anbieten konnte, dachte ich geringschätzig. Zwar hatten Blondie, Bekki und die zuletzt neu Hinzugekommene kräftig und eindeutig mit mir geflirtet, nicht mit ihren Reizen gegeizt und meinen Kuss auf dem Parkplatz begeistert erwidert, aber wer wusste schon, was wirklich in ihnen vorging. Schließlich gab es ja entschieden zu viele von diesen hinterhältigen Furien, die mich erst auf mannigfache Art und Weise aufgeilten und dann, wenn es endlich richtig ernst werden sollte, plötzlich empört die Beine zusammenkniffen. So einen gemeinen und frustrierenden Mist hatte ich schon zu oft erlebt.
An diesem Abend hatte ich definitiv keinen Bock mehr auf unerfreuliche Überraschungen, und Djamila war zweifellos die Garantie für erbaulichen und befriedigenden Sex. Kaum war ich neben ihr zum Stehen gekommen, da riss sie auch schon die Beifahrertür auf, ließ sich ungefragt neben mir auf den niedrigen Sitz sinken und zog die Tür wieder zu. Eine Weile studierte sie mich aufmerksam mit prüfendem Blick. „Hi, Clay", grüßte sie mich, „Schön, dich mal wiederzusehen." „Hi Mila." Ich hob träge die Hand und lächelte sie beduselt an. Ein Blick in den Rückspiegel verriet mir, dass der BMW hinter mir ebenfalls angehalten hatte und die vier Grazien verwirrt durch ihre Frontscheibe auf mein Auto starrten. Was sie jetzt wohl dachten, wo sie gesehen hatten, dass ich gerade eine ältliche Hure eingesammelt hatte? Der Gedanke an ihre Irritation oder ihr Entsetzen amüsierte mich. Leise kicherte ich vor mich hin, als Djamila sich zu mir beugte und mein Gesicht küsste. Entgegen ihrer Prinzipien hatte sie mich schon bei unserer ersten intimen Betätigung geküsst. „Was ist passiert?" fragte sie traurig, fuhr mit ihrem Finger über meine Wange und betrachtete meine Verletzungen. „Wonach sieht es denn aus?" erwiderte ich leicht ungehalten und warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Die Nutte war wie immer viel zu grell geschminkt. Das mochte ich nicht besonders und hatte ihr das auch schon gesagt. Aber sie behauptete, dass die Schminke für ihre Arbeit unerlässlich wäre.
„Was ist mit dir los, Clay?" fragte sie, ohne auf meine Erwiderung zu achten. Ihre Fragen nervten mich, denn ich wollte nicht über meine Situation nachdenken. „Was soll schon los sein?" fuhr es aggressiver aus mir heraus, als ich es beabsichtigt hatte. Entschuldigend lächelte ich sie an und berührte leicht das nackte Stück Haut zwischen ihren Hot Pants und ihren überlangen Stiefeln. Ihr Fleisch fühlte sich warm und weich an, es lockte mich, sodass ich mit meiner ganzen Hand darüber streichelte. „Ist schon gut", wollte ich sie beruhigen, aber sie schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, Clay, ich kenne dich besser. Es geht dir absolut beschissen. Du hast dich sinnlos zugeknallt, weil du irgendwas vergessen willst", analysierte sie mich und ging mir damit unglaublich auf den Sack. Frustriert stöhnte ich auf. „Hör auf, Mila, ich will einfach nur ficken, okay?!" „Okay", seufzte sie betrübt und küsste mich nochmal ins Gesicht. Dann wischte sie lächelnd die Spuren ihres pinken Lippenstiftes weg. Ihr Blick war traurig und liebevoll. „Ich kann dich aber erst morgen bezahlen", erwähnte ich hastig, worauf sie nochmal den Kopf schüttelte. „Schon gut", versicherte sie mir. Ihre Augen studierten mich intensiv, und das machte mich nervös, sodass ich mich ganz auf ihre weiche Haut konzentrierte. Meine Hand streichelte sich wie von selbst zwischen ihre Beine und mein Herz fing an, härter zu schlagen. „Aber wenn du reden willst, Clay, ich bin jetzt hier", versuchte sie schon wieder ihre nervige Amateur-Psychologen-Masche bei mir. „Nein, ich will ficken", wiederholte ich keuchend. „Reden hat noch nie geholfen", flüsterte ich und beugte mich zu ihr hin, um sie gierig auf den Hals zu küssen. Ihre schrille Federboa war im Weg, sodass ich sie erst ein Stück herunter schieben musste. Während meine rechte Hand sich zwischen ihren Beinen beschäftigte, streichelte meine linke Hand an ihrem Hals entlang und eine Weile küsste ich sie dort. Djamila hielt ganz still, erwiderte meine Zärtlichkeiten jedoch nicht, was ich mir nicht erklären konnte.
„Und du meinst also, dass ficken hilft?" fragte sie mich plötzlich ganz leise, „Denkst du ernsthaft, dass Heroin und Alkohol helfen, Clay Banton?" Ihre Worte stachen unerwartet tief in meine Seele. Ich erstarrte unwillkürlich, zog meine Hände frustriert fauchend ein und mich von ihr zurück. Vorwurfsvoll fixierte ich die Frau, die meinen Blick gelassen lächelnd erwiderte. Im nächsten Moment fing sie amüsiert zu lachen an. „Du guckst mich an, als würdest du mir am liebsten den Kopf abreißen!" stellte sie kichernd fest. „Kannst du nicht einfach still sein?" wollte ich genervt von ihr wissen, „Kannst du nicht bitte einfach mit mir ficken?" „Hier im Auto?" fragte sie sofort verwundert und machte eine Handbewegung, die die Enge meines Wagens hervorhob. Verwirrt schaute ich mich um und verlor für einen Moment komplett die Orientierung. Ich hatte keinen blassen Schimmer mehr, was passiert war, wie ich hierher gekommen war oder was ich hier wollte. Ratlos wischte ich mir mit den Händen über den Kopf, meine Augen fielen fast zu. Djamila beugte sich zu mir und küsste nochmal mein Gesicht, fuhr mit ihrem Finger an meinem Hals entlang. „Lass uns zu mir fahren, Clay. Ich schlafe mit dir, und danach erzählst du mir, was du diesmal abhaken musst", flüsterte sie beschwörend und küsste mein Ohr. Ihre Nähe fühlte sich gut an. Ich konnte ihre Wärme spüren und legte meine Arme besitzergreifend um ihre weiche Felljacke. Ihr Vorschlag hörte sich okay an, bis auf die Tatsache, dass ich ihr mit Sicherheit nichts erzählen würde.
Aber bevor ich der freundlichen Frau antworten konnte, hupte es auch schon anhaltend und fordernd hinter uns. Ich riss die Augen auf und erinnerte mich an meine bevorstehenden Pläne. Mila löste sich von mir und schaute irritiert durch das kleine Heckfenster zu dem dort wartenden BMW. „Wer ist das? Kennst du die?" erkundigte sie sich erstaunt. Mein Gesicht verzog sich abermals zu einem dreckigen Grinsen. „Die habe ich gerade aufgerissen. Wir feiern jetzt bei mir eine geile Party", gestand ich der Hure und griente sie frivol an. Ich war ein wenig stolz auf mich, weil ich es immerhin in relativ kurzer Zeit routiniert geschafft hatte, vier willige Weiber für mich zu finden. Mein wichtigstes Ziel hatte ich erreicht, denn ich musste nicht allein nach Hause fahren. Und ich hatte das sogar hingekriegt, obwohl ich absolut betäubt von Drogen war und noch vor gar nicht so langer Zeit bewusstlos auf dem Klo bei McDonald's gesessen hatte. Das sollte mir erst mal einer nachmachen! Mila blies perplex Luft aus und taxierte mich eine Weile abschätzend. Über ihr geschminktes Gesicht huschte ein Lächeln. „Herr Banton ist stolz auf sich", stellte sie ein bisschen belustigt fest. Ich nickte und zog eine Grimasse. „Na klar, immerhin habe ich mir heute Abend ganze vier Fickhäschen geangelt!" betonte ich ziemlich arrogant, obwohl ich mir insgeheim längst nicht mehr so sicher war, ob die vier Frauen letztendlich mitspielen würden. „Und was willst du dann von mir?" fragte Djamila friedlich und betrachtete mich gutmütig.
Ich war ihr dankbar, weil von der erfahrenen Nutte auch diesmal keine Vorwürfe kamen, keine Eifersucht, keinerlei Spötteleien oder kränkende Kommentare über meine eventuell mangelnde Potenz. Bei der Bordsteinschwalbe konnte ich immer gedankenlos ehrlich sein und hatte nie etwas zu befürchten. Jetzt schenkte ich der Frau mein bezauberndstes Lächeln unter heftigem Drogeneinfluss, streckte meine Hand aus und streichelte nochmal über die nackte Stelle an ihrem Oberschenkel. „Ich will, dass du mitkommst", lud ich sie drängend ein, „Bitte komm mit zu mir, Djamila." Mit flehendem Blick wartete ich auf ihre Reaktion. Ihre Augen wurden groß, sie war irritiert, schaute zwischen dem Wagen hinter uns und mir hin und her und versuchte, meinen Wunsch zu entschlüsseln. „Hör mal, Clay, geht es hier um das, was ich denke, um was es geht?" begehrte sie umständlich zu wissen. Ich lachte und intensivierte mein Streicheln. „Das kommt darauf an, was du denkst...", wich ich nervös aus. „Gruppensex?" sprach sie es direkt aus und durchbohrte mich förmlich mit ihren grell geschminkten Augen. Ich seufzte und hob ratlos die Schultern. „Keine Ahnung..." „Was heißt das, keine Ahnung?" horchte sie nach und taxierte mich forschend.
Mein Gehirn war spürbar versteinert und arbeitete nur noch schleppend. Einen Moment lang war ich verwirrt und musste selbst darüber nachdenken, wo die Reise nun überhaupt hingehen sollte, als die ungeduldigen Weiber in dem großen Auto zum zweiten Mal auffordernd hupten. Hastig ergriff ich Djamilas Hand und schaute ihr tief in die zu dick mit Eyeliner und Lidschatten umrahmten Augen. „Hör mal, Mila, ich... weiß nicht genau, was gleich in meiner Wohnung abgeht. Ich... habe sie zu einer Party eingeladen, aber... vielleicht wollen die gar nicht ficken... oder sie checken es nicht... aber das ist ja das Spannende... darum geht es ja... ich will nur..." Blöderweise kam ich ins Stottern und brach konfus ab. Die Frau dicht neben mir lachte wissend und streichelte liebevoll mein Gesicht. „Du möchtest auf deiner Party mit mir schlafen, und wenn die Mädchen da hinten mitmachen wollen, ganz egal wie viele, dann ist dir das mehr als recht", fasste sie mein Anliegen folgerichtig zusammen.
Ich war irgendwie überwältigt, weil diese lebenserfahrene Frau mich so schnell verstand und so wenig empört oder auch nur die Spur abgeneigt war. Spontan fiel ich zu ihr hin und küsste sie gierig auf den Mund. Sie fühlte sich gut an, obwohl ich den Geschmack von Lippenstift verabscheue. Meine Hand packte blind die ihre und legte sie unmissverständlich fest auf meinen Schoß. „Djamila... bitte...", keuchte ich und versuchte, irgendwie unter ihre Jacke zu gelangen, damit ich ihre Titten anfassen konnte. Aber ihre Jacke war fest zugeknöpft, deshalb fuhr ich nur unbeholfen mit meinen Fingern über das weiche Fell an ihrer Brust und tauchte mit meiner Zunge tief in ihren Mund. Ihre Hand lag jetzt genau auf meinem Schwanz, wo ich sie überdeutlich spürte. Mila drückte ihn ein bisschen, ertastete und massierte ihn äußerst professionell durch die Jeans hindurch, was mir ein unwillkürliches Stöhnen entlockte. Schon griff ich ungeduldig hinunter, um mir eilends die 501 aufzuknöpfen, als es laut und fordernd an meine Seitenscheibe klopfte. Genervt knurrend löste ich mich von der Nutte und wandte mich in Richtung des unwillkommenen Geräuschs. Neben dem MG stand die blonde Nadine, die vorher am Steuer des BMWs gesessen hatte. Offenbar war sie aus ihrem Auto ausgestiegen und glotzte mich jetzt total anklagend und genervt an. Blondie machte eine Handbewegung, dass ich meine Seitenscheibe hinunterlassen sollte, also tat ich das.
„Was ist denn jetzt los, Clay? Was soll der Scheiß? Fahren wir heute noch mal weiter? Du hast uns eine geile Party in deiner tollen Wohnung versprochen, weißt du das schon nicht mehr? Vergisst du alles so schnell? Wie lange sollen wir denn noch warten, du Spinner?" bombardierte die Furie mich mit schriller Stimme, die anscheinend echt sauer war, und fixierte mich vernichtend. Dann warf sie einen verärgerten, misstrauischen Blick auf Djamila, die sich mühsam das Lachen verkniff, ihr jetzt aber an mir vorbei freundlich lächelnd eine Hand hinstreckte. „Hallo, ich bin Djamila. Bitte entschuldige, es geht sofort weiter. Clay hat mich auch zu eurer Party eingeladen", erklärte sie der nervigen Blondine nett und geduldig. Diese ließ sich zum Glück besänftigen und schüttelte die angebotene Hand. „Okay... ist schon gut... dann lasst uns jetzt aber auch endlich weiterfahren...", murmelte sie, ohne sich der älteren Frau vorzustellen. Diese Unhöflichkeit kümmerte Djamila nicht, sie nickte und versicherte: „Na klar, wir fahren jetzt auf direktem Weg zu Clays Wohnung." Nadine nickte auch, drehte sich weg und ging zurück zu ihrem dunkelblauen BMW.
Während ich träge die Seitenscheibe wieder hochfahren ließ, fragte ich mich plötzlich verwirrt, warum ich überhaupt bei McDonald's diesen großen Aufwand betrieben hatte. Warum wollte ich unbedingt diese gackernden Hühner mit zu mir nehmen? Ich hätte auch direkt Djamila anrufen können, überlegte ich verblüfft, das wäre doch viel einfacher gewesen. Aber schon fünf Sekunden später erinnerte ich mich daran, dass ich dieses Spiel über alle Maßen liebte. Mich lockte ja genau das Schwierige, die Herausforderung, die prickelnde Ungewissheit. Ich war tierisch geil auf das Fremde an diesen unbekannten Frauen, noch unerforschte Körper, die mich jedes Mal ganz besonders reizten. Djamila war eine bequeme Ausnahme, aber sie war normalerweise nicht meine erste Wahl. Denn ich wollte das ja viel lieber so haben, dass ich mich anstrengen musste, und dann vielleicht um so erstaunlicher überrascht wurde. Ja, verdammt, das war schon alles genau richtig gelaufen, ich hatte das gut gemacht und jetzt konnte ich gleich die Früchte meiner Mühen genießen. Auf einmal war ich tierisch geil auf meine Party und auf das, was dort passieren würde, und ich konnte es nicht mehr erwarten, endlich mit meiner erwählten Beute dort anzukommen. Der MG schnurrte noch, und ich machte mich hastig bereit, um loszufahren.
„Du bist nicht angeschnallt, Clay!" bemerkte Djamila plötzlich warnend und beugte sich sofort über mich, um nach meinem Gurt zu greifen. Tatsächlich hatte ich das Anschnallen total vergessen, aber diese Kleinigkeiten waren mir jetzt auch herzlich gleichgültig. Ich musste mich beeilen, war enorm geil und ausgehungert. Ich hatte heute jede Menge Scheiße erlebt und deshalb jetzt das unbedingte Recht auf all das, nach dem es mich plötzlich so dringend verlangte, dass ich glaubte platzen zu müssen. Ruckartig gab ich Gas, sodass Djamila und ich in unsere Sitze gedrückt wurden und die Hure erschrocken ächzte. „Vorsicht, Clay! Fahr nicht so schnell! Bist du sicher, dass du noch fahren kannst?" erkundigte sie sich ängstlich mit einem prüfenden Blick. Mein Grinsen war voller unanständiger Vorfreude. Ich wollte unbedingt, dass sie ihre Hand wieder in meinem Schoß vergrub, darum grapschte ich danach und kam darüber mit dem Wagen ins schlingern. Von dem Straßenverkehr da draußen bekam ich irgendwie kaum noch was mit. Im Rückspiegel sah ich zufrieden, dass der BMW uns weiterhin folgte. „Nein, nicht jetzt, Clay! Konzentriere dich bitte auf die Straße!" meinte Djamila und zog ihre Hand heftig zurück. Ich seufzte enttäuscht und fixierte sie drängend, sodass sie lachen musste. „Die Straße, Clay!" wiederholte sie und zeigte durch die Windschutzscheibe. Also riss ich mich zusammen und konzentrierte mich schweren Herzens nochmal auf das Führen meines wertvollen Fahrzeugs. Sie hatte ja recht, ich wollte keinen Unfall bauen, und so weit war der Weg ja auch nicht mehr. „Nicht so schnell, Clay!" stöhnte Djamila angsterfüllt, also drosselte ich vorsichtshalber die Geschwindigkeit und fuhr so fokussiert wie möglich in Richtung meines Hauses. Es war längst dunkel draußen, überall lag Schnee und die vielen Lichter irritierten und blendeten mich.
Inzwischen war ich voll fickerig und total geil auf sexuelle Betätigung. In meinem Kopf liefen bereits die erregendsten Sachen ab, während wir langsam auf mein Ziel zurollten, den BMW die ganze Zeit im Schlepptau. Es fiel mir schwer, meine Hände am Lenkrad zu lassen. Immer wieder zog es mich wie magnetisch zu Milas nackter Haut an ihrem Oberschenkel, aber die Frau schob meine Hand jedes Mal zurück ans Lenkrad. „Konzentriere dich! Fahr gerade! Du fährst Schlangenlinien, Clay!" laberte sie die ganze Zeit auf mich ein, aber ich hörte sie kaum. Gleich, dachte ich nur sehnsuchtsvoll, gleich geht echt die Post ab! Ich war total zufrieden, denn alles war gut. Ich hatte keine Schmerzen und fühlte mich sauwohl. Alles war in Ordnung. Meine Welt war in diesem Moment herrlich eindeutig, verlockend und unkompliziert, und genau so wollte ich es haben.
Sean
Mit Alkohol bin ich aufgewachsen, je teurer und exklusiver, umso besser. Alkohol in jeglicher Darreichungsform gehörte zwingend auf jedes Fest und so selbstverständlich zu meinem Leben, wie die Hausangestellten, die Erzieher und Privatlehrer, meine Kinderzimmer oder der Swimmingpool im großen Garten unserer Villa. Mit dem Alphabet und den Grundrechenarten musste ich auch sämtliche Sorten aus unserem großen, wertvollen Weinkeller unterscheiden lernen, die Namen aller Flaschen unserer gut bestückten Hausbar kennenlernen und mitsamt aller Besonderheiten fehlerfrei benennen können. Mein Vater ging mit mir immerzu durch die Reihen im Weinkeller und erklärte mir die einzelnen Unterschiede. Er zeigte mir jede Flasche unserer Hausbar und verlangte von mir, dass ich mir alle Namen, Preise und Eigenheiten der einzelnen Sorten merkte. Wahrscheinlich konnte ich eher Wein, Sekt und Whiskey als Papa sagen, denn die Flaschen waren immer da, mein Vater weitaus seltener.
Zu den aufwendigen Feierlichkeiten meiner Konfirmation, zu denen der örtliche Gemeindepfarrer mich persönlich aufsuchte, wurde ich von meinen Eltern offiziell in das Trinken des Alkohols eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt war ich vierzehn Jahre alt. Nippen lassen hatte mein Vater mich jedoch weitaus früher, ich glaube, so mit vier oder fünf Jahren, wobei es mir streng verboten war, dabei ein angewidertes Gesicht zu machen. Mit der Konfirmation galt ich als vollwertiger Mann und musste deshalb auch jede Menge trinken können, ohne dabei jedoch auffällig betrunken zu werden. Natürlich wurde es auf den offiziellen Feiern, bei denen auch immer die Presse anwesend war, nicht gerne gesehen, wenn jemand aufgrund übermäßigem Alkoholgenusses aus der Rolle fiel. Genauso unmöglich war es jedoch auch, die angebotenen alkoholischen Getränke nicht zu kennen oder gar abzulehnen. So wurde es für mich schon früh ein unterhaltsames Spiel, so viel wie möglich zu saufen und trotzdem die Kontrolle zu behalten. Das Glas Wein zum Essen, der Whiskey am Abend, der Champagner auf jedem Fest gehörten zur Normalität. Teures Zeug zu trinken war für mich immer selbstverständlich, darum fällt es mir bis heute schwer, im Alkohol das gefährliche Rauschgift zu erkennen, was er zweifellos ist. Im Grunde zähle ich die überwiegend wohlschmeckenden, gesellschaftlich hoch akzeptierten Getränke noch nicht mal in die Kategorie der Drogen. Früher wäre es mir nicht im Traum eingefallen, das Hochprozentige zur Flucht vor Schwierigkeiten oder als Seelentröster einzusetzen. Das habe ich niemals getan und auch nie nötig gehabt – bis Clay Banton in mein Leben trat.
Auch an diesem Abend in der Eule hatte ich jede Menge Pils und Alt genossen, viel mehr, als ich ursprünglich wollte, weil mir immerzu ein neues Glas ausgegeben worden war. Zwischendurch hatte ich auch noch ein paar Kurze gekippt und mit vielen fremden Leuten angestoßen. Inzwischen fühlte ich mich viel betrunkener, als ich erwartet hatte, aber der scheiß Alkohol tröstete mich kein bisschen. Unverändert angespannt saß ich in meinem Jeep und wartete darauf, dass mein Freund Louis Frédéric, der in der Kneipe nur noch meinen Verzehr bezahlen wollte, endlich auftauchen würde. Ich war nervös, ungeduldig, und konnte mir nicht erklären, warum das alles so lange dauerte. Da drinnen in der Eule hatten die Menschen eindeutig ihren Spaß, und Werner hinter der Theke war schwer beschäftigt gewesen. Wahrscheinlich unterhielt Louis sich gerade prächtig und beeilte sich kein bisschen.
Ich war verletzt, fühlte mich ausgeschlossen, verstoßen, hinterrücks verlassen von jemandem, der lebenswichtig für mich gewesen war. Und ich hatte noch immer keine Ahnung, wie ich jetzt weitermachen sollte. Ich muss diesen Termin absagen, fuhr es mir schockiert durch den Kopf, aber Werner wird mich umbringen, wenn wir jetzt doch nicht auf seinem Singer-Songwriter Contest auftreten, weil Clay und ich zweifellos sein Zugpferd sind. Clay, dachte ich, und das Wort schmerzte so enorm, dass ich glaubte, daran elendig zu verrecken. Nein, ich konnte nicht länger im Auto sitzenbleiben, denn ich war verdammt nahe daran, den Wagen anzumachen und loszufahren und ich wusste nicht, was dann passieren würde. Ich fürchtete mich vor mir selbst, meiner wirren, von Drogen verstärkten Unvernunft, meinen dummen und egoistischen Ideen. Ich hatte Angst vor meiner eigenen Feigheit, meiner jämmerlichen Unfähigkeit, endlich endgültig die Zähne zusammenzubeißen und nach vorne zu schauen, obwohl das langsam echt überfällig war.
Abrupt riss ich die Fahrertür auf und stolperte hastig aus meinem Auto, wobei ich fast in den Schnee fiel. Ich machte ein paar Schritte vom Wagen weg, atmete tief ein und würgte. Der Schnaps brannte in meinem Magen. Ich hatte einen ekligen, bitteren Biergeschmack im Mund, darum zündete ich mir mit fahrigen, überstürzten Bewegungen eine Zigarette an. Meine Finger zitterten. Das Kokain tobte in mir und focht einen spürbaren Kampf gegen das Diazepam aus. Der Alkohol verwirrte mein Hirn und trübte meinen Blick. Ich muss damit aufhören, dachte ich erschlagen, diese scheiß Drogen bringen mich sonst um. Und das will ich doch eigentlich gar nicht, oder? Eigentlich will ich trotz allem weiterleben, auch wenn das im Moment hammerhart ist.
Abermals fiel mein Blick hinüber zum Eingang der Kneipe, aus der nur gedämpft Geräusche zu hören waren, leise, verzerrte Musik und dumpfes Stimmengewirr. Sex sells, hatten sie alle gegrölt und sich köstlich darüber amüsiert. Die Primitivlinge dachten wahrhaftig, Clay und ich hätten uns diesen Blog als Werbegag ausgedacht. Als wären wir bei unserer Arbeit noch auf obszöne Nacktbilder von Clay angewiesen! Für wie beschränkt und proletenhaft hielten die uns eigentlich?! Nein, weder Clay noch ich hatten diesen Blog gewollt, da war ich mir ganz sicher, denn diese schlüpfrige Zurschaustellung war unter aller Sau. Auch wenn Bennet's Blog uns scheinbar auf einmal irgendwie bekannt gemacht hatte, konnte ich für die Verfasserin keine Dankbarkeit empfinden, noch nicht mal mehr Achtung. Stattdessen würde ich Jill Bennet den Hals umdrehen, wenn ich die Bitch das nächste Mal traf. Und ich musste verflucht gut aufpassen, dass sie nicht auch über mich so einen unverschämten Bericht veröffentlichte. Aber nein, die hat ja gar keine Nacktaufnahmen von mir, versuchte ich mich zu beruhigen.
Im nächsten Moment war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob Jill nicht doch solche privaten Aufnahmen von mir besaß, und bei dem Gedanken geriet ich in Panik und lief hektisch hin und her. Ich hatte das heftige Verlangen, irgendwas gezielt kaputtzuschlagen, konnte aber in meiner Nähe nichts entdecken, was sich dazu geeignet hätte, und das machte mich fast verrückt.
Clay wird das alles völlig egal sein, fiel mir ein, und ich war eindeutig neidisch. Clay Banton interessiert es einen Scheiß, ob sich alle Welt über ihn lustig macht. Clay zeigt sich ja sowieso unbekleidet auf der Bühne. Er tut das, weil ich es so von ihm verlangt habe, und es macht ihm überhaupt nichts aus, das verspottete Stadtgespräch zu sein. Clay stört es nicht die Bohne, nur wegen seines nackten Körpers beachtet zu werden. Höchstwahrscheinlich törnt ihn das sogar an, dass ihn jeder vollkommen unverhüllt im Internet bewundern kann, vermutete ich deprimiert. Clay, dachte ich, und ein heftiger, mittlerweile höchst vertrauter Schmerz stieg abermals in mir auf. Aber ich könnte das nicht ertragen, ich kann es nicht ertragen, es macht mich total fertig, grübelte ich total wirr, und meine Gedanken überschlugen sich irgendwie, während ich wie irre, kopflos auf diesem Parkplatz im Kreis herumstolperte und so gierig an meiner Zigarette zog, dass sie rasend schnell abbrannte.
Beruhige dich, verliere nicht vollends die Kontrolle, versuchte ich mir panisch zuzureden und pfefferte die Kippe wütend in den Schnee. Jeden Moment kommt Louis, und er wird bestimmt wissen, was du jetzt als Nächstes tun musst. Louis wird dir sagen können, wie du deine Situation verbessern kannst und dein verfluchtes Leben wieder in den Griff kriegst. Louis Frédéric von Ravenhorst, das wohlhabende Universalgenie, der abonnierte Retter von scheiß hilflosem Sean Valmont, fuhr es mir durchs Hirn, und bei dem Gedanken lachte ich bitter und hysterisch auf.
Ich habe es Louis erzählt, erinnerte ich mich im nächsten Moment plötzlich und erschrak darüber fürchterlich, verdammt, ich habe ihm wahrhaftig die Vergewaltigung gestanden. Jetzt hat Louis endlich einen verflucht guten Grund, um mich total zu verachten! Das war ja eigentlich klar, dass das früher oder später passieren wird, bei dem, was ich mir schon alles geleistet habe. Ich habe Clay in einem Gebüsch vergewaltigt, tobte es quälend anklagend in meinem Gehirn herum. Das hätte ich auf keinen Fall tun dürfen! Ich hätte auch nicht mit Louis darüber reden sollen! Ich hätte verdammt nochmal so Vieles nicht tun sollen. Aber das ist jetzt zu spät, denn alles ist vorbei und verloren und ich kann nicht...
Plötzlich ging auf der anderen Straßenseite die Eingangstür der Eule auf. Gebannt richtete sich meine Aufmerksamkeit sofort auf diese Stelle. Unwillkürlich hielt ich die Luft an. Louis trat heraus, und ich atmete spontan erleichtert aus. Nur mit Mühe brachte ich meinen viel zu laut schreienden Kopf halbwegs zum Schweigen und machte einige unsichere Schritte auf meinen Freund zu. Mann, ich war tatsächlich besoffen, meine Beine fühlten sich wie Gummi an. Louis' Blick fiel zuerst auf meinen Jeep, an dem die Fahrertür weit offenstand. Dann blickte er irritiert suchend über den Parkplatz. Ich hob die Arme, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Kaum hatte er mich gesehen, kam er auch schon mit schnellem Schritt auf mich zu. Er schien völlig nüchtern zu sein, und das verblüffte mich, weil ich geglaubt hatte, ihn in der Eule jede Menge Bier trinken zu sehen.
„Was ist mit dir los, Sean?" knurrte Louis mich laut an, noch bevor er richtig bei mir angekommen war. Sein offen spürbarer Zorn fachte automatisch meine eigene Wut an. Vorsichtshalber machte ich einen schwankenden Schritt rückwärts, weil ich mich auf keinen Fall mit ihm schlagen wollte. „Was meinst du..?" kam es konfus aus mir heraus. „Warum bist du denn gerade da drinnen schon wieder in Panik geraten? Ich dachte, wir hätten inzwischen alles geklärt!" meinte Louis absolut verständnislos und fixierte mich mit anklagenden Augen. Verwirrt und verärgert wich ich seinem Blick aus und wirbelte nervös mit den Füßen Schnee auf. Auf diese Diskussion hatte ich keine Lust. „Das war mir plötzlich alles zu viel da drin...", versuchte ich eine lahme Erklärung. Louis machte spöttisch „Ha!" und packte mich am Arm, bevor ich ihm ausweichen konnte. „Hör mal, Valmont, du bist Menschenmassen gewöhnt! Du hast es gelernt, mit der Presse und mit Fans umzugehen! Erzähl mir also nicht, dass dich das bisschen Aufmerksamkeit in der Eule so stark eingeschüchtert hat, dass du flüchten musstest!" Seine Augen durchbohrten mich auf der Suche nach der Wahrheit, und ich hatte plötzlich keinen Bock mehr, ihm noch länger irgendwas erklären zu müssen.
„Hör auf!" schrie ich ihn an und riss meinen Arm ruckartig aus seinem Griff, „Rede nicht so mit mir, Ravenhorst! Ich bin nicht mehr der dumme Zwölfjährige, den du kennengelernt hast!" Louis kniff die Augen zusammen und betrachtete mich aufmerksam. „Genau so verhältst du dich aber heute!" meinte er cool. Ich war beleidigt und drehte mich von ihm weg. „Lass mich einfach in Ruhe! Ich habe dich nicht gebeten, mir zu helfen!" sagte ich abweisend. Louis kam hartnäckig um mich herum, damit er mir weiter in die Augen sehen konnte. „Doch, das hast du, Sean! Du willst meine Hilfe unbedingt! Du merkst es nur nicht!" behauptete er beschissen selbstbewusst. Darauf wusste ich nichts zu erwidern und zündete mir stattdessen mit nervösen Fingern eine neue Zigarette an. „Erklär's mir!" forderte Louis mich seufzend auf. Ich schaute ihn an. In meinem Kopf herrschte das reinste Chaos. Selbst, wenn ich es gewollt hätte, hätte ich ihm wohl in diesem Moment nichts von Sinn erklären können.
„Es ist wegen Clay!" brüllte ich plötzlich los, weil meine Geduld irgendwie am Ende war. „Ja, du hast recht, Louis! Es ist alles nur wegen Clay! Bist du jetzt zufrieden?" Er stutzte und musterte mich erstaunt. Mein aggressiver Ausbruch irritierte ihn kein bisschen, und das ärgerte mich enorm. „Wieso wegen Clay? Das kapiere ich nicht! Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich mich darum kümmern werde!" betonte mein Freund und betrachtete mich wachsam. Er verstand überhaupt nichts, und eigentlich verstand ich es auch selbst nicht richtig. Ich spürte nur, dass der Name Clay Banton einen unglaublichen Schmerz in mir auslöste, mich verrückt und einsam machte, auch wenn ich die Zusammenhänge kaum begreifen konnte.
„Weil du ihn gefickt hast?" horchte Louis plötzlich leise nach, und in mir zog sich alles entsetzt zusammen. „Vergiss es einfach!" stöhnte ich erschlagen und drehte mich abermals von ihm weg. Das alles war total scheiße, diese Auseinandersetzung mit Louis gefiel mir überhaupt nicht. Ich fühlte mich, wie auf einer Anklagebank für Vollidioten, und Herr von Ravenhorst war der strenge Richter, der von seinem erhöhten Podest überlegen auf mich herunterschaute. Stöhnend hielt ich mir den pochenden Schädel fest. Eine Weile war es ganz still. Auf der Straße fuhr irgendein Auto an uns vorbei. Drüben trat jemand aus der Kneipe. Gelächter und Musik, die ich nicht identifizieren konnte, tönten zu uns herüber, bis die Eingangstür wieder zufiel und alles dämpfte.
„Sean, bitte, rede mit mir!" beschwor Louis mich mit einer engelsgleichen Geduld. Aber ich hatte keine Ahnung, was ich dazu noch sagen sollte. Ich war wütend auf Louis, weil er so beschissen kontrolliert und selbstsicher war. Ich war wütend auf mich, weil es mir nicht gelang, mich vollends zurück unter meine Kontrolle zu bekommen. Dabei durfte ich mich nicht länger so jämmerlich gehenlassen. Ich wollte vor Louis nicht noch länger den Schwachmaten spielen. Also atmete ich zweimal tief durch und drehte mich zu ihm hin. Er ließ mich die ganze Zeit nicht aus den Augen. „Wie viel Geld kriegst du?" fragte ich ihn, um das Thema zu wechseln, und kramte in meiner Jacke nach meinem Portemonnaie. Louis winkte ab, ganz der Mann von Welt. „Nein, lass mal stecken. Ich habe doch gesagt, dass ich dich einlade", meinte er großzügig, was überhaupt nicht zu ihm passte und mich aus irgendeinem Grund ziemlich wütend machte. „Du musst mich nicht einladen! Ich kann meine Getränke selbst bezahlen!" fuhr ich genervt auf. Louis schüttelte den Kopf. „Ich lade dich ein und damit basta", bestimmte er ungehalten. „Lenke jetzt nicht ab, Sean. Erkläre mir lieber, was mit dir los ist!" beharrte er und weigerte sich schlicht, die von mir angebotenen Geldscheine anzunehmen. Also steckte ich mein Geld knurrend wieder ein und überlegte mir krampfhaft irgendeine Ausrede. „Hör mal, es ist schon wieder gut. Ich habe eben nur kurz die Nerven verloren, weil es in der Eule so voll war...", versuchte ich es schließlich. „Nein, du bist regelrecht in Panik geraten! Und zwar nicht wegen den Leuten, sondern wegen dem, was sie gesagt haben!" verbesserte Louis mich sofort, was mich echt sauer machte, obwohl er mit seiner Vermutung erstaunlich richtig lag. „Tja, wenn du sowieso schon alles weißt...", kläffte ich beleidigt, drehte mich weg und stolperte ein paar Schritte vorwärts. Louis lachte und kam mir augenblicklich hinterher. „He, jetzt sei doch nicht gleich angepisst, Sean! Ich will dich doch nur verstehen!" betonte er entschuldigend.
Dieser Satz löste unwillkürlich etwas Heftiges in mir aus. Die Worte erinnerten mich daran, dass ich auch Clay Banton immer nur verstehen wollte, und wohin mich das letztendlich geführt hatte. Ich bin nicht gut für Louis, glaubte ich erschrocken zu begreifen, ich ziehe ihn mit meinem Scheiß total runter, und das sollte ich wahrhaftig nicht tun. Ich möchte nicht schuld sein, wenn Louis wegen mir frustriert ist, dachte ich schockiert. Das war totaler Schwachsinn, denn Herr von Ravenhorst war entschieden zu selbstbewusst, er hatte sein Leben schlicht zu felsenfest im Griff, um sich von so etwas Lächerlichem wie meinem irrationalen Liebeskummer deprimieren zu lassen. Aber an diesem Montag war zu viel passiert und ich hatte zu viel hartes Zeugs konsumiert, als dass ich noch nüchtern über etwas nachdenken oder irgendetwas richtig beurteilen konnte. Sean Valmont war immens verwirrt und angeschlagen, sein Körper und besonders seine Seele schmerzten unaufhörlich, und das machte ihm extrem zu schaffen. „Nein... Louis... ich schaff das schon...", wollte ich ihn panisch beruhigen. Aber er schüttelte den Kopf, kam zu mir und legte mir seine Hände auf die Schultern. „Hey, ich bin doch dafür da, um dir zu helfen, Sean", flüsterte er liebevoll, was mich tief berührte. Mir blieb die Luft weg, mein Hals schnürte sich zu, und ich konnte nichts erwidern.
„Und jetzt erklär's mir bitte!" forderte der Mann mich abermals auf, fucking unnachgiebig und völlig unbeirrt. Seine Stimme war sanft, aber auch drängend, beinahe befehlend. Shit, dachte ich wirr und wütend, ich will und kann ihm nichts mehr erklären, denn ich verstehe es ja selbst nicht! Der Typ soll mich jetzt endlich in Ruhe lassen, denn ich kann nicht mehr! Ich habe echt die Schnauze voll!
Nachdem ich eine lange Zeit nicht geantwortet hatte, versuchte Louis sich nochmal in Vermutungen. Und weil er mich zweifellos ziemlich gut kannte, waren die noch nicht mal besonders falsch. „Dir macht immer noch dein Kontrollverlust zu schaffen. Du bist entsetzt über dich selbst. Und als die Leute in der Eule damit anfingen, über Clay zu reden, da bist du mal eben komplett durchgedreht", erläuterte mein Freund meine Situation und zeigte mir grienend seine schönen Zähne. Er hatte wohl recht, aber ich wollte das zum Verrecken nicht hören, weil es mich an meine eigene Schwäche erinnerte. Es erinnerte mich daran, dass ich ein verdammter Volltrottel war, der sich von seinen wirren Gefühlen leiten ließ, obwohl meine umfassende Erziehung mir jahrelang das genaue Gegenteil suggeriert hatte. Kontrolle ist das Allerwichtigste, Sean, hörte ich nochmal die Stimme meines Vaters in meinem Kopf, du darfst niemals die Kontrolle verlieren, und dann klinkte irgendwas in mir aus.
„Ja, du hast recht, Louis, es ist wegen Clay Banton! Alles dreht sich doch immer nur um Clay, das habe ich doch schon gesagt und das hast du ja wohl auch schon kapiert!" brüllte ich wie von Sinnen, holte instinktiv aus und wollte meinen Freund ins Gesicht schlagen. Aber der wich mir mühelos aus. Louis' Reflexe waren an diesem Abend eindeutig besser als meine, denn er tauchte blitzschnell unter meiner Faust weg und parierte mit einem Schlag gegen meine Brust, der mir die Luft aus den Lungen presste und mich haltlos rückwärts taumeln ließ. „Hör sofort auf!" schrie er zornig. Sein Lächeln war verschwunden, er fixierte mich drohend. „Bist du jetzt zufrieden?!" brüllte ich und tötete ihn mit meinem Blick. Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nicht zufrieden, wenn es dir schlecht geht, Sean! Wieso denkst du so was von mir?" Seine Stimme hörte sich fassungslos und gekränkt an, und das brachte mich irgendwie aus dem Konzept. Stöhnend hielt ich mir nochmal den irren Schädel fest und wünschte mir gleichzeitig, dass er auf der Stelle zerplatzen würde, damit das Chaos darin endlich aufhörte. Ich stellte mir vor, wie mein Kopf explodieren und eine rot-graue Masse aus Gehirn und Blut in den weißen Schnee platschen würde.
Eine Weile war es ganz still. Ich hörte nur das Blut in meinen Ohren rauschen und atmete tief ein und aus. Mein schwerer Atem sammelte sich als weißer Qualm in der Luft, und ich fragte mich plötzlich, wo meine Zigarette geblieben war. Hatte ich mir nicht vorhin eine angesteckt? Offenbar hatte ich sie verloren. Mit meinen Augen suchte ich den schneebedeckten Boden ab, um mich mit irgendwas zu beschäftigen. Ich konnte die Kippe nicht finden und ärgerte mich darüber, weil das Zeug doch so verdammt teuer war. Dann dachte ich genervt daran, dass ich noch so viele wichtige Telefonate führen musste, weil sich ja alles geändert hatte und ich diese Termine absagen musste, weil Clay nicht mehr da war. Clay ist nicht mehr da, dachte ich, und es zerriss mich fast.
„Hör mal zu, bitte", forderte Louis mich seufzend auf, nachdem er mich einige Zeit nur ratlos beobachtet hatte. „Musst du nicht zu irgendeinem wichtigen Termin?" blaffte ich ihn unfreundlich an, weil er mir auf den Geist ging mit seiner ständig nüchternen Überlegenheit, „Du hast doch eigentlich gar keine Zeit, Louis, du musst doch garantiert zu irgendeinem Treffen. Ist heute nicht vielleicht dein Skatabend oder so was?" Über sein Gesicht huschte ein amüsiertes Lächeln. „Pokerabend", gab er gutmütig zu, versicherte mir aber gleich darauf: „Aber das ist doch jetzt nicht so wichtig, Sean." „Doch, ist es, du verpasst nämlich niemals einen Pokerabend!" betonte ich, weil ich unbedingt wollte, dass er mich endlich in Ruhe ließ. Du bist verrückt, dachte ich insgeheim verwirrt, erst wartest du sehnsüchtig auf diesen Mann, damit er dir hilft, und wenn er dann da ist, um dir zu helfen, dann willst du ihn nur noch loswerden. Ich konnte mit meinen eigenen Gefühlen nichts anfangen und wünschte mir wirklich, sie wären anders, irgendwie eindeutiger und weniger schmerzhaft.
Louis Frédéric studierte mich interessiert, bis ich seinem forschenden Blick stöhnend auswich. „Also hör mir bitte mal zu, Herr Valmont", fing er nochmal an, und ich kapitulierte stöhnend und schaute ihn widerwillig an. Er holte tief Luft, sein Blick war beschwörend. „Hör jetzt um Himmels Willen endlich damit auf, dir diese total unnötigen und voreiligen Sorgen zu machen, Sean! Ich habe dir doch schon erklärt, dass ich die Sache mit Banton regele. Ich werde den Mann heute nochmal anrufen. Und wenn ich dein Herzblatt telefonisch auch weiterhin nicht erreichen kann, dann fahre ich von mir aus auch zu ihm raus. Ich finde den, vertraue mir. Banton wird liebend gerne eine weitere Ausstellung machen, glaub mir das doch jetzt bitte mal, dafür sorge ich schon. Dein Mann wird die Stadt vorerst nicht verlassen, du hast also noch jede Menge Zeit mit ihm. Außerdem macht sich unser Maler weitaus weniger Gedanken als du, das weißt du selbst doch wohl am besten. Der primitive Typ hat das, was zwischen euch vorgefallen ist, doch wahrscheinlich schon längst vergessen. Und falls nicht, dann wird sich das schon bald einrenken. Es wird alles wieder gut werden. Das verspreche ich dir, okay? Du kannst dich auf mich verlassen, Sean!"
„Ja, Louis, ist okay. Ich glaube dir das", versicherte ich ihm hastig, weil ich unbedingt wollte, dass er mit seinen optimistischen Beteuerungen aufhörte. Sein Redeschwall dröhnte unangenehm in meinen Ohren, seine Worte wühlten mich mehr auf, als mir lieb war. Louis Frédéric konnte meine Lage doch gar nicht richtig beurteilen! Er war nicht dabei gewesen und konnte gar nicht wissen, wie hart, entfesselt und brutal ich Clay tatsächlich geschlagen und vergewaltigt hatte. Ich hatte Herrn Banton in meiner rasenden Wut weitaus schwerer verletzt, als ich es jemals gewollt hatte, und das war schlicht unverzeihlich. Verdammt, Clay hatte so stark geblutet, dass das Blut durch seine Jeans gesickert war! Bestimmt hatte ich unabsichtlich diese Naht an seinem Bein beschädigt. Oder hatte ich das etwa mir voller Absicht getan? Hatte ich nicht extra und gezielt nach seiner Naht getreten? Ich erinnerte mich nicht. Shit, hoffentlich war er wenigstens vernünftig genug, um ins Krankenhaus zu fahren und seine aufgerissenen Wunden neu verarzten zu lassen! Die Sorge um Clay kochte in mir auf und brachte mich fast um. Nein, Louis Frédéric von Ravenhorst hatte keine Ahnung, was zwischen Clay und mir passiert war. Er konnte das gar nicht beurteilen, und ich hätte ihm auch niemals davon berichten dürfen. Schließlich kannte Louis meinen Mann kaum. Er hatte ihn erst ein paarmal getroffen, und bei ihren Gesprächen war es mit Sicherheit ausschließlich um Ausstellungen, Malerei, den Preis der Bilder, das Haus oder die Wohnung gegangen, in die Clay eingezogen war.
Du hast einen verdammt schwerwiegenden Fehler gemacht, Sean Valmont, dämmerte mir langsam, und sofort schüttelte es mich vor Unbehagen. Du hast dich auf diesen megareichen Mann verlassen, obwohl du ihn in Wahrheit gar nicht brauchst. Du brauchst niemanden, wenn es um deine Beziehung zu Clay Banton geht. Das kapiert sowieso niemand, und niemanden geht das etwas an! Zwischen Clay und mir existiert eine ganz besondere Verbindung, dachte ich mit einem warmen Gefühl im Bauch. Der Gedanke war irgendwie tröstlich, und wie von allein fingen vage Pläne damit an, in meinem aufgescheuchten Gehirn Gestalt anzunehmen. Ich würde diese Sache ganz allein wieder geradebiegen. Und als erstes würde ich Clay sein dreist geklautes Handy zurückholen. Clay brauchte sein Handy dringend für seine Arbeit. Er arbeitete nämlich für verschiedene und wechselnde Leute und Agenturen, hatte alle seine Kontakte auf dem Handy gespeichert und musste im Idealfall für alle immer erreichbar sein, weil seine Aufträge sich täglich ändern konnten. Wenn ich ihm sein geklautes Handy besorge, dann wird er mir so dankbar sein, dass er alles andere vergessen kann, glaubte ich zu wissen. Clay würde mir das eigentlich absolut Unverzeihliche verzeihen, und wir könnten gemeinsam weiter an seiner Genesung arbeiten.
Plötzlich schien meine Zukunft glasklar zu sein, sodass ich verdutzt die Augen aufriss. Ich kann mich gar nicht umbringen, grübelte ich und war unzufrieden mit mir selbst, weil ich diese feige Flucht wahrhaftig ernsthaft in Erwägung gezogen hatte. Ich darf jetzt noch nicht sterben, denn da ist ja noch jemand, der dringend meine Hilfe benötigt. Es gab immer noch jemanden, den wichtigsten Menschen in meinem Leben, verstand ich, auch wenn er im Moment für mich nicht erreichbar war. Clay Banton war aber immer noch da, deshalb hatte ich auch die Chance, ihn zurückzugewinnen. Und das würde mir gelingen, indem ich ihm nie wieder etwas Schlimmes antun würde. Stattdessen würde ich alles in meiner Macht Stehende tun, damit Herr Banton sein Leben und seine Gesundheit wieder in den Griff bekam. Und zu diesem Zweck musste ich dringend damit aufhören, selbst so entsetzlich viele scheiß Drogen einzuwerfen. Ich konnte das. Ich war stark genug, um Clay nüchtern zu helfen, denn mein Name war schließlich Sean Valmont.
Amüsiert lächelte ich vor mich hin. Ja – genau das würde ich tun! Als mir endlich richtig klarwurde, was meine nächste Aufgabe konkret war, beruhigte mein Kopf sich merklich. Sogar meine verletzte Seele schien irgendwie besänftigt zu sein. Tief atmete ich ein und aus, während Louis mich die ganze Zeit misstrauisch beäugte und sichtbar zu erraten versuchte, was genau gerade in mir vorging. Aber mein aufdringlicher Freund hatte keinen blassen Schimmer von meinen optimistischen Gedanken, und das befriedigte mich ungemein. Ich lächelte vage, was ihn sofort beruhigte, denn er atmete erleichtert auf. „Ist jetzt wirklich alles gut, Sean?" fragte er vorsichtig nach. Ich nickte und schaute ihm bewusst in die Augen. Er weiß gar nichts, dachte ich innerlich triumphierend, er hat keine Ahnung, was zwischen Clay und mir entstanden ist. Dieses enge Band kann man nicht so einfach kaputtmachen, noch nicht mal mit einer unbeherrschten Gewalttat. Das ist ein Geschenk, was nur Clay und mir gehört.
„Ja, Louis, es ist okay. Mir geht es schon viel besser", behauptete ich und versuchte ein friedliches Lächeln. „Danke", rang ich mir ab, aber Louis schüttelte den Kopf. „Nein, du musst dich nicht bei mir bedanken. Wir haben schließlich eine Abmachung, Sean. Und du sollst ja nicht ganz umsonst so hinreißend auf meiner Party getanzt haben", grinste er und zwinkerte zweideutig. Er hatte recht, im Grunde erfüllte er nur unser Arrangement. Unwillkürlich musste ich an meinen Deal mit Louis Frédéric von Ravenhorst denken, meine aufgezwungene Rolle bei seinen exklusiven Orgien, die Tatsache, dass ich mich für Clay Banton schon mehrmals prostituiert hatte, und plötzlich fühlte ich mich ganz entsetzlich schmutzig. Unbehaglich streckte ich meine eingerosteten Knochen in alle Richtungen. Ich war völlig durchgeschwitzt. Meine Unterwäsche klebte mir spürbar auf der nassen Haut, das fühlte sich echt widerlich an. Ganz bestimmt stank ich nach Schweiß, und dagegen musste ich jetzt ganz dringend etwas tun.
Wenn Clay auch nur ahnen könnte, was ich für ihn alles auf mich nehme, welche verdammten Opfer ich für ihn bringe, dann würde er mir sofort verzeihen, dachte ich wehmütig. Aber gleichzeitig war mir klar, dass ich ihm niemals davon erzählen durfte. Clay Banton würde meine Aufopferung für ihn ohnehin nicht verstehen. Clay, dachte ich, und der Gedanke hatte in all dem zuverlässig aufbrausenden Schmerz plötzlich auch einen kleinen Hoffnungsschimmer inne, einen warmen Glanz, der mich faszinierte und magisch anzog.
„Du, ich will jetzt nach Hause fahren, Louis. Ich muss mich ganz dringend duschen und frische Klamotten anziehen", erklärte ich meinem Freund, der unverändert vor mir stand und mich so interessiert studierte, als wollte er am liebsten in meinen Kopf hineinsehen. Jetzt grinste er schief. „Ja, da sagst du was...", murmelte er zustimmend, was mich sofort hellhörig machte. Ich riss die Augen auf und fixierte ihn. „Was soll das heißen?" fragte ich mit peinlich schriller Stimme. „Naja... du bist ziemlich durchgeschwitzt, mein Freund...", gab Louis achselzuckend zu, „Das viele Kokain hat dich ziemlich aufgeheizt." „Rieche ich schlecht?" fragte ich ihn ganz direkt, woraufhin er ausweichend herumdruckste. Spontan verärgert knuffte ich ihn gegen die Brust. „Du weißt um meinen Zustand und hetzt mir da drin in der Eule massenweise Leute auf den Hals? Sag mal, hast du sie nicht mehr alle!?" regte ich mich auf, und der Gedanke daran, wie ich jetzt wohl auf diesen ganzen Fotos und Videos aussah, die gerade unfreiwillig in der Kneipe von mir gemacht worden waren, gefiel mir kein bisschen. Zwar waren die Aufnahmen von mir ja glücklicherweise geruchsneutral, aber meine Haare sahen schrecklich aus, sie klebten mir verschwitzt auf der Stirn, und meine Kleidung war auch total nass und schmutzig. So ein Arsch!, dachte ich wütend über Louis, er hat mich bewusst und hinterhältig ans Messer geliefert.
Aber Louis Frédéric guckte mich irritiert an. „Sag mal, wovon redest du überhaupt? Ich habe dir niemanden auf den Hals gehetzt! Es war doch deine Idee, hierher in die Eule zu fahren, Sean!" wies er jegliche Schuld weit von sich. Einen Moment verwirrt starrte ich ihn an. „Was? Du hast das nicht...?" „Ich habe absolut nichts mit deinen Fans zu tun, Sean. Die waren alle ganz echt!" beteuerte Louis Frédéric. Im nächsten Moment grinste er plötzlich amüsiert. „Hast du denn wirklich geglaubt, ich hätte diesen Massenauflauf um deine Person irgendwie heimlich organisiert? Wie hätte ich das in der kurzen Zeit tun sollen?" Er zog eine Grimasse, als wäre die Idee vollkommen abwegig. Tatsächlich hatte ich vermutet, dass Louis seine Finger im Spiel gehabt hatte, und ich war mir auch nicht hundertprozentig sicher, ob der erfahrene, cleverer Organisator mir gerade die Wahrheit sagte. Eigentlich wollte ich das Thema nicht weiter vertiefen, aber Louis schien davon hellauf begeistert zu sein. „Die Menschen haben offenbar alle diesen komischen Blog über Clay gesehen", erklärte Louis mir grinsend, der im Grunde ziemlich analog eingestellt war und das Digitale mit Skepsis betrachtete. „Und seitdem seid ihr eben total in, dein Lieblingsmann und du." Ja, ja, dachte ich genervt, aber ich habe jetzt wirklich andere Sorgen als diesen bekloppten Blog. Ich muss mich um Clay kümmern, fiel mir ein, denn er braucht mich dringend, und die neue alte Aufgabe schien mir erfreulich sinnvoll. Sie machte mich plötzlich aufgeregt und erwartungsfroh.
„Hör mal, Sean", meldete sich Louis, der zu meiner Irritation wieder ziemlich ernst war. „Ich würde mich an deiner Stelle erst mal von Clay fernhalten. Gib deinem Zuckerbär lieber erst ein bisschen Zeit, um über diese Sache zwischen euch hinwegzukommen, okay?" schlug er vor, was mir nun wirklich total gegen den Strich ging. Ich war nervös, mein Herz klopfte stärker bei dem Gedanken, dass ich Clay vielleicht schon sehr bald wiedersehen würde. Am liebsten wollte ich gleich jetzt zu seinem Haus fahren und nachsehen, ob er zu Hause war, wie es ihm ging, und ob er beim Arzt gewesen war. Ich dachte daran, wie verdammt schön es wäre, jetzt sofort meine Hand auf Clays nackten Bauch zu legen. Die Vorstellung törnte mich an und ich bildete mir ein, Clays warmen, muskulösen Körper an meinen Fingern zu spüren. Louis deutete mein unwillkürlich entrücktes Gesicht richtig. „Gedulde dich ein wenig", beschwor er mich und legte mir schon wieder tröstend eine Hand auf die Schulter. Ich mochte seine Berührung nicht und wollte ihn liebend gerne abschütteln, aber ich riss mich zusammen, weil ich ihn nicht unnötig kränken wollte. „Bitte höre auf mich, Sean. Lass ihm Zeit, um mit seiner Erniedrigung klarzukommen. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um ihn, das verspreche ich dir. Warte dann auf meinen Anruf, okay?"
„Vorhin hast du behauptet, dass Clay schon längst alles vergessen hätte!" konnte ich mich nicht bremsen, verärgert zu erwähnen. Louis schüttelte ungeduldig den Kopf. „Ja, aber ich weiß dass doch auch nicht genau. Vielleicht ist dein Sweetheart schon drüber weg, aber vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall finde ich es weitaus klüger, wenn du dich in den nächsten Tagen von ihm fernhältst. Lass mich bitte erst die Lage sondieren." Eindringlich schaute er mir in die Augen, als wollte er mich hypnotisieren, bis ich belustigt auflachte. „Du stellst dir das so einfach vor, Louis. Ich kann mich nicht von ihm fernhalten. Wir haben Termine und Verpflichtungen. Wir spielen gemeinsam Theater. Und schon am Mittwoch machen wir bei Werners Wettbewerb mit", zählte ich auf, während mein Herz bei dem Gedanken total irrational erfreut loshämmerte, denn ich konnte mir ja gar nicht sicher sein, ob Clay noch jemals mit mir zusammen auftreten würde. Louis zog die Stirn in Falten. „Ach ja, apropos...", fiel ihm ein, „Werner hat mich vorhin gebeten, dich an den Singer-Songwriter Contest zu erinnern. Er freut sich schon auf das Ensemble TonMond, soll ich dir ausrichten." „Na siehst du!" trumpfte ich auf, und war mega aufgeregt wegen des bevorstehenden Wettbewerbs, obwohl ich in Wahrheit keine Ahnung hatte, ob der für mich stattfinden würde, und Clay und ich noch kein bisschen dafür geprobt hatten.
„Aber du hast recht, ich werde Clay ein wenig Zeit geben", lenkte ich gleich darauf eilig ein, um das Thema endlich abzuschließen. Sofort lächelte Louis zufrieden. „Ich mach das schon!" wiederholte er selbstbewusst, „Du kannst dich auf mich verlassen. Sobald ich etwas Neues weiß, dann lasse ich dich das sofort wissen. Warten wir erstmal ab, bis die Wogen sich geglättet haben." Ich war nicht seiner Meinung, denn ich wollte am liebsten sofort zu Clay fahren und ihn zärtlich in meine Arme schließen. Aber vielleicht hat der adelige Nachfahre unserer Stadtgründer wirklich recht, denn ich bin betrunken, zugeknallt mit Koks und Valium und darum nicht Herr meiner Sinne, grübelte ich frustriert. Womöglich würde ich schon wieder irgendwas total Idiotisches tun, wenn Clay jetzt plötzlich vor mir auftauchen würde. Vielleicht konnte ich mich dann einfach nicht beherrschen und würde ein weiteres Mal kopflos über ihn herfallen, wie ich es zu meiner Schande schon so oft getan hatte. Es war gar kein Wunder, dass ich mit meiner grenzenlosen Arroganz heute Bantons ureigenen Zorn geweckt hatte! Diese Erinnerungen und die schmerzende Gewissheit, wie respektlos ich mit Clay umgegangen war, deprimierten mich. Ich war verwirrt, fühlte mich unglaublich schuldig und spürte das drängende Bedürfnis, mich endlich ein bisschen auszuruhen. Ich war enorm müde und erschöpft, klebrig und schmutzig. Die Valium schläferten mich mittlerweile mehr ein, als mir eigentlich lieb war.
„Okay, Sean?" fragte Louis nochmal nach und fixierte mich beschwörend. „Okay", flüsterte ich, weil ich die Schnauze voll und irgendwie keine andere Wahl hatte. Seufzend wandte ich mich ab und entzog mich damit unauffällig seiner Hand, die unverändert auf meiner Schulter gelegen hatte. Ich machte drei vorsichtige Schritte auf meinen Jeep zu, als Louis mir auch schon aufgescheucht hinterherkam. „Fährst du jetzt direkt nach Hause?" wollte er alarmiert von mir wissen. Ganz offensichtlich fürchtete mein wohlhabender Freund, dass ich mir insgeheim noch immer etwas antun wollte, und seine hilflose Sorge rührte mich irgendwie. Aber inzwischen war mir jeder Gedanke an Selbstmord seltsam fremd und fern. Diese Verzweiflungstat schien mit meinem Leben nichts mehr zu tun zu haben. Denn ich hatte eine alte Aufgabe neu entdeckt, und ich war mir jetzt wieder völlig sicher, dass meine selbst auferlegte Mission noch lange nicht verloren oder gar zu Ende war. Okay, mir war etwas ziemlich Beschissenes passiert. Ich hatte mal wieder völlig die Kontrolle über mich verloren und deshalb Herrn Banton so richtig schlecht behandelt. Ich hatte ihn nicht zum ersten Mal geschlagen. Aber ich hatte ihn zum allerersten Mal brutal vergewaltigt, und das würde ich mir mit Sicherheit nie wirklich verzeihen können.
Jedoch, verdammt, es war halt passiert, aber es war nicht so endgültig, wie ich ursprünglich befürchtet hatte. Ich konnte mein fieses Verbrechen immer noch wiedergutmachen, wenn ich mich nur stark genug anstrengte. Schließlich hatte ich unter dem Einfluss von verflucht starken Drogen gestanden, und das war etwas, mit dem Clay sich selbst hervorragend auskannte. Gegen das hinterhältige Gift hatte ich überhaupt keine Chance gehabt. Dieser Mann würde das verstehen. Denn Clay Banton war kein nachtragender Mensch, das war er noch niemals gewesen. Clay war jemand, der die Vergangenheit abhakte und in die Gegenwart schaute. Er würde auch diesmal stark genug sein, um mir verzeihen zu können, daran hatte ich inzwischen nicht den geringsten Zweifel mehr. Und diese Sicherheit war extrem befreiend, sie beflügelte mich, erfüllte mich mit einer so mächtigen neuen Lebensenergie, dass ich mich davon völlig erschlagen fühlte. „Ja, ich fahre jetzt nach Hause", erklärte ich Louis müde und hatte das tatsächlich vor. Aber Herr von Ravenhorst war wegen meiner vorherigen zahlreichen Aussetzer beunruhigt. Er packte mich fest am Arm und hielt mich auf. „Versprich mir bitte, dass du jetzt keinen Unsinn mehr anstellst, Sean. Keine Abstecher in den Wald mehr, okay? Keine Sprünge von Brücken oder selbst herbeigeführte Verkehrsunfälle, ja? Schwöre mir, dass du wirklich auf direktem Wege nach Hause fährst und dich ausschläfst", bat er mich mit einer erstaunlichen und für ihn völlig untypischen Unsicherheit, die mich verblüffte und berührte.
Ich versuchte ein beruhigendes Lächeln, was sich aber falsch und gekünstelt anfühlte. Meine Gesichtszüge entglitten mir, stellte ich gähnend fest, das Schlafmittel tat seine Wirkung und schien gegen das Kokain letztendlich zu gewinnen. „Mensch, vertrau mir, Louis. Ich fahre nach Hause. Dort lege ich mich ganz brav in mein Bett, schlafe meinen Rausch aus und warte sehnsüchtig auf deinen Anruf", sagte ich irgendwie lahm, denn mein Interesse schwand rapide. Louis Frédéric betrachtete mich prüfend, gab sich aber zum Glück damit zufrieden, wenn auch nur widerwillig, wie mir auffiel. „Na gut, Valmont", kapitulierte er, „Ich glaube dir das jetzt mal."
Im nächsten Augenblick hatte er sichtbar einen Einfall und ruderte doch wieder in die andere Richtung. „Oder willst du nicht lieber mit zu mir kommen? Du kannst mit uns pokern, darin bist du doch gar nicht so schlecht, und später kannst du in einem der Betten schlafen", bedrängte er mich aufgeregt. „Oder mit mir", flüsterte er augenzwinkernd, was ich einfach mal komplett überhörte. „Oder willst du mich nicht doch lieber gleich in die Geschlossene einweisen lassen, Louis? Das ist es doch, wie man mit potentiellen Selbstmördern wie mir umgeht!" fauchte ich genervt, weil mir seine Besorgnis langsam echt auf die Nüsse ging. Warum kapierte er nicht, dass sich meine Stimmung grundlegend geändert und ich meine Depression längst überwunden hatte? Warum glaubte er mir nicht, wenn ich ihm sagte, dass ich nur noch nach Hause wollte? Ich atmete ein paarmal tief durch und riss mich zusammen.
Kumpelhaft schlug ich Louis gegen die Schulter und entwand mich dadurch seinem Griff an meinem Arm. „Es geht mir gut, L.F. Du musst mich nicht länger bewachen. Und ich brauche auch keine Psychiatrie", behauptete ich leichthin. „Ich bin schließlich ein Star. Die Leute in der Eule lieben mich. Wie könnte es mir da nicht gut gehen." Daraufhin musste Louis lachen, und das hatte ich wohl unbewusst beabsichtigt. „Ja, du bist ein großer Star", kicherte er sarkastisch und schlug mich ebenfalls leicht gegen die Schulter. „Und darum darfst du jetzt auch keinen Quatsch mehr machen, Sean Valmont!" setzte er ernst hinzu und glotzte mich vielsagend an. „Schlag dir das mit dem Selbstmord aus dem Kopf! Und hör um Himmels Willen mit dem scheiß Kokain auf, ja? Versprichst du mir das?" Spöttisch lachte ich laut auf. „Ja genau, Louis, ich werde demnächst nur noch auf deinen dekadenten Tanzpartys koksen, kiffen und saufen bis zum Umfallen!" fuhr es ungebremst aus mir heraus. Er musst gerade von Koks reden, wo doch diese Droge fast zwingend selbstverständlich in seine allerhöchsten Kreise gehörte!
Louis sah so vor den Kopf geschlagen aus, dass ich noch lauter lachen musste, lag vielleicht am Alkohol. Ich fühlte mich befreit. In diesem Moment war ich dem Mann vor mir überlegen, und das war ein verflucht geiles Gefühl. Louis wusste auf meinen vorwurfsvollen Satz nichts zu erwidern, weil ich schlicht und ergreifend recht hatte. Seine Partys waren total verseucht mit harten und weichen Drogen. Man konnte sich dem nicht entziehen, und daran würde sich wohl auch niemals etwas ändern. Herausfordernd fixierte ich meinen ältesten Freund. Vielleicht flackerte das gebasete Zeug nochmal in mir hoch, möglich wäre es, jedenfalls durchströmte mich plötzlich eine heiße Woge aus Energie. Der Alkohol und das Kokain machten mich enorm selbstbewusst, und ich hatte auf einmal wieder das absolut berauschende Gefühl, dass mich nichts auf der Welt besiegen konnte.
Louis Frédéric von Ravenhorst betrachtete mich eine Weile ratlos. Er wurde nicht richtig schlau aus mir, und das gefiel mir total. Endlich fühlt er sich mir gegenüber nicht mehr so beschissen dominant, spürte ich mit riesiger Genugtuung. Endlich hat der arrogante Mann begriffen, dass ich schon erwachsen bin und sowieso nur genau das tue, was ich tun will.
„Fährst du nach Hause, Valmont?" flüsterte er fast, ohne auf meinen stechenden Hinweis auf den übermäßigen Drogenkonsum seiner Orgien einzugehen. Ich guckte ihn friedlich grinsend an, denn ich fühlte mich plötzlich richtig gut. „Ja, Ravenhorst, ich werde jetzt nach Hause fahren. Das habe ich dir schon gesagt", wiederholte ich gutmütig und lächelte ihn an. Seine Augen erhellten sich. Er streckte zögernd die Hand aus und streichelte zart über mein Gesicht. „Habt ihr euch geprügelt?" wollte er plötzlich besorgt wissen. Ich wusste sofort, worauf er anspielte, aber ich wollte seinem unerfreulichen Themenwechsel nicht folgen. Ich wollte nicht länger über das sprechen, was in diesem scheiß Stadtpark zwischen Clay und mir geschehen war. „Ja, wir haben uns gegenseitig fast tot geprügelt", gab ich dennoch zu und zog eine aggressive Grimasse. „Das war schon längst überfällig. Wir haben nur die Fronten geklärt", laberte ich irgendwelchen Mist. Hastig drehte ich mich von Louis weg, um eilig auf mein rettendes Auto zuzugehen, wobei seine Finger unwillkürlich von meinem Gesicht glitten. Ich wollte jetzt dringend von Louis, seinen nervigen, neugierigen Fragen und forschenden Augen weg. Ich wollte unbedingt meinen schmutzigen Körper reinigen, denn ich fühlte mich total dreckig, und zwar innen wie außen.
Fast hatte ich meinen schönen Jeep erreicht, als Louis schon wieder neben mir auftauchte. „Also machen wir das so, Sean? Ich kümmere mich um deinen Liebsten. Und du fährst nach Hause, beruhigst dich und wartest auf meinen Anruf, okay?" hakte er beschissen oberlehrerhaft nach. Ich nickte geschlagen, obwohl ich seine ständig belächelnden Bezeichnungen für meinen Clay auf den Tod nicht leiden konnte. „Ja, so machen wir das", stimmte ich resigniert zu. „Ich rufe gleich bei dir zu Hause an, Sean, um zu überprüfen, ob du auch wirklich zu Hause angekommen und auch geblieben bist", erwähnte Louis wie nebenbei und zwinkerte grienend, als wollte er mich necken. Aber ich wusste nur zu gut, dass er diesen Kontrollanruf tatsächlich tätigen würde. Das machte mich mega wütend, weil ich mir wie ein streng überwachter Selbstmordgefährdeter vorkam, was ich doch schon lange nicht mehr war und womöglich auch nie ernsthaft gewesen war. „Ja, ist schon gut, tu das. Mach einfach, was du nicht lassen kannst", knurrte ich in Louis' Richtung, ohne ihn dabei anzusehen, denn ich wollte gerade hektisch in mein Auto einsteigen.
Jedoch kam ich nicht dazu, denn im nächsten Moment hatte der Typ mich auch schon umarmt. Er zog mich energisch dicht zu sich hin und küsste mich fast verzweifelt auf den Mund. Ich konnte nicht so schnell reagieren oder irgendwelche wirksamen Abwehrmaßnahmen ergreifen, also ergab ich mich ihm notgedrungen. Nach kurzer Zeit erwiderte ich seinen Kuss, weil der sich nicht mal schlecht anfühlte. Louis' Lippen waren warm und weich, seine Haut ganz glatt, denn er war gut rasiert. Seine Zunge ertastete sanft das Innere meines Mundes, strich an der Innenseite meiner Zähne und an meiner Zunge entlang. Seine Hände drückten mich besitzergreifend an sich und streichelten über meinen Rücken, langsam hinunter, bis zu meinem Arsch. Unwillkürlich schlang ich meine Arme um seinen Körper und legte sie um seine breiten Schultern. Mein Herz schlug von allein härter. „Bitte verlass mich nicht", flüsterte Louis Frédéric auf einmal an meinem Ohr. „Bitte, tu mir das nicht an, Sean Valmont. Du bist doch mein bester Freund."
Etwas Seltsames zog sich abrupt scharf in mir zusammen, weil ich wirklich nicht mal ansatzweise vermutet hatte, der beste Freund von diesem viel beschäftigten, enorm cleveren, hoch gebildeten und immer restlos selbstbewussten Millionär zu sein. Wir waren schon ziemlich lange gute Freunde, klar, aber er hatte doch eine feste Beziehung und noch jede Menge andere Freunde und Bekannte, die ich nicht mal zählen konnte. Immerhin war er vier Jahre älter als ich, und als wir uns kennenlernten, schien ich immer nur das ein bisschen nervige, ahnungslose Kind für ihn zu sein, dem er jedoch ausnahmslos mit Freundlichkeit und Gutmütigkeit begegnete. Inzwischen hatte ich ihn an Lebenserfahrung wohl eingeholt und manchmal hatten wir auch ziemlich geilen Sex. Trotzdem konnte ich mir meinen offenbar riesigen Stellenwert in Louis Frédérics privilegiertem Leben absolut nicht erklären. Das kann nicht stimmen, dachte ich völlig überfordert, und mein Herz wurde eng. Das sagt der jetzt sicher nur, weil er Angst hat, dass ich mich doch noch umbringen will, versuchte ich, eine einleuchtende Erklärung für seine rätselhafte Behauptung zu finden.
„Nein.. Louis... hör mal... ich fahr' jetzt nach Hause, dusche und gehe ins Bett... versprochen!" versicherte ich ihm gerührt und meinte es ehrlich. Meine Selbstmordgedanken hatten sich erstaunlicherweise tatsächlich restlos verflüchtigt. Sie hatten einer neuen Aufbruchstimmung platz gemacht, dem Bedürfnis, mich um mich selbst und damit auch um Clay zu kümmern. Es wunderte mich, dass Louis mir meine veränderte Stimmung offenbar nicht anmerken konnte, denn er sah noch immer besorgt aus, als er mich schließlich losließ und nachdenklich mein Gesicht betrachtete. Als er unsere Umarmung löste, fühlte ich mich tief drinnen erleichtert. „Du warst richtig gut da drin, Sean", lobte er mich und zeigte über die Straße in Richtung Eule, „Dein Vater wäre stolz auf dich gewesen." Ich grinste überheblich, denn ich wusste sehr wohl, dass ich meine aufgezwungene Rolle ziemlich lange perfekt gespielt hatte. Aber ich sparte mir einen Kommentar, weil ich echt nicht an meinen Vater denken wollte.
Stattdessen bewegte ich mich unauffällig wieder zu meinem Auto hin, denn ich wollte unverändert einsteigen und losfahren und damit von diesem Mann wegkommen, der mich irgendwie zu tief berührte. „Mach's gut, Louis. Bis später dann. Viel Glück bei deinem Pokerabend", verabschiedete ich mich distanziert und stieg hastig ein. Louis war meine Zurückhaltung nicht entgangen. Bevor ich die Tür zuschlagen konnte, stand er schon direkt neben mir. Er beugte sich zu mir herunter und streichelte drängend über meinen Arm. „Ich überprüfe das, Sean. Ich werde gleich bei dir zu Hause anrufen", betonte er nervig hartnäckig. Seine unbeirrbare Aufdringlichkeit machte mich wütend. Auch wenn er es offensichtlich gut meinte und ich seine Sorge eigentlich hätte verstehen müssen. Schließlich hatte Sean Valmont sich noch vor sehr kurzer Zeit wie ein geistesgestörter Irrer aufgeführt. Ich hatte mich bis zum Scheitel mit Koks zugeknallt und dann stundenlang reglos in meinem Auto auf den Tod gewartet. Ich hatte wahrhaftig ernsthaft das Ende meines Lebens herbeigesehnt, und ich hatte fokussiert darüber nachgedacht, mein Ende zu beschleunigen. Eindeutig stand ich noch immer unter dem Einfluss verschiedener Drogen, die ich alle in meinem Hirn miteinander konkurrieren spüren konnte.
Aber meine Sichtweise auf mein Leben hatte sich inzwischen komplett verändert, sozusagen ins Gegenteil umgewandelt. Denn jetzt wollte ich unbedingt weiterleben. Ich wollte dringend weitermachen und mich bessern, und zwar ausschließlich, um für Clay Banton da sein zu können. Aber das muss Louis ja nicht wissen, dachte ich insgeheim zufrieden, denn er würde mich deswegen sowieso nur wieder für verrückt erklären. „Wenn du meinst...", murmelte ich und trommelte demonstrativ ungeduldig mit den Fingern auf mein Lenkrad. Louis streichelte noch eine Weile meinen Arm, dann meinen Oberschenkel. Der Mann schaute mich intensiv an, während ich mich stur auf die Windschutzscheibe konzentrierte. Er wollte offensichtlich etwas von mir, was ich ihm in dieser Situation nicht geben konnte.
Schließlich verstand er meinen Wink mit dem Zaunpfahl und fuhr zum Abschied mit seinem Handrücken kurz über meine Wange. „Na gut, Sean Valmont. Dann komm mal sicher nach Hause, schlafe dich aus und denke nicht mehr so viel nach", seufzte Louis irritierend enttäuscht, richtete sich auf und machte ein paar Schritte rückwärts vom Jeep weg. Überstürzt schlug ich ihm die Tür vor der Nase zu, was zweifellos total unhöflich von mir war. Sofort schlechten Gewissens warf ich einen entschuldigenden Blick auf ihn. Mein reicher Freund grinste bösartig und machte eine ziemlich unfreundliche, obszöne Handbewegung mit seinem Mittelfinger. Im nächsten Moment verschwand er aus meinem Blickfeld, weil er eilig hinüber zu seinem Aston Martin ging, um in seine Luxuskarosse einzusteigen. Würde Herr von Ravenhorst mir jetzt ein weiteres Mal hinterherfahren, um zu überprüfen, ob ich tatsächlich nach Hause fuhr? Darüber brauchte ich nicht nachzudenken, denn ich hatte nicht den geringsten Zweifel. Natürlich würde er das tun.
Einen Moment saß ich reglos auf meinem vertrauten Fahrersitz. Ich atmete tief und zwang mich zur Konzentration. Ich fühlte mich betrunkener, als mir im Moment lieb war. Eigentlich fuhr ich in diesem Zustand aus Prinzip kein Auto, aber jetzt hatte ich schlicht keine andere Wahl. Ich musste dringend nach Hause kommen und wollte bestimmt nicht meinen Jeep unbewacht auf dem Parkplatz der Eule stehenlassen.
Also drückte ich den Startknopf, nachdem ich mich ordnungsgemäß angeschnallt hatte. In diesem Moment piepste mein Handy den Eingang einer SMS. Genervt holte ich das Gerät aus meiner Jacke, in Erwartung, eine weitere besorgte Nachricht von meinem Mitbewohner Marc Hellberg vorzufinden. Aber diese SMS war auf Louis Frédéric von Ravenhorsts Mist gewachsen, der gegenwärtig neben mir in seinem Auto saß und jetzt feixend zu mir herüberguckte. Du bist manchmal so ein total durchgeknallter Mistkerl, Sean Valmont. Aber ich liebe dich trotzdem. las ich und musste lächeln, weil das irgendwie total liebevoll war. Schnell tippte ich gleichfalls für Louis und steckte das Handy zurück in meine Jackentasche. Er hupte, zum Zeichen dafür, dass meine kurze Nachricht bei ihm angekommen war. Ich schenkte ihm noch einen Blick durch die Seitenscheiben, und wir winkten ziemlich albern und warfen uns Kusshände zu.
Dann rangierte ich den großen Jeep langsam vom Parkplatz und fuhr extrem vorsichtig auf direktem Weg zu meinem Haus. Den ganzen Weg lang war ich krampfhaft auf den Straßenverkehr fokussiert. Im Rückspiegel konnte ich Louis' wunderschönen Aston Martin sehen, der mir selbstverständlich so lange hinterher fuhr, bis ich an meinem Ziel angekommen war. Als ich letztendlich auf meine Einfahrt einbog, hupte Louis Frédéric zweimal und fuhr davon.
Eliza
Ja, das war gut so! Endlich war mir genau die richtige Formulierung geglückt. Nachdem ich meinen kurzen Brief ungefähr hundertmal durchgelesen, verbessert und abgeändert hatte, faltete ich nun das Stück Papier zufrieden zusammen. Der Brief war für Clay. Ich hatte ihm all das geschrieben, was mir beim Betrachten seiner Bilder und Fotos eingefallen war, all das, was ich ihm noch hatte sagen wollen, aber nach meinem Empfinden nicht mehr die rechte Möglichkeit dazu gehabt hatte, bevor er am Abend wütend aus meinem Badezimmer abgerauscht war. Jetzt hatte ich meine Gedanken und Gefühle ganz spontan, und nach langer Zeit endlich erfolgreich, in einen altmodischen Brief gepackt, und ich hatte mich dabei so eindeutig und unkompliziert ausgedrückt, dass auch ein Clay Banton mich verstehen musste, dachte ich. Eigentlich war Clay nicht dumm, denn immerhin hatte er das Abitur geschafft und sogar angefangen zu studieren. Aber der impulsive Mann war gedankenlos, oberflächlich, gleichgültig, und deshalb kam fast nichts so bei ihm an, wie es gemeint war. Oder er hörte schlicht nicht richtig zu, weil es ihn nicht interessierte.
Aber mein Brief würde ihn interessieren. Meinen sorgfältig formulierten Brief würde er ganz bestimmt aufmerksam lesen, denn bisher hatte ich ihm noch nie einen Brief geschrieben. Clay konnte sich beim Lesen Zeit lassen und alles mehrmals durchgehen, damit der Sinn auch richtig zu ihm durchdrang. Mit einem warmen und liebevollen Gefühl im Bauch stellte ich mir vor, wie mühsam konzentriert sich Clay mit dem DIN-A 5 Blatt beschäftigen würde. Er würde sicher jedes Wort zweimal lesen müssen, um die Sätze in seinem Kopf auf ihre Bedeutung hin analysieren zu können. Aber im Endeffekt würde Herr Banton mich begreifen, da war ich mir ganz sicher. Er würde einsehen, warum ich unsere Beziehung beenden musste.
Gleich morgen in aller Frühe, auf dem Weg zur Arbeit würde ich auf einem kleinen Umweg an seinem Haus vorbeifahren, um ihm den Brief persönlich zuzustellen. Ich würde den Umschlag mangels Briefkasten sehr gut sichtbar vor seine Tür legen, damit Clay ihn auch bestimmt nicht übersehen konnte. Dann konnte er schon morgen früh unser gemeinsames Kapitel abschließen, ohne sich für das Ende übermäßig schuldig zu fühlen. Hoffentlich würde ihn das besänftigen. Der Gedanke gefiel mir, und ich lächelte selig vor mich hin. Mit dem Brief hatte ich das befreiende Gefühl, für die zweijährige Clay-Episode in meinem Leben endlich einen befriedigenden Abschluss gefunden zu haben. Dies war mein persönlicher Schlussstrich, mit dem ich gut leben konnte und mehr als zufrieden war. Ich war stolz auf mich.
Ja, mein Brief war mir wirklich gut gelungen. Ich hatte Clay in kurzen, einfachen Sätze all das erklärt, was mir wichtig war. Ich hatte ihm für die schöne Zeit und seine Hilfe gedankt, die ich nie vergessen würde. Ich hatte ganz bewusst darauf verzichtet, ihm irgendeine Schuld zuzuweisen. Clay würde sich nicht länger böswillig verlassen und verstoßen fühlen, denn ich hatte ihm versichert, dass ich trotz allem für immer eine gute Freundin für ihn sein wollte. Okay, ich brauchte noch eine Weile, um genügend Abstand zu diesem zweifellos extrem attraktiven und anziehenden Mann zu finden. Aber schon bald würde ich stark genug sein, um seine Anwesenheit rein freundschaftlich ertragen zu können. Oh, ich hoffte so sehr, dass Clay sein Leben in den Griff bekam und vor allem mit den harten Drogen aufhörte! In meinem Brief hatte ich ihn noch einmal darum gebeten, und vielleicht würde er sich das ja jetzt zu Herzen nehmen.
Zufrieden mit mir und der Welt steckte ich meinen Brief in einen Umschlag, beschriftete ihn und klebte ihn zu. Das war's, dachte ich lächelnd, diesmal habe ich wirklich alles richtig gemacht. Niemand konnte mir vorwerfen, dass ich Clay in meinem Brief schlecht behandelte oder ihn gar beschimpfe. Nein, meine wohlüberlegten und immer wieder verbesserten Worte waren sehr nett, freundschaftlich und in dem Maße besorgt, die der Wahrheit entsprach. Denn natürlich machte ich mir noch immer Sorgen um Clay Banton. Aber meine Sorge würde mein eigenes Leben nicht länger belasten, das würde ich nicht mehr zulassen.
Ich legte den fertigen Briefumschlag auf den Nachttisch, verließ mein Zimmer und ging hinüber ins Badezimmer, um mich fertig fürs Bett zu machen. Beim Zähneputzen fragte ich mich plötzlich, was Clay jetzt in diesem Moment wohl gerade tat. Der zweifellos sensible Mann hatte Sean und mich so zornig verlassen. Er war so vollständig aufgelöst gewesen, wie ich ihn vorher noch nie erlebt hatte. Und auch Valmont war ihm dermaßen wutentbrannt hinterhergelaufen, dass ich vermutete, dass die beiden Männer sich sicherlich noch eine längere Zeit heftig gestritten hatten, nachdem sie meine Wohnung verlassen hatten. Aber genauso sicher war ich mir, dass Clay und Sean sich inzwischen längst wieder versöhnt hatten. Das war doch schließlich immer so! Sie schlugen und ich liebten sich, das totale Klischee! Womöglich lagen die beiden ansehnlichen Männer just in diesem Augenblick schon wieder eng umschlugen in irgendeinem Bett oder sonst wo.
Bei der Vorstellung blies ich geringschätzig Luft aus. Sollten sie doch! Ihre unzerstörbare Liebe konnte mich jetzt nicht mehr belasten, nicht im Geringsten! Die beiden Kerle konnten tun und lassen, was immer sie wollten, denn ich hatte mich mit meinem Brief endgültig von Clay verabschiedet, und das bedeutete wohl auch, dass ich mit Sean in nächster Zeit nichts mehr zu tun haben würde. Das war völlig okay. Ich wollte es so. Denn ich hatte ein eigenes Leben, um das ich mich jetzt wieder ausführlich kümmern wollte.
Nachdem ich meinen Schlafanzug angezogen hatte, aufs Klo gegangen war und mich gewaschen hatte, ging ich zurück in mein Zimmer, schloss die Tür und legte mich in mein Bett. Ich wollte früh schlafen gehen, denn am nächsten Tag musste ich zurück zur Arbeit. Die schönen, freien Tage waren leider schon wieder vorbei. Mein planmäßiger Dienst begann mit einer Frühschicht, deshalb musste ich spätestens um sechs Uhr morgens im Krankenhaus sein. In Gedanken ging ich sorgfältig durch, was ich auf der Station alles vorbereiten musste, bevor dann gegen sieben Uhr die Patienten geweckt werden würden. Dienstags hatte ich viel zu tun, deshalb sollte ich wirklich schlafen, um ausgeruht zu sein.
Also löschte ich das Licht, kuschelte mich in die Decke und lag noch einen Moment mit offenen Augen da. Rowina war noch nicht zurück. Bestimmt flirtete sie schon wieder kräftig irgendwo mit irgendwem, die vergnügungssüchtige Matrone! Bei dieser Bezeichnung, die mir spontan zu Rowina eingefallen war, musste ich plötzlich lachen. Rowina war schon in Ordnung und ich war froh, sie zur Freundin zu haben. Lächelnd schloss ich die Augen und schlief innerhalb kürzester Zeit ein.
Clay
Als ich endlich in meine Straße einbog, hatte ich mittlerweile einen Ständer und konnte mich kaum noch beherrschen, Djamila nicht gleich hier in meinem MG zu vögeln. Ständig musste ich auf ihre schwarzen Hot Pants und das Stück nackte Haut an ihrem Oberschenkel starren, das mich unglaublich reizte. Immer wieder mogelte meine rechte Hand sich zwischen ihre Beine. Ich wollte sie dringend küssen und lehnte mich gegen sie. Djamila lachte amüsiert und schob mich von sich weg, obwohl wir im engen Auto trotzdem sehr nah beieinander blieben. Die Frau platzierte meine gierige Hand mit unermüdlicher Energie zurück ans Lenkrad. „Pass auf die Straße auf, Clay! Vorsicht! Fahr gerade! Vergiss nicht zu lenken! Du fährst Schlangenlinien, Clay!" beschwerte sie sich pausenlos. Aber sie lachte dabei, denn in Wahrheit hatte sie Spaß an mir und unserer beengten Situation.
Mir war schon klar, dass ich irgendwie im Zick-Zack über die verdammte Straße fuhr. Aber das war mir so was von schnurz, denn es ging mir gut. Ich war geil und würde in sehr naher Zukunft diese Frau ficken. In dem Auto hinter uns, das uns beständig folgte, warteten noch vier andere Schnecken sehnsüchtig auf meine unwiderstehliche Potenz, und deshalb konnte meine Welt gar nicht verheißungsvoller aussehen. Ich würde den Weibern eine verdammte Party bieten, die ihnen das Hirn rausblasen würde! Apropos blasen, dachte ich grinsend, mit Sicherheit würde mindestens eine meiner Begleiterinnen mir diesen Gefallen tun, und verfickt nochmal, das würde mich wahrhaftig wunschlos glücklich machen!
Mein Ziel kam näher, fast hatten wir mein Haus schon erreicht. Aber ich war gerade irgendwie abgelenkt von meinen geilen Phantasien, die das gestaute Blut in meinem Schwanz höchst angenehm vibrieren ließen, als Djamila plötzlich warnend schrie: „Pass doch auf, Clay! Wir sind jetzt da! Du musst bremsen!" Die dumme Frau griff mir so abrupt und dreist ins Lenkrad, dass ich vor Schreck zusammenzuckte und hastig ebenfalls nach dem Lenkrad grapschte. Irgendwie rissen wir den MG nach rechts und rumpelten auf den Bürgersteig, was mich noch mehr erschreckte. Instinktiv latschte ich mit voller Wucht auf die Bremse, vergaß aber, gleichzeitig die Kupplung zu treten, sodass mein armer Motor mit einem protestierenden Kröchen erstarb. Der MG rutschte blöderweise über den Schnee. Ich sah mich schon gegen die Hauswand krachen und schloss ergeben die Augen.
Aber zum Glück blieb der erwartete Aufprall aus. Wir standen jetzt, und ich öffnete meine Augen wieder und fiel spontan über Djamila her, indem ich mich energisch über sie beugte. „Was soll das? Du darfst mir doch nicht ins Lenkrad greifen!" fuhr ich sie wütend an, küsste aber gleichzeitig gierig ihren Hals, weil der nicht geschminkt war. In ihrem Gesicht war entschieden zu viel Make-up, und das wollte ich bestimmt nicht ablecken. Djamila kicherte und wehrte mich halbherzig ab. „Du bist wie eine gesenkte Sau gefahren, Clay. Du kannst total froh sein, dass die Polizei dich nicht angehalten hat", betonte sie lachend. „Ich zeig dir gleich die Sau in mir!" keuchte ich total angetörnt und schob meine Finger abermals über ihren Oberschenkel zwischen ihre Beine. „Du hast immer so viel mehr Glück als Verstand, Herr Banton! Das ist unglaublich!" meinte Djamila kopfschüttelnd. „Du bist auch unglaublich...", versicherte ich ihr atemlos und wollte mich verlangend über sie legen, aber plötzlich rastete mein blöder Gurt ein und hielt mich ruckartig zurück. Die Nutte fand das total lustig und lachte laut auf. Knurrend musste ich mich auf meinen Sitz zurückziehen und nestelte genervt an dem Gurtverschluss herum, als Mila plötzlich ihre Hand auf meinen Schwanz legte. Unwillkürlich stöhnte ich auf und drückte ihr mein Becken entgegen, als sie vorwitzig meine Erektion ertastete. Ihre Augen leuchteten einladend im Schein der Straßenlaterne, die wir vorhin beinahe gerammt hatten. „...Mila... bitte...", hechelte ich drängend. Sie lächelte für eine Hure enorm liebevoll. „Kannst du dich noch bis in deine Wohnung gedulden, Clay?" wollte sie zwinkernd wissen.
Ich konnte es definitiv nicht, aber mir war klar, was sie damit sagen wollte, also riss ich mich zusammen und schob ihre Hand an meinem Penis zur Seite. „Nein, nein, meine Liebe... Du musst dich noch gedulden!" erklärte ich ihr gespielt streng, woraufhin sie schon wieder belustigt kicherte, was irgendwie süß war. „Hier, nimm das, Clay, damit du dir deinen schnuckeligen Kopf nicht abfrierst", sagte Djamila und holte aus ihrer Jackentasche eine graue Beanie, die sie mir auch gleich aufsetzte. Die Mütze fühlte sich schön warm an, deshalb hatte ich nichts dagegen, sie aufzubehalten.
Endlich schaffte ich es, meinen nervigen Gurt loszuklinken und mich von ihm zu befreien. Ich drehte mich zur Seite, zog an dem Türgriff und trat die Fahrertür mit einem gut gezielten Tritt auf, obwohl ich so brutal sonst niemals mit meinem MG umgehe. Aber ich war betrunken, shoredicht, erwartungsfroh und extrem übermütig. Ich lehnte mich aus dem Auto und fiel geradewegs in den Schnee, weil sich vor meinen Augen alles drehte. Der verdammte Schnee war verflucht kalt und nass und ich saß ein Weile mittendrin, weil mein Gleichgewichtssinn außer Kontrolle war. „Alles okay?" fragte Mila besorgt und kletterte mühsam über die Mittelkonsole auf mich zu, um mir zu Hilfe zu eilen. Irgendwie schaffte sie es aus dem engen MG heraus und wollte mir aufhelfen, aber das klappte nicht, weil ich mich extra schwermachte. Es reizte mich enorm, Djamila zu mir herunterzuziehen und sie gleich hier auf dem Bürgersteig zu rammeln.
Andererseits wäre das wohl ziemlich unbequem und viel zu kalt, überlegte ich frustriert, und verwarf den kühnen Gedanken wieder, weil mir plötzlich einfiel, dass ich gerade gegen meine eigene Hauswand gefahren war. Ich stemmte mich hoch und bewegte mich vorsichtig auf die Front meines Autos zu, weil ich überprüfen wollte, ob meine Stoßstange Schaden genommen hatte, was mir echt nicht gefallen hätte. Die Umgebung schwankte noch immer, darum hangelte ich mich an der Karosserie entlang nach vorne und schaute mir konzentriert die Vorderseite des Sportwagens an, die zum Glück okay aussah. Ich registrierte, dass ich wahrhaftig kurz vor der Mauer zum Stehen gekommen war. Darüber war ich extrem froh und erleichtert, denn eine Reparatur wäre teuer geworden.
„Fuck! Das war knapp!" sagte ich vorwurfsvoll zu Djamila, die mir neugierig gefolgt war und jetzt ebenfalls mein Auto begutachtete. Immerhin war es ihre Schuld gewesen, dass wir auf den Bürgersteig geraten waren. Die Frau lachte nur und meinte allen Ernstes, dass doch nichts passiert wäre und ich perfekt eingeparkt hätte, die dumme Nuss. Aber eigentlich war mir das egal, denn mein Auto war in Ordnung und das war schlicht alles, was zählte. Ich ging zurück zur offen stehenden Fahrertür, beugte mich ins Auto, zog den Schlüssel ab und schaltete das Licht aus. Dann schlug ich die Tür zu und schloss den Wagen ab. Ich hatte keinen Bock ihn umzuparken, und ich ging davon aus, dass er ruhig mal eine Nacht so schräg auf dem Bürgersteig stehenbleiben konnte. Schließlich kamen hier nicht viele Leute vorbei, die das Fahrzeug hätte stören können.
Im nächsten Moment war ich schon wieder voll auf die nahe bevorstehende Zukunft fokussiert und dachte nur noch an den geilen Sex, den Mila und ich gleich in meiner warmen Wohnung haben würden, vielleicht auf dem Sofa, im Whirlpool oder von mir aus auch im Wasserbett. Hier draußen war es unangenehm kalt und dunkel, und ich sehnte mich ganz erbärmlich nach jeder Menge Streicheleinheiten. Selbstverständlich würde die Frau mir zuallererst ihre Hand auf den Bauch legen, und das konnte ich verdammt nochmal nicht länger erwarten. Ungeduldig steuerte ich direkt auf meine Wohnung zu, aber ich torkelte ein bisschen, weil ich hammermäßig zugeknallt war. Djamila kam hilfsbereit neben mich und legte mir stützend ihren Arm um den Rücken, was mir nur recht war.
Meine Vorfreude stieg beträchtlich, als mir plötzlich einfiel, dass da noch mehr Frauen waren, die ich für einen Moment schon beinahe vergessen hatte. Aber jetzt erinnerte ich mich an die vier Grazien, die ich bei McDonald's aufgegabelt hatte. Sie waren mir die ganze Zeit mit ihrem dicken BMW hinterher gefahren, weil sie unbedingt eine geile Party mit mir feiern wollten. Die interessanten Mädels hatten mich nackt in Jill Bennets Blog gesehen und waren deshalb unglaublich scharf auf mich. Sie waren interessiert und aufgeschlossen genug, um mich vertrauensvoll bis in meine Wohnung zu begleiten. Diese Tatsache törnte mich tierisch an, denn ich war ungemein neugierig auf die vier unerforschten weiblichen Körper. Die Ungewissheit war spannend und anregend, denn ich konnte nicht abschätzen, wer von den Vieren wohl letztendlich meine Partnerin werden würde. Ich war gespannt darauf, was die Chicks wohl zu bieten hatten und wie weit sie letztendlich mit mir gehen würden.
Insgesamt war ich davon überzeugt, dass wir alle Sechs so richtig viel Spaß haben würden, und ich fühlte mich in meiner Rolle als konkurrenzloser Hahn im Korb sauwohl. Sie wollten mich? Himmel, sie konnten mich haben, und zwar jeden verdammten Teil von mir! Liebend gerne würde ich gleich alles dafür tun, um jede einzelne von ihnen wunschlos glücklich zu machen.
Ein kurzer Blick über die Schulter verriet mir, dass die jungen Frauen mir unverändert anhänglich folgten. Ein unartiges Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Diese Nacht versprach einfach phantastisch für mich zu werden, denn sie bot mir ausnahmslos alles an, was ich mir wünschen konnte. Breit grinsend taumelte ich mit Mila im Arm die Straße entlang Richtung Hauseingang. Bei jedem Schritt spürte ich meinen Schwanz sehr intensiv. Er war ziemlich hart, eng in die Jeans gequetscht und rieb sich beim Laufen rhythmisch am Stoff meiner Boxershorts, was mich ganz hibbelig machte.
Jetzt mussten wir gleich an der Treppe ankommen. Träge hob ich meinen Blick und erschrak. Ich blieb so abrupt stehen, dass ich fast mein Gleichgewicht verlor und heilfroh war, als Djamila so dicht neben mir mich festhielt. Da stand jemand vor meinem Haus, direkt am Eingang, was mich total verwirrte, weil ich nie im Leben damit gerechnet hatte. Im ersten Moment befürchtete ich, dass es vielleicht die Bitch Bennet wäre, die mir jetzt womöglich etwas über ihre millionen Klickzahlen für ihren blöden Blog erzählen wollte. Das nervte mich extrem, weil ich scharf aufs Ficken war und echt keinen Bock auf weitere Verzögerungen hatte. Aber nach einem prüfenden Blick wurde mir klar, dass es auf keinen Fall Jill Bennet sein konnte, denn die Frau, die dort abwartend auf dem Bürgersteig stand, war viel kleiner und höchstens halb so dick wie die dreiste Reporterin. Im Gegenteil, die fremde Olle schien spindeldürr zu sein. Sie sah so durchgefroren aus, als hätte sie schon ewig lang dort in der eisigen Kälte gestanden und offenbar auf mich gewartet, was ich mir nicht erklären konnte. Sie hatte ihre blau-grau-schwarz karierte Mütze und den passenden Schal tief ins Gesicht gezogen, und verdammt, diese Sachen beunruhigten mich zunehmend, je länger ich sie betrachtete, weil sie mich an irgendwas erinnerten.
Ungefähr drei Sekunden später erkannte ich plötzlich ihren seltsamen Wintermantel, die Winterstiefel, und meine ganze Welt ging mit einem heftigen, imaginären Schlag in meine Magengrube kaputt. Diese Erkenntnis fühlte sich an, wie ein völlig unerwarteter Tritt mitten in mein dummes Gesicht. Panisch rang ich nach Luft und machte instinktiv einen Schritt rückwärts, wobei ich mich aus Djamilas Arm löste. Das bemerkte ich aber gar nicht, weil ich nur noch entsetzt das kleine Junkiemädchen anstarren konnte, die mit Abstand die allerletzte war, die ich hier und jetzt sehen wollte. Die Hexe war zurückgekehrt, um mich endgültig fertigzumachen! Die Furie war hinterhältig, undurchsichtig und rachsüchtig wie eh und je! Und sie wartete hier, um mich zu vernichten. Das war so was von totale Scheiße, dass ich es nicht fassen konnte. Ich bekam keine Luft mehr, mein Hals schnürte sich zu, und in meinem von zu vielen Drogen verwirrtem Gehirn brach unwillkürlich der reinste Tornado los.
Sofort war ich mir hundertprozentig sicher, dass Kimberly wieder wütend auf mich war. Welchen Grund sollte sie auch sonst haben, erneut ungebeten bei mir aufzutauchen?! Die Bitch lauerte mir hier im Schatten auf, weil sie sich an mir rächen wollte, und ihre brutalen Freunde konnten auch nicht weit weg sein. Das alarmierte mich enorm. Panisch, hektisch suchte ich mit schnellen Blicken die nähere Umgebung ab, um auf die drohende Gefahr vorbereitet zu sein. Aber ich war stoned und konnte in meiner heftigen Angstattacke kaum etwas sehen. Ich war mir sicher, dass das Junkiemädchen ganz extrem sauer auf mich war, aber mir wollte kein Grund dafür einfallen.
Die Gedanken rauschten so schnell durch meinen Kopf, dass ich nichts richtig festhalten konnte. Hatte ich etwas vergessen oder übersehen? War es vielleicht wegen diesem Blog, weil ich nackt zu sehen war und ziemlich gut dabei wegkam? Hatte ihr der gestrige Abend in meiner Wohnung nicht gefallen, fühlte sie sich womöglich von mir sexuell genötigt, vergewaltigt oder schlecht behandelt? Oder konnte sie es schlicht nicht ertragen, dass es mir, bevor sie plötzlich vor mir stand, noch so richtig gut gegangen war? Fuck, ja, ich war wahrhaftig zufrieden gewesen, voller freudiger Erwartungen. Die blöde Fotze gönnte mir mein Glück wahrscheinlich nicht, weil ich in ihren Augen ein verachtenswerter Perversling war!
„Nein, Clay. Ich bin allein", sagte das Junkiemädchen zu mir und machte einen Schritt auf mich zu. Intuitiv wich ich vor ihr zurück, aber dann merkte ich plötzlich, dass ich mich wie ein jämmerlicher Schwächling aufführte, und ich zwang mich dazu, vor ihr stehenzubleiben. Stöhnend hielt ich mir den verwirrten Kopf fest und schloss für einen Moment die Augen. Die Enttäuschung schlug gnadenlos zu. Verdammt! Das konnte doch nicht wahr sein! Dieser Tag war für mich so beschissen gelaufen, voller unangenehmer Überraschungen, Kränkungen und Gemeinheiten. Jemand hatte mich ziemlich schlimm verprügelt. Ich war von Sean Valmont in einem beknackten Gebüsch vergewaltigt worden, verdammt nochmal! Der dunkle Schatten war ungewollt in mir aufgetaucht. Der Dämon hatte schmerzhaft in mir gewütet und damit gedroht, mich endgültig zu verschlingen. Es war wahrhaftig nicht leicht gewesen, mich dem zu entziehen.
Und jetzt, wo ich so hart daran gearbeitet hatte, mir einen richtig schönen Abend in netter Gesellschaft zu basteln und alles perfekt zu sein schien, wurde mir mit dem plötzlichen Erscheinen der verfluchten Kimberly-Hexe alles wieder weggenommen.
Ich war so wütend, so vollständig vor den Kopf geschlagen, dass ich am liebsten laut geschrien und geheult hätte. Aber ich stand nur dort und konnte mich nicht mehr rühren. Meine schöne Erektion, auf die ich mit Recht stolz gewesen war und deren Zustandekommen mich insgeheim enorm erleichtert hatte (denn – nun ja – es war nun mal eine Tatsache, dass übermäßiger Drogenkonsum sich manchmal einschläfernd auf meinen Sexualtrieb und negativ auf meine Potenz auswirkte), verkrümelte sich dank meiner instinktiven Wut und Panik zusehends.
Djamila und die vier Frauen aus McDonald's standen auf einmal um mich herum. Alle quatschten durcheinander, aber ich konnte sie kaum hören, weil ich das Gefühl hatte, jeden Moment ohnmächtig zusammenzubrechen. Ich fühlte mich besiegt und hatte unglaublich Schiss, dass Kims bewaffnete Teenager-Freunde jeden Moment brutal auf mich losgehen würden. Dieser Schlag gegen meine empfindsame Seele schien zu groß zu sein, als hätte ich ihn noch einfach so verpacken können.
Plötzlich wandte Mila sich überschwänglich zu mir und meinte kichernd: „Ach, mein armes Schätzchen, was ist denn los mit dir? Hast du etwa Angst vor deiner kleinen Freundin? Du musst doch keine Angst vor ihr haben! Wir passen alle gut auf dich auf!" Das Weib lachte gutmütig und küsste mich mit ihren pinken Lippenstift-Lippen ins Gesicht, und ich drehte fast durch und wischte die Farbe angewidert weg. Ich konnte es nicht ertragen, dass die Hure sich unverändert köstlich amüsierte, dass sie sich sogar über mich lustig machte, obwohl doch gerade meine geile Zukunft in einem großen Nichts explodiert war und nur noch Wut, Verzweiflung, Enttäuschung und Angst zurückgelassen hatte. Alles war umsonst gewesen, jeder Aufwand im Burger-Laden vergebens! Denn die Gestalt des Junkiemädchens war dermaßen konfliktbelastet, dass jede Leichtigkeit sich aus mir verflüchtigt hatte. Nichts würde mehr so sein, wie ich es mir gerade noch vorgestellt hatte. Scheinbar hatte ich nicht das Recht dazu, um glücklich zu sein.
Womöglich war alles meine eigene Schuld, obwohl ich wirklich nicht dahinterkam, was ich diesmal falsch gemacht hatte. Nein, es ist nicht deine Schuld, schrie eine wütende Stimme in meinem Kopf mich trotzig an, du hast nämlich alles richtig gemacht. Es ist ganz allein diese verfluchte Hexe, die dir schon wieder alles kaputtmacht. Am Samstag im Old Daddy warst du richtig gut drauf, alles war klasse, und sie hat dir böswillig alles zerstört. Und jetzt steht sie aufs Neue ungefragt auf der Matte und will dich leiden sehen. Die kann es einfach nicht ertragen, dich glücklich zu sehen, die bösartige Schlampe! Zur Hölle mit ihr!
Energisch machte ich einen Schritt auf Kim zu. Ihre wachsamen Augen weiteten sich ängstlich. Sie musste sich anstrengen, um nicht vor mir zurückzuweichen, und das gefiel mir total. Sie kann dir nichts tun, redete ich mir krampfhaft zu, allein hat sie keine Chance gegen dich! Aber mein Herz schlug zornig und ängstlich von innen gegen meine Brust, weil ich davon ausging, dass Kimberly keineswegs allein zu meinem Haus gekommen war, um hier im Dunkeln auf mich zu warten, sondern sehr wohl bewaffnete, gewaltbereite Verstärkung mitgebracht hatte. „Was willst du hier, Kim?" knurrte ich drohend, weil ich hören wollte, ob sie wenigstens ehrlich zu mir war. Ich taxierte sie und registrierte, wie traurig ihre grünen Augen wirkten, und wie kalt ihr offensichtlich war. Ihr junges Gesicht unter der Mütze erinnerte mich an irgendwas, und für einen Augenblick war ich vollkommen verwirrt. „Ich bin allein hierhergekommen, Clay", wisperte sie eingeschüchtert.
Alles zog sich in mir zusammen, weil ich ihr das einerseits nicht glauben konnte und es mich andererseits an den vorherigen Abend mit ihr erinnerte. Plötzlich hatte ich diese kleine Frau vor Augen, wie sie einsam in meinem kahlen Hausflur gestanden und mich angefleht hatte, sie doch bitte hereinzulassen, damit sie sich bei mir entschuldigen konnte. Was zur Hölle...? Wollte das Mädchen sich etwa schon wieder pausenlos bei mir entschuldigen? War sie womöglich geisteskrank?
„Warum bist du allein hierhergekommen? Warum hast du deine Freunde nicht mitgebracht?" kläffte ich böse. Nervös behielt ich die Umgebung im Auge, weil ich erwartete, dass ihr maskierter Freund mit seinen Kumpels jeden Moment aus irgendeiner Richtung auftauchen würde. Dass diese brutalen Jungs es drauf hatten, sich unbemerkt an mich heranzuschleichen, hatten sie mir ja Samstagnacht in der ausgestorbenen Gasse unweit des Old Daddys recht eindrucksvoll demonstriert. In diesem Moment fiel mir ein, dass ich ja, im Gegensatz zum Samstag, diesmal nicht allein war, sondern mir fünf Frauen mitgebracht hatte, die mir allesamt eindeutig wohlgesonnen waren. Das erhöht meine Chancen, möglichst unversehrt aus dieser gefährlichen Nummer wieder herauszukommen, registrierte ich dankbar. Intuitiv griff ich mir zwei der Mädels, indem ich meine Arme seitlich ausstreckte und hastig um ihre Taillen schlang. Ich zog die weichen Körper dicht an meine Seite, um mich mit ihnen vor den erwarteten Gefahren abzuschirmen.
Kimberly beobachtete mich aufmerksam. Meine weibliche Begleitung schien ihr nicht zu gefallen, denn sie beäugte die Frauen abweisend und wirkte unglücklich dabei. Hämisch grinsend informierte ich das Junkiemädchen darüber, dass wir gleich eine Riesenparty feiern würden, obwohl mir absolut klar war, dass meine heiß ersehnte Sexparty ausfallen würde. Es würde alles anders sein, denn schon jetzt war nichts mehr so, wie es vor dem Auftauchen von Kim gewesen war. „Du kannst deine Freunde auch einladen! Sie können bei unserer Party mitmachen!" schlug ich ihr sarkastisch vor und zog eine aggressive Grimasse. Am liebsten hätte ich ihr den Hals umgedreht. Das verrückte Weib hatte mich gestern immer wieder angefleht, dass ich ihr ihre brutale Rache an mir verzeihen sollte, und für mich war diese unangenehme Episode längst abgehakt. Aber jetzt stellte sich heraus, dass es in Wahrheit Kimberly war, die mir nicht verzeihen konnte. Die rachsüchtige Bitch wollte noch viel mehr Blut sehen, und das fand ich ganz schön scheiße von ihr.
Die anderen blöden Kühe checkten natürlich gar nichts, kicherten nur immerzu belustigt und hielten meinen Vorschlag für eine gute Idee. Die Hühner waren, genau wie ich, scharf auf Sex, hatten sich auf eine geile Zeit mit mir gefreut, konnten sich die Anwesenheit der Fremden nicht erklären und waren von der Verzögerung genervt.
Ich war auch ganz schön genervt und total ungeduldig. Wir steckten in dieser unangenehmen Situation fest, und irgendwie ging es nicht mehr voran. Umgeben von den friedlichen Menschen fühlte ich mich relativ sicher, deshalb fragte ich das Junkiemädchen ganz spontan, ob sie nicht auch bei unserer Party mitmachen wollte. Ich versprach der Bitch, sie bis zur Ohnmacht durchzuvögeln, taxierte sie dabei und fickte sie brutal mit meinem Blick. Meine Obszönität sollte sie schockieren, denn ich wollte unbedingt, dass sie auf der Stelle verschwand. Das aufdringliche Weib sollte einfach nur abhauen und mich verdammt nochmal in Ruhe lassen! Das hier war alles Mist und kein bisschen so, wie ich es mir gewünscht hatte. Enorm dringend wollte ich den angenehmen, zuckersüß unbeschwerten Zustand von vorher wiederherstellen. Aber tief drinnen wusste ich genau, dass mir das sowieso nicht mehr gelingen würde. Dazu war es längst zu spät, Kimberly hatte mich zu sehr schockiert.
Trotzdem versuchte ich es mit verzweifelter Besessenheit. Schwankend ließ ich die Taillen der beiden Weiber neben mir los, konzentrierte mich allein auf Kim und machte einen weiteren zornigen Schritt auf sie zu. Ihre Augen weiteten sich alarmiert. Drohend beugte ich mich zu dem kleinen Mädchen herunter und fixierte ihr junges Gesicht. „Hau ab, Kim. Lauf lieber weg, so schnell du kannst!" forderte ich sie unmissverständlich auf und hoffte stark, sie damit genug einzuschüchtern, dass sie auf mich hören und auf der Stelle verschwinden würde. Gebannt fokussierte ich mich auf Kimberlys Augen, um ihre Reaktion richtig erfassen zu können. Ich versuchte, in meinen drohenden Blick die ganze Dringlichkeit meiner Aufforderung zu legen. Geh weg, dachte ich flehend, während ich sie auffordernd anstarrte, hau einfach ab und gönne mir diesen geilen Spaß hier! Nach diesem scheiß Tag habe ich eine angenehme Auszeit mehr als verdient! Du kannst dich an einem anderen Tag nochmal an mir rächen, wenn es dich weiterhin danach verlangt! Aber heute Nacht habe ich endgültig die Schnauze voll von Gewalttätigkeiten jeder Art!
Das Mädchen blieb die ganze Zeit stumm, anscheinend fehlten ihr die Worte. Eine Weile fixierten wir uns schweigend, und in Kims Augen flackerte etwas auf, was meinen Herzschlag unwillkürlich beschleunigte. Ein Verstehen vielleicht, ein Sinneswandel oder auch nur Kapitulation. Sie wird tatsächlich gehen, glaubte ich in ihrem Blick zu lesen, Gott sei Dank versteht sie mich und haut jetzt ab! Vielleicht kann doch noch alles gut werden! Womöglich habe ich diese verfluchte Katastrophe nochmal abgewendet und die verrückte Frau pfeift ihre Bluthunde wahrhaftig zurück. Mein Herz hämmerte verstärkt hinter meinen Rippen, weil unser Blickkontakt so intensiv war und ich zu erkennen glaubte, dass das eindeutig verunsicherte Junkiemädchen wahrhaftig in Erwägung zog, unverrichteter Dinge das Feld zu räumen. Denn damit wären in diesem Moment schlicht alle meine Wünsche erfüllt gewesen.
Aber im nächsten Augenblick mischte Djamila sich ein, und zwar auf eine Art, die mir den Boden unter den Füßen wegzog. Die verfickte, ahnungslose Nutte machte mit ihrer arglosen Freundlichkeit schlagartig alles wieder kaputt, was ich in Bezug auf Kimberly gerade erst erreicht geglaubt hatte. „Willst du uns deine Freundin nicht endlich mal vorstellen, Spatz?" flötete die Prostituierte, trat neben mich und hakte mich vertraulich unter. Am liebsten hätte ich die verdammte Hure sofort mit Karacho ins Gesicht geschlagen. Wie konnte sie nur so unglaublich blöd sein? Warum mischte sie sich überhaupt hier ein? Warum hielt Djamila sich denn nicht einfach mal raus und ihre blöde, viel zu grell geschminkte Fresse?!
Ich war sofort so wütend auf sie, dass ich mich kaum noch beherrschen und deshalb nicht reagieren konnte, als Mila sich auch schon an Kim wandte und ihr grüßend die Hand hinhielt. „Ich bin Djamila", stellte sie sich vor, weitaus höflicher, als es sonst ihre Art war. Fuck, dachte ich, und drehte beinahe durch, Fuck, Fuck, Fuck! Das konnte doch alles echt nicht wahr sein! Die ganze beschissene Welt hatte sich eindeutig gegen mich verschworen! „Hallo. Ich bin Kim", erwiderte das Junkiemädchen kleinlaut und schüttelte Milas Hand. Ich konnte nur hilflos dabei zusehen und wurde fast wahnsinnig. Der ganze Abend lief komplett falsch, alles ging endgültig kaputt, und ich stand nur ratlos daneben und hatte keinen Plan mehr. Denn es war einfach nicht drin, dass die Hexe an meiner Party teilnahm, weil sie nämlich voller undurchsichtiger Verschlagenheit war, voller tiefgründiger Fragen und seltsamer Zauberkräfte.
Plötzlich erinnerte ich mich viel zu gut an mein letztes Zusammentreffen mit Kim, den gestrigen Abend in meiner Wohnung. Das fremde Mädchen hatte mich in der Nacht zuvor komplett auseinandergenommen, hatte mir hinterrücks höchst private Tatsachen aus meiner fest verschlossenen Seele geklaut, hatte meiner Kehle fast vergessene isländische Wörter entlockt. Mit Kimberly gab es für mich keine rattenscharfe, federleichte Sexorgie, keine gedankenlose Zufriedenheit, kein Ich-will-jetzt-nur-noch-ficken-und-scheiß-auf-die-ganze-Welt mehr. Alles das, was ich unbedingt gewollt hatte, wonach es mich so dringend verlangte, wurde durch die Gestalt der Hexe unmöglich. Denn das Junkiemädchen besaß den Schlüssel zu meinen innersten Geheimnissen, und ich hatte keine Ahnung, wie sie das verdammt nochmal angestellt hatte. Aus irgendeinem rätselhaften Grund hatte ich ihr persönliche Dinge über mich erzählt, die sonst absolut niemand auch nur ahnte, und deshalb hatte Kim mich vollständig in ihrer kleinen Hand. Diese verteufelte und für mich absolut verhängnisvolle junge Frau hatte ganz eindeutig mächtige Zauberkräfte. Es schüttelte mich vor Unbehagen, als mir das aufs Neue klarwurde.
Kimberly beobachtete mich die ganze Zeit verstohlen, während sie sich zu meinem Schrecken auch noch mit den anderen vier Frauen bekanntmachte. Wollte die Hexe sich etwa ernsthaft in unsere Party einklinken? War sie scharf auf Sex mit mir? War sie nur deswegen hier? Wollte sie mich nochmal auseinandernehmen und in meiner verletzten Seele herumwühlen? Shit, das war überhaupt nicht gut, das konnte für mich nur katastrophal enden, und alles krampfte sich unwillkürlich panisch in mir zusammen. Möglicherweise nahm das Junkiemädchen es mir total übel, dass ich sie gestern ein paarmal von hinten gefickt hatte, obwohl sie selbst es gewesen war, die mich darum gebeten hatte.
Ja, verdammt, ich hatte sie wahrhaftig im Doggystyle gefickt, meiner absoluten Lieblingsstellung. Es war schlicht überwältigend gewesen, sphärisch, und mir blieb abrupt die Luft weg, als ich mich plötzlich plastisch daran erinnerte. Die kleine Kim hatte einen zuckersüßen, extrem knackigen Hintern. Ihr schmaler Rücken lud dazu ein, über ihre sichtbaren Schulterblätter und ihre ganze Wirbelsäule zu streicheln. Sie war erregend eng und wunderbar schlüpfrig gewesen. Wie von allein war ich wiederholt in sie hinein und wieder herausgeglitten und hatte ihre heiße Grotte trotzdem ganz intensiv spüren können, die sich immer wieder enorm geil zusammengezogen hatte. Kimberlys spitze Hüftknochen stachen auf eine Weise hervor, an der ich mich beim Bumsen hervorragend hatte festhalten können.
Oh – Fuck! Diese Frau machte mich total wahnsinnig! Kim durfte nicht hier sein! Ich wollte sie ganz einfach nicht auf meiner Party haben. Sie passte kein bisschen in meine geilen Vorstellungen. Weil ich mich nämlich auf die Hure Djamila und ganz besonders auf unbekanntes Terrain gefreut hatte, auf total oberflächliche Sexvergnügen, ganz ohne irgendwelche Fragen oder tiefgründige Gespräche. Verdammt nochmal, ich wollte heute Nacht nur noch meinen Spaß haben! Ich wollte vollkommen unverfänglich beglückt werden und mit der scheiß Vergangenheit nichts mehr zu tun haben. Aber das kleine Junkiemädchen und ich hatten nun mal eine zwar kurze, dafür aber umso heftigere gemeinsame Vergangenheit, und die war für mich zum großen Teil sehr schmerzhaft gewesen, absolut konfliktbeladen und enorm aufwühlend. Jedes Mal weckte sie das totale Chaos aus Gefühlen in mir, nur weil sie anwesend war. Darauf hatte ich definitiv keinen Bock, diesen schwierigen Scheiß konnte ich jetzt zum Verrecken nicht ertragen!
Zu meinem Entsetzen gesellte Kimberly sich zu den anderen Frauen und alle quatschten plötzlich auf mich ein. Es ging darum, dass Kim meine feste Freundin wäre, was sie nun wirklich nicht war, und ich hatte keinen Schimmer, was das alles überhaupt bedeuten sollte. Ich hatte die Schnauze voll und war unglaublich wütend, weil sich meine schöne, schon sicher geglaubte Party ohne mein Zutun immer mehr in einen Albtraum verwandelte. Kimberly setzte ihre bösen Zauberkräfte ein und zerstörte alles, was ich mir so mühsam erarbeitet hatte. All das, worauf ich mich auf der ganzen Fahrt hierher tierisch gefreut hatte, ging wegen Kimberly zum Teufel. Die scheiß Weiber schienen sich plötzlich gegen mich zu verschwören, die gelöste Stimmung wurde eindeutig durch die Hexe vergiftet.
Deshalb wandte ich mich von ihnen ab, drehte mich um und lief kurzentschlossen davon. Ein weiteres Mal zeigte Clay Banton seine Feigheit, indem er sich klammheimlich davonmachte. Hastig wechselte ich die Straßenseite und machte nur noch, dass ich da wegkam. Keine Ahnung, wohin ich wollte. Ich wollte nur noch woanders sein. Ich wollte nur noch einen möglichst großen Abstand zwischen mir und Kim erreichen. Alles war kaputtgegangen, all meine Mühen waren umsonst gewesen, und ich dachte verstört, ist doch scheißegal, sollen Kimberlys Freunde mich doch zusammenschlagen. Die maskierten, prügelgeilen Jungs lauerten hier irgendwo und fielen ganz bestimmt jeden Moment über mich her, da war ich mir sicher, denn ich entfernte mich von den anderen und bot mich ihnen damit förmlich an. Von mir aus können sie mich endgültig totschlagen, überlegte ich matt, denn ich weiß jetzt echt nicht mehr, was ich überhaupt noch hier soll. Offensichtlich waren die Menschen in dieser komischen Stadt alle verrückt. Die konnten mich nicht leiden, sie beschimpften und verspotteten mich, schlugen auf mich ein und gönnten mir kein bisschen Glück. Mit jedem schwankenden Schritt wurde mein schon vor Stunden gefasster Entschluss, diese uralte Stadt baldmöglichst zu verlassen, immer unvermeidlicher, zunehmend logischer und drängender. Denn das Schlimmste daran war, dass auch die zwei Menschen, von denen ich etwas ganz anderes gedacht hatte, mich offenkundig abgrundtief verachteten.
Fuck! Böse Gedanken und Erinnerungen schlichen sich zurück in mein Gehirn, die ich da auf keinen Fall haben wollte und die ich mithilfe der Drogen schon längst überwunden geglaubt hatte. Ich war so dermaßen enttäuscht, dass mir unwillkürlich Tränen in die Augen traten, als ich so schnell wie möglich die Straße entlang taumelte, einfach immer geradeaus. Ich fühlte mich unverändert stoned und betrunken, aber überhaupt nicht mehr wohl. Von fern hörte ich Djamila, die mir irgendwas über Eliza hinterherschrie. Musste die verfickte Hure mich jetzt auch noch daran erinnern? Meine Liz, die mir wahrhaftig einen gemeinen Tritt hinaus aus ihrem Leben verpasst hatte. Eliza wollte mich nicht mehr in ihrer Nähe. Ich sollte mich gefälligst von ihr fernhalten, das hatte mein Schmetterling wiederholt von mir verlangt.
Plötzlich tat der Gedanke an Liz so weh, dass ich mir am liebsten die Faust in die Brust gerammt hätte, um zuzupacken und den Schmerz herauszureißen. Entsetzt hielt ich mir die Ohren zu, denn ich glaubte, jeden Moment mein kleines bisschen Rest Verstand zu verlieren. Warum musste immer alles kaputtgehen? Und warum ging es jedes Mal genau in dem Moment kaputt, wenn ich das Gefühl hatte, dass alles in Ordnung wäre? War das meine Schuld? Bekam ich irgendwas vielleicht nicht richtig mit?
Verflucht nochmal! Die ganze Welt war gegenwärtig so abgrundtief zum Kotzen, dass ich sie kaum noch erfassen konnte. Ich war enorm verwirrt und hatte das starke Bedürfnis zu schreien oder irgendwas zu zerschlagen. Aber ich konzentrierte mich nur völlig besessen auf meine unsinnige Flucht. Mühsam stolperte ich durch den Schnee und fokussierte mich darauf, nicht hinzufallen. Ich ließ meinen trüben Blick umherschweifen in der angespannten Erwartung, Kims rachsüchtige Freunde irgendwo zu entdecken. Ein Teil von mir wartete sehnsüchtig darauf, dass sie endlich kämen, mich töteten und damit aus meinem unglaublichen Elend erlösten. Aber die Straße war wie ausgestorben und das kapierte ich einfach nicht. Die sinnlosen Gedanken wirbelten in meinem zugeknallten Kopf herum, ohne dass ich sie daran hindern konnte. War Kimberly vielleicht doch allein hierhergekommen, so wie sie behauptet hatte? Aber warum denn nur? Was zur Hölle wollte die Frau denn noch von mir? Hatten wir nicht gestern schon alles hinlänglich geklärt? Wollte Kim sich nochmal stundenlang bei mir entschuldigen, wie eine Geistesgestörte? Oder hatte sie auch den Blog gesehen und war darüber so geil geworden, dass sie unbedingt von mir bestiegen werden wollte? Oder hatte sie noch mehr persönliche Fragen oder Wünsche auf Lager? Warum zum Teufel musste ausgerechnet das komplizierte Junkiemädchen hier auftauchen, so kurz vor meinem Ziel, wo ich doch nichts als meinen unkomplizierten Spaß ersehnt hatte?! Dringend wollte ich mir meine umfassende Frustration lauthals aus der Seele brüllen. Aber das Laufen war anstrengend, alles schwankte und drehte sich beständig, der schneebedeckte Asphalt war verflucht glatt und ich musste aufpassen, damit ich nicht auf die Fresse fiel. Das nahm meine ganze Konzentration und Kraft in Anspruch.
„Warte doch, Clay! Wo willst du denn hin?" rief plötzlich jemand dicht hinter mir und erschreckte mich damit fast zu Tode. Instinktiv fuhr ich herum und brüllte ohne nachzudenken: „Ich will das nicht!"
Dieser Satz fasste so ziemlich alles zusammen, was ich in dieser Sekunde fühlte. Ich wollte nicht, dass meine Party nicht stattfand. Ich wollte nicht aufs Ficken verzichten müssen. Ich wollte nicht, dass der ganze scheiß Tag in einer neuen Scheiße endete. Ich wollte nicht, dass das Junkiemädchen hier war und ich wollte nicht, dass sie diese privaten Dinge über mich wusste. Auf keinen Fall wollte ich, dass Kimberly mit jemandem über mich sprach, dass sie irgendwem etwas über meine Familie oder womöglich über meinen Vater verriet. Ich wollte nicht, dass Kimberly mein persönlichstes Geheimnis kannte, nämlich, woher mein Vorname stammte und was er bedeutete. Ich wollte auf gar keinen Fall weiter in dieser verfluchten, kalten, dunklen Nacht herumstolpern. Ich wollte nicht länger der totale Vollidiot sein, über den alle Welt sich ständig immer nur amüsierte. Ich wollte kein ängstlicher Schwächling sein, der vor einer Horde Weiber davonlief und sich damit im Grunde lächerlich machte. Ich wollte nicht länger nachdenken müssen oder an diesen schmerzenden Gefühlen knabbern. Ich wollte mich nicht wie ein Versager fühlen. Ich wollte mich nicht danach sehnen, dass irgendwer kam und mich tötete. Ich wollte einfach diese ganze verdammte Situation nicht haben.
Das unüberlegte, hastige Umdrehen verwirrte mein Gehirn. Ich verlor das Gleichgewicht und hielt mich hastig mit einer Hand an den Drahtmaschen des Zauns fest, der zum Glück gerade zufällig neben mir existierte. Ich registrierte, dass das Junkiemädchen direkt vor mir stand und war darüber noch viel mehr verwirrt. Wo kam die denn auf einmal her? Warum stand sie da? War sie mir hinterhergelaufen? Warum?
Eine Weile starrten wir uns ratlos an. „Was willst du nicht?" wollte das kleine Mädchen eingeschüchtert wissen. Es ist ihre Schuld, dachte ich verbittert, dieser ganze Mist ist allein ihre Schuld. Die böse Hexe hasst mich und will mich vernichten. „Ich will nicht, dass du ständig auftauchst und mir alles kaputtmachst!" schrie ich spontan wahrheitsgemäß los und tötete sie mit meinen Augen. Es irritierte mich, dass sie so traurig aussah und fast so enttäuscht, wie ich mich fühlte. Das kapierte ich nicht. Schließlich hatte sie doch genau das gekriegt, was sie gewollt hatte. Meine schöne Party war zum Teufel gefahren, meine Geilheit war weg und meine Stimmung total im Eimer. Fehlte nur noch ihr bekloppter Freund mit seinen bewaffneten Kumpanen, dann wäre Junkiemädchen sicher restlos glücklich. Wo blieb ihre Verstärkung überhaupt? Hatte sie ihnen nicht gerade ein geheimes Zeichen zum Angriff gegeben? Nervös schaute ich die Straße entlang, konnte aber niemanden entdecken. Das heißt nichts, warnte ich mich angespannt, die Teenager-Sadisten können jeden Moment von irgendwoher auftauchen und auf mich losprügeln.
„Ich will dir nichts kaputtmachen, Clay", wisperte Kimberly so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte. Konfus fixierte ich sie, um herauszufinden, was für seltsame Wörter sie da eigentlich von sich gab. „Es tut mir sehr leid. Bitte verzeih mir", flüsterte sie fast und guckte mich mit ihren grünen Augen um Vergebung flehend an. Verwirrt riss ich die Augen auf. In mir passierte irgendwas. Bilder vom vorherigen Abend tauchten ungesteuert in meinem betäubten Gehirn auf, Bilder davon, wie sie allein in meinem kalten Flur gestanden und mich gebeten hatte, sie hereinzulassen. Ich erinnerte mich deutlich an ihre pausenlosen Entschuldigungen und daran, wie unglaublich leid es ihr getan hatte, dass ich von ihren Freunden verletzt worden war. Ihre heftigen Emotionen hatten mich fast erschlagen, ihre umfassende Reue hatte meine ganze Wohnung ausgefüllt. Ich glaubte, es nicht ertragen zu können, wenn dieses Drama jetzt nochmal von vorne anfing.
„Nein... hör auf... du sollst nicht... das...", stotterte ich blöd herum, weil mir echt die Worte fehlten. Alles, was Kim tat und sagte, widersprach so dermaßen meinen vorgefassten Erwartungen, dass ich vollkommen durcheinander war. Ich hatte überhaupt keinen Plan mehr und keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte, warum ich eigentlich hier war, warum sie mir hinterhergelaufen war, welchen Sinn das ergab oder was sie von mir erwartete. „Hör auf dich zu entschuldigen, Kim", flehte ich förmlich und konnte sie dabei nicht ansehen. Ich traute ihr nicht. Sie war schlicht ein Mysterium. Ich wurde aus dieser Frau nicht schlau und fixierte verkrampft den schneebedeckten Bürgersteig, weil ich plötzlich fürchtete, dass sie gerade dabei war mich zu verhexen. Etwas stimmte nicht mit ihr. Sie tat jedes Mal unvorhersehbare Dinge, wenn wir uns trafen. Sie kaufte Heroin bei mir und spritzte es sich in ihren dünnen Arm, obwohl sie eine Studentin war und die sichtbaren Einstiche ihr Studium gefährdeten. Sie trat mich gezielt in meine Weichteile, wenn ich am wenigsten darauf gefasst war. Sie ließ mich rachsüchtig zusammenschlagen, entschuldigte sich am nächsten Tag dafür und wollte dringend hinterrücks von mir gefickt werden. Sie brachte es sogar fertig, dass ich ihr von meinem Vater erzählte. Für sie hatte ich nach zwanzig Jahren isländische Wörter ausgesprochen. Eine so rätselhafte Frau wie Kimberly hatte ich definitiv noch niemals kennengelernt, und ich wusste nicht, ob das gut oder schlecht war.
"Was hast du denn vor?" fragte sie mich behutsam, und in mir zog sich alles zusammen. Was für eine beschissene Frage! Ich hatte keine Ahnung mehr, was ich vorhatte. Ich hatte nichts mehr vor. Schließlich hatte die Bitch mir ja systematisch alles kaputtgemacht. Meine geilen Pläne lagen in Trümmern und ich hatte keinen blassen Schimmer davon, wie es jetzt weitergehen würde. „Ich weiß nicht...", antwortete ich ihr ausweichend, „Ich will einfach einen schönen Abend." Und genau das hatte ich doch die ganze Zeit nur gewollt, verdammt nochmal! Ich hatte so was von die Schnauze voll von kompliziertem, deprimierendem oder brutalem Scheiß! „Und den habe ich dir jetzt kaputtgemacht?" muckte das Mädchen verständnislos auf. Verblüfft über ihre Dreistigkeit starrte ich sie an. Hatte ich mich verhört? Wollte das Weib mich etwa total verarschen? Hielt sie mich für einen Vollidioten? Sie kam ungefragt hierher, zerstörte alle meine Hoffnungen auf eine erregende, befriedigende Nacht und spielte jetzt auch noch die ahnungslose Unschuld? Was war das nun wieder für eine hinterhältige Masche? Zur Hölle mit ihr!
Meiner Kehle entwich ein entgeistertes Knurren, was das Mädchen dazu veranlasste, ängstlich zwei Schritte rückwärts von mir weg zu machen. „Du bist total gefährlich! Du willst mich verhexen!" fauchte ich fassungslos und bereute es im selben Moment, weil ich damit irgendwie zugab, sie halbwegs durchschaut zu haben. Das wollte sie unter Garantie nicht, das konnte ihr gar nicht gefallen. Diese Frau wollte mysteriös sein, um mich auf diese verschlagene Art bestmöglich zu kontrollieren, da war ich mir völlig sicher. Mist, das hätte ich ihr nicht verraten dürfen, ärgerte ich mich, während ich sie vernichtend taxierte. Meine Finger krallten sich so verkrampft in diesen Zaun, dass es wehtat. Spätestens jetzt ist sie sauer und ruft ihre Schlägertruppe, erwartete ich alarmiert, während wir uns reglos und schweigend gegenseitig studierten. Nun mach schon, dachte ich aufgebracht, gib deinem Freund schon das vereinbarte Zeichen, damit er mich endlich mit dem Schlagstock zusammenknüppelt und mit seinem tollen Bowie-Messer massakriert!
Angespannt konzentrierte ich mich auf Kimberly, damit mir auch ja keine einzige ihrer kleinsten Bewegungen entging. Ein Teil von mir hoffte ungeduldig darauf, dass die neue Prügelorgie endlich losging. Es war nämlich sowieso alles im Arsch und ich hatte keine Wünsche mehr. Da konnten sie mich genauso gut zusammenschlagen, dann würde wenigstens irgendwas passieren. Prügel waren einfach und einleuchtend. Ich fühlte mich komplett überfordert, und alles andere wäre besser, als dieser schwierige, undurchschaubare Scheiß hier.
Aber nichts geschah und das Mädchen bewegte sich kein bisschen. Sie schaute mich nur mit diesen grünen Augen an, als wollte sie schon wieder tief in mich hineinsehen, als würden ihr schon wieder jede Menge Zaubersprüche auf der Zunge liegen. Das konnte ich nicht lange aushalten, denn sie machte mich total nervös. Um mich abzulenken, suchte ich schließlich mit der freien Hand fahrig nach meinen Zigaretten. Die andere Hand hing immer noch total verspannt in diesem Maschendrahtzaun, um meinen schwankenden Körper zu stabilisieren, und der Draht bohrte sich dabei tief in mein Fleisch. Die Kippen waren in der Innentasche meines Jacketts, darum musste ich es aufknöpfen und die Schachtel herausholen. Ich öffnete sie mangels verfügbarer Alternativen mit meinen Zähnen und registrierte, dass die Schachtel leer war. Fuck! Warum hatte ich die leere Schachtel Marlboro wieder eingesteckt? Verlor ich jetzt total meinen Verstand? Mann, dieses Weib machte mich total verrückt! Sie starrte mich die ganze Zeit so intensiv an, als wollte sie mich hypnotisieren, während ich nervös ihrem stechenden, forschenden Blick auswich. Zornig warf ich die leere Packung in den Schnee und trat aggressiv darauf herum, weil sich in mir ein neuer Sturm aus tosender, hilfloser Wut bildete, der irgendwie abreagiert werden wollte.
Aus den Augenwinkeln fiel mir eine Bewegung von Kimberly auf und ich hob aufgeschreckt den Blick. Das kleine Mädchen stand dort und hielt mir eine Zigarette hin, und ich wurde ein weiteres Mal vor den Kopf geschlagen. Ihr Verhalten überforderte mich, weil sie nichts von dem tat, was ich erwartete. Sie sah noch nicht mal wütend aus, nur irgendwie traurig, und ich hatte echt keinen blassen Schimmer davon, was in ihr vorging. Sie bot mir eine Zigarette an. Das war so widersinnig freundlich, dass ich es nicht fassen konnte. Irgendwie änderte das alles auf eine Art, mit der ich niemals gerechnet hatte und mit der ich auch nicht umgehen konnte.
„Was willst du von mir, Kimberly?" fragte ich sie ganz spontan entkräftet, weil diese Frage gerade die vorherrschende in meinem Gehirn war. Anscheinend will sie mich also nicht gewaltsam fertigmachen, grübelte ich verwirrt, sie will sich nicht auf irgendeine schmerzhafte Art an mir rächen, und ihre brutalen Freunde lassen sich auch nicht blicken. Als ich das akzeptiert hatte, blieb nichts mehr, was ich hätte begreifen können. „Ich möchte dir eine Zigarette spendieren", informierte Kim mich ausdruckslos. Über das Ausbleiben der Schlägerei, bei der ich mit absoluter Sicherheit abermals den Kürzeren gezogen hätte, war ich weitaus mehr erleichtert, als ich mir selbst eingestehen wollte. Aber als die unverhoffte Möglichkeit richtig zu mir durchdrang, dass mir, zumindest in dieser Nacht, keine neuerlichen Schmerzen bevorstanden, war ich unglaublich froh darüber. In Wahrheit wollte ich nämlich gar nicht getötet werden, auch wenn ich das für eine kurze Zeit irgendwie gedacht hatte.
Eine angespannte Last fiel von mir ab, die dunklen Wolken in meinem Kopf lichteten sich, und ein Lächeln erschien wie von selbst auf meinem Gesicht. Ich ließ den Zaun los und machte zwei Schritte auf sie zu, um die angebotene Zigarette entgegenzunehmen. Ich nahm sie und suchte in meiner Kleidung nach dem Feuerzeug, konnte es aber nirgends ertasten. Das machte mich schon wieder nervös, weil mein einmalig graviertes Zippo mir etwas bedeutete. Ich fürchtete schon, es unbemerkt irgendwo verloren zu haben, als Kim ihren Arm ausstreckte und auf eine Stelle auf dem Boden hinter mir deutete. „Du hast dein Feuerzeug verloren", behauptete sie lächelnd mit sanfter, gutmütiger Stimme. Erstaunt schaute ich in die angegebene Richtung und entdeckte tatsächlich das Zippo im Schnee liegen. Ich konnte mir nicht erklären, wie es dort hingekommen war, war aber erleichtert, es zu sehen. Sofort war mir klar, dass es ein echter Kraftakt für mich werden würde, wollte ich es jetzt aufheben. Mann, ich war total stoned, mein Gehirn war dicht, meine Nervenbahnen blockiert, und mein Körper gehorchte mir nicht mehr richtig. Ziemlich wahrscheinlich würde ich mein bisschen Gleichgewicht verlieren, wenn ich mich in meiner Verfassung so tief hinunterbeugen würde. Ich hatte keinen Bock darauf, nochmal in den kalten, nassen Schnee zu fallen. Andererseits wollte ich unbedingt diese Zigarette rauchen, denn das Nikotin versprach mir eine Beruhigung, die ich dringend brauchte.
Bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, war Kim schon an mir vorbeigelaufen. Die Frau hob das Feuerzeug für mich auf und hielt es mir hilfsbereit hin. Ich schaute sie an, perplex über ihre unerwartete Freundlichkeit. Plötzlich hatte ich ein deutliches Déjà-vu davon, wie sie am Abend zuvor allein in meinem Flur gestanden und mir mein Zippo zurückgebracht hatte. Sie hatte es mir auf genau die gleiche Art hingehalten wie jetzt, und plötzlich wurde mir von Innen ganz warm. „Du willst es mir nochmal zurückgeben?" neckte ich das Mädchen, bevor ich mich bremsen konnte. Auf ihrem Gesicht erschien ein erleichtertes Lächeln. „Ja, ich würde es dir immer wieder gerne zurückgeben", versicherte sie eindeutig liebevoll. Ihr Lächeln war wunderschön und fesselte mich schneller, als ich begreifen oder darauf reagieren konnte.
Eine Weile lächelten wir uns wahrhaftig einvernehmlich an. Mein Herz schlug unwillkürlich schneller bei ihrem Anblick, weil sie hübsch aussah und weil ich mich noch an etwas anderes erinnerte, was wir zwei zusammen getrieben hatten, und wie überwältigend geil das gewesen war. Auf einmal fühlte ich mich enorm unbefriedigt, in sexueller Hinsicht, mein Verlangen meldete sich in mir zurück, und ich stellte mir vor, wie verflucht wunderbar es wäre, auf der Stelle dieses kleine, enge Mädchen zu ficken. Bestimmt darf ich sie nochmal von hinten nehmen, dachte ich sehnsüchtig, die steht da ja total drauf und hat sicher nichts dagegen, und alle anderen Gedanken wurden davon vollständig verdrängt. Ungefähr zehn Sekunden lang war ich paralysiert.
In der elften Sekunde fiel mir plötzlich blitzartig ein, dass diese unvorhergesehene und ungewollte Situation mit Kimberly keineswegs geklärt war und ich in Wahrheit absolut keine Ahnung hatte, wo sie herkam oder warum sie gerade so dicht vor mir stand. Sei nicht so entsetzlich dumm, schalt ich mich verärgert, du darfst dich nicht von ihr ablenken lassen! Sei lieber weiterhin aufmerksam und auf alles gefasst! Du kannst nicht wissen, was diese kleine Hexe vorhat, das hast du doch noch nie einschätzen können! Hastig und über mich selbst erzürnt griff ich nach dem metallenen Feuerzeug in ihrer Hand und drehte mich zur Seite von ihr weg. Es fiel mir schwer, die Kippe anzuzünden, weil das Rädchen im Zippo so klein war und meine Finger vor Ärger zitterten. Trotz der starken Betäubung durch das Heroin war ich enorm aufgewühlt. Diese ganze Situation passte mir überhaupt nicht. Sie war eine unerfreuliche Wendung, die ich kaum hinnehmen konnte. Eigentlich müsste ich schon längst in meiner warmen Wohnung sein, dachte ich angepisst, meine sorgfältig vorbereitete Party sollte schon lange angefangen haben. Ich hätte uns passende Musik angemacht und den Mädels Wein und Whiskey serviert. Wenn alles planmäßig gelaufen wäre, dann wären die fünf Frauen jetzt ganz nah bei mir. Ich würde sie zärtlich anfassen, und vielleicht wären wir inzwischen schon alle nackt.
Diese Vorstellung erregte mich irgendwie, aber gleichzeitig machte sie mich sauer, weil es eben nicht so gekommen war, wie ich es mir erträumt hatte. Und es sah auch endgültig nicht mehr danach aus, als würde es noch jemals dazu kommen, zumindest in nächster Zukunft nicht. Alles hatte sich total verändert. Denn jetzt war Kimberly da und wirbelte alles durcheinander, sodass ich nicht mehr erkennen konnte, wo oben oder unten war. Ich wusste nicht, wie es weitergehen würde, aber mir war vollkommen klar, dass ich mit Kim auf gar keinen Fall so eine unbeschwerte, geile Sexparty feiern konnte, wie sie mir vorgeschwebt hatte. Frustriert steckte ich mein Feuerzeug ein, nahm einen gierigen, tiefen Zug von der Marlboro und knöpfte mein Jackett zu. Dann warf ich einen nervösen Blick zu meinem Haus hinüber, wo zu meiner Irritation unverändert die fünf anderen Frauen standen. Aus irgendeinem Grund war ich davon ausgegangen, dass die Fünf sich schon längst beleidigt verkrümelt hätten. Aber sie standen noch immer auf dem Bürgersteig, direkt vor dem Eingang zur Treppe, und allesamt beobachteten sie Kim und mich aufmerksam.
Kaum bemerkten sie, dass ich zu ihnen hinsah, fingen sie auch schon lauthals damit an sich zu beschweren. „Was ist denn jetzt?" „Wo ist deine tolle Wohnung, Clay?" „Was ist hier eigentlich los?" „Du willst uns wohl verarschen!" „Wir wollen nicht länger blöde hier draußen herumstehen!" riefen sie alle durcheinander in meine Richtung. Die Weiber waren eindeutig genervt, weil ich sie so lange hatte warten lassen. Ich hatte ihnen bei McDonald's meine große, gemütliche und warme Wohnung in den schönsten Farben beschrieben, sie ihnen richtig schmackhaft gemacht, hatte die Auserwählten drängend zu mir eingeladen, und jetzt wollten sie mein Refugium auch endlich betreten dürfen. Ihre energischen, verärgerten und ungeduldigen Rufe hallten laut über die ausgestorbene, schneebedeckte Straße.
„Was willst du mit ihnen anfangen?" meldete sich plötzlich die Frau, die alle meine Wünsche erfolgreich sabotiert hatte, und den hässlichen Spott in ihrer Stimme konnte ich gar nicht überhören. „Ich will sie ficken!" spuckte ich Kimberly spontan an, ohne vorher darüber nachzudenken. Eigentlich wollte ich lieber nichts tun, was vielleicht den neuerlichen Zorn der Hexe heraufbeschwor, aber in diesem Moment war ich einfach nur stinksauer und wollte sie deshalb unbedingt schockieren. Und diesmal ging mein unüberlegter Plan voll auf. Das dumme, verklemmte Mädchen zuckte irritiert zusammen. Kim sah total geschockt aus, und das freute mich diebisch und feuerte mich an. „Ja, ich bin so richtig scharf drauf, die zu ficken!" konnte ich es nicht lassen und taxierte sie herausfordernd. Genüsslich zog ich an meiner Marlboro und blies den Rauch provozierend in ihre Richtung. Es gefiel mir enorm, wie nervös sie wurde, wie sehr sie sich anstrengen musste, um meinem vielsagenden, eindeutig frivolen Blick standzuhalten. Es hätte wohl nicht viel gefehlt, und die Kleine wäre vor Scham rot geworden, aber dazu war es hier draußen wohl einfach zu kalt, und sie sah ja sowieso schon völlig verfroren aus. „Gehst du etwa davon aus, dass du alle Fünf beglücken kannst?" fragte sie mich verärgert. Es gefiel mir, dass sie tapfer auf mein schlüpfriges Thema einging, obwohl es ihr offensichtlich so wenig behagte. „Das käme auf einen Versuch an, oder nicht?" erwiderte ich gespielt gleichgültig.
In Wahrheit schlug mein Herz härter bei der Erinnerung, was ich alles Geiles mit der jungen Kimberly getan hatte und verdammt, ich wollte es unbedingt auf der Stelle nochmal mit ihr tun. Sie war unbestreitbar eine heiße Maus, hatte mich gestern enorm überrascht und überwältigt mit ihrem oberflächlich gut verborgenen, aber innerlich stark ausgeprägten Hunger nach Sex. Sie hatte sogar vor meinen Augen gewichst, hatte sich selbst angefasst, und das taten nur die wenigsten Frauen für mich, schon gar nicht, wenn sie mich erst so kurz und wenig kannten, wie Kim mich kannte. Nein, die Süße steckte voller enorm geiler Überraschungen! Verblüfft spürte ich überdeutlich, wie meine Gier nach Sex zu mir zurückkam, wie sie mich vollständig ausfüllte, und plötzlich war ich übermenschlich scharf darauf, das Mädchen diesbezüglich noch viel weiter zu erforschen. „Oder... Kim-ber-ly?" hakte ich drängend nach, weil sie schüchtern war und mir nicht antwortete. Ich konzentrierte mich nochmal ganz auf sie, damit ich ihre Reaktion richtig erfassen konnte. Ich wollte unbedingt sofort wissen, wie meine Chancen auf Sex mit dem Junkiemädchen in diesem Moment standen. Neue, vollkommen unerwartete Möglichkeiten blitzen unwillkürlich in meinem betäubten Gehirn auf, unverhoffte Chancen darauf, dass diese ganze verzwickte Sache sich doch noch zum Guten wenden konnte, womit ich in meiner umfassenden Enttäuschung und Wut wirklich nicht mehr gerechnet hatte. Verblüfft wurde mir zunehmend klar, dass ich auf all die anderen Frauen sehr gut verzichten konnte, wenn nur Kimberly bei mir bliebe.
Denn auf einmal erinnerte ich mich sehr deutlich an meine gute, angenehme Zeit mit dem erstaunlichen Junkiemädchen, und die brutalen, schmerzhaften Zeiten mit ihr traten automatisch in den Hintergrund. Diese Frau war lieb zu mir gewesen, erstaunlich sanft und freundlich. Sie hatte mir zugehört und mich nicht ausgelacht. Sie hatte mir ihre Hand auf den Bauch gelegt und mich auf überwältigende Art sexuell befriedigt. Und verdammt, im Endeffekt hatte es mir überraschend großen Spaß gemacht, isländisch für sie zu sprechen, ihr zweideutige, frivole Sätze zuzuflüstern in der erregenden Gewissheit, dass sie kein Wort davon verstand. Mein Herz hämmerte verdutzt los bei dem Gedanken, dass diese Nacht womöglich noch sehr viel besser werden konnte, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen erhofft hatte. Eine neuerliche, schon für immer verloren geglaubte Woge aus freudiger Erregung erfasste mich vegetativ, durchflutete mich von Innen heraus, die so stark war, dass ich überwältigt nach Luft schnappte. Am liebsten wollte ich Kim auf der Stelle leidenschaftlich küssen, sie zu mir heranziehen, sie mit meinem Körper wärmen und sie überall anfassen. Aber ich stand nur dort und bewegte mich nicht.
Eine Weile schauten wir uns intensiv an. Ich spürte zu meiner Frustration, dass sie innerlich dichtmachte, mich passiv abwehrte, weil sie wohl nicht weiter auf dieses für mich höchst interessante Thema eingehen wollte und anscheinend keine Antwort für mich hatte. Es nervte mich enorm, wie sie mich ins Leere laufen ließ, indem sie einfach bockig schwieg. Mein gerade erst heftig verspürter Hoffnungsschimmer verblasste, als mir klarwurde, dass das Mädchen keineswegs wegen ihrem sexuellen Notstand zu mir gekommen war. Shit, ich hatte noch immer nicht die leiseste Idee, warum zum Teufel sie mir vor meinem Haus aufgelauert und auf mich gewartet hatte! Verärgert musste ich einsehen, dass Kimberly auch weiterhin die Mysteriöse spielen wollte, die rätselhafte Tiefgründige, und ich schlicht nichts dagegen tun konnte.
Trotzdem versuchte ich nochmal, ihr irgendeine Reaktion zu entlocken, denn dieses Thema war mir viel zu wichtig, um es so schnell wieder fallenzulassen. Mann, den ganzen verdammten Abend hatte ich doch schon wie ferngelenkt auf Sex hingearbeitet, und dieses verlockende Mädchen stand direkt vor mir. Aus irgendeinem seltsamen Grund zog es sie anscheinend zu mir hin, und ich wünschte mir insgeheim dringend, dass dieser Grund vielleicht etwas mit Sex zu tun hatte.
„Denkst du, es würde sich für mich lohnen, sie alle Fünf flachzulegen?" fragte ich Kimberly neckend und hatte zu meiner eigenen Überraschung Spaß daran, wie betont genervt, aber insgeheim erregt sie ihre Augen verdrehte. Es gefiel ihr, wenn ich über Sex sprach, das konnte ich ganz deutlich spüren. Aber natürlich tat sie so, als wäre sie total entsetzt über meine Anzüglichkeit. Der Kontrast zwischen ihrem überheblich-verärgerten Gesichtsausdruck und ihren sehnsuchtsvoll-interessiert leuchtenden Augen faszinierte mich. Ich glaubte zu erkennen, dass sie sehr wohl scharf auf mich war, und das steigerte meinen Blutdruck und meine verblassten Hoffnungen aufs Neue. Sie ist aufregend, dachte ich verwirrt, Kimberly hat etwas an sich, was mich unglaublich in den Bann schlägt.
„Das kannst nur du selbst wissen, Clay", stöhnte sie jetzt genervt und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Es schien ihr nicht zu gefallen, dass ich mir fünf Frauen mit nach Hause gebracht hatte, und was ich mit ihnen tun wollte, noch viel weniger. Das verwirrte mich enorm, denn mein Sexleben konnte ihr doch scheißegal sein. Warum interessierte es sie überhaupt, mit wem ich schlief? Warum schien sie auf die anderen Weiber fast ein bisschen eifersüchtig zu sein? Wollte sie mich für sich haben? Dieser flüchtige Gedanke war so abwegig, so völlig widersinnig und unvorhergesehen, dass er abrupt meine Brust zuschnürte und mich nach Luft ringen ließ. Mein Herz hämmerte aufgeregt. Ich nahm den letzten Zug von der Marlboro und warf die Kippe dann achtlos weg.
Plötzlich wurde mir klar, dass ich dieses Mädchen unbedingt haben wollte, und zwar jetzt und hier, denn ich verstand endlich, dass sie sich mir wahrhaftig nochmal anbot. Schon gestern hatte sie das getan, fiel mir ein. Sie hatte sich allein und mutig meiner Wut und Gunst ausgeliefert, und dieses seltsame Verhalten hatte ich schon am vorherigen Abend kein bisschen kapiert. Und diesmal war ich noch sehr viel verwirrter, denn mein Gehirn arbeitete nicht richtig. Ich fühlte mich zugeknallt, angeschlagen und erschöpft und fürchtete, dass ich womöglich all das hier vollkommen falsch zu verstehen glaubte. Das Verhalten von Kimberly und die ganze Situation waren auf so viele Arten zu deuten, dass ich unmöglich die richtige herausraten konnte. Dreh nicht durch, mahnte ich mich nervös, in Wahrheit hast du keine Ahnung von ihren Plänen. Wirklich erstaunt spürte ich jedoch, dass die anhaltende Ungewissheit von allein damit anfing, mich auf eine geile Art anzutörnen. Das war zweifellos saudumm von mir, aber ich war total machtlos dagegen.
Kurzentschlossen machte ich einen Schritt auf Kim zu, bis ich dicht vor ihr stand. Forschend guckte ich in ihre Augen, auf der verzweifelten Suche nach der Wahrheit. „Was willst du von mir, Kimberly?" flehte ich sie förmlich an. Sie ist so hübsch, dachte ich konfus, ich möchte, dass sie sofort ihre Hand auf meinen Bauch legt. „Ich möchte gerne meine Hand auf deinen Bauch legen, Clay Banton", flüsterte Kim liebevoll und gab mir damit schlagartig und endgültig den Rest. Der Boden wurde mir unter den Füßen weggerissen, mein instabiles Gleichgewicht geriet ins Wanken. Völlig haltlos taumelte ich rückwärts, stieß mit meinem Rücken scheppernd gegen diesen Zaun und sank hilflos daran hinunter auf den kalten, schneebedeckten Bürgersteig. Tränen schossen in meine Augen, die ich nicht aufhalten konnte, denn ich war vollkommen besiegt. Mein Gehirn war mit einem einzigen Satz von Kimberly hinweggefegt worden, und jetzt herrschte da nur noch komplett verwirrte Leere. Ich legte meinen Kopf auf meine Knie und schloss müde die Augen. Sie will das für mich tun, dachte ich erschlagen, und mein Hals schnürte sich zu, weil ich so jämmerlich gerührt war. Sie will mir freiwillig ihre Hand schenken, weil sie unseren gestrigen Abend nicht vergessen hat. Sie hat sich gemerkt, wie gerne ich diese Berührung habe. Kimberly hat mich nicht vergessen, und sie möchte gerne heute Nacht noch einmal mit mir zusammen sein. Sie möchte gerne noch mehr Zeit mit mir verbringen, weil ihr die letzte Nacht mit mir gefallen hat. Kim ist nicht hier, weil sie mich hasst, sondern weil sie mich mag, weil sie es schön bei mir findet.
Die Nässe und Kälte kroch spürbar durch meinen Hosenboden und linderte den trüben Schmerz, den ich an dieser Stelle verspürte, und der eine Ursache hatte, an die ich auf gar keinen Fall zurückdenken wollte. Kim ist hier, weil sie mich gern hat, hielt ich mich krampfhaft an diesem Gedanken fest, der erstaunlicherweise extrem tröstlich war. Das kleine Mädchen war gar nicht wütend auf mich, wollte sich nicht schon wieder gewaltsam für irgendwas rächen. Sie hatte mich aufgesucht, um gut zu mir zu sein, und diese Erkenntnis war so tiefgehend, dass ich sie kaum ertragen, geschweige denn begreifen konnte. Ich spürte nur, dass eine gewaltige Ruhe und Zufriedenheit sich schleichend meiner bemächtigte, eine Art von Glücksgefühl, das so stark war, wie ich es an diesem ganzen verdammten Tag definitiv noch nicht gefühlt hatte. Vielleicht wäre ich einfach ewig dort sitzengeblieben, keine Ahnung. Plötzlich war ich jedenfalls zufrieden. Alles war okay und hatte seine volle Berechtigung. Nichts Böses würde mir mehr geschehen, denn Kim wollte mich nicht nochmal zusammenschlagen lassen. Kim würde mich noch nicht mal auslachen, wie die anderen Frauen es so gern taten. Es wurde nichts mehr von mir erwartet. Ich konnte einfach hier mit geschlossenen Augen sitzen und die Wirkung der starken Drogen genießen, die sich unverändert in meinem Hirn bemerkbar machten. Das Heroin wärmte und beruhigte mich. Ich war nicht länger allein.
In dem Moment, als ich plötzlich von irgendwoher meinen Namen vernahm, fasste ich einen unvorhergesehenen Entschluss. Ich würde die ganzen anderen Frauen einfach wegschicken. Meine Party war abgesagt, denn ich brauchte sie jetzt nicht mehr. Kimberly würde mit mir ein ganz anderes Fest feiern, was weitaus weniger anstrengend für mich sein würde. Denn ich brauchte die Kleine nicht mehr zu beeindrucken oder zu überreden. Sie würde ganz von allein ihre Hand auf meinen Bauch legen, und deshalb würde alles wundervoll sein. Weil das Junkiemädchen hier war, konnte ich auf jeden anderen Körper problemlos verzichten. Die zornigen Stimmen kamen hörbar näher, also öffnete ich widerwillig meine schweren Augenlider. Zu meinem Schrecken registrierte ich, dass die McDonald's-Weiber und Djamila von der anderen Straßenseite her zu mir herüberkamen. Anscheinend verloren sie die Geduld, und es ärgerte mich, dass die blöden Kühe nicht schon längst abgehauen waren. Die Frauen sahen echt wütend aus und hatten keine Ahnung davon, was in der Zwischenzeit Tiefgreifendes passiert war. Offensichtlich wussten sie nichts von meinem akuten Sinneswandel. Warum hatten sie nichts davon gemerkt? Warum kapierten sie es nicht? Diese Ereignisse waren doch sonnenklar!
Es nervte mich, dass ich es ihnen jetzt erst noch erklären musste, weil ich viel lieber unverzüglich mit Kim in meiner Wohnung verschwunden wäre. Die Vorstellung davon, diese Nacht zusammen mit Kimberly zu verbringen, wurde für mich immer reizvoller, denn ich erinnerte mich daran, wie sehr ihre Anwesenheit mich besänftigen konnte. Mit Kim konnte ich sogar über Dinge reden, die mir sonst kaum über die Lippen kamen. Kim hatte die Macht, den Schmerz zu lindern. Das Junkiemädchen versprach mir eine geile und gleichzeitig enorm entspannte Zeit, und das war genau das, wonach ich mich jetzt sehnte. Diese fremden, anstrengenden Hühner aus dem Restaurant und die Hure waren voll überflüssig geworden! Schon wieder hatte sich alles verändert, aber diesmal auf eine Art, die mir ausgesprochen gut gefiel. Bevor die fünf aufgebrachten Frauen mich erreicht hatten, war ich aufgestanden, wobei der Zaun in meinem Rücken mir hervorragende Dienste leistete. Auf keinen Fall wollte ich länger auf dem Boden sitzen und zu den Furien, die verbal auf mich losgingen, aufschauen müssen.
Ich war zuerst ziemlich genervt, weil die Weiber nichts kapierten, sondern nur verständnislos und zornig reagierten, als ich ihnen erklärte, dass ich meine Meinung geändert hätte und unsere Party nicht stattfinden würde. Aber je energischer sie sich aufregten, je mehr sie sich in ihre Wut und Enttäuschung hineinsteigerten, umso mehr amüsierte mich ihre erstaunlich heftig emotionale Reaktion. Es schmeichelte meinem männlichen Ego extrem, dass die Mädchen mir ihre umfassende Frustration so deutlich zeigten, denn dadurch verrieten die dummen Fotzen mir ungewollt, wie mega scharf sie in Wahrheit auf mich gewesen waren. Die blöden Weiber belustigten mich total mit ihrer hilflosen Wut, ihrem unverkennbar frustrierten Entsetzen. Sie waren so enttäuscht und sexuell unbefriedigt, dass sie mich sogar zornig in den Schnee schubsten, in dem ich mich dann ausgelassen herumwälzte, weil ich, im Gegensatz zu ihnen, immer zufriedener wurde. Mir fiel nämlich ein, dass Kimberly, genau wie ich, ein Junkie war, und das bedeutete, dass ich mit ihr sogar noch ein bisschen shore würde rauchen können, was mit den Fremden auf gar keinen Fall möglich gewesen wäre. Und ich hatte echt Bock auf ein paar Chinesen. Diese ganze Aufregung und meine verwirrten, aufgescheuchten Gefühle hatten spürbar gegen das Heroin gewirkt, und ich hatte gegen noch ein bisschen mehr Betäubung echt nichts einzuwenden. Kimberly wird mit mir shore nehmen, dachte ich und fühlte mich total glücklich deswegen.
Aber zuerst musste ich mich noch eine Weile mit meinen enttäuschten Auserwählten auseinandersetzen, die nicht so einfach verschwinden wollten, wie es mir gefallen hätte. Die vier Weiber aus McDonald's gingen zornig erregt auf mich los, aber ich war inzwischen so gut drauf, dass sie mir zunehmend leidtaten. Ich hatte ihnen eine geile Zeit versprochen, und jetzt taxierten sie mich, als wollten sie mir am liebsten gewaltsam die Kleider vom Leib reißen. Offenbar hatte ich die unbekannten, womöglich vernachlässigten Muschis schon viel nasser gemacht, als mir bewusst gewesen war, und das erfüllte mich mit großem Stolz. Ich wollte sie ein wenig entschädigen, also schnappte ich mir eine, die gerade in meiner Nähe stand, und knutschte sie dreist ab, und die blöde Kuh hatte noch nicht mal was dagegen. Danach küsste und umarmte ich noch eine andere Frau. Die fremden Körper und Küsse fühlten sich ganz gut an und erregten mich auch, aber mittlerweile hatte ich mich voll auf Kimberly fixiert, und dagegen waren sie gar nichts.
Ich hatte das kleine Mädchen deutlich vor Augen, die seltsame Studentin, die mit mir Heroin nehmen würde, mir ihre Hand auf den Bauch legen wollte und mit mir schlafen würde. Sie würde ganz von allein und freiwillig all das tun, wonach es mich schon so verdammt lange verlangte. Nur aus diesem einen, wundervollen Grund war sie hier, und von dieser Erkenntnis wurde ich total überwältigt, fickerig und ungeduldig. Mann, ich wollte ihr dringend etwas Gutes tun, mich für ihre unerwartete, rätselhafte Freundlichkeit auf die zärtlichste, zuvorkommendste, geilste und charmanteste Art revanchieren. Selbstverständlich dachte ich auch an Kims heiße, nasse, enge Muschi, ihren jungen, knochigen Körper, und diese erregende Vorstellung fuhr mir geradewegs in den Schwanz hinein, wo ich sofort eine vage Regung verspürte, die sich verflucht geil anfühlte. Es tat sich noch was! Diese verzwickte Nacht war noch nicht vorbei! Alles würde einfach nur fantastisch werden!
Ich war von meinen Gedanken abgelenkt, total freudig verwirrt und bekam nicht mehr richtig mit, was um mich herum passierte. Die fremden Frauen warfen mir gehässig vor, impotent zu sein, worüber ich nur lachen konnte. Später küsste ich dann plötzlich Djamila, und ich konnte mich gar nicht erinnern, wie es dazu gekommen war. Ich umarmte die Hure, und sie drückte mich gierig an sich. Mila fühlte sich vertraut an, professionell, und ich versank irgendwie in ihren routinierten Zärtlichkeiten, als sie mich unvermutet leise fragte: „Wer ist diese Kim eigentlich, Clay? Was bedeutet das? Was ist denn mit deiner Eliza?" Die viel zu neugierigen Worte der verdammten Nutte stachen mir unverhofft so tief in die Eingeweide, dass ich instinktiv gequält aufstöhnte. Hastig riss ich mich von Djamila los und taumelte zwei oder drei Schritte rückwärts. Wütend hob ich den Kopf und tötete sie mit meinem Blick. Djamila musterte mich vorwurfsvoll, verwundert und wissbegierig. „Das geht dich nichts an!" schrie ich erzürnt, weil ich es echt nicht ertragen konnte, dass die Frau mich ausgerechnet jetzt und nochmal an Eliza Laser erinnerte, meinen Schmetterling, der mich nicht mehr haben wollte und den ich gefühlsmäßig bestimmt nie überwinden würde. Schon spürte ich, wie die böse Erinnerung an eine Trennung gegen meine gerade erst erreichte Zufriedenheit ankämpfte. Es war vor Kurzem so viel Mist passiert und ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffen würde, damit zurechtzukommen. Ich brauche mehr shore, fuhr es mir ungesteuert süchtig durch den Sinn, die scheiß Weiber machen mir die schöne Wirkung total kaputt!
Djamila verzog ihr dick geschminktes Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. Es ärgerte mich, dass meine Wut sie nicht einschüchterte. „Ach, komm schon, Clay. Eliza ist dein Leben. Ich verstehe nicht, warum Kim behauptet, deine feste Freundin zu sein. Hast du ihr denn nichts von Eliza erzählt? Findest du das etwa in Ordnung?" mischte sie sich unbeirrt weiter in persönliche Dinge ein, die sie höchstens einen Scheißdreck angingen. Ich konnte mich nicht mal erinnern, der Hure etwas über Liz erzählt zu haben, aber offensichtlich hatte ich das getan, und in diesem Moment bereute ich meine vertrauliche Dummheit zutiefst. Milas unerwarteter Vorwurf spukte unangenehm in meinem zugeknallten Gehirn herum, wo ich verwirrt versuchte, die anklagenden Wörter auf ihre Bedeutung hin zu analysieren. Aber das war zwecklos, denn ich kapierte sie auch diesmal kein bisschen.
Was sollte mit Eliza sein? Und was hatte Kim damit zu tun? Was war das für ein Schwachsinn?! Wie konnte Djamila auch nur vage annehmen, dass Kimberly meine feste Freundin wäre? Hatte die blöde Nutte jetzt komplett den Verstand verloren oder wollte sie mich nur provozieren? Das, was sie mir vorwarf, war doch total hirnrissig! So etwas wie eine feste Freundin hatte ich nicht und wollte ich auch nicht haben. Schon allein die Bezeichnung war total gruselig! Sie verursachte mir instinktiv ein psychisches und körperliches Unbehagen. Feste Freundin hörte sich ja schon genau so an wie Fesseln! Auf so etwas hatte ich definitiv keinen Bock! Und ich war eigentlich davon ausgegangen, dass Djamila mich inzwischen gut genug kennen würde, um das auch zu wissen.
„Hör auf, Mila, ich warne dich...", knurrte ich überfordert und ließ meinen Blick nervös durch die Gegend schweifen. Ich registrierte erleichtert, dass die vier nervigen McDonald's-Mädchen inzwischen verschwunden waren. Höchstwahrscheinlich saßen sie in ihrem BMW, bereit, um wegzufahren, aber das konnte ich von hier aus nicht richtig sehen. Der BMW X1 stand noch dort hinten im Dunkeln am Straßenrand, die Scheinwerfer und der Motor waren ausgeschaltet. Worauf warten die denn noch?, fragte ich mich irritiert. Im nächsten Moment war es mir völlig egal, denn von mir aus konnten die Hennen die ganze Nacht in ihrem Auto sitzen, solange sie mich nur in Ruhe ließen.
„Das darfst du nicht machen, Clay. Du darfst Kim nicht anlügen. Das ist ihr gegenüber sehr unfair", beschwor Djamila mich, und mein Kopf fuhr zurück zur Prostituierten. Die Hure fixierte mich aufmerksam, machte einen großen Schritt auf mich zu und griff nach meinem Arm. Bevor sie mich richtig packen konnte, hatte ich ihr meinen Arm schon wütend knurrend entrissen, denn ich wollte auf gar keinen Fall von ihr angefasst werden, wenn sie mich auf so eine miese und total unverständliche Tour angriff. „Ich habe niemanden angelogen!" schrie ich angepisst, „Was redest du da für eine Scheiße, verdammt?!" Mila zog zweifelnd die geschminkten Augenbrauen zusammen. Sie musterte mich, als würde sie mir nicht glauben, was mich rasend machte. Mein Puls beschleunigte sich schon wieder, weil der große Zorn in mir aufkam. Obwohl ich mir das selbst nicht richtig erklären konnte, denn normalerweise war es mir völlig gleichgültig, was Djamila oder sonst wer von mir hielt. „Kim hat behauptet, dass sie deine feste Freundin ist...", informierte Mila mich ernst. Ihre Stimme war betont freundlich, weil sie mich besänftigen wollte, aber das funktionierte nicht. Ich war total verwirrt, fühlte mich unberechtigter Weise angegriffen, und das gefiel mir nicht. „Schwachsinn!" spuckte ich die Nutte an, woraufhin sie beruhigend ihre Hände hob und betrübt den Kopf schüttelte. „Dann... tut es mir leid, Clay. Vielleicht... habe ich das auch nur nicht richtig verstanden...", lenkte sie resignierend ein. Aber ich glaubte ihr kein Wort, denn ihr Blick blieb unverändert vorwurfsvoll. „Du verstehst gar nichts!" brüllte ich intuitiv los und hatte plötzlich das starke Bedürfnis, sie zu schlagen.
Mein Herz hämmerte, ich atmete aufgebracht. Mein Blick irrte verzweifelt durch die Umgebung, auf der Suche nach Kimberly. Ich konnte die Süße nirgends sehen und das machte mich schlicht verrückt, weil ich mich doch mittlerweile extrem auf das kleine Junkiemädchen gefreut hatte. In Gedanken hatte ich schon die dicksten Chinesen mit ihr zusammen geraucht, hatte sie überall zärtlich angefasst und voller Hingabe gefickt. Aber das rätselhafte Mädchen war plötzlich verschwunden, und ich hatte keinen Schimmer, warum oder wann das passiert war. In meinem Kopf lief einiges durcheinander, weil die entsetzlich große Panik, dass ich jetzt möglicherweise einen riesigen Fehler gemacht hatte und deshalb die kommende Nacht ganz allein verbringen musste, mir den letzten Verstand raubte. Fuck! Ich hatte tatsächlich diese ganzen fremden Frauen weggeschickt, obwohl es mich solche Mühe gekostet hatte, sie hierher in meine Wohnung zu locken. Warum hatte ich das so voreilig getan? Was war nur los mit mir? Das konnte doch echt nicht wahr sein! Djamila verabschiedete sich auch gerade von mir. Aber ich nahm die Hure kaum noch richtig wahr, denn ich hatte ein neues, viel schlimmeres Problem: Kimberly war nicht mehr da.
Diese unverständliche, extrem erschreckende Tatsache war so enorm niederschmetternd, dass ich fast unter ihr zusammenbrach. Ich habe etwas falsch gemacht, tobte eine ratlose, konfuse Stimme in meinem wirren Schädel, ich habe sie nicht gut behandelt, habe das kleine Mädchen vielleicht mit irgendwas vergrault, und jetzt habe ich verdammt nochmal niemanden mehr. Ich werde meine große, warme Wohnung vollkommen allein betreten. Dort kann ich allein shore nehmen, was noch halbwegs in Ordnung geht. Aber ich habe keine einzige Partnerin mehr und kann mir deshalb höchstens noch einen runterholen. Und das widerspricht definitiv so ziemlich allem, was ich mir für diese Nacht vorgestellt und gewünscht habe. Diese traurige und total jämmerliche Vorstellung deprimierte mich immens, sodass meine Gier und unstillbare Sucht nach dem Heroin übermenschlich wurde. Weil nämlich das pack in meinen Boxershorts jetzt schlicht der einzige Trost war, der mir nach dieser absolut niederdrückenden Katastrophe noch geblieben war.
Ich hatte alles falsch gemacht! Nicht nur jetzt gerade, sondern den ganzen beschissenen langen Tag. Im Endeffekt hatte nichts so funktioniert, wie ich es ursprünglich gewollt hatte. Alles war wahrhaftig und endgültig kaputtgegangen. Und jetzt war ich total im Eimer. Schon wieder stiegen von allein heiße Tränen in meine Augen, die mich so ankotzten, dass ich sie wütend mit meinen Fingern wegwischte. Zum Teufel nochmal! Ich wollte nicht so erbärmlich sein. Ich wollte nicht sinnlos hier in der verfluchten Kälte vor meinem Haus herumstehen und heulen. Aber viel mehr brachte scheiß blöder Clay Banton offensichtlich nicht zustande.
Verzweifelt fuhr ich herum, um Djamila zurückzuholen, weil mir das gerade einfiel, aber auch die Hure war plötzlich weg. Das hatte ich gar nicht mitgekriegt, konnte es mir nicht erklären, und stolperte ein paar verwirrte Schritte in Richtung meines Autos, was unverändert halb auf dem Bürgersteig an der Hauswand geparkt war. Der BMW stand noch hinter meinem Wagen am Straßenrand, aber gerade ging der Motor und das Licht an. Einen mega verzweifelten Augenblick zog ich ernsthaft in Erwägung, sofort zu dem verfickten BMW X1 zu rennen und alle vier Weiber herauszuzerren. Notfalls würde ich sämtlichen Stolz vergessen und die Frauen total erbärmlich anflehen, mit mir die versprochene, geile Party zu feiern, und verdammt, ich war wirklich sehr kurz davor, genau das zu tun.
Aber im letzten Moment hielt ich mich selbst davon ab, denn das wäre wohl so ziemlich das Jämmerlichste gewesen, was ich in dieser Situation hätte tun können. Die Furien waren sowieso schon alle total sauer auf mich, hatten mich übel beschimpft und geschubst, weil ich unsere Party abgesagt hatte. Da konnte ich doch jetzt unmöglich zu ihnen hingehen und alles wieder ändern. Die würden mich zu recht für vollkommen durchgeknallt halten. Und zu mir zurückkommen würden sie ohnehin nicht mehr. Ein Sturm aus Wut und Verzweiflung tobte in mir, weil ich mir am liebsten selber in den Arsch treten wollte. Ich war so verflucht blöd gewesen! Das total unerwartete Auftauchen von Kimberly hatte mich völlig aus dem Konzept gebracht, und das hätte mir nicht passieren dürfen. Ich hätte sie einfach komplett ignorieren müssen, wurde mir zu spät klar, ich hätte mit den fünf willigen Hühnern direkt an ihr vorbei in meine Wohnung gehen müssen.
Die verflucht mächtige Hexe hatte ihr Ziel erreicht, verstand ich plötzlich, weil ich unbewusst genau das getan hatte, was sie insgeheim bestimmt beabsichtigt hatte. Traurig aber wahr, die kleine Kimberly hatte sich aufs Neue erfolgreich an mir gerächt. Das seltsame Mädchen mit den Zauberkräften hatte mir diesen vielversprechenden, verlockenden Abend, an dem ich so lange und mühevoll gebastelt hatte, komplett zerstört, und deshalb konnte sie jetzt wirklich zufrieden mit sich sein. Sie hatte mich restlos besiegt. Diese junge Frau war definitiv zu stark für mich. Ich hatte gegen Kim keine Chance, und je eher ich das einsah, umso besser war es vielleicht. Obwohl meine neue Situation gerade so absolut beschissen war, dass ich es kaum fassen oder begreifen konnte, fing ich ein verzweifeltes, irres Lachen an, weil das irgendwie aus mir herauswollte. Leider war ich nicht das erste Mal auf das hinterhältige Junkiemädchen hereingefallen. Und womöglich würde es auch nicht das letzte Mal gewesen sein, fürchtete ich, obwohl ich aus tiefster Seele hoffte, diese verdammte Hexe niemals wiederzusehen.
Alle meine potentiellen Sexpartnerinnen hatten sich in Luft aufgelöst, ohne dass ich ihr Verschwinden richtig mitgekriegt hatte. Hilflos besiegt stand ich widersinnig lachend auf dem Bürgersteig vor meinem Haus im Schnee und schaute ratlos dem protzigen BWM hinterher. Zusammen mit all meinen geilen Plänen wendete das Auto, fuhr langsam die Straße entlang, bog am Ende um die Ecke und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Das war's jetzt also wieder, überlegte ich freudlos kichernd, am Ende wenden sich sowieso alle von mir ab und nur noch ich allein bleibe übrig. Es wird für mich wirklich Zeit zu gehen, dachte ich. Dieser Gedanke fühlte sich sehr vertraut an, und ich machte erstaunlich schnell meinen Frieden mit ihm.
„Clay?" hörte ich plötzlich eine schüchterne Stimme wispern, die so leise war, dass sie kaum bis in mein vollgestopftes Gehirn vordrang. Irritiert schaute ich mich um, nicht sicher, ob ich mich nicht vielleicht verhört hatte. In diesem Moment wagte das kleine Junkiemädchen sich zögernd aus der Dunkelheit meines Hauseingangs heraus und trat vorsichtig auf den Bürgersteig. Absolut ängstlich blickte sie mich mit ihren großen Augen alarmiert an. Sie sah aus, als würde sie am liebsten auf der Stelle vor mir weglaufen, weil sie erwartete, dass ich wütend auf sie losgehen würde oder so was. Verblüfft betrachtete ich die Frau, die mich dermaßen verwirrte, dass ich jetzt echt nicht mehr klarkam. Sie war noch hier? Warum hatte sie sich schon wieder versteckt? Lauerte sie dort in der Finsternis auf mich? Was hatte das alles zu bedeuten?
Spontan befürchtete ich, dass Kim womöglich doch ihre brutalen Teenager-Freunde mitgebracht hatte, die mich jetzt zu guter Letzt doch noch zusammenschlagen wollten, und mein Blick huschte instinktiv suchend an ihr vorbei. Aber dann fiel mir auf, dass Kims Verhalten und ihre ganze winzige Gestalt eindeutig dagegen sprachen. Dieses Mädchen war in keiner Weise aggressiv oder wütend. Sie hatte nur große Angst vor mir, und das konnte ich mir nun wirklich nicht erklären. Ihre riesige, fast spürbare Furcht war ein deutliches Indiz dafür, dass sie tatsächlich allein hierhergekommen war, genau wie sie behauptet hatte, um was auch immer von mir zu wollen. Das erleichterte und beruhigte mich mehr, als ich mir eingestehen wollte.
„Kimberly?" fragte ich irgendwie blöd, konfus und ratlos, und bewegte mich langsam, tastend in ihre Richtung. Mein Gleichgewicht war noch immer nicht das beste, und ich wollte auf keinen Fall vor dieser Frau hinfallen und mich damit noch mehr zum Idioten machen. Sie gab sich einen Ruck und kam mir zögernd entgegen. „Es tut mir so leid", versicherte sie mir flehend und guckte mich um Vergebung heischend an. Darüber war ich so verdutzt, dass ich stehenbleiben musste. Nur mit größter Mühe konnte ich mir ein spöttisches Lachen verkneifen. Wie bitte? Es tat ihr leid?! War das jetzt ihr Ernst? Ging das komplett sinnfreie, pausenlose Entschuldigen etwa nochmal von vorn los? Hatte die seltsame Frau denn nicht endlich mal was Neues auf Lager? Die war doch verrückt! Mit der stimmte eindeutig was nicht! Was war nur los mit ihr?
„Schon gut... Kim... echt!" versicherte ich ihr kichernd und machte schwankend noch ein paar Schritte, bis ich auf einmal dicht vor ihr stand. Das Mädchen schaute kleinlaut, furchtsam und offen schuldbewusst zu mir auf. Eine lange Zeit guckten wir uns einfach nur schweigend an. Mann, sie war so verdammt süß und total winzig, verlockend liebevoll, jung und unerfahren. Plötzlich freute ich mich dermaßen über ihre unvermutete Anwesenheit, dass ich es kaum noch aushalten konnte. Enorm dringend wollte ich sie anfassen, freudig in meine Arme schließen, dankbar küssen, sie wild bumsen, irgendwas.
„Was willst du von mir, Kim-ber-ly?" krächzte ich schließlich heiser, weil mir vor lauter Verlangen schlicht die Kehle eng wurde. In ihrem kleinen, von ihrem Schal und der passenden Mütze fast verdeckten Gesicht erschien ein erleichtertes, extrem zärtliches Lächeln. „Ich möchte so gerne für dich da sein, Clay Banton", verriet sie mir schüchtern und hob ratlos ihre schmalen Schultern. „Erlaubst du mir das bitte?" fragte sie mich so zaghaft, dass ich es kaum verstehen konnte. Im nächsten Moment fing sie an zu zittern. Ihre Zähne klapperten förmlich, und ich verstand, wie durchgefroren sie tatsächlich inzwischen war. Sie sagt das Richtige, registrierte ich baff, verdammt, Kimberly sagt jedes Mal instinktiv genau das Richtige. Wie macht sie das nur? Ihre Intuition ist einfach nur magisch, wenn man bedenkt, wie wenig sie mich erst kennt, überlegte ich. Sie ist eine gute Elfe, begriff ich plötzlich, und eine warme Woge aus Zuneigung und Dankbarkeit erfasste mich völlig unvorbereitet. Ohne darüber nachzudenken breitete ich meine Arme einladend aus und blinzelte sie charmant an.
Das Mädchen verstand mich auch ohne Worte. Sie nickte erfreut, machte einen schnellen Schritt nach vorn und warf sich damit förmlich in meine Arme. Schon drückte der Naturgeist sich zärtlichkeitsbedürftig an mich, und ich schloss meine Arme sanft um ihren kleinen, dünnen Körper. Sie fühlte sich trotz des dicken Wintermantels unverändert zerbrechlich an, deshalb war ich auch diesmal ganz vorsichtig. Und für einen flüchtigen Augenblick überfiel mich das absolut berauschende Gefühl, dass jetzt tatsächlich alles gut war.
Sean
Früher habe ich diesen Ort geliebt. Als Kind habe ich mich hier immer sehr wohlgefühlt. Wann immer ich damals mit meinen Eltern meine Großeltern besuchen durfte, was selten genug vorkam, meist nur zu Weihnachten oder an Geburtstagen, war ich hellauf begeistert gewesen. Ich war ihr einziges Enkelkind, und sie hatten auf meine Ankunft genauso lange und sehnsüchtig gewartet, wie es auch meine Eltern getan hatten. Aber anders als meine Eltern und jeder andere in meinem direkten Umfeld, behandelten sie mich nie wie den Auserwählten, den einzigartigen Erben, und das war völlig neu und befreiend für mich. Meine Großeltern mütterlicherseits waren während meiner Kindheit die einzigen Menschen, die mich wie ein Kind behandelten.
Sie gehörten der Mittelschicht an, und deshalb waren sie für meinen Vater und seine Eltern völlig uninteressant. Mein Großvater hatte sein Leben lang unter Tage auf der Zeche gearbeitet und dabei eigentlich ganz gut verdient, für meinen Vater allerdings längst nicht gut genug. Das Haus, in dem Opa mit seiner Frau wohnte, hatte wohl schon ewig seiner Familie gehört und war immer an den jeweils ältesten Sohn weitervererbt worden. Dementsprechend alt war alles, was mit diesem Haus zusammenhing. Weit außerhalb der Stadt liegend, war es damals noch nicht mal an die Kanalisation angeschlossen, sondern hatte hinten im uralten Garten ein uriges Plumpsklo mit einer dazugehörigen Sickergrube, was ich als Kind echt aufregend fand. Einen Stromanschluss gab es allerdings auch zu dieser Zeit schon.
Der kleine Sean, der noch nicht viel von der Welt gesehen hatte, war absolut fasziniert von diesem kleinen Haus, weil es so völlig anders war, als das riesige Anwesen, in dem er aufwuchs. Ich erinnere mich, wie verblüfft ich war, weil man bei meinen Großeltern so schnell und problemlos von einem Zimmer zum nächsten laufen konnte, ohne dabei eine ellenlange Strecke zurücklegen zu müssen. Es erstaunte mich auch, wie klein der Tisch war, an dem wir uns zum Essen niedersetzten, sodass ich gar nicht besonders laut sprechen musste, damit die anderen mich verstanden.
Das alles war neu für mich, und es gefiel mir sofort. Besonders freute mich, dass meine Großeltern so viel Zeit für mich hatten, ohne mich dabei ständig unterrichten zu wollen. Sie spielten tatsächlich Verstecken mit mir, bastelten etwas oder malten mit mir Bilder. Bei Oma und Opa durfte ich sogar auf die uralten Bäume im Garten klettern, ohne dass sie sofort angerannt kamen und mich ausschimpften, wie gefährlich das doch für mich wäre. Auf ihrem alten Klavier spielte ich ihnen liebend gerne und oft stundenlang etwas vor, weil sie mich dabei nicht unzufrieden auf sämtliche Fehler in meinem Spiel aufmerksam machten. Am Anfang war ich tatsächlich völlig verdutzt, weil meine Großeltern nicht um vier Uhr nachmittags verschwanden, weil sie Feierabend hatten, und dann durch jemand anderen ersetzt wurden, sondern ohne jegliche Unterbrechung bei mir blieben!
Als ich so fünf oder sechs Jahre alt war, hatte meine Oma meine Eltern wohl endlich davon überzeugen können, dass ich doch ruhig auch mal für ein paar Tage bei ihnen übernachten könnte. Ich habe keine Ahnung, wie sie das geschafft hat, wo doch meine Eltern mich ansonsten niemals irgendwo allein hingehen ließen. Wann immer Mutter und Vater gemeinsam auf Geschäftsreise oder auf irgendwelchen Wohltätigkeitsveranstaltungen waren, was sie andauernd taten, wurde ich regelmäßig unter strenger Bewachung der Bodyguards, Erzieher und Lehrer zu Hause eingesperrt. Und nun durfte ich auf einmal allein das elterliche Anwesen verlassen und sogar woanders übernachten! Das konnte ich damals kaum glauben.
Naja, selbstverständlich durfte ich nicht ganz allein zu Oma und Opa! Mindestens ein starker Mann wurde natürlich zu meiner Begleitung abgestellt, was bestimmt eine Bedingung meiner Eltern für dieses überraschende Arrangement war. Trotzdem waren aber diese unbeschwerten Wochen bei meinen Großeltern für mich jedes Mal wie Urlaub. Diese Tage waren die absoluten Highlights meines gesamten Kinderlebens! Meine Oma kochte mit mir zusammen in der Küche, und Opa arbeitete mit mir im Garten oder reparierte alte Autos, wobei ich ihm helfen durfte. Er brachte mir auch das Schwimmen und das Fahrradfahren bei, ohne dabei einen Herzinfarkt vor Angst zu bekommen, dass ich eventuell hinfallen könnte, was ich in der Tat wiederholt tat. Meine Mutter bemängelte dann jedes Mal meine aufgeschürften Knie, aber meine Großeltern lachten nur darüber und meinten, dass gehöre zur Kindheit einfach dazu.
Ich erinnere mich, wie meine Oma den Bodyguard, der mich natürlich auch bei den Großeltern nie aus den Augen ließ, lächelnd ins Haus einlud und meinte, er hätte jetzt ebenfalls Urlaub und dürfte sich ein bisschen entspannen, denn sie würde jetzt auf mich aufpassen! Der breitschultrige Mann hat sie damals so perplex angeguckt, dass ich laut lachen musste und noch nicht mal dafür getadelt wurde. Im Gegenteil, meine Oma und sogar der Bodyguard lachten zu meiner Überraschung amüsiert mit, was damals eine vollkommen neue Erfahrung für mich war. Überhaupt lernte ich recht schnell, dass das ausgelassene Lachen bei Oma und Opa nicht verboten war, genauso wenig, wie das hemmungslose Weinen. Entgegen meiner sonstigen Erziehung hielten meine Großeltern nichts davon, wenn ich meine Gefühle unterdrückte und immer den Anschein der absoluten Kontrolle aufrecht erhielt. Das habe ich schon als Kind als sehr befreiend erlebt. Genauso schnell lernte ich auch, dass ich diese Freiheit auf keinen Fall über die Zeit bei den Großeltern hinaus beibehalten durfte. Wenn meine Eltern etwas davon merken würden, wie anders ich mich bei Oma und Opa verhielt, dann würden sie mir weitere Besuche sofort verbieten. Also blieben die Stunden, die ich allein in diesem kleinen Haus verbrachte, immer etwas ganz Besonderes für mich. Sie waren ein Geheimnis, was ich nur mit meinen Großeltern und dem jeweiligen Bodyguard teilte, der zum Glück vor meinen Eltern diesbezüglich die Klappe hielt. Die Zeiten mit Oma und Opa waren für mich kleine Lichtblicke in einer ansonsten absolut durchstrukturierten und fremdbestimmten Lebensweise.
Ich bin mir sicher, wenn sie länger gelebt hätten, dann hätte ich mich Jahre später bestimmt zuerst ihnen anvertraut, als immer größere Zweifel mich beschlichen, meine so sicher geglaubte Welt ins Wanken geriet und ich befürchtete, irgendetwas würde mit mir nicht stimmen. Manchmal frage ich mich noch heute, wie sie wohl auf meine Homosexualität und auf meinen Wunsch, Tänzer zu werden, reagiert hätten. Aber Rosalie und Erich Leitner starben beide kurz hintereinander, ziemlich überraschend für uns alle. Meine Oma erlitt einen tödlichen Schlaganfall, als ich gerade zehn Jahre alt geworden war. Mein Opa wollte ohne seine über alles geliebte Frau auch nicht weiterleben und folgte ihr kein Jahr später. Als herauskam, dass sie mir ihr kleines, altes Häuschen vererbt hatten, waren alle total vor den Kopf gestoßen und mein Vater meinte geringschätzig, wir sollten diese Bruchbude sofort verkaufen, weil sie nichts als Ärger und Kosten verursachen würde. Meine Mutter brachte es allerdings nicht übers Herz, das Haus, in dem sie aufgewachsen war, einfach so zu verkaufen, und darüber bin ich heute sehr froh. Deshalb stand das Haus erst mal leer und wurde dann für einige Jahre vermietet. Unsere Anwälte kümmerten sich um alles, was mit meinem Haus zusammenhing, und auch darum, dass das Geld für die Miete auf meinem Konto landete. So war ich es gewohnt. Denn meine Eltern hatten selbstverständlich für jeden Bereich des Lebens sehr gut ausgebildete Fachleute, die für sie arbeiteten.
Nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte, beschlich mich immer dringender das Bedürfnis, dass es jetzt endlich Zeit für mich wäre, um zu Hause auszuziehen. Als ausgezeichneter Jahrgangsbester hatte ich überraschend leicht einen Lehrstuhl als Dozent der Kunsthochschule erhalten, und in dieser Position konnte ich doch unmöglich noch bei meinen Eltern wohnen! Auch wenn ich innerhalb unseres Anwesens eine eigene, abgetrennte Wohnung besaß, so war ich doch trotzdem noch unter ständiger Aufsicht. Schon sehr lange, wenn nicht gar immer schon, hatte ich das unangenehme Gefühl, in Anwesenheit meiner Eltern nicht richtig frei atmen zu können. Und diese Beklemmung hatte sich seit meinem Coming-out nur noch extrem verstärkt. Allerdings wollten meine Eltern mich keineswegs gehen lassen. Obwohl sie schrecklich enttäuscht von mir und mega beleidigt waren, so wollten sie mich zu dieser Zeit trotzdem auf keinen Fall ausziehen lassen. Sie hatten wohl Angst, dass ich meine neue Freiheit dazu nutzen würde, um sie in der Öffentlichkeit irgendwie noch mehr zu blamieren, als ich es in ihren Augen ohnehin schon getan hatte.
Fuck, was war das ein Skandal gewesen, als plötzlich irgendwie über dunkle Kanäle herauskam, dass der einzige Erbe der Valmont-Baumaschinen die väterliche Firma nicht übernehmen wollte, weil er schwul war! So stimmte das natürlich nicht, aber die Presse stürzte ich damals begeistert auf diese schlüpfrige Unwahrheit und trat sie so richtig schön breit. Ich vermute, das irgendein Bediensteter wohl etwas von meinem im Laufe des Gesprächs leider sehr lautstarken Coming-out vor meinen Eltern mitbekommen hatte und sein Wissen sofort an die Presse verkauft hat. Wochenlang wurden mir immer wieder neue Liebhaber angedichtet, die ich in Wahrheit nie gehabt habe. Das war zweifellos eine schlimme Zeit für meine Eltern, aber auch für mich. Fast täglich fanden wir uns auf den Titelbildern der Yellow Press. Über die Zukunft unserer Firma wurde öffentlich spekuliert und ihr Untergang wurde vorhergesagt. Sogar der Wert irgendwelcher wichtigen Aktien sank dadurch rapide in den Keller. Meine Familie geriet in Erklärungsnot, und unser Verhältnis erlitt einen nie wieder zu reparierenden Riss. Die ganze Aufregung zog sich über etliche Wochen hin, aber irgendwann ebbte das Interesse dann doch langsam ab.
Inzwischen war glücklicherweise Gras über die Sache gewachsen und so gut wie niemand interessierte sich noch für mich oder meine sexuelle Ausrichtung. Den Valmont-Baumaschinen ging es so hervorragend wie eh und je. Mein Vater hatte zwangsläufig einen anderen Nachfolger gewählt, jemanden aus der Firma, einen jungen Mann, dem er anscheinend vertraute, und ich hatte ganz offiziell auf die meisten meiner Rechte verzichtet. Trotzdem erhielt ich noch einen Anteil der Gewinnausschüttung aus der Firma in Form eines monatlichen Schecks, auf den ich auch auf gar keinen Fall verzichten wollte. Ansonsten hatte ich mit Baumaschinen nichts mehr zu tun, und darüber war ich unverändert froh. Wenn in der letzten Zeit in der Presse über mich berichtet wurde, dann ging es zum Glück nur noch um meine persönlichen Leistungen, um meine Choreographien, die ausgezeichnet worden waren, um Vorträge, die ich gehalten hatte, oder um meine Lehrtätigkeit.
Nach meinem Studium war ich trotz heftigen Protests meiner Eltern in das Haus meiner Großeltern gezogen, nachdem die damaligen Mieter wegen Eigenbedarf gekündigt worden und das Haus umfassend renoviert worden war. Inzwischen gab es einen Anschluss an die Kanalisation und ein richtiges Badezimmer. Mein geerbtes Haus bot sich dazu in jeder Hinsicht an, denn es hatte eine schlicht hervorragende Lage. Das Grundstück befand sich zufällig nah genug an der Kunsthochschule, an der ich meinen Lehrstuhl besetzen würde. Und es war vor allem weit genug von meinem Elternhaus entfernt in einer anderen Stadt.
Für mich stellte sich also niemals die Frage, wohin ich ziehen wollte. Ich hatte nur ein Problem damit, mit wem ich in meinem Haus wohnen wollte. Zu dieser Zeit war es mein absoluter und einziger Herzenswunsch, mit Clay Banton zusammenzuziehen. Dieses heftige Begehren war wohl ein weiterer Grund, warum ich so dringend von meinen Eltern weg wollte. Aber zu meiner großen Betrübnis lehnte Clay ein Zusammenwohnen mit mir vehement ab, sogar, obwohl er damals zeitweilig obdachlos war. Und obwohl ich seine Weigerung nicht verstand und sie mich enorm kränkte, konnte ich seine Meinung leider nicht ändern. Also suchte ich mir schweren Herzens zwei andere Mitbewohner, die ich aus der schwulen Community kannte: Marc Hellberg und Vincent Palm. Ich weiß nicht mehr genau, warum ich zu dieser Zeit auf keinen Fall alleine wohnen wollte. Aus irgendeinem Grund zog ich das nie in Betracht, obwohl ich es mir finanziell hätte leisten können. Höchstwahrscheinlich fürchtete ich mich davor. Denn ich war ja Zeit meines Lebens im Grunde noch niemals allein gewesen.
Jedenfalls halfen Marc und Vincent mir in der Anfangszeit enorm mit dem Haus und mit der neuen, ungewohnten Situation. Wir erledigten einige Renovierungsarbeiten selbst und richteten uns richtig schön ein. Sie hatten auch gar nichts dagegen, dass ich mir sofort den Dachboden für mich selbst ausbauen ließ, um ihn als eigenes und damit größtes Zimmer zu benutzen. Überhaupt hatten wir nur sehr selten Streit und kamen meist recht gut miteinander aus. Meine Mitbewohner waren genügsam, hatten beide einträgliche Jobs und steuerten nicht wenig Geld für unser gemeinsames Leben bei. Meine Entscheidung, mit ihnen zusammen in meinem Haus wohnen zu wollen, hatte ich bisher nie bereut. Der einzige Grund für ständige Konfrontationen mit Marc und Vincent war von Anfang an meine Beziehung zu Clay Banton. Beide hatten so ihre Schwierigkeiten damit, was mich unentwegt nervte, und was ich einfach nicht begreifen konnte.
Ich hatte den Jeep in die Garage gefahren und saß nun ein weiteres Mal still, bewegungslos auf dem Fahrersitz. Das Tor war hinter mir automatisch heruntergefahren, der Bewegungsmelder hatte das Licht in der Garage eingeschaltet. Ich konnte mich nicht überwinden auszusteigen. Irritiert merkte ich, dass Marc und Vincent in diesem Moment, und leider nicht zum ersten Mal der Grund waren, warum ich mich an diesem Ort nicht mehr so wohlfühlte, wie ich es früher als Kind getan hatte. Aus dem damaligen Gefühl der unverhofften Freiheit war allein durch meine zwei Mitbewohner ein Gefühl des Gefangenseins geworden. Ich fühlte mich eingesperrt in ihre Erwartungen, in meine Angst vor ihren ständigen Vorwürfen und meinen Unwillen gegen jegliche neue, alte Auseinandersetzung mit dem immer gleichen Thema: Clay Banton.
Clay, dachte ich, und Fuck!, es riss mir noch immer mein verdammtes Herz raus! Der Name löste unverändert heftige Gefühle in mir aus, die mittlerweile aus einer Mischung aus altem Schmerz, vertraut quälender Schuld und zarter, neuer Hoffnung bestanden. Ich fragte mich verzweifelt, ob ich das in meinem Leben nochmal hinbekam, ob ich jemals an ihn denken konnte, ohne gleichzeitig an diese verdammte Katastrophe zu denken, die vor ein paar Stunden passiert war. Diese verfluchten Minuten in diesem scheiß Stadtpark! Konnte ich jemals nochmal an Clay denken, ohne sofort ungewollt diese schmerzenden Bilder vor mir zu sehen? Seinen hellen, absurd schönen Körper in der dunklen, eiskalten Nacht, das Gefühl seiner verschwitzten, heißen, weichen Haut unter meinen Händen. Mein harter, gieriger Schwanz, der immer wieder brutal in ihn hineinstieß, so ruckartig, heftig und tief, wie es überhaupt nur möglich war. Diese total überwältigenden sexuellen Gefühle, die dadurch in mir entstanden waren, so überirdisch stark, dass ich glaubte, den Verstand zu verlieren und nichts anderes mehr wahrnehmen konnte.
Nur zu deutlich hatte ich Clays rhythmisch begleitendes, schmerzerfülltes Keuchen dabei gehört. Dieses Geräusch war das einzige gewesen, was während des Aktes noch zu mir durchgedrungen war, und ich hörte es noch immer. Es gab gar keinen Zweifel: Ich hatte ihm heute im Park enorm wehgetan! Und die ganze Zeit hatte ich das genau gewusst, ja, ich konnte es sogar spüren, wie ich ihn verletzte! Aber diese Tatsache hatte mich nur noch mehr angetörnt, mich weiter angefeuert, noch härter vorzugehen, ihn noch fester zu ficken und zu schlagen, damit diese gequälten Geräusche, die er von sich gab, auch ja nicht aufhörten. Verdammt, so etwas hatte ich vorher noch nie erlebt, nicht mal ansatzweise getan, und ich hatte auch niemals vermutet, dass mich so viel Gewalt dermaßen stark antörnen könnte! Dieser brutal erzwungene Orgasmus war höchstwahrscheinlich der heftigste gewesen, den ich jemals erlebt hatte. Das konnte nicht nur an dem verdammten Kokain gelegen haben. Das hatte zweifellos auch an Clay gelegen, und an dem, was ich mit ihm gemacht hatte. Fuck, Schande über mich!
Stöhnend saß ich in meinem Auto und versuchte zwanghaft, an etwas anderes zu denken. Aber es kamen nur immer wieder die gleichen Bilder in mir auf. Ich sah schon wieder Clays dunkle, extrem faszinierende Augen, in die er immer so viele Emotionen packen konnte, dass man förmlich davon erschlagen wurde. Schon vor meinem Verbrechen, in Elizas Badezimmer waren sie voller Zorn und Verachtung gewesen, aber auch mit einer so tiefen, nahezu existenziellen Traurigkeit, die ich vorher noch niemals bei ihm gesehen hatte.
Clay, dachte ich, und eine Träne stahl sich unbemerkt aus meinem Auge und lief ganz von allein meine Wange hinunter. Verdammt, ich liebte diesen einen, ganz besonderen Mann weitaus mehr, als mein eigenes Leben! Und ich konnte einfach nicht begreifen, warum ich vorhin in diesem Park so dermaßen gewalttätig mit ihm umgegangen war. Ich kapierte nicht, warum ich Clay ständig meine eigenen Gefühle vorwarf, meine eigene Besessenheit an ihm abreagierte. Das war doch alles komplett falsch, und das durfte auf keinen Fall so weitergehen! Clay Banton hatte mich heute mit seiner aufbrausenden Wut daran erinnert, dass es keineswegs seine Schuld war, wenn ich mich an ihm nicht sattsehen konnte, wenn ich vollkommen besessen und entflammt für ihn war und ihn am liebsten vollständig in mich aufsaugen wollte. Clay war mein Mann, er würde für immer und ewig mein Mann sein, aber ich durfte ihm nicht länger meine eigene Unfähigkeit vorwerfen, meine Gefühle in vernünftige Bahnen zu lenken. Ich musste aus eigener Kraft von meiner Besessenheit herunterkommen, denn meine Obsession war nicht sein Fehler. Irgendwie musste ich es schaffen, unsere Beziehung normal werden zu lassen, was auch immer das heißen sollte.
Aber verdammt nochmal, nichts an Clay Banton war normal! Clay Banton war einfach unwiderstehlich. Er war total verrückt und voller Lebenswillen, voller mächtiger Kraft und unbändiger Energie, von der er mir nur zu gerne bei jeder Begegnung einen großen Teil abgab, sodass ich mich in seiner Gegenwart erstaunlich lebendig fühlte, und mit der er mich regelmäßig komplett verzauberte.
Clay, dachte ich, und alles krampfte sich in mir zusammen. Die Tränen liefen jetzt heiß über meine Wangen, weil ich es schlicht nicht ertragen konnte, was ich in diesem verfluchten Stadtpark mit ihm gemacht hatte. Es war für mich mehr als überirdisch geil gewesen, total entfesselt, sphärisch. Aber es war auf Kosten von Clay passiert, und deshalb war es nicht in Ordnung. Mein Mann hatte das nicht gewollt, und daran hatte er auch keinen Zweifel gelassen, indem er sich lange und heftig gewehrt hatte. Ich hatte ihn wahrhaftig in dieses Gebüsch geschleppt, ihn mit Gewalt und ungebändigter Brutalität zum Sex gezwungen! Sean Valmont hatte Clay Banton vor wenigen Stunden in einem öffentlichen Stadtpark vergewaltigt, daran gab es nichts zu rütteln. Und dabei hatte ich ihm trotz extra feuchtem Kondom mindestens so doll wehgetan, wie dieser fremde Typ auf Louis' Party in der Sonntagnacht mir wehgetan hatte.
Das alles war tatsächlich passiert, und ich konnte rein gar nichts mehr daran ändern. Selbst wenn Clay mir diese Tat, dieses entsetzliche, total verachtenswerte Verbrechen irgendwann verzeihen konnte, ich selbst würde mir mit Sicherheit niemals verzeihen, das war mir inzwischen sonnenklar. Jetzt konnte ich nichts weiter tun, als zu versuchen, irgendwie mit dieser fürchterlichen Schuld weiterzuleben. Und ich konnte dafür Sorge tragen, dass so etwas sich nicht mal annähernd in irgendeiner Form wiederholte. Fuck, was zur Hölle war nur los mit mir?
Noch mehr heiße, nasse Tränen liefen meine Wangen hinab, bis ich sie verärgert wegwischte, hart schluckte und mich dazu zwang, mich endlich zusammenzureißen. Der ganze Mist war im Endeffekt ja nur passiert, weil ich zu viel Kokain genommen hatte! Die scheiß mächtige Droge hatte mein Gehirn komplett in Beschlag genommen und förmlich ausgeschaltet! Und jetzt musste ich eben mit den Folgen klarkommen. Jetzt musste Sean Valmont retten, was noch zu retten war. Nur Aufgeben kam für mich nicht mehr in Frage. Unwillkürlich verspürte ich das übermenschliche Verlangen nach einem Gebaseten, nach noch mehr Kokain, nach einem neuen Kick, der all meine schlechten, schmerzenden Gefühle und Gedanken hinwegfegen würde.
Entsetzt schüttelte ich den Kopf. Nein, das durfte ich nicht tun, ich musste verdammt nochmal viel stärker sein als das! Verzweifelt versuchte ich, mich daran zu erinnern, wie es früher gewesen war, bevor ein gewisser Herr Banton mein Leben komplett aus den Fugen gerissen hatte. Früher hatte ich doch irgendwie immer gewusst, was zu tun war. Sobald ich mein Ziel gefunden hatte, hatte ich es ins Auge gefasst und jede Hürde mit Bravour übersprungen. Ich hatte jede Aufgabe in Angriff genommen, mich gewissenhaft auf Reden und Prüfungen, auf Seminare und Wettbewerbe vorbereitet und war meistens zum Schluss als Sieger daraus hervorgegangen. Meine gute Ausbildung und mein eigenes Selbstbewusstsein hatten mich auf diesem Weg begleitet. Und genau dahin wollte ich jetzt zurück, das spürte ich immer deutlicher. Das konnte doch nicht so schwer sein! Ich hatte doch nicht alles verlernt, was ich mir im Laufe all dieser Jahre angeeignet hatte, um mit dem Leben zurechtzukommen! Ich musste mich nur richtig daran erinnern!
Aber shit, zur Zeit war ich nichts als ein jämmerlicher, mit großer Schuld beladener Feigling! Denn ich saß hier bewegungslos in meinem Auto und traute mich noch nicht mal auszusteigen, weil ich Schiss vor meinen Mitbewohnern hatte. Ich fürchtete Marcs übertriebene Fürsorge und Vincents geringschätzigen Spott so sehr, weil ich mir nicht sicher war, ob ich beides nach den letzten katastrophalen Stunden noch würde ertragen können. Womöglich würde ich nochmal komplett durchdrehen, oder ich würde anfangen zu heulen, und beides wäre vor meinen Mitbewohnern absolut unverzeihlich. Denn ich war doch schließlich so etwas wie der Chef unserer kleinen Theatertruppe, war derjenige, dem das Haus gehörte, in dem wir alle wohnten. Ich war eine studierte Respektsperson, auch Marc und Vincent gegenüber, und ich wollte auf gar keinen Fall in irgendeiner Form vor ihnen zusammenbrechen.
In diesem Moment meldete mein Handy in meine Lederjacke den Eingang einer weiteren SMS, und diesmal war ich beinahe froh über diese Ablenkung meiner Gedanken. Ich holte das Telefon aus meiner Tasche und wischte über das Display. Es war eine neue SMS von Marc, die ich sofort las: Wo bist du jetzt? Ist alles okay? Bitte komme nach Hause, Sean! Geringschätzig blies ich die Luft aus. Mann, ich war doch längst zu Hause! Aber offensichtlich hatten Marc und Vincent noch nichts von meiner Ankunft mitgekriegt. Die Garage war geschlossen, sie konnten also vom Haus aus nicht sehen, dass hier drin Licht brannte und ich den Jeep längst hier geparkt hatte.
Plötzlich fiel mir ein, dass Louis ja diesen scheiß Kontrollanruf auf dem Festnetz tätigen wollte, und alles krampfte sich vor Schreck in mir zusammen. Ich wollte nicht, dass Marc oder Vincent etwas von meiner Beziehung zu Louis Frédéric erfuhren, und schon gar nicht sollten sie etwas über die letzten Stunden meines Lebens wissen, in denen Louis mir zweifellos das Leben gerettet hatte. Nein, ich musste dringend selbst diesen Anruf entgegennehmen, sonst würde es mit Sicherheit unangenehme Fragen geben. Hektisch steckte ich das Handy wieder ein. Eine Antwort für Marc konnte ich mir sparen, denn ich würde in wenigen Minuten im Haus sein. Ich atmete nochmal tief durch und stieg aus dem Auto. Dann schloss ich den Jeep ab und stand noch eine Weile dort, um mich zu sammeln. Tief atmete ich durch. In der Garage war es fast so kalt wie draußen, sodass weißer Dampf aus meinem Mund strömte.
Fuck, ich war todmüde und alles tat mir weh! Mein erschöpfter Körper fühlte sich kaputt, schmutzig und ausgelaugt an. Meine Unterwäsche klebte mir unverändert nass an der Haut, die musste ich so schnell wie möglich wechseln. Überhaupt wollte ich mich jetzt erst mal mindestens drei Stunden lang unter die warme Dusche stellen oder so was. Aber Marc und Vincent würden mich sofort mit ihren Fragen überfallen, sobald ich die Wohnung betreten würde, das war mir klar. Plötzlich wünschte ich mir, dass ich in diesem uralten, wunderschönen, kleinen Haus alleine leben würde. Denn dann müsste ich mich jetzt nicht mit meinen nervigen Mitbewohnern auseinandersetzen. Ich fühlte tatsächlich große Angst und trotzigen Widerwillen vor dieser zu erwartenden, extrem lästigen Konfrontation. Ich wünschte mir sehnlichst, ich könnte mich in dem Haus meiner geliebten Großeltern nochmal so unbeschwert wohlfühlen, wie ich es als Kind erlebt hatte. Aber diese Zeit war unwiderruflich vorbei.
Kim
Es war schon unangenehm genug für mich, Clay dabei zusehen zu müssen, wie er vor seinem Haus diese ältliche Prostituierte umarmte und küsste. Aber als die Frau plötzlich damit anfing, Clay vorzuwerfen, er würde mich belügen, weil er doch eigentlich mit Eliza zusammen wäre, da tat sich förmlich ein Abgrund unter mir auf. Ich glaubte, meinen Ohren nicht trauen zu können, und alles zog sich vor Schreck in mir zusammen. „Das darfst du nicht machen, Clay! Du darfst Kim nicht anlügen! Das ist ihr gegenüber sehr unfair!" beschwor Djamila meinen Mann eindringlich. Um Himmels Willen! Diese verdammte Nutte warf Clay wahrhaftig ziemlich verärgert und lautstark etwas vor, was gar nicht der Wahrheit entsprach! Mir war doch nur unüberlegt herausgerutscht, dass ich Clays feste Freundin wäre! „Ich habe niemanden angelogen!" schrie Clay erzürnt. Sein aufbrausender Zorn erschreckte mich, obwohl er absolut im Recht war.
Ja, ich hatte das aus irgendeiner Laune heraus vorschnell behauptet und wusste inzwischen selbst nicht mehr, warum eigentlich. Und nun war ich aus gleich zwei Gründen komplett erledigt: Zum einen wurde meinem Clay von dieser hartherzigen Hure eine Untreue vorgeworfen, die er gar nicht beging. Und zum anderen war das Wissen darum, dass Clay offenbar eine Freundin hatte, die Eliza hieß, für mich enorm schwer zu ertragen. Die Vorstellung tat mir weh, obwohl ich mich gleichzeitig fragte, wie ich denn überhaupt davon hatte ausgehen können, dass dieser fantastische Mann noch solo wäre. Selbstverständlich war er in seinem Alter und mit seinem guten Aussehen längst vergeben! Ziemlich naiv war ich davon ausgegangen, dass er frei für mich wäre, höchstwahrscheinlich deshalb, weil wir doch gestern so überaus innigen Sex in seiner Wohnung gehabt hatten. Warum schlief er mit mir, wenn er längst eine feste Beziehung zu einer anderen Frau hatte? Wenn das so war, dann hatte er diese Eliza tatsächlich mit mir betrogen, und das tat ganz schön weh. Ich wollte keine heimliche Liebschaft sein! Ich wollte nicht, dass mein Clay einer anderen Frau gehörte!
Aber die Hure, diese Djamila wiederholte immer wieder, dass Clay mir die Wahrheit sagen müsste, und dass er an seine Eliza denken sollte. Das riss mir förmlich das Herz raus. „Kim hat behauptet, dass sie deine feste Freundin ist!" eröffnete dieses verfluchte Weib dem halben Wikinger, und ich hätte ihr dafür am liebsten ihren faltigen Hals umgedreht. Warum tat sie mir das nur an? Konnte die blöde Kuh nicht einfach die Klappe halten? Ich hatte das doch nur vorschnell gesagt und gar nicht so ernst gemeint! Jetzt war ich absolut tödlich blamiert, und Clay würde mich für verrückt erklären und mir womöglich niemals verzeihen.
„Schwachsinn!" brüllte er Mila an, und seine Stimme klang so extrem wütend, dass ich richtig Angst vor ihm bekam. Offensichtlich nahm Clay mir meine Lüge ganz enorm übel. Wie sollte ich ihm jetzt noch unter die Augen treten? „Du verstehst gar nichts!" spuckte er auf die Hure herunter, und seine Augen blitzten vor Zorn in der Dunkelheit. Der Mann wirkte so aufgebracht und angespannt, als würde er am liebsten unverzüglich auf Djamila einschlagen, was mich total erschreckte. Herr Banton beachtete mich gar nicht mehr, sondern war ausschließlich auf diese blöde Prostituierte fixiert. Mein lieber Clay reagierte irgendwie verwirrt und extrem verärgert auf Milas Vorwürfe. Und ich fühlte mich so schlecht, so dermaßen vor den Kopf geschlagen und schuldig, dass ich den beiden nicht weiter zuhören wollte. Ich konnte noch nicht mal mehr in ihrer Nähe bleiben.
Verstört, gekränkt und ziemlich feige machte ich mich instinktiv aus dem Staub. Rückwärts schlich ich mich vorsichtig von den beiden weg, damit sie auf keinen Fall auf mich aufmerksam wurden, und versteckte mich erneut in der schützenden Dunkelheit von Clays Hauseingang. Hier fühlte ich mich relativ sicher. Von hier aus konnte ich Clay und Djamila nur noch undeutlich streiten hören. Aber ich wollte ihrer Auseinandersetzung auch gar nicht länger zuhören, weil dessen Auslöser zweifellos meine dreiste Lüge gewesen war. Warum hatte ich nur behauptet, mit Clay fest zusammen zu sein? Naja, ich wünschte mir nun mal, seine einzige Freundin zu sein, aber ich hätte das trotzdem nicht einfach dreist behaupten dürfen. Und wie konnte ich diesen schlimmen, voreiligen Fehler wieder gut machen? Konnte ich das überhaupt?
Verwirrt stand ich dort an der Treppe in der Finsternis, und meine trübsinnigen Gedanken rasten in meinem Kopf umher. Mir war unglaublich kalt, sodass meine Zähne aufeinander schlugen und ich am ganzen Körper zitterte. Viel länger würde ich diese schmerzende Kälte hier draußen nicht aushalten. Am liebsten wollte ich jetzt ganz woanders sein und ich bereute es, überhaupt schon so lange an diesem Ort ausgeharrt zu haben. Das war alles total umsonst gewesen, absolut vertane Zeit. Clay Banton hatte schon eine Freundin, womöglich war er sogar längst mit dieser anderen Frau verheiratet. Zumindest hatte Djamila ihm seine Beziehung zu Eliza wütend vorgeworfen, ja, sie hatte sogar behauptet, dass diese Eliza Clays Leben wäre. Was sollte das nur bedeuten? Ich allein war es gewesen, die eine dumme Lüge in die Welt gesetzt hatte. Und die blöde Hure schimpfte Clay aus, weil er mir nicht die Wahrheit sagte. Das war ganz schön unangenehm und super peinlich für mich. Denn es war ja nun mal nur ich selbst gewesen, die dreist gelogen hatte.
Ja, ich wollte liebend gerne seine Freundin sein! Aber das war jetzt wohl gar nicht mehr möglich, wo ich doch gerade unerwartet und unfreiwillig erfahren hatte, dass er schon längst vergeben war. Andererseits hatte ich selbst doch auch schon ewig einen festen Freund, fiel mir ein. Ich war schon ziemlich lange mit meinem Ben zusammen. Aber das hatte mich trotzdem nicht davon abgehalten, mich unverhofft in Clay Banton zu verlieben und sogar wiederholt mit Clay zu schlafen. Trotzdem war die Vorstellung, dass Clay ebenfalls längst in festen Händen war, wie ein Schlag vor den Kopf für mich. Mann, das tat mir alles ganz schön weh! Ich hätte wirklich nicht hierherkommen sollen! Aber nochmal andererseits hatte Clay mich doch erst vorhin so verblüffend dankbar und zärtlich angesehen. Der halbe Isländer hatte liebevoll Kim-ber-ly zu mir gesagt, und er hatte diese anderen Frauen allesamt weggeschickt, weil er nur mit mir allein zusammen sein wollte. Oder stimmte das vielleicht auch gar nicht? Wollte er überhaupt mit mir zusammen sein? Oder wollte er lieber, dass ich jetzt auch verschwand, genau wie alle seine Eroberungen? Wollte der betrunkene Mann vielleicht inzwischen lieber allein sein, weil er von Frauen im Allgemeinen gerade gewaltig die Nase voll hatte?
Ich hatte wahrhaftig nicht die geringste Ahnung! Ich wurde aus Clays Verhalten überhaupt nicht mehr schlau. Er verwirrte mich enorm, weil er so sprunghaft schien, als wäre er sich selbst gar nicht sicher, was er eigentlich wollte. Aber nein, redete ich mir zu, mein Clay war nur verwirrt. Er war offensichtlich betrunken, total zugedröhnt mit irgendwelchen Drogen und ziemlich angeschlagen. Jemand hatte ihn heute mit Sicherheit sehr schlecht behandelt. Es ging ihm einfach nicht gut, und deshalb musste ich heute Nacht unbedingt bei ihm bleiben. Ja, ich wusste ganz genau, was ich jetzt am liebsten wollte: So nah wie möglich bei Clay Banton sein! Meinen Mann auf die allerschönste Art verwöhnen und hundertprozentig für ihn da sein! Aber würde er das nach meiner unüberlegten Lüge, die ihn so sehr verärgert hatte, überhaupt noch zulassen?
Verdammt, heiße Tränen stiegen mir in die Augen, weil die Situation auf einmal so verzwickt war und ich nicht mehr wusste, was ich jetzt tun sollte. Ich hätte diese verdammte Lüge nicht erzählen dürfen, dachte ich verzweifelt. Meine Behauptung hatte ihn total aufgeregt, er war deswegen unglaublich wütend geworden. Bestimmt war er jetzt so richtig sauer auf mich! Was sollte ich jetzt nur tun?
Angestrengt lauschte ich nach draußen. Auf einmal war es ganz still, aber ich konnte mich nicht überwinden, hinaus auf den Bürgersteig zu treten, um nachzusehen. Von fern konnte ich hören, wie ein Auto ansprang und sich dann entfernte. Das musste dieser andere Wagen sein, mit dem die ganzen Frauen hergekommen waren. Sie waren Clay mit ihrem eigenen Auto vertrauensvoll hinterhergefahren, nur damit er sie letztendlich sofort wieder nach Hause schickte! Die Mädchen, die sich offensichtlich auf eine schöne Party gefreut hatten, taten mir plötzlich fast leid. Sie mussten nun zu recht denken, dass Clay Banton nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte! Aber ich war auch froh, dass das Auto davonfuhr, weil das bedeutete, dass ich jetzt endlich mit Clay allein war. Hoffentlich war diese blöde, alte Nutte auch in den Wagen eingestiegen, um mit den anderen zurück in die Stadt zu fahren, so wie sie es vorgehabt hatte.
Auf einmal hörte ich ein irres, verzweifeltes Lachen, und ich erkannte auf der Stelle, dass es zu Clay gehörte. Oh, der arme Kerl hörte sich entsetzlich besiegt an, ratlos, so absolut am Ende, dass es mir fast das Herz zerriss. Clay lachte jetzt ziemlich laut, aber mir war intuitiv klar, dass er eigentlich laut weinte. Mein Herz zog sich zusammen. In diesem Moment konnte ich mich nicht mehr bremsen und trat aus dem dunklen Hauseingang hinaus auf den Bürgersteig. Dort stand mein liebster Mann und drehte mir den Rücken zu. Er schaute dem großen Auto hinterher, was gerade am Ende der Straße verschwand, und lachte irrsinnig traurig vor sich hin. Mit einem prüfenden Blick und einem zufriedenen, erleichterten Gefühl hatte ich erfasst, dass Djamila tatsächlich ebenfalls verschwunden war. Bestimmt war sie zusammen mit den anderen Frauen in dem großen Auto davongefahren, und das freute mich viel mehr, als ich mir eingestehen wollte. Beschwingt und geschmeichelt hielt ich mich an dem Gedanken fest, dass Clay Banton wahrhaftig nur wegen meiner Anwesenheit alle seine Eroberungen weggeschickt hatte.
„Clay?" rief ich ihm vorsichtig zu, nachdem ich mir einen Ruck gegeben hatte. Ich spürte ein flaues, furchtsames Unbehagen, weil ich seine derzeitige Stimmung nicht genau einschätzen konnte. War er vielleicht auf mich genauso wütend, wie er auf Djamila gewesen war? Würde er mir wegen meiner dreisten Lüge Vorwürfe machen?
Abrupt drehte er sich zu mir herum, taumelte und betrachtete mich verblüfft. Er kniff die Augen zusammen, als könnte er nicht fassen, was er da sah, als wollte er mich auf diese Art besser erkennen und sicher gehen. Achtsam versuchte ich, seine Verfassung zu analysieren und stellte erleichtert fest, dass mein liebster Mann lediglich verwirrt aussah, aber nicht mehr zornig. Sein Blick huschte suchend an mir vorbei auf der Suche nach alten, neuen Gefahren, und das wärmte mir das Herz, weil er noch immer so typisch und gleichzeitig untypisch ängstlich war, dass ich ihn nur noch beschützen wollte. „Kimberly?" fragte er ungläubig und bewegte sich langsam, tastend auf mich zu. Er war spürbar betrunken und hatte deshalb Schwierigkeiten mit seinem Gleichgewichtssinn. Ich wollte ihm spontan zu Hilfe eilen und kam ihm ein paar Schritte entgegen.
Voller ungesteuert aufbrausender Liebe betrachtete ich ihn. Wow, dieser Mensch war wahnsinnig attraktiv! Sein hübsches Gesicht unter der grauen Beanie, die dicht bewimperten Augen, die schmale Nase und die vollen, roten Lippen. Sein fantastischer Körper mit den langen, muskulösen Armen und Beinen, die in engen Jeans steckten, die breiten Schultern und die schmale Hüfte, an die sich sein Jackett maßgeschneidert anschmiegte. Ich konnte es nicht fassen, dass er nach dieser ellenlangen Zeit des Wartens, dieser ewigen Ungewissheit wahrhaftig hier bei mir war, dass er gerade auf mich zukam, dass wir beide zusammen allein waren. Obwohl wir uns draußen auf einem tristen, schneebedeckten, harten Bürgersteig befanden, wo es so kalt war, dass die Kälte in meinem Gesicht und an meinen Fingern brannte. Aber Clay Banton war endlich bei mir, der fantastischste Mann der Welt, nach dem ich mich schon seit Ewigkeiten verzehrte. Gott, seine Gestalt war einfach nur perfekt, er war so wunderschön! Einfach alles, was ich noch wollte, war in diesem Moment bei mir, und darum war meine ganze Welt plötzlich wunderbar.
Wie hatte ich ihm das nur antun können, dreist zu behaupten, ich würde fest zu ihm gehören?! Wegen meiner dummen Behauptung hatten die anderen Frauen ihm schon heftige Vorwürfe gemacht, und Djamila hatte ihn völlig unberechtigt lautstark ausgeschimpft. Reue und Schuld überfluteten mich. „Es tut mir so leid!" brach mein quälend schlechtes Gewissen wie von selbst aus mir heraus, ohne dass ich vorher darüber nachdenken konnte. Ich kapierte meine Dreistigkeit nicht mehr, die ihm so viele Unannehmlichkeiten eingebracht und ihn so entsetzlich wütend gemacht hatte, und ich hätte meine Worte liebend gerne zurückgenommen. Ich kann es nicht ertragen, wenn er mich jetzt deswegen hasst oder für meine Lüge verachtet, dachte ich deprimiert.
Aber der halbe Isländer wirkte zu meiner Erleichterung gar nicht mehr wütend. Im Gegenteil, der Mann schien eher erfreut und amüsiert zu sein. Meine fast flehend hervorgebrachte Entschuldigung verdutzte ihn so sehr, dass er verblüfft stehenblieb und mich erstaunt betrachtete. „Schon gut... Kim... echt!" versicherte er mir kichernd und gab mir dabei das befreiende Gefühl, als wäre dieser Vorfall, über den er sich noch vor ein paar Minuten so enorm geärgert hatte, nicht mal der Rede wert und meine zerknirschte Entschuldigung daher gar nicht notwendig. Er kann so erstaunlich leicht verzeihen, dachte ich nochmal überwältigt, und ich wollte ihm dafür am liebsten dankbar um den Hals fallen. Ich wollte ihn sofort küssen und an mich ziehen und vollständig in ihm versinken.
Clay trat schwankend noch ein paar Schritte auf mich zu, um schließlich dicht vor mir stehenzubleiben. Nun war er mir so nah, dass ich seinen warmen Atem riechen konnte, der eindeutig reichlich mit Alkohol getränkt war. Aber das machte mir nichts aus. Eine Weile standen wir reglos voreinander und guckten uns nur schweigend an. Ich schaute unwillkürlich gebannt, nahe zugefesselt zu ihm auf, und er blickte irgendwie fragend zu mir herunter. Wir betrachteten uns sehr ausführlich, und unser Blickkontakt war dabei echt intensiv. Wir versuchten gegenseitig, den anderen und seine derzeitige Stimmung auf diese Weise zu ergründen. Clay lächelte charmant, eindeutig erfreut, was ihn wunderschön machte. In seinen faszinierend grün-braunen Augen erschien plötzlich wieder diese grenzenlose, völlig bedingungslose Gutmütigkeit, an der ich mich nicht sattsehen konnte. Er schaute mich beinahe liebevoll an, dankbar, als wäre er ehrlich glücklich über meine Anwesenheit. Und dieser Ausdruck wärmte mich von innen heraus so stark, dass ich überwältigt glaubte, die eisige Kälte um uns herum plötzlich gar nicht mehr zu spüren. Das war ein erleichterndes, nahezu berauschendes Gefühl, was ich noch nie vorher empfunden hatte. Er ist endlich hier, dachte ich nur immer wieder und war selig, Gott, er steht wahrhaftig direkt vor mir! So entsetzlich lange habe ich auf ihn gewartet, so unglaublich doll habe ich ihn vermisst! Meine Befürchtungen und die vielen Enttäuschungen, die er mir in der letzten halben Stunde beschert hatte, weil er fremde Frauen in sein Haus einlud und womöglich längst vergeben war, waren wie weggeblasen. Nun gab es nur noch Clay Banton und mich, und damit schien meine Welt perfekt zu sein.
„Was willst du von mir, Kim-ber-ly?" erkundigte er sich ganz leise. Diese Frage hatte er mir seit unserer Begegnung vor seinem Haus schon öfter gestellt. Und anscheinend hatte er es noch immer nicht begriffen, denn es verlangte ihn unverändert dringend nach einer einleuchtenden Erklärung. Also eröffnete ich ihm ganz spontan, dass ich für ihn da sein wollte und fragte ihn auch gleich, ob er mir das erlauben würde. Weil das in diesem Moment einfach alles war, wonach es mich verlangte. Seine Antwort kam prompt. Er breitete seine langen Arme für mich aus, und das war wohl seine Version von einem Ja. Mein Herz fing ungesteuert damit an, aufgeregt zu klopfen, weil ich es nicht erwarten konnte, ihn ganz nah bei mir zu spüren. Ich fühlte mich auf der Stelle glücklich und konnte mich gar nicht schnell genug in seine Arme werfen. Mit einem schnellen Schritt war ich dicht bei ihm. Clay legte seine starken Arme ganz vorsichtig um meinen Körper, fast ehrfürchtig drückte er mich an seine breite Brust. Ich legte meine Wange an sein weiches Jackett und schlang meine Arme um seinen Rücken. Sofort breitete sich eine angenehme Wärme in mir aus, Clay wärmte mich mit seinem ganzen Körper. Er streichelte über meine Jacke an meinem Rücken, und ich tat das gleiche bei ihm. Ganz vorsichtig und zart drückten wir uns bei dieser Umarmung aneinander, als wollten wir den anderen auf keinen Fall verletzen.
Während ich mich an seine Brust schmiegte, fiel mir plötzlich auf, dass sein schönes Jackett am Ärmel weit eingerissen war. Auch der Stoff darunter, der zu seinem Hemd gehörte, schien gerissen zu sein. Sofort fragte ich mich besorgt, wann das wohl passiert war. War er selbst unachtsam gewesen, oder hatte tatsächlich jemand ihn so brutal behandelt, dass dabei seine Kleidung zerrissen war? Hatte er sich schon wieder mit jemandem geprügelt? Michael in der Stadt hatte mich ja schon vorgewarnt, was Clays äußere Erscheinung anbelangte, und tatsächlich wirkte er verletzt und angeschlagen, aber auch einfach nur bis oben hin zugeknallt. Es war also genauso gut möglich, dass er sich im Suff selbst seine Klamotten beschädigt hatte. Ob ich ihn einfach danach fragen sollte?
Oh, ich hoffte so sehr, dass er nicht schon wieder geschlagen und gequält worden war, denn das glaubte ich nicht ertragen zu können. Dieser Mann war doch so unglaublich lieb und zärtlich, er konnte so schnell und bedingungslos verzeihen, wie ich es vorher noch nie erlebt hatte. Ich fühlte mich in seinen Armen so erstaunlich sicher und geborgen. „Du bist so lieb, Clay!" seufzte ich spontan aus tiefstem Herzen, während ich ihn an mich drückte, „Du bist so unglaublich lieb! Das überwältigt mich total!" Weil ich momentan nicht anders konnte und selbst davon überflutet wurde, teilte ich ihm einfach meine tiefsten Empfindungen mit.
Einen Moment lang war es ganz still, weil er Zeit brauchte, um meine Worte richtig zu erfassen. Zu meinem Erstaunen konnte ich fühlen, wie seine Muskeln sich in meinen Armen widerwillig versteiften. „Warum sagst du das? Was meinst du damit?" fragte er schließlich leise nach. Clay war hörbar alarmiert, und das konnte ich nun wirklich nicht verstehen. Hatte ich denn etwas Falsches gesagt? Verwundert hob ich den Kopf, um in sein Gesicht sehen zu können. Er fixierte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen, als wäre er irgendwie unzufrieden, was ich mir nicht erklären konnte. Hastig streichelte ich mit beiden Händen über seine Schultern. „Du bist so wahnsinnig lieb, Clay! Du behandelst mich immer mit so viel Liebe! Das hat noch nie jemand für mich gemacht! Und dafür möchte ich dir danken, verstehst du?" versuchte ich zu erklären. Aber seine Augen verengten sich nur noch mehr. Zu meiner Betrübnis fing er an, abwehrend mit dem Kopf zu schütteln und stotterte: „Nein... Kim... das..." „Doch, ehrlich, Clay!" rief ich verzweifelt, „Du bist der liebste und zärtlichste Mann, den ich je kennen durfte! Du bist immer so total freundlich zu mir, obwohl ich das doch eigentlich gar nicht verdient habe!" Das meinte ich ehrlich, ich wollte mich dringend bei ihm für seine Güte bedanken.
Aber Clay Banton stöhnte plötzlich genervt auf, was mich ziemlich erschreckte, weil ich mit so einer ablehnenden Reaktion nie gerechnet hätte. Seine Arme fielen förmlich von mir herunter, als wäre ich plötzlich kochend heiß. Er machte taumelnd zwei Schritte rückwärts von mir weg. Dabei ließ er mich nicht aus den Augen, und sein Blick brannte sich schmerzhaft in meine Seele. Clay sah aus, als würde er mich in diesem Moment zum ersten Mal richtig sehen, als wäre ihm urplötzlich klargeworden, was ich in Wahrheit von ihm wollte. Womöglich war das sogar so. Vielleicht verstand er endlich, wie sehr ich ihn liebte. Und es kränkte mich enorm, dass diese Erkenntnis ihn so sehr verstörte, ja, ihn förmlich sichtbar entsetzte.
„Nein! Kim... hör mal...", stammelte der verwirrte Mann und wischte sich nervös mit den Fingern über das Gesicht. Erschrocken beobachtete ich seine gänzlich unerwartete Reaktion und bereute meine ehrlichen Worte zutiefst. Denn jetzt war es offensichtlich: Ich hatte wahrhaftig etwas total Falsches gesagt! Ich hatte ihm etwas eröffnet, was er auf keinen Fall von mir hören wollte. Aber woher hätte ich das wissen sollen? Ich wollte ihm mit meinem Geständnis doch nur eine Freude machen und empfand unsere Beziehung doch nun einmal wirklich so. Doch ihm vertrauensvoll meine innersten Gefühle zu verraten, dass schien ein verhängnisvoller Fehler gewesen zu sein. Aber es war nun mal passiert, die Worte hatten meinen Mund verlassen. Jetzt konnte ich nichts weiter tun, als ihn mit klopfendem Herzen zu beobachten und innerlich mit ganzer Seele zu hoffen, dass er mich deswegen nicht doch noch wegschicken würde.
„Clay! Es tut mir leid!" beteuerte ich ihm automatisch, bevor ich mich bremsen konnte. Er blies spöttisch Luft aus, schüttelte noch immer den Kopf, und ich biss mir auf die Lippen und verstummte. Nein, ich durfte mich nicht schon wieder entschuldigen, das schien ihm noch viel weniger zu gefallen. Aber die Bitte um Verzeihung rutschte mir bei ihm eben von selbst so oft heraus, weil ich mich ihm gegenüber doch noch immer entsetzlich schuldig fühlte.
Clay rieb sich fahrig mit den Fingern über die Augen und zwang sich merkbar zur Konzentration. Schließlich schaute er mich direkt an. Seine Augen wirkten müde und verschwommen, weil er so zugedröhnt war, aber auch krampfhaft auf mich fokussiert und auf das, was er mir sagen wollte. Es scheint sehr wichtig für ihn zu sein, also muss ich ihm jetzt aufmerksam zuhören, dachte ich verunsichert. „Kimberly, hör mal...", fing Clay an und trat dabei unruhig auf der Stelle herum. Er wirbelte mit seinen Füßen ein bisschen Schnee vom Bürgersteig auf. Offensichtlich fühlte er sich in seiner Haut auf einmal nicht mehr wohl. „Ich möchte... dass du etwas weißt, Kim... ich... will unbedingt, dass dir das klar ist... bevor wir gleich hoch zu mir gehen... das ist total wichtig.... verstehst du..?" Er stammelte die Worte hervor und musste sich enorm anstrengen, um nicht unverständlich zu lallen.
Prüfend schaute er in mein Gesicht, als wollte er sichergehen, dass ich ihm auch interessiert zuhörte und alles richtig verstehen konnte, was er mir nun zu sagen hatte. Ich versuchte ein Lächeln und nickte. Clays Gesicht war erschöpft und ernst. Er musterte mich unschlüssig, als hätte er plötzlich in Bezug auf mich irgendwelche Zweifel, was mir überraschend wehtat. Aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, obwohl sein Verhalten mich verwirrte und vor den Kopf stieß. Mir war überhaupt nicht klar, was ich Schlimmes gesagt haben sollte. Aber ich konnte nichts weiter tun, als abzuwarten, bis der Mann seine spürbar betäubten Gedanken geordnet hatte, was nochmal ein paar Minuten dauerte. Währenddessen lächelte ich ihn aufmunternd an, obwohl er mein Lächeln nicht erwiderte, sondern mich nur forschend und nachdenklich studierte. Irgendetwas stimmte zwischen uns auf einmal nicht mehr. Etwas war falsch gelaufen, aber ich kam nicht dahinter, was das gewesen sein konnte. Lag es etwa nur an meinem Geständnis? Weil ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn sehr lieb fand? Das konnte doch nicht sein, oder? Mit einem Mal wurde mir wieder entsetzlich kalt. Ich vermisste seine zärtliche Umarmung ganz fürchterlich. Und ich wollte endlich in seine warme Wohnung gehen, denn inzwischen hatte ich wahrhaftig lange genug auf diesem scheiß Bürgersteig von seinem Haus gestanden. Genau genommen taten mir meine Beine inzwischen so weh, dass ich kaum noch stehen konnte.
Aber Clay machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Er starrte mich nur unentwegt forschend an. Verdammt! Was war nur los mit ihm? Endlich öffnete er seinen Mund. „Hör mal, Kim... das stimmt alles nicht... was du da von mir denkst... Ich bin nicht lieb! Ich bin noch nicht mal... nett, okay!?" beschwor er mich plötzlich verzweifelt. Seine Augen waren jetzt ganz groß. Sie wirkten sehr dunkel und schauten mich betrübt an. Ganz automatisch schüttelte ich den Kopf und wollte tröstend einen Schritt auf ihn zu gehen. Ich wollte zärtlich zu ihm sein und ihn somit davon überzeugen, wie lieb ich ihn fand. Aber er wich zurück, also blieb ich schweren Herzens stehen und betrachtete ihn irritiert. Warum hatte er denn auf einmal so eine schlechte Meinung von sich? Etwa nur, weil ich ihm verraten hatte, wie sehr ich ihn mochte? Was war das denn für ein Unsinn?!
Spontan wollte ich ihm widersprechen, aber Clay brachte mich mit einer heftigen Handbewegung zum Schweigen. Er wollte dringend, dass ich ihm aufmerksam zuhörte, also signalisierte ich ihm meine Bereitschaft dazu. Er seufzte und holte tief Luft. „Ich bin... total... kaputt, Kim! Ich bin nicht lieb... das musst du mir unbedingt glauben!" drängte Clay mich und wich weiter vor mir zurück, bis die Hauswand in seinem Rücken seiner Flucht abrupt ein Ende machte. Er schlug mit dem Hinterkopf und dem Rücken gegen die Mauer, und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn nicht davor gewarnt hatte. Natürlich hatte er hinten keine Augen, nur ich hatte genau sehen können, wie er sich der Hauswand genähert hatte. Aber seine Worte verwirrten und deprimierten mich so sehr, dass ich mich wie erstarrt fühlte.
Stöhnend wich der verstörte Mann meinem fragenden Blick aus, rieb sich den verletzten Hinterkopf und tastete mit der anderen Hand fahrig seine Kleidung ab. Offenbar suchte er seine Zigaretten, weil er schon vergessen hatte, dass seine Schachtel leer gewesen war. Mir wurde warm ums Herz, weil er mir in seiner Irritation auf einmal leidtat. Es tat mir weh, dass er so wenig von sich selbst hielt. „Du bist nicht kaputt, Clay! Warum denkst du das nur?" konnte ich mich nicht bremsen. Er hob heftig den Kopf und guckte mich schuldbewusst an. „Weil ich... ich wollte diese ganzen Weiber nur ficken... und die dachten vielleicht auch, dass ich lieb wäre... aber das ist nicht lieb von mir... Kim... das ist nicht mal in Ordnung! Nichts, was ich tue, ist jemals fucking lieb!" brach sein Frust plötzlich aus ihm heraus. Er atmete schwer und starrte mich unverwandt an. Mein Herz krampfte sich zusammen. Meine Kehle schnürte sich zu, weil es mir so wehtat, wie er sich selbst sah. „Aber Clay... diese Frauen... vielleicht wollten die ja nur das selbe von dir... das kannst du doch nicht wissen...", stammelte ich blöd, weil ich das riesige Bedürfnis hatte, ihn irgendwie zu trösten, aber mir die rechten Worte nicht einfallen wollten.
Clay hielt in seinen suchenden Bewegungen inne und schaute mich verblüfft an. „Vielleicht wollten die dich auch nur flachlegen!" bekräftigte ich schnell, weil ich spürte, dass ich auf dem richtigen Weg war. Aufmunternd lächelte ich ihn an. „Ich bin sexsüchtig", sagte er plötzlich hart, als wollte er mich damit provozieren. Aber ich war gar nicht so geschockt, wie er es vielleicht beabsichtigt hatte, sondern lächelte nur breiter. „Und ich bin heroinsüchtig", entgegnete ich grinsend.
Eine Weile schauten wir uns abermals intensiv an, und ich konnte in Clays Augen ablesen, wie überrascht er war, dass ich mich nicht entsetzt von ihm abwandte. Aber es war ganz egal, was er sagen oder behaupten würde, denn er hätte mich mit Nichts davon überzeugen können, dass er kein lieber und einnehmend zärtlicher Mann wäre. „Kim-ber-ly...", seufzte er nun ratlos und ließ die Arme seitlich herunterhängen. „Ich bin wirklich nicht so, wie du denkst! Ich... bin sogar ein... ziemlich abgefuckter Arsch... und... ich will unbedingt... dass dir das klar ist!" machte Clay einen neuen Versuch mit schleppender Stimme. Ich tat ihm den Gefallen und nickte, obwohl er mich keineswegs überzeugt hatte. „Okay, Clay Banton. Ich habe dich verstanden", behauptete ich, um dieses unangenehme Thema endlich abzuschließen. Mir war überhaupt nicht klar, warum er sich vor mir so schlecht darstellte.
Der Mann zog die Augenbrauen zusammen und studierte mich einen Moment lang perplex. Dann musste er plötzlich lachen, und irgendwie hörte es sich verzweifelt an. „Du hast gar nichts verstanden, Kim-ber-ly! Du lügst mich nur an!" stellte er kichernd fest und schüttelte ungläubig den Kopf. Aber diese Tatsache schien ihm zum Glück nicht mehr allzu viel auszumachen, und das erleichterte mich. Schnell machte ich ein paar große Schritte auf ihn zu und umschloss ihn mit meinen Armen. Gierig drückte ich ihn an mich, weil ich mich nicht mehr zurückhalten konnte. „Clay! Bitte hör doch auf damit, dich schlecht zu machen!" bat ich ihn. Er knurrte unzufrieden. „Fuck, das tu ich doch gar nicht! Ich... bin... manchmal bin ich... so richtig Scheiße!" beteuerte er stur, legte aber zögernd seine starken Arme um mich, was ich entzückt zur Kenntnis nahm. Ich seufzte tief und holte Luft. „Ach, Clay! Jeder ist manchmal total Scheiße! Und selbst wenn du das bist, was ich niemals glaube, so ist es mir egal, hörst du? Das musst du schon mir überlassen! Ich möchte trotzdem mit dir zusammen sein! Ich möchte, dass wir jetzt sofort in deine Wohnung gehen!" bedrängte ich ihn ungeduldig.
„Gott... Kim! Du... bist... echt...", stöhnte er resigniert und brach besiegt ab. Ich konnte spüren, wie seine Hände vorsichtig, hilflos über meine Jacke streichelten. Sogleich fühlte ich eine angenehme Wärme in mir aufsteigen. Er hatte ja keine Ahnung, wie lieb er wirklich war! Plötzlich legte sich seine Hand an meine Wange, sein Daumen strich zärtlich über meine Haut, was mich sofort elektrisierte. „Shit, wie verdammt kalt du bist!" stellte er erstaunt fest. Im nächsten Moment zog er seine Hand erschrocken zurück, was ich sehr bedauerte. „Du bist ja... total durchgefroren, Süße! Das habe ich ganz vergessen... entschuldige... okay?" stammelte er hilflos. Er war auf einmal richtig aufgeregt, was mir das Herz wärmte, weil er um mein Wohlergehen besorgt war. „Clay... schon gut!" wollte ich ihn beruhigen, aber er drückte mich an sich, als wollte er mich plötzlich unbedingt aufwärmen.
Eine Weile standen wir einfach in inniger Umarmung dort. „Du hast keine Ahnung, auf was du dich einlässt", flüsterte er dicht an meinem Ohr, was so ziemlich alles bedeuten konnte, auch eine ziemliche Prahlerei. Aber ich verstand, dass er mich damit nur vor seinen vermeintlichen Fehlern warnen wollte, was ich ganz schön niedlich von ihm fand. „Und du auch nicht!" erwiderte ich neckend, was ihm ein verblüfftes Lachen entlockte, das sich wunderschön anhörte.
Urplötzlich packte Clay mich an den Hüften, hob mich mühelos hoch und warf mich über seine linke Schulter. Erschrocken kreischte ich auf, aber eigentlich gefiel mir diese liebevolle Behandlung sehr. Sein Plan war wohl gewesen, mich die Treppe hinauf bis in seine Wohnung zu tragen. Aber Herr Banton war unverändert zugeknallt mit Alkohol und jeder Menge anderer Substanzen, und darum war sein übermütiges Vorhaben für uns beide nicht ungefährlich. Trotzdem machte er sich zielstrebig auf den Weg zu seinem Hauseingang, aber sein Gleichgewicht spielte natürlich nicht richtig mit, deshalb taumelten wir ziemlich instabil herum und er stieß mit der Schulter mehrmals hart gegen die Hauswand. „Clay! Lass mich runter!" strampelte ich, weil ich Angst hatte, dass er mich früher oder später nicht mehr halten konnte und fallen lassen würde. „Nein... keine Chance... ich lass dich... nicht mehr los... du... gehörst jetzt mir!" meinte Clay besitzergreifend, atemlos von der Anstrengung.
„Clay!" protestierte ich, trommelte mit den Fäusten auf seinen Rücken und strampelte noch fester mit den Beinen, was uns gefährlich ins Wanken brachte. „Lass - mich - run - ter!" verlangte ich gespielt streng, konnte mir aber ein gleichzeitiges Lachen nicht verkneifen. Doch der starke Mann packte mich nur fester und gab mir einen freundschaftlichen Klaps auf den Hintern. „Was bist du doch für eine geile Wildkatze!" keuchte er mehr zu sich selbst, während er mit mir über der Schulter konsequent seiner Wohnung entgegentorkelte. Besonders durch meine Gegenwehr wurde das ein ziemlicher Kraftakt für ihn, den er wegen seinem Zustand nur mühsam bewältigte.
„Halt bitte still, Kim!" verlangte er. „Sonst lass ich dich noch fallen!" warnte er mich. „Lass mich runter, Clay!" forderte ich ihn abermals auf, als wir irgendwie unten an der Treppe angekommen waren und er kurz ausruhte, um neue Energie zu sammeln. Vielleicht überlegte er auch, ob er die Treppe mit mir überhaupt schaffen konnte. Einige Zeit war nur sein Luftholen zu hören, stoßweise blies er weißen Dampf aus. „Ist schon gut, Clay! Du musst das nicht tun, du musst mich nicht tragen! Ich kann doch alleine gehen!" versuchte ich ihn vorsichtshalber von diesem risikoreichen Unterfangen abzuhalten. Allerdings überhörte er mich einfach und machte trotzdem wagemutig zwei Schritte die beiden ersten Treppenstufen hinauf. Ich erschrak und fing wieder an zu zappeln, während ich nochmal auf seinen Rücken schlug. „Nicht, Clay! Das ist zu gefährlich! Lass mich jetzt bitte runter, ich will gehen!" beschwor ich ihn mit klopfendem Herzen. Wenn er keine Vernunft annahm, dann würden wir womöglich noch gemeinsam die Treppe hinunterstürzen und uns wer weiß was brechen! In meiner Position, über seiner Schulter nach unten hängend, stieg mir außerdem langsam das Blut in den Kopf.
„Nein... warte...", meinte Clay aufhorchend. Der Mann kam durch meine ruckartige Gegenwehr ins Wanken und musste das Treppensteigen schließlich widerstrebend abbrechen. Stattdessen zwang sein Ungleichgewicht ihn wieder zurück, er stolperte förmlich nach unten. Dort taumelte er hart gegen die Wand, wo er mich schließlich ganz vorsichtig absetzte. Behutsam stellte Clay mich auf meine eigenen Füße, was mich insgeheim sehr erleichterte. „Nein... warte mal... bitte... geh nicht weg...", stammelte er alarmiert und entsetzt dabei. Irritiert spitzte ich die Ohren und war verblüfft von seinen drängenden Worten. Was meinte er damit? Wovon redete er denn?
Der Mann aus Island sah mich nicht an, aber seine Bitte ging mir abrupt durch Mark und Bein, so flehend hörte sie sich an. „Bitte geh jetzt nicht wieder weg.... verlass mich heute nicht mehr... Kimberly... ich kann jetzt nicht alleine sein... ich... will nicht allein sein!" gestand der Mann mir hörbar frustriert. Schon zwei Sekunden später, noch bevor ich reagieren konnte, hatte er schon hastig seine Arme um mich geschlungen. Er drückte mich so begierig an sich, als wollte er sich verzweifelt an mir festhalten. „Kim... bitte... lass mich heute Nacht nicht allein!" bettelte er mich wahrhaftig mit rauer Stimme an, die mir tief in die Seele stach. Clay Banton unterdrückte ein Schluchzen und rang nach Luft. Ein bisschen hilflos und maßlos verwirrt legte ich meine Arme um ihn und tätschelte beruhigend seinen Rücken. Ich fühlte mich überfallen. Wie kam er nur darauf, dass ich ihn verlassen wollte? Ich hatte doch nichts dergleichen gesagt oder angedeutet. Und ich wollte ihn heute Nacht ganz bestimmt nicht mehr verlassen! Im Gegenteil, ich wollte doch so nah wie nur irgend möglich bei ihm sein.
Zum wiederholten Mal verstand ich nicht, was genau in seinem hübschen Kopf vor sich ging. Gerade noch hatte er mich davon zu überzeugen versucht, was für ein schlechter Mensch er wäre. Er hatte mir seine angebliche Sexsucht aggressiv entgegen geschleudert, als wollte er mich damit schockieren und vertreiben. Und jetzt tat er auf einmal so, als wäre mein Verschwinden das Schlimmste, was ich ihm in diesem Moment überhaupt antun könnte. Offensichtlich war sein Gefühlsleben ganz schön durcheinander geraten! Seine Hilflosigkeit rührte mich. Gleichzeitig schmeichelte es mir, dass der erwachsene Mann mich scheinbar so dringend brauchte, um mich wahrhaftig anzuflehen, ihn nicht zu verlassen. Dabei wollte ich doch nichts lieber auf der Welt, als die ganze lange Nacht nur mit ihm zusammen zu sein.
„Nein, Clay, ich gehe nicht weg! Ich verlasse dich nicht! Ich werde immer bei dir bleiben!" versicherte ich ihm aus vollstem Herzen. Er keuchte überrascht auf und drückte mich noch fester an sich, sodass ich meinen Kopf nur mit Mühe ein bisschen drehen konnte, um zu ihm aufzusehen. Blind tastete ich mit einer Hand an ihm hinauf und streichelte zärtlich über sein verletztes Gesicht, berührte mit den Fingerspitzen sein stoppeliges Kinn, dann seine aufgeplatzten Lippen und die weichen Wangen. „Fuck!" stöhnte er kehlig und schien mich vollkommen in sich hineinziehen zu wollen. Er zerquetschte mich förmlich, sodass ich kaum noch atmen konnte. „Bitte Clay... hab doch keine...", setzte ich mühsam an, stoppte aber im letzten Augenblick erschrocken, weil mir siedend heiß einfiel, dass er es so gar nicht mochte, wenn ihm jemand Angst unterstellte.
Clay gab jetzt ein Geräusch von sich, dass irgendwo zwischen Stöhnen, Schluchzen und Kichern lag. Er drehte uns beide stürmisch zur Seite und drückte mich mit dem Rücken gegen die steinerne Wand seines Hausflurs, wobei meine Finger aus seinem Gesicht rutschten. Nur vom Licht der Laterne vor dem Haus sehr schwach beleuchtet, lockerte der Mann seine Umklammerung ein bisschen, sodass ich reflexhaft nach Luft schnappte. Nun konnte ich in sein Gesicht sehen und fand darin ein Lächeln der Vorfreude. Clay Banton sah zufrieden aus, friedlich, beruhigt, und das gefiel mir. Endlich schien er seine unsinnigen Zweifel abgelegt zu haben.
Im nächsten Moment kam er wieder auf mich zu und schob dabei sein Knie behutsam zwischen meine Beine. Das entlockte mir ein überraschtes und ziemlich peinliches Quietschen, weil ich es so aufregend fand, dass mein Herz etliche Schläge aussetzte. Diesmal presste Clay seinen Unterleib provozierend gegen meinen Bauch, seinen Oberschenkel gezielt an meine empfindlichste Stelle zwischen meinen Beinen, und beobachtete mich dabei ganz genau. Mein Quieken gefiel ihm offenbar. Er grinste ein bisschen schmutzig und beugte sich nah an mein Ohr. „Möchtest du mit mir schlafen, Kim? Genauso wie gestern?" fragte er mich ganz direkt, und mein Herz stolperte schon wieder. Mir blieb die Luft weg, darum konnte ich nur zustimmend nicken, was Clay mit einem zufriedenen Kichern quittierte. Zwei Sekunden später hatte er schon mit seinem Mund meine Lippen gefunden und besiegte mich kinderleicht mit seinem leidenschaftlichen Zungenkuss. Irgendwie war mein Kopf plötzlich leer und meine Lippen öffneten sich automatisch für ihn, sodass er mit seiner weichen Zunge schnell in meinen Mund gelangte. „Komm doch mit... bitte... wir gehen jetzt nach oben... ich... sorge dafür... das du nicht länger so doll frierst...", erklärte Clay mir atemlos zwischen drängenden Küssen. Seine Hände strichen ein wenig wahllos über meinen Körper, als könnten sie auf meinem dicken Wintermantel kein richtiges Ziel finden. Er drängte mich vorsichtig, aber unmissverständlich die Treppe hinauf, wobei wir uns kaum voneinander lösten. Fast blind taumelten wir in der Dunkelheit küssend und streichelnd die kahlen Stufen hinauf. Sein von der vorherigen Kraftanstrengung erhitzter Körper strahlte eine angenehme Wärme aus, an der ich mich liebend gerne aufwärmte. Endlich ist er angekommen, dachte ich erleichtert und vollkommen überwältigt, jetzt ist er endlich wirklich bei mir!
Clay
Es wurde irgendwie seltsam mit ihr. Der gefühlt perfekte Augenblick, indem einfach alles in Ordnung zu sein schien, war nur zehn Sekunden später schon wieder vorbei, als sie mir mit zittriger Stimme erklärte, wie wahnsinnig lieb sie mich fand. Diese mädchenhafte Schwärmerei öffnete mir schlagartig die Augen und war gleichzeitig ein herber Schlag in meine Magengrube. Endlich begriff ich, warum Kimberly in Wahrheit zu mir zurückgekommen war, warum sie in diesem Moment so unverhofft in meinen Armen lag: Das dumme, kleine und viel zu junge Mädchen hatte sich wahrhaftig in mich verguckt. Ich wäre so lieb zu ihr, meinte sie, und dass noch nie vorher jemand sie mit so viel Liebe behandelt hätte.
Ihre verliebten Worte ließen mich sofort aufhorchen, und ich dachte nur Fuck!, das kann doch jetzt echt nicht wahr sein! Denn es gehört nun mal zu meinen wenigen Prinzipien, dass ich mit niemandem, der in mich verliebt ist, noch eine sexuelle Beziehung führen will. So etwas geht mir auf die Eier. Es ist total kompliziert, und der andere wird dabei immer nur verletzt, weil er gefühlsmäßig viel größere Erwartungen an mich hat, als ich jemals zu erfüllen bereit wäre.
Kimberly trieb es also immer wieder zu mir hin, weil sie sich aus irgendeinem dummen Grund in mich verliebt hatte, und als mir das endlich abrupt klarwurde, bekam so Manches nachträglich irgendwie einen vagen Sinn. Aber ich wollte bestimmt nicht näher darüber nachdenken! Ich wollte diesen Mist noch nicht einmal wahrhaben, denn verdammt, an diesem Montagabend wollte ich nur noch Sex und Heroin um mich haben, und sonst war mir eigentlich alles scheißegal. Aber jetzt hatte Kims rätselhafte Anwesenheit schlagartig einen ganz anderen Hintergrund bekommen, der mir kein bisschen behagte. Ich fühlte mich ziemlich verarscht und von ihr um meine Leichtigkeit betrogen. Ihre starken Gefühle für mich setzten mich sofort enorm unter Druck, schoben mir irgendeine beschissene Verantwortung zu, und ich haderte schwer mit mir, ob ich das blind verliebte Mädel nicht lieber auf der Stelle nach Hause schicken sollte. Doch schnell wurde mir klar, dass diese Option längst nicht mehr bestand. Denn verdammt nochmal, ich hatte ja idiotischerweise schon jede einzelne vertrauensvolle und potentiell fickbare Seele, die vorher freiwillig diese scheiß Nacht mit mir zusammen hatte verbringen wollen, beschissen voreilig weggeschickt!
Meine Situation war plötzlich mehr als niederschmetternd, denn ich wollte eigentlich nichts mehr mit Kimberly zu tun haben, und schon gar nicht, wenn sie verliebt in mich war. Im Grunde hatte ich das ja sowieso nicht gewollt. Ich hatte gehofft, die böse Hexe niemals wiederzusehen, schon allein wegen ihrem scheiß gewalttätigen Psycho-Freund und den brutalen Kumpels, die sie ohne mit der Wimper zu zucken und mit Waffengewalt beschützten. Ich hatte total Schiss, noch einmal von diesen prügelgeilen Teenagern überfallen zu werden, wenn ich mich erneut auf Kimberly einließ. Schließlich hatte ihr Freund mir streng verboten, jemals nochmal ein Wort mit dem Junkiemädchen zu reden und mir auch gleich eingebläut, was mir ansonsten blühte. Andererseits war schlicht niemand anderes mehr da! Und obwohl es absolut ätzend war, dass sie mich offenbar aus irgendeinem hirnrissigen Grund vergötterte, konnte ich doch nicht mehr auf sie verzichten.
Mein Gehirn war vollgestopft mit irgendwelchen berauschenden Substanzen, sodass mir das Denken enorm schwerfiel und ich echte Mühe damit hatte, mit dieser scheiß Erkenntnis, die das Junkiemädchen mir in ihrem jugendlichen Leichtsinn fast beiläufig offenbart hatte, fertigzuwerden. Fuck, sie durfte mich nicht lieben, das ging auf gar keinen Fall! Zum einen gab es zum Verrecken keinen Grund dazu, denn sie war fast noch ein Kind und ich war viel zu oft ein abgefucktes Arschloch. Und zum anderen durfte ich sie eigentlich nicht mehr ficken, wenn sie tatsächlich diese Art von Gefühlen für mich hegte. Mann, dass konnte echt nicht sein! Das seltsame Weib hasste mich doch eigentlich total, darum hatte sie mich ja erst vor zwei Tagen von ihren Freunden restlos zusammenschlagen lassen. Und jetzt empfand sie auf einmal das komplette Gegenteil? Hä? Was dachte sie sich dabei? Was war nur mit ihr los? Mit der stimmte doch was nicht!
Ich kam da nicht mehr mit, war nicht zum ersten Mal vollständig von ihr verwirrt worden, und ich versuchte verzweifelt ihr klarzumachen, was für ein Mann ich in Wahrheit war. Schon allein deshalb, um dem dummen Kind schnellstmöglich den in rosaroten Wolken schwebenden, verflucht hübschen Kopf zurechtzurücken. Ich versuchte wirklich, sie davon zu überzeugen, dass ich mit Sicherheit nicht liebenswert, sondern ein kaputter, total verrückter und sexsüchtiger Wichser war. Ich war so was von polytoxikoman! Aber selbstverständlich glaubte die verblendete Frau mir kein Wort. Diese Mühe hätte ich mir sparen können, denn Kimberly hatte ihre naive Meinung gefasst, und Fuck!, ich konnte daran im Moment nichts ändern.
Am Ende dachte ich total entnervt, scheiß doch was drauf, denn sie in dieser Situation wegzuschicken wäre höchstwahrscheinlich mein Tod gewesen. Es war nun mal eine lästige Tatsache, dass ich es schlicht nicht ertragen konnte, wenn ich allein war, schon gar nicht in dieser verzwickten Nacht. Ich war in meinem Leben schon viel zu oft und lange allein gewesen! Also ließ ich es gut sein, und die süße Maus entschuldigte sich schon wieder wegen irgendwas bei mir, was ich nicht mitbekommen hatte. Mein Kopf dröhnte zunehmend und ich war inzwischen wirklich maßlos erschöpft. Ich fühlte mich total müde, vollständig erledigt und restlos besiegt. Clay Banton konnte einfach nicht mehr weiterkämpfen. Ich wollte nur noch in meine warme Wohnung rein und endlich ausruhen, und die kleine Kimberly sollte so extrem dringend bei mir bleiben, dass es mich selbst erschreckte. Ihre Anwesenheit wurde tatsächlich existenziell für mich. Weil sie einfach die einzige war, die mir momentan geblieben und für mich noch verfügbar war. Unbedingt wollte ich nochmal mit diesem wundersamen Junkiemädchen schlafen. Ganz erbärmlich sehnte ich mich nach befriedigendem Sex, qualitativ hochwertigem Heroin, einem schweigenden Kopf und jeder Menge sauguter Gefühle.
Ich streichelte sie ein bisschen, aber sie hatte entschieden zu viele frustrierend dicke Winterklamotten an, deshalb konnte ich ihren verlockenden Körper kaum fühlen. Letztendlich schnappte ich mir die Kleine und warf sie mir kurzentschlossen über die Schulter, weil ich plötzlich nicht länger warten konnte. Sie strampelte und wehrte sich irgendwie, lachte aber dabei, denn sie war aufgeregt und amüsiert von mir. Sie war federleicht, aber ich war ziemlich besoffen, und durch ihre heftigen, ruckartigen Bewegungen geriet ich ins Stolpern und es war schwer, sie nicht fallen zu lassen. Irgendwie erreichten wir trotzdem den Hauseingang, und ich bereitete mich innerlich darauf vor, sie die vielen Treppenstufen hinaufzutragen, was in meinem zugeknallten Zustand und mit einer hartnäckig zappelnden Frau auf der Schulter nicht einfach war.
Sie wog zwar fast nichts, aber ihre Gegenwehr wurde noch stärker. Und dann sagte sie plötzlich irgendwas von wegen, sie könnte alleine weggehen, was mir unvermittelt das Herz rausriss. Das war nämlich einfach nicht drin, dass sie mich jetzt plötzlich verlassen wollte, um wo auch immer hinzugehen. Das ging jetzt nicht mehr, denn damit hätte sie mich schlicht komplett zerstört. Ich hätte das verdammt nochmal nicht überstanden, denn ich konnte auch in dieser verfluchten Nacht, nach diesem fucking scheiß Tag nicht allein sein! Trotz ihres Fliegengewichts war es überraschend anstrengend gewesen, sie bis in mein Haus hinein zu tragen. Ich war von ihrer unverständlichen Ankündigung total schockiert, fühlte mich enorm verwirrt. Alles schwankte irgendwie vor meinen Augen, und mein armer Kopf dröhnte total. Der Gedanke, dass sie plötzlich gehen wollte, dass ich sie jetzt doch noch verlieren würde, war in diesem Augenblick unerträglich. Also bettelte ich das Junkiemädchen instinktiv an. Clay Banton flehte wahrhaftig wie ein gehirnamputierter Volltrottel, dass das Mädchen doch bitte bei ihm bleiben sollte, was absolut erbärmlich war. Banton war aber echt verzweifelt, und darum machte er sich für die fremde Frau total zum Idioten.
Zum Glück lenkte das verrückte Weib relativ schnell ein. Sie änderte ihre Meinung und versprach mir zu bleiben. Spätestens an diesem Punkt hatte ich längst keinen Plan mehr, was hier eigentlich gerade passierte oder wohin das alles noch führen konnte oder würde. Ich fand sie nur mal wieder wahnsinnig heiß, war überwältigt von ihr, erleichtert und dankbar, weil sie bei mir bleiben und all diese Dinge für mich tun wollte, von denen wir gesprochen hatten. Ich wollte dringend mit ihr bumsen, also fasste ich sie ein wenig an und küsste sie, und sie schien zum Glück richtig erpicht darauf zu sein. Wir knutschten ein bisschen herum und bewegten uns dabei mühsam im Dunkeln die blöde, steile Treppe hinauf.
Ich war irritiert, weil die neue, nervige und beunruhigende Erkenntnis, dass das Mädchen hier auf mich gewartet hatte, weil sie in mich verliebt war, mich beim Knutschen stärker abtörnte, als ich vermutet hatte. Also versuchte ich, mich mehr auf sie zu konzentrieren, bis wir schließlich direkt vor meiner Wohnung standen. Ich löste mich nur ungern von ihr und suchte in meiner Jeans nach dem Schlüssel, konnte ihn aber mit meinen Fingern nicht greifen, weil wegen der Drogen meine Feinmotorik nicht mehr richtig funktionierte. Es war stockfinster in meinem Hausflur. Ich konnte sie kaum noch sehen, bis ich an der rauen Wand endlich den Lichtschalter fand und die einzelne Glühbirne anknipste. Entsetzt kniff ich die Augen zusammen, weil ich plötzlich so geblendet wurde.
Das kleine Mädchen lachte belustigt und griff mir dreist in die vordere Hosentasche, wo ich meinen Schlüssel vermutet hatte. Während sie mit ihren kleinen Fingern meinem Schwanz erstaunlich nahe kam, spürte ich immer deutlicher, dass die beruhigende Wirkung der shore mittlerweile enorm nachgelassen hatte. Die sinnfreie Auseinandersetzung mit den schnippischen McDonald's Weibern und der vorlauten Nutte hatte mich ganz schön aufgewühlt, verärgert und erschöpft. Der Streit und das ganze Drumherum hatten mich enorm ausgelaugt, sodass ich merkte, wie dringend ich jetzt erst mal etwas Heroin nehmen musste. Ich hatte unverändert Bock zu ficken, aber im Moment schien mir dieser Sport noch zu anstrengend zu sein, und außerdem hatte ich insgeheim keinen blassen Schimmer, ob ich ihn heute Nacht nochmal hochkriegen würde. Mein Körper fühlte sich nass und schmutzig an, total durchgeschwitzt, was mich an den verlorenen Kampf mit Valmont erinnerte, und das gefiel mir kein bisschen.
Kimberly läuft mir nicht mehr weg, hoffte ich träge, sie hat versprochen, dass sie vorerst bei mir bleibt. Sie wollte sogar unbedingt für mich da sein, was auch immer sie darunter verstand. Das war mir mehr als recht. Aber mir war auch klar, dass ich zuerst mehr shore nehmen musste, denn das war mittlerweile schon echt überfällig, weil verdammte Gedanken mir hinterhältig immer mehr zu schaffen machten.
Kim vermied es auffallend, meinen Penis auch nur irgendwie zu berühren, als sie hastig meinen Schlüssel aus meiner Jeans fischte, sich herumdrehte und meine Wohnungstür aufschloss. Ich war dankbar, dass sie das hilfsbereit tat, denn ich war nicht sicher, ob ich das noch hinbekam. Endlich war die Tür offen und wir konnten meine schöne, große Behausung betreten, worüber ich froh war. Die Deckenfluter in den Ecken des Wohnzimmers waren schon angesprungen, denn ich hatte beim Verlassen der Wohnung vergessen, die Lichtsensoren auszuschalten. Die inzwischen für uns schon ungewohnte Wärme in den Räumen tat verflucht gut, und auch Kim seufzte behaglich auf und schaute mich freundlich an. Sie sah niedlich aus mit ihrer Mütze und dem passenden Mantel, trotzdem wollte ich ihr beides gerne vom Körper reißen und sie auf der Stelle flachlegen. Aber ich konnte das nicht mehr, weil ich zu müde war, und irgendwie war das Scheiße. Nur ein bisschen ausruhen, dachte ich entkräftet, wir rauchen erst mal zusammen was, und dann sehen wir weiter.
„Setz dich doch!" lud ich das Mädchen ein und deutete schwankend zum Sofa hin. Sie lächelte und nickte. Urplötzlich wollte ich dringend die kaputten und dreckigen Klamotten loswerden, die mir schon viel zu lange lästig am Körper klebten und mich an Ereignisse erinnerten, an die ich nie wieder denken wollte. Also schlug ich die Wohnungstür zu, blieb direkt dahinter stehen und riss mir förmlich das verdammte Jackett von den Schultern. Ich verhedderte mich irgendwie in den Ärmeln und taumelte ein wenig durch die Gegend. Aber dann hatte ich das teure Teil endlich ausgezogen und pfefferte es auf den Boden, weil ich aus irgendeinem Grund plötzlich angepisst war. Ich bin total wütend, spürte ich verblüfft, aber mir wollte gar kein Grund einfallen, und das verwirrte mich schon wieder. Um mich abzulenken, knöpfte ich mit fahrigen Fingern hastig mein Hemd auf und verfluchte im Stillen die vielen winzigen Knöpfe an meiner Brust. Es war schwierig, sie mit meinen betrunkenen Fingern zu fassen zu kriegen.
„Nicht einfach auf den Boden werfen, Clay! Dein gutes Jackett! So geht man doch nicht mit seinen Sachen um!" tadelte Kim mich wahrhaftig, die sich trotz meiner Aufforderung gar nicht auf das Sofa gesetzt hatte, sondern immer noch neben mir stand und mich amüsiert, interessiert beobachtete. „Ach, scheiß doch drauf!" sagte ich zu ihr, zog mein blödes Seidenhemd aus und pfefferte es nicht weniger zornig auf den Fußboden. Ich hasste meine schmutzige, zerrissene Kleidung plötzlich, weil sie mich hartnäckig an diese Scheiße erinnerte, an die ich nicht erinnert werden wollte. Ich wollte die Sachen an mir unbedingt auf der Stelle loswerden. „Clay! Pass doch auf! Nicht!" stöhnte Kimberly kopfschüttelnd. Das dumme Weib bückte sich und sammelte wahrhaftig mein Jackett und das Hemd vom Boden auf, um beides glattzustreichen und ordentlich über die Lehne des Sessels zu legen. Das kapierte ich zwar nicht, aber eigentlich war es mir schnurz. Ich knibbelte mir hektisch die ätzende Krawatte vom Hals, zog mir auch die Beanie ab und das durchgeschwitzte Unterhemd über den Kopf und warf alles auf den Boden, wo fast spießig ordnungsliebende Frau es wieder aufsammelte.
Dann streifte ich mir mühsam die Sneakers und die Socken von den Füßen, wobei ich ein bisschen ins Taumeln geriet und mich an der Wand abstützen musste. Meine Strümpfe und Füße waren vom Schnee draußen total kalt und nass geworden, weil die blöden Turnschuhe nicht wasserdicht waren. Aber der Fußboden in meinem Wohnzimmer war angenehm warm und die Teppiche flauschig weich und beides fühlte sich an den nackten Fußsohlen echt gut an.
Mit einem Auge registrierte ich, dass Kimberly zögernd ihren Mantel auszog und sich die Mütze vom Kopf nahm, sowie ihren Schal abwickelte, während sie mich erstaunt sehr eingehend beobachtete. Scheinbar gefiel es ihr, dass ich mich so heftig auszog, sie fand es aufregend, und das amüsierte und besänftigte mich irgendwie. Sie legte ihre Klamotten sorgfältig auf den Sessel und betrachtete sichtbar wohlwollend meinen nackten, muskulösen Oberkörper, nur ein bisschen besorgt wegen der vielen Verletzungen. Das brachte mich zum Grinsen, weil es so süß von ihr war. Mann, ich wollte diese verlockende junge Frau echt gerne auf der Stelle doggystylen! Aber das war leider noch nicht drin, weil ich total nervige Schmerzen verspürte, die ich nicht haben wollte, und zwar körperliche und seelische.
Als ich extra langsam meine Jeans aufknöpfte, wurden Kims neugierige Augen immer größer. Ich schob aufreizend meine Hand in meine Unterhose, spielte unter dem Baumwollstoff ein wenig mit mir und schaute sie dabei provozierend an. Ich lächelte zweideutig. „Möchtest du, dass ich meinen Schwanz für dich heraushole, Kim-ber-ly?" fragte ich sie geradeheraus und lachte mich insgeheim kaputt über ihre offensichtliche Irritation. Fuck, das wird noch richtig lustig mit der, dachte ich freudig erregt. Sie versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen. Sie atmete nur zweimal tief durch und erwiderte dann tapfer meinen verschlingenden Blick. „Wenn du das tun möchtest, Clay, dann halte ich dich nicht auf", versicherte sie mir weitaus mutiger, als sie sich in Wahrheit fühlte. „Das tue ich bestimmt noch für dich, Süße! Aber jetzt noch nicht", erwiderte ich sanft und amüsierte mich köstlich, weil sie so eindeutig enttäuscht aussah, es aber gleichzeitig vor mir verbergen wollte.
„Sei nicht traurig, Kim, ich habe dafür was anderes Schönes!" tröstete ich sie und holte aus meiner Boxershorts die zwei Gramm hervor, die Sergej mir netterweise auf Kombi mitgegeben hatte. Bei McDonald's auf dem Klo hatte ich das Versteck für das Heroin nochmal gewechselt und es vorsichtshalber aus meinem Jackett geholt. Es war ein hellbrauner Stein, extrem hart gepresstes Heroin am Stück, verpackt in durchsichtig gelbes Plastik, und er fühlte sich in meiner flachen Hand verdammt gut an, als ich ihn ihr triumphierend hinhielt. Kim kam einen Schritt näher und blickte erstaunt, verwirrt auf meine Hand. „Was ist das?" fragte sie tatsächlich. Offenbar hatte sie in ihrem kurzen Leben noch nie einen Stein gesehen, was mich eigentlich nicht wunderte. Schließlich war sie ja kein abgefucktes Junkiemädchen, sondern nur ein ganz harmloses. Sie war jemand, der offenkundig nur sehr selten Heroin nahm, weiß der Teufel warum überhaupt. Meiner Meinung nach war sie kein typischer Junkie, und sie hätte mit Sicherheit genauso gut auch ganz ohne dieses starke, verhängnisvolle Zeug auskommen können. Aber ich dachte nicht weiter darüber nach, weil mich ihre Gründe oder ihr Leben nicht die Bohne interessierten.
„Das ist Heroin, meine Süße!" erklärte ich ihr nur ein wenig spöttisch. Sofort schaute sie prüfend, ungläubig in meine Augen. „Was? Das sieht doch aus wie ein Stein!" stellte sie verdammt clever fest. Ich musste einfach lachen. „Das ist ein Stein, Kim-ber-ly!" versicherte ich ihr lächelnd, zog meine Hand ein, schloss meine Finger um die harte shore und bewegte mich langsam auf mein Sofa zu. Mein träges Herz fing an zu klopfen bei dem Gedanken, dass ich gleich jede Menge geiler Chinesen rauchen würde. „Wenn du dir einen Knaller machen willst... ich habe noch Pumpen und Ascorbin in meiner Jacke...", informierte ich Kimberly gleichgültig, weil sie von mir aus ruhig meine Sachen benutzen konnte. Ich selbst hatte vorläufig vom Ballern genug, denn meine zahllosen Einstiche schmerzten noch immer und ich erinnerte mich viel zu gut daran, wie mühsam und ätzend diese scheiß Stecherei gewesen war. Naja, die Kicks in Sergejs Wohnung waren zwar hammermäßig geil gewesen, zweifellos, und ich bereute es auch keineswegs, sie mir verschafft zuhaben. Aber mittlerweile konnte ich wieder darauf verzichten.
Außerdem wollte ich auch nicht gerne womöglich nochmal das Bewusstsein verlieren, jetzt, wo doch die kleine Kim bei mir war, und Ballern war nun mal ziemlich unkontrollierbar. Anders als beim Rauchen gab es kein Zurück mehr, wenn man die mächtige Wirkung anrauschen spürte und zu ahnen begann, dass man es vielleicht mit der Menge ein bisschen übertrieben hatte. Man konnte nicht einfach mittendrin das Silberpapier weglegen. Jetzt wollte ich aber unbedingt wach bleiben und so freundlich und aufmerksam zu dem Mädchen sein, wie sie es zweifellos verdient hatte. In Wahrheit war nämlich sie die einzig wirklich liebe Person hier in diesem Raum!
Erst jetzt bemerkte ich, wie verblüfft oder besorgt die Frau mich anstarrte. Verunsichert schaute ich an mir herunter, während ich mich erschöpft auf mein weiches Sofa fallen ließ. Ein bisschen nervös rutschte ich auf der Couch herum, weil ich eigentlich auch die dreckige, nasse und blutbesudelte Jeans ausziehen wollte. Aber das wäre in diesem Moment und vor Kimberly irgendwie komisch gewesen, es hätte voreilig oder gierig gewirkt. Ich wollte das Weib nicht unnötig schockieren, deshalb ließ ich es lieber sein. Was war nur los? Wieso taxierte sie mich? Stimmte was nicht mit mir?
„Du hast Spritzen dabei?" fragte Kim aufhorchend und kam alarmiert auf mich zu. Sie setzte sich dicht neben mich und betrachtete prüfend meine nackten Armbeugen. Es dauerte gar nicht lange, bis sie den roten Einstich etwa zwei Zentimeter unter dem weißen Verband entdeckt hatte. Das Blut war zwar mittlerweile getrocknet, aber es war vorher meinen Arm herabgelaufen, als ich bewusstlos gewesen war, und ich hatte die dünne, rote Spur noch nicht richtig weggewischt. Es passte mir nicht, wie erschrocken sie mich ansah, denn schließlich ballerte sie doch selbst, die doofe Kuh! Hastig legte ich den kleinen Stein auf den Tisch und verdeckte instinktiv mit meiner rechten Hand den Einstich in meiner linken Armbeuge. „Was denn?" blaffte ich viel zu unfreundlich. Das Mädchen studierte mich aufmerksam. „Du hast mir doch erklärt, dass du keine Einstiche haben darfst, weil du Schauspieler bist. Erst am Freitagabend hast du das gesagt, als ich zum ersten Mal hier bei dir war. Erinnerst du dich, Clay?" fragte sie allen Ernstes.
Fuck, was für eine hinterfotzige Frage! Selbstverständlich erinnerte ich mich an ihren verfluchten ersten Besuch in meiner Wohnung. Schließlich war der doch in einer unerwarteten Katastrophe geendet und dann auch noch der Auslöser für all die folgenden unerfreulichen Ereignisse geworden. Sie hatte mich überaus schmerzhaft in die Eier getreten, nachdem ich gewaltsam über sie hergefallen war. Das war so ziemlich der am meisten misslungene Abend der letzten Zeit für mich gewesen. Wie könnte ich den wohl vergessen!?
„Ich erinnere mich", knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen und warnte sie mit meinen Augen, jetzt lieber die Klappe zu halten. Aber dumme Kimberly verstand meinen Blick nicht oder sah einfach darüber hinweg. „Warum hast du denn dann jetzt trotzdem Heroin gespritzt, Clay? Das tust du doch nicht einfach zum Vergnügen! Was war der Grund dafür?" erkundigte sie sich ganz leise. Die viel zu neugierige Frau war vorsichtig, sichtbar auf der Hut vor mir, als hätte sie Angst vor meiner Reaktion, was mich ganz schön nervte. Was erwartete sie denn? Das ich wegen so einem Scheiß ausrasten würde? Shit, warum konnten diese verdammten Weiber denn nicht einfach mal ihre typische Neugier zügeln und still sein? Warum zur Hölle waren alle scheiß Frauen so verfickt kompliziert?
Kim wartete auf meine Antwort, aber mir fiel dazu nichts ein. Denn ich würde sicher nicht mit ihr über die letzten Stunden meines Lebens sprechen oder darüber, warum es mich so dringend nach einer Spritze voll mit berauschendem Heroin verlangt hatte. Nervös wich ich ihrem fragenden, nervig besorgten Blick aus und guckte mir stattdessen meinen Tisch an. Er war aufgeräumt worden, aber ich entdeckte die Rolle mit der Alufolie und einige Blätter Zeichenpapier, die Sadako ordentlich an den Rand gelegt hatte. Zum Glück warf meine begabte Haushälterin nie etwas von mir weg, was nicht eindeutig Müll war, ohne mich vorher zu fragen. Das kleine Messer und sogar zwei Zugrohre hatte sie liegen lassen, und darüber war ich jetzt froh, denn ich hätte mit meinen betrunkenen Fingern womöglich kein Röhrchen mehr basteln können. Zumindest wäre das recht mühsam geworden, und ich hatte jetzt keine Lust mehr zu warten. Kimberly ging mir auf die Nerven und ich wollte nur noch den geilen shore Stein knacken.
„Nicht, Clay! Bitte verstecke das nicht vor mir. Du musst gar nichts vor mir verstecken, hörst du?" drang Kims sanfte, beschwörende Stimme in mein beduseltes Gehirn vor. Im nächsten Moment spürte ich ihre zarten Finger, die behutsam meine rechte Hand vom Einstich in der linken Armbeuge wegschob. Ihre Berührung elektrisierte mich irgendwie, denn ihre Finger waren eiskalt. Sie verwirrte mich, darum wehrte ich mich nicht, sondern legte die rechte Hand folgsam auf den Rand der Couch. Das Mädchen nahm meinen linken Arm und schaute sich nochmal sehr genau diesen verfluchten Einstich an, als hätte sie so etwas noch nie gesehen, was total unangenehm war. „Warum ist das Blut nach oben gelaufen, Clay?" wollte sie plötzlich besorgt wissen. Konfus glotzte ich auf meinen Arm, der jetzt irgendwie auf ihrem Schoß lag, wo sie ihn gut im Griff hatte. Ja klar war das Blut nach oben in Richtung meines Handgelenks gelaufen! Einfach deshalb, weil mein Arm zu dieser Zeit gerade kraftlos nach unten gebaumelt war. Und das war passiert, weil ich bewusstlos und vornübergebeugt auf dem Klo bei McDonald's gesessen hatte.
Von dieser Episode würde ich Kim unter Garantie nichts erzählen, aber das Mädchen reimte sich schon selbst irgendwas zusammen, denn ihr kleines, junges Gesicht bekam einen immer besorgteren Ausdruck. Sie schaute mich mit großen, alarmierten Augen an und wartete auf meine Erklärung. Mann, da konnte sie aber lange warten! „Ist doch egal!" wollte ich sie abschmettern und zog meinen Arm unwillig von ihrem Schoß weg. Hastig beugte ich mich vor und griff nach der Rolle Silberpapier, um mir ein Stückchen abzureißen. Danach nahm ich zwei Blätter Papier und faltete sie zu einem recht großen und einem kleineren pack zusammen. Diese Handgriffe waren beruhigend vertraut und lenkten mich von der Frau ab, die mir mit ihren Fragen und ihrer Besorgnis entschieden zu nahe kam.
Kimberly zog wahrscheinlich die richtigen Schlussfolgerungen, denn sie wirkte jetzt ernsthaft beunruhigt. Es stresste mich, wie sie mich unentwegt alarmiert, fast schon fassungslos von der Seite beobachtete. Wenn sie mein Bein sieht, dann wird sie bestimmt komplett durchdrehen, dachte ich spöttisch. Denn an meinem Knöchel und Unterschenkel befanden sich mindestens zehn teils erfolglose Einstiche, und ich überlegte nervös, wie ich die wohl später beim Ficken vor dem neugierigen Weib verbergen konnte. Ich war unzufrieden, denn ich wollte mit dem Mädchen eine schöne Zeit haben und nicht mit ihr über die Vergangenheit reden oder völlig bescheuerte Probleme wälzen.
Seufzend wandte ich mich ihr schließlich zu, weil sie offenkundig nicht damit aufhörte, sich über meine Blutspur Sorgen zu machen. „Hör mal, Kim, mir ging's heute nicht so gut. Und da habe ich mir halt einen Druck gemacht. Das müsstest du doch wohl am besten verstehen oder? Wer ist denn hier die Spritzenexpertin von uns beiden?" versuchte ich sie ein wenig zu necken, um sie endlich aufzumuntern. Zu meiner Erleichterung klappte das auch. Ihr Gesicht erhellte sich, sie war amüsiert, was sie sofort schöner machte. „Ich bin keine Expertin!" protestierte sie kichernd und schlug mich leicht gegen die Schulter, „Ich mache mir nur etwa einmal im Monat einen Schuss. Ansonsten kiffe ich nur ab und zu, aber mehr Heroin nehme ich normalerweise gar nicht." „Warum bist du dann im Methadonprogramm?" wunderte mich, denn bei einem so geringen Gebrauch konnte sie unmöglich süchtig sein. Sie druckste ein bisschen herum. „Naja... ich... habe früher mal für kurze Zeit mehr genommen. Aber das ist schon lange vorbei. Seit ich Methadon nehme, habe ich das Heroin drastisch eingeschränkt", verriet sie zögernd. Es war mir völlig egal, warum sie so entschieden hatte oder ob sie mir die Wahrheit sagte. Ich nickte verständig und wandte mich wieder meiner Arbeit zu, froh, sie von dem verfluchten Einstich abgelenkt zu haben.
Vorsichtig öffnete ich mein wundervolles Zauberpäckchen, brach den kleinen Stein unter beträchtlicher Kraftanstrengung sorgfältig in zwei Teile und legte die eine Hälfte auf das größere Stück Zeichenpapier. Die andere Hälfte packte ich so gut es ging zurück in das Plastik, danach in das kleinere pack und legte es schließlich für später beiseite. Zuerst würde ich nur einen Teil der shore bearbeiten, weil das nicht so entsetzlich mühsam war. Ich wandte mich der auserwählten Hälfte zu und faltete das Papier um den abgebrochenen Stein herum nochmal zusammen. Dann schaute ich mich nach meinem Zippo um, aber es war nirgends zu sehen. Ich musste nachdenken, wo mein Feuerzeug geblieben war, bis mir einfiel, dass es wohl noch in meinem besten Jackett steckte, das Valmont mutwillig zerrissen hatte. Die Erinnerung schmerzte, deshalb schob ich die unangenehmen Bilder in meinem Kopf schnell beiseite.
„Ach... Kim... bitte... holst du mir eben mein Zippo?" fragte ich betont freundlich, deutete auf die Jacke über der Sessellehne und hoffte, dass sie das jetzt einfach tun würde. Denn ich hatte keine Lust, nochmal aufzustehen und war mir auch nicht sicher, ob ich das ohne Probleme schaffen würde. Aber Kimberly war eine gute Elfe, denn sie stand sofort eifrig auf, holte das Feuerzeug aus meinem Jackett und reichte es mir. „Danke schön!" bedankte ich mich artig und hatte es auf einmal sehr eilig. Mit der flachen Seite des metallenen Feuerzeugs zerdrückte ich die shore in dem größeren pack, was ziemlich mühevoll war. Das Pulver war extrem eng gepresst worden und deshalb tatsächlich hart wie Stein.
Nur aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Kim nochmal an meiner Jacke beschäftigt war und ich vermutete, dass sie sich jetzt wohl die Rotkäppchen und das Ascorbin für ihren Knaller herausholen würde. „Du musst dir aber selbst einen Löffel und Wasser aus der Küche holen", erwähnte ich beiläufig, weil ich echt keinen Bock hatte, diese notwendigen Dinge für sie zu besorgen. Der Weg in meine Küche war viel zu weit, und wie gesagt, ich wollte vorerst nicht mehr vom Sofa aufstehen. Aber im nächsten Augenblick saß die Frau schon wieder dicht neben mir und schüttelte den Kopf. „Nein, ich möchte mir heute keinen Schuss setzen, Clay", meinte sie sanft, woraufhin ich sie verdutzt anschaute. Sie lächelte mich selig an, ihre grünen Augen leuchteten eindeutig verliebt, und das schürte mein schlechtes Gewissen, weil ich sie doch eigentlich deswegen nicht mehr bumsen durfte, aber es trotzdem so dringend wollte.
„Warum nicht?" fragte ich, obwohl mich das gar nicht interessierte. Sie zuckte mit den Schultern. „Es reicht mir für diesen Monat", wollte sie mir weismachen, aber das konnte sie mir nicht erzählen, das war einfach nur Schwachsinn. „Aber ich will sehr gerne ein bisschen mit dir rauchen", setzte sie eilig hinzu, worauf ich grinsen musste, weil sie eben doch heroinsüchtig war, obwohl sie es irgendwie abstritt. Das alles verwirrte mich auf eine seltsame Art, deshalb konzentrierte ich mich wieder auf meine Tätigkeit, den Stein zu zerpulvern, damit wir ihn endlich rauchen konnten. Mit aller Kraft presste ich mein Feuerzeug auf das gefaltete Papier, das auf dem harten Tisch lag und in dem sich der Stein befand. Zufrieden spürte ich, wie das Rauschgift unter meinem Druck nachgab und langsam zerbröselte.
Das hellbraune Pulver war noch längst nicht fein genug, eigentlich hätte ich es noch zusätzlich mit dem Messer sorgfältig zerhacken müssen. Aber ich hatte keine Geduld mehr. Hastig brannte ich das Stück Alufolie mit meinem Zippo ab und schaufelte mir dann mit dem kleinen Messer ein bisschen Heroin drauf. „Hast du ein Feuerzeug?" musste ich die Frau fragen, denn mein Zippo hatte eine viel zu große Flamme zum Chinesenrauchen, und ich konnte auf dem verdammten Tisch kein anderes Feuerzeug sehen. Sie nickte, stand nochmal für mich auf, was echt fantastisch war, und holte aus ihrem Mantel ihre Zigaretten und ihr Einwegfeuerzeug. Schon saß sie wieder dicht neben mir und reichte mir das Plastikteil. Ich stellte die Flamme ganz klein, und endlich war ich soweit. Mit blöde zitternden Fingern hielt ich das Stück Alufolie, lenkte das Feuer darunter und rauchte meinen ersten Chinesen seit unendlichen Zeiten. Mann, das tat verflucht gut!
Es war ein enorm dicker Chinese, viele kleine Bröckchen, weil ich das Heroin in meiner ungeduldigen Gier nicht fein genug zerkleinert hatte. Diese riesige Menge schaffte ich nicht mit einem Atemzug, sondern musste noch zweimal absetzen, weil meine Lungen proppenvoll waren. Jedes Mal hielt ich die Luft so lange an, bis mir die Augen tränten und Spucke aus meinem Maul lief, was vor der fremden Frau irgendwie peinlich war. Die seltsame Kimberly beobachtete mich nämlich die ganze Zeit mit ihren leuchtend grünen Augen, die zweifellos bis in den hintersten Winkel meiner Seele vordringen konnten. Das machte mich total nervös, aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Mein Bedürfnis, mich sehr ausführlich mit diesem Mädchen zu beschäftigen, stieg rapide an, als sich die besänftigende, mega wohltuende Wirkung in meinem Körper ausbreitete und ich überlegte, wie ich mich ihr am besten nähern konnte.
Dann kam mir jählings eine Idee. „Sollen wir mal was Neues versuchen?" fragte ich sie spontan und lächelte charmant, was ihre Augen sofort zum Strahlen brachte. „Ja... ich meine... kommt drauf an...", stotterte sie ein bisschen ängstlich oder verunsichert. Ich lächelte beruhigend und berührte ihre schmale Schulter. Sie trug einen total merkwürdigen Pullover, der sich flauschig anfühlte. „Ich rauche den Chinesen, und beim Ausatmen gebe ich dir alles ab, okay?" erklärte ich ihr, und mein Herz hämmerte auf einmal aufgeregt los bei dem Gedanken, wie verdammt nahe wir uns bei dieser Aktion kommen würden. Diese höchst intime Art des Heroinkonsums hatte ich bisher nur zusammen mit Sean Valmont genossen, und es war jedes Mal eine verflucht geile Version des sexuellen Vorspiels geworden. Vielleicht wünschte ich mir im Hinterkopf, dass es mit Kimberly ähnlich laufen würde. Oder vielleicht dachte ich mir auch gar nichts dabei und war einfach nur scharf auf die shore.
Jedenfalls schaute sie mich irritiert an. „Wie meinst du das denn?" erkundigte sie sich so süß ahnungslos, dass ich sie am liebsten auf der Stelle geküsst hätte. Nochmal berührte ich ihre Schulter, fuhr dann zart an ihr entlang und streichelte ein wenig über ihren Hals. Ihre Haut fühlte sich immer noch eiskalt an, aber sie war ganz weich und die Frau erschauderte höchst entzückend. „Warte einfach ab, okay? Vertrau mir, Kim-ber-ly. Du musst nichts weiter tun, als einzuatmen, ja? Machst du das für mich?" lächelte ich drängend, und sie nickte wagemutig.
Also legte ich uns einen neuen dicken Chinesen auf, nahm die Folie und ihr Feuerzeug und zündete die shore an. Ich saugte durch das Röhrchen so viel ich nur eben konnte von dem bitteren Qualm in meine gierigen Lungen, sodass das hammerharte Zeug mir fast das Gehirn wegblies, was unglaublich geil war. Nur mit Mühe konnte ich mich danach auf das Mädchen besinnen, die immer noch wartend, spürbar ängstlich so dicht neben mir saß, dass unsere Oberschenkel sich fast berührten. Ich nahm das Rohr aus dem Mund und legte es zusammen mit dem Silberpapier und dem Feuerzeug auf den Tisch. Als ich nicht länger die Luft anhalten konnte, wandte ich mich ganz Kimberly zu, wobei unsere Schenkel aneinander rieben.
Die unwissende Maus mit den langen, dunkelroten Haaren schaute mich fragend an, sichtbar aufgeregt, leicht verunsichert, aber überraschend zuversichtlich. In ihren glänzend grünen Augen lag plötzlich so viel Hingabe, absolut bedingungsloses Vertrauen in mich und in das, was ich jetzt mit ihr tun würde. Diese grenzenlose... was? - Liebe? in ihren Augen traf mich so unerwartet, dass ich davon schlagartig gebannt und gleichzeitig förmlich erschlagen wurde. Fuck, dieses Mädchen vertraute mir blind! Sie gab ihr verdammtes junges Leben vertrauensvoll in meine Hände! Das war dermaßen neu und erstaunlich, dass ich einen Moment brauchte, um die Wucht ihrer Gefühle zu verpacken, irgendwie damit zurechtzukommen.
Krampfhaft riss ich mich zusammen, weil mir die Luft bedrohlich knapp wurde, und zwang mich zur Konzentration. Behutsam beugte ich mich zu ihr hin, wobei ich mich mit meinem linken Arm neben ihrer Hüfte auf der Couch abstützen musste, um nicht gegen sie zu fallen. Mühsam beherrscht kam ich ihr mit meinen Lippen immer näher. Sie beobachtete mich aufmerksam, ihre Augen öffneten sich weit, erwartungsvoll. Die Fee war verwirrt, erstarrt, zuckte leicht zusammen, aber sie war auch mutig. Sie drehte sich nicht weg und wehrte mich auch nicht ab, als ich meinen Mund zärtlich auf ihren drückte. Diese hauchzarte Berührung schickte mir sofort heiße Schauer durch die Wirbelsäule, rasend schnell an mir herunter, bis meine Eier anfingen zu vibrieren, was verflucht angenehm war. Fast hätte ich alles versaut, weil in mir unwillkürlich ein erregtes Keuchen aufstieg, das dringend heraus wollte. Nur mit Mühe konnte ich es im letzten Moment unterdrücken.
Ganz vorsichtig, richtig liebevoll öffnete ich ihre geschlossenen Lippen mit meiner Zungenspitze. Auch das ließ sie widerstandslos geschehen. Die ganze Zeit schauten wir uns an, und ich wurde vom Hellgrün ihrer Augen irgendwie paralysiert. Aber ich brauchte dringend Sauerstoff, also atmete ich zögernd aus und blies dabei den fantastischen, verhängnisvollen, extrem bitteren shore Qualm direkt bis in Kimberlys junge Lungen hinein. Reflexhaft atmete die Frau tief ein und tat damit intuitiv genau das Richtige. Einen erschreckten Moment lang befürchtete ich, dass sie jetzt womöglich einen Hustenanfall kriegen oder sich am Rauch verschlucken würde, deswegen total sauer auf mich wäre und wütend aus meiner Wohnung davonrauschen würde, was für mich eine lebensgefährliche Katastrophe gewesen wäre. Alles krampfte sich in mir zusammen bei dem Gedanken, denn ich fürchtete, jetzt gerade womöglich einen nicht wieder gutzumachenden Fehler begangen zu haben. Shit, ich hätte sie richtig vorwarnen müssen, tobte es vorwurfsvoll in meinem Kopf, ich hätte ihr diese Sache erst mal ausführlich erklären müssen!
Aber ich konnte die voreilige, unüberlegte Aktion nicht mehr abbrechen, denn sie war schon in vollem Gange. Als der gasförmige Inhalt meiner Lungen restlos in die der Frau geströmt war, löste ich mich von ihrem Mund und rang krampfhaft nach Luft, weil ich das sehr dringend tun musste. Kimberly hatte ihre roten Lippen wieder geschlossen und hielt brav die Luft an, genau wie es optimal laufen muss. Offenbar tat sie das instinktiv, oder sie wusste einfach noch, wie man am wirkungsvollsten Chinesen raucht, denn nichts anderes hatte sie ja gerade getan, wenn auch über den Umweg durch meine Lungen. Ihre sanften Augen lagen unverändert auf meinem Gesicht. Sie studierte es, tastete es ausführlich ab, als wollte sie sich jeden Zentimeter genau einprägen.
Unwillkürlich gefesselt erwiderte ich ihren Blick. Sie lächelte freundlich, zustimmend, vergnügt verschwörerisch. Das schickte mir eindeutige Gefühle durch den ausgelaugten und verletzten Körper, weil es mich so sehr erleichterte, weil ich ihr spontan so dankbar war, dass sie mich jetzt nicht angewidert anschnauzte oder einfach abhaute. Ich war verblüfft von ihrer unvermuteten Professionalität und ihrem total grundlosen Vertrauen in mich, das wirklich nicht berechtigt war. Die Frau war gar nicht entsetzt von meiner Dreistigkeit, wie ich es kurz befürchtet hatte, sondern sah erfreut und zufrieden aus. Sie schien meinen unangekündigten shore Kuss sogar genossen zu haben. Behaglich seufzend schloss sie die Augen, um sich ganz auf die wohltuende Wirkung des Heroins zu konzentrieren, während ich weiterhin ausführlich ihr junges Gesicht betrachtete, die helle, reine, noch kaum strapazierte Haut, die feinen Konturen. Kim genoss sichtbar ihren Rausch, denn sie spürte genau wie ich, dass Sergejs shore eben doch die allerbeste war. In diesem Moment fand ich sie einfach nur fantastisch. Die gefährliche Hexe war wunderschön.
Sean
Ganz langsam steckte ich den Schlüssel ins Schloss. Es war mühsam, das kleine Schlüsselloch zu treffen, und ich musste ein bisschen herumfummeln, bis der Schlüssel passte. Ich drehte ihn behutsam, höchst konzentriert darauf bedacht, bloß keinen unnötigen Lärm zu machen, der den anderen meine Ankunft angekündigt hätte. Vorsichtig öffnete ich die Haustür und betrat mein kleines Haus. Im Flur war es dunkel. Am Ende des Flurs stand die Tür zum Wohnzimmer weit offen. Gedämpftes Licht fiel heraus, und ich konnte den Fernseher hören. Anscheinend saßen Marc und Vincent gemeinsam vor dem Bildschirm und schauten irgendeinen Film, den ich nur anhand der lauten Geräusche nicht identifizieren konnte.
Ich fühlte mich unwohl. Am liebsten wäre ich heute Abend niemandem mehr begegnet. Bis auf einer Ausnahme: Clay Banton. Wenn doch nur Clay hier mit mir zusammen wohnen würde, dachte ich sehnsuchtsvoll, wenn er doch bloß damals mit mir zusammengezogen wäre. Dann würde jetzt nur Clay hier auf mich warten. Ich könnte sofort zu ihm gehen, ihn umarmen und ihm alles erklären. Ich könnte mich bei ihm entschuldigen für das, was zwischen uns passiert ist, und er in seiner grenzenlosen Güte würde mir verzeihen. Ich würde ihm jeden Schmerz, den er sicherlich erleiden muss, einfach wegstreicheln und damit jeden unverzeihlichen Schlag und Tritt von mir wiedergutmachen.
Meine Seele schmerzte bei der Erinnerung daran, wie brutal ich auf den Mann, den ich über alles liebte, eingeschlagen hatte. Mein Körper erinnerte mich prompt daran, wie kraftvoll er sich gewehrt hatte. Clay mit seiner erstaunlichen inneren Energie hatte mich unerwartet angegriffen, mich nicht weniger brutal verprügelt, und ich glaubte, diesen Schmerz immer stärker zu fühlen. Mit Sicherheit würde ich an meinem erschöpften Leib nicht wenige blaue Flecken finden.
Keine Sorge, Valmont, ich bin bald weg, dann musst du mich nicht mehr ertragen!, hatte Clay mir wütend angedroht. Als ich mich jetzt urplötzlich an seine bizarre Ankündigung erinnerte, knickten mir vor Verzweiflung unvermittelt die Beine ein. Um nicht geradewegs auf den Teppich im Flur zu stürzen, musste ich mich hastig irgendwo abstützen. Dummerweise erwischte ich aber nur die Haustür, die mit einem lauten Knall zuschlug, während ich haltlos dagegen taumelte. Mein Hausschlüssel aus meiner Hand fiel laut scheppernd auf die Steinfliesen, als ich panisch nach Halt suchte. Nur mit Mühe konnte ich es verhindern, hinab auf die Erde zu stürzen, denn das Gewicht der ganzen Welt fiel gerade direkt auf meine verdammten Schultern.
Natürlich genau in diesem Moment passierte das, wovor ich Feigling mich schon die ganze Zeit gefürchtet hatte. Der Fernseher in unserem Wohnzimmer wurde abrupt leiser gedreht. „Sean?" rief Marc aufhorchend und kam im nächsten Augenblick auch schon alarmiert auf mich zu geeilt, „Sean! Gott sei Dank!" Er gebärdete sich, als würde sein Sorgenkind endlich zurück zu Papa kommen. Als wäre ich schon seit Ewigkeiten weg gewesen. Als wäre er für mich verantwortlich. Als hätte ich irgendwas getan, was seine astronomische Sorge rechtfertigen würde. Als würde ich ihm eine verfluchte Erklärung schuldig sein. Sofort war ich tierisch genervt.
„Hi Marc", knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen und lehnte mich müde von innen gegen die geschlossene Haustür. Der Arsch knipste auch noch das Licht im Flur an, damit er mich besser begutachten konnte. Stöhnend schloss ich die Augen und stand einfach so dort. Sein neugieriger, mega besorgter Blick wanderte ausführlich über meinen gesamten Körper. Ich spürte das, ohne es zu sehen. „Wie geht es dir, Sean? Ist alles in Ordnung?" fragte Marc und kam noch näher, bis er mich schon fast berührte. Meine Augen klappten widerwillig auf. Gerne wäre ich einen Schritt zurückgegangen, um den Abstand zwischen uns zu vergrößern, aber in meinem Rücken war die Tür und ich war nicht sicher, ob meine Beine mich noch trugen. Ich bin bald weg, hatte Clay mir gedroht.
„Alles bestens", wollte ich meinen Mitbewohner beruhigen. Marc legte mir seine Hand auf die Schulter und sah mir direkt in die Augen. „Nein, Sean. Dir geht's beschissen", stellte er fest und nickte vielsagend. Das machte mich richtig wütend. Warum zum Teufel bildeten sich alle Leute ständig ein, genau zu wissen, wie ich mich fühlte? Und warum fragte Marc mich denn dann überhaupt, wenn seine Meinung sowieso schon feststand!? „Ich habe gesagt, es ist alles bestens!" betonte ich verärgert und schüttelte die dunklen Gedanken heftig aus meinem Schädel. Ich riss mich zusammen und machte einen großen Schritt nach vorn, wobei Marcs lästige Hand von meiner Schulter fiel.
Der Plan war gewesen, einfach geradewegs an ihm vorbei ins Badezimmer zu gehen. Aber meine Beine machten nicht richtig mit, weil ich irgendwie zugedröhnt war und diese Schuld zentnerschwer auf mir lastete. Ich stolperte, verlor das Gleichgewicht, und Marc fing mich geistesgegenwärtig auf. „Bist du betrunken?" wollte er sofort wissen. Seine Stimme hörte sich vorwurfsvoll an. „Ja genau, ich bin sternhagelvoll!" konnte ich mich nicht bremsen, ihm zornig ins Gesicht zu schreien. Marc zuckte erschrocken zusammen.
Ein Lachen vom anderen Ende des Flurs irritierte mich, und mein Kopf fuhr in diese Richtung, während ich mich genervt aus Marcs stützender Umklammerung wand. In der Wohnzimmertür stand Vincent und grinste belustigt. Er klatschte in die Hände. „Das ist geil, Sean! So ist das richtig!" kommentierte er sarkastisch, was mich total verwirrte. Die beiden Valium vernebelten mein Gehirn, und das Denken fiel mir schwerer, als mir gefallen hätte. Ich war nicht sicher, ob ich diese Konfrontation noch länger ertragen konnte.
„Hört mal, Leute...", fing ich an und stützte mich mit einer Hand unauffällig an der Wand ab. Vincent betrachtete mich grinsend. Marc kam einen Schritt näher und glotzte unverändert besorgt. Beide warteten gespannt darauf, was ich sagen würde. Aber ich musste erst meine Gedanken ordnen. Das Licht im Flur blendete mich unangenehm. Aus dem Wohnzimmer machte der Fernseher gedämpfte Geräusche, die wie Schüsse klangen und mich ablenkten.
„Ich muss jetzt dringend zuerst unter die Dusche und mich umziehen. Danach komme ich von mir aus zu euch ins Wohnzimmer und wir können uns ein bisschen unterhalten, okay?" schlug ich ihnen in der Hoffnung vor, dass sie sofort verschwinden würden. „Willst du über Clay sprechen?" erkundigte Marc sich aufhorchend und kam um mich herum, damit er mir besser ins Gesicht sehen konnte. Auch Vincent kam interessiert einen Schritt näher. „Selbstverständlich geht es um Clay. Es geht doch immer um Clay", bemerkte er abfällig. „Hast du ihn gefunden? Was ist passiert?" konnte Marc seine viel zu stark ausgeprägte Neugier mal wieder nicht drosseln. In Gedanken stöhne ich genervt auf und zählte stumm bis zehn, um meine aufbrausende Wut unter Kontrolle zu behalten. Bleib ganz ruhig, versuchte ich mir zuzureden, die können dir in Wahrheit rein gar nichts.
„Hast du nicht zugehört?" blaffte ich nun doch Marc an, „Ich möchte mich zuerst ein wenig ausruhen und duschen! Danach wird gequatscht, okay?" Er nickte zögernd und betrachtete mich gekränkt. „Hast du dich mit Clay geprügelt? Deine Sachen sind so nass und schmutzig!" kommentierte er meine äußere Erscheinung. Vincent lachte laut auf, kam noch näher und legte Marc seinen Arm um die Schultern. „Lass gut sein, Marki-Marc! Unser Freund Sean braucht jetzt erst mal eine kleine Erholungspause. Seine geheimnisvolle Begegnung mit Mister Banton scheint ziemlich anstrengend gewesen zu sein", kicherte er und zwinkerte mir zweideutig zu. Vincent vermutete irgendwas Versautes zwischen Clay und mir, höchstwahrscheinlich äußerst heftigen, gewalttätigen Sex.
Unvermittelt tauchten Bilder einer Szene im Stadtpark vor meinem inneren Auge auf. Ich sah Clays wunderschönen, hellhäutigen Körper vor mir aufblitzen, das breite Kreuz, seinen langen Rücken mit den einzelnen Wirbeln, sein extrem wohlgeformtes Hinterteil. Ich sah, wie meine Erektion in ihm verschwand und wieder halb auftauchte. Die Bilder erregten und entsetzten mich gleichermaßen. Marcs Augen wurden immer größer, weil er nun auch irgendwas Delikates vermutete. „Hast du ihn gefunden? Was hast du getan? Was hat er gesagt? Warum war er heute nicht im Theater?" fiel Hellberg schon wieder über mich her. Ich schloss die Augen und seufzte. Das war, als würde ich eine unverständliche Fremdsprache sprechen, weil meine Mitbewohner einfach nicht verschwinden wollten, sondern Marc mich immer weiter mit nervigen, aufwühlenden Fragen bombardierte.
In diesem Moment ertönte aus der Küche laut die Melodie unseres Festnetzanschlusses. Sofort waren meine Augen wieder offen. Das musste Louis mit seinem Kontrollanruf sein! Hektisch zwang ich mich zur Konzentration und ließ die Wand neben mir los. Meine Beine fühlten sich zum Glück mittlerweile wieder halbwegs okay an, sodass ich einige Schritte machen konnte, ohne einzuknicken. „Ich geh dran!" informierte ich Marc und Vincent hastig und beeilte mich, um in die Küche zu kommen. Erleichtert registrierte ich, dass die beiden mich gehen ließen und mir nicht folgten. Vincent redete leise auf Marc ein. Ich konnte ihn nicht verstehen, aber das war mir egal, solange meine Freunde mich nur endlich in Ruhe ließen.
Endlich war ich in der Küche, schaltete das Licht ein und bewegte mich widerwillig auf das Telefon zu, was beständig klingelte. Fick dich, dachte ich angepisst, du bist nicht mein verdammter Bodyguard, Louis! Aber irgendwie hatte ich deswegen ein schlechtes Gewissen, weil Louis Frédéric mich vor Kurzem aus einer zweifellos lebensgefährlichen Lage befreit hatte. „Ich bin zu Hause!" brüllte ich in das Mobilteil, sobald ich es an mein Ohr gehoben hatte. Viel zu lange war es ganz still in der Leitung. Das nervte mich enorm, denn ich fühlte mich verarscht. Gerade wollte ich Louis anschnauzen, als jemand irritiert fragte: „Sean?" Es war eine weibliche Stimme, die ich nicht zuordnen konnte. Außerdem war ich vor den Kopf geschlagen, weil ich fest mit Louis Frédéric von Ravenhorst gerechnet hatte. „Hä?" entfuhr es mir verwirrt. Jemand lachte leise, dann hörte ich: „Bist du das, Sean?"
Ich hatte keine Ahnung, wer dran war, aber ich drückte die spöttische Stimme auf der Stelle zornig weg und warf das verfluchte Telefon mit Wucht auf den Boden. Es war gerade schon schwer genug für mich, nicht vollends die Fassung zu verlieren, da konnte ich irgendwelche ominösen Anruferinnen echt nicht ertragen! Ungefähr zehn Sekunden später machte ich mir Sorgen um unser Telefon. Mühsam bückte ich mich und hob es wieder auf. Hoffentlich war es bei dem heftigen Aufprall auf den Küchenboden nicht kaputtgegangen! Prüfend schaute ich es an. Es schien okay zu sein, und ich wollte es gerade erleichtert wieder auf die Ladestation stellen, als das verdammte Ding erneut klingelte. Hastig drückte ich auf die entsprechende Taste und hielt das Plastik nochmal an mein Ohr. Dieser scheiß Stress verursachte mir zunehmend Kopfschmerzen und ich musste mich anstrengen, um nicht entnervt aufzustöhnen.
„Valmont", meldete ich mich beherrscht. „So ist brav, mein Kleiner", sagte Louis zufrieden und fachte damit sofort meine Wut an. Er wusste ganz genau, wie sehr ich es hasste, wenn er mich Kleiner nannte. Der Typ war gerade mal vier Jahre älter als ich, aber manchmal tat er zu meinem Ärgernis immer noch so, als wäre ich sein unwissendes Kind. Aber damit wollte ich mich jetzt nicht aufhalten, denn ich wollte dieses Telefonat nur so schnell wie möglich beenden. „Ja, ich bin zu Hause, Louis. Es ist alles okay", versicherte ich ihm gezwungen fröhlich. Er holte tief Luft. „Das ist schön. Am besten gehst du gleich schlafen, Sean. Die Valium werden dich noch viel müder machen." „Ja gut", stimmte ich ihm zu. Obwohl ich nicht glauben konnte, von nur zwei blöden Diazepam einschlafen zu können. Genau genommen fühlte es sich trotz meiner umfassenden Erschöpfung so an, als könnte ich nie wieder ruhig schlafen. Dazu taten meine derzeitigen, wirren Gedanken und Gefühle viel zu weh.
Auf einmal seufzte Herr von Ravenhorst genervt auf, und das beunruhigte mich auf der Stelle. Meine Brust schnürte sich zu, weil ich ahnte, dass er über Clay reden würde. „Hör mal, Sean, ich habe deinen Schnuffel leider noch immer nicht erreicht...", teilte mein Freund mir durch das Telefon mit. Meine Hand fuhr nach oben und ich winkte hektisch ab, obwohl Louis das gar nicht sehen konnte. „Ist schon okay, Louis. Mach dir mal keinen Stress deswegen. Es reicht ja auch, wenn du morgen mit ihm sprichst. Genieße du jetzt lieber deinen Pokerabend, okay?" redete ich irgendwas, was aus meinem Mund kam, ohne mein Gehirn auch nur zu streifen. Louis lachte und meinte: „Ja, es läuft ziemlich gut für mich." „Ja... dann... viel Glück noch! Bis später mal", erwiderte ich und wollte eilig auflegen.
„Sean Valmont!" rief Louis ziemlich laut. Ich zuckte zusammen und stand einfach so dort in der Küche, ohne mich zu bewegen. Meine Muskeln verkrampften sich. Mein Arm mit dem Telefon an meinem Ohr und meine Finger erstarrten. Louis Frédéric stöhnte frustriert, und das gefiel mir überhaupt nicht. Es dauerte eine Weile, bis er sich die richtigen Worte zurechtgelegt hatte, während ich betäubt abwartete und mich irgendwo anders hin wünschte. Ich wünschte mich dringend in die Arme von Clay Banton. Clay, dachte ich.
„Hör mal, Sean", fing Louis vielsagend an, „Du musst mir hier jetzt keine Komödie vorspielen, okay? Ich kann mir denken, dass es dir noch immer miserabel geht. Aber bitte, und ich bitte dich wirklich, lass es gut sein und leg dich einfach schlafen. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus." Dieser blöde Spruch machte mich wütend, weil er einfach nicht wahr war, und ich wollte ihn anschreien: Fuck! Rede nicht solche Scheiße! Morgen sieht die Welt kein bisschen anders aus! Morgen ist immer noch alles ganz genauso beschissen wie jetzt! Aber ich hielt die Klappe, denn ich wollte nicht noch länger mit dem großen, mega reichen, beherrschten und scheinbar allwissenden Louis Frédéric von Ravenhorst telefonieren.
„Okay, Sean? Versprichst du mir das?" fragte er drängend nach, weil ich zu lange schwieg. „Ja ist gut", stimmte ich zu, „Ich geh jetzt schlafen, L. F." Er lachte leise, weil er diesen Spitznamen irgendwie mochte, und deshalb hatte ich ihn wohl auch benutzt. „Ich rufe dich an, sobald ich deinen Liebsten gesprochen habe", informierte mein ältester Freund mich nochmal, und mein Herz wurde schon wieder schwer, weil ich an Clay denken musste. „Ja okay", willigte ich gepresst ein und schluckte. Ich musste das Gespräch jetzt unbedingt beenden, denn ich war mir nicht sicher, wie lange ich ihm noch etwas vormachen konnte, ohne komplett auszurasten. „Gute Nacht, Louis", sagte ich leise. „Gute Nacht, Sean. Schlaf gut. Und Kopf hoch", erwiderte Louis seufzend. Hastig legte ich auf. Dann stand ich noch eine Weile dort und musste tief durchatmen, weil das Gespräch mich mächtig aufgewühlt hatte, obwohl ich nicht verstand warum.
Schließlich stellte ich das Mobilteil zurück in die Ladestation und ging zum Kühlschrank. Mein Mund schmeckte noch immer bitter, nach zu viel Kokain, Bier und Korn. Ich nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, öffnete sie und genehmigte mir ein paar große Schlucke direkt aus der Flasche. Dann stellte ich das Getränk zurück in den Kühlschrank und drehte mich vorsichtig um. Die Umgebung war irgendwie instabil und ich dachte, dass ich einfach zu viel getrunken hatte. Mit wenigen Schritten war ich zurück im Flur und schaltete in der Küche das Licht aus. Zum Glück waren Marc und Vincent inzwischen zurück ins Wohnzimmer gegangen, denn der Fernseher plärrte wieder lauter und im Flur war das Licht aus.
Ich beeilte mich, hinüber ins Badezimmer zu kommen und schob hinter mir die Schiebetür zu. Dann schaltete ich das Licht an und stellte mich vor das Waschbecken, wo ich mein Gesicht im Spiegel betrachten konnte. Es war verschwitzt, irgendwie irre, aber äußerlich völlig unversehrt. Meine Haut war rein und glatt, ebenmäßige Konturen, Augen, Nase, Mund in der richtigen Position, Form und Größe. Alles war genau so und da, wie und wo es sein sollte, um als außergewöhnlich attraktiv zu gelten. Eine Zeit lang starrte ich mir total reglos in die wahnsinnig hellblauen Augen, betrachtete intensiv meine blöde Visage, von der meine Mitmenschen, seit ich denken konnte, hellauf begeistert waren. Aber dann verwandelte sich das Abbild langsam in Clays Gesicht, und mein Herz fing an zu hämmern, weil das eindeutig gruselig war.
Plötzlich konnte ich Clay Banton im Spiegel sehen. Ich sah seine einnehmende Schönheit, aber auch die vielen Verletzungen, die er, im Gegensatz zu mir, davongetragen hatte. Ich konnte sein blaues Auge vor mir sehen, die Hämatome und die aufgeplatzten, vollen Lippen. Als ich ganz genau hinsah, konnte ich tatsächlich sehr viele, ganz schmale, weiße Linien erkennen, die kaum sichtbar waren. Das verblüffte mich, denn diese Linien im Spiegel waren an der gleichen Stelle, wie auch in der Wirklichkeit. Es waren Clay Bantons Narben, die davon zeugten, wie oft seine wundervollen Lippen schon verletzt gewesen, wie oft sie ihm blutig geschlagen worden waren.
Er redete auch darüber nicht mit mir, aber ich stellte mir unwillkürlich vor, wie jemand brutal auf Clay einschlug. Wie jemand meinem geliebten Mann wiederholt so feste ins Gesicht schlug, bis seine Lippen aufplatzten. Vielleicht war Clay schon als Kind geschlagen worden, von jemandem, der sich eigentlich um ihn hätte kümmern müssen. Womöglich von einem seiner Stiefväter. Das kleine Kind hatte keine Chance gehabt, sich zu wehren. Es war hilflos. Sein Vertrauen in die Erwachsenenwelt und sein eigenes Selbstbewusstsein waren dadurch brutal zerstört worden. Clay ist tief drinnen so entsetzlich wütend, weil er in seinem Leben schon so viel Gewalt erfahren musste, dachte ich mit einem Mal entsetzt. Verdutzt glaubte ich, damit endlich einen Grund für Clays seltsame Mutation zum zornigen Teufel gefunden zu haben. Clay war vielleicht schon als Kind schlecht behandelt worden. Ihm war körperlich und seelisch grausam wehgetan worden. Scheinbar hatte er diese bösen Erfahrungen bis heute nicht verarbeiten können, sondern sie nur irgendwo in seiner Seele sorgsam versteckt, wo sie jahrelang vor sich hin gebrodelt haben.
Heute ist Clay Banton aus irgendeinem Grund explodiert, er ist zum Teufel mutiert, und offenbar sind Eliza und ich nicht ganz unschuldig daran gewesen, dachte ich schuldbewusst. Meine Brust schnürte sich zu und Tränen stiegen in meine hellblauen Augen, weil dieses Verstehen mir so furchtbar wehtat. Das muss jetzt unbedingt aufhören, dachte ich nicht zum ersten Mal, ich möchte nicht mehr so brutal und gemein zu meinem Mann sein. Ich möchte ihn ab sofort nur noch mit Liebe behandeln. Ich möchte ihm beibringen, was es heißt, geliebt zu werden.
Sein Gesicht im Spiegel wurde mit der Zeit unerträglich, denn Clays abgrundtief traurige Augen mit dem existenziell zornig lodernden Feuer dahinter blickten mich anklagend an. Hastig, verwirrt wandte ich mich ab und taumelte hinüber zur engen Duschkabine. Unser Badezimmer war so klein, dass man mit wenigen Schritten alles bequem erreichen konnte. Langsam fing ich damit an, mich auszuziehen, wobei ich mich am Waschbecken abstützen musste, weil ich so instabil war. Ich war froh, die verschwitzte und schmutzige Kleidung loszuwerden. Lederjacke, Sweatshirt, Unterhemd. Dann die Stiefel und Strümpfe, Jeans und Unterhose. Ich entdeckte blaue Flecken auf meinen Ober- und Unterschenkeln, auch an meiner Brust und am Bauch, überall dort, wo Clay Bantons rasende Schläge mich zu hart getroffen hatten. Bewusst fühlte ich den Schmerz und hatte das Gefühl, ihn mehr als verdient zu haben. Besorgt tastete ich meine Rippen ab, um zu überprüfen, ob vielleicht eine gebrochen war.
Schließlich hatte ich keine Lust mehr, meinen Körper auf neue Verletzungen hin zu untersuchen, weil mich das zu sehr an diesen Kampf mit Clay erinnerte. Im Park hatte ich mich eigentlich gar nicht mit ihm schlagen wollen. Aber der ausgeflippte Teufel hatte mir ja keine Wahl gelassen. Clay, dachte ich voller Sehnsucht. Im Endeffekt hatte ich ihn auch diesmal kinderleicht besiegt, zumindest körperlich. Aber dieser Triumph tat weh und schmeckte verdammt bitter.
Meine Klamotten ließ ich einfach auf dem Boden liegen und bewegte mich tastend auf die Dusche zu. Ich betrat die enge Kabine, schloss hinter mir die Tür und drehte das Wasser auf, das zuerst eiskalt war. Es dauerte eine Weile, bis die Temperatur angenehm wurde. Nackt stellte ich mich unter den warmen Wasserstrahl und stand einige Stunden einfach so dort. Ich schaute hinunter zu meinem Schwanz, an dem das Wasser pausenlos hinab lief und von der Spitze tropfte, was sehr angenehm kribbelte. Ich dachte darüber nach, mir einen runterzuholen.
Aber kurze Zeit später war ich von dem Gedanken plötzlich total angewidert. Schlagartig fühlte ich mich enorm schmutzig, innen wie außen, und ich ekelte mich vor mir selbst. Die vielen blauen und roten Flecken auf meinem Körper, die Clays entfesselte Schläge mir hinterlassen hatten, fühlten sich wie Brandmarken an. Schließlich versuchte ich verbissen, den Schmutz mit Duschgel zu entfernen. Aber es klappte nicht, es war nie genug, da schien immer noch mehr Dreck an mir zu haften. Wie besessen, manisch schrubbte ich auf meiner Haut herum, während mein Hals enger wurde, meine Brust kollabierte und mir die Tränen über das Gesicht liefen. Das reicht noch lange nicht, dachte ich völlig irre, ich muss noch gründlicher waschen, bis ich richtig sauber bin. Erst viel später, als mir vom heftigen Waschen schon alles wehtat und meine überreizte Haut rot brannte, begriff ich endlich, dass ich nie wieder restlos sauber sein würde.
Kim
Kaum hatten wir seine schöne, riesengroße Wohnung betreten, die so angenehm warm war, dass ich unwillkürlich entzückt und erleichtert aufseufzte, als Clay auch schon damit anfing, sich auszuziehen. Nein, das stimmt gar nicht. Er zog sich nicht einfach nur aus, sondern er riss sich förmlich die Klamotten vom Leib! Er schlug die Wohnungstür zu und zerrte sich hektisch das höchstwahrscheinlich maßgeschneiderte Jackett von den Schultern, riss sich die Krawatte vom Hals und die Mütze vom Kopf, knöpfte dann mit fahrigen Fingern sein Hemd auf und machte auch beim Unterhemd nicht halt. Er entkleidete sich so überstürzt und heftig, dass er ins Taumeln geriet und dabei fast umfiel.
Er hatte mich aufgefordert, mich zu setzen, aber ich konnte nur neben ihm stehenbleiben und ihn irritiert beobachten. Was in Gottes Namen tat er denn da jetzt? Hatte er es etwa so nötig, dass er nicht länger warten konnte? Übermannte es ihn? Wollte er jetzt auf der Stelle mit mir schlafen? Ich horchte in mich hinein und registrierte, dass ich eigentlich nichts dagegen hatte, denn es war unbestreitbar, dass ich ziemlich scharf auf diesen heißen Isländer war. Aber etwas verunsicherte mich, denn seine momentane Stimmung passte so gar nicht zu eventuell geplantem Sex. Clay war gar nicht sexuell erregt. Er flirtete keineswegs mit mir, im Gegenteil, er beachtete mich gar nicht. Der merkwürdige Mann wirkte stattdessen mit einem Mal unglaublich wütend. Er war unzufrieden, richtig zornig und ungeduldig, endlich seine Kleider loszuwerden. Das konnte ich mir nicht erklären und betrachtete seine seltsame Aktion mit einer Mischung aus Furcht, Irritation und Faszination. Warum ist er auf einmal so entsetzlich wütend, fragte ich mich beunruhigt, und ich fürchtete, dass er seinen Zorn womöglich auch an mir auslassen würde.
Je nackter er wurde, desto härter schien mein Herz zu hämmern, weil es zweifellos sehr spannend war, ihm beim Ausziehen zuzusehen. Nachdem er ein Kleidungsstück ausgezogen hatte, warf Clay es nicht nur auf den Boden, nein, er pfefferte es förmlich wutentbrannt von sich, schmiss es mit Wucht auf seinen Teppich im Wohnzimmer. Es hätte wohl nicht viel gefehlt, und er wäre auch noch zornig darauf herumgetrampelt. Darum beeilte ich mich, die doch offensichtlich qualitativ sehr hochwertigen Kleidungsstücke wieder aufzuheben. „Pass doch auf! Nicht einfach auf den Boden werfen, Clay! So geht man doch nicht mit seinen Sachen um!" tadelte ich ihn verständnislos, als ich seine Klamotten einzeln aufsammelte und sorgfältig auf einem der Sessel ablegte. Aber er erwiderte nur gelangweilt: „Scheiß doch drauf!" Offensichtlich war es ihm völlig gleichgültig, was mit seiner wertvollen Kleidung passierte.
Vielleicht ärgerte ihn der Zustand seiner Klamotten so sehr. Alles war nass und schmutzig, das graue Unterhemd durchgeschwitzt, Jackett und Hemd eingerissen, und ich vermutete, dass das passiert war, als er sich mit jemandem geprügelt hatte. Offenbar hatte Clay heute keinen schönen Tag gehabt. Ich beschloss, deshalb besonders sanft und verständnisvoll mit ihm umzugehen. Als ich ihn ansah, wurde ich sofort von seinem jetzt nackten Oberkörper gebannt, der feucht von Schweiß im schwachen Lichtschein der Deckenfluter glänzte. Das sah unglaublich sexy aus! Clay Banton war trotz seiner erschreckend umfangreichen, bunten Verletzungen so drahtig, fast sehnig und beeindruckend muskulös. An dem Mann schien kein einziges Gramm Fett zu sein. Er zog mich dermaßen an, dass ich ihn auf der Stelle umfassend liebkosen wollte. Sein Anblick erregte mich prompt. Aber ich war mir nicht sicher, ob dies der richtige Zeitpunkt war, um ihn anzufassen, weil er ja so extrem verärgert schien.
Clay bemerkte meinen sehnsuchtsvollen Blick und lächelte amüsiert. Das war mir peinlich, deshalb lenkte ich mich schnell ab, indem ich mich ebenfalls auszog. Mein Mantel, der Schal und die Mütze waren in Clays Wohnung ohnehin zu warm. Ich legte meine Sachen auf die andere Seite des Sessels und drehte mich neugierig zu ihm um. Mein Herz klopfte nervös, irgendwie erwartungsvoll, weil der erwachsene Mann so ein fantastischer Anblick war. Er hatte sich auch die Schuhe und Strümpfe ausgezogen. Nun knöpfte er aufreizend seine Jeans auf und schob betont langsam seine Hand in die Boxershorts, während er interessiert meine Reaktion beobachtete. Er spielte wahrhaftig in der Boxer an sich herum, und ich erlitt um ein Haar eine Eierstockexplosion, weil das so unglaublich erregend war. Ich konnte förmlich fühlen, wie meine Schamlippen anschwollen und sich zwischen meinen Beinen geile Feuchtigkeit ansammelte.
Fast hätte ich geschockt aufgestöhnt, als Clay mich lächelnd fragte: „Möchtest du, dass ich meinen Schwanz für dich heraushole, Kim-ber-ly?" Wie immer war er ganz direkt. Herr Banton redete nicht drum herum, schon gar nicht bei sexuellen Themen, was ich inzwischen von ihm kannte und mochte. Einfach alles in mir schrie sofort: Ja, ja, ja, hol ihn raus, sofort, worauf wartest du denn noch!? Aber etwas stimmte nicht, und das spürte ich intuitiv sehr deutlich. Etwas passte nicht zu seiner Frage und zu seinem Kim-ber-ly. Er hatte mich zwar gefragt, aber nicht, weil er mit mir flirtete und mir seinen Schwanz tatsächlich zeigen wollte, sondern nur, weil er sich einen Spaß daraus machte, meine Reaktion darauf zu erleben. Ich durchschaute ihn, und obwohl es mir schwerfiel, hielt ich mich mit meinen Begeisterungsstürmen bewusst zurück. Ich erklärte ihm, dass ich ihn nicht aufhalten würde, wenn er dies tun wollte, und hoffte dabei inständig, dass er mir mein erwartungsfrohes Herzklopfen und meine immens gesteigerte sexuelle Erregung nicht anmerkte. Clay bestätigte meine Intuition sofort, und ich klopfte mir für meine Zurückhaltung insgeheim anerkennend auf die Schulter. Zumindest hatte ich mich nicht mit überstürzter Zustimmung vor ihm blamiert.
Clay meinte, dass er es später bestimmt noch für mich tun würde, aber jetzt noch nicht. Dafür hätte er aber etwas anderes Schönes dabei. Ich war fast schon absurd enttäuscht, zwang mich aber dazu, mir auf keinen Fall etwas anmerken zu lassen. Alles in mir drängte zu diesem Mann hin. Ich wollte ihn anfassen, mit meiner Hand über seine feuchte Haut fahren, ihn überall erkunden und seinen großen, harten Schwanz tief in mir spüren. Aber in dieser Situation war Clays Penis weder groß noch hart, und offensichtlich hatte der Mann auch nicht vor, daran in nächster Zukunft etwas zu ändern. Mit diesen Tatsachen musste ich mich abfinden.
Verstohlen betrachtete ich ihn. Clay Banton war wunderschön, auch wenn er nach Schweiß roch, beinahe so, als hätte er sich länger nicht gewaschen. Offenbar war ihm heute schon einmal sehr heiß geworden, und ich fragte mich, wann das wohl gewesen war. Sein Atem roch nach Rauch und eindeutig nach zu viel Alkohol. Clay hatte schon seine Hand aus der Unterhose gezogen und zeigte mir nun auf dem flachen Handteller einen kleinen, hellbraunen Stein, der in gelbes Plastik eingepackt war. Ich war gerade irgendwie verwirrt, weil er so etwas Seltsames in seiner Boxershorts versteckte, und sehr viel enttäuschter, als ich wahrhaben wollte. Ich fühlte mich vor den Kopf geschlagen und auch ein wenig von ihm verarscht. Darum schaltete ich nicht sofort. „Was ist das?" fragte ich ihn, worauf er erneut belustigt grinste. „Das ist Heroin, meine Süße", informierte er mich großspurig. Obwohl es mir gefiel, wie er mich Süße nannte, klang seine Stimme doch arg spöttisch und machte damit den liebevollen Spitznamen kaputt. „Was? Das sieht doch aus wie ein Stein!" entfuhr es mir verärgert, denn ich wollte ihn nicht auf diese Art amüsieren. Nicht dadurch, dass ich das ahnungslose Dummchen für ihn war.
Clay meinte nur, es wäre ein Stein, taumelte dann an mir vorbei zu seiner grauen Couch und ließ sich erschöpft auf das Polster fallen. Anscheinend war er müde und jetzt froh, endlich sitzen zu können. Meine Beine meldeten mir ja schon seit geraumer Zeit, dass sie sich nach dem stundenlangen Stehen ebenfalls schnellstmöglich ausruhen wollten. Clay Banton teilte mir ganz nebenbei mit, dass er Spritzen und Ascorbin in seiner Jacke hätte. Er ging wohl davon aus, dass ich mir einen Knaller machen wollte und erlaubte mir großzügig, seine Sachen dazu zu benutzen. Er hätte mich genauso gut überraschend ins Gesicht spucken können. Jäh zog sich vor Schreck alles in mir zusammen. Das hat er sich also in der Apotheke gekauft, dachte ich alarmiert.
So ziemlich das erste, was Banton mir über sich verraten hatte, war der Hinweis gewesen, dass er das Heroin nicht spritzte, weil er sich als Schauspieler keine Einstiche an seinem Körper leisten konnte. Das fand ich vernünftig und total einleuchtend. Und ich wusste auf der Stelle, dass ihm etwas sehr Schlimmes passiert sein musste, wenn er diesen wichtigen Grundsatz heute wahrhaftig über Bord geworfen hatte. Clay würde sich nicht mit Spritzen traktieren, wenn er nicht einen verdammt guten Grund dazu hätte, glaubte ich zu wissen. Er würde es auf keinen Fall leichtfertig riskieren, dass die winzigen Wunden in seiner Haut, die doch offensichtliche Spuren seiner Heroinsucht waren, öffentlich sichtbar wurden. „Du hast Spritzen dabei?" fragte ich ihn fassungslos, wartete jedoch vergeblich auf seine Antwort. Clay tat einfach so, als hätte er mich nicht gehört.
Misstrauisch und besorgt ging ich auf ihn zu und studierte ihn währenddessen aufmerksam. Mir fiel auf, dass seine Jeans am rechten Hosenbein ganz dunkel war. Und erst jetzt dämmerte mir, dass diese Flecken sein Blut waren, das ihm reichlich durch die Jeans gesickert war. Clay Banton war heute auf irgendeine Art dermaßen schwer verletzt worden, dass seine erst vor nicht mal zwei Tagen frisch vernähte Schnittwunde an seinem rechten Oberschenkel wieder aufgerissen war. Diese Erkenntnis tat mir so weh, dass ich hart schlucken musste. Ich setzte mich dicht neben ihn auf das graue Sofa, auf dem ich inzwischen schon einige Male gesessen hatte, und schaute ihn mitfühlend an. Er tat mir leid und ich wollte so gerne wissen, was genau ihm passiert war. Hatte ihn jemand verprügelt? War es wegen diesem verdammten Blog gewesen? Ich machte mir Sorgen, dass er womöglich noch immer stark blutete und sich gar nicht darum kümmerte.
Aber ich zögerte, ihn danach zu fragen, weil ich nicht wusste, wie er reagieren würde. Der rätselhafte Mann war vorhin, als er sich so überstürzt und heftig entkleidet hatte, voller aufbrausendem Zorn gewesen. Ich wollte nicht riskieren, dass das nochmal passierte. Seine unverständlichen Wutanfälle irritierten mich und machten mir Angst. Also schaute ich ihn nur an und fühlte die feuchte Hitze, die von seinem wohlgeformten, halbnackten Leib ausging. Ich roch den Schweiß an ihm, vermischt mit höchstens noch einem winzigen Hauch seines wohlriechenden Körpersprays oder Duschgels, dem Geruch nach Alkohol und seinem ureigenen Clay-Duft.
Als ich die kleine Einstichwunde in seiner linken Armbeuge entdeckte, fand ich meine Befürchtung abrupt bestätigt. Der Mann hatte sich tatsächlich, trotz seiner klugen Prinzipien, vor sehr kurzer Zeit eine Ladung Heroin in die Vene gepumpt. Die Wunde hatte stark geblutet und er hatte die dünne, dunkelrote Spur an seinem Arm, die hinab zum Handgelenk und bis über seine Finger lief, noch nicht einmal gesäubert. Das passt nicht zu ihm, dachte ich beunruhigt, er ist doch sonst so gut gepflegt und achtet offensichtlich auf sich und seinen Körper. Es muss einen Grund für all das geben, und der ist bestimmt schrecklich. Kein Junkie ließ einfach das Blut an sich herunterlaufen! Das passierte nur, wenn der Junkie es nicht merkte, weil er weggetreten oder bewusstlos war.
Zögernd machte ich Clay darauf aufmerksam, dass er doch eigentlich gar nicht ballerte und erwähnte die verräterische Blutspur. Aber wie ich es schon befürchtet hatte, machte der so erstaunlich sensible Mann sofort komplett dicht und signalisierte mir deutlich, dass er darüber nicht mit mir zu sprechen wünschte. Er zog verärgert seinen Arm von mir weg, den ich mir auf den Schoß gelegt hatte, um ihn genau zu untersuchen. Trotzig fing er damit an, sich ausführlich mit dem Heroin zu beschäftigen. Also ließ ich es schweren Herzens gut sein, denn ich wollte ihn nicht unnötig bedrängen. Er war sichtbar von mir genervt, und das bedauerte ich unendlich, weil ich doch eine schöne und erregende Zeit mit ihm wollte. So unglaublich lange hatte ich heute auf ihn gewartet, mich so in seine Nähe gesehnt! Da wollte ich jetzt nicht die friedliche Atmosphäre mit meinen angstvollen Fragen vergiften. Aber meine große Sorge um ihn blieb natürlich in meinem Hinterkopf bestehen.
Clay wollte das Heroin zerkleinern, was anscheinend in Steinform gepresst worden war, und bat mich, sein Zippo aus seinem Jackett zu holen, was ich gerne für ihn tat. Der zugedröhnte Mann wirkte jetzt müde, war ziemlich betrunken und wollte wohl vorerst nicht mehr von der Couch aufstehen. Ich holte ihm sein Feuerzeug und gab es ihm. Sofort konzentrierte er sich voll und ganz auf die shore. Derweil schaute ich mir unauffällig sein Jackett genauer an. Indiskret wühlte ich in seinen Taschen herum, weil ich auf irgendeine Spur hoffte, die mir verraten würde, was ihm vor Kurzem passiert war. Sein Jackett war sehr schön, aber nass, schmutzig und zerrissen. In den Taschen konnte ich nichts Verdächtiges finden, nur die angekündigten Spritzen und die Dose Ascorbin, die ich beide unangetastet ließ. Mir fiel auf, dass Clay offenbar kein Handy eingesteckt hatte, als er aus dem Haus gegangen war, denn ich konnte in seinem Jackett sein teures Smartphone nicht finden. Nun wusste ich also, warum er all meine SMS und Anrufe ignoriert hatte. Der Mann hatte meine unzählbaren Versuche der Kontaktaufnahme noch nicht einmal bemerkt! Nur deshalb hat er mir nicht geantwortet, redete ich mir ein und legte seine Jacke beiseite.
Heute Abend würde ich mir keinen Knaller machen, das hatte ich schon längst beschlossen. Ich musste nämlich dringend hellwach bleiben, damit ich mich so sorgsam um Clay Banton kümmern konnte, wie er es zweifellos verdiente und zur Zeit offenbar dringend benötigte. Ihm war schon wieder Schlimmes angetan worden. Er hatte erneut Gewalt erlebt, und nur ich konnte ihn das Erlittene vergessen machen. Am liebsten wollte ich ihn sofort in meine Arme schließen, ihm tröstend und liebevoll über den Kopf streicheln. Aber er war jetzt spürbar süchtig auf das Heroin fokussiert. Diese Handgriffe, mit denen er den Stein rauchbar machte, waren ihm offensichtlich sehr vertraut und gaben ihm eine erstaunliche Sicherheit. Schließlich bat er mich um mein Feuerzeug, um sich damit seine Chinesen anzuzünden, was ich ihm seufzend überließ.
Nachdem Clay einige ziemlich umfangreiche Heroinhäufchen auf seiner Alufolie geraucht hatte, fragte er mich plötzlich: „Sollen wir mal was Neues versuchen?" Seine grün-braunen Augen wirkten trübe und verschwommen, die schwarzen Pupillen waren winzig. Er war total stoned und die shore machte das nicht besser. Nur zögernd stimmte ich zu, denn ich hatte keine Ahnung, was nun kommen würde. Ich sehnte mich nach Clays Nähe, obwohl er so dicht neben mir saß, dass wir uns fast berührten. Körperlich waren wir uns nah, aber emotional und mental schien der Mann meilenweit von mir entfernt zu sein, und das betrübte mich. Ich grübelte darüber nach, wie ich Clay näherkommen konnte, ohne ihn wütend zu machen, und wie ich ihm helfen konnte, ohne zu wissen, was er erlebt hatte.
Nachdenklich beobachtete ich, wie er einen weiteren Chinesen einsaugte und sich dann, ohne vorher wieder auszuatmen, zu mir umwandte. Er lächelte so charmant, dass mir, trotzdem die Kälte mir noch immer in den Knochen steckte, innerlich ganz warm wurde. Dann stützte er sich neben mir auf dem Sofa ab und beugte sich zu mir hinüber. Er kam immer näher, und mein Herz fing unwillkürlich an zu klopfen, als er seine sanften, vollen Lippen ganz zart auf meine setzte. Ich hatte keinen Schimmer davon, was er vorhatte, aber es war angenehm und aufregend. Es war das, was ich schon die ganze Zeit gewollt hatte, ihm richtig nah zu sein. Clay öffnete meine verwirrten Lippen mit seiner vorwitzigen Zungenspitze und blies mir völlig unerwartet den Inhalt seiner Lungen in den Mund. Und weil er zuvor den Chinesen eingeatmet hatte, waren seine Lungen noch brechend voll mit dem bitteren Qualm des verbrannten Heroins. Ich konnte spüren, wie meine Lungen sich langsam füllten, wie die Wirkung der Droge rasend schnell über die Lungenbläschen und das Blut mein Gehirn erreichte. Wohlige Wärme und wattige Zufriedenheit erblühten innerhalb von Sekunden in mir. Mein liebster Mann drückte seine Lippen sanft gegen meine und teilte seinen Atem mit mir. Überwältigt schloss ich die Augen und fühlte mich einfach nur sauwohl.
Als ich meine Augen nach einiger Zeit des innerlichen Genusses wieder öffnete, war Clay dicht bei mir und lächelte mich liebevoll an. „War das okay für dich?" fragte er ein wenig besorgt. Ich lächelte breit. „Das war fantastisch!" versicherte ich ihm, obwohl der übermäßige Alkoholgehalt seiner Atemluft eigentlich ein bisschen unangenehm gewesen war. Aber ich wollte ihn nicht kränken, und meine Antwort schien ihn richtig glücklich zu machen. „Du bist wunderschön", flüsterte er fast. Mein Herz fing auf der Stelle an zu stolpern. „Und du bist nass von Schweiß", erwiderte ich neckend, um meine Verlegenheit zu überspielen. Ohne nachzudenken streckte ich meine Hand aus und berührte seine nackte Brust. Wie von allein umkreiste mein Finger seine rechte, hellbraune Brustwarze, die auf der Stelle reagierte. „Hmmm...", schnurrte Clay zufrieden, also streichelte ich weiter über seine Brust und die Warzen.
„Du bist total durchgeschwitzt", stellte ich nervös fest. Seine weiche Haut fühlte sich heiß und feucht an, die Berührung und seine unmittelbare Nähe erregten mich enorm. „Und deine Finger sind eiskalt", meinte er lächelnd. Schlechten Gewissens wollte ich mich sofort zurückziehen, aber Clay griff hastig meine Hand und platzierte sie geradewegs auf seinem nackten Bauch. Als meine eiskalte Hand seine Haut berührte, ächzte Clay schockiert: „Fuck", wegen der plötzlichen Kälte. Mein Reflex war, mich ihm zu entziehen, um ihm nicht wehzutun. Aber anstatt meine Hand freizugeben, presste er sie gierig gegen seine Bauchmuskeln und fixierte mich flehend. Er mag das sehr, fiel mir ein, es entspannt und besänftigt ihn offenbar. Also ließ ich ihm meine Hand, kuschelte mich an seine verschwitzte Seite und legte meinen Kopf gegen seine Schulter. Sein intensiver Geruch stieg mir direkt in die Nase. Clay legte seinen Arm vorsichtig um meinen Rücken.
Eine Weile saßen wir so dort und es war wunderbar friedlich und vertraut. Zwischen uns war alles in Ordnung und wir waren uns sehr nah. Clay saß ganz still, er bewegte sich nicht. Ich hörte und spürte ihn ruhig atmen. Er hatte die Augen geschlossen und wirkte glücklich. Nach einer Weile ließ er meine Hand los, wohl im Vertrauen darauf, dass ich sie nicht mehr wegziehen würde, was ich natürlich auch nicht tat. Noch einmal konnte ich mir meinen liebsten Mann ganz von der Nähe ausführlich ansehen, und ich war überwältigt von seiner ambivalenten Schönheit. Dieses fast zarte Gesicht, für einen Mann sehr weiblich, die sanft geschwungenen Augenbrauen, die gerade Nase, die helle, reine Haut und der rote Mund. Auch alle seine Verletzungen betrachtete ich sehr eingehend. Seine Lippen waren noch immer verletzt, die Haut um sein linkes Auge war inzwischen blau-grün verfärbt. Auf den Wangenknochen hatte er rötliche Hämatome, wo ihn viele harte Schläge von Ben getroffen hatten. Der rote Striemen rund um seinem Hals zeugte von dem dünnen Nylon-Seil, mit dem Stefan ihn wiederholt so brutal gewürgt hatte, bis es sich tief in Clays Haut gegraben hatte.
Unwillkürlich kamen die alten Bilder in mir hoch, diese verfluchte Samstagnacht, in der ich mich in einer entlegenen Gasse unweit des Old Daddys an dem unbeherrschten Mann gerächt hatte, der mich hier in dieser Wohnung gegen meinen Willen zum Sex hatte zwingen wollen. Und jetzt? Jetzt konnte ich es kaum erwarten, endlich nochmal Sex mit ihm zu haben! War das normal? Vielleicht stimmte ja mit mir etwas nicht! Wie konnte sich meine Sicht auf ihn nur so schnell ändern? Und warum eigentlich? Wieso hatte ich nicht schon bei unserer allerersten Begegnung gemerkt, was für ein sanfter, liebevoller und gutmütiger Mensch Clay Banton in Wahrheit war?
Clay bewegte sich, er seufzte leise, höchst behaglich, und änderte minimal seine Sitzposition. Ein scharfer Geruch nach Schweiß stieg mir verstärkt in die Nase, und ich hob automatisch meinen Kopf, um dem zu entgehen. In diesem Moment entdeckte ich seine neuen Wunden. Es gab frische Spuren von Gewalteinwirkung auf Clays Körper, die gestern zweifellos noch nicht dagewesen waren. Im ersten Moment verblüfft, schaute ich genauer hin. Da waren wahrhaftig rote, völlig gleichmäßig gezackte Flecken an seinem Hals und seiner Schulter, in kleinerer Form auch an seinem linken Ohrläppchen. Das waren eindeutige Verletzungen, wie sie entstanden, wenn man gebissen wurde. Jemand, offensichtlich ein Mensch mit kräftigem Gebiss, hatte meinen Clay tatsächlich so fest gebissen, dass Clays Haut davon verletzt worden war.
Mein Brustkorb wurde eng, als ich mir diese Szene vorstellte und die Situation, bei der das wohl geschehen war. Die Bilder in meinen Kopf gefielen mir nicht, denn sie machten mich rasend eifersüchtig. Solche Bissspuren waren nämlich auch typische Hinterlassenschaften einer fremden Ekstase. Jemand hatte wohl im Augenblick höchster Verzückung die Beherrschung verloren und blind zugebissen. Ach so, deshalb war Banton also jetzt so müde und irgendwie lustlos! Der scheinbar dauergeile Mann hatte sich heute schon kräftig anderweitig verausgabt! Während ich dumme Kuh mir schlimme Sorgen um ihn gemacht hatte, hatte der gnädige Herr mit einer anderen Person entfesselten, hemmungslosen Sex genossen. Ja, es gab überhaupt keinen Zweifel! Er hatte es vor Kurzem mit jemandem getrieben, und die Bisse verrieten mir, dass es dabei mindestens so wild zugegangen war, wie gestern auch zwischen ihm und mir.
Verdammt! Was war nur mit diesem Kerl los? Offenbar hatte er sogar draußen, irgendwo in der Öffentlichkeit so heftig gebumst, dass dabei seine Kleidung schmutzig und nass geworden und letztendlich sogar zerrissen war. Mit wem hatte er das getan? Vielleicht mit dieser Eliza, die doch angeblich sein Leben war? Der gut aussehende Mann hatte sich seine Zeit mit einer anderen Frau vertrieben, während ich mich wie eine Blöde nach ihm gesehnt hatte. Es muss eine Frau mit einem starken Gebiss gewesen sein, dachte ich spöttisch, aber eigentlich war ich nur enttäuscht und wütend. Banton hatte heute mit Sicherheit keinen einzigen Gedanken an mich verschwendet. Er hatte mich wahrscheinlich schon vergessen, noch bevor ich gestern Nacht am Wohnheim aus seinem Auto gestiegen war. Bestimmt war ich nichts weiter als ein angenehmer, recht schneller, wiederholter Fick für ihn gewesen. Eigentlich hatte er das ja sogar schon selbst zugegeben, als er mich vorhin auf dem Bürgersteig von seiner Schlechtigkeit hatte überzeugen wollen, fiel mir ein. Ausschließlich Sex hatte er auch von den ganzen Frauen gewollt, die ihm heute Abend bis zu seinem Haus gefolgt waren. Banton war also wohl tatsächlich süchtig nach Sex und Gefühle bedeuteten ihm rein gar nichts. Zweifellos hatte er mich diesbezüglich gewarnt.
Meine haltlosen Gedanken überschlugen sich und wirbelten durch meinen Kopf. Ich fühlte mich, als würde mir endlich ein Licht aufgehen. Diese unerwartete Erkenntnis tat mir viel stärker weh, als ich es vermutet hätte. Denn eigentlich wusste ich ja schon längst, dass Clay Banton offenbar ein reges Sexualleben pflegte. Und im Grunde konnte ich ihm aus all dem noch nicht einmal einen Vorwurf machen, denn wir waren ja schließlich kein Paar. Trotzdem klopfte mein verliebtes, extrem eifersüchtiges Herz aufgebracht, war ich sehr viel zorniger auf ihn, als es mir zustand.
Merkwürdigerweise spürte Clay meinen spontanen inneren Aufruhr irgendwie, obwohl ich nicht verstand woran. Seine Augen öffneten sich widerstrebend, nur zögernd drehte er den Kopf zu mir und schaute mich beunruhigt an. „Wer hat dich gebissen?" konnte ich mich nicht zurückhalten. Meine Hand lag noch immer reglos auf seinem nackten Bauch, darum fühlte ich genau, wie sich ihm bei meiner Frage vor Schreck ungesteuert sämtliche Muskeln verkrampften, sein Bauch wurde steinhart. Verärgert zog ich meine Hand weg, woraufhin er enttäuscht das Gesicht verzog und gequält aufstöhnte. Er wollte nach meiner Hand greifen, um sie zurück auf seine Haut zu legen, aber ich wich ihm heftig aus, sodass er sein Vorhaben seufzend aufgab. Seine Hand fiel resigniert zurück auf die Couch. Er drehte seinen Kopf nach vorn und schloss ergeben die Augen.
Zielstrebig berührte ich mit meinen Fingern die roten Halbkreise aus Zahnabdrücken, seine Schulter, den Hals und auch das Ohr, um ihm zu demonstrieren, dass ich die verräterischen Wunden zweifelsfrei identifiziert hatte. Meine Finger waren auf seinem nackten Bauch inzwischen warm geworden, aber Clay schien diese Berührung nicht zu gefallen, denn sein Gesicht wirkte angespannt. Sein Arm, der auf meinem Rücken gelegen hatte, zog sich von mir zurück, indem er ihn auf die Lehne des Sofas schob. Es sah nicht so aus, als wollte er mir antworten. Aber obwohl ich mir die unerfreuliche Erklärung längst selbst gegeben hatte, wollte ich es unbedingt von ihm hören. Aus irgendeinem Grund musste ich dringend herausfinden, ob er mich anlügen würde.
„Wer hat dich heute auf diese Art verletzt, Clay? Und warum?" bedrängte ich den Mann und beobachtete dabei gespannt jede seiner kleinsten Regungen. „Lass gut sein, Kim", murmelte Clay abwehrend, öffnete die Augen, zog seinen Arm von der Lehne und wandte sich zu mir. „Bitte!" setzte er beschwörend hinzu. Aber so leicht sollte der verdammte Casanova nicht davonkommen. Ich wollte ihn wohl dafür bestrafen, dass mir sein Verhalten so wehtat, obwohl das absolut unfair von mir war. „Was ist passiert, Clay? Warum bist du gebissen worden und von wem?" ließ ich nicht locker, woraufhin er genervt knurrte. „Das ist nichts, was du wissen musst", versuchte er, mich abzuwehren, ohne mich aus den Augen zu lassen. Sein von Drogen trüber Blick warnte mich, lieber sofort damit aufzuhören, was mich ziemlich ärgerte. „Ich möchte das aber wissen!" erklärte ich ihm stur und taxierte ihn. Meine Finger berührten pausenlos die kleinen, kreisrunden, roten Zahnabdrücke, fuhren gezielt über seine feuchte Haut. „Und ich möchte dir das nicht erzählen!" erwiderte er nicht weniger dickköpfig und kam näher. Er lehnte sich zu mir, bis seine Nase fast mein Gesicht berührte und starrte mich beschwörend an.
Aber ich war sauer auf ihn, enttäuscht, eifersüchtig und auch neugierig. „Ja, weißt du, Clay, du musst mir auch eigentlich gar nichts darüber erzählen. Ich kann mir nämlich auch so denken, dass du heute hemmungslosen Sex mit jemandem hattest, der sich spätestens beim Höhepunkt nicht mehr zurückhalten konnte, dich zu beißen", knallte ich ihm cool vor den Kopf. Clay zuckte zusammen und betrachtete mich verblüfft. Ein zweideutiges Grinsen erschien auf seinem Gesicht, was mich ganz schön ärgerte. „Warum regt dich das so auf?" wollte er verwirrt von mir wissen. Auf keinen Fall wollte ich, dass er mich für eifersüchtig hielt, deshalb behauptete ich schnell: „Das regt mich gar nicht auf, Clay. Ich finde es nur merkwürdig, wenn dich jemand so doll in den Hals beißt." „Das kann schon mal passieren...", grinste er vage amüsiert. „Wer war das denn? Kennst du sie schon lange? Bist du mit ihr zusammen?" fragte ich ihn direkt. Schlagartig verdunkelte sich sein Gesicht, entschieden schüttelte er den Kopf. „Nein... Kim... hör auf...", bat er mich stockend. Irgendetwas machte ihm plötzlich enorm zu schaffen. Aber ich dumme Kuh ignorierte die deutlichen Anzeichen und sein flehendes Gesicht. „Warum denn, Clay? Du kannst mir ruhig sagen, wenn du schon eine Beziehung hast. Das geht für mich vollkommen in Ordnung!" behauptete ich, obwohl das nun wirklich nicht der Wahrheit entsprach. Er sagte nichts, aber seine Augen wurden immer dunkler. Unstet huschte sein Blick an mir vorbei und nervös durch den Raum, als wäre er auf der Suche nach einem Ausweg. Fasziniert und total verständnislos beobachtete ich seine seltsame Reaktion.
Eine Weile war es ganz still, während Clay meinem Blick auffallend auswich. Unruhig rutschte er auf der Couch herum, als wollte er eigentlich lieber aufstehen und weglaufen. Fast tat er mir in seiner Verwirrung und Hilflosigkeit schon wieder leid. „Hör mal, Clay, das ist doch okay, wenn du Sex mit deiner Freundin hast", wollte ich ihn beruhigen, obwohl schon allein der Gedanke mir echt wehtat. „Hattet ihr draußen euren Spaß? Etwa auf dem Boden im Schnee? War das nicht total unbequem und viel zu kalt? Sind deshalb deine Klamotten so dreckig und nass geworden? Mit wem hast du das gemacht, Clay? War es vielleicht mit deiner Eliza? Riskiert ihr so etwas öfter, Eliza und du?" konnte ich meine eindeutig gehässige Neugierde einfach nicht zügeln. Obwohl ich spürte, dass ich Clay mit meinen indiskreten Fragen offenbar starke emotionalen Schläge verpasste, wollte mein Mund auf keinen Fall still sein. Denn ich war absurd wütend auf den halben Isländer, der mir im Grunde gar nichts getan hatte.
„Hör sofort auf!" schrie er mich entsetzt an und taxierte mich verärgert. Erschrocken fixierte ich ihn. Mist, dachte ich, jetzt habe ich es zu weit getrieben, jetzt wird er auf mich losgehen. Mein Herz fing an zu hämmern vor Angst, als Clay sich überstürzt zu mir hinwandte und mit seinem Mund heftig meinen vorlauten verschloss. Der Mann wusste sich wohl nicht mehr anders zu helfen, obwohl ich seine überaus drastische Reaktion nicht verstehen konnte. Ja, ich hatte ihn nach Dingen gefragt, die mich eigentlich nichts angingen. Aber er hätte mir doch auch einfach nur nicht antworten können. Stattdessen fiel Clay Banton ein weiteres Mal über mich her, aber auf eine andere Art, als ich in einer Schrecksekunde befürchtet hatte. Er stürzte sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich, küsste mich stürmisch und drückte mich dabei heftig rückwärts auf das Sofa, bis ich unter ihm zu liegen kam. Im Gegensatz zum ersten Mal, als er Ähnliches mit mir gemacht hatte, fand ich es diesmal enorm erregend. Auch wenn ich wegen seiner scheinbar ungezügelten Triebhaftigkeit noch immer wütend und enttäuscht von ihm war, so war es doch auch sehr spannend, von ihm auf diese Weise in Beschlag genommen zu werden. Außerdem küsste er verdammt gut, obwohl sein Kuss nach Rauch, Heroin und zu viel Alkohol schmeckte.
„Sei still, Kim...", hob er kurz den Kopf und schaute mir tief in die Augen, „...sag jetzt kein Wort mehr... Bitte..." Sein hinterher geschobenes Bitte, was er so verzweifelt betonte, fand ich total süß. Also erwiderte ich seinen Kuss, weil ich auch irgendwie gar nicht anders konnte. Er war bei mir, ich liebte ihn trotz allem und über alles, und deshalb fühlte ich mich unter seinem Körper erst mal wohl. Einige Zeit knutschten wir stürmisch herum. Er küsste mich unentwegt tief, streichelte meinen Kopf und meine Brust. Aber seine Berührungen waren wild und ziellos, als wäre er in Wahrheit nicht bei der Sache. Das störte mich zunehmend. Außerdem war er sehr schwer auf mir, weil er sich nicht richtig auf dem Sofa abstützte. Dazu war er wohl zu zugedröhnt, oder es war ihm egal, ob ich keine Luft mehr bekam, weil sein Gewicht mich fast erdrückte.
Clay Banton beschäftigte sich sehr hastig mit mir, wahllos, spürbar nur getrieben von einer inneren Verzweiflung, die ich nicht zuordnen konnte. Obwohl mir seine feuchten, tiefen Küsse und seine unmittelbare Nähe sehr gefielen, konnte ich mich doch nicht richtig auf ihn einlassen. Etwas Gravierendes stimmte nämlich ganz eindeutig nicht, und das ließ sich nicht lange ignorieren. Der stürmische Mann war gar nicht geil und wurde auch nicht geil von mir. Er fuhr nur grob mit seinen Händen an meinem Körper entlang, ohne ihn wirklich wahrzunehmen, und das kränkte mich. Etwas hilflos tätschelte ich seinen breiten Rücken und drehte meinen Kopf zur Seite, um unseren Kuss zu stoppen. „Clay... warte mal...", fing ich zögernd an. Ich wollte ihn nicht nochmal verärgern. Er atmete schwer, aber nur von der Anstrengung, wie mir schien, und nicht, weil er in irgendeiner Weise sexuell erregt war. Jetzt guckte er mich irritiert an. „Du riechst nach Schweiß", beschwerte ich mich vorsichtig, beinahe entschuldigend, und rümpfte ein wenig die Nase. Tatsächlich war sein nackter Oberkörper unverändert feucht, und das war so nah auf mir unangenehm, obwohl er gleichzeitig warm und weich war.
Zu meiner Überraschung richtete Clay sich unverzüglich auf, als wäre er froh über die Unterbrechung, und stieg von mir herunter. Das hatte ich irgendwie gar nicht beabsichtigt und vermisste ihn auf der Stelle. Verlegen setzte ich mich ebenfalls auf. „Du hast recht, Kim. Ich muss dringend duschen", stimmte Clay mir zu. Er wirkte dabei so erleichtert, dass ich noch stärker gekränkt war. „Ja, du bist total nass und schmutzig", teilte ich ihm nicht sehr diplomatisch mit. Aber er grinste nur amüsiert. „War ein anstrengender Tag", erklärte er vage und zuckte mit den Achseln. „Was ist passiert, Clay?" fragte ich sofort, „Bitte erzähl es mir doch einfach." Aber er schüttelte erneut energisch den Kopf. „Nein, ich muss jetzt duschen!" beharrte er und wollte eilig vom Sofa aufstehen. Sein betäubter Zustand machte ihm dieses Vorhaben jedoch nicht leicht. Er taumelte und fiel zurück auf die Polster. Sein Blick fiel auf das pack auf dem Tisch, und süchtig machte er sich zwei oder drei neue Chinesen zurecht, die er gierig wegrauchte, ohne mich dabei auch nur zu beachten. Er hustete und faltete danach das pack sorgfältig zusammen, damit die shore nicht länger offen auf dem Tisch lag.
Dann saß er lächelnd dort und betrachtete mich interessiert. „Willst du mir beim Duschen zuschauen, Kim-ber-ly?" erkundigte er sich augenzwinkernd. Ich war froh und erleichtert, dass seine Laune sich offenbar gebessert hatte. Außerdem klopfte mein Herz vor Aufregung härter, den durchtrainierten Mann gleich völlig unbekleidet bewundern zu können. Ich hatte ihn schon gestern nackt gesehen, und er war unbestreitbar eine Augenweide. „Möchtest du das?" fragte ich schüchtern. Er lachte und küsste mich flüchtig auf die Wange. Sein Finger berührte zart meine Unterlippe. „Du darfst mich ansehen, wenn du willst", flüsterte er zärtlich. Ich war ein bisschen irritiert, weil sich das merkwürdig anhörte. Lud er mich nur ein, ihn beim Duschen zu beobachten, weil er glaubte, dass ich das dringend wollte? Merkte er mir meine Erregung etwa so stark an? Die bloße Vermutung war mir peinlich. „Möchtest du ehrlich, dass ich dir zusehe, oder sagst du das jetzt nur, weil du glaubst, dass ich es unbedingt will?" wollte ich mir Klarheit verschaffen. Verwirrt guckte Clay mich an. Nachdenklich zog er die Augenbrauen zusammen, weil er meine Frage offensichtlich nicht kapierte.
Es dauerte eine Weile, bis er zögernd antwortete: „Ich mag es, wenn man mich ansieht... Es... gefällt mir, wenn Leute sich für mich interessieren." Seine Worte wirkten so schüchtern, dass ich richtig gerührt war. „Ich möchte nicht ignoriert werden", setzte Clay zurückhaltend hinzu, während er ratlos den Teppich fixierte. Mir wurde das Herz warm und ich streichelte tröstend über seinen Arm, wobei ich den weißen Verband berührte. „Du darfst aber gar nicht duschen, Clay. Deine Verbände dürfen mit Sicherheit nicht nass werden", wies ich auf seine Verletzungen hin. Er stöhnte laut auf, eindeutig stark genervt, und ich zuckte verschreckt zusammen. „Den Scheiß kann man ja vorher abwickeln!" knurrte Clay Banton, drehte sich herum und stand mit einem Ruck auf. Er schwankte und brauchte einen Moment, um sich zu stabilisieren. Dann machte er tastend ein paar Schritte in Richtung seines dunklen, langen Flurs, der zu den anderen Räumen seiner Wohnung führte.
Ich hatte mir seine großen Zimmer schon gestern ansehen können und fand sie allesamt einzigartig mit den vielen selbst gemalten Bildern an den Wänden. Besonders das Badezimmer war wunderschön, ganz aus Marmor gestaltet mit goldenen Wasserhähnen. Ich musste schmunzeln, als ich mich daran erinnerte, wie wir uns in der Nähe seines beeindruckenden Whirlpools geliebt hatten. Auch in seiner Küche und dem Atelier in der oberen Etage hatten wir es getrieben, und bisher hatte ich noch nicht eine Sekunde davon bereut. Im Gegenteil, ich sehnte mich nach einer baldigen Wiederholung.
Allein saß ich auf dem Sofa und beobachtete, wie der Mann sich langsam, schwankend Richtung Bad bewegte. Am Durchgang zum Flur blieb Clay stehen und drehte sich zu mir um. Aufmerksam fixierte er mich, lächelte zweideutig und schob aufreizend seine rechte Hand unter die Boxershorts. Seine Jeans war noch immer aufgeknöpft, deshalb stand seinen Fingern nichts im Wege. Noch einmal streichelte er sich provozierend selbst. Unter dem grauen Baumwollstoff war die Bewegung seiner Hand eindeutig, und ich war schlicht nicht in der Lage, meinen Blick abzuwenden. Selbst wenn ich es aus irgendeinem Grund unbedingt gewollt hätte, ich hätte die bei diesem Anblick unwillkürlich einsetzende, enorme Steigerung meiner sexuellen Erregung nicht verhindern können. Verblüfft seufzte ich auf, und Clays Grinsen wurde breiter. Er war sichtbar zufrieden mit meiner Reaktion, war amüsiert von mir, und das ärgerte mich ein bisschen.
„Kommst du bitte mit, Kim-ber-ly? Ich... bin verletzt und ich... brauche jemanden... der mir den Rücken wäscht...", bat Clay mich mit schüchternem Augenaufschlag. Offenbar war er plötzlich in neckender, übermütiger Stimmung, und wie jede seiner starken Gefühlsregungen war auch diese sofort ansteckend. „Du bist doch schon ein großer Junge", tadelte ich ihn lächelnd, und er streckte seine linke Hand nach mir aus. Dabei kam er ins Schwanken und musste sich gegen die Mauer lehnen. „Bitte hilf mir doch, ja?" forderte er drängend. Eigentlich musste er mich wahrlich nicht überreden. Also stand ich auf, tat aber so, als würde ich es nur widerwillig tun. „Also gut, Clay. Ich helfe dir", seufzte ich gelangweilt. „Danke schön!" freute er sich, noch immer die Hand nach mir ausgestreckt. Ich ging zu ihm hin, nahm seine linke Hand, und er zog die Finger der rechten aus seiner Unterhose, um sich an der Wand abzustützen. Zusammen bewegten wir uns langsam und torkelnd durch den dunklen Flur zum Badezimmer. Mein Herz klopfte aufgeregt bei der Vorstellung, was wir wohl gleich unter der Dusche noch tun würden, außer den schmutzigen Mann zu waschen.
In diesem Moment ertönte irgendwo in der Wohnung ein Telefon, aber Clay ignorierte die Melodie. Stattdessen öffnete er unbeirrt seine Badezimmertür und schob mich sanft in den Raum, der ebenfalls mollig warm war. Er schaltete das Licht ein und schloss hinter uns die Tür. „Dein Telefon hat geklingelt", informierte ich ihn verwundert. Er schüttelte den Kopf, winkte genervt ab und schaute sich um, als müsste er sich erst orientieren. Dann zog er mich jäh zu sich hin. Er umfasste meine Taille und presste mich förmlich gegen seinen Bauch. Automatisch bog ich meinen Oberkörper ein wenig nach hinten, um ihm überrascht in die Augen schauen zu können. Sein Blick war verschwommen und irgendwie hilflos. Er wollte mir etwas sagen, fand aber nicht die richtigen Worte. „Clay?" fragte ich ihn schließlich vorsichtig. „Kim... hör mal...", fing er unschlüssig an, während er unverändert fest meine Taille umschlossen hielt. Seine Augen wanderten jedoch unbehaglich an meinem fragenden Blick vorbei. Ich betrachtete ihn gerührt, denn es war offensichtlich, dass er aus einem mir unbekannten Grund beschämt war. Er ist so leicht zu durchschauen, dachte ich liebevoll, seine Gefühle sind jedes Mal so stark, dass ich sie ihm ansehen kann. Er kann seine heftigen Emotionen so schlecht verbergen. Fast immer spüre ich, was gerade in ihm vorgeht.
„Was ist denn, Clay? Du kannst es mir ruhig sagen!" wollte ich ihm Mut machen. Außerdem war ich ziemlich neugierig darauf, was jetzt wohl kommen würde. Clay brauchte noch einen Moment, dann gab er sich einen Ruck und blickte mir in die Augen. „Hör mal... Kim... bitte... sei nicht sauer auf mich, aber... ich... bin mir nicht sicher, ob ich... ihn... heute Nacht noch hochkriegen kann", informierte der dumme Mann mich tatsächlich geknickt. Perplex betrachtete ich ihn. Offenbar meinte er seinen absurden Hinweis tatsächlich ernst. Gott, Clay, dachte ich erschlagen, als ob ich dir wegen so etwas jemals böse sein könnte! Wie kannst du das auch nur vage annehmen?! „Nein! Clay! Nicht doch! Deswegen werde ich niemals böse auf dich sein, hörst du?!" versicherte ich ihm sofort und küsste ihn hastig auf die Wangen, streichelte über sein hübsches Gesicht. Seine Züge erhellten sich erleichtert. „Sei dir nicht zu sicher... du... kannst nicht wissen... wie du später darüber denkst...", erwiderte er lächelnd. Erstaunt fragte ich mich, wie viele Frauen in seinem Leben er wohl schon mit seiner durch übermäßigen Drogengenuss selbst verschuldeten Impotenz verärgert hatte.
Aber für Clay war das Thema damit längst abgehakt, denn er löste sich sanft von mir und bewegte sich zu seiner riesigen Luxusdusche hin, die ich schon gestern bewundert hatte. Sie war in einer Ecke des Raumes auf einen niedrigen Marmorsockel gebaut worden, mit zwei Glaswänden, zwei Kachelwänden und einer großen Glastür. Das Wasser kam nicht nur von oben, sondern so ziemlich von allen Seiten. Eine derartige Dusche hatte ich vorher noch nie gesehen und ich vermutete, dass sie ein Vermögen kostete.
Clay zerrte ungeduldig an dem Verband, der um seinen linken Oberarm gewickelt worden war. Offensichtlich bekam er es in seinem Zustand nicht hin, zuerst das Klebeband zu lösen. Ich kicherte belustigt und war mit zwei Schritten bei ihm. „Warte, ich mach das schon", nahm ich die Sache in die Hand. Ich entfernte das Klebeband und wickelte ihm die weiße Stoffbahn ab. Zum Vorschein kam eine gut genähte Schnittwunde, die mich aufgrund ihrer Länge schockierte. Hatten wir ihn tatsächlich dermaßen schwer verletzt? Das war mir gar nicht richtig bewusst gewesen. Gestern hatte er die ganze Zeit die Verbände getragen, sodass ich die Nähte vorher noch nie hatte sehen können. Clay war schon mit seiner Jeans beschäftigt, die er ohne zu zögern herunterließ und aus den Hosenbeinen stieg, wobei er sich an der Duschkabine festhielt. Natürlich ließ er die Hose einfach auf dem Boden liegen und fummelte ungeschickt an seinem zweiten Verband, dem um seinem rechten Oberschenkel.
Auf einmal erinnerte ich mich sehr deutlich daran, wie ich gestern beim Schmusen auf Clays Sofa meine empfindlichste Stelle zwischen meinen Beinen genau an diesem Baumwollstoff gerieben hatte, ohne dabei zu merken, dass dem frisch vernähten Mann meine starken Bewegungen sehr wehgetan hatten. Bei diesen peinlichen Bildern in meinem Kopf wurde ich rot, so sehr schämte ich mich auch jetzt noch für meine triebgesteuerte Unachtsamkeit. Um mich abzulenken, nahm ich mir auch diesen Verband vor und war erleichtert, weil kein Blut zu sehen war. Der Verband schien neu zu sein. Ich beugte mich hinunter und entfernte achtsam das Klebeband und den Stoff. Clay küsste mich dabei vor Dankbarkeit auf den Kopf und streichelte meinen Nacken auf eine Art, die mir sofort eine wohlige Gänsehaut bescherte. Die Naht an seinem Bein war bestimmt doppelt so lang, wie die an seinem Arm, und noch einmal war ich schockiert, wie brutal er von uns geschnitten worden war. An seinem Bein war jede Menge inzwischen getrocknetes Blut hinab gelaufen. Die Wunde musste also noch vor Kurzem stark geblutet haben. Wenigstens war sie danach professionell versorgt worden.
Schnell wandte ich meinen Blick von dem Schnitt und dem schwarzen Faden ab, der tief in seiner Haut steckte. Ich habe ihm mit meiner Rache extreme Schmerzen bereitet, dachte ich schuldbewusst, wir haben ihm in dieser Nacht richtig doll wehgetan. Jetzt möchte ich ihm nur noch guttun, ihm nur noch schöne Gefühle schenken. Es wäre total schade, wenn er heute wirklich keinen mehr hochkriegt, dachte ich insgeheim bedauernd, denn ich sehnte mich schon lange ganz enorm danach, mit diesem Mann zu schlafen. Obwohl er gestern jedes Mal nur so kurz in mir gewesen war, hatte er mich wund gerieben mit seiner großen, harten, erregenden Ausstattung. Unwillkürlich fiel mein Blick auf seine graue Boxershorts und die Ausbeulung seines Schwanzes. Es wäre schön, wenn er heute beim Sex mal ein bisschen länger durchhalten könnte, hoffte ich sehnsüchtig, höchstens fünfzehn Minuten reichen mir einfach nicht. Ich möchte ihn noch sehr viel länger, noch intensiver in mir spüren. Außerdem will ich heute dringend auch mal einen Orgasmus erreichen. Ich grübelte darüber nach, wie ich es wohl schaffen könnte, dass der Mann nicht nochmal allzu schnell zum Höhepunkt kam.
„Woran denkst du gerade?" hörte ich Clay fragen. Versunken hob ich den Kopf. Er schaute mich amüsiert an und lächelte so schlüpfrig, als ob er das intime Thema wüsste, um das meine Gedanken gekreist waren. Prompt wurde ich rot. „Ach... nichts Besonderes...", stotterte ich ertappt, und sein Grinsen wurde breiter. Er schaute mich liebevoll an, während er meinen Kopf streichelte. „Möchtest du mir die Boxer ausziehen, Kimberly?" fragte er sanft. Er weiß es, dachte ich peinlich berührt, er weiß ganz genau, wie sehr ich mir Sex mit ihm wünsche, weil ich gerade die ganze Zeit auf seinen Schritt gestarrt habe!
Ich nahm die abgewickelten Verbände und legte sie zusammen mit seiner Jeans auf den Hocker in der Ecke des Raumes. Dann wandte ich mich zurück zu Clay, der mich lächelnd beobachtete. Anstatt ihm zu antworten, ging ich in die Knie und griff dabei nach dem Bund seiner Unterhose. Langsam und genüsslich zog ich sie ihm herunter, und er stand ganz ruhig dort und ließ mich machen. Interessiert schaute er mich an. Aber er war zugeknallt, schwankte ein bisschen und musste sich an der Duschkabine abstützen. Ich zog ihm die Boxershorts aus und warf sie auf den Hocker in der Ecke. Dann wandte ich mich wieder dem Mann zu. Natürlich machte es ihm überhaupt nichts aus, völlig nackt vor mir zu stehen, er schämte sich kein bisschen. Er war nur zugedröhnt und amüsiert, und ich war froh, dass er jetzt so friedlich wirkte. „Das ist schön, wie du mich ansiehst", teilte er mir leise mit. Schon wieder stieg mir ungewollt das Blut in den Kopf, weil ich gar nicht gemerkt hatte, wie fasziniert und bestimmt auch gierig ich seine Geschlechtsorgane von Nahem betrachtet hatte.
Verlegen suchte mein Blick ein anderes Ziel und fiel dabei auf seine Lenden und die neuen Wunden, die ich dort entdeckte. Es waren an beiden Seiten vier kleine rote Halbkreise in der Größe von Fingernägeln. Automatisch suchte ich den dazugehörigen fünften Abdruck und fand ihn seitlich, in der Nähe seiner Nieren. Ich war verwirrt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie diese Verletzungen wohl entstanden sein konnten. Jemand hatte ihm seine Finger so tief in die Haut gebohrt, dass durch die spitzen Nägel bleibende Abdrücke entstanden waren. Irritiert schaute ich an seinen Beinen hinab und mir fiel auf, wie schmutzig von Erde und neu verschrammt sie waren. Besonders seine Knie waren voller Hautabschürfungen, in denen teilweise sogar winzig kleine Steinchen steckten. Das ganz Bild ergab für mich keinen Sinn, aber ich wollte Clay nicht noch einmal nach seinen neu entstandenen Wunden fragen, weil ich mir denken konnte, dass er auch darüber ganz bestimmt nicht mit mir sprechen wollte.
Die Situation war gerade so liebevoll und außerordentlich erregend. Der zauberhafte Mann war nackt, sanft und zufrieden, deshalb wollte ich ihn auf keinen Fall verärgern. Viel lieber wollte ich auf der Stelle von ihm angefasst werden! Prüfend schaute ich hoch in sein Gesicht. Sein Lächeln war verschwunden. Seine Augen warnten mich, jetzt keine Fragen zu stellen, denn ihm war meine Reaktion auf seine frischen Verletzungen nicht entgangen. „Du bist sehr schön, Clay", sagte ich schnell, um ihn zu beruhigen. Spöttisch verzog er das Gesicht. „Meinst du jetzt meinen Schwanz oder meine Eier?" fragte er sarkastisch. Seine dreiste Direktheit machte mich verlegen. „Nein, ich meine dich im Ganzen, nicht nur deine... Organe...", versicherte ich ihm scheu. Er lachte belustigt. „Das ist nur äußerlich, Kimberly!" fand er offenbar tatsächlich. Warum hat er nur so eine schlechte Meinung von sich, fragte ich mich betrübt.
Clay streichelte mir nochmal über den Kopf, fuhr mit gespreizten Fingern zärtlich durch meine Haare. „Es gefällt mir, dass du hier bist", schnurrte er freundlich, „Ich will nicht allein sein." „Ich bin hier, Clay!" versicherte ich ihm ehrlich und stand auf, um meine Aussage zu bekräftigen. Dicht stand ich vor ihm und schaute ihm aufmerksam in die Augen. „Ich bin hier, Clay!" wiederholte ich eindrücklich, „Ich bin für dich da! Ich werde immer für dich da sein!" Seine durch den Konsum von zu vielen Rauschmitteln getrübten Augen fingen an zu glänzen. Er war sichtbar so stark gerührt, dass er schlucken musste. Als ich es bemerkte, ging es mir so nahe, dass ich mich plötzlich nicht mehr bremsen konnte. „Ich liebe dich, Clay Banton", flüsterte ich krächzend, weil ich einfach nicht anders konnte. Der betrunkene Mann gab sofort ein widerwilliges Geräusch von sich, schloss abwehrend die Augen und schüttelte heftig den Kopf. Erschrocken biss ich mir auf die Lippen, weil ich das Gefühl hatte, einen Fehler gemacht zu haben.
Viel zu lange war es ganz still im hell erleuchteten Badezimmer. „Das solltest du echt nicht, Kim", meinte Clay schließlich flehend. Seine Augen klappten wieder auf. Er sah sehr müde aus. Kurzerhand umfasste ich seine Taille und zog ihn zu mir. „Du bist liebenswert, Clay. Sieh mal, du behandelst mich immer mit so viel Güte, obwohl ich das gar nicht verdient habe..." „Natürlich hast du das verdient!" unterbrach er mich etwas barsch, sah mich verständnislos an und berührte meine Wange. „Oder willst du es nicht, weil du längst vergeben bist? Bist du schon mit einer anderen Frau zusammen?" fragte ich ihn ängstlich und beobachtete ihn genau. Weil ich ihn umarmt hielt, spürte ich seine unwillkürliche Reaktion auf meine Frage. Sein Körper versteifte sich widerstrebend, nochmal verkrampften intuitiv alle seine Muskeln. Zu meiner grenzenlosen Freude schüttelte er zögernd den Kopf, aber ich wollte jetzt ganz sicher gehen. „Ist diese Eliza deine feste Freundin, Clay? Was meinte Djamila denn eigentlich damit, als sie dir vorhin vorgeworfen hat, dass Eliza dein Leben ist?" wollte ich mit klopfendem Herzen neugierig von ihm wissen.
Zu meinem Schrecken ächzte Clay laut auf, als hätte ich ihm mit meinen Fragen einen heftigen Schlag versetzt. Noch bevor ich darauf irgendwie reagieren konnte, hatte er schon hastig, fast panisch seinen Mund auf meinen gedrückt, um mich ein weiteres Mal mit einem stürmischen Kuss zum Schweigen zu bringen. Das war mehr als deutlich. Der Mann wollte also auf gar keinen Fall über dieses Thema sprechen. Obwohl ich damit unzufrieden war, weil ich über seine Beziehungen gerne genau Bescheid gewusst hätte, wurde ich von seinen Zärtlichkeiten schlicht zu sehr überrumpelt, um sie nicht auf der Stelle zu genießen. Er schob mir seine warme Zunge in den Mund, streichelte meinen Hals und Nacken, und das war nahezu elektrisierend. Ich drückte mich wohlig seufzend gegen ihn und liebkoste seinen Rücken mit beiden Händen, fuhr ebenfalls hinauf zum Nacken und wieder an der Wirbelsäule herunter. Seine Haut war sehr warm und weich, unverändert feucht von Schweiß. Seine unmittelbare Nähe und seine drängenden Küsse erregten mich stark, sodass ich etwas später automatisch an seinem Rücken hinunter glitt und mit beiden Händen gierig seinen Hintern umfasste, der sich hart und muskulös anfühlte. Unwillkürlich seufzte Clay und drückte sich gegen mich, sein Atem wurde tiefer, seine Hände irrten härter und zielloser über meinen Körper. Es schien ihm zu gefallen, also streichelte ich ihn ganz gezielt am Po, fuhr mit meinen Fingern vorsichtig zwischen die beiden Backen und langsam hinunter bis zwischen seine Beine. Ich konnte fühlen, wie er stöhnte und erschauderte, und das steigerte meine eigene Erregung enorm. Meine Fingerspitzen berührten von hinten seine Hoden. Clays Oberschenkel zuckten und öffneten sich, als wollte er mich einladen. Erregt presste ich meine Schenkel zusammen, meine Mitte war ganz heiß und nass geworden.
Sein Stöhnen wurde lauter, er zitterte am ganzen Körper. Aber ganz plötzlich presste er die Beine wieder zusammen und taumelte einen Schritt zurück, sodass ich ihn loslassen musste. Irritiert musterte ich ihn. Er atmete ein paarmal tief durch. „Warte mal... du... hast dich doch beschwert... das ich stinke...", seufzte er merkwürdig deprimiert, ohne mich dabei anzusehen. „Naja, so habe ich das nicht ausgedrückt...", berichtigte ich ihn verwirrt. „Aber du hast es so gemeint", beharrte er und drehte sich zu seiner Dusche. Er öffnete die Glastür und schaute mich endlich an. „Bitte... komm doch mit hinein...", bat er mich verunsichert, „Ich bin verletzt... und ich... kann nicht..." Konfus brach er ab und wischte sich fahrig mit den Händen über das Gesicht.
Abwartend stand er dort und betrachtete mich nachdenklich. Der Mann aus Island war wahnsinnig attraktiv, er war aufregend nackt und musste mich eigentlich gar nicht bitten. Selbstverständlich wollte ich mit ihm zusammen unter diese geile Dusche gehen! Aber wieder stimmte irgendetwas nicht, etwas war merkwürdig. Clay hatte bei unserer kurzen, aber innigen Knutscherei keine Erektion bekommen. Vielleicht deprimiert ihn das so, versuchte ich, für seine gedrückte Stimmung eine Erklärung zu finden. Aber ich wollte ihn nicht fragen, also fing ich lieber damit an mich auszuziehen, wobei er mich sehr eingehend beobachtete. Sein Gesicht erhellte sich zu meiner Freude mit jedem abgelegten Kleidungsstück. Es schien ihm zu gefallen, wie ich für ihn einen recht unbeholfenen, höchstens mittelmäßigen Striptease hinlegte.
„Na, gefalle ich dir?" fragte ich ihn verlegen, als ich schließlich nackt vor ihm stand und mich von ihm begutachten ließ. „Du hast geile Titten", sagte er ziemlich derbe und zeigte mir seine weißen, ebenmäßigen Zähne. „Du Arsch!" beschwerte ich mich daraufhin und ging knurrend auf ihn los. Mit drei Schritten war ich bei ihm und schlug ihn gegen die Brust. Er kicherte und drehte sich von mir weg, flüchtete hastig vor mir in seine große Duschkabine. Ich folgte ihm und schlug ihn dabei auf den Rücken und den Hintern. Meine Schläge waren aber nur neckend, nur leichte Klappse, die ich ihm verpasste, denn wir alberten ein bisschen herum. Das gefiel mir sehr, weil es der Situation das Peinliche nahm und verhinderte, dass eine unangenehme Stille entstand. Außerdem war Clay dabei so einnehmend fröhlich, dass ich automatisch davon angesteckt wurde. Wir lachten beide ausgelassen, während wir in der großen Dusche herumhüpften, er vor mir flüchtete und ich ihm pausenlos leichte Schläge verpasste. Er wehrte mich nur halbherzig ab, denn meine Treffer schienen ihm nicht das Geringste auszumachen.
Schließlich packte er aber doch meine Handgelenke und stoppte mich damit mühelos. Keuchend von der Anstrengung standen wir dicht voreinander und schauten uns schweigend an. Tief drinnen ist er noch immer wütend, spürte ich besorgt, als ich plötzlich den dunklen Schatten hinter seinen grün-braunen Augen zu erkennen glaubte. „Du bist wunderschön, Kim-ber-ly", versicherte Clay mir. Sofort fühlte ich mich enorm geschmeichelt, obwohl das irgendwie ein Standardspruch und oft ganz anders gemeint war. „Das habe ich dir schon gesagt", setzte er leise hinzu. „So etwas hört jede Frau sehr gern, Clay. Und ich kann es nicht oft genug von dir hören", lächelte ich liebevoll. „Du bist wunderschön, Kim-ber-ly", wiederholte er sofort, ließ meine Handgelenke los und umfasste stattdessen meine Taille, um mich dicht an sich heranzuziehen. Ohne zu zögern küsste er mich einnehmend und streichelte dabei meinen Rücken. Er schmeckte unverändert nach Alk und Rauch, aber seine Nähe und Zärtlichkeit ließen mich einfach dahinschmelzen. Gierig presste ich meinen Bauch gegen seinen Unterleib, umarmte ihn und drückte ihn enger an mich. Noch einmal versanken wir in heißen Zungenküssen und innigen Liebkosungen. Clay streichelte meinen Rücken, auch meinen Hintern, blieb aber sanft und vorsichtig. Wie von allein wanderten meine Hände abermals neugierig und aufgeregt an seinem Rücken herunter, umfassten die geilen Hinterbacken und kneteten das muskulöse Fleisch. Die Finger fuhren zwischen seine Oberschenkel, berührten gezielt und intensiv sein Perineum und suchten erneut sein Skrotum. Das Wissen um die intimen Stellen seines Körpers und Clays zustimmende Reaktion hatten eine beträchtliche Wirkung auf mich. Meine Erregungskurve schnellte in die Höhe, als sein Atem lauter wurde und er ungesteuert erzitterte.
Aber zu meiner unendlichen Betrübnis entzog er sich urplötzlich erneut meinem Zugriff, als wäre ihm diese Berührung in Wahrheit gar nicht angenehm, was ich wirklich nicht kapierte. Widerstrebend musste ich ihn abermals loslassen, als er eilig zwei Schritte rückwärts taumelte, bis er mit dem Rücken gegen die gekachelte Wand der Dusche knallte. „...bitte... hilf mir, Kim... ich muss... mich waschen... aber... ich... weiß nicht... ob ich...", stammelte er befangen und wich schon wieder meinem Blick aus, indem er hilflos den Boden fixierte. Der konfuse Mann stöhnte verwirrt und wischte sich mit den Händen über die Augen, als wollte er sich eigentlich lieber vor mir verstecken. Er kriegt wahrhaftig keinen hoch, vermutete ich deprimiert, beschloss aber, ihm diese Sache nicht vorzuwerfen, sondern ihm unsere Duschaktion und die ganze gemeinsame Nacht so schön wie möglich zu machen. Das war es ja schließlich, was ich schon den ganzen Tag gewollt hatte. Nun war er hier bei mir, und ich wollte mich umfassend um ihn kümmern. Aber es frustrierte mich mehr, als ich wahrhaben wollte, dass er dermaßen zugedröhnt war, denn ich war geil auf ihn und kämpfte daher mit meinen eigenen, inzwischen unwillkürlich sehr gestiegenen sexuellen Bedürfnissen.
„Ist schon gut, Clay. Ich helfe dir ja", seufzte ich resigniert. Sein Blick hob sich aufhorchend und traf den meinen. „Das tut mir leid, Kim...", flüsterte er betrübt, „Ich... bin so..." „Du bist einfach bis in die Haarspitzen zugeknallt!" unterbrach ich ihn schneller und vorwurfsvoller, als ich denken konnte. Dann biss ich mir erschrocken auf die Lippen, aber Clay grinste nur amüsiert. „Und du bist immer noch eiskalt, Süße", hatte er festgestellt, schloss die Glastür der Dusche und wandte sich den kleinen Knöpfen an der Wand zu. Er drückte einige Tasten und wunderbar warmes Wasser fing damit an, von allen Seiten sanft auf uns zu rieseln. Das fühlte sich so fantastisch an, dass ich verblüfft behaglich aufseufzte. Obwohl die Intensität des Wassers so gering war, dass man es kaum spürte, waren wir innerhalb von Sekunden beide klatschnass.
Clay streckte sich und griff sich eine Flasche mit Duschgel, die auf einer der Ablagen gestanden hatte. Zögernd reichte er mir das Behältnis. „Wäscht du mich, Kimberly?" fragte er so schüchtern, dass mir ganz warm ums Herz wurde. Ich nahm die Packung und nickte gutmütig. „Natürlich tue ich das, Clay", lächelte ich gerührt, während mein Herz vor Aufregung stolperte. Er erwiderte mein Lächeln zufrieden, schwankte ein wenig und stützte sich an der Wand ab. „Du bist echt toll!" bedankte er sich ein wenig lallend und strich mir zärtlich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich küsste ihn flüchtig auf die Wange und sah mir dann die Packung mit dem Duschgel an. Es war eine exklusive Marke und nicht gerade billig. Als ich die raffiniert geformte Plastikflasche öffnete und mir ein wenig von dem Gel auf die Hand schüttete, stieg mir sofort der exquisite Duft in die Nase. Ich schaute Clay an, der gerade die Wand losließ und einen Schritt auf mich zu machte. Er sieht so gut aus, dachte ich schwärmerisch, dieser Mann ist fantastisch und etwas ganz Besonderes. Ich wünschte nur, er wäre zur Zeit ein bisschen weniger impotent.
„Du kannst es auch benutzen", erlaubte Clay mir großzügig und deutete mit den Augen auf das Duschgel. Ich musste lachen. „Danke schön, aber zuerst bist du mal dran." Er nickte artig und streckte sich vor mir, straffte die Schultern und reckte mir seine Brust entgegen. Er präsentierte mir aufreizend seinen wundervoll durchtrainierten Männerkörper, und mir blieb bei dem Anblick seiner nassen, nackten Perfektion vor Erregung die Luft weg. Das ist so blöd, dachte ich schon wieder, ich möchte auf der Stelle mit ihm schlafen, verdammt! Ich möchte ihn sehr tief und hart in mir fühlen! Das ist so unfair, wenn er tatsächlich die ganze Nacht total schlaff bleibt! Die Vorstellung von Sex mit diesem Mann geilte mich extrem auf, deshalb konzentrierte ich mich hastig darauf, mit dem Duschgel auf meiner Hand behutsam seine verletzte Haut zu waschen.
Ich fing bei seinem Gesicht an. Er schloss die Augen, als ich vorsichtig über seine Stirn, die Nase, die Wangen und das stoppelige Kinn strich. Das Abwaschen erledigte die Dusche von allein. Ich wusch seinen Hals, die Schultern, seine rasierten Achseln und die Arme mit der verräterischen Blutspur an dem Einstich links, auch die verletzten Hände mit den langen Fingern. Dann trat ich hinter ihn und wusch seinen Nacken und den breiten Rücken hinab bis zur Taille. Sein Rücken war, entgegen seiner Vorderseite, kaum verletzt, nur auf seinem Po und in Höhe der Nieren gab es einige böse aussehende Hämatome. Ich ging nochmal um ihn herum nach vorne, strich über seine Brust, fühlte die Muskeln und die Rippen und arbeitete mich dann langsam an ihm herunter. Zwischendurch schüttete ich mir immer wieder neues Duschgel auf die Hand, um es reichlich auf dem attraktiven Mann zu verteilen. Im Stillen befürchtete ich, mit dem teuren Zeug vielleicht viel zu großzügig umzugehen. Aber mit der Zeit fand ich immer mehr gefallen an dieser Aktion und konnte mich nicht zurückhalten.
Clays Brust- und Bauchgegend war voller hässlicher Schnittwunden, scheinbar oberflächlich, aber mannigfach, er hatte unzählige Blutergüsse in allen Farben und zwei Brandwunden. Der Zustand seines schönes Körpers erschütterte mich unverändert, weil es die Spuren einer entfesselten Brutalität waren, die dieser Mensch in keinster Weise verdient hatte. Er war so sehr geschlagen und verletzt worden, dass es mir das Herz brach vor Schuld, Scham und Mitgefühl. Sicher tat es ihm weh, auf den Schnitten mit dem Duschgel eingerieben zu werden. Aber Clay stand ganz still, beschwerte sich nicht, sondern genoss meine Behandlung offenbar. Er atmete gleichmäßig tief und beobachtete mich interessiert. Und ich konnte gar nicht mehr genug von ihm kriegen, von seiner Nähe, dem Gefühl seiner warmen, straffen Haut. Mein Herz klopfte automatisch schneller, als ich in die Knie ging, um seine fantastischen Beine zu waschen. Es fiel mir schwer, nicht unentwegt auf seinen verlockenden Schwanz zu gucken, als ich sanft mit beiden Händen seine Ober- und Unterschenkel wusch, die voller Schmutz, Erde und Blut waren. Genau wie auch schon an seinem linken Arm, war ich bei der Naht am rechten Schenkel sehr vorsichtig und wusch behutsam an der langen Wunde vorbei. Ich befreite seine Knie sorgfältig von den kleinen Steinchen.
Clay hob seine Füße ein wenig an, damit ich sie gründlich säubern konnte. Dabei fiel er allerdings fast um, kicherte angetörnt und musste sich gegen die Wand der Dusche lehnen. In diesem Moment entdeckte ich sie. Es waren mindestens zehn frische Einstiche in der Nähe seines linken Knöchels. Erschrocken sah ich sie mir genau an, und es gab keinen Zweifel. Clay hatte sich erst vor Kurzem sehr oft eine sehr dünne Nadel in sein Bein gestochen, offenbar eine Insulinspritze, mit der einzigen Absicht, sich wiederholt Heroin zu injizieren. Mein Herz setzte aus bei der Erkenntnis, dass der Mann heute nicht nur einmal seine wichtigen Prinzipien verraten hatte, sondern sein Verlangen nach einem Schuss so stark gewesen war, dass er diese eindeutigen Spuren seiner Heroinsucht in Kauf genommen hatte. Das hatte er auf keinen Fall leichtfertig und ohne Grund getan, das konnte ich mir nicht vorstellen. Zweifellos war etwas dermaßen Schlimmes passiert, dass sein Bedürfnis nach dem totalen Blackout jeden anderen Gedanken besiegt und jede Vorsicht oder Vernunft ad acta gelegt hatte.
Unwillkürlich war ich wie erstarrt, mein Hals wurde eng bei der Vorstellung, was genau ihm eventuell widerfahren war. Ich musste hart schlucken und schaute zögernd hinauf in sein Gesicht. In diesem Moment fauchte Clay mit einer unbändigen Wut. Er zog seinen Fuß heftigst aus meinem Griff und flüchtete hastig rückwärts aus meinem Einflussbereich. Der beduselte Mann kam ins Straucheln, verlor das Gleichgewicht und fiel förmlich mit dem Rücken gegen die gekachelte Kabinenwand, wo er reflexmäßig Halt suchte. Nur mit Mühe konnte er einen Sturz und ein Ausrutschen verhindern. „Hör auf damit!" schrie er mich an und fixierte mich verärgert. Er lehnte an der Mauer und seine Augen waren so dunkel, dass es mir Angst machte. Deutlich aufgebracht rang er nach Luft. Zögernd richtete ich mich auf und fühlte mich entsetzlich hilflos. „Womit denn?" fragte ich vorsichtig. „Guck mich nicht so an!" verlangte er lautstark. „Wie denn?" erkundigte ich mich automatisch, und meine Stimme zitterte dabei. „So... scheiß entsetzt!" erklärte Clay und rieb sich nervös über das Gesicht. „Ich will dein scheiß Mitleid nicht!" setzte er trotzig, aber schon viel leiser hinzu.
Offenbar tat sein impulsiver Ausbruch ihm schon leid und jetzt wusste er nicht, wie er ihn ungeschehen machen sollte, was natürlich gar nicht möglich war. Ratlos stand er dort und betrachtete mich verwirrt. Ich war mindestens ebenso ratlos und verwirrt und versuchte, mit seiner unerwartet zornigen Reaktion klarzukommen. Eine Weile war es ganz still. Zwei nackte Menschen in einer großen Duschkabine, die pausenlos von allen Seiten mit herrlich warmem Wasser berieselt wurden, was nach der elendigen Kälte draußen einfach nur eine Wohltat war. Ein Mann und eine Frau, die sich eigentlich kaum kannten und doch so intim miteinander gewesen waren, wie es nur möglich war. Zumindest die Frau wünschte sich nichts sehnlicher, als dem Mann so bald wie möglich noch einmal auf diese Weise nahezukommen. Der Mann hingegen wirkte müde und angeschlagen, er war verletzt und zugedröhnt mit zu vielen verschiedenen Rauschmitteln. Es war absolut unklar, ob die beiden in dieser Nacht noch Sex haben würden.
Traurig seufzte ich auf. Langsam konnte ich spüren, wie das Eis in meinen Knochen sich verflüchtigte, aber meine Seele fühlte sich zunehmend kalt an. „Es tut mir leid", sagten wir beide genau gleichzeitig. Dann schauten wir uns verdutzt an und mussten grinsen. Clay löste sich zögernd von der Wand und machte einen wankenden Schritt auf mich zu. „Hör mal, Kim...", fing er unschlüssig an, „Wenn ich... mir die shore ballern will... dann... tue ich das, klar?" Er schaute mich so aufmerksam an, wie die Drogen in seinem Kopf es ihm noch erlaubten. „Ich verstehe nicht, warum dich das so aufregt", seufzte er genervt. Ich atmete zweimal tief durch, hob den Arm und streichelte zart über seine hohen Wangenknochen. „Es ist nur... weil du das niemals ohne wichtigen Grund getan hättest...", versuchte ich eine Erklärung. Unzufrieden schüttelte er den Kopf, sodass meine Finger aus seinem Gesicht glitten. Schnell berührte ich stattdessen seine Schulter. „Das weißt du doch gar nicht!" bekräftigte er knurrig, „Du weißt gar nichts über mich!"
Seine dunklen Augen durchbohrten mich förmlich, sodass ich den Blick unbehaglich abwenden musste. Das stimmte, und ich musste insgeheim zugeben, dass ich mir vielleicht zu viel über ihn nur vorgestellt hatte, weil ich es mir so sehr wünschte. Womöglich war er in Wahrheit doch ganz anders, als in meinen verliebten Wunschträumen, die ich unbemerkt auf ihn projiziert hatte. Plötzlich fühlte ich mich dumm, naiv und kindisch, denn Clay hatte zweifellos recht mit der Aussage, dass ich eigentlich gar nichts über ihn wusste.
Deprimiert und irgendwie beschämt starrte ich den marmornen Boden der Dusche an, als ich plötzlich Clays Finger spürte, die mir nasse Haarsträhnen hinter das Ohr strichen und dann meine Wange streichelten. Betrübt hob ich den Blick und fand in seinem Gesicht ein gutmütiges Lächeln, was ihn wunderschön machte und mich enorm erleichterte. „Sei nicht traurig, Kleines", flüsterte Clay Banton, kam näher und küsste meine Wange, meinen Mundwinkel, mein nasses Kinn. „Du bist fantastisch, Kim-ber-ly", wollte er mich trösten und hörte nicht auf, mich überall mit flüchtigen Küssen zu bedecken. „Ich danke dir... dass du mich gewaschen hast... das war wirklich schön... jetzt... fühle ich mich echt... total... sauber...", sprach er ganz leise zwischen Küsschen ins Gesicht, hinter das Ohr, auf den Hals, die Schulter. Seine Hand liebkoste zärtlich meinen Nacken, sodass mir wohlige Schauer durch das Rückgrat krochen, die sich tief in meinem Becken zu sammeln schienen.
„Bitte entschuldige, dass ich gerade so... laut geworden bin... ich wollte nicht...", wisperte er dicht an meinem Ohr. Ich stoppte ihn mit einer Handbewegung und legte ihm dann die Hand auf die nasse Brust. „Nein, Clay, das war allein meine Schuld!" versicherte ich ihm, „Ich darf mich nicht immer so in deine Angelegenheiten mischen!" Das meinte ich durchaus ernst, aber er lachte belustigt auf und küsste mich auf den Mund. Nur zu gerne empfing ich ihn, ließ seine kundige Zunge ein weiteres Mal herein, um mit ihr zu spielen, und umarmte den großen Mann selig. Er fühlte sich so gut an! Er stand direkt vor mir, war nackt, warm und weich, und er schenkte mir diese großartigen Gefühle, die ich tief in mir spürte, die mich erregten und unverändert auf mehr hofften. Drängend drückte ich mich an ihn und seufzte zufrieden.
„Darf ich dich auch waschen?" wollte Clay zaghaft wissen, nachdem wir uns eine Weile sanft gestreichelt und geküsst hatten. Eigentlich war ich gar nicht schmutzig, aber ich war total scharf darauf, von ihm angefasst zu werden. Außerdem roch dieses teure Duschgel ganz fantastisch. Also nickte ich aufgeregt und reichte ihm die Flasche, die ich die ganze Zeit festgehalten hatte. Er nahm sie und schüttete sich ein wenig Gel auf die Hand. Dabei schwankte er und brauchte einen Moment, um sich zu stabilisieren. Er küsste mich nochmal auf den nassen Kopf. Dann machte der betrunkene Mann sich mühsam konzentriert ans Werk. Oh, er war so vorsichtig, so sanft und liebevoll! Augenblicklich stieg meine sexuelle Erregung um ein Vielfaches an, als er mit seiner ganzen Hand zart über meinen Körper streichelte. Er verteilte nur wenig Gel auf meinem Nacken, meinen Schultern, meinen Armen und Händen, schließlich auf meinem Rücken bis zu meinem Hinterteil. Danach auf meiner Brust, die er sich dabei genau ansah. Er stand dort und schaute sich eine Weile reglos, interessiert meinen Busen an.
Plötzlich beugte er sich hinunter und nahm meine linke Brustwarze in den Mund, um ganz sanft an ihr zu saugen. Verblüfft entwich mir ein Stöhnen, weil sich das so ungewohnt geil anfühlte. Clay umkreiste mit seiner Zunge meinen Warzenhof, dann saugte er wieder, und ein ungesteuertes Zittern erfasste mich. Auf der Stelle reckten sich meine ahnungslosen Brustwarzen ihm ganz von allein erwartungsvoll entgegen. „Clay!" stöhnte ich hingerissen. Er hob den Kopf und schaute mir lächelnd in die Augen. „Gefällt dir das, Kim-ber-ly?" wollte er amüsiert wissen. Ich nickte heftig. Gott, so etwas Geiles hatte Ben definitiv noch nie mit mir gemacht! Noch kein Mann hatte mich je auf diese Weise berührt. Ich hatte keine Ahnung gehabt, wie empfindlich meine Brüste sein konnten. Clay sah zufrieden aus, als er sich erneut hinabbeugte und meine rechte Brustwarze auf die gleiche Art liebkoste. Er saugte ganz sanft, dann leckte er wieder. Ich zitterte und presste meine Brust unwillkürlich an sein Gesicht.
Die Plastikflasche mit dem Gel fiel klappernd auf den nassen Marmorboden der Dusche, als Clay mich umarmte und mit beiden Händen meinen Hintern massierte. Er hatte die Flasche einfach fallen gelassen, um sich kurzerhand intensiv und raffiniert mit meinem Körper zu beschäftigen. Ich schwoll spürbar an und wurde feuchter, als ich es mir in so kurzer Zeit je hätte träumen lassen. Nervös presste ich die Oberschenkel zusammen, als Clays Finger von hinten zwischen meine Beine strebten. Er drückte sich gegen mich, richtete sich auf und suchte meinen Mund, um ihn mit einem Zungenkuss voll und ganz in Beschlag zu nehmen. Seine Hände fuhren nun härter über meine Haut. Ich stöhnte lauter und erschauderte. Meine Gedanken verflüchtigten sich zusehends, als ich unbewusst mein Bein anhob und es um Clays Hüfte schlang. In meiner Körpermitte hatte sich ganz von allein ein geiler Druck aufgebaut, der dringend stimuliert werden wollte. Wir gerieten ins Ungleichgewicht, als ich mich heftig gegen Clay drängte.
„Warte... Kim...", keuchte Clay, weil ich ihn in meiner stürmischen Geilheit beinahe mit mir zu Boden riss. Wir taumelten gemeinsam gegen die Wand, bis ich mit dem Rücken halbwegs Halt fand. Er atmete jetzt lauter an meinem Ohr und leckte fest über meinen Hals. Seine Hand wanderte zielstrebig an meiner Brust hinab und über meinen Bauch, um geradewegs zwischen meinen Beinen zu verschwinden. Überwältigt schrie ich auf, als seine Finger gezielt meine Klitoris liebkosten und in mich eindrangen. „Du bist so nass...", seufzte er zufrieden und meinte damit wohl meine spürbare sexuelle Erregung an seinen Fingern, die geile Feuchtigkeit, die zunehmend aus mir herausquoll. Denn wir waren ja sowieso beide schon seit einiger Zeit klatschnass. Schließlich standen wir eng aneinander in dieser großen, wundervollen Dusche. Das warme Wasser berieselte unsere nackten Körper unverdrossen, während alles um mich herum zu verschwinden schien. Da war nur noch das mächtige Gefühl in mir, Clays kundige Finger, die mich auf eine Art und Weise berührten, wie ich es vorher noch nie erlebt hatte. Die pure Geilheit explodierte förmlich in mir. Ich öffnete mich weit für ihn, spreizte unbewusst meine Beine und reckte mich ihm entgegen, um ihm gierig noch mehr Zutritt zu verschaffen.
Clay Banton wusste ganz genau, was er tun musste, um mich rasend schnell zum Höhepunkt zu führen. Und genau das tat er jetzt auf direktem Weg. Ich konnte schon längst nicht mehr anders, als mich zu winden, laut stöhnend, nach Luft zu schnappen und den faszinierenden Menschen an mich zu drücken, der mir diese enorm starken Gefühle schenkte, die mich völlig überwältigten. Seine große Erfahrung mit weiblichen Körpern kam mir nun zugute, denn zweifellos konnte er mir anmerken, auf welcher Stufe der sexuellen Erregungskurve ich mich gerade befand. Clay Banton spielte bewusst mit mir. Er neckte mich immer wieder, veränderte die Intensität, fand andere empfindliche Stellen, zog seine Finger zurück und ließ sie erst wieder auftauchen, als ich ihn förmlich um mehr anflehte. Ich bin mir nicht sicher, wie lange sein Spiel insgesamt dauerte, bis ein definitiv noch nie dagewesener Orgasmus mich in kräftigen Wellen überschwemmte. Vielleicht waren es nur wenige Minuten, vielleicht auch Stunden. Keine Ahnung, was ich sagte, welche Geräusche mir entwichen oder wie ich mich dabei anstellte. Die Gefühle in meinem Unterleib wurden jedenfalls so stark, dass nichts mehr für meinen Kopf übrig blieb.
Letztendlich kam ich gewaltig und klammerte, ja krallte mich dabei völlig hilflos an dem Mann fest, dem ich diese mächtige Explosion von unverhofftem Wohlbefinden zu verdanken hatte. Meine sämtlichen Muskeln spannten sich und zuckten so ungesteuert, dass meine Beine mich nicht mehr tragen wollten. Stöhnend sackte ich zusammen, fiel in die Ecke der Dusche, bis Clay mich mit seinen starken Armen auffing und wieder aufrichtete. Bestimmt etliche Minuten lang hielt ich mich an ihm fest und rang nur noch nach Luft, bis mein trommelnder Herzschlag und mein rasender Puls sich langsam wieder beruhigten. Nur mein erschöpftes Keuchen und das leise Rieseln des Wassers waren zu hören, während ich mein Gesicht vertrauensvoll gegen Clays breite Brust drückte. In dieser Zeit fühlte ich mich restlos glücklich, umfassend befriedigt, und ich hatte definitiv keinen blassen Schimmer davon gehabt, welche Gefühle beim Sex überhaupt möglich waren. Hinter seinen Rippen konnte ich seinen Herzschlag fühlen und hören, der stark und leicht beschleunigt war. Er streichelte ganz sanft mein Gesicht, küsste meinen Kopf und wartete einfach ab, bis ich wieder richtig zu mir kam. Das waren fantastische Minuten voller Vertrauen. Ich fühlte mich diesem fremden Menschen so nah, wie ich mich noch nie mit jemandem verbunden gefühlt hatte.
Je mehr meine Sinne in mich zurückkehrten, umso bewusster wurde mir, dass sich etwas Hartes gegen meinen Bauch drückte. Neugierig schielte ich nach unten und fand meine Vermutung bestätigt. Herr Banton hatte eine Erektion, die er leise seufzend an mich presste. Mir so gezielt einen überaus heftigen Orgasmus zu verschaffen und mich dabei zu erleben, hatte ihn offensichtlich endlich genug erregt, um ihm trotz seines übermäßigen Genusses von betäubenden Mitteln unwillkürlich das Blut in die Schwellkörper zu pumpen. Ich konnte mir ein breites, zufriedenes und erfreutes Grinsen nicht verkneifen und schaute vielsagend in sein Gesicht. Er lächelte mit schmalen Augen. „Du bist echt abgegangen, Kimberly... das war... ich... hab 'n Ständer gekriegt", teilte er mir freimütig und völlig unbefangen mit. „Das war total geil, Clay", kicherte ich ein bisschen verlegen und küsste seine Brustwarze. „Finde ich auch", stimmte er mir zu und strich sanft über meine Schultern.
In mir kam der Wunsch auf, mich bei dem zärtlichen Isländer für die überwältigenden Genüsse zu revanchieren, die er mir gerade so kundig geschenkt hatte. Langsam wanderte meine Hand an seinem Körper hinunter, strich zart über seine Brust und seinen Bauch, während ich ihn übervoll mit Liebe ansah. Seine Augen weiteten sich, sein Atem stockte, als ich vorsichtig mit den Fingern seinen harten Schwanz umfasste und ganz sanft daran auf und ab fuhr. Wir schauten uns in die Augen, und ich glaubte, in seinen so etwas wie Angst aufkommen zu sehen, was ich nicht begreifen konnte. „Ist alles okay?" flüsterte ich besorgt, ohne mit meiner langsamen, aber sehr direkten Stimulation an seinem Penis aufzuhören. Er atmete schwerer, zuckte leicht und brauchte einen Moment, um mir zu antworten. „Shit... Kim... ich weiß nicht... ob ich...", fing er zögernd an, brach aber wieder ab und schaute fast panisch an mir vorbei zur Glastür, als wollte er am liebsten vor mir flüchten. Das war mir ein absolutes Rätsel. Denn wenn er meine Berührung nicht gewollt hätte, dann hätte er mir das doch einfach sagen können.
Aber ganz im Gegenteil, Clay Banton schien meine Finger sehr zu genießen. Mit der Zeit fielen seine Augen halb zu, er stöhnte leise und drückte mir unbewusst seinen Unterleib entgegen. „Fuck... das... fühlt sich gut an, Kim", ächzte er hingerissen und lehnte sich Halt suchend gegen die Wand der Kabine. Davon fühlte ich mich bestätigt und intensivierte meine Bemühungen. Meine Finger griffen etwas fester zu, umschlossen ganz seinen Penisschaft und rieben gleichmäßig hin und her. „Fuck... Kimberly... das ist geil...", seufzte Clay und blickte mich hilflos an, als würde er sich um irgendwas Sorgen machen, was ich überhaupt nicht einordnen konnte. Seine Worte passten nicht zu dem panischen Ausdruck seiner grün-braunen Augen. Wiederholt irrte sein Blick zum Ausgang der Dusche, als überlegte er ernsthaft, vor mir wegzulaufen. „Was ist denn?" fragte ich ihn behutsam und beobachtete aufmerksam sein Gesicht. Er wich unbehaglich meinem prüfenden Blick aus, wand sich herum, erschauderte gurrend, seine Muskeln zuckten, sein Atem ging jetzt tief und schwer.
Ich war unschlüssig, ob ich ihn nicht lieber loslassen sollte und stoppte daher meine Bewegungen. Ganz ruhig hielt ich seine harte, schwere Erektion in meiner Hand und guckte ihn weiterhin fragend an. Er schloss die Augen und stöhnte laut auf, ein merkwürdiges Geräusch zwischen sexueller Erregung und ungeheurer Frustration. Seine Hand schoss förmlich hinab und schloss sich hastig um meine, um sie zum Weitermachen zu animieren. „Nein... bitte... hör nicht auf...", bat er mich flehend, ohne mich dabei anzusehen. Also fing ich wieder an, meine Finger bedachtsam und ausgewogen zu bewegen, was wegen der Nässe ganz einfach war. Clay ließ mich los, lehnte sich in die Ecke und stützte sich mit beiden Händen an den Wänden der Dusche ab. Die Augen genüsslich geschlossen, schien er meine intensive, liebevolle Behandlung sehr zu genießen.
Also wurde ich wagemutig und überlegte, wie ich dem zärtlichen Mann noch mehr gefallen konnte. Ich wollte ihn dringend überraschen, ihm so richtig doll guttun. Unbemerkt von Clay ging ich kurzentschlossen in die Knie, als mir einfiel, worauf mein Freund Ben beim Sex besonders abgefahren war. Ben war von meinen Blowjobs jedes Mal sehr angetan gewesen. Und angeblich waren doch alle Männer total wild darauf, dass man ihren Schwanz in den Mund nahm, dachte ich jedenfalls. Und für Clay Banton hätte ich ohnehin beinahe alles getan. Mit klopfendem Herzen kniete ich vor ihm und schaute mir sein Glied ganz genau an, an dem ich unverdrossen langsam auf und ab strich. Sein Fortpflanzungsorgan war wirklich sehr hübsch, absolut formschön, es vervollständigte den ganzen, gut aussehenden Mann. Im Zustand der sexuellen Erregung war es ziemlich groß, sehr hart und schwer in meiner Hand. Die samtige Haut war gerötet, besonders an der völlig glatten Eichel mit dem kleinen Loch in der Mitte. Anders als mein Freund Ben, besaß Clay keine Vorhaut mehr. Sie war entlang seines Eichelrandes sichtbar professionell entfernt worden, sodass seine empfindliche Eichel immer unbedeckt war. Ich registrierte, dass mir ein derart beschnittener Penis besser gefiel, als ein unbeschnittener, hatte aber deswegen auch ein bisschen Angst, Clay wegen der fehlenden Vorhaut eventuell wehzutun oder einen anderen Fehler zu machen. Immerhin würde es eine Premiere für mich sein, einen beschnittenen Schwanz zu blasen und ich konnte nicht abschätzen, wie sensibel er war.
Fasziniert betrachtete ich das fremde Organ. An dem Penisschaft waren einige dicke, dunkle Adern unter der Haut erkennbar. Clay hatte sein dunkelblondes Schamhaar, das wegen der Nässe viel dunkler wirkte, sehr kurz geschnitten und an allen Seiten gerade abrasiert. Auch zwischen den Beinen hatte er sich rasiert, denn hier fand sich kein einziges Haar, auch sein Hodensack war völlig unbehaart. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich jedoch einige dunkle Stoppeln, die vorwitzig durch seine Haut stießen. Offenbar hatte er diese intimen Stellen beim Rasieren schon seit längerer Zeit vernachlässigt.
Vor Aufregung fing mein gerade erst beruhigtes Herz ein erneutes Hämmern an, als ich mich zögernd vorbeugte und meinen Mund dabei weit öffnete. Mann, das seltsame Ding war wirklich ganz schön groß! Es war sehr viel größer, als das von Ben je gewesen war! Hoffentlich machte ich nicht irgendeinen blöden Fehler! Ob das harte Ding überhaupt ganz in meinen Mund hineinpasste? Würde ich womöglich daran ersticken, oder musste ich dabei würgen? Das wäre sehr peinlich und würde Clay sicher kränken! Und was noch viel schlimmer war: Würden meine Zähne dem beschnittenen Mann nicht wehtun? Meine Gedanken und Ängste wirbelten in meinem Kopf herum, mein Herz schlug härter. Fast bereute ich meine eigene, vielleicht voreilige Courage schon. Aber mein Wunsch, ihm bestmöglich zu gefallen, war viel größer, als meine Bedenken aufgrund meiner Unerfahrenheit. Zögerlich, aber fest entschlossen streckte ich meine Zunge aus und berührte mit der Spitze neugierig Clays rosarote, samtige Eichel. Er schmeckte nass und ein bisschen salzig, ein fremder, aber nicht unangenehmer Geschmack. Im nächsten Moment hatte ich schon meine Lippen um ihn geschlossen, schob mich behutsam nach vorne und dabei seinen Schwanz vorsichtig in meinen Mund hinein.
Allerdings kam ich nicht sehr weit, höchstens ein paar Zentimeter. „Fuck!" schrie Clay fluchend und zuckte erschrocken zusammen. Panisch riss er die Augen auf, suchte mich irritiert mit seinem wirren Blick und fand mich sichtbar unvorbereitet vor sich auf dem Boden kniend. Gleichzeitig brachte er instinktiv sein männliches Glied vor mir in Sicherheit, indem er den Po so überstürzt nach hinten zog, dass der brutal gegen die Mauer knallte, vor der er ja stand. „Fuck!" stöhnte Clay Banton gleich nochmal, diesmal eindeutig schmerzerfüllt, und rieb sich den geprellten Hintern. Total entgeistert starrte der verdatterte Mann auf mich herunter. „Was tust du denn, verdammt?" fragte er mich vorwurfsvoll und viel zu laut.
Er hätte mich wohl nicht mehr vor den Kopf stoßen können, als mit dieser entsetzten Reaktion auf meine so herzensgut gemeinten Bemühungen. Vor Enttäuschung und Scham traten mir unwillkürlich Tränen in die Augen, die ich gekränkt wegwischte. „Ich... wollte dir einen blasen...", stammelte ich beschämt. „Was?!" entfuhr es ihm aggressiv. Er schnappte nach Luft und rieb sich konfus über die Augen. Er brauchte eine Weile, um die neue Situation richtig zu verstehen. „Es tut mir leid, Clay! Ich dachte, dir würde das sehr gefallen!" versuchte ich eine Entschuldigung und schaute ihn unglücklich, um Vergebung flehend an. Clay benötigte noch länger, um die unerwartete Sache zu kapieren, denn er war unverändert stoned, sexuell erregt und absolut verwirrt.
Endlich seufzte er lauthals, schüttelte fassungslos den Kopf und rieb sich fahrig über das Gesicht. „Du wolltest mir einen blasen?" fragte er schließlich leiser nach und fixierte mich derangiert. Ich nickte und schluckte meine Tränen hinunter. „Ja, ich habe gedacht, das gefällt dir. Es tut mir leid", wiederholte ich kleinlaut. Clays schockierte Miene wurde schlagartig weicher, er schnaufte und lächelte höchst erleichtert. „Fuck, Kimberly! Das hat sich für mich so angefühlt, als würdest du ihn dir heimlich reinstecken", erklärte er mir auf seine typisch derbe Art. Ich schaute ihn nur an und verstand nicht, warum ihn dieses Gefühl, mit seinem Penis in mich einzudringen und in mir zu sein, was ihn noch gestern vor Wonne wiederholt an den Rand der sexuellen Ohnmacht gebracht hatte, diesmal so sehr schockierte und verstörte. „Was wäre daran denn so schlimm?" erkundigte ich mich verständnislos. Clay schnaufte nochmal, diesmal ziemlich aufgebracht und spöttisch. „Ich fick dich nicht ohne Kondom!" blaffte er mir hart ins Gesicht und schüttelte so energisch den Kopf, dass das Wasser aus seinen Haaren stob. Dabei fiel er fast um und musste sich an der Wand festhalten. Tief holte er Luft und knurrte: „Ich kann es nicht leiden, wenn Frauen es hinterhältig und bösartig darauf anlegen, von mir geschwängert zu werden!"
Offenbar hatte er so etwas schon erlebt, und es gefiel ihm so gar nicht, was absolut verständlich war. Mit funkelnden Augen taxierte Clay mich, als würde er mir diese Arglist auch zutrauen, was mich echt kränkte. Seine unverhüllte und lautstarke Aggressivität zerstörte die friedliche, zärtliche, vertraute und höchst intime Stimmung in dieser Dusche sofort. Auf einmal fühlte ich mich sehr unwohl in meiner Position, mit ihm allein in diesem engen Raum. Er ist immer noch enorm wütend, spürte ich beunruhigt, tief in ihm lodert ein gefährliches Feuer aus ungezügeltem Hass. Dieses Feuer war gestern definitiv noch nicht dagewesen. Seine nur halbwegs kontrollierten Emotionen machten mir Angst und ich zog es ernsthaft in Erwägung, unseren sexuellen Kontakt an dieser Stelle lieber abzubrechen. Ich sollte ihm doch lieber keinen blasen, dachte ich verunsichert, er ist innerlich viel zu aufgewühlt. Es muss ihm vor Kurzem etwas wirklich Schlimmes passiert sein, vermutete ich erneut traurig, etwas hat ihn heute unglaublich wütend gemacht. Gestern ist er noch nicht so zornig gewesen, erinnerte ich mich nervös.
Plötzlich lachte Clay verblüfft auf. „Du willst mir einen blasen?" fragte er noch einmal. Ich fühlte mich unverändert sehr gekränkt, war aber über seinen Stimmungsumschwung erleichtert. Also lachte ich schüchtern mit. „Es tut mir leid, Clay. Ehrlich!" beteuerte ich ihm. Er streckte den Arm aus und streichelte über meinen Kopf. „Nein, Süße, das muss dir nicht leidtun!" meinte er gutmütig, „Das gefällt mir doch." „Warum reagierst du dann so entsetzt?" konnte ich mich nicht zurückhalten, denn ich verstand ihn wirklich nicht. Aber Clay Banton antwortete mir nicht, denn er war mit seinen Gedanken längst vorausgeeilt. Der sichtbar sexuell erregte Mann betrachtete mich mit anderen Augen, sehr nachdenklich, unzufrieden, geil, aber spürbar unschlüssig. Offenbar kämpfte er innerlich mit sich. „Hast du das schon mal gemacht?" fragte er mich und erzitterte im gleichen Moment, sein Körper bebte, sein Atem wurde schwerer. Seine Augen wurden gierig, als er mich eingehend studierte. Sein Blick heftete sich auf meine Brüste, meine Scham.
Dann irrte er zurück in mein Gesicht, weil ich nichts sagte. Fragend, mit nervös flatternden Augen studierte er mich. Als er endlich richtig begriffen hatte, dass ich ihm tatsächlich einen blasen wollte, schien die bloße Vorstellung davon ihn enorm zu erregen. Jetzt konnte ich seine panische Reaktion noch weniger verstehen, beschloss aber, es für ihn zu tun, weil er es zweifellos ersehnte, und ihn lieber später nochmal danach zu fragen. „Was soll ich tun?" fragte ich ihn stattdessen und rutschte auf den Knien näher zu ihm hin. Ich war entschlossen, ihm den größtmöglichen Genuss zu bereiten. Und das würde mir zweifellos am wirkungsvollsten gelingen, wenn der fremde Mann mir einfach sagte und zeigte, was ihm besonders gut gefiel.
Clay starrte mich an, atmete schwer und leckte sich nervös über die Lippen. „Du... hast das... noch nie gemacht?" fragte er nochmal drängend. Die reine Möglichkeit geilte ihn sichtbar extrem auf. Gierig griff er nach seinem hochstehenden Schwanz und presste ihn stöhnend gegen seinen Bauch, rieb leicht daran herum und rang dabei nach Luft. Sein ganzer Körper zitterte angespannt, seine Beine zuckten. Er musste sich gegen die Wand lehnen, um nicht hinzufallen. Seine aufgeregten Augen verschlangen jetzt förmlich meine Brüste und den Bereich zwischen meinen Beinen. Er bohrte seine Zähne in die Unterlippe. Seine tiefen, hörbaren Atemzüge spannten rhythmisch die Haut über seinen Rippen. Gott,das gefällt ihm total, registrierte ich belustigt, anscheinend fährt er unglaublich auf unerfahrene Mädchen ab! Allein der Gedanke daran, dass ich vielleicht keine Ahnung davon haben könnte, was ich ihm da gerade angeboten hatte, ließ Clays sexuelle Erregung schlagartig in die Höhe schnellen.
Nur mit Mühe konnte ich mir ein amüsiertes Kichern verkneifen, während ich den jetzt hochgradig nervösen Mann interessiert beobachtete. Mit einer gänzlichen Unerfahrenheit konnte ich ihm nicht dienen, denn auch wenn ich Herrn Banton seinen Spaß mehr als gönnte, so wollte ich ihn dennoch nicht anlügen. „Doch, Clay. Ich habe das schon mal gemacht", teilte ich ihm mit und lächelte beruhigend. „Aber jetzt möchte ich es gerne nur für dich allein machen, okay? Darf ich das bitte für dich tun?" setzte ich leise hinzu. Er schloss abwehrend die Augen und holte tief Luft. Im nächsten Moment gab er ein lautes Geräusch von sich, ein echt verzweifeltes Stöhnen zwischen Erregung und Enttäuschung. Clay ließ seinen Schwanz los und rieb sich stattdessen mit den Fingern fahrig über das Gesicht. Nochmal wollte er sich damit eigentlich vor mir verstecken. Ein weiteres Mal war ich fasziniert davon, wie leicht seine Gesten zu deuten waren. Er war so extrovertiert, dass er kaum Geheimnisse barg. Meine Liebe für ihn bekam neue Nahrung, als ich ihn in seiner offensichtlichen Konfusion betrachtete.
Er brauchte eine Weile, um sich neu zu sortieren. Dann öffnete er seine trüben Augen und schaute mich unentschlossen an. „Kim... hör mal...ich...", stammelte er hilflos und atmete laut mit offenem Mund, „...vielleicht... sollte ich.. lieber nicht..." Langsam kam er mir dabei entgegen, als würde sein hochstehender Schwanz ihn gegen seinen Willen zu mir hinziehen. Überhaupt schien sein Penis in den letzten Minuten noch ein bisschen mehr gewachsen zu sein. Der Mann kämpfte sichtbar mit seinen übermächtigen Trieben. Das amüsierte mich tief drinnen, faszinierte und erregte mich, machte mir aber auch ein bisschen Angst. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich im Griff habe", warnte Clay Banton mich so leise, dass ich ihn durch das Rauschen des Wassers kaum verstehen konnte. Wie ferngelenkt kam er dabei näher, bis die Spitze seines Schwanzes schließlich zart gegen meine Lippen drückte. Gleichzeitig stöhnte er hingerissen auf und erschauderte. Seine Muskeln zuckten angespannt.
Diesen Hinweis kapierte ich nun überhaupt nicht. „Du sollst dich doch gar nicht im Griff haben, Clay. Ich möchte doch, dass du die Beherrschung verlierst und kräftig kommst", erklärte ich ihm in so direkten Worten, wie ich sie definitiv nur in Bantons Gegenwart aussprechen konnte. Der halbe Wikinger griente richtig dreckig. Seine dunklen Augen verwandelten sich unverzüglich in geile Saugnäpfe voller unbändiger Gier. „Na gut, wenn du das... so dringend willst, Kim-ber-ly... dann... kann ich nicht...", knurrte er schroff und packte grob seinen Penis, um ihn mir bemüht vorsichtig in den Mund zu schieben. Mein Herz stolperte los, als ich seine warme Haut an meinen Lippen spürte, weil es jetzt endlich und wahrhaftig losging.
Aber schon im nächsten Augenblick machte der derangierte Mann plötzlich abermals einen Rückzieher. Laut fauchend und nahezu panisch taumelte er zwei Schritte rückwärts, als hätte er sich nichtsahnend an mir verbrannt. Mein Mund, den ich schon aufgeregt, erwartungsfroh für ihn geöffnet hatte, klappte irritiert wieder zu. Langsam fühlte ich mich verarscht. Noch immer saß ich vor ihm auf meinen Knien, was auf dem harten, nassen Boden der Dusche mit der Zeit unbequem wurde. Meine Beine drohten einzuschlafen. Ungeduldig änderte ich meine Sitzposition und schaute ihn fragend an. Es störte mich, dass ich unentwegt zu ihm aufschauen musste. Mit seinem zögernden, total rätselhaften Verhalten konnte ich nichts anfangen. Ich wusste nichts über seine Skrupel, mahnte mich jedoch zur Geduld, weil der arme Kerl so offensichtlich mit sich kämpfte.
Clay lehnte an der Wand und fixierte mich unschlüssig mit einer Mischung aus Geilheit und Aggression. „Was ist denn, Clay?" fragte ich ihn schließlich behutsam, um ihn nicht noch mehr aufzuregen. Sein Problem mit unserem Vorhaben wollte mir nicht einleuchten, wo er doch zweifellos total scharf darauf war, von mir geblasen zu werden. Er atmete schwer, seine Augen schossen Pfeile auf mich, die irgendwo zwischen Wut und Verlangen lagen. „Fuck, Kim... du... hast mich... total aufgegeilt! Ich... kann jetzt... nicht mehr... so einfach wieder aufhören!" erklärte Clay mir unglücklich. Bevor ich ihn verwundert fragen konnte, warum um alles in der Welt er glaubte, aufhören zu müssen, noch bevor wir richtig angefangen hatten, griff er schon fahrig nach seinem Schwanz, presste ihn abermals seufzend gegen seinen Bauch und betonte: „Er will... dringend abspritzen..." Daraufhin musste ich lachen, weil Clay total ernsthaft über seinen Penis sprach, als hätte der einen eigenen Willen. Dem Mann gefiel mein Lachen ganz und gar nicht. „Das ist nicht lustig, Kim!" knurrte er hörbar angepisst, „Ich sollte nicht... aber... du hast mich... ich... kann nicht mehr... ich... muss jetzt dringend..."
Er kam zunehmend ins Stottern und brach schließlich verwirrt ab. Eindeutig wütend taxierte er mich. Dabei wirkte er aber sehr konfus, total ratlos und seinen eigenen Bedürfnissen offenbar hilflos ausgeliefert. Mit einem warmen Gefühl im Bauch betrachtete ich ihn. Er tat mir leid in seiner Hilflosigkeit und der für mich total unverständlichen Angst. Seine unverkennbar fortgeschrittene Geilheit hatte auf mich und meinen Körper trotz allem eine beträchtliche Wirkung. Es erregte mich unwillkürlich, wie der attraktive, unbekleidete Mann keuchend dort unter der Dusche stand und nachdenklich, fast unbewusst und doch verlangend seinen steifen Penis gegen seinen Bauch rieb.
Meine Ungeduld wuchs. Ich war geil und wollte ihn jetzt unbedingt dazu bringen, sich endlich vertrauensvoll auf mich einzulassen. Aber mir war klar, dass ich vorsichtig und behutsam vorgehen musste, denn an diesem Abend schien Mister Banton außergewöhnlich sensibel zu sein. Der erwachsene Mann wirkte auf mich mittlerweile sogar sehr viel verletzlicher und empfindsamer, als ich ihn jemals erlebt hatte. „Nein, Clay, bitte nicht! Mach dir doch bitte keine Sorgen!" versuchte ich spontan sanft, ihn zu beruhigen. „Ich möchte jetzt so gerne zärtlich zu dir sein, ja? Bitte lass es mich doch tun! Du hast mir vorhin so gutgetan, und jetzt möchte ich mich bei dir revanchieren, okay? Du kannst mir vertrauen! Hör mal, ich weiß doch, was ich tue und welche Auswirkung das auf dich haben wird. Mir ist klar, wie du darauf reagieren wirst. Du darfst dabei auf jeden Fall die Beherrschung verlieren, hörst du? Ich mag es sogar sehr gerne, wenn du... kommst, und... richtig geil bist... und... dabei nichts vor mir verbirgst...", redete ich mild gegen seine Zweifel und seine unerklärliche Furcht an. Gestern hat es ihm noch nichts ausgemacht, beim Sex mit mir vollkommen die Kontrolle über sich zu verlieren, dachte ich besorgt. Prompt hatte ich die überaus erotischen Bilder vor Augen, wie Clay in der Nacht zuvor jedes Mal vor Lust fast ohnmächtig geworden war. Mir wurde ganz kribbelig und ich wollte ihn jetzt so schnell wie möglich erneut in sexueller Ekstase erleben. Aufmunternd, auffordernd und verschwörerisch lächelte ich ihm zu.
Herr Banton lehnte unverändert an der gekachelten Wand der Dusche und ließ mich nicht aus den Augen. Trotz seiner Anspannung sah er zunehmend resigniert aus, während er mir mühsam konzentriert zuhörte. Nach meinen einfühlsamen Worten huschte sein Blick erneut verschlingend zu meinen primären Geschlechtsmerkmalen hin, was ich zufrieden registrierte. „Du willst dich revanchieren?" fragte er und grinste freudlos. Ich nickte heftig. „Ja, du hast mir gerade den besten Orgasmus meines Lebens geschenkt, Clay! Du hast eine gleichwertige Belohnung mehr als verdient!" bekräftigte ich ehrlich, woraufhin Clay verblüfft auflachte. Gleich darauf wurde er aber schon wieder ernst und betrachtete mich nachdenklich. „Das sollte ich echt nicht...", flüsterte er mehr zu sich selbst, „... aber fuck... ich kann das nicht..." „Bitte komm doch her, Clay! Vertrau mir! Ich bin auch ganz vorsichtig! Lass es mich einfach versuchen, okay?" schlug ich flehend vor und konnte mein eigenes Begehren kaum noch verbergen. Automatisch streckte ich die Hand nach ihm aus und war mehr als erstaunt darüber, wie absurd dringend ich diesem faszinierenden Menschen inzwischen einen blasen wollte. Alles in mir schrie förmlich danach, dem außergewöhnlich gut gebauten Kerl einen möglichst sphärischen Orgasmus zu bescheren. Sein dummes Zögern machte mir zunehmend zu schaffen, denn ich wollte ihn unbedingt abspritzen sehen.
„Kim... verdammt... du hast keine Ahnung!" murmelte er leise vor sich hin, löste sich jedoch kurzentschlossen von der Mauer und kam wieder näher, als würde sein Schwanz ihn auch diesmal von selbst zu mir hinziehen. „Mach dein Maul auf, Süße!" befahl er mir plötzlich viel zu schroff und schnappte nach Luft. Vor Aufregung zitterte er am ganzen Körper. Mein nackter Anblick und allein sein Wissen um unser Vorhaben schien ihn schlagartig enorm zu erregen. Sein befehlender, arg arroganter Tonfall gefiel mir nicht. Trotzdem gehorchte ich ihm und öffnete meinen Mund. Der Mann schob mir jetzt, ohne noch länger zu zögern, keuchend und bebend, Zentimeter um Zentimeter sein ästhetisches Geschlechtsorgan tiefer in den Rachen. „Alles okay?" fragte er zwischendurch besorgt und stoppte mühsam.
Ich signalisierte ihm jedes Mal mit meinen Augen und einem leichten Nicken, dass es mir gut ging, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Es war nämlich überraschend neu und ungewohnt für mich, Bantons großen, harten Schwanz in meinem Mund zu fühlen. Spätestens jetzt spürte ich überdeutlich, dass Bens Glied definitiv um einiges kleiner war. Diesmal wurde meine Mundhöhle von dem steifen Organ vollständig ausgefüllt. Ich befürchtete unwillkürlich, keine Luft mehr zu bekommen, würgen zu müssen, und atmete krampfhaft durch die Nase ein und aus. Immerhin schien Clay von dem Gefühl, mit seinem empfindsamen Penis langsam in meinen warmen Mund einzudringen, mehr als begeistert zu sein, und das entschädigte mich für all die unangenehmen Strapazen. Seine unvermindert zugedröhnten Augen hatten sich süchtig an mir festgesaugt. Er verschlang mich förmlich mit seinem glühenden Blick, geilte sich sichtbar extrem an dem devoten Anblick auf, den ich ihm bot.
Trotzdem war ich heilfroh, als er nach vielleicht zwei Drittel seiner Länge widerstrebend aufhörte, um sich wieder ein Stückchen zurückzuziehen. Höchstwahrscheinlich spürte der erfahrene Liebhaber, dass ich zunehmend damit kämpfte, ihn aufnehmen zu können. „Fuck, Kim...", stöhnte er überwältigt, „Du bringst mich echt um... du... killst mich... total!" Ich musste lächeln und schaute ihn liebevoll an. Gezielt bewegte ich meine Zunge auf seinem mit Nervenenden übersäten Fleisch in meinem Mund, was ihm sofort ein verdutztes Ächzen entlockte. Die pure Geilheit durchflutete seinen nackten Körper sichtbar in dicht aufeinanderfolgenden Wellen, was mich enorm fesselte und aufgeilte.
„Kimberly... schließe deine... süßen Lippen... fester um mich... bitte...", forderte Clay mich stockend auf, während er mich die ganze Zeit mit halb geschlossenen Saugnäpfen ansah. Also tat ich das, und er stöhnte augenblicklich zustimmend, als es enger um ihn wurde. Automatisch spielte meine Zunge an seiner Eichel, die sich nun tief in meinem Mund befand, lutschte und saugte ich sanft an ihm herum. „Bitte... fass mich an...", bat Clay drängend. Also griff ich mit der rechten Hand nach dem Rest seines Schwanzes und streichelte ihn. Meine linke Hand beschäftigte sich vorsichtig mit seinem Hodensack, den beiden Hoden und dem Bereich zwischen seinen Beinen. Clay ächzte, erschauderte heftigst und fiel dabei fast um. Er rang nach Luft und musste sich erneut an den Wänden der Duschkabine abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
„Das ist... geil so... Kim-ber-ly...", lobte er mich, als ich meinen Mund mit fest geschlossenen Lippen behutsam vor und zurück bewegte. Dabei achtete ich darauf, ihn nicht mit meinen Zähnen zu verletzen. Genauso hatte ich es auch schon bei meinem Freund Ben gemacht, deshalb war mir diese Bewegung vertraut. Herr Banton ließ mich nicht eine Sekunde aus den Augen, aber sein Blick wurde zusehends verschwommener. Seine Augen fielen fast zu, während er mich aufmerksam studierte. Gierig sah er sich ganz genau an, wie ich ihm unbeholfen einen blies, und allein dieser Anblick steigerte seine Erregung offenbar enorm. So etwas höchst Intimes hatte ich in meinem Leben noch nicht allzu oft getan, aber scheinbar machte ich wohl instinktiv das Richtige. Der Mann war jedenfalls zweifellos überwältigt von diesen starken Gefühlen, die meine gezielten Bemühungen unverkennbar in ihm auslösten. Das machte mich stolz und feuerte mich an, mir noch mehr Mühe zu geben.
Typischerweise hielt Clay Banton sich nicht zurück mit lautstarken, zunehmend mühsam hervorgepressten Kommentaren. Auch seine steigende sexuelle Erregung versteckte er in keinster Weise vor mir, was zugegebenermaßen extrem geil war. Selbst wenn ich es gewollt hätte, ich hätte mich diesem vor pulsierendem Leben sprühenden, überaus ansehnlichen Mann nicht entziehen können. Endlich gab er sich mir ganz hin, ließ sich hundertprozentig auf mich ein und vergaß seine rätselhaften Zweifel und Bedenken. Schon bald fiel mir auf, dass er trotz meiner bewusst gezielten Stimulation eine sehr viel längere Zeit als gestern benötigte, um zum Höhepunkt zu kommen. Bestimmt lag das an den vielen berauschenden Mitteln, die er an diesem Tag konsumiert hatte. Die Drogen betäubten auch seine sexuellen Empfindungen und zögerten es dadurch hinaus. In dieser innigen Situation war ich sehr froh darüber. Es gefiel mir, dass ich mich aus diesem Grund sehr viel länger mit ihm beschäftigen konnte, auf ganz ähnliche Art, wie er vorher auch mit mir herumgespielt hatte. Es machte mir großen Spaß, ihn punktiert zu reizen und mich zwischendurch zurückzuziehen. Ich saugte sanft an ihm, leckte und streichelte ihn, fuhr an ihm auf und ab und küsste ihn immer wieder innig.
Die ganze Zeit studierte ich ihn interessiert und war aufs Neue fasziniert von seiner Offenheit. Seine gänzlich unverhüllten Reaktionen hatten eine unmittelbare Wirkung auf mich. Schon spürte ich ein geiles Kribbeln in meiner Mitte. Es wurde unwillkürlich heiß und feucht zwischen meinen Beinen. Ein weiterer Orgasmus baute sich zögerlich auch in mir auf, während ich pausenlos seinen hübschen Schwanz mit meiner Zunge, meinen Fingern und den Lippen bearbeitete. Meine Hände liebkosten auch seine Eier, strichen an den Innenseiten seiner Oberschenkel entlang und zwischen seine Beine. Clay fixierte mich inzwischen nur noch mühevoll. Sein glühender Blick richtete sich zunehmend nach innen, wo die mächtige Geilheit ihn zu übermannen drohte. Er stützte sich schwankend an den Wänden ab, leckte sich gierig über die Lippen, zog seine Unterlippe zwischen die Zähne und rang laut nach Luft. Sein breiter Brustkorb hob und senkte sich sichtbar mit jedem tiefen Atemzug. Sein gesamter Körper zitterte vor Aufregung, seine Muskeln spannten sich und kontrahierten ungesteuert, eine Gänsehaut überzog seinen verletzten, nackten Leib.
„Gott... Kim... was... machst du nur... mit mir...", stöhnte er ratlos. Clay hörte sich panisch an, drängte aber seinen Unterleib zunehmend rhythmisch gegen mich, was ihm vielleicht gar nicht bewusst war. Sein Penis war eindeutig noch härter und dunkler geworden und schien inzwischen fast zu platzen. Seine Hoden waren eng an seinen Unterleib geschmiegt. Er war nun an einem Punkt angelangt, an dem er meine zärtliche, neckende und bewusst verzögernde Spielerei nicht länger ertragen konnte. Ungestüm verlangte es ihn nach mehr. Er wollte dringend mehr Härte und Intensität. Darum fing er plötzlich wie ferngelenkt damit an, gezielt in meinen Mund zu stoßen, wobei ihm tiefe, gutturale Laute entwichen. Die trüben Augen genüsslich geschlossen, war er jetzt vollständig auf seinen Schwanz fokussiert.
„Du musst schlucken!" stieß er gepresst hervor, „Ich will... dass du... mich schmeckst!" Schon wieder war sein Tonfall entschieden zu schroff. Clay Banton bat mich nicht darum, seinen Samen zu schlucken, er befahl es mir, höchst aggressiv und ohne Widerspruch zu dulden. Das gefiel mir nicht. Außerdem hatte ich Bens Ergüsse niemals heruntergeschluckt, sondern mich immer rechtzeitig zurückgezogen, weil ich mich ein bisschen vor diesem seltsamen Zeug ekelte. Genau genommen wollte ich die glibberige Flüssigkeit noch nicht mal in meinem Mund haben. Ben hatte nie von mir verlangt, es zu schlucken, und ich verstand nicht, warum Clay darauf anscheinend so großen Wert legte. Mit aufkommendem Unbehagen überlegte ich, wie ich dem Mann meinen Standpunkt begreiflich machen konnte, ohne ihn zu kränken oder zu verärgern. Im gleichen Moment glaubte ich, auf meiner Zunge den frisch-schleimigen, etwas salzigen Geschmack von Sperma wahrzunehmen. Irritiert fragte ich mich, ob der hochgradig aufgegeilte Mann bereits seinen Höhepunkt erlebte. Aber dann wurde mir klar, dass es wohl vorerst nur sein Präejakulat war, was ich schmeckte.
Clays stoßende Bewegungen wurden heftiger, unkontrollierter, hastiger, er verlor jetzt zusehends die Gewalt über sich. Für mich war es sehr unangenehm, als der entfesselte Mann seinen harten Schwanz rhythmisch in meinen Mund rammte. Er stieß brutal gegen meinen Gaumen und tief in meinen Rachen hinein. Unwillkürlich musste ich würgen und fühlte mich dabei schnell immer unwohler. Unverändert saß ich dicht vor ihm auf meinen Knien und schaute zu ihm auf. Automatisch versuchte ich, ihm auszuweichen, indem ich mich nach hinten lehnte. Abwehrend stemmte ich beide Hände gegen seine Hüften, um seine brutalen Stöße zu stoppen oder wenigstens zu dämpfen. Ich wollte ihn gerne bitten aufzuhören, aber mit seinem großen Penis im Mund war ich nicht in der Lage zu sprechen. Mist, dachte ich verzweifelt, er hat sich tatsächlich nicht im Griff! Und ich dumme Kuh hatte ihm auch noch großzügig erlaubt, die Kontrolle über sich zu verlieren! Aber wie hätte ich denn auch nur ahnen können, dass Herr Banton dermaßen gewalttätig und rücksichtslos werden würde! So egoistisch hatte ich ihn nur an unserem allerersten Abend erlebt. Und ich war mir sicher gewesen, dass der Mann nie wieder in so ein wildes, unbeherrschtes Sexmonster mutieren würde. Aber jetzt machte er nicht den Eindruck, als könnte ihn noch irgendetwas davon abhalten, sein Ziel auf diesem direkten, egoistischen Wege zu erreichen. So wahllos aggressiv ist er noch nie zu mir gewesen, noch nicht mal am Freitag, fuhr es mir betrübt durch den Sinn, und meine eigene Erregung verflüchtigte sich vor Angst und Unbehagen.
Tatsächlich quittierte Clay meine instinktiven Versuche, mich vor seiner Gewalt zu schützen, ihm auszuweichen und mich ihm irgendwie zu entziehen, mit einem enorm frustrierten Fauchen. Alarmiert riss er die Augen auf und starrte mich genervt an. Kaum hatte ich mich halbwegs weggedreht, kam er auch schon näher. Er knurrte und schwankte, als er eilig die Wand losließ. Seine beiden Hände schnellten nach unten und stopften seinen steinharten Schwanz hektisch zurück in meinen Mund, den ich nicht schnell genug schließen konnte. Heftig packte Clay mich im Nacken und am Hals, um meinen Kopf in genau die Position zu zwingen, die er für sein Vorhaben benötigte. „Fuck...! Hör auf...! Lass das... verdammt! Shit! Du kannst jetzt nicht...!" beschwerte er sich zornig, wirr und atemlos, während er weiter unkontrolliert in meinen Mund stieß. Sein Zustand machte mir Angst. Um ihn nicht noch mehr aufzuregen, schloss ich brav meine Lippen um ihn und hielt still, in der Hoffnung, dass es bald vorbei wäre.
Sofort stöhnte er laut, zustimmend und erzitterte heftig. Nur mühsam konnte er seine Augen einen Spalt breit offen halten. Seine Finger griffen mein Haar am Hinterkopf und hielten sich daran fest. Ich hatte keine Chance zur Gegenwehr. Und ich begann zu ahnen, dass mein so absurd drängendes Begehren, diesem fremden Mann unbedingt einen blasen zu wollen, nicht wirklich eine gute Idee gewesen war. Ich hätte auf meine warnenden Instinkte hören und die Sache früh genug abbrechen sollen, dachte ich reuevoll. Auch Clay hatte mich gewarnt, und sein Zögern war definitiv nicht grundlos gewesen. Als mir das klar wurde, schwächte sich meine Wut auf den entfesselten Mann ab. Ja, er hatte mich sogar mehrfach gewarnt. Nur auf mein dummes Drängen hin war er überhaupt auf meinen Blowjob eingestiegen. Es war gar nicht seine Schuld!
Liebevoll schaute ich zu ihm hoch. Sein hübsches Gesicht war vor Wollust verzehrt, sein Mund stand offen, er rang nach Sauerstoff. Sein schöner Körper war bis zum Zerreißen angespannt, seine Muskeln zitterten. Die Augen hatte er jetzt konzentriert geschlossen und war vollständig auf die Steigerung seiner sexuellen Gefühle fokussiert. Er ist in seiner Geilheit wunderschön, fuhr es mir fasziniert durch den Sinn, genau das habe ich doch die ganze Zeit sehen wollen. Wie von allein streichelte sich meine Hand langsam an seinem gespannt zitternden Oberschenkel hinauf und über seine Lenden, bis sie dicht unter seinem Nabel auf seinem Bauch angekommen war. Zärtlich machten meine Finger langsame, kreisende Bewegungen auf seiner nassen Haut. Ich wusste ja, wie sehr er diese Berührung an seinem Bauch mochte, aber seine direkte Reaktion darauf überraschte mich trotzdem. Unwillkürlich kam Clay mit seinen wild fickenden Bewegungen ins Stocken, weil ein gewaltiger Schauer ihn erfasste, der ihn fast einknicken ließ. Er taumelte stöhnend und hielt sich mühsam an meinen Schultern fest. Meine zart streichelnden Finger an seinem Bauch überwältigten ihn, er erstarrte in einer mächtigen, zuckend kontrahierenden Gänsehaut.
Panisch riss er die Augen auf und stierte mich konfus an. „Fuck... du kannst nicht... ich... fürchte... ich komm jetzt...", informierte der Mann mich keuchend, als würde mein Streicheln seinen Orgasmus auslösen und als wäre er seiner eigenen Libido hilflos ausgeliefert. Fragend schaute ich zu ihm hoch, ohne meine zarte Berührung an seinem Bauch einzustellen. Sein zischend hervorgebrachter Hinweis hatte wie eine Drohung geklungen. Verblüfft stellte ich fest, dass Clays aufgegeilte Augen immer größer wurden, er mich zunehmend ängstlich anstarrte, als würde eine unbestimmte Bedrohung von mir ausgehen. Dabei schien er mich aber real immer weniger wahrzunehmen. Seine Hände streckten sich blind nach mir, ziellos fuhr er mit den Fingern über meinen Kopf und durch mein nasses Haar. Seine dunklen Augen wurden glasig, sein Blick richtete sich nach innen. Seine Oberschenkel spannten sich. Da stimmt was nicht, dachte ich alarmiert, er driftet total ab!
Aber bevor ich mich vorsichtshalber zurückziehen konnte, packte Clay jählings fest zu. Er griff sich ein Büschel Haare und riss meinen Kopf ruckartig und brutal von seinem Schwanz weg nach hinten, wobei er mir ziemlich wehtat. „Ich fick dich...!" knurrte er guttural mit zusammengebissenen Zähnen, „Mach das Maul auf...!" „Clay!" protestierte ich erschrocken, als er schon mit seiner anderen Hand seinen Penis packte und ihn hektisch hin und her rubbelte. In der nächsten Sekunde kam er, stöhnte laut auf und spritzte mir mitten ins Gesicht. „Fuck! Verdammt! Mach dein Maul auf!" wiederholte er drohend, „Schmeck mich! Schluck mich! Du Schlampe! Fotze! Schluck schon! Schluck!" Bei jedem aggressiven Ausruf und jeder gemeinen Beleidigung landete wiederholt ein neuer Schwall Ejakulat in meinem Gesicht. Instinktiv schloss ich schützend die Augen und hob die Hände, um ihn ängstlich, widerwillig von mir wegzuschieben. Aber ich hatte keine Chance, denn der ejakulierende Mann bewegte sich nicht. Er stand jetzt auf steifen Beinen felsenfest vor mir, laut stöhnend, packte nur fester zu und riss mir dabei fast die Haare aus.
„Aua! Clay! Nicht!" rief ich panisch. Aber dabei spürte ich den fremden, unangenehmen Geschmack von seinem salzigen Sperma in meinem Mund und presste intuitiv die Lippen fest aufeinander. „Mach dein scheiß Maul auf! Scheiß Fotze!" beschwerte Clay Banton sich zornig und zerrte brutal an meinen Haaren herum, sodass mein Kopf herumgeschleudert wurde und ich vor Schmerz aufstöhnte. Im nächsten Augenblick ließ er mich plötzlich abrupt los und starrte mich entsetzt an. Röchelnd holte er Luft und brüllte: „Scheiße! Fuck! Böde Fotze! Ich hasse dich!" Hastig taumelte er von mir weg, in haltloser Panik rückwärts, wobei er noch immer seinen steifen Schwanz rieb, bis er ein weiteres Mal heftig mit dem Rücken und Hintern gegen die Duschwand knallte. Diesmal knickten ihm vegetativ die Knie ein. Laut stöhnend und hässlich fluchend fiel er hinab auf den harten Boden der Dusche, wo er erschöpft keuchend liegen blieb. Völlig außer sich strampelte er wütend schreiend mit den Beinen, als wollte er mich am liebsten aus der Kabine treten. Dabei erreichte er mich jedoch gar nicht, denn ich hockte zum Glück zu weit weg. Mit glühendem Hass in den Pupillen taxierte Clay Banton mich wirr. Mit beiden Händen schützte er jetzt manisch seine Geschlechtsorgane, als hätte er plötzlich Angst davor, dass sie ihm jemand wegnehmen würde.
Maßlos erschrocken, aber auch enorm verärgert wegen seiner unerwartet gewalttätigen Behandlung und seinen fiesen Beschimpfungen erwiderte ich strafend seinen Blick. Mit Hilfe des Wassers aus der Luxus-Dusche, die uns unablässig von allen Seiten her nass berieselte, wusch ich hastig seinen klebrigen Samen aus meinem Gesicht und spuckte heftig aus. Ich fühlte mich angeekelt. Er hatte seine schleimige, durchsichtig-weiße Körperflüssigkeit mit so viel Hass auf mich gespritzt, dass ich jetzt richtig angewidert war. Der entfesselte, völlig unkontrollierte Mann hatte mich mit seinem warmen Sperma als minderwertig markiert, mir in wenigen Sekunden fehlender Selbstbeherrschung auf höchst arrogante und aggressive Weise klargemacht, dass ich in seinen Augen nichts wert war. So fühlte es sich für mich in dieser Situation jedenfalls an. Und ich fiel vollkommen aus allen Wolken, weil ich mich jetzt unwillkürlich fragte, ob er mich insgeheim tatsächlich so sah, und weil das so ziemlich das genaue Gegenteil von allem war, was ich in den letzten zwei Tagen über Clay Banton gedacht hatte.
Der zweifellos verstörte halbe Wikinger hatte sichtbar etliche Mühe damit, nach seinem überwältigenden Orgasmus die Kontrolle über sich wiederzuerlangen, denn er rang nach Luft und zitterte unverändert an sämtlichen Extremitäten. „Fuck!" schrie er mich atemlos an, „Warum hast du das gemacht? Ich hasse dich! Ich hasse dich, scheiß Fotze!" Obwohl er offensichtlich völlig durchgedreht war, ging mir sein ständiges Fluchen gewaltig auf die Nerven. Seine feindseligen Worte kränkten mich enorm. Ich hatte ihm doch nur etwas Gutes tun wollen, hatte mir echte Mühe gegeben, um ihm zu gefallen, und jetzt warf er mir meine liebevoll gemeinten Bestrebungen auf gemeine Art und Weise vor. Ich war so vor den Kopf gestoßen, dass mir keine Erwiderung einfiel. Ich konnte ihn nur stumm anklagen und schluckte an meiner Traurigkeit. Meine Knie taten weh, darum änderte ich meine Sitzposition, während ich ihn alarmiert im Auge behielt. Ich befürchtete, dass er jeden Moment zornig auf mich losgehen würde.
Eine zu lange Zeit saßen wir gemeinsam auf dem nassen, marmornen Boden der großen Duschkabine, jeder in einer anderen Ecke. Wir waren zu weit voneinander entfernt, als hätten wir uns noch berühren können, und emotional trennten uns Welten. Nur sein Ringen um Sauerstoff und das leise Rauschen des Wassers waren zu hören. Ich fühlte mich in meiner nackten Haut zum ersten Mal unwohl und überlegte, ob ich jetzt nicht lieber sofort hinausgehen sollte, um mich vor seinem hervorgebrochenen Wahnsinn in Sicherheit zu bringen. Aber schon wieder und trotz allem hielt mich irgendwas in dieser Dusche fest. Irgendetwas Seltsames trieb mich in die Nähe von Clay Banton. Vielleicht wollte ich hören, was er mir zu sagen hatte, musste erfahren, ob er sich bei mir entschuldigen würde. Womöglich wollte ich dringend wissen, ob ihm sein unangemessener Gewaltausbruch und seine gemeine Hasstirade leidtaten.
Doch zu meinem Leidwesen sah es im Moment überhaupt nicht danach aus, ganz im Gegenteil. Herr Banton trat unverändert ziellos mit seinen Füßen nach mir. Erfüllt von Zorn schrie er herum und tötete mich mit seinem brennenden, wirren Blick, der mich scheinbar gar nicht richtig wahrnahm. Nach Luft schnappend kläffte er abgehackt: „Scheiße, verdammt! Du solltest... verflucht! Ich wollte nur... shit...du... hättest es... Fuck!" Der Mann war vollkommen aufgelöst, was ich mir nicht erklären konnte. Aber seine Stimme wurde leiser, denn sein heftiger Orgasmus hatte ihn erschöpft. Seine Kraft war aufgebraucht. Letztendlich verstummte er. Auch das sinnlose Strampeln und irre Herumwinden hörte endlich auf. Schwer atmend lag der arme Kerl angelehnt in der Ecke seiner Dusche, nackt und nass. Als wäre zusammen mit seinem sexuellen Höhepunkt alles Leben und jegliche Energie aus ihm gewichen, schaute er mich plötzlich ratlos und panisch an, mit unruhig flatternden Augenlidern und völlig konfusem Gesichtsausdruck. Ich bekam den verblüffenden Eindruck, als würde Clay mich schlagartig wiedererkennen. Als würde er nach einer Zeit der totalen mentalen Abwesenheit meine Anwesenheit abrupt zweifelsfrei realisieren.
Mit einem Gefühl zwischen Faszination, grenzenlosem Entsetzen und Erleichterung beobachtete ich seine erneute Mutation. Nervös drückte ich mich in die entgegengesetzte Ecke der Kabine, so weit von ihm weg, wie es möglich war, und zog vorsichtshalber schützend meine Beine heran. Ich hatte keine Ahnung, wie er jetzt reagieren würde und studierte ihn achtsam. Clay Banton war auf einmal mindestens so erschrocken wie ich über seine eigene aggressive Reaktion, seinen vollständigen Kontrollverlust während seines sexuellen Höhepunktes. So wirkte er jedenfalls auf mich. Hilflos rieb er sich über die Augen, verzog gequält das Gesicht, stöhnte unbehaglich und wich reuevoll meinem anklagenden Blick aus. Sein eindeutig großes Schuldbewusstsein erleichterte mich mehr, als ich mir eingestehen wollte. Mein Zorn auf ihn legte sich ein bisschen. Er hat das nicht extra gemacht, versuchte ich automatisch, sein Verhalten irgendwie zu entschuldigen. Die immens starken Gefühle haben ihn einfach nur zu stark übermannt. Das kann beim Sex schon mal passieren, dass man dermaßen die Fassung verliert.
Trotzdem war ich enorm gekränkt und beleidigt, denn seine fiesen Bezeichnungen für mich waren von ihm in einem Moment der fehlenden Selbstkontrolle aus den tiefsten Winkeln seiner Seele hervorgeholt und mir voller Verachtung entgegen gebrüllt worden. Und jetzt fragte ich mich natürlich, ob ich nicht womöglich in Wahrheit tatsächlich nur irgendeine blöde Schlampe für ihn war, die er im Grunde abgrundtief hasste. Außerdem hatte er mir mit seinem brutalen Zerren an meinem Haar sehr wehgetan. Der Mann hatte mich unglaublich rücksichtslos und respektlos behandelt, und das fand ich schlicht unentschuldbar.
Eine gefühlte Ewigkeit herrschte eisiges Schweigen zwischen Clay Banton und mir. Unverändert saß ich auf dem nassen Marmor, die Arme schützend um die Beine geschlungen, und bewegte mich nicht. Er lag lang ausgestreckt in der Ecke auf dem Boden, den Rücken an die Wand gelehnt, als hätte ihn jemand achtlos dort hingeworfen. Clay rang noch immer nach Luft, sein breiter Brustkorb hob und senkte sich sichtbar, seine Arme und Beine zitterten. Er sah mich nicht an und wirkte auf mich, als würde er meinem Blick bewusst ausweichen. Er brauchte eine überraschend lange Zeit, um nach seinem offenbar gewaltigen Orgasmus wieder zu Atem zu kommen, sich zu beruhigen und seinen aggressiven Kontrollverlust irgendwie zu verarbeiten. Starr konzentrierte er sich derweil auf die Fugen zwischen den Marmorkacheln an den Wänden.
Während ich ihn in einer Tour sehr aufmerksam beobachtete, versuchte ich hilflos und aufgewühlt zu erraten, was genau überhaupt gerade mit ihm passiert war und was jetzt, unmittelbar danach, in ihm vorging. Sein seltsamer, total beängstigender Wutanfall war mir ein einziges, befremdliches und enorm unerfreuliches Rätsel. Ich hatte diesem bisher so zärtlichen und gutmütigen Mann mit meinem ersten Blowjob doch nur Entspannung und umfassendes Wohlbefinden schenken wollen. Aber stattdessen hatte ich den großen, attraktiven Menschen lediglich extrem zornig gemacht. Hatte ich mich beim Blasen seines wohlgeformten Schwanzes denn wirklich so dumm angestellt? Hatte ich ihm womöglich irgendwie wehgetan oder ihn beschämt? Aber es hatte ihm doch gefallen, sonst hätte er doch zum Schluss sicher nicht so heftig abgespritzt, oder?
Clay Banton hatte dabei tatsächlich die Gewalt über sich verloren. Er war so aggressiv und erfüllt von existenzieller Wut auf mich losgegangen, wie ich es noch vor wenigen Minuten niemals für möglich gehalten hätte. Dieser labile Mensch war eindeutig extrem unbeherrscht. Und er trug starke, enorm negative Gefühle in sich, die er nur oberflächlich unter Kontrolle hatte. Der starke Mann war womöglich sogar tatsächlich gefährlich und psychotisch. Diese Vermutung machte mir große Angst. Warum ist dieser feinfühlige und kreative Kerl tief drinnen nur so abgrundtief zornig, fragte ich mich deprimiert und verständnislos. Und warum hatte er seine ungezügelte Wut ausgerechnet an mir ausgelassen, noch dazu in einem so intimen Moment zwischen uns, wo ich doch seit meiner Rache vor zwei Tagen nur noch ausgesprochen lieb zu ihm gewesen war?
Obwohl ich ernsthaft darüber nachgrübelte, fand ich letzten Endes nur eine einzige Erklärung für seine Feindseligkeit: Offenbar hatte Banton mir meine brutale Rache an ihm in Wahrheit nicht verziehen, obwohl er mir genau das immer wieder deutlich versichert hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich mit diesem Wissen ihm gegenüber nun verhalten sollte und betrachtete ihn unschlüssig. Verdammt, seine nackte, wohlproportionierte Gestalt war noch immer wunderschön! Wie so oft glaubte ich, ungewollt fasziniert, ihm seine offenen Emotionen kinderleicht ansehen zu können. Jetzt, unmittelbar nach seinem kräftigen sexuellen Höhepunkt, war Clay extrem erschrocken über sich selbst. Er wirkte maßlos verwirrt, war zweifellos schockiert, atmete fast unverändert schwer und wusste nicht mehr weiter. Wie in Zeitlupe zog er seine langen Beine heran und umschloss sie schützend mit seinen Armen, ohne mich anzusehen. Sein Blick verweilte reglos auf den Kacheln, aber es sah nicht so aus, als würde er seine Umgebung auch nur wahrnehmen. Herr Banton war hilflos und darum vollständig in sich selbst versunken.
Das angenehm temperierte Wasser machte keine Pause, sondern rieselte weiter von allen Seiten her auf unsere unverhüllten Körper. Als wäre überhaupt nichts Schlimmes zwischen uns passiert. Das bleierne Schweigen war aber sehr unangenehm. Die Stille war vollgestopft mit meiner riesengroßen Enttäuschung und neu entstandener Angst und Wut. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, denn ich fürchtete, ihn noch mehr zu verärgern. Der unberechenbare Mann war gerade so unglaublich aggressiv, gemein und gewalttätig gewesen, dass ich seine Stimmung oder Meinung von mir jetzt gar nicht mehr einschätzen konnte. Zwar glaubte ich, ihm seine derzeitig schockierte und ratlose Verwirrung anzusehen, aber vielleicht lag ich damit ja auch völlig falsch, und ich wollte kein Risiko mehr eingehen. Misstrauisch beäugte ich ihn und versuchte abzuschätzen, was um alles in der Welt mit ihm passiert war. Aber ich hatte keinen blassen Schimmer, und er ignorierte mich total.
Letztendlich ertrug ich jedoch das bleischwere Schweigen nicht länger. Entweder musste ich sofort aufstehen und ihn, seine Luxusdusche sowie die ganze riesengroße Wohnung auf dem schnellsten Wege verlassen, oder ich musste endlich mit ihm sprechen. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, denn eine laute Stimme in meinem Kopf riet mir dringend, den verrückten Mann in seinem Irrsinn schnellstmöglich allein zu lassen und mich in Sicherheit zu bringen, solange ich noch die Chance dazu hatte. Unschlüssig saß ich dort und musterte ihn eingehend. Und je länger ich ihn prüfend studierte, umso klarer wurde mir, dass dieser Mensch, der da wie ein Häufchen Elend zusammengekauert in der Ecke seiner Duschkabine hockte, keine Aggressionen mehr in sich trug. Der junge Mann, dessen isländischer Vater ein sanfter, liebevoller Naturgeist war, hatte nichts Gewalttätiges mehr an sich. Er hatte sich vollständig in sich selbst zurückgezogen, weil er von seinen eigenen Trieben und starken Gelüsten überrascht und besiegt worden war. Und jetzt wusste er nicht, wie er damit umgehen sollte. Er war total hilflos und wirkte unglaublich einsam auf mich.
Mit klopfendem Herzen fiel mir ein, wie drängend Clay mich erst vor kurzer Zeit angefleht hatte, ihn doch bitte nicht zu verlassen, ihn bitte nicht allein zu lassen, weil er das Alleinsein nicht ertragen konnte. Ich weiß nicht, wie der bezaubernde, rätselhafte Typ das machte. Höchstwahrscheinlich besaß der einzigartige, seltsame Mann von der nordischen Insel tatsächlich Zauberkräfte. Er hatte mich wohl wahrhaftig verhext. Jedenfalls verwandelten sich meine große Wut und Enttäuschung zunehmend in Mitgefühl für ihn, je länger ich ihn anschaute. Bis ich schließlich entgegen der laut warnenden Stimme in meinem Kopf beschloss, ihm noch eine allerletzte Chance zu geben.
Kurzerhand gab ich mir einen Ruck, holte tief Luft und räusperte mich nervös. „Warum hast du das gemacht, Clay?" fragte ich ihn leise und betont sanft, während ich ihn wachsam im Auge behielt. Ich hoffte, aus meiner Frage jeden Tonfall der Anklage verbannt zu haben, obwohl ich ihm seinen gemeinen, schmerzhaften Ausraster sehr wohl übel nahm, und zwar völlig zu recht, wie ich fand. Meine Stimme hörte sich trocken und krächzend an. Mit vor Anspannung hämmerndem Herzen wartete ich auf seine unvorhersehbare Reaktion. Ich wünschte, er würde endlich das Wasser abstellen, dachte ich leicht genervt, mir ist inzwischen viel zu warm und meine arme Haut ist schon total durchgeweicht. Aber Herr Banton reagierte kein bisschen auf mich. Er war mental überhaupt nicht anwesend. Als hätte er mich nicht gehört, stierte er nur weiter reglos die Wand an, als würde er pausenlos stumm die Fugen zählen.
Noch einmal räusperte ich mich, diesmal kräftiger. „Warum hast du das gemacht, Clay?" wiederholte ich um einiges lauter und fixierte ihn streng. Er strapazierte meine ohnehin nur schwer aufgebrachte Geduld. Erleichtert registrierte ist, dass endlich das Leben in ihn zurückkehrte. Zögernd regte er sich, als würde er nur ungern aus einem tiefen Traum erwachen. Langsam drehte er den Kopf in meine Richtung. Viel zu lange schaute er mich einfach nur schweigend an. Sein unheilvoller Blick veränderte sich dabei. Seine dunklen, grün-braunen Augen klarten sich halbwegs auf, als er mich endlich richtig identifizierte. Der wankelmütige Mann atmete unverändert zu schwer. Unzufrieden zog er die Augenbrauen zusammen. Sein Gesicht drückte plötzlich aufs Neue Wut aus, und mein Herzschlag hämmerte mir in den Ohren, weil meine Furcht, doch noch von ihm tätlich angegriffen zu werden, rapide anstieg. Höchst angespannt war ich darauf gefasst, sofort aufzuspringen und aus der Kabine zu flüchten, falls der Mann zornig auf mich losgehen würde.
„Was sollte der gemeine Mist vorhin, Clay Banton?" fragte ich ihn ärgerlich, diesmal bewusst anklagend, denn meine Geduld war eigentlich schon am Ende. Wachsam taxierte ich ihn, absolut bereit, mich im Notfall jederzeit gegen ihn zu wehren. Clay seufzte leise, setzte sich aufrecht hin und erwiderte meinen Blick mit spürbar wachsender Frustration. Seine schmalen Augen blitzten verhängnisvoll, als er Luft holte. „Fuck, Kim! Warum hast du nicht... ich... wollte doch nur.. du hättest es einfach... schlucken sollen... ich konnte nicht..." Er war verwirrt, deshalb geriet er ins Stottern und das frustrierte ihn noch mehr. Ich gewann den Eindruck, als wäre ihm diese Sache jetzt im Nachhinein sehr peinlich. Spinnt der total, dachte ich verständnislos und geringschätzig, rastet dermaßen aus, nur weil ich sein scheiß ekliges Sperma nicht geschluckt habe?! Mit dem stimmt doch ganz gewaltig was nicht!
„Das war Scheiße!" fauchte Clay plötzlich unfreundlich, „Das war... totale Scheiße... verdammt!" Er ballte seine rechte Hand zur Faust und schlug ein paarmal gegen die marmorne Wand der Dusche. Mit gehässiger Genugtuung sah ich ihm an, wie weh ihm das tat. Trotzdem schlug er noch zweimal zu, bis er den Arm wieder senkte, die Finger weiterhin geknickt. Ich verstand seine sinnlose Wut nicht. Sein ständiges, niveauloses Fluchen ging mir auf die Nerven und ich hatte Angst vor seiner ungezügelten Aggressivität. Aber ich wollte mir vor ihm nichts anmerken lassen. Also grinste ich betont spöttisch, sah ihm fest in die Augen und holte Luft. „Ach, das tut mir aber leid, Clay, dass es für dich so Scheiße war. Ich habe mir nämlich ehrlich Mühe gegeben. Und eigentlich hatte ich auch den Eindruck, dass du zum Schluss ganz schön heftig gekommen bist, oder!? Also kann ich ja gar nicht so Scheiße gewesen sein, nicht wahr?" Meine Stimme triefte vor Hohn, obwohl mein Herz vor Schmerz und Furcht unruhig klopfte. Ich gab mich viel selbstbewusster, als ich mich in Wahrheit fühlte. Aber ich wollte mich von ihm nicht einschüchtern lassen, obwohl er das mit seinen unkontrollierten Gefühlsausbrüchen kinderleicht schaffte.
Jetzt zog er die Augenbrauen noch weiter zusammen und musterte mich verblüfft. Als hätte er mich nicht richtig verstanden, oder als hätte ich irgendwas Merkwürdiges zu ihm gesagt. Er änderte seine Sitzposition und wandte sich mir aufhorchend ganz zu, als könnte er sich auf diese Art besser auf mich konzentrieren. Seine erstaunte, ratlose Reaktion nervte mich ungemein. „Es stimmt ja wohl, dass du so richtig feste abgespritzt hast, oder?" konnte ich mir nicht verkneifen, mit spitzer Stimme zu betonen. Clay ächzte leise, als hätte ich ihn mit meinen Worten getroffen, und rieb sich mit den Fingern hilflos über die Augen. Schon wieder versteckte er sich mit dieser Geste vor mir, als würde ich ihn in Verlegenheit bringen, was ich nicht zuordnen konnte. Bisher war ihm doch seine eigene Sexualität noch nie unangenehm oder peinlich gewesen! Was sollte dieser Unsinn bedeuten?
Ich ärgerte mich, weil der verwirrte Mann mir zunehmend leidtat. Ich wollte ihn nicht so leicht davonkommen lassen. Dazu war sein aggressiver Angriff auf mich definitiv zu schlimm und schmerzhaft gewesen. „Erkläre mir doch bitte, was los ist, Clay!" forderte ich ihn seufzend auf, „Was ist denn da vorhin bloß mit dir passiert?" Meine Stimme hörte sich hilflos und verzweifelt an. Das bereute ich sofort, deshalb setzte ich schnell spöttisch hinzu: „Offenbar kannst du mit Blowjobs nicht gut umgehen, was? Du hast mich total respektlos behandelt! Das finde ich auch ganz schön Scheiße von dir, weißt du?!" Böse taxierte ich ihn und wartete auf seine Entschuldigung.
Clay rieb sich fahrig über die Augen und erwiderte tapfer meinen anklagenden Blick. Unzufrieden schüttelte er den Kopf. Sein hübsches Gesicht sah gequält aus. „Nein... das ist nicht... ich... darum geht's nicht...", stammelte er abwehrend. Abfällig lachte ich laut auf. „Doch, Herr Banton! Ganz genau darum geht es jetzt! Du hast mich wie Dreck behandelt! Obwohl ich dir nur etwas Gutes tun wollte! Wenn dir mein Blowjob nicht gefallen hat, dann hättest du mir das auch einfach sagen können, verdammt! Du musstest mir nicht gleich meine Haare ausreißen!" Die prompte Erinnerung daran, mit wie viel Hass und Zorn er mich erniedrigt hatte, tat mir unverändert weh, aber ich wollte ihm diese Genugtuung nicht geben. Energisch riss ich mich zusammen und tötete ihn stattdessen mit meinem Blick, den er irritiert auffing. Clay wirkte völlig ratlos, wie vor den Kopf geschlagen. Als könnte er sich kaum noch an das Geschehene erinnern. Seine verdutzte Reaktion machte mich rasend, denn diese Amnesie nahm ich ihm nun wirklich nicht ab.
„Jetzt tu bloß nicht so, als könntest du dich nicht mehr daran erinnern, was du gemacht hast!" schrie ich ihn wütend an, bevor ich mich bremsen konnte. Clay Banton zuckte erschrocken zusammen, schüttelte noch immer fassungslos den Kopf und hob abwehrend die Hände. „Nein... ich... das meine ich nicht... das... ist nicht das, was ich..." Verunsichert brach er ab, als mein zorniger Blick ihn aufspießte. Eilig holte er Luft und betonte: „Nein... das... Dein Blowjob war wirklich geil, Kim. Du warst... der Wahnsinn... Ich... bin schon verflucht lange nicht mehr... so gekommen... so... extrem... ich... Als du dabei... deine Hand auf meinen Bauch gelegt hast... das war... ich bin echt total... das war sphärisch... du... hast mich total gekillt... ehrlich!" bemühte er sich niedlich stammelnd, mich zu besänftigen. Seine Irritation und Hilflosigkeit rührte mich stärker, als mir in dieser Situation lieb war. Seine stockenden Worte schmeichelten mir, denn ich glaubte ihm jedes Wort. Zweifellos hatte es ihm gefallen, zu eindeutig waren seine direkten Reaktionen auf meine Zärtlichkeiten gewesen. Das hatte er mir nicht alles vorspielen können, und ich konnte mir auch gar nicht vorstellen, dass er so etwas beim Sex jemals tat. Dem anderen etwas vorzuspielen, wäre ihm sicherlich nie in den Sinn gekommen. Seine körperlichen Auswirkungen waren absolut echt und unverfälscht gewesen. Außerdem hatten sie in einem eruptiven Samenerguss gegipfelt, den er mir keineswegs hätte vortäuschen können.
Nein, er hatte seinen Spaß gehabt, als ich ihm einen geblasen hatte, und ich hatte mich noch nicht mal besonders dumm dabei angestellt. Wo also lag sein verdammtes Problem? Warum war er beim Höhepunkt plötzlich dermaßen ausgeklinkt, wenn ihm doch der erfreulich lange Weg dorthin nichts als Vergnügen bereitet hatte? „Dann verstehe ich dich nicht, Banton!" klagte ich lauthals mit böse urteilendem Blick, „Du hast mich total gedemütigt und mir fast die Haare ausgerissen, du Arsch! Das war echt das Letzte!" Zu meinem Schrecken verdüsterte sich seine Miene. Trotzig starrte er mich an und atmete unverändert zu schwer. Jetzt beide Hände zu Fäusten geballt, klopfte er unruhig, wie beiläufig neben sich auf den nassen Boden. Es war offensichtlich, dass er lieber auf irgendwas einprügeln wollte, und ich hatte Angst, dass eventuell ich sein Ziel werden würde. Gleichzeitig mahnte ich mich zur Ruhe, weil er das bestimmt nicht tun würde, redete ich mir beharrlich ein. Clay Banton würde mich auf gar keinen Fall verprügeln! Trotzdem war ich nahe daran aufzustehen und ihn allein zu lassen. Denn ich hatte gar keine Lust mehr, mich mit ihm auseinanderzusetzen, wenn er so uneinsichtig war.
„Nein... so war das nicht... ich wollte das nicht... ich konnte nicht... du... warst nicht gemeint!" versuchte er mir ernsthaft weiszumachen. Höhnisch blies ich Luft aus. „Was soll das denn heißen?" entfuhr es mir entrüstet. „Ich... habe nicht dich gemeint, Kim-ber-ly!" wiederholte er aufmüpfig und wich genervt stöhnend meinem beleidigten Blick aus. Perplex fixierte ich ihn. Mit dieser Aussage konnte ich nichts anfangen. Das war doch totaler Quatsch! Und auch sein Kim-ber-ly konnte ihn jetzt nicht mehr retten. Wen bitteschön sollte der Typ beim Blowjob denn wohl sonst meinen, als genau die Frau, die gerade vor ihm kniete und ihn bediente? „Schwachsinn!" blaffte ich verärgert und verständnislos, „Das ist ja wohl die dümmste Ausrede, die dir einfallen konnte!" Sein Kopf fuhr aufgescheucht zu mir herum, seine Augen verengten sich vor Widerwillen und Wut. Mein Herz fing wieder an zu hämmern, und meine Angst vor einem Angriff steigerte sich. Ich sollte jetzt gehen, dachte ich nicht zum ersten Mal, es wird langsam wirklich Zeit, dass ich aus dieser verdammten Dusche komme und den verrückten Mann hier sitzenlasse. Offensichtlich wollte der sture Arsch sich noch nicht einmal bei mir entschuldigen, sondern erfand nur irgendwelchen kompletten Blödsinn!
„Du hast mir fast die Haare ausgerissen! Du hast mich mit deiner Wichse als minderwertig markiert! Das war total unverschämt von dir!" brüllte ich ihn zornentbrannt an, weil ich mich nicht mehr zurückhalten konnte. Clays Weigerung zur Einsicht enttäuschte mich mehr, als ich verarbeiten konnte. Ich war mir nicht mehr sicher, ob er die Chance, die ich ihm hier gerade gutmütig gab, überhaupt verdient hatte. Mein Blick fiel zur Glastür und ich überlegte ernsthaft, aufzustehen und das Weite zu suchen. „Fuck, nein! Verdammt, so war das gar nicht! Shit, Kim! Ich wollte das nicht... ich konnte nicht... du hast mich... total...", regte Clay sich hektisch auf. Er schien dermaßen verwirrt und aufgebracht zu sein, dass seine Gedanken in seinem Kopf offenbar schneller herumwirbelten, als er sie einfangen und zu Worten bilden konnte. Das schien ihn unglaublich zu frustrieren, weil er sich mit seinem Stammeln irgendwie lächerlich machte und das bestimmt gar nicht wollte.
Tief atmete er ein paarmal durch, knurrte wütend, verzweifelt, und richtete sich plötzlich mit einem Ruck auf. Clay wollte wohl damit, dass er sich körperlich größer machte, seiner Stimme, die ihm in seiner Aufregung nicht recht gehorchen wollte, mehr Ausdruck verleihen. Der Mann bewegte sich auf seinen Knien rutschend energisch in meine Richtung, ohne mich aus den Augen zu lassen. Erschrocken starrte ich ihn an und beobachtete ihn alarmiert. Die Duschkabine war zwar relativ groß, trotzdem konnte ich ihm hier drin nicht wirkungsvoll ausweichen. Es beunruhigte mich enorm, dass er auf einmal auf mich zukam, als wollte er seine Körperkraft gegen mich einsetzen, weil seine nervöse Stimme ihm versagte. In Erwartung von Schlägen oder anderen Gewalttätigkeiten drückte ich meinen Rücken enger an die Glaswand und hob intuitiv abwehrend die Arme. Als er meine Abwehrhaltung registrierte, stoppte er sofort und glotzte mich nur noch verdattert an. Er kann sich meine Angst nicht erklären, merkte ich fassungslos, Banton hat tatsächlich keine Ahnung, warum ich ihn jetzt fürchte, obwohl er gerade doch total brutal zu mir war!
Eine Weile starrten wir uns beide verblüfft an. Bis auf das Rieseln des Wassers war es ganz still. Ich bemerkte innerlich amüsiert, dass Clays Blick sich mit der Zeit auf meinen Busen heftete. Verdammt, wie schön er doch ist, fuhr es mir schwärmerisch durch den Sinn, ohne dass ich es verhindern konnte. Was für einen perfekt definierten Körper er doch hat! Clays nackter, nasser Leib fesselte mich abermals ganz von allein, je länger ich ihn von Nahem betrachtete. Gegen sein enormes Charisma war ich vollkommen machtlos und resignierte daher schnell. Er würde mich niemals schlagen, war ich mir mit einem Mal wieder ganz sicher, so ein Mann ist er einfach nicht. Vertrauensvoll ließ ich meine Arme sinken, hockte einfach so dort und schaute ihn an. Völlig autonom glitten meine neugierigen Augen langsam an ihm herunter, über seinen Hals, seine breite Brust und den Bauch zu seinem beschnittenen Schwanz hin, der jetzt wieder schlapp herunterhing, aber immer noch einnehmend hübsch war. Mir fiel auf, dass seine Hoden sich wegen der Wärme von seinem Unterleib entfernt hatten und tief in seinem Sack lagen.
Als Clay meinen prüfenden, ziemlich indiskret verweilenden Blick bemerkte, stöhnte er genervt laut auf. Sofort setzte er sich schützend auf seine Fersen und legte demonstrativ die Hände in den Schoß, um seine Weichteile vor meinen verschlingenden Augen zu bewahren. Verdutzt schaute ich in sein Gesicht, und seine dunklen Augen funkelten vor Wut. Er schämt sich vor mir, dämmerte mir, und ich glaubte, meinen Sinnen nicht trauen zu können. Weil Clay Banton mir noch vor sehr kurzer Zeit glaubhaft versichert hatte, wie sehr es ihm gefallen würde, wenn ich ihn auf diese höchst intime Art ansah. Dieser Mann hatte sich definitiv noch niemals vor mir geschämt, ganz im Gegenteil. Es törnte ihn an, mir seinen Penis zu zeigen, es erregte ihn, wenn ich ihn eingehend betrachtete und davon angemacht wurde.
Aber jetzt schien alles anders zu sein. Etwas Grundlegendes hatte sich für ihn verändert. Irgendetwas war während meines Blowjobs mit ihm passiert, was ich nicht verstehen konnte, weil ich ihn dafür einfach nicht gut genug kannte. Ich wusste zu wenig über ihn, seine Lebensgeschichte oder darüber, was er heute erlebt hatte, um seine Verfassung richtig einschätzen zu können. Und es sah nicht so aus, als ob Clay mir in nächster Zukunft irgendetwas darüber erzählen wollte. Denn jetzt war er wieder zornig, spürbar angepisst wegen meiner Indiskretion und meiner Anklage, die er so nicht gelten lassen konnte. Und das nervte mich wiederum ziemlich, denn ich wartete noch immer auf mindestens seine ehrliche Entschuldigung.
Plötzlich fauchte Clay frustriert los. Er schrie nahezu vor Zorn, sodass ich verschreckt zusammenzuckte. Ich hätte ihm keinen blasen dürfen, bereute ich aus tiefstem Herzen, das war wahrhaftig ein verhängnisvoller Fehler. Das war eine total schlechte Idee! Ich hätte sein wiederholtes Zögern und seine Warnungen ernst nehmen und es einfach sein lassen sollen! Aber für eine Einsicht und meine Reue war es in diesem Moment leider viel zu spät.
„Fuck! Ich wollte das nicht, Kimberly!" schrie Clay und durchbohrte mich abermals mit seinem hasserfüllten Blick, „Das war... totale Scheiße... ich... wollte doch nicht, dass du... Shit! Ich... konnte gar nicht... Du warst das!... du hast mich total..." Der mega verwirrte, hochgradig nervöse und maßlos aufgeregte Mann geriet ein weiteres Mal ins Stottern und wurde darüber noch wütender. Sein Blick wurde wirr, als er mich feindselig fixierte. „Du hast mich total... gekillt... überrumpelt... ich konnte das nicht mehr stoppen... es ist einfach fucking passiert!... aber... ich wollte nicht, das...", setzte er nochmal viel zu aggressiv an, hörte aber entnervt wieder auf, weil er seine wild rasenden Gedanken schlicht nicht einfangen konnte. „Du verstehst das nicht!" brüllte er mich stattdessen wutentbrannt an, als wäre das, was er getan hatte, ganz allein meine Schuld gewesen. Das wollte ich nun überhaupt nicht einsehen, denn schließlich hatte er seinen eigentlich unverzeihlichen Aussetzer gehabt, und nicht ich! Gut, er hatte gerade in diesem Moment ejakuliert, aber das konnte trotzdem keine Entschuldigung für seinen Hass und seine Brutalität sein!
„Nein, ich verstehe dich nicht, Clay!" gab ich unumwunden zu und erwiderte tapfer seinen vernichtenden Blick, „Und ich kann das auch nicht verstehen, solange du es mir nicht endlich erklärst!" Unmissverständlich auffordernd schaute ich ihn an, in Erwartung einfach irgendeiner einleuchtenden Erklärung von ihm. Aber ich wartete vergeblich, denn von ihm kam gar nichts. Im Gegenteil, er zuckte vor mir zurück und seine Augen wurden nur immer zorniger und verschlossener. Deshalb forderte ich ihn nochmal ganz direkt auf: „Bitte, Clay! Erkläre es mir doch bitte wenigstens! Ich möchte dich wirklich gerne verstehen! Probiere es doch einfach mal, okay?" Innerlich gab ich mir einen Ruck und versuchte sogar ein aufmunterndes Lächeln. Seine spürbar konfuse Erregung und Verwirrung rührten mich, und ich wollte ihm, so weit ich es konnte, entgegenkommen. Obwohl mich seine trotzige Sturheit ärgerte und sehr enttäuschte. Ich hatte noch keine einzige Entschuldigung von ihm gehört, nur immer wieder den lahmen Spruch, dass er es nicht gewollt hätte. Das war mir entschieden zu wenig, denn seine gemeine Tat und die fiesen Beschimpfungen erforderten nach meinem Empfinden viel mehr, damit ich ihm auch nur halbwegs vergeben konnte.
Aber noch einmal reagierte der von mir insgeheim so innig geliebte Mann überhaupt nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte, nicht mal annähernd. Erstaunt und verängstigt musste ich miterleben, wie seine trüben Augen sich noch weiter verdunkelten. Als würden seine pechschwarzen Pupillen sich auf einmal extrem erweitern und die farbige Iris komplett verdrängen. Plötzlich riss Clay Banton seine schönen Augen weit auf, als ob er abrupt in Panik geraten würde. „Ich erkläre dir gar nichts! Das ist nicht meine Schuld!" kreischte er entsetzt los und schüttelte so entschieden den Kopf, dass er fast das Gleichgewicht verlor, obwohl er noch immer auf seinen Fersen hockte. Er hob den Arm, um anklagend auf mich zu zeigen, und ich bekam den beunruhigenden Eindruck, als ob er mich mit einem Mal nicht mehr richtig realisierte. Irgendwas anderes hatte sich anscheinend in seine ohnehin von Drogen beduselte Wahrnehmung geschlichen, eine undefinierbare Bedrohung, die nur er allein sehen konnte.
„Clay!? Was ist denn?" rief ich fragend, aber er unterbrach mich ruppig und lautstark: „Halt's Maul, Kimberly! Ich hatte dich gewarnt!" Darauf wusste ich nichts zu erwidern, denn seine erneute Unfreundlichkeit tat mir so weh, dass ich hart daran schlucken musste. Seine unverhüllten Aggressionen schüchterten mich nach wie vor ein. Also saß ich nur dort und schaute ihn traurig an. Seine Wut steigerte sich noch, als er hastig und fahrig versuchte, irgendwie auf die Beine zu kommen, und es ihm nicht sofort gelingen wollte. „Ich hatte dich vorher gewarnt, Kim! Ich hatte dich verfickt noch mal gewarnt!" wiederholte Clay mit schriller Stimme, eindeutig wirr, ohne mich dabei anzusehen. Er keuchte, weil die unermüdlichen Versuche aufzustehen ihn anstrengten. Der ansehnliche, unbekleidete Mann kroch und taumelte planlos in der Kabine herum, ohne irgendwo Halt zu finden.
Plötzlich hat er große Angst, kapierte ich vollkommen verwirrt, während ich seine kopflosen Bemühungen hilflos und verblüfft beobachtete. Clay Banton musste dringend vor irgendwas flüchten, was offenkundig nur in seinem Kopf existierte. Diese unerwartete Erkenntnis tat mir enorm weh, denn ich bekam den traurigen Eindruck, dass dieser sanftmütige Mensch, den ich doch tief drinnen unverändert abgöttisch liebte, in Wahrheit sehr krank war. Ich muss hier raus, dachte ich erschüttert und stand hastig auf, um die Dusche und den Mann auf dem schnellsten Wege zu verlassen.
In diesem Moment schaffte auch Clay es mit Hilfe der Armaturen, an denen er sich hochziehen konnte, auf die wackeligen Beine. Schwankend drehte er sich herum, machte einen aggressiven Schritt auf mich zu und deutete noch einmal mit ausgestrecktem Finger auf mich. „Ich muss das nicht tun, Kim!" stellte er zornig, mit weit aufgerissenen Augen klar und tötete mich mit seinem irre diffusen Blick, „Ich muss das nicht mehr tun! Ich bin nicht länger eure Schlampe! Ich bin jetzt keine scheiß verfickte Schlampe mehr!" Den letzten Satz brüllte er heraus, spürbar übervoll mit tief sitzendem Abscheu und voller existenzieller Kränkung. „Clay... nein! Nicht doch!" erwiderte ich völlig rat- und hilflos, als er sich auch schon energisch von mir abwandte. Hektisch riss er die Glastür der Duschkabine weit auf und taumelte überstürzt, völlig haltlos hinaus. Er hatte es in seiner grundlosen Panik so eilig, dass er über seine eigenen Füße stolperte. Laut schreiend und hässlich fluchend knallte er der Länge nach auf seinen steinharten Marmorboden und blieb vor Schmerz ächzend liegen. Aber nur eine Minute später rappelte er sich auch schon wieder hoch, kroch hastig auf die Beine, suchte mit wirrem Blick den Ausgang, steuerte auf die Tür zu, riss sie auf und flüchtete schreiend vor mir und den Bildern in seinem Kopf aus seinem wunderschönen Badezimmer.
Ich stand allein in der Kabine im warmen Wasserstrahl und schaute ihm traurig hinterher. Mir war wahrlich nicht zum Lachen zumute, denn ich war so erschrocken, verwirrt und innerlich aufgewühlt, wie noch nie in meinem ganzen bisherigen Leben. Meine Wut auf Herrn Banton war zweifellos berechtigt gewesen, denn er hatte mich sehr respektlos behandelt und mir ziemlich wehgetan. Aber was hatte ich denn mit ihm gemacht?! Vor gerade mal zwei Tagen hatte ich ihn von meinen Freunden brutal zusammenschlagen lassen! Und zwar aus dem einzigen Grund, weil er mir Angst gemacht und meine Ehre angeknackst hatte. Die sichtbaren Wunden meiner unfairen, extrem gewalttätigen Rache trug Clay noch immer überall auf seinem schönen Körper verteilt. Und sie würden ihm zweifellos auch noch mindestens ein paar Wochen erhalten bleiben. Auch meine Reue konnte daran nichts ändern.
Jedoch – innerlich war Clay Banton schon sehr viel früher und noch sehr viel schwerer verletzt worden, das wurde mir langsam immer klarer. Seine zweifellos sensible Seele hatte irgendwann in seinem Leben einen ganz enormen Schaden erlitten, den er bis heute nicht überwunden hatte. Womöglich würde er sein Trauma niemals überwinden. Vielleicht waren seine psychischen Wunden so schwerwiegend, dass man sie gar nicht mehr heilen konnte. Für seinen Angriff auf mich in der Dusche hatte der Mann einen sehr viel verständlicheren Grund gehabt, als ich für meine kindische Rache an ihm. Es war wahrhaftig nicht seine Schuld gewesen, und er hatte auch tatsächlich nicht mich gemeint. Im Gegensatz zu mir am Samstag, hatte er das vorhin nicht gewollt. Es war eine unwillkürliche und gänzlich ungesteuerte Reaktion auf irgendeinen Auslöser gewesen. Eine grausame, psychologische Spätfolge des sexuellen Missbrauchs, den Clay irgendwann in seinem jungen Leben hatte erleiden müssen.
Mein Verstehen sickerte nur langsam in mich ein, nur zögernd konnte ich dieses entsetzliche Verbrechen an Clay akzeptieren. Und es zerriss mir das Herz auf eine dermaßen schmerzvolle Art und Weise, wie ich es vorher definitiv noch nie erlebt hatte. Mit so etwas hatte ich im Leben nicht gerechnet. Ich fühlte mich dumm, ahnungslos und unvorbereitet. Dieser schrecklichen Realität war ich schutzlos ausgeliefert, denn ich hatte noch nie auch nur entfernt etwas damit zu tun gehabt. Das war alles vollkommen neu für mich.
Clay
War ja klar, dass der verfluchte Tag mir letzten Endes in einer gewaltigen, nicht zu verhindernden und alles zerstörenden Detonation um die Ohren fliegen würde! Diese Katastrophe hatte sich mir schließlich in den letzten Stunden wiederholt und deutlich genug angekündigt. Und als sich dann tatsächlich langsam und unaufhaltsam alles um mich herum aufzulösen begann, ich den Sinn für die Realität verlor und in diesen verdammten Wahnsinn abrutschte, der grundsätzlich in eine mächtige Explosion aus Unbehagen und Wut gipfelte, da war ich noch nicht einmal überrascht.
Immerhin war ich den ganzen verdammten Tag lang aus unterschiedlichen Richtungen böse getriggert worden. Liz hatte mich weggejagt und verlassen. Sean hatte mich geschlagen und vergewaltigt. Beide hatten sich um mich gestritten, als wäre ich ihr willenloses Spielzeug. Ich war zu vielen verschiedenen Menschen begegnet, die mich absichtlich oder unabsichtlich an diese verfluchten Dinge erinnert hatten, an die ich auf gar keinen Fall erinnert werden wollte. Diese scheiß Ereignisse in meinem verfluchten Leben und die dazugehörigen Gefühle, die ich normalerweise aus gutem Grund sorgsam versteckt hielt.
Aber es war passiert, und verfickt nochmal, ich hatte mich erinnert! Ich hatte mich sehr viel deutlicher erinnert, als mir jemals gefallen konnte! Schon wieder war ich ein hilfloses Kind gewesen! Meine Mutter hatte mich einmal mehr mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt, um mir innerhalb von Minuten meinen Vater und mein ganzes bisheriges Leben wegzunehmen. Noch einmal wurde ich dazu gezwungen, diese verdammte Therapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Kanada mitzumachen. Die verflucht schmerzenden Bilder waren in meinem irren Schädel aufgetaucht wie bösartige Giftschlangen, hatten mich getriezt und immer wieder gebissen, meinen Verstand hinterhältig und unabdingbar vergiftet, bis ich schließlich nicht mehr Wahr von Unwahr unterscheiden konnte.
Das alles war nun wirklich nicht neu für mich, und eigentlich hatte ich schon vor langer Zeit gelernt, irgendwie damit zu leben, halbwegs damit klarzukommen. Normalerweise schaffte ich es auch jedes Mal recht gut, die Katastrophe abzuwenden, der Detonation zu entfliehen, indem ich mich fast manisch mit den angenehmen Dingen des Lebens beschäftigte. Indem ich mich erfolgreich mit Drogen und Sex ablenkte, bis die Bilder in meinem Kopf ihre Macht über mich verloren. Auch diesmal hatte ich diesbezüglich alles versucht. Ich hatte verbissen daran gearbeitet, mir irgendwie einen schönen Abend zu basteln. Ich hatte mir ein paar willige Weiber und genügend Rauschmittel besorgt, hatte mich bis zur Bewusstlosigkeit mit beruhigenden Substanzen zugeknallt und mich danach ausschließlich auf den bevorstehenden Sex konzentriert.
Aber irgendwas stimmte nicht, und auch das war mir schon ziemlich früh am Abend klar geworden. Die unerwartete Erkenntnis, dass das Junkiemädchen in mich verliebt war, törnte mich stärker ab, als ich vermutet hatte. Es langweilte mich, wie bewundernd und fasziniert sie mich pausenlos ansah, auch wenn das irgendwie schmeichelhaft war. Sie war aber spürbar so scharf auf mich, dass ich mir keine Mühe mehr geben musste, um sie zum Sex zu überreden. Das ödete mich zunehmend an. Und ich wusste genau, dass es eine schlechte Idee war, sie mit unter die Dusche zu nehmen. Aber verfickt nochmal, sie war so klein und süß, in ihrer unbedarften Jugend so dermaßen wunderschön, und ich sehnte mich so erbärmlich nach Streicheleinheiten, dass ich einfach nicht widerstehen konnte.
Natürlich kam sie sofort mit und willigte ein, mich zu waschen. Sie wickelte mir sogar, hilfsbereit wie sie war, die lästigen Verbände vom Körper. Unter der Dusche mit ihr war es zuerst sehr schön. Das Wasser war angenehm warm und spülte mir prickelnd die Kälte aus den Knochen. Sie war ganz sanft und liebevoll zu mir, wusch den ganzen widerlichen Dreck von meiner Haut, die Valmonts scheiß brutale Vergewaltigung mir hinterlassen hatte. Das fühlte sich wirklich gut und befreiend an. Aber wegen dieser schmerzintensiven Szene im Stadtpark tat mir mein Hintern auf eine Weise weh, die mir extrem peinlich war. Deshalb wollte ich nicht, dass sie mit ihren neugierigen Fingern diesem Bereich meines Körpers zu nahe kam. Ich zuckte vor ihr zurück, als sie mich streichelte, und sie reagierte beschissen entsetzt und besorgt auf meine vielen Einstiche, als sie die entlarvenden roten Punkte schließlich zwangsläufig an meinem Knöchel entdeckte. Auch diese anderen neuen Verletzungen gefielen ihr nicht, die alle von Sean Valmont stammten. Kim fragte scheiß hartnäckig nach ihrer Herkunft, sodass ich mich viel zu deutlich an meine jüngste Niederlage erinnern musste, was echt ätzend war. Die erniedrigenden Bilder in meinem Kopf häuften sich ganz von allein.
Das wurde total unangenehm, also versuchte ich panisch mich abzulenken, so wie ich es in diesen Fällen immer tue. Ich schnappte mir das kleine Mädchen unter dem Vorwand, sie waschen zu wollen, dabei wollte ich ihr nur den hammermäßigsten Orgasmus ihres Lebens verschaffen, was mir dann letztendlich auch recht gut gelang. Fuck, die Süße ging echt ab! Meinen geschickten Fingern waren die versteckten Hautfalten und der magische Zauberpunkt zwischen ihren Beinen höchst vertraut. Routiniert fanden sie die richtigen Stellen und neckten sie auf tausendfach bewährte Art. Kimberlys unmittelbare Reaktion darauf war so gewaltig, dass sie mich mit ihrem verblüffend hemmungslosen Enthusiasmus unwillkürlich ansteckte, sodass ich ziemlich schnell richtig hart wurde, was mich selbst am meisten überraschte. Ich war nämlich so umfassend zugeknallt mit Heroin, dass ich eigentlich in nächster Zeit mit keiner brauchbaren Erektion mehr gerechnet hatte. Es fühlte sich aber geil an, und ich wollte Sex haben, darum hatte ich wahrhaftig nichts dagegen. Außerdem kam es meinem Wunsch, sie baldmöglichst nochmal von hinten zu besteigen, sehr entgegen.
Aber die Frau hatte völlig andere Pläne mit mir und das hätte ich auf gar keinen Fall zulassen dürfen! Verdammt, ich hätte sie früh genug stoppen müssen, denn ich wusste nur zu gut, wie gefährlich es war, mich ihr in dieser Situation auszuliefern. Das hilflose Gefühl, jemandem ausgeliefert zu sein, war definitiv nicht das, was ich in meiner labilen psychischen Verfassung zu dieser Zeit leicht verpacken konnte. Nicht mit diesen Gedanken und dem angehäuften Dreck in meinem verfluchten Schädel. Nein, ich hätte in dieser Nacht, gerade auch beim Sex mit ihr, dringend die Kontrolle behalten müssen. Clay Banton ahnte das nicht nur, er wusste es mit erfahrener Sicherheit!
Aber Shit!, das Weib überwältigte mich so rasend schnell, streichelte meinen Schwanz und meine Eier auf eine Art, die ich nur schwer ignorieren und noch schwerer unterbinden konnte. Ihre vielen kleinen Finger waren ganz zart, vorsichtig tastend, und doch so dermaßen intensiv spürbar, dass ich fast schon am Anfang durchdrehte. Doch dann schockte sie mich plötzlich mit ihrer verfluchten Idee, mir einen blasen zu wollen. Die hinterhältige Maus steckte sich dreist meinen harten Schwanz in den Mund, ohne dass ich davon etwas mitbekommen hatte. Fuck! Im ersten Moment dachte ich total schockiert, sie hätte ihn sich beschissen arglistig unten reingesteckt, weil sie, dämlich blind verliebt wie sie war, ein verdammtes Kind von mir haben wollte. Mann, die killte mich echt! Sie glotzte ziemlich beleidigt, als ich sie ein bisschen deswegen anschnauzte. Dabei wäre es wahrhaftig nicht das erste Mal gewesen, dass eine Frau diesen Mist bei mir versucht hätte. Es gab massig verrückte Weiber auf der Welt, und vielen davon war ich beim Sex begegnet.
Aber die kleine Kimberly war zum Glück nicht so schräg drauf. Sie wollte mir wirklich nur einen blasen, und verdammt, ich stand auf einmal vor der wohl schwersten Entscheidung meines beschissenen Lebens, zumindest des ganzes ellenlangen, komplett missratenen Tages. Mir war absolut sonnenklar, wie gefährlich dieser Scheiß derzeit war, und das ich mich auf gar keinen Fall darauf einlassen durfte. Aber andererseits hatte sie mich mittlerweile mächtig aufgegeilt und nicht nur mein Schwanz sehnte sich enorm danach, auf möglichst entspannte Art mein Sperma hinaus in die Welt zu spritzen.
Naja, versucht habe ich es jedenfalls. Ich habe mich gesträubt, mich irgendwie geziert und wollte ernsthaft meinen hartnäckig warnenden Verstand einschalten. Ich wollte den rot blinkenden und laut schrillenden Alarmanlagen in meinem irren Schädel ehrlich genügend Beachtung schenken. Vielleicht gibt es irgendwo auf der Welt einen Mann, der in dieser Situation vernünftig gehandelt und das überaus verlockende Angebot des wunderhübschen, liebevoll-zärtlichen Junkiemädchens ausgeschlagen hätte. Aber Clay Banton war definitiv nicht dieser Mann.
Letztendlich ließ ich sie natürlich ran. Denn ich war enorm gierig und geil, süchtig und inzwischen förmlich komplett ausgehungert nach guten Gefühlen. Und die Hoffnung, dass wider Erwarten eventuell alles gut gehen würde, stirbt ja bekanntlich zuletzt. Sie kniete sowieso schon so bereit vor mir, dass ich eigentlich gar nichts mehr tun musste, als nur noch zu genießen. Also tat ich das. Und verdammt, die junge, unerfahrene Kimberly stellte sich wahrhaftig nicht schlecht an beim Blasen. Sie fasste mich dabei an den richtigen Stellen an und erhöhte damit meine Empfänglichkeit enorm. Ihr devoter Anblick und ihre unverdorbene, zuckersüße Nacktheit brachten mich fast um. Es steigerte sich trotzdem betäubt bedingt sehr langsam, aber mit der Zeit verschwamm meine Wahrnehmung wie von allein. Mein ganzes Empfinden sammelte sich in meinem Unterleib. Mein höchst empfänglicher Penis schwoll in ihrem süßen, feuchten, engen Mund zu einer Härte und Größe an, wie ich es nicht für möglich gehalten hatte.
Eigentlich hätte alles gut sein sollen. War es aber nicht. Genau, wie ich es schon befürchtet hatte, tauchten während des Blowjobs verstärkt andere Bilder in meinem höchst erregen Kopf auf. Böse Erinnerungen und Gefühle bildeten sich autonom in meinen sexvernebelten Gehirnwindungen, die da zu diesem Zeitpunkt absolut nichts verloren hatten. Die emotionale Dunkelheit konnte mich aber überhaupt nicht mehr überraschen, denn ich hatte sie insgeheim schon längst erwartet. Mir war schon sehr lange klar gewesen, dass genau das passieren würde, sobald ein weiterer scheiß Trigger hinzukommen würde. Womöglich wusste ich es schon vor Stunden, in Elizas Hausflur, als der verflucht zornige, pechschwarze, gefährliche Dämon in mir erwacht war. An diesem Tag war ich definitiv deutlich vorgewarnt worden. Und doch hatte ich die Warnungen unbeachtet gelassen. Einfach weil Clay Banton ein verdammter Vollidiot war, dem gute Gefühle sehr viel wichtiger waren, als irgendwelche klugen Entscheidungen.
Die folgenden Ereignisse waren schlicht die logische Konsequenz all der emotionalen Angriffe, die ich im Laufe des vergangenen Tages hatte einstecken müssen. Und durch meine derzeitige Verwundbarkeit, vielleicht durch die alles überdeckende sexuelle Erregung oder die beunruhigende Gewissheit, dieser im Grunde fremden Frau vor mir auf Gedeih und Verderben ausgeliefert zu sein, hatten sie schlagartig beschissen leichtes Spiel mit mir. Irgendein bekloppter Psychologe könnte das bestimmt noch sehr viel besser und mit Sicherheit wissenschaftlicher erklären. Die ganze Zeit war mir absolut klar, was gerade mit mir passierte. Und trotzdem konnte ich die Explosion in meinem Kopf nicht mehr abwenden. Die verdammten Gefühle aus Geilheit und Überwältigung waren einfach viel zu stark.
Selbstverständlich hatte ich darauf gehofft, dass es mich vielleicht diesmal nicht ereilen würde, dass ich irgendwie trotz allem unbeschadet aus diesem zweifellos absolut fantastischen Blowjob herauskommen würde. Aber komplett falsch gedacht! Blöder Banton driftete unaufhaltsam in die alles verschlingende Dunkelheit und konnte verdammt nochmal nicht das Allergeringste dagegen tun! Ich bin mir nicht ganz sicher, was danach genau passierte. An diesem Punkt verschwimmt meine Erinnerung in einem trüben Brei aus flackernden, wirren, überwiegend schmerzhaften Blitzlichtern. Ich hatte mich auf diese Sache mit Kim gierig eingelassen und ihre Zärtlichkeiten lange Zeit zweifellos sehr genossen. Und jetzt war es zu spät, um mich noch in den Griff zu kriegen, zu fucking mächtig, um mir eine Chance zur Gegenwehr zu lassen.
Ich stand sehr kurz vorm sexuellen Höhepunkt, als das ahnungslose Mädchen mich unverhofft am Bauch berührte. Ihre zarten Finger machten sanfte, kreisende Bewegungen auf meiner nackten, von der Dusche nassen Haut. Shit, ausgerechnet an meinem Bauch! Woher konnte sie das wissen? Sie kannte mich doch kaum! Wir hatten erst ein paarmal gefickt, und das war in einer gänzlich anderen Stellung gewesen! Kimberly ist wahrlich eine mächtige Zauberin - Ich glaube, das war mein letzter halbwegs klarer Gedanke. Im nächsten Moment ging ich auch schon ab wie eine Rakete, und mit ihrer zarten Berührung an meinem Bauch, genau in diesem Augenblick, katapultierte die Frau mich direkt in überwältigend magische Sphären hinein. Sie tötete mich - definitiv!
Höchstens zwei Sekunden später kam ich. Ein extrem gewaltiger Orgasmus schüttelte mich, spannte alle meine Muskeln auf nie dagewesene Art an, ich platzte förmlich, ja spritzte wahrhaftig ab, dass es wehtat, und auch mein hilfloser Kopf explodierte in dieser schon erwähnten, alles verschlingenden Explosion. Gleichzeitig verfing ich mich in dieser verfluchten Intrusion. Das war keine Premiere für mich, wahrhaftig nicht. Aber es wurde eine der realsten Intrusionen überhaupt. Schlagartig verwandelte sich meine Duschkabine in die geschlossene Abteilung der Kinder- und Jugend-Psychiatrie. Ich befand mich in diesem verfluchten Schlafsaal, zusammen mit fünf anderen, teils völlig durchgeknallten Jungs, die alle etliche Jahre älter waren als ich. Ich war neun Jahre alt und hatte in der ersten Woche meiner Therapie zur Strafe für meinen frühen Ausbruchsversuch jede Nacht isoliert und manchmal auch fixiert im verschlossenen, stockdunklen Besinnungszimmer verbracht. Darum war ich am Anfang heilfroh gewesen, als sie mich endlich zu den anderen Jungs in den Schlafsaal ließen.
Als meine Zimmergenossen in der dritten oder vierten Nacht zum ersten Mal über mich herfielen, da erschien mir das zuerst vertraut zu sein. Schließlich hatte ich ja, schon seit ich denken konnte, mit meinen vier älteren Schwestern immer mal wieder dieses seltsame Spiel gespielt, auf das sie so abfuhren. Sie nannten es unser heimliches Doktorspiel. Es war so geheim, dass ich es niemals irgendwem verraten durfte. Und das tat ich auch tatsächlich nicht. Weil unsere Wohnungen jedes Mal so klein waren, dass wir Banton-Kinder immer alle in einem Zimmer schlafen mussten, zu Zweit oder Dritt in einem Bett, stand unseren nächtlichen Experimenten nie etwas im Wege. Das relativ harmlose Spiel mit meinen Schwestern war meistens recht angenehm gewesen, häufig sogar lustig, manchmal etwas peinlich, weil ich der einzige mit diesem Ding war, aber oft hatte es sich auch richtig gut angefühlt. Wir waren alle noch sehr jung gewesen, drei Kinder und zwei Teenager, und wir befriedigten gegenseitig unsere Neugier aneinander. Manchmal durfte ich die Mädchen dabei auch ansehen, seltener sogar anfassen, und das war gar nicht so uninteressant für mich.
Deshalb stand ich der aufdringlichen Neugierde der Jungs im Schlafsaal erst mal neutral gegenüber. Aber ziemlich schnell kapierte ich, dass dieses Spiel völlig anders ablief, als ich es kannte. Alles in dieser verfluchten Kinder- und Jugend-Psychiatrie war komplett anders, denn ich hatte vorher niemals auch nur ahnen können, dass andere Menschen mich auf so viele verschiedene Arten demütigen konnten. Die Doktorspiele im Schlafsaal für verrückte Jungs beschränkten sich nicht auf dieses wissbegierige Was hast du denn da für ein Ding und was kann das?, das ich schon oft mit meinen Schwestern gespielt hatte. Die neuen Experimente eskalierten bis zu widersinnigen Verletzungen an Stellen, die mir so peinlich waren, dass ich sie freiwillig niemals jemandem gezeigt hätte. Die stärkeren, pubertierenden Jungs tauften mich ihre persönliche Schlampe und zwangen mich dazu, Dinge zu tun, die ich nicht tun wollte. Oft taten sie mir ziemlich weh, wenn auch nicht immer körperlich, dann aber jedes Mal seelisch, indem sie mich pausenlos erniedrigten. Das Schlimmste daran war, dass es sich manchmal sogar irgendwie gut anfühlte und ich deshalb eine irrsinnige Angst davor bekam, eventuell schwul zu sein. Denn schwul war ja das Allerschlimmste, was ich meiner Mutter zufolge überhaupt sein konnte, und als Kind glaubt man auch so etwas, ohne es zu hinterfragen. Enorm demütigend war es für mich, dass alle anderen Jungs bei unseren nächtlichen Spielen irgendwann Ergebnisse in Form von Wichse vorweisen konnten – nur ich nicht. Fuck!, ich war erst verdammte neun Jahre alt und hatte im Grunde keine Ahnung davon, was genau wir dort taten und wozu das alles überhaupt gut sein sollte. Ich wurde für etwas als krank und minderwertig verspottet und verprügelt, für das ich nichts konnte. Zu dieser Zeit wusste ich nicht, dass mein Versagen lediglich altersbedingt begründet war. Denn damals war ich dumm, sogar für mein Alter klein und schmächtig, total hilflos und nicht stark genug, um mich gegen die grausame Willkür anderer Menschen zu wehren.
Aber das war jetzt anders. Endlich war ich nicht mehr die dumme, wehrlose Schlampe, mit der man alles ungestraft machen konnte! Und als das Gesicht des Junkiemädchens vor mir, so nah an meinem harten Schwanz, dass ich rhythmisch hart hineinstoßen konnte und jeder extrem geile Stoß mich ein Stückchen näher an den Gipfel der Ekstase brachte, sich immer häufiger und deutlicher in andere, bösartige Gesichter aus meiner Vergangenheit verwandelte, da schien es mir plötzlich überlebenswichtig zu sein, dass sie es endlich auch kapieren würden. Mittlerweile hatte ich jede Menge Wichse in mir. Und ich wollte dringend, dass sie mein Sperma schluckte. Ich wollte es ihr tief in ihren verfickten Rachen spritzen. Sie sollte verdammt nochmal daran ersticken!
Aber das unscharfe Bild flackerte vor meinen trüben Augen. Es war Kimberly, und dann war es wieder dieser Scheißkerl aus der Psychiatrie, und beide pressten im entscheidenden Moment ihre scheiß Lippen aufeinander, sodass mein heftiger Erguss nur in ihrer Fresse landete, und deshalb drehte ich total durch. Ich weiß nicht mehr genau, was ich tat, was ich sagte, oder wie ich die Frau behandelte. In diesem Moment wusste ich nur, dass alles komplett falsch lief, nichts fühlte sich richtig an. Nichts geschah so, wie ich es haben wollte, wobei die Geilheit mir zweifellos den Verstand raubte. Mein Orgasmus war überirdisch, die mächtige sexuelle Erregung killte mich total, meine Erinnerung setzt aus.
Irgendwann lag ich in der Ecke meiner Dusche auf dem harten, nassen Boden und hatte keinen Plan mehr davon, was eigentlich mit mir passiert war oder noch immer geschah. Ich wusste nur, dass ich ein weiteres Mal kläglich versagt hatte, und dafür schämte ich mich zu Tode. Niemand hatte irgendwas von mir geschluckt und alle lachten mich deswegen spöttisch aus. Niemand hatte irgendwas verstanden. Ich war nackt und wollte nicht länger auf diese blamierende Art angeglotzt werden. Die demütigende Situation und mein nutzloser Schwanz waren mir entsetzlich peinlich. Kimberly sagte etwas zu mir, aber eigentlich war sie es gar nicht, denn mein Gehirn war zweifellos getillt. Die fremde, nackte Frau war extrem sauer auf mich und der kleine Raum wurde immer enger, das machte mir plötzlich eine Heidenangst. Deshalb flüchtete ich vor ihr und meiner Klaustrophobie, wie ein Feigling, und fiel irgendwie aus meiner verfickten, teuren Duschkabine heraus, was ziemlich wehtat.
Schlagartig wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass Kim gehen würde. Ich hatte die Kleine schlecht behandelt, war ausgerechnet bei ihrem liebevollen Blowjob in der Dusche ausgeklinkt, und jetzt würde das sanfte, süße Mädchen gehen und mich hier total allein zurücklassen. Sie war zu recht wütend auf mich und würde mich verlassen, und ich konnte nichts dagegen tun. Niemand würde mich noch retten wollen. Ich war ein verdammter, kranker Scheißkerl und der alles verschlingenden Dunkelheit schutzlos ausgeliefert. Diese Gewissheit und die dazugehörige Panik brachten mich fast um, schnürten mir den Hals zu und raubten mir die Luft zum Atmen. Alles um mich herum war total wirr. Pausenlos mogelten sich niederträchtige Erinnerungen in meine Wahrnehmung, die so real wirkten, als würden sie gerade jetzt passieren, sodass mir das Unterscheiden schwerfiel.
Obwohl ich schon lange gewusst hatte, was passieren würde, verlor ich ziemlich schnell den Überblick. Ich konnte aus meiner verfluchten Intrusion keinen Ausweg finden. Es gab jetzt aus der der zornigen Finsternis kein Entkommen mehr für mich. Meine ganze Welt verwandelte sich in einen immerwährenden Schlafsaal für Wahnsinnige, in eine geschlossene Abteilung für total Verrückte. Ich war das ewige schwache Kind, das auf mannigfache Art und Weise gequält wurde. Im Grunde lief das wohl alles so ziemlich nach dem Lehrbuch für Psychologen ab, nachzulesen im umfangreichen Kapitel mit der Überschrift PTBS. Das hatten mir verschiedene Fachleute doch schon mal versucht zu erklären. Trotzdem war ich total hilflos, und auch das war typisch für diese scheiß lästigen Explosionen in meinem Kopf. Das schmerzende, total beängstigende Alleinsein umhüllte mich gnadenlos. Clay Banton war wieder mal die hilflose, ahnungslose Schlampe, der totale Versager, ein dummer, kleiner Junge.
Später war ich zurück im Besinnungszimmer und tastete in der einsamen Finsternis die Wände ab, so wie ich es auch als Kind stundenlang, nächtelang getan hatte. In dem kleinen, gepolsterten, stockdunklen Raum war ich damals immer an den vier Wänden entlang im Kreis gelaufen und hatte unermüdlich nach einem Ausgang gesucht, den ich nie gefunden hatte. Auch das ständig wütende Schlagen gegen die Wände hatte nur geschmerzt und nicht geholfen. Jetzt suchte ich aufs Neue verbissen nach einem Ausgang. Zur Strafe hatten sie mir abermals alle meine Klamotten weggenommen. Ich war nackt, meine Haut war nass, und mir war eiskalt. Mir war immer bitterkalt. Nur zögernd registrierte ich, dass die Wände sich seltsam anfühlten. Irgendwas war anders, es passte nicht zu meiner Erinnerung. Meine hektisch suchenden Finger konnten kein dick gepolstertes, in gleichmäßige Quadrate gestepptes, weiches Plastik erfühlen. Da war nur raue Gleichmäßigkeit. Das verwirrte mich total.
Im nächsten Moment stand ich allein in meinem eigenen, dunklen Wohnungsflur. Das kapierte ich nicht, es erleichterte mich auch nicht, weil es trotzdem keinen Ausweg gab. Ich wollte auf keinen Fall noch länger unbekleidet sein. Ich schämte mich und mir war scheiße kalt, deshalb zog ich mir irgendwelche Sachen aus meinem Kleiderschrank an. Ich wollte meinen irren Schädel an der nächsten harten Wand kaputtschlagen. Aber stattdessen holte ich mir nur was zu Trinken aus der Küche, denn ich hatte Durst und Angst vor dem Schmerz. Später hatte ich eine Flasche Jack Daniel's am Hals und goss wie ein Ertrinkender dieses brennende, enorm wohlschmeckende Zeug in mich hinein. Ich wollte die schreienden Bilder in meinem Kopf endlich zum Schweigen bringen. Das funktionierte aber nicht, denn diese verfluchten, höchst vertrauten Bilder waren stärker und viel lauter als ich.
Die graue Depression schlug gnadenlos zu. Es hatte ja sowieso nichts so funktioniert, wie ich es gewollt oder mir gewünscht hatte. Nie funktionierte es so. Clay Banton hatte wieder einmal komplett versagt. All meine Energien waren verschwendet worden. Ich hatte niemandem beweisen können, dass ich keine hilflose und total unfähige Schlampe mehr war. Ich war für alle Ewigkeiten die hilflose Schlampe. Therapeuten schrien mich wütend und ungeduldig in einer fremden Sprache an und wiederholten die Worte und Drohungen so oft, bis ich sie verstand. Ich sollte gefälligst viel dankbarer sein, viel folgsamer, viel weniger aggressiv, viel weniger emotional. Ich sollte mich um Himmels Willen nicht so blöd kindisch und wehleidig anstellen. Auf der Stelle sollte ich damit aufhören, wahllos irgendwelche fremden Gegenstände kaputtzumachen. Ich war ein freches, unartiges, undankbares, unnützes Balg, das viel zu sehr verwöhnt worden war. Noch ein einziger Fehltritt und das Besinnungszimmer, die Eisbadewanne, die Fixierung, die Schläge warteten schon. Die schwarze Einsamkeit schmerzte. Der Dämon in mir brüllte und lachte gleichzeitig, entzündete sein rotes Freudenfeuer aus unkontrollierbarer Wut und tanzte vor Zorn schreiend drum herum. Therapeutinnen versuchten mit sanfter Stimme, mich irgendwie zu beruhigen. Mein armer Kopf dröhnte und schickte mir neue, alte Erlebnisse, die ich so gerne längst vergessen hätte. Die ganze Welt löste sich zusehends auf.
Sean
Nach der aufwühlenden Dusche fühlte ich mich völlig verstört. Mittlerweile war ich todmüde, restlos erschöpft, und wollte wahrhaftig nur noch in mein Bett, um so schnell wie möglich die Augen zu schließen. Wenigstens die Augen ausruhen, ein wenig relaxen. Denn an einen erholsamen Schlaf war wohl in meiner unverändert überdrehten Verfassung sowieso nicht zu denken. Ich nahm meine Klamotten vom Boden auf, zog mir für den Weg nochmal die durchgeschwitzte Unterwäsche an und verließ das Badezimmer so leise wie möglich. Mit klopfendem Herzen lauschte ich hinaus in den Flur, ob die Gefahr bestand, dass Marc oder Vincent mir eventuell auflauerten. Aber die beiden waren augenscheinlich schon wieder im Wohnzimmer mit ihrem Spielfilm beschäftigt. Vielleicht war es inzwischen auch ein anderer Film, das konnte ich nicht heraushören und es interessierte mich auch nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich insgesamt unter der Dusche gestanden hatte, tippte aber auf mindestens eine Stunde. Tief atmete ich durch, um mich für die Strecke in mein Zimmer vorzubereiten.
Im nächsten Moment machte ich mich auf den Weg, überquerte den Flur und huschte die Treppe hinauf, so schnell und so leise ich es mit meinem angetrunkenen Gehirn und Körper hinbekam. Zum Glück klappte das ganz gut, zumindest tauchte niemand auf, den ich nicht sehen wollte. Morgen mache ich einen Termin mit einem Schreiner, damit er mir hier eine Tür zum Abschließen einbaut, dachte ich ärgerlich, weil der offene Weg in mein Zimmer mir seit einigen Tagen echte Sorgen bereitete. Das muss ich dringend zuerst klarstellen, nahm ich mir grimmig vor, dass niemand mehr ungefragt oder unangekündigt in mein Zimmer kommt, denn das kotzt mich total an.
Im Dachboden tastete ich mich im Dunkeln zu meinem Bett und knipste die Nachttischlampe an, weil mir zu helles Licht in den Augen wehtun würde. Die Dachfenster waren vollständig zugeschneit, darum konnte ich den Mond nicht sehen. Es war kalt in meinem Zimmer, aber das war mir nur recht. Ich warf die schmutzige Wäsche zusammen mit der Unterwäsche in den Wäschekorb. Nackt ging ich zu meinem Kleiderschrank, hing meine Jacke hinein und nahm mir frische Unterwäsche und ein paar bequeme Wohlfühlklamotten heraus, die ich anzog. Noch einmal lauschte ich in die Wohnung. Ich war nervös. Mir war klar, dass ich noch mit meinen beiden Mitbewohnern reden musste. Höchstwahrscheinlich warteten sie schon längst auf mich. Womöglich waren sie nur noch wach, weil ich dieses Gespräch angekündigt hatte, was ich jetzt bereute.
Aber scheiß doch drauf, dachte ich dann, ich mache den Mist einfach so kurz wie möglich. Marc und Vincent mussten unbedingt kapieren, dass ich erwachsen war und meine eigenen Entscheidungen treffen konnte. Es ist völlig gleichgültig, welche Gemeinheiten sie mir an den Kopf knallen, redete ich mir verärgert ein. Ich werde Clay niemals aufgeben, dachte ich aus tiefster Überzeugung. Clay, dachte ich und fühlte eine enorm schmerzende Sehnsucht in mir. Ich hatte das entsetzliche Gefühl, es ohne Banton nicht eine Sekunde länger auszuhalten. Das war Scheiße, darum lief ich ein bisschen panisch in meinem Dachboden herum, um mich wieder zu beruhigen.
Die Valium schläferten mich zunehmend ein, genau wie Louis es vorhergesagt hatte. Das gefiel mir nicht, denn mein Tag war noch lange nicht zu Ende. Ich musste doch wach bleiben, denn ich hatte noch etwas Wichtiges zu tun. Verwirrt darüber nachdenkend, was noch zu tun wäre, tigerte ich in meinem Zimmer herum. Die Dielen knarzten an exakt den immer gleichen Stellen. Ich hatte das Gefühl, noch tausend wichtige Termine abarbeiten zu müssen und fühlte mich unvorbereitet. Das Diazepam und der Alkohol erschwerten das Nachdenken. Nein, ich durfte noch nicht einschlafen, das ging auf keinen Fall.
Wie ferngelenkt landete ich an dem Versteck hinter dem Dachbalken. Ich stand eine Weile dort und sah mir das schräge Holz unschlüssig an. Ich grübelte darüber nach, was ich tun sollte. Kurzentschlossen öffnete ich das Versteck und nahm ein wenig Kokain heraus. Ich stellte sicher, dass mein Versteck danach wieder unsichtbar wurde. Dann schnupfte ich auf meinem Schreibtisch eine kleine Linie, weil ich einfach nicht widerstehen konnte. Ich musste nochmal fit sein, irgendwie funktionieren und dieses Gespräch so schnell und erfolgreich wie möglich hinter mich bringen. Verdammt, dachte ich, ich habe keinen Bock mehr auf diese endlosen Diskussionen über Clay. Aber mir war völlig klar, worüber Marc und Vincent mit mir reden würden, denn im Grunde gab es schon lange kein anderes Thema mehr in diesem Haus.
Später lief ich noch eine Weile hin und her. Das Kokain erreichte mein Gehirn, fühlte sich sofort pudelwohl und knüpfte kinderleicht an schon bestehende Verbindungen an. Ein geiler Energieschub durchflutete mich höchst angenehm. Das Gift lief chemisch-bitter meinen Hals hinunter, und ich genoss das vertraute Gefühl und den Geschmack fast schon absurd stark. Dann hatte ich plötzlich ein schlechtes Gewissen deswegen. Das war das letzte Mal, beschloss ich, wütend über mich selbst, ab morgen ist endgültig Schluss mit den harten Drogen. Scheiß Koks, dachte ich, scheiß Heroin, das ist alles total überflüssig! Ich brauche diesen verfluchten Dreck doch gar nicht!
Nach noch ein paar Minuten sinnfreien hin und her Latschens gab ich mir einen Ruck und lief die Treppe hinunter. Ich wusste genau, was mich jetzt erwartete. Trotzdem fühlte ich mich nicht bereit, und das gefiel mir ganz und gar nicht. Nervös versuchte ich, mir irgendwelche klugen Worte zurechtzulegen, irgendwas, mich irgendwie vorzubereiten, wie ich es vor wichtigen Prüfungen immer getan hatte. Aber mir fiel nichts ein, denn mein Kopf war leer und gleichzeitig vollgestopft mit quälenden Bildern der Vergangenheit. Es würde sowieso ablaufen, wie es immer ablief. Denn was jetzt kam, das war eine Auseinandersetzung mit meinen Mitbewohnern wegen Clay Banton, Teil fünfmillionenzweihundertachtundsechzigtausendsiebenhundertdreiundzwanzig. Nur widerstrebend ging ich zu meinen Freunden ins Erdgeschoss. Aber ich wollte mein voreiliges Versprechen einhalten. Ich tat das, weil ich wusste, dass sie glaubten, ein Recht darauf zu haben, mit mir zu reden. Weil sie dringend wissen wollten, was passiert war und warum Clay uns im Theater im Stich gelassen hatte. Weil sie es sonst niemals gut sein lassen würden. Also fügte ich mich in das Unvermeidliche.
Als ich ins Wohnzimmer kam, saßen Marc und Vincent tatsächlich wieder auf dem Sofa und glotzten sich einen Film an. Sie schauten aber sofort beide zu mir hin, als ich in der Tür erschien. Ihre Gesichter drückten Erleichterung und Neugierde aus, als ich mich zögernd zu ihnen auf den Sessel setzte. Marc schaltete hastig mit der Fernbedienung den Fernseher leiser, und das bestätigte meinen Verdacht, dass sie ungeduldig auf mich gewartet hatten. „Clay geht's gut", behauptete ich leichthin, bevor sie mir irgendeine blöde Frage stellen konnten. Ich kämpfte mein Unbehagen deswegen nieder, weil ich Marc und Vincent eindeutig anlog und das nur zu gut wusste. „Sag mal, hast du da vorhin am Telefon Jill weggedrückt?" fragte Vincent mich mit einem spöttischen, verständnislosen Grinsen. Diese Frage verwirrte mich, weil ich in Gedanken schon vollständig beim Thema Clay Banton gewesen war. Die ganze Zeit hatte ich mich mental auf dieses Thema vorbereitet, und jetzt sprach mein Mitbewohner plötzlich von etwas ganz anderem. Das kapierte ich erstmal nicht so schnell.
„Hä?" entfuhr es mir verblüfft. Marc grinste auch so beschissen selbstgefällig. Beide Männer grienten mich an, als wüssten sie mehr als ich, und dieses Gefühl konnte ich auf den Tod nicht leiden. Kurz schloss ich die Augen und atmete tief durch, um meine unwillkürlich aufbrausende Wut zu kontrollieren. „Du bist doch vorhin ans Telefon gegangen, Sean. Weißt du das noch?" erläuterte Marc und kicherte belustigt, weil ich wohl gerade ziemlich bescheuert aussah. Meine Augen klappten auf, ich nickte, weil ich mich an mein Gespräch mit Louis Frédéric erinnerte. „Ja, ich habe mit..." Erschrocken brach ich den Satz ab, weil ich nicht gern erzählen wollte, dass ich mit Louis gesprochen hatte. Das würde vielleicht nur weitere Fragen aufwerfen, die ich nicht beantworten wollte. Zum Glück hakte Marc nicht nach. „Jill hat nochmal angerufen. Sie hat sich über dich beschwert, weil du einfach aufgelegt hättest. Das fand sie total unhöflich von dir", erklärte er mir geduldig mit einem undefinierbaren, doppeldeutigen Grinsen im Gesicht. Dunkel erinnerte ich mich an eine nervige, weibliche Stimme im Telefonhörer, die ich nicht hatte zuordnen können. Tatsächlich hatte ich abrupt aufgelegt, weil ich mit dieser fremden Frau nicht hatte sprechen wollen. Direkt danach hatte ich den Hörer zornig auf den Küchenboden gepfeffert.
„Was wollte Jill denn?" fragte ich schnell, weil ich dieses Thema nicht vertiefen wollte. „Sie will unbedingt mit dir sprechen, Sean. Es geht wohl um ihren Blog über dich", verriet Vincent mir. Sein Grinsen machte mich wahnsinnig, darum schaute ich in eine andere Richtung. Plötzlich fiel mir dieser scheiß Blog über Clay ein, den ich mir wiederholt in der Eule hatte ansehen müssen. Die primitiven Menschen in der Eule waren alle vollkommen durchgedreht wegen dem Blog, in dem Clay nackt zu sehen war. Der Gedanke an das unverschämte, indiskrete Machwerk von Jill Bennet regte mich sofort wieder auf, sodass ich nochmal tief durchatmen musste, um einigermaßen ruhig zu bleiben. Ich spürte, dass das Koks meine Emotionen unnatürlich verstärkte und hochkochte und bereute es, gerade diese letzte Linie gesnieft zu haben. Die hätte ich mir echt lieber verkneifen sollen, dachte ich ärgerlich. Einen Augenblick später hatte ich unglaublich Bock auf eine neue Linie oder noch lieber eine Pfeife. Ich sehnte mich wie verrückt nach diesem Kick beim Rauchen von gebasetem Kokain, die kunterbunte Explosion in meinem Schädel, die alles andere so herrlich gleichgültig machte. Dreh nicht durch, verdammt, mahnte ich mich innerlich nervös.
„Sie will gleich vorbeikommen", knallte Marc mir beiläufig an den Kopf, und ich riss die Augen weit auf und starrte ihn entsetzt an. „Was?" Meine Stimme hörte sich blöd schrill an, was mir nicht gefallen konnte. Marc hob beschwichtigend die Hände. „Jill kommt gleich vorbei, weil sie mit dir über ihren Blog sprechen möchte", informierte er mich langsam und betont artikuliert, als wäre ich ein bisschen blöde. Das brachte mich schon wieder auf die Palme. Ich wurde paranoid und mein Herz fing damit an, unruhig herumzuhämmern. „Was soll das denn? Seid ihr total bekloppt? Habt ihr die Frau etwa eingeladen? Um diese Uhrzeit? Mann, heute ist Montag! Ich muss morgen früh aufstehen!" regte ich mich auf und warf einen Blick zur Standuhr, die schon weit nach Mitternacht zeigte. Fuck, dachte ich, es ist schon viel zu spät, eigentlich ist schon Dienstag. In ein paar Stunden muss ich absolut in Topform in der Kunsthochschule vor meinen Studenten erscheinen. Ich versuchte mich zu erinnern, welche Seminare ich dienstags immer hielt. Aber mir wollte nichts dazu einfallen, und das beunruhigte mich enorm.
„Dann ruf sie doch an und lade sie wieder aus", schlug Vincent gleichgültig vor. „Ja, verdammt, genau das tue ich jetzt!" kläffte ich ihn böse an und sprang auf, weil ich den unbezähmbaren Drang in mir verspürte, mich bewegen zu müssen. Mit zwei Schritten war ich aus dem Wohnzimmer und im Flur. Dann wurde mir schwindelig und ich musste mich an der Wand abstützen. Mir fiel ein, dass ich sowieso noch ein Hühnchen mit Jill Bennet zu rupfen hatte, weil sie Clay in ihrem Blog auf diese empörende Art zur Schau stellte. Clay, dachte ich, und fühlte mich hundsmiserabel. Ich war stinksauer und musste erst ein wenig in der dunklen Küche herumlaufen, um mich zu beruhigen. Dann schaltete ich das Licht ein und wandte mich unserem Telefon zu. Ich suchte den Eintrag in der Anruferliste, weil ich Jill Bennets Telefonnummer im Moment nicht auswendig wusste. Es war der Anruf vor Louis' Kontrollanruf, und ich fand ihn viel zu schnell. Dann stand ich dort und versuchte, mich auf dieses Gespräch vorzubereiten. Ich war wirklich angepisst, weil ich ständig Dinge tun musste, die mir nicht behagten.
Schließlich gab ich mir einen Ruck und drückte auf die verfluchte Nummer. Es klingelte ein paarmal in der Leitung und mein Herzschlag beschleunigte sich von allein. „Sean?" fragte jemand abrupt so hoffnungsvoll, dass ich völlig verwirrt war. Ich erkannte diese fremde Frauenstimme nicht. „Jill?" wollte ich deshalb irgendwie blöd wissen. Sie kicherte belustigt, was mich rasend machte. „Hast du mich vorhin total unhöflich weggedrückt, du frecher Schlingel?" fragte sie in eindeutig neckender Flirtlaune. Schlingel? Hatte dieses Weib mich etwa wahrhaftig Schlingel genannt? Was fiel der eigentlich ein? Die Bitch hatte sie doch nicht mehr alle! Und sie flirtete schon wieder mit mir, das machte die pausenlos, das ging mir so was von auf den Geist.
„Du kannst heute nicht zu uns kommen, Jill!" betonte ich ärgerlich, ohne auf ihre nervige Flirtscheiße einzugehen. „Oooooooch Mennoooo...", machte sie langgezogen, knötterig wie ein Kleinkind. „Nein, das geht auf keinen Fall!" bekräftigte ich und wollte eigentlich schon wieder auflegen. „Warum denn nicht? Ich habe echt wichtige Dinge mit dir zu besprechen, Sean. Es geht um meinen Blog...", fing sie an, als ich sie auch schon wütend unterbrach. „Und diesen Blog über Clay, den löschst du, und zwar auf der Stelle!"befahl ich ihr streng. Daraufhin war es eine Weile still. Ich stand ganz allein in der Küche, schon wieder diesen ätzenden Telefonhörer am Ohr, und meine Hand krampfte sich ein weiteres Mal um das verdammte Plastikteil. Sie antwortete nicht, aber ich konnte sie laut atmen hören.
Ziemlich schnell wurde mir das Schweigen zu dumm. „Hast du mich gehört, Jill?" erkundigte ich mich bemüht beherrscht. „Ich lösche diesen Blog nicht", eröffnete sie mir hörbar von sich überzeugt, „Das ist der erfolgreichste Blog, den ich je geschrieben habe!" „Du wirst ihn sofort löschen!" wiederholte ich zornig viel zu laut, denn ihre Stimme regte mich auf. Die ganze Frau regte mich auf. Die ganze Situation war Scheiße. Ich ärgerte mich plötzlich, dass ich ihr nicht ins Gesicht schlagen konnte. Sie holte tief Luft. „Hör mal, Sean, hast du überhaupt eine Ahnung, was mein Blog bei euch schon bewirkt hat? Ich bekomme so viele Anfragen über Clay, wie noch nie in meinem Leben für irgendeinen Blog! Die rennen mir förmlich die Bude ein, um noch viel mehr über Clay zu erfahren!" „Schwachsinn!" entfuhr es mir aufgebracht. Dann schloss ich die Augen und atmete tief durch. Nicht aufregen, mahnte ich mich, du musst ihr unbedingt die Stirn bieten, und da nützt es gar nichts, wenn du dich sinnlos aufregst. „Absolut kein Schwachsinn!" konterte sie cool, „Die Menschen sind total verrückt nach Clay, und ganz besonders die Mädels. Mein Bericht hat ihnen total gefallen, er hat sie extrem neugierig auf Clay gemacht. Was meinst du wohl, wie viele User schon seine Adresse von mir wissen wollten?" „Die gibst du ihnen ja wohl nicht!" schrie ich entsetzt auf und ärgerte mich, weil meine Stimme sich schon wieder so tuntig schrill anhörte.
Das arrogante Lachen von Jill stresste mich unglaublich. „Ach, Sean!" seufzte sie, als wäre ich in ihren Augen nicht ganz dicht, und sie müsste edelmütig mit mir armen Minderbemitteltem Nachsicht üben. Das kotzte mich total an und ich widerstand nur knapp dem starken Drang, sofort aufzulegen. „Selbstverständlich gebe ich keine Adressen heraus!" informierte Jill mich, „Was denkst du denn eigentlich von mir, Sean Valmont?" Ich wollte ihr lieber nicht sagen, was ich von ihr dachte, obwohl es mir auf der Zunge lag. In diesem Moment verabscheute ich das eiskalte Weib mit ganzem Herzen, weil ich mich daran erinnerte, was sie meinem geliebten Mann schon alles angetan hatte, nicht nur mit ihrem scheiß Blog. Sie hatte Clay Banton einen brutalen Elektroschock verpasst und ihn danach auch noch auf peinlichste Art und Weise bloßgestellt. Das konnte ich kaum ertragen.
„Ich will, das du dein unverschämtes Machwerk auf der Stelle löschst!" wiederholte ich in aller Deutlichkeit, „Sonst verklage ich dich, Jill Bennet!" Sie schnappte nach Luft. „Was? Das kannst du doch gar nicht, Sean. Dieser Blog ist nämlich gar nicht über dich, weißt du?! Und ich werde ihn nicht eher löschen, bevor Clay mich nicht darum bittet!" Jill kannte offenbar ihre Rechte. Damit war das Thema also geklärt. Ich hatte das miese Gefühl, nichts bei ihr ausrichten zu können. Plötzlich hatte ich auch gar keine Lust mehr, mich überhaupt noch länger mit dieser Bitch zu unterhalten. „Du kannst jetzt nicht bei mir vorbeikommen", wiederholte ich deshalb entnervt, „Es ist schon viel zu spät und ich muss morgen früh raus." „Aber ich wollte mit dir über deinen Blog sprechen!" wandte sie enttäuscht ein. „Glaubst du ernsthaft, du dürftest noch irgendwas über mich veröffentlichen?" konnte ich es einfach nicht fassen. Sie überlegte ein Weile. „Keine Angst, Sean. Von dir habe ich keine Nacktaufnahmen gemacht, erinnerst du dich? Mein Bericht über dich ist ganz harmlos, aber sehr informativ. Ich zeige dir meinen Blog, bevor er online geht. Das haben wir doch so abgemacht, und daran halte ich mich auch." „Und warum hast du Clay nicht vorher gefragt, bevor du ihn auf diese empörende Weise blamiert hast?" blaffte ich sie ungeduldig an. Sie seufzte theatralisch. „Weil ich Clay vorher nicht mehr erreichen konnte. Der geht ja nie an sein Handy. Aber der Blog über Clay ist total erfolgreich, das kannst du mir ruhig mal glauben..." „Es ist mir egal, wie erfolgreich er ist, Jill! Er ist einfach nur unter aller Sau! Clay war bewusstlos, als du ihn gefilmt und fotografiert hast! Du hast ihn nackt ausgezogen! Ist dir überhaupt klar, was du getan hast?" konnte ich meinen Zorn nicht länger bremsen. Jill lachte nur amüsiert, und ich wollte am liebsten kotzen. „Du wirst dich garantiert nicht mehr so aufregen, Sean Valmont, wenn eure nächste Vorstellung restlos ausverkauft ist!" prophezeite sie spöttisch und selbstbewusst. Ich konnte mir vorstellen, wie arrogant sie dabei grinste, und mir wurde echt übel. „Du machst mich krank! Bleib bloß weg von mir!" schrie ich in die Leitung und legte abrupt auf.
Dann stand ich noch eine Weile erstarrt dort, den Hörer in der Hand, krampfhaft tief ein- und ausatmend. Diese Zeit brauchte ich dringend, um mich wieder abzuregen. Es frustrierte mich enorm, dass ich bei Jill Bennet nichts hatte erreichen können. Ich hatte von der ganzen Welt die Schnauze voll, einschließlich von mir selbst. Am liebsten wollte ich mich in mein Zimmer verkriechen, mich ins Bett legen und die Decke über den Kopf ziehen. Die Vorstellung war verlockend. Aber so ein Mensch war ich nicht, fiel mir ein, und ich wollte auch eigentlich nicht so ein inaktiver Feigling sein. Trotzdem fühlte ich mich im Moment so, und das gefiel mir immer weniger. Also riss ich mich zusammen, stellte das Telefon zurück auf die Ladestation und verließ die Küche.
Im Wohnzimmer war alles beim Alten. Marc und Vincent warteten noch immer auf unsere große Aussprache, unverändert geil auf schlüpfrige Geschichten und skandalöse Informationen. „Unsere Freundin Jill besucht uns heute nicht. Ich habe sie ausgeladen", konnte ich meine Mitbewohner informieren und war heilfroh darüber. Sie nickten gleichgültig, beobachteten mich jedoch aufmerksam mit dieser Art von indiskreter Neugier, die mir zuwider war. Marc und Vincent wollten dringend erfahren, wie mein neuster Zusammenprall mit Clay Banton verlaufen war, wo Clay sich herumgetrieben hatte und was ich mit Clay diesmal gemacht hatte, um ihn für sein Fehlen zu bestrafen. Herr Hellberg und Herr Palm waren sichtbar scharf auf Sex, Drugs und Rock'n'Roll, um ihr eigenes, überwiegend langweiliges Leben aufzupeppen, und das fand ich zum Kotzen. Denn das, was tatsächlich passiert war, würden sie nie verstehen und auch nie erfahren. Es stresste mich enorm, dass ich ihnen nicht mehr ausweichen konnte. Jetzt kam also der zweite Anlauf der Auseinandersetzung mit dem ewig gleichen Thema. Ich seufzte genervt, setzte mich zurück in den Sessel und versuchte, mich innerlich vorzubereiten. Eine weitere sinnlose Diskussion stand an.
„Also, wie ich vorhin schon sagte, Clay geht es gut. Wir haben alles geklärt und er hat sich entschuldigt", fing ich vage an und wollte am liebsten anfangen zu heulen. Wie fast immer bei diesen Diskussionen hatte ich das unangenehme Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen, noch bevor das Gespräch richtig angefangen hatte. Die Valium machten mich müde, kämpften aber spürbar mit dem letzten Häufchen Kokain, das ich mir genehmigt hatte. Ich hatte unglaublich Bock auf eine lange Linie Schnee oder noch viel mehr Alkohol. Ich wünschte mir, ich wäre sehr viel betrunkener. Gleichzeitig wollte ich aber auf keinen Fall mein Gesicht verlieren. Das hier war wichtig. Es war immer wichtig. Schließlich ging es um meine Autorität, meinen Platz in dieser dynamischen Gruppe von jungen, homosexuellen Männern.
Wie so oft redete ich gegen die gemeinsame Front von Vincent und Marc an, obwohl Marc seinen Standpunkt meistens besser in beruhigende Worte verpacken konnte: „Das wird schon werden. Wenn Clay erst mal den Ernst der Lage erfasst hat..." Vincent lachte abrupt laut auf, sodass Marc irritiert verstummte. „Clay Banton und irgendwas erfassen? Dazu ist der doch mittlerweile gar nicht mehr in der Lage!" spottete Vince. „Sei nicht immer so ungerecht!" fuhr ich ihn verärgert an und durchbohrte ihn mit meinem Blick, „Clay leistet auf der Bühne verdammt gute Arbeit!" Vince lachte nur noch lauter. „Ja doch, Sean! Das hat man ja heute wieder gesehen!" Hilflos schaute ich ihn an. Dummerweise hatte er recht, denn Clay war heute nicht im Theater erschienen. Herr Banton hatte die erste Probe von Supernova Soulsausenlassen. Leider ließ er ständig wichtige Proben aus, aber dies war wohl eine der wichtigsten gewesen. Außerdem hatte er uns bei dem bedeutenden Interview mit ArtHouse einfach im Stich gelassen. Das konnte ich leider nicht schönreden.
„Das nächste Mal ist er wieder dabei!" meinte Marc, „Das kennen wir doch langsam!" „Ja, das kennen wir allerdings! Und das kotzt mich total an, dass wir uns auf diesen Spinner nicht mehr verlassen können! Womöglich dauert es nicht mehr lange und er wird auch zu den Vorstellungen nicht mehr auftauchen!" behauptete Vincent grimmig. „Mal den Teufel nicht an die Wand!" seufzte Marc erschrocken. Vince guckte ihn ernst an. „Das ist doch wohl die logische Konsequenz, oder? Banton kommt nicht zu unseren Proben, weil er zugedröhnt ist und den Termin einfach vergessen hat! Das nächste Mal vergisst er aus dem gleichen Grund die Vorstellung! Das ist doch ganz logisch, verdammt nochmal!" „Clay hat noch niemals eine Vorstellung vergessen!" hielt ich gezwungen ruhig dagegen. Mir war schwindelig. Ich hatte das miese Gefühl, diese blöde Diskussion schon tausendmal geführt zu haben, was zweifellos auch stimmte. Ich war todmüde und fühlte mich angegriffen.
Vincent musterte mich spöttisch. „Na gut, Sean, bis jetzt hat er es irgendwie noch zu den Vorstellungen geschafft, das stimmt. Aber was denkst du, wie lange er das noch hinkriegen wird? Hast du ihn dir in letzter Zeit schon mal richtig angesehen?!" „Ich schaue ihn mir immer richtig an!" entfuhr es mir genervt. „Ja, weil du verliebt in ihn bist. Aber das trübt deinen Blick total", meinte Marc traurig. Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Ach ja? Und du weißt also so genau, was mit Clay los ist? Hast du ihn auch nur einmal gefragt, wie es ihm geht?" Marc hob spontan abwehrend die Hände. Vincent blies spöttisch die Luft aus. „Das braucht man ihn gar nicht zu fragen. Man sieht auch so, dass es ihm beschissen geht. Jeder sieht das. Er ist total kaputt!" behauptete er hart. „So ein Schwachsinn!" rief ich gekränkt aus. Marc beugte sich vor, um mir seine Hand beruhigend auf den Arm zu legen. Aber ich zog meinen Arm trotzig weg und starrte ihn feindselig an. Er seufzte tief. „Vincent hat recht, Sean. Clay ist echt schlimm verprügelt worden, erinnerst du dich? Er ist ziemlich schwer verletzt, sein ganzer Körper ist übersät mit Schnittwunden und Prellungen. Und er ist meistens total zugeknallt", stellte Marc hörbar resigniert in den Raum. Unwillkürlich fühlte ich einen scharfen Stich im Innern. Der Wahrheitsgehalt seiner Aussage machte mir zu schaffen. Nervös zündete ich mir eine Zigarette aus der Schachtel an, die auf dem Tisch lag, höchstwahrscheinlich gehörte sie Vincent. Ich rauchte tief und hoffte, dass das Nikotin mich beruhigen würde. Eine Weile war es ganz still. Vincent und Marc studierten mich lauernd. Beide gingen mir zunehmend auf die Nerven. Ich spürte, dass sie mir etwas sagen wollten, was mir nicht gefallen würde.
Schließlich konnte ich ihre eindeutig vorwurfsvollen Blicke nicht mehr ertragen. „Was wollt ihr eigentlich konkret von mir?" fragte ich sie ungeduldig, ohne sie dabei anzusehen. Meine Freunde antworteten mir nicht gleich, und das machte mich noch nervöser. Fragend warf ich Vincent einen Blick zu. Er zögerte noch immer mit seiner Antwort. Aber dann gab er sich plötzlich einen Ruck und sah mich direkt an. „Du musst ihn endlich abservieren", warf er mir brutal an den Kopf. Bevor ich darauf reagieren konnte, holte er schon tief Luft. „Mit diesem süchtigen Junkie ist doch kein vernünftiges Theaterspielen mehr möglich, verdammt! Der Kerl wird von Tag zu Tag unzuverlässiger, weil er nur noch seiner scheiß Droge hinterherläuft. Wann begreifst du das endlich, Sean? Etwa erst dann, wenn es zu spät ist? Wenn unser Ruf als Ensemble den Keller hinabgestürzt ist? Wenn alle Welt nur noch über uns lacht? Wenn wir bald alle als Drogenabhängige verschrien sind und womöglich deswegen noch unsere Arbeit riskieren? Was meinst du, was passiert, wenn sich auf meiner Arbeit herumspricht, dass ich in meiner Freizeit etwas mit einem Junkie zu tun habe!?" Vincents wütende Stimme wurde automatisch lauter. „Das macht einfach keinen Spaß mehr mit Clay. Ein fauler Apfel verdirbt den ganzen Korb!" setzte Marc mit einem äußerst blöden Spruch noch eins drauf.
Tief im Innern hatte ich mit ihrer Forderung schon sehr lange gerechnet, denn sie hatten so etwas wiederholt angesprochen. Aber in diesem Moment traf mich ihre brutale Direktheit trotzdem zutiefst. Marc Hellberg und Vincent Palm griffen mich jetzt massiv an. Sie stellten offen meine Entscheidungskraft als Chef unserer Truppe in Frage, und ich wollte sie dafür am liebsten beide kräftig in die Fresse schlagen. Ich konnte nicht fassen, wie eiskalt meine Freunde waren, wie wenig Mitgefühl sie aufbringen konnten. Ich fragte mich, warum ich ausgerechnet mit diesen beiden Männern hatte zusammenwohnen wollen. Meine Mitbewohner gingen mit ihrer Aufforderung eindeutig viel zu weit, und damit war das Gespräch definitiv für mich beendet. Das Kokain und der Zorn wüteten in mir. Dennoch zwang ich mich, ruhig zu bleiben. Ich atmete tief durch, drückte meine Kippe in den Aschenbecher und stand betont langsam auf. Endlich guckte ich sie wieder an und versuchte dabei, all meine Autorität in meinen Blick zu legen, all meine Entschlossenheit.
Eine Weile genoss ich meine merkbare Machtposition und ihre angespannte Erwartungshaltung. Ich machte mir bewusst, dass ich sie trotz allem noch in der Hand hatte. Sie konnten mir im Grunde nichts. Es waren nämlich ausschließlich meine Ideen, die wir gemeinsam auf die Bühne brachten. Ich wählte meine Worte mit Bedacht. „Okay, Jungs, jetzt hört mir mal gut zu. Das wird nicht passieren, klar? Ich werde Clay niemals abservieren! Wenn euch etwas an ihm oder auch sonst nicht passt, dann könnt ihr von mir aus gerne das Theaterspielen mit uns sein lassen. Ich finde einen anderen Beleuchter und einen anderen Techniker und Bühnenbildner, okay? Aber Clay und ich, wir spielen diese Performance gemeinsam. Wir beide füllen sie mit Leben. Wir sind dieses Stück. Es gibt keine andere Besetzung für Supernova Soul als Clay Banton und Sean Valmont. Niemals. Und das ist mein allerletztes Wort."
Sofort drehte ich mich herum und verließ das Zimmer, ohne ihre Reaktion auch nur abzuwarten. Ich zwang mich, ganz langsam und erhobenen Hauptes zu gehen, aber meine Schritte wurden unwillkürlich schneller, als ich den Flur erreichte. Schließlich hastete ich mit großen Sätzen die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. Alles verzerrte sich. Ich fühlte mich verstärkt betrunken. Mein Herz schlug mir plötzlich bis zum Hals. Ich kämpfte damit, nicht die Fassung zu verlieren. Marc und Vincent haben im Grunde recht, hämmerte es quälend in meinem Kopf. Clays Abwesenheit im Theater hatte sich in der letzten Zeit auffallend gehäuft. Und ja, er war viel zu oft zugeknallt, oder aber er war affig, was noch schlimmer war. Clay Banton war zweifellos wieder heroinsüchtig, und meine Chancen, ihn noch einmal davon wegzukriegen, standen wahrscheinlich mehr als schlecht. Sein Besuch am Sonntag hatte uns leider all sein Elend offenbart. Aber verdammt, verdammt!
Spontan schlug ich meinen Kopf verzweifelt hart gegen die Schräge der Dachbalken, in der irren Absicht, meine wild wirbelnden Gedanken irgendwie zu ordnen. Aber die Schläge verursachten mir lediglich noch mehr Kopfschmerzen. „Hör auf damit! Sean, um Himmels Willen!" hörte ich Marc entsetzt hinter mir rufen. Schockiert fuhr ich herum und stellte verärgert fest, dass er mir unbemerkt hinauf in mein Zimmer gefolgt war. Fuck, ich habe total vergessen, diesen wichtigen Punkt klarzustellen, fiel mir aufgebracht ein. „Lass mich in Ruhe!" schrie ich Marc drohend an und ging mit erhobenem Arm auf ihn zu. In diesem Moment war ich absolut bereit dazu, ihn kräftig ins Gesicht zu schlagen. Marc fixierte mich ängstlich und wich vor mir zurück zur Treppe. „Sean! Bitte!" rief er eindringlich, „Bitte, hör mir zu!" Nur mühsam blieb ich stehen und senkte meine erhobene Faust. Die Angst und Sorge in Hellbergs Augen hielten sich die Waage, und das stimmte mich ein wenig versöhnlich. „Bitte Sean, lass uns einfach reden, okay?" versuchte Marc es sanft und machte vorsichtig einen Schritt auf mich zu.
Misstrauisch musterte ich ihn. Ich kannte Herrn Hellberg zu gut, um nicht zu wissen, wie verdammt gut er es ständig mit mir und der ganzen Welt meinte. Das rührte mich unvorbereitet. Mein brausender Zorn machte autonom einer umfassenden Verzweiflung Platz. „Du kannst mir bestimmt nichts mehr sagen, was ich nicht schon lange weiß!" zischte ich abwehrend und fiel müde auf meine Yogamatten. Ich konnte einfach keine Minute länger stehen. Marc lächelte traurig, kam zögernd näher und setzte sich in meine Nähe auf den Boden. Er bot mir eine Zigarette an, die ich dankbar annahm, obwohl er selbst Nichtraucher war. Er musste die Kippe wohl von Vincent geschnorrt haben. Eine Weile rauchte ich schweigend. Marc ließ mir offenbar bewusst Zeit, damit ich mich beruhigen konnte. Das funktionierte auch halbwegs, denn ich war todmüde und hatte eigentlich schon lange keine Kraft mehr zu kämpfen. Am liebsten wollte ich jetzt irgendwo anders sein, vielleicht auf einer einsamen Insel. Ich wäre dort gerne mit Clay allein, überlegte ich. Clay, dachte ich. Meine Kehle schnürte sich zu und ich musste hart schlucken.
Später fing mein Mitbewohner plötzlich an zu sprechen. „Du bist so blind vor Liebe, Sean. Du siehst in Banton nur das, was du sehen willst", behauptete er zaghaft. Spöttisch lachte ich auf und schüttelte den Kopf. „Absolut nicht, Marc! Das ist totaler Quatsch! Du hast ja keine Ahnung, wie verdammt real ich Clay sehe! Ich sehe ihn sogar so verflucht real, dass ich es oft kaum noch ertragen kann!" erklärte ich ihm hart und taxierte ihn kampfbereit. Marc Hellberg lächelte mitleidig, was mich sofort ganz extrem ärgerte. „Ich bin absolut nicht blind, klar? Ich werde ihn nur nicht abservieren! Was ist das überhaupt für ein scheiß Wort? Und was seid ihr überhaupt für scheiß Freunde? Nur weil es Clay zur Zeit nicht so gut geht, wollt ihr ihn sofort aus eurem Leben werfen! Was soll eurer Meinung nach denn mit ihm passieren? Soll Clay sich in Luft auflösen? Das ist ja wohl das Letzte!" regte ich mich wütend auf. Allein der Gedanke an die eiskalte Niedertracht meiner Mitbewohner brachte mich auf die Palme, und mein Herz fing damit an, härter zu schlagen. Das Blut rauschte mir in den Ohren. Clay braucht meine Hilfe und wird sie immer von mir bekommen, beschloss ich grimmig, ganz egal, was noch passiert.
Marc hob abermals beruhigend die Hände, und seine ständig besänftigende Geste ging mir total auf den Geist. „Du hast recht, das Wort ist scheiße. Es hört sich viel zu brutal an. Und das hätte Clay auch gar nicht verdient, dass wir ihn abservieren", stimmte er mir unerwartet zu. Überrascht betrachtete ich ihn, denn mit seiner Zustimmung hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Marc lächelte behutsam. „Nein, es geht doch hier eigentlich um was anderes", meinte er vorsichtig. Ich grinste spöttisch, aber wahrscheinlich sah es nur beduselt aus. „Ach ja?" Aufmerksam sah er mir in die Augen. „Es geht in erster Linie um dich, Sean. Es geht darum, dass du mit ihm untergehst", erklärte Marc mir ruhig und beobachtete gespannt meine Reaktion. Diese Information musste ich erst mal sacken lassen.
„Was meinst du damit?" hakte ich schließlich nach, obwohl ich nichts Gutes ahnte. Herr Hellberg war auf einmal viel zu ernst und entschieden zu traurig. Darauf hatte ich keine Lust, denn das deprimierte mich. Er hob langsam seinen Arm und legte mir sanft die Hand auf die Schulter. Ich widerstand dem intuitiven Drang, ihn abzuschütteln. Nervös beobachtete ich ihn, wie er sichtbar versuchte, die richtigen Worte zu finden. „Du bist so unglaublich verliebt in Banton", sagte er endlich zögernd. Dem hatte ich nichts entgegenzusetzen, deshalb wartete ich schweigend ab, was noch kommen würde. Marc hatte offenbar jetzt Schwierigkeiten mit seiner Wortwahl. Wahrscheinlich wollte er mich nicht verärgern oder verletzen. Als mir das klarwurde, wartete ich voller Argwohn auf seine Worte. Er wählte sie mit Bedacht. „Du bist so... bedingungslos in deiner Liebe zu Banton. Es ist völlig egal, was er tut, oder wie er mit dir umgeht, du hörst einfach nicht auf, diesen Mann zu lieben, allein weil es ihn gibt." Marc flüsterte jetzt beinahe. Ich konnte seine Feststellung so stehenlassen.
„Und weiter?" drängte ich ihn ein bisschen spöttisch. Er sah mich an, und erneut war in seinem Blick entschieden zu viel Sorge und Mitleid. „Hast du dich auch nur einmal, ein einziges Mal gefragt, ob Clay Banton das gleiche auch für dich empfindet?" wollte Marc ernsthaft von mir wissen. „Kommt es darauf an?" erwiderte ich spontan störrisch. Marc nickte entschieden. „Oh ja, Sean, darauf kommt es an! Darauf kommt es auf jeden Fall an, glaub mir das!" Abwehrend stand ich auf und holte einen Aschenbecher, in den ich meine Kippe etwas zu heftig drückte. Es gelang mir, nur ein wenig zu torkeln, weil ich mich ganz auf meine Schritte konzentrierte. Ich stellte den Aschenbecher auf den Boden zwischen uns und ließ mich wieder auf die Matten sinken. Aber diesmal weiter weg von Marc, der gerade dabei war, verflucht tief in meine verwundete Seele einzudringen, wie ich verärgert registrierte. Ich war mir noch nicht im Klaren darüber, ob ich das überhaupt zulassen wollte.
Marc beobachtete mich interessiert, und er schien auf jede Reaktion von mir gefasst zu sein, was mich irritierte. „Hast du jemals jemanden geliebt?" fragte ich ihn nach einer Weile. „Ich meine, richtig geliebt", setzte ich betonend hinzu. Marc lächelte traurig, denn er wusste natürlich, dass ich ihn gut genug kannte, um einiges über sein nicht vorhandenes Liebesleben zu wissen. „Nein", gab er sofort zu, was ich ihm insgeheim hoch anrechnete. „Dann halt dein Maul", wies ich ihn scharf zurecht. Er schloss für einen Moment hilflos die Augen und seufzte: „Du hast wohl recht, ich kann dir deine Liebe nicht nachfühlen, Sean. Aber ich sehe ganz genau, was mit dir passiert! Und das macht mir große Sorgen. Und Vincent übrigens auch." Alarmiert horchte ich auf. „Hast du etwa mit Vincent über mich gesprochen?" tadelte ich ihn maßlos verärgert. Irritiert hob er die Schultern. „Was denkst du denn, Sean? Selbstverständlich rede ich mit Vincent über das Theater und über dich, zumal wir uns ehrlich Sorgen um dich machen!" „Ich habe euch nicht gebeten, euch Sorgen um mich zu machen, verdammt!" entfuhr es mir genervt. Im nächsten Moment war ich verwirrt, weil ich diesen Satz schon so oft von Clay gehört hatte, und nie geglaubt hatte, ihn einmal selbst auszusprechen.
„Sean!" seufzte Marc gekränkt, „Es geht uns aber nun mal was an, was mit dir passiert! Das betrifft uns doch unmittelbar! Du bist unser bester Freund! Wir arbeiten und leben zusammen, das muss dir doch klar sein!" Seine merkbar emotionale Anteilnahme rührte mich plötzlich irgendwie. Gleichzeitig war ich ziemlich angepisst, weil sie sich um mich Sorgen machten, um Clay aber offenbar kein bisschen. Nervös zündete ich mir eine neue Zigarette an, als ich die Schachtel auf dem Boden entdeckte, die Marc dort hingelegt haben musste. „Und was ist eure Meinung, was mit mir passiert, Marc?" In meiner Stimme klang Hohn, aber es war nur Unsicherheit. Er betrachtete mich nachdenklich. „Du gehst zusammen mit Clay Banton kaputt", stellte er endlich seufzend in den Raum. Unwillkürlich lachte ich nervös auf. Marc lachte überhaupt nicht. „Das ist kein Witz. Das ist leider die Wahrheit", flüsterte er betrübt. „Du bist ja mal wieder ganz schön dramatisch, kleine Dramaqueen. Aber das ist ja deine Spezialität", erwähnte ich leichthin.
Plötzlich rückte er nah zu mir und griff beschwörend nach meinem Arm, bevor ich ausweichen konnte. „Bitte, Sean, bitte hör mir zu! Deine Gefühle für Clay sind im Grunde wunderbar. Ich wünschte, mich würde jemand so sehr lieben, wie du ihn liebst. Aber deine Gefühle sind leider auch die reinste Sackgasse, verstehst du? Am Ende sind sie nur Quälerei für dich. Weil da kommt einfach nichts von ihm zurück zu dir. Er hat noch niemals auch nur die kleinste Rücksicht auf dich genommen. Dieser Mann empfindet für dich doch höchstens Mitleid." Seine verzweifelten Worte trafen mich unerwartet schmerzhaft, wie ein scharfes Katana Schwert mitten durchs Herz. „Das weißt du doch gar nicht!" fuhr ich ihn entsetzt an, „Du weißt gar nichts über meine Beziehung zu Clay!" Marc lächelte gequält. „Glaube mir, Sean, ich weiß alles", behauptete er leise.
Ich hustete nervös und drückte meine Kippe in den Aschenbecher, obwohl ich sie erst halb geraucht hatte. Mein Hals war ganz trocken, ich hatte tierischen Durst. Marc holte gleich nochmal mit seinem verbalen Schwert aus. „Ich weiß ganz genau, wie sehr du wegen ihm schon gelitten hast und jeden Tag aufs Neue leidest. Wie sehr es dich persönlich verletzt, wenn er uns im Theater hängen lässt. Und wie lange du schon darauf wartest, dass ihm endlich klar wird, dass er dich auch liebt. Sean! Diese traurige Geschichte dauert doch jetzt schon etliche Jahre!" schlug er hart zu. Marc gab mir keine Zeit, mich von seiner brutalen Wahrheit zu erholen, sondern prügelte gleich weiter mit seiner Stimme auf mich ein. „Und mit jedem einzigen Mal, wenn er dich irgendwie enttäuscht, dich abweist, zu seiner Freundin geht, mit irgendwelchen anderen Frauen oder Männern herummacht, oder sich über dich lustig macht, wirst du ein Stückchen weniger, Sean!" Marc hatte jetzt beinahe Tränen in den Augen, so sehr schmerzten ihn seine eigenen Worte. Trotzdem hielt er einfach nicht die Klappe. „Dieser Mann wird sich niemals zu seiner Homosexualität bekennen, Sean! Er wird sich niemals zu dir bekennen! Er wird dich auch niemals so lieben, wie du ihn liebst! Clay Banton kann das gar nicht! Zu so viel Hingabe ist er gar nicht fähig! Du stehst in dieser Sache vollkommen auf verlorenem Posten! Es wird sich nichts ändern, es wird höchstens immer schlimmer sein! Wenn dir das nicht bald klar wird, dann ist es zu spät! Dann ist es für uns alle zu spät und besonders für dich!"
Nun lief tatsächlich eine Träne aus seinem Auge, was ich fasziniert zur Kenntnis nahm. Allerdings war die Wucht seiner Worte wohl zu viel für meinen zugedröhnten Verstand, oder ich schaltete einfach ab, weil ich sie nicht ertragen konnte. Plötzlich hatte ich das Gefühl, mein Freund würde von jemand anderem reden, und nicht von Clay und mir. Wahrscheinlich war das eine intuitive Schutzreaktion meines Gehirns, um Schaden von ihm abzuwenden. Oder ich war einfach nur ein blind verliebter Trottel.
„Banton liebt mich auf seine Weise, Marc. Clay macht alles auf seine Weise. Aber davon hast du keine Ahnung", erwiderte ich kühl und stand auf, wobei ich mich Marcs Zugriff bewusst entzog. Ich bekam das dringende Bedürfnis, dieses Zimmer sofort verlassen zu müssen. Marc merkte mir an, dass ich für weitere Wahrheiten nicht bereit war. „Nein, warte! Hör dir das an!" heulte er verzweifelt auf und sprang hastig auf die Beine, „Das ist immens wichtig, Sean! Du musst dir das unbedingt anhören!" Hilflos stand ich dort und sah ihn müde an. Die Drogen in meinem Schädel verwandelten sich kontinuierlich in Kopfschmerzen. Marc wurde wahrscheinlich klar, dass ich keine weiteren Weisheiten von ihm hören wollte. Dennoch gab er noch nicht auf. „Sag doch mal was dazu! Wie siehst du die Sache, Sean? Ich habe doch recht, oder? Das musst du doch zugeben, wenn du mal ernsthaft darüber nachdenkst!" „Du hast mich ja ziemlich genau analysiert, was?" meinte ich lapidar. Er seufzte schwer. „Wir leben unter einem Dach, Sean. Ich sehe dich jeden Tag, da erfahre ich zwangsläufig Einiges über dich." „Ja, wir wohnen zusammen in diesem Haus. Wir arbeiten im Theater zusammen, Marc. Und deshalb denkst du, du wüsstest alles über mich? Trage ich meine Seele offen vor mir her, oder was?" sagte ich verärgert. Strafend schaute ich ihn an. In meiner Stimme klang mein Widerwillen, mich noch länger mit ihm auseinanderzusetzen.
Marc erwiderte bittend meinen Blick und beschwor mich: „Du gehst kaputt an Clay Banton. Das musst du mir glauben. Er ist nicht der Mann, den du dir in ihm vorstellst. Das, worauf du schon ewig hoffst, wird mit ihm niemals passieren. Er kann mit deiner Liebe doch überhaupt nicht umgehen. Er weiß deine Liebe noch nicht mal zu würdigen." Marcs Stimme klang jetzt sehr verzweifelt. Ich betrachtete ihn eine Weile lauernd. Plötzlich glaubte ich, in seinen Augen noch etwas anderes zu erkennen, was mich wirklich überraschte. „Willst du mich anbaggern, Hellberg? Bist du etwa selbst verliebt in mich?" fragte ich ihn spöttisch, um ihn mir irgendwie vom Hals zu schaffen. Er warf mir einen gekränkten Blick zu. „Nein, ich möchte dich nur vor weiterem Unheil bewahren. Ich finde einfach, dass du schon genug gelitten hast", entgegnete er hilflos. „Du willst ja nur deinen Job als Bühnenbildner nicht verlieren", warf ich ihm überheblich an den Kopf, obwohl ich genau wusste, dass es Marc darum nun wirklich nicht ging, denn er war auf diesen Job nicht angewiesen. Außerdem verdiente keiner von uns besonders viel Geld mit dem Theater.
Aber ich war emotional stark angeschlagen, stand unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln, konnte keine weiteren Schläge mehr verpacken und konnte mich auch nicht bremsen. „Hör auf, dir vorzumachen, du wüsstest auch nur irgendetwas über mich! Du weißt gar nichts, Marc! Du hast nicht die geringste Ahnung davon, was zwischen Clay und mir abgeht! Also halte dich gefälligst aus meinen persönlichen Angelegenheiten heraus, klar?" Ich versuchte jetzt energisch, ihn mir endlich vom Leib zu halten, und das funktionierte hervorragend. Marc war wirklich getroffen von meiner schroffen Abfuhr, und er kapierte letzten Endes, dass er diesen Kampf verloren hatte. Er hatte ihn schon verloren, noch bevor er begonnen hatte, denn nichts und niemand würde mir Clay Banton jemals ausreden können. „Ich meine es gut mit dir, Sean. Auch Vincent meint es gut mit dir", behauptete Hellberg traurig. Ich lachte höhnisch auf, doch in Wahrheit war mir zum Heulen zumute. Marc musterte mich ständig besorgt, was mir ziemlich auf die Nerven ging. Andererseits war ich von seiner Anteilnahme irgendwie berührt. Es tat mir schon leid, dass ich ihn mit meiner groben Abwehr gekränkt hatte. Aus irgendeinem Grund bekam ich das Bedürfnis, ihn zu beruhigen.
Ich schaute ihn offen an, schluckte zweimal trocken und gab mir einen Ruck. „Clay ist heute zum Arzt gegangen. Er nimmt jetzt wieder Methadon. Dadurch wird alles besser werden. Ihr werdet schon sehen", informierte ich ihn versöhnlich. Aber Marc seufzte nur: „Bist du wirklich davon überzeugt, Sean? Das hatten wir doch schon, oder etwa nicht?" In diesem Moment konnte ich seinen scheiß Pessimismus nicht ertragen. „Und ist es beim ersten Mal etwa nicht besser geworden?" fuhr ich ihn verärgert an. Der aufdringliche Mann regte mich auf, alles regte mich beschissen auf. Ich wollte meine Ruhe haben! Unruhig trat ich auf der Stelle, weil ich das Gefühl bekam, mich dringend bewegen zu müssen. Sonst würde ich womöglich bald auf den unerwünschten Mann in meinem Zimmer einschlagen. Marc guckte mich hilflos an und nickte zögernd. Ich holte tief Luft und betonte: „Clay hat mir versprochen, dass er das durchzieht. Er wird jetzt mit dem Heroin aufhören." Sofort schüttelte Marc energisch den Kopf. „Er wird niemals mit dem Heroin aufhören, Sean! Mach dir doch nichts vor!" versuchte er mir einzureden.
Seine Worte waren wie ein Schlag vor den Kopf. „Warum sagst du so etwas?" schrie ich so entsetzt auf, dass meine Stimme sich peinlich überschlug, „Warum bist du so sicher, dass er das nicht schaffen kann? Warum gibst du ihm keine Chance? Ich habe es doch schließlich auch geschafft!" Total aufgebracht rang ich nach Luft. Marc zuckte erschrocken zusammen. „Okay, aber du bist auch ein ganz anderer Mensch als er. Du hast deinen Verstand noch nicht restlos vergiftet", warf er vorsichtig ein. Spöttisch blies ich die Luft aus und bremste meinen Zorn, obwohl ich meinen Freund am liebsten nur noch anschreien wollte. „Aber klar! Du kennst ihn ja auch viel besser als ich, nicht wahr, Hellberg? Du bist der wahre Clay Banton Experte, oder?" „Sean!" stöhnte Marc überfordert und drehte sich von mir weg. Offensichtlich war er langsam mit seiner Weisheit am Ende. Er resignierte demnach, was in mir ein Gefühl des Triumphs aufkommen ließ, das mich augenblicklich ruhiger stimmte. „Vielleicht hast du ja recht, Marc", lenkte ich leise ein. Der Dummkopf sah mich sofort hoffnungsvoll an. Ich lächelte hinterhältig. „Vielleicht aber auch nicht, und es kommt so, wie ich es dir sage: Clay hört mit den scheiß harten Drogen auf, und Supernova Soul wird ein absolut durchschlagender Erfolg werden!" Ich versuchte, in meinen beduselten Blick meinen ganzen Glauben daran zu legen, obwohl mein Glaube in Wahrheit nicht besonders stark war.
Marc betrachtete mich eine Weile nachdenklich. „Hast du ihn gefunden?" fragte er dann plötzlich. Seine Stimme und sein Blick verrieten mir, dass er nichts als die Wahrheit von mir hören wollte. Ich brauchte einen Moment, um seine unerwartete Frage richtig zu deuten. „Was meinst du?" versuchte ich nervös, Zeit zu schinden, während mir klarwurde, dass Marc mir vorhin, als ich behauptet hatte, Clay ginge es gut und wir hätten alles geklärt, kein Wort geglaubt hatte. Er lächelte freudlos. „Du weißt genau, was ich meine! Heute nach dem Interview bist du wie in Trance aus dem Theater gestürmt, um ihn zu suchen! Hast du ihn gefunden?" Lauernd taxierte er mich.
Unvermittelt geriet ich in Panik, weil ich mir unerwartet plötzlich eine neue Geschichte für ihn ausdenken musste, aber mein Kopf sich entsetzlich leer anfühlte. Gleichzeitig kamen erneut diese Bilder in mir hoch. Clay, wie ich brutal auf ihn einschlug. Clay, wie ich ihn entfesselt fickte. Und ich wollte am liebsten meinen Schädel ohne Pause gegen die Dachbalken knallen, bis er entzweispringen würde und ich endlich erlöst wäre. Marcs lauernder Blick lag auf mir, er studiere meine Reaktion höchst interessiert, und ich zwang mich eilig, mir nichts anmerken zu lassen. Spontan entschied ich mich gegen eine Lüge und nickte. „Ja." „Und?" hakte Marc neugierig nach, wobei er das Wort dehnte und wie eine wichtigeFrage klingen ließ. „Was und?" spielte ich noch immer hilflos auf Zeit. „Wo war er? Was ist passiert? Was hast du mit ihm gemacht? Hast du ihn verprügelt?" drängte Marc mich wissbegierig. Bevor mir alle Sicherungen durchbrennen konnten, hatte ich den rettenden Einfall. „Er war beim Arzt und hat sich Methadon geholt", erklärte ich ihm triumphierend, weil das ein neutraler Anfang, keine Lüge und eine gute Erklärung war.
Aber Marc war überhaupt nicht beeindruckt. „Den ganzen Tag lang?" fragte er mich mit beschissen zweifelnd hochgezogenen Augenbrauen. Genervt verdrehte ich die Pupillen und erläuterte: „Der Arzt hat ihn gründlich untersucht. Immerhin ist er ja verletzt, wie du vorhin so treffend betont hast." Grausame Bilder einer Vergewaltigung in einem Gebüsch blitzten unwillkürlich in meinem Verstand auf, und ich musste mich schockiert von Marc abwenden. Mein Herz fing an zu rasen, ich bekam keine Luft mehr. Krampfhaft bemühte ich mich, ruhig zu atmen, aber Marc kannte mich zu gut, um nicht sofort misstrauisch zu werden. Hellhörig kam er auf mich zu, ging um mich herum und glotzte beunruhigt in mein Gesicht, und ich hatte große Mühe, nicht zurückzuweichen. Ich konnte ihn nicht ansehen. „Was ist passiert, Sean?" wollte Marc hörbar alarmiert von mir wissen. Ich schloss die Augen. „Gar nichts. Es ist nichts passiert", versicherte ich ihm abwehrend. Wenn er wüsste, dass ich mich erst vor ein paar Stunden ernsthaft umbringen wollte, dann würde er komplett durchdrehen, dachte ich mit einem schmerzenden Knoten im Magen. Wenn er wüsste, dass ich Clay in einem verdammten Gebüsch im Stadtpark vergewaltigt habe, dann würde er ernsthaft an meinem Verstand zweifeln. Marc würde ahnen, dass ich meine eigene Tat nicht so leicht verarbeiten kann, das allein der verfluchte Kontrollverlust mir ewig nachhängen wird. Er wäre sich sicher, dass ich ohne professionelle Hilfe daran kaputtgehen würde. Marc würde mich höchstwahrscheinlich auf der Stelle in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen, weil er zu viel Angst hätte, dass ich mein Selbstmord-Vorhaben nicht aufgeben würde.
Ich konnte mir gut vorstellen, wie mein Mitbewohner auf diese Informationen reagieren würde, und ich hatte wirklich keine Lust, mich vor ihm rechtfertigen zu müssen. Marc durfte die Wahrheit niemals erfahren. Das alles ging ihn nichts an. Niemanden ging das etwas an, nur Clay und mich. Aber mein Freund reimte sich selber irgendwas zusammen und starrte mich verstört an. „Sean! Um Himmels Willen...", flüsterte er fassungslos. Ich atmete tief und drehte mich kurzentschlossen zu ihm um. „Was soll das? Was denkst du denn, was passiert wäre?" entfuhr es mir herausfordernd. Gleich darauf bereute ich das auch schon, denn damit forderte ich Marc förmlich auf, mir seine Vermutung zu offenbaren. „Du hastihn verprügelt! Er war schon wieder bei Eliza. Du hast Clay bei Eliza gefunden. Das konntest du nicht ertragen, und da hast du ihn verprügelt", spekulierte er viel zu aufgeregt. Seine relativ harmlose Version war mir allemal lieber, als die peinlichen, schmerzvollen Tatsachen, deshalb blies ich spontan erleichtert Luft aus.
Im nächsten Moment ärgerte ich mich, weil ich gar keine Lust hatte, Marc auch nur irgendetwas über mein letztes Zusammentreffen mit Clay Banton oder die einsame Zeit danach, die ich in qualvoller Todessehnsucht verbracht hatte, zu erzählen. „Ich habe ihn nicht verprügelt, beruhige dich!" wies ich ihn schroff zurecht und war verblüfft, wie leicht mir diese dreiste Lüge über die Lippen gekommen war. Bevor er noch länger auf dieser extrem unerfreulichen Episode herumtrampeln konnte, schob ich ihn energisch von mir weg. „Lass mich in Ruhe! Ich bin todmüde und will jetzt schlafen! Ich muss morgen früh aufstehen, verdammt!" Aber Marc war leider viel zu neugierig, um so schnell aufzugeben. Er musterte mich fassungslos. „Du tust immer so, als wäre es die normalste Sache der Welt, ihn zu schlagen! Du bist ausgeklinkt, weil du ihn bei Eliza gefunden hast, nicht wahr?" stellte er fassungslos fest.
Marc Hellberg lechzte förmlich nach diesem Skandal. Und er würde mich nicht eher in Ruhe lassen, bis ich ihm irgendwas geliefert hatte, irgendeine verfluchte Information. Extrem genervt stöhnte ich auf. „Das geht dich überhaupt nichts an, verdammt!" schrie ich ungeduldig los. Mein Kopf dröhnte. Pausenlos fühlte ich mich angegriffen und nicht stark genug, um dem noch länger standzuhalten. „Also habe ich recht!" seufzte Marc betrübt, „Du hast den armen Kerl tatsächlich und brutal für seinen Verratbestraft." Bei dem Wort Verrat malte er mit seinen Fingern blöde Anführungszeichen in die Luft, als hätte Clay uns nur in meiner Vorstellung verraten. Es war jetzt eine Feststellung und keine Frage mehr. Müde schloss ich die Augen. Erneut tauchten unvermittelt Szenen in meinem Geist auf, an die ich wirklich nicht denken wollte. Ich wollte nie wieder an mein Verbrechen denken. Diese Bilder entsetzten und beschämten mich enorm. Sie schmerzten unverändert stark, und ich fragte mich voller Angst und Schuld, ob sich dieses Gefühl wohl in meinem restlichen Leben jemals ändern würde.
Einen Moment lang war ich in meiner Angst versunken, für den Rest meines Lebens nur noch Schuld und Scham zu empfinden. Dann erinnerte ich mich an Marc, der immer noch wissbegierig vor mir stand. Ich riss mich zusammen, öffnete die Augen und lachte höhnisch auf. „Ach, sieh an! Auf einmal ist Clay wieder der arme Kerl? Gerade noch wolltet Vincent und du ihn doch am liebsten sofort loswerden! Ich soll Clay doch lieber heute als morgen herzlos abservieren, das wollt ihr doch unbedingt!" „Das heißt aber nicht, dass du ihn ständig schlagen sollst!" wandte Marc traurig ein, „Immerhin ist Clay Banton trotz allem unser Freund!" Mein Lachen wurde hysterisch, und Marc zuckte zusammen und betrachtete mich beunruhigt. „Vince und du, ihr beide seid so beschissen scheinheilig. Ihr bezeichnet Clay tatsächlich als euren Freund. Aber das ist er nur, solange er keinen Ärger macht. Wenn er Probleme verursacht, die euch nicht in den Kram passen, oder wenn er euch angeblich gefährlich wird, dann soll er so schnell wie möglich einfach verschwinden. Das ist so verflucht bigott, Hellberg!" Meine zornige Stimme war automatisch sehr laut geworden. Angewidert funkelte ich ihn an, und er wich erschrocken vor mir zurück. „Dein blinder Fanatismus für diesen Mann macht mir langsam richtig Angst", bemerkte er ganz leise, und ich wollte ihn dafür am liebsten kräftig ins Gesicht schlagen.
Höhnisch blies ich Luft aus und zwang mich ein weiteres Mal zur Ruhe. „Jetzt hör mal zu, Marc! Clay wird damit aufhören, zu viel Heroin zu nehmen. Er wird sich ab sofort zusammenreißen, und alles wird gut gehen, okay? Clay wird auf der Bühne wie immer absolut fantastisch sein. Das garantiere ich euch, und das ist definitiv alles, was ihr wissen müsst!" beendete ich entschieden die unselige, zur Gänze sinnlose und ungewollte Diskussion. Dummerweise war ich aber gar nicht in der Position, für Clays Verhalten zu garantieren. Jeder, der ihn halbwegs kannte, und besonders ich selbst wusste nur zu gut, dass Herr Banton ohnehin immer nur genau das tat, was er gerade tun wollte. Meine trotzige Garantie war also ziemlicher Schwachsinn. Auch Marc Hellberg wusste das. Aber ich taxierte ihn betont feindselig und wies unmissverständlich auffordernd zum Ausgang meines Zimmers hin, also verkniff er sich eine weitere Bemerkung und wandte sich resigniert zur Treppe hin.
Kurz vor der ersten Stufe drehte er sich nochmal zu mir um und holte Luft, weil er noch irgendwas sagen wollte. Panisch stoppte ich ihn, böse knurrend mit einer unfreundlichen Handbewegung. „Kein Wort mehr, Marc! Kein einziges Wort mehr jetzt! Ich hab die Schnauze voll und echt keinen Bock mehr auf den Scheiß! Ich gehe jetzt schlafen und will nicht gestört werden, klar? Und noch was, morgen werde ich in den Durchgang zu meinem Zimmer eine abschließbare Tür einbauen lassen. Bis dahin wird keiner von euch hier nochmal ungefragt oder unangekündigt raufkommen! Hast du das kapiert?" Meine Stimme war extrem streng. Ich duldete hörbar keinen Widerspruch, obwohl ich dabei das unangenehme Gefühl hatte, irgendwie zu stark zu lallen. Marc schaute mich traurig an, nickte seufzend und betrat die erste Stufe der Treppe. Er verließ unseren verbalen Kampf als haushoher Verlierer und wusste es, aber ich fühlte keinen Triumph mehr darüber. Ich fühlte mich nur noch total erschlagen, unangenehm zugedröhnt, und ich war tierisch deprimiert. „Bitte passe in Zukunft gut auf dich auf, Sean. Lass dich bitte nicht noch weiter von Clay runterziehen", bat mein Freund und Mitbewohner mich leise, während er die Treppe mit eingezogenem Schwanz hinunterschlich, ohne mich dabei anzusehen. „Banton nimmt kein Heroin mehr, verdammt nochmal!" schrie ich ihm angepisst hinterher.
Im nächsten Moment war Marc verschwunden und ich war allein in meiner Dachkammer. Nervös lief ich ein bisschen hin und her, um die hochgekochten Emotionen abzukühlen. Aber das funktionierte nicht besonders gut. Ich machte mir zu viele Sorgen um Clay Banton. Ich hatte ihn in diesem scheiß Park schwer verletzt zurückgelassen. Seine Jeans war vollgesogen mit dunklem Blut gewesen. Ich hatte ihn viel zu brutal gefickt, ohne Rücksicht auf Verluste. Hoffentlich war Clay vernünftig genug gewesen, wenigstens sein Bein im Krankenhaus neu verbinden zu lassen. Doch zwei Sekunden später zweifelte ich auch schon daran, denn Banton war schlicht kein vernünftiger Mensch. Clay war ein leidenschaftlicherMensch. Mein geliebter Mann war sogar so extrem leidenschaftlich, dass er seine eignen Gefühle kaum im Griff behalten konnte. Und ich liebte ihn dafür so sehr, dass es verflucht wehtat.
Die ständigen Gedanken an Clay brachten mich um. Also ging ich zu meiner Jacke und holte mein Handy heraus, um mich abzulenken. Ich legte mich aufs Bett und schaute mir auf dem Handy meine Termine für den morgigen Dienstag an. Es gab einige Seminare zu halten, ein paar Telefonate zu führen, ein paar schon lange getroffene Abmachungen mussten eingehalten werden. Mir fiel ein, dass ich so bald wie möglich Clay anrufen musste, um ihn an den Musikwettbewerb am Mittwoch in der Eule zu erinnern. Ich hoffte, dass Clay zusammen mit mir dort mitmachen würde und stellte in Gedanken eine Playlist für uns zusammen. Ich versuchte abzuschätzen, wie das Publikum auf die einzelnen Songs reagieren würde, ob die Lieder den Menschen gefallen würden.
Ich dachte daran, dass ich die Vorstellungen von Psychotic Kühlschrank in dieser Woche absagen musste, weil Clay zu schwer verletzt war, um im Theater auftreten zu können. Bestimmt wollte er sich mit seinen auffälligen Wunden nicht nackt vor das Publikum stellen. Vielleicht können wir diese Szene vorerst auch einfach weglassen, überlegte ich traurig. Aber das war Mist, denn Clays nackter Auftritt war zweifellos der Höhepunkt der ganzen Performance. Viele Menschen und wohl die meisten Frauen kamen nur deswegen zu uns ins Theater, um den attraktiven Mann nackt zu sehen. Das war eine unbestreitbare Tatsache und mir völlig klar. Clay hatte nicht nur auf der Bühne ein besonderes Charisma, das die Leute magisch anzog.
Mir fiel auf, dass ich in den letzten Minuten schon wieder ausschließlich an Banton gedacht hatte, obwohl ich mich von diesem Schmerz hatte ablenken wollen. Wütend schmiss ich das Handy aufs Bett und schaltete das Licht aus. Mit offenen Augen lag ich ruhig auf dem Bett und starrte nachdenklich in die Dunkelheit. Wir müssen spätestens am Samstag wieder Psychotic Kühlschrank spielen, dachte ich besorgt, bis Samstag muss Clay dringend wieder dazu in der Lage sein, weil wir doch diese Freikarten verteilt haben. Die Leute müssen unbedingt für die abgebrochene Vorstellung entschädigt werden, glaubte ich zu wissen, sonst verzeihen die uns das womöglich nie. Hoffentlich geht es Clay gut und er ist bald wieder gesund, wünschte ich mir. Verdammt, spürte ich intensiver, als mir gefallen konnte, ich vermisse ihn so entsetzlich, dass es mich innerlich zerreißt. Frustriert über meine eigenen Gedankengänge, stöhnte ich laut auf. Plötzlich war ich hellwach. Das Kokain rumorte spürbar in meinem Kopf. Der verfluchte Alkohol drehte mir den Magen um. Das Diazepam gab den Geist auf. An Schlaf war nicht mal mehr zu denken. Eine verdammt lange Nacht lag vor mir.
Eliza
Eigentlich bin ich keine Frühaufsteherin. Ich arbeite viel lieber nachmittags, abends oder nachts im Krankenhaus, als mich um fünf Uhr morgens aus dem warmen Bett quälen zu müssen. Besonders im dunklen Winter und nach ein paar freien Tagen fällt mir das frühe Aufstehen besonders schwer. Aber an diesem Dienstag kam ich wider Erwarten ganz gut aus den Federn. Nachdem irgendein aktueller Hit aus den Charts mich geweckt hatte, fühlte ich mich zu meiner eigenen Überraschung fit und ausgeschlafen, obwohl es so früh und draußen noch finster war. Gewohnt leise, um Rowina nicht zu wecken, erledigte ich im Badezimmer das morgendliche Ritual aus Waschen und Anziehen. Dann nahm ich in der Küche ein schnelles Frühstück aus Cornflakes mit Milch zu mir, dazu ein Glas Orangensaft.
Eine halbe Stunde, nachdem mein Wecker geklingelt hatte, verließ ich das Haus und befreite die Scheiben meines Nissan Micra von Schnee und Eis. Es hatte in der Nacht nochmal kräftig geschneit, daher war es ein wenig mühsam, das Auto fahrbereit zu kratzen. Schließlich waren die Scheiben aber frei und ich konnte einsteigen und losfahren. Genau, wie ich es mir vorgenommen hatte, machte ich auf dem Weg zur Arbeit einen kleinen Umweg, um an Clays Haus vorbeizufahren. Ich wollte meinen wichtigen Brief gut sichtbar bei ihm vor die Tür legen, damit er ihn gleich als Erstes fand, wenn er seine Wohnung verließ.
Das Gewerbegebiet, in dem Clay wohnte, war so früh noch menschenleer. Nur selten war Licht zu sehen, die allermeisten Gebäude waren noch geschlossen. Als ich in die Zielstraße einbog und mich seinem Haus näherte, fiel mir Clays MG auf, der halb auf dem Bürgersteig, mit der Schnauze sehr knapp vor der Hauswand geparkt war. Niemand konnte hier noch den Bürgersteig benutzen, denn der Sportwagen blockierte vollständig den Weg. Es wunderte mich sehr und beunruhigte mich im ersten Moment auch ein wenig, dass Clay sein Auto dermaßen unachtsam abgestellt hatte. Das war sonst nicht seine Art. Sein wertvoller MG war Herrn Banton viel zu wichtig, als dass er es leichtfertig riskiert hätte, dass sein Wagen aus Ärger über das Hindernis von einem Passanten beschädigt oder womöglich abgeschleppt werden würde. Außerdem würde er sich über eine kostenpflichtige Verwarnung wegen Falschparkens mit Sicherheit sehr ärgern.
Ich konnte mich nicht erinnern, dass Clay sein Auto jemals dermaßen schräg auf dem Bürgersteig geparkt hatte, wollte aber nicht über die möglichen Ursachen dieser Merkwürdigkeit nachdenken. Die vorstellbaren Szenarien, die zu seiner Leichtsinnigkeit geführt haben konnten, gefielen mir nicht. Denn der Mann war höchstwahrscheinlich nicht ganz bei Sinnen gewesen, als er seinen MG in Richtung Bürgersteig lenkte und ihn dann einfach als Blockade dort stehenließ. Clay Banton war übermäßig zugeknallt mit harten Drogen gewesen, oder er hatte gestern entschieden zu viel Alkohol getrunken. Oder der Gigolo hatte sich schlicht in irgendwelcher Gesellschaft befunden, die er so schnell wie möglich in sein Bett befördern wollte, sodass ihm sogar der Parkplatz seines Wagens egal gewesen war. Darüber wollte ich bestimmt nicht näher spekulieren!
Schnell fuhr ich an dem dunklen Sportwagen vorbei und hielt direkt vor Clays Hauseingang an. Dann nahm ich den Brief aus meiner Tasche. Ohne den Motor meines Nissans abzustellen, stieg ich aus und lief zum Haus. Ich schaltete die einzelne Glühbirne im Flur ein und huschte die steinerne Treppe hinauf. Zu meinem Ärgernis fing mein Herz vor Aufregung an zu klopfen, als ich mich seiner Wohnungstür näherte. Unwillkürlich stellte ich mir vor, wie der Mann gerade in seinem Bett lag und selig schlief, nur ein paar Meter von mir entfernt. Mit Sicherheit würde er nicht allein in seinem Wasserbett liegen. Irgendjemanden hatte Clay unter Garantie gefunden, der die vergangene Nacht mit ihm zusammen verbracht hatte. Vielleicht war es schlicht Sean Valmont, der ihm doch vor noch gar nicht so vielen Stunden hinterhergelaufen war, als die beiden überstürzt meine Wohnung verlassen hatten.
Hastig legte ich meinen Brief gut sichtbar vor Clays Wohnungstür ab, drehte mich herum und eilte die Treppe wieder hinunter. Es war mir egal, mit wem Clay in diesem Moment in seinem Bett lag. Es musste mir egal sein. Denn ich selbst hatte Clay Banton freigelassen. Ich hatte mich von ihm getrennt, und das war verdammt nochmal auch gut und richtig so! Es ärgerte mich enorm, als mir klarwurde, dass ich mich tief drinnen tatsächlich nach Clay sehnte. Ich sehnte mich nach seinem attraktiven Körper, seinen Zärtlichkeiten, seinem ansteckenden Lachen, seiner Energie und seiner Fröhlichkeit. Ein Teil von mir wollte auf der Stelle umkehren, kräftig an seine Tür klopfen und mich dann mit ihm zusammen in sein bequemes Wasserbett kuscheln. Ich wollte mich in Bantons starken Armen nochmal geborgen fühlen.
Ärgerlich schüttelte ich den Kopf und stieg zurück in mein Auto. Der unerwartete Anfall von Sehnsucht und Nostalgie verflüchtigte sich und ich stellte zufrieden fest, dass meine Vernunft inzwischen stärker geworden war, als meine romantischen Gefühle für Clay. Der rationale Teil von mir, der sich damit abfinden konnte, ihn vorerst nicht wiederzusehen, hatte die Oberhand gewonnen. Ich schnallte mich an und löste die Handbremse. Dann fuhr ich auf direktem Weg zum Christopherus-Krankenhaus. Ich musste noch das Auto parken, auf die Station gehen und mich für die Arbeit umziehen, hatte also keine Zeit zu verlieren. Zum Glück waren um diese frühe Uhrzeit die Straßen noch relativ leer, sodass ich gut vorankam und ohne weitere Verzögerungen den Mitarbeiter-Parkplatz des Krankenhauses erreichte. Ich parkte den Nissan auf meinem Stammplatz, nahm meine Tasche, stieg aus und schloss das Auto ab.
Dann machte ich mich auf den Weg zur Inneren Station, auf der ich zur Zeit meinen Dienst tat. Im Kopf ging ich die Routinen durch, die mich heute erwarteten. Nach meinen freien Tagen konnte sich auf der Station viel geändert haben. Ich musste daher als Erstes die Belegung der Betten durchgehen, die Neuzugänge sondieren, dann die Medikamentenausgabe vorbereiten. Kurz schaute ich ins Schwesternzimmer, begrüßte einige Arbeitskolleginnen und wechselte ein paar Worte mit ihnen. Danach verschwand ich im Umkleidezimmer, stellte meine Tasche in meinen Spind und zog mir meine Arbeitskleidung an. Ich fühlte mich müde und beschloss, mir am Automaten noch schnell einen Kaffee zu ziehen, bevor meine Schicht richtig anfangen würde. Das Koffein sollte mir dabei helfen, den bevorstehenden, anstrengenden Arbeitstag hellwach durchzustehen.
Ich steckte mein Portemonnaie ein und ging hinüber in den Aufenthaltsraum, der um diese Zeit normalerweise menschenleer war. Aber zu meiner Überraschung traf ich in dem kleinen Zimmer auf Siamak, der in seiner Privatkleidung auf dem Sofa saß. Das wunderte mich sehr, denn so weit ich wusste, hatte Doktor Tourani nach seinen drei Tagen und Nächten in der Notaufnahme jetzt endlich Feierabend. Der junge Arzt konnte schon längst auf dem Weg nach Hause sein und hatte keinen Grund, sich hier noch länger aufzuhalten. Stattdessen saß er aber ganz allein auf dem Sofa des Pausenraums. Er starrte gedankenversunken den Fußboden an und wirkte dabei auch noch ziemlich deprimiert. „Hallo Siamak!" grüßte ich ihn verwundert. Nachdenklich schaute er auf. „Hallo Eliza", murmelte er zerstreut. Eindeutig war er mit seinen Gedanken woanders. Naja, das soll mich nicht weiter stören, dachte ich achselzuckend und wandte mich dem Getränkeautomaten zu, an dem ich meinen Kaffee kaufen wollte.
In meinem Portemonnaie suchte ich nach passendem Kleingeld, als Siamak plötzlich hochschreckte. „Ach, Eliza!" rief er, als hätte er meine Anwesenheit erst jetzt, mit Verzögerung richtig realisiert. Lächelnd drehte ich mich zu ihm um. „Ja, ich bin's. Hallo Siamak!" grinste ich amüsiert. „Gut, das ich dich treffe!" meinte Siamak sichtbar erleichtert. Diese Aussage wunderte mich so stark, dass ich spontan verblüfft die Augenbrauen zusammenzog. Was wollte Doktor Siamak Tourani denn von mir? Zwar hatte ich mit dem kompetenten Arzt im Laufe der Zeit schon öfter mal eng zusammengearbeitet. Aber ansonsten hatten wir eigentlich noch nicht viele Wörter miteinander gewechselt. „Ja bitte?" fragte ich ihn verdutzt und schaute ihn erstaunt an. Ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, was er von mir wollen könnte, vermutete aber, dass es höchstwahrscheinlich um unsere Arbeit ging. Jedoch, da hatte ich mich leider komplett getäuscht!
„Darf ich dich mal etwas sehr Persönliches fragen, Eliza?" erkundigte Siamak sich vorsichtig bei mir. Er stand langsam auf und kam zögernd auf mich zu, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Schon wieder war ich baff und fragte mich unwillkürlich, welches seltsame Thema wohl den sonst immer so auffallend selbstbewussten Arzt sichtbar so stark aufwühlte und verunsicherte, und was das mit mir zu tun haben könnte. „Okay...", erlaubte ich ihm leicht irritiert. Mir wurde klar, dass der Doktor offenbar hier auf mich gewartet hatte, was ich mir nicht erklären konnte. Außerdem ahnte ich, dass es sich um kein angenehmes Thema handeln konnte, das er mit mir besprechen wollte, denn Siamak wirkte bei näherer Betrachtung noch viel niedergeschlagener. Das machte mich unwillkürlich nervös. So offensichtlich deprimiert hatte ich den jungen Arzt noch nie erlebt, denn ansonsten konnte ihn eigentlich kaum etwas aus der Ruhe bringen.
Siamak blieb vor mir stehen, betrachtete mich nachdenklich und holte dann tief Luft. „Wie lange bist du eigentlich mit deinem Exfreund zusammen gewesen?" fragte er mich geradeheraus. Spürbar angespannt wartete er auf meine Antwort. Im ersten Moment konnte ich mit seiner Frage überhaupt nichts anfangen. Mir war noch nicht einmal sofort klar, von wem Siamak da eigentlich sprach, wen genau er mit Exfreundmeinte. Aber dann ging mir auf, dass er meine Beziehung zu Clay Banton ansprach, und mein Herz hämmerte augenblicklich aufgeregt los. Ich konnte mir nicht erklären, was Siamak Tourani an Clay noch so brennend interessierte und warum er mir diese merkwürdige Frage gestellt hatte. Ein paar Sekunden lang zog ich ernsthaft in Erwägung, mich lieber nicht auf dieses aufwühlende Thema einzulassen. Aber dann entschied ich mich nochmal um, weil ich irgendwie auch ein wenig neugierig war, wohin dieses Gespräch wohl führen würde.
Ich nahm einen tiefen Atemzug und antwortete wahrheitsgemäß: „Wir waren fast zwei Jahre zusammen." Gleich danach setzte ich ein erstauntes „Warum?" hinzu. Siamak seufzte theatralisch auf, was so wenig zu ihm passte, dass ich vollkommen verdutzt darüber war. Seine seltsam niedergeschlagene Stimmung beunruhigte mich zunehmend. Was war denn eigentlich los? War mit Clay irgendwas passiert? Was zur Hölle hatte Clay Banton getan? Fragend musterte ich den noch immer gedankenverlorenen Siamak. Mein Herz klopfte jetzt spürbar schneller. „Ist dir denn nicht, wenn du mit ihm zusammen warst, irgendetwas an seinem Verhalten aufgefallen, Eliza? Wechselten seine Stimmungen sehr schnell? War er depressiv oder hat er sich vielleicht selbst verletzt? War er besonders eifersüchtig, wütend oder besitzergreifend? Hatte er seine eigenen Gefühle immer vollständig unter Kontrolle?" erkundigte Siamak sich vorsichtig und schaute mich aufmerksam an. Offensichtlich war der junge Allgemeinmediziner an diesen seltsamen Fragen höchst interessiert.
Mir kam der beunruhigende Verdacht, dass der Arzt mich schonen wollte, dass er irgendetwas Wichtiges vor mir verheimlichte. Das verstärkte mein inneres Unbehagen enorm. „Sag mal, reden wir hier über Clay Banton?" fragte ich ihn ganz direkt, um sicherzugehen, dass ich nicht womöglich irgendetwas falsch verstand. Siamak lächelte versonnen in sich hinein und nickte dann. „Ja, ich spreche über Clay", bestätigte er entrückt lächelnd meine Befürchtung. Schon im nächsten Moment war er wieder sehr ernst und guckte mich beschwörend an. „Hat Clay sich während eurer zweijährigen Beziehung nicht öfter mal irgendwie... merkwürdig verhalten?" fragte der Arzt mich drängend, als würde er unbedingt auf meine Zustimmung hoffen. Wissbegierig beobachtete er meine Reaktion.
Obwohl ich das im Grunde gar nicht wollte, musste ich über seine Frage nachdenken. Meine Gedanken wanderten autonom zurück in meine Zeit mit Clay, auf der verwirrten Suche nach irgendwelchen Merkwürdigkeiten in Clays Verhalten. Siamak schien mir meine unwillkürlichen Überlegungen anzumerken, denn er meinte sogleich aufgeregt: „Du erkennst ihn in meinen Beispielen wieder, nicht wahr, Eliza?" Alles in mir wollte auf der Stelle wissen, was eigentlich konkret los war, was dieses seltsame Gespräch für eine Ursache hatte. Instinktiv fürchtete ich, dass der Grund für Siamaks Fragen ein sehr unerfreulicher sein könnte. Das hörte sich alles überhaupt nicht gut an! Aber ich mahnte mich innerlich zur Ruhe. Ich wollte mir meinen ungesteuerten inneren Aufruhr vor Doktor Siamak Tourani nicht anmerken lassen. Schließlich hatte ich mich längst von Clay getrennt.
Darum schüttelte ich betont gleichgültig den Kopf. „Nein... mir ist nichts Besonderes aufgefallen." Siamak seufzte, als würde das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern lasten, was mich beunruhigte, weil es nicht zu dem Mann passte, wie ich ihn bisher zu kennen glaubte. „Ich habe den starken Verdacht, dass dein Exfreund eventuell an der Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet", flüsterte Siamak betrübt und schaute mich traurig an. Abrupt fühlte ich mich, als hätte er mich vor den Kopf geschlagen. Das war doch kompletter Blödsinn! Siamak Tourani war weder ein Psychiater noch ein Psychologe, er konnte Clays Persönlichkeit doch gar nicht beurteilen. Warum um alles in der Welt maßte er sich an, Clay Banton irgendeine konkrete Diagnose zu stellen, und dann auch noch so eine niederschmetternde? Ich spürte Wut in mir aufkommen, ermahnte mich jedoch, lieber ruhig zu bleiben.
„Hör mal, Siamak, du hast wirklich nicht mal annähernd die Kompetenz dazu, um das zu beurteilen!" sagte ich ihm auf den Kopf zu und musterte ihn vorwurfsvoll. Er holte tief Luft. „Aber du musst doch zugeben, dass Clay seine Gefühle kaum kontrollieren kann! Dass er sich in viele Situationen hineinsteigert und einen unglaublichen Zorn in sich verbirgt!" Fast beschwörend fixierte der Doktor mich, als wollte er dringend meine Zustimmung hören. Ich dachte eine Weile über seine Worte nach und schüttelte dann entschieden den Kopf. „Nein, das stimmt alles nicht! Clay Banton kann sich sehr wohl kontrollieren. Er ist weder depressiv noch eifersüchtig oder besitzergreifend. Er kann auch problemlos Beziehungen eingehen. Clay ist zwar sehr leidenschaftlich und extrovertiert, aber ich habe an seinem Verhalten noch niemals etwas Krankhaftes bemerkt", berichtete ich dem Arzt mit Überzeugung. Insgeheim dachte ich jedoch, dass Siamak vielleicht nicht ganz unrecht hatte. Clay ist so fürchterlich zornig gewesen, als er gestern Abend mein Badezimmer verlassen hat, erinnerte ich mich unbehaglich, und er hat Sean und mich mit so viel sichtbarem Hass bedacht. Diese Art von stürmischer Wut hatte ich vorher noch nie an Clay bemerkt. Irgendwas war in diesem Moment eindeutig mit ihm passiert, was ich noch nicht verstanden hatte. Aber ich wollte Siamak nichts von diesem Vorfall erzählen, weil ich nicht wollte, dass er Clay für krank hielt. Herr Banton war leider Gottes heroinsüchtig, aber er hatte bestimmt keine psychische Krankheit! Das wäre mir in unserer Beziehung doch wohl aufgefallen, dachte ich trotzig, musste aber zugeben, dass ich mich leicht verunsichert fühlte.
„Ich fürchte, ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht!" brach sein Leid so plötzlich aus Doktor Tourani hervor, dass ich verschreckt zusammenzuckte. Der attraktive Mann drehte sich verzweifelt von mir weg und fing damit an, nervös und aufgewühlt im Zimmer auf und ab zu gehen. Eine Weile beobachtete ich ihn verwirrt. Dann ging ich kurzerhand mit festem Schritt auf ihn zu und hielt ihn an der Schulter auf. „So, Siamak, jetzt sag mir bitte endlich mal, was hier eigentlich los ist!" forderte ich ihn direkt auf, obwohl mein Herz dabei sehr nervös hämmerte. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich überhaupt wissen wollte, was Siamak zu seinen seltsamen Ansichten veranlasste. Irgendetwas höchst Unerfreuliches musste in der Zeit von Samstagnacht, als ich mit Clay in der Notaufnahme gewesen war, bis zu diesem Augenblick passiert sein, und es hatte eindeutig mit Banton zu tun. Ich konnte mir nur nicht vorstellen, was genau das sein sollte. Siamak hatte Clay doch meines Wissens nach seit dem Samstag gar nicht mehr gesehen! Warum war der Doktor also wegen dem Mann so sehr in Aufruhr? Warum stellte er ohne ersichtlichen Grund plötzlich so eine hammerharte Diagnose über Clays Persönlichkeit?
Aber Siamak schaute mich nur unglücklich an und sagte gar nichts. Er schien wieder in seine trüben Gedanken zu versinken, und ich spürte meine Geduld rapide schwinden. Ich kannte Clay Banton sehr gut, und er litt unter Garantie nicht an BPS! Da war ich mir ziemlich sicher, obwohl ich natürlich auch keine Fachfrau in diesen Dingen war. Aber nichts an Clays Verhalten hatte mich jemals ernsthaft an ihm zweifeln lassen. Gut, der dumme Kerl war heroinsüchtig und daher manchmal unberechenbar, aber da lag die Schuld ja ausschließlich bei den scheiß Drogen. Clay war sehr impulsiv, emotional und ziemlich gedankenlos. Aber er hatte sich während unserer gemeinsamen Zeit in meinen Augen niemals krankhaftaufgeführt.
„Wie kommst du zu diesen komischen Gedanken, Siamak? Was ist das für ein Fehler, den du glaubst, gemacht zu haben?" drängte ich den Doktor ungeduldig nach Antworten. Er schaute mich unglücklich an. „Ich habe ihn umarmt. Das hätte ich auf gar keinen Fall tun dürfen! Ich wusste doch, was er für mich empfindet! Das hat er mir doch von Anfang an deutlich signalisiert", berichtete Siamak mir spürbar schuldbewusst. Mit dieser unerwarteten Information konnte ich erst mal gar nichts anfangen. So ein Vorfall war mir nicht bekannt. Am Samstag hatte der Arzt seinen Patienten doch meines Wissens nach nicht umarmt, oder? War Clay etwa seitdem nochmal hier gewesen? Mein Herz hämmerte los bei der Vorstellung, wie Banton Siamak im Krankenhaus aufsuchte, nur weil er unbedingt nochmal mit ihm flirten wollte. Oh nein! „Jetzt sag nicht, dass Clay nochmal bei dir war?" entfuhr es mir alarmiert. Siamak schien verwirrt zu sein, als er mich nachdenklich betrachtete. „Ach ja... das weißt du ja noch gar nicht...", murmelte er gedankenversunken.
Langsam wurde es mir zu bunt, weil Doktor Tourani mir etwas anscheinend sehr Wichtiges verheimlichte, und ich mich deshalb dumm, ausgeschlossen und unwissend fühlte. „Jetzt erzähl schon!" rief ich vorwurfsvoll und taxierte ihn auffordernd, „Warum hast du ihn umarmt? Und wann war das?" Ich konnte mir recht gut vorstellen, wie Clay auf diese sicherlich nur freundschaftlich gemeinte Umarmung reagiert hatte und musste ungewollt grinsen. Siamak seufzte nochmal und riss sich sichtbar zusammen. Offen schaute er mich an. „Clay Banton ist gestern spätabends nochmal bei mir in der Notaufnahme aufgetaucht. Aber ich darf dir darüber eigentlich nichts erzählen, Eliza. Das weißt du doch", meinte er allen Ernstes. Empört holte ich Luft. „Jetzt hör aber auf, Siamak! Du hast doch schließlich mit diesem Thema angefangen! Und jetzt möchte ich auch wissen, was denn eigentlich passiert ist. Du kannst doch unmöglich eine derartige Diagnose über Clay stellen, ohne mir zu erklären warum."
Sofort verdunkelte sich Siamaks Gesichtsausdruck, was mein Unbehagen nochmal rapide ansteigen ließ. Irgendetwas stimmte offenbar ganz und gar nicht mit Clay, und ich fing unwillkürlich damit an, mir Sorgen um ihn zu machen. „Jetzt erzähl schon! Warum war er gestern hier?" forderte ich den Doktor unmissverständlich auf. In meinem Kopf rasten autonom die Vermutungen, warum Clay das Krankenhaus wohl tatsächlich erneut aufgesucht hatte. Ich hatte die Bilder vor Augen, wie übermäßig aufgebracht er in meinem Badezimmer gewesen war, wie Sean ihm hinterhergelaufen war und dabei nicht viel weniger wütend gewirkt hatte. Hatten die beiden Männer sich etwa dermaßen schlimm geprügelt, dass Clay sich zur Behandlung ins Krankenhaus begeben musste? Aber nein, das würde er doch freiwillig sowieso niemals tun! Er musste schon wirklich schwer verletzt sein, und selbst dann war es mehr als fraglich, dass Banton so vernünftig handeln würde. Erst der letzte Samstag, als ich ihn böse blutend auf der Straße aufgesammelt hatte, war doch ein leuchtendes Beispiel seiner haarsträubenden Unvernunft gewesen. Es war sehr viel wahrscheinlicher, dass Clay sich nur aus Spaß und Geilheit zu Siamak aufgemacht hatte, um nochmal mit dem attraktiven Doktor zu flirten. Aber dann wäre Siamak jetzt wohl kaum dermaßen deprimiert, dachte ich beunruhigt.
„Also gut", seufzte Siamak resigniert, als hätte er schweren Herzens die Entscheidung getroffen, mich endlich in die Geschehnisse einzuweihen. Sofort schaute ich ihn hoffnungsvoll und aufmerksam an. Mein Herz hämmerte vor Aufregung. Ich hatte tatsächlich Angst vor der Erklärung. Ein Teil von mir wollte es gar nicht wissen, wenn Clay wahrhaftig inzwischen noch schwerer verletzt worden war, als ich es ohnehin schon wusste. Gleichzeitig verlangte es mich aber auch dringend nach konkreten Antworten. Und endlich war Herr Tourani so weit, um mich umfassend aufklären zu können.
„Clay war gestern bei mir, damit ich seine Schnittwunden neu vernähe. Beide Nähte waren mehrfach aufgeplatzt, er muss schon wieder unglaublich brutale Schläge abgekriegt haben. Clay tat mir leid, darum habe ich ihn kurz umarmt, um ihn irgendwie... zu trösten. Ich habe viel zu spontan gehandelt und gar nicht richtig darüber nachgedacht." Bei der Erinnerung an seinen Fehler seufzte der Doktor enorm schwer und setzte hinzu: „Du kannst dir sicher denken, wie er darauf reagiert hat." Vielsagend schaute Siamak mich an. Ich nickte grinsend, obwohl mir eigentlich gar nicht zum Lachen zumute war. Ich war wütend, weil Clay und Sean sich offenbar tatsächlich geprügelt hatten, und zwar sogar so stark, dass Clay erneut schwer verletzt worden war. Verdammter Sean Valmont, dachte ich geringschätzig.
Dieses ganze undurchsichtige und gänzlich unerwartete Gespräch mit Doktor Siamak Tourani machte mich nervös und beunruhigte mich inzwischen enorm. „Banton hat sich gierig in deine Umarmung gestürzt und sich unverzüglich an deiner Nähe und deinem Körper aufgegeilt", vermutete ich spöttisch kichernd. Aber Siamaks orientalisches Gesicht blieb vollkommen ernst, darum lief mein albernes Kichern peinlich ins Leere und hörte schnell wieder auf. Er nickte nur betrübt und bestätigte damit meine Annahme, was mich nicht wunderte, denn ich kannte Clay wahrlich gut genug, um so eine kindische, rein triebgesteuerte Reaktion von ihm zu erwarten. Mir war nur nicht klar, warum dem Arzt diese harmlose Sache derart große Sorgen bereitete.
Im nächsten Moment gestand er mir: „Unsere Umarmung hat Clay ziemlich aufgewühlt. Ich hätte das nicht tun dürfen! Er hat sich von mir verarscht gefühlt. Und das kann ich ihm nicht mal vorwerfen. Und dann habe ich ihm auch noch wiederholt nahegelegt, eine stationäre Psychotherapie bei uns im Krankenhaus in Erwägung zu ziehen. Ich habe das doch nur gut gemeint..." Noch so ein schwerer Seufzer. Siamak fiel es nicht leicht, mir seine Untaten zu beichten. „Plötzlich ist er total ausgerastet. Clay hat sich überstürzt angezogen und ist ohne ein Wort davongelaufen. Zweifellos ist er deswegen in Panik geraten und in wilder Hast abgehauen. Meine Worte haben ihn in große Angst versetzt. Sogar seine Krankenkassenkarte hat er bei mir liegen lassen", beendete Siamak traurig seinen Bericht. Er griff in seine hintere Hosentasche und zeigte mir Clays Karte, wie um einen sichtbaren Beweis seiner Behauptung zu erbringen.
Diese Informationen musste ich erst einmal überdenken, deshalb war es eine Weile ganz still im Aufenthaltsraum. Das hörte sich alles typisch nach Clay Banton an, und ich begriff noch immer nicht richtig, was daran nun so entsetzlich sein sollte. „Und jetzt machst du dir Sorgen um ihn, weil er weggelaufen ist?" vermutete ich behutsam und beobachtete gespannt Siamaks Reaktion. Ich war irritiert, weil ich nicht geahnt und nie vermutet hatte, dass der junge Arzt wahrhaftig so viel Mitgefühl für Clay empfand, den er ja schließlich im Grunde gar nicht kannte. Herr Banton war doch in Wahrheit nichts als ein flüchtiger Patient für Doktor Tournai, lediglich einer von unzählbar vielen Menschen, die er bisher schon verarztet hatte.
Siamak hob ratlos die Schultern. „Nein, es ist eher deshalb, weil ich mich furchtbar schuldig fühle. Ich habe Clay mit meinen Worten und Taten dermaßen in Angst und Schrecken versetzt, dass er instinktiv vor mir geflüchtet ist. Das war ganz eindeutig meine alleinige Schuld." Der junge Arzt schluckte verkrampft, während er mich deprimiert anschaute. Der nächste Satz fiel ihm spürbar ganz besonders schwer. „Also... bin ich auch verantwortlich für das, was danach passiert ist..." Seine Stimme wurde ganz leise, krächzend vor lauter Schuldgefühlen, bis er nur noch flüstern konnte. Schlagartig war ich höchst alarmiert. „Was ist danach passiert?" fragte ich sofort mit wild klopfendem Herzen. Das hörte sich nicht gut an! Woher konnte Siamak überhaupt wissen, was mit Clay geschehen war, nachdem Clay das Krankenhaus übereilt verlassen hatte? Der Doktor hatte sich doch die ganze Nacht ausschließlich in der Notaufnahme aufgehalten!
Auf diese Frage gab es nur eine einzige logische Antwort und mein Verstand wusste sie schneller, als ich reagieren konnte. Ein paar Sekunden lang geriet ich unvermittelt in Panik. Schneller, als ich verarbeiten konnte, glaubte ich zu wissen, was mit Clay passiert sein musste. Blitzartig vollführte mein Herz in meinem Brustkorb einen wahren, heftigen Trommelwirbel. Mein Hals schnürte sich zu und ich rang voller dunkler Vorahnungen nach Luft. Wenn Clay Banton tatsächlich in haltloser Panik und völlig allein aus der Notaufnahme geflüchtet war, dann konnte alles passiert sein. Von der mutwilligen Drogenüberdosis bis zum Selbstmordversuch war bei diesem Mann einfach alles möglich. Und wenn der diensthabende Arzt der Notaufnahme davon Kenntnis hatte, dann... Beruhige dich, ermahnte ich mich selbst ärgerlich, dreh doch nicht durch!
„Er ist hier", bestätigte Siamak in diesem Moment flüsternd meine schlimmsten Ahnungen. „Er ist... hier?" wiederholte ich verblüfft und fixierte den Arzt eindringlich mit weit aufgerissenen Augen. Herr Tourani nickte betrübt, sagte aber nichts. „Was ist passiert?" erkundigte ich mich zögernd mit schwacher Stimme. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort würde problemlos ertragen können. Mein Herz hämmerte wie verrückt, aber innerlich mahnte ich mich immerzu, auf jeden Fall ruhig zu bleiben, damit ich wenigstens alles richtig verstehen konnte, was der Doktor mir noch sagen würde. Übertriebene Angst half mir jetzt überhaupt nicht, aber mein Interesse war definitiv geweckt. Ich fühlte mich in höchstem Maße alarmiert. Meine Sorge um Clay Banton war unwillkürlich viel größer geworden, als mir gefallen konnte. Denn ich hatte mich doch erst vor knapp einer halben Stunde mit meinem Brief endgültig von Clay verabschiedet. Und jetzt hielt der Mann sich in dem Krankenhaus auf, in dem ich arbeitete. Als würde er mich hartnäckig verfolgen, wie ein dunkler, anhänglicher Schatten.
Siamak seufzte abermals schwer, guckte mich traurig an und holte tief Luft. „Dein Exfreund wurde in der letzten Nacht völlig von Sinnen eingeliefert. Er war dermaßen außer Kontrolle und aggressiv, dass ich ihn vorsorglich in der geschlossenen Psychiatrie unterbringen musste." Diese zwei Sätze wirkten wie ein eiserner Ring, der sich um meinem Brustkorb zusammenzog. Die Neuigkeit stand enorm schwer im Raum. Mein Herz blieb komplett stehen. Gefühlte Ewigkeiten lang war es totenstill im Aufenthaltsraum für das Personal der Inneren Abteilung des Christopherus-Krankenhauses. Mir fiel erst auf, dass ich noch immer mein Kleingeld für den Kaffee in der Hand gehalten hatte, als die Münzen aus meinen Fingern glitten und klirrend zu Boden fielen. Eigentlich wollte ich sofort etwas sagen. Ich wollte Siamak unzählige besorgte Fragen stellen. Aber mein Hals war zugeschnürt und völlig trocken, darum bekam ich kein einziges Wort heraus. Es fühlte sich an, als wäre plötzlich die ganze Welt stehengeblieben, während Siamak und ich uns nur schweigend ansahen, merkwürdig verbunden in unserer Besorgnis und Traurigkeit.
„Was hat er denn gesagt?" kam es irgendwann später krächzend über meine Lippen, nachdem ich mir richtig große Mühe hatte geben müssen. Siamak lachte freudlos auf. „Er konnte nichts sagen, Eliza. Dazu war er nicht mehr in der Lage. Dein Exfreund hat mich ja nicht mal mehr erkannt." „Was ist mit ihm passiert? Ist er schwer verletzt?" fragte ich und zwang mich dazu, ganz ruhig ein und aus zu atmen. Das ist nicht so schlimm, redete ich mir verbissen ein, das wird sich alles wieder einrenken. Wahrscheinlich hat Clay letzte Nacht einen schlechten Trip erwischt oder so was. Der süchtige Dummkopf hat wahrscheinlich nur die falsche Droge eingeworfen! Aber meine eigenen Gedanken beruhigten mich leider kaum.
Siamak stöhnte verzweifelt auf und wandte sich ab, um nochmal nervös in dem kleinen Zimmer herumzulaufen. Wie angewurzelt stand ich dort und beobachtete ihn angespannt. Ich hatte das unangenehme Gefühl, mich nicht mehr bewegen zu können, weil plötzlich alles an mir erstarrt war. Der Doktor blieb stehen und musterte mich nachdenklich. „Ich weiß nicht, was genau mit ihm passiert ist, Eliza. In der Nacht wurde er gegen seinen Willen hierher gebracht, weil er total durchgedreht ist. Er war auf jeden Fall eine Gefahr für sich selbst und für andere. Körperlich ist er augenscheinlich nicht schlimmer verletzt gewesen, als zu dem Zeitpunkt, als ich ihn zum zweiten Mal genäht habe. Aber seine Seele..." Noch so ein abgrundtief deprimierter Seufzer von Siamak, der mir diesmal unvermittelt durch Mark und Bein fuhr.
Der junge Arzt hob ratlos die Schultern, wie um zu demonstrieren, dass er sich nicht erklären konnte, was genau mit Banton geschehen war. Natürlich konnte Siamak Tourani sich das nicht erklären, denn er kannte Clay Banton schließlich kaum. Ich kannte den drogensüchtigen Mann aus Island viel besser. Sein aggressiver Zustand musste etwas mit den scheiß harten Drogen zu tun haben. Bestimmt war er einfach nur mal wieder auf Entzug gewesen und deshalb total durchgedreht. Krampfhaft ließ ich die neuen Informationen nochmal in meinem Kopf Revue passieren, während ich ruhig dort stand und Siamaks hilflosen, traurigen Blick erwiderte.
„Moment mal, Siamak. Was meinst du damit, dass Clay dich nicht mehr erkannt hat?" forschte ich schließlich nach, weil dieser Satz nicht zu meiner Entzug-Theorie passen wollte. Der Doktor blies Luft aus. „Genau das heißt es, Eliza. Clay konnte mich nicht mehr erkennen, weil er mit seinem Verstand woanders war. Er war mental nicht anwesend, als er zu mir in die Notaufnahme gebracht wurde. Er war nur unglaublich zornig. Er hat um sich geschlagen und lauthals geflucht, aber nichts mehr richtig wahrgenommen. In seinem Kopf lief zu diesem Zeitpunkt ein ganz anderer Film ab." „Vielleicht war er auf Entzug", schlug ich fast beschwörend vor, weil das ein relativ harmloser Grund für Clays alarmierenden Zustand gewesen wäre. Aber irgendwie war mir plötzlich klar, dass die Erklärung diesmal leider nicht so einfach sein würde. Und auch Doktor Tourani wusste das nur zu gut, denn er lachte deprimiert auf und schüttelte entschieden den Kopf. „Du kannst mir glauben, Eliza, dein Exfreund war alles andere als auf Heroinentzug! Ganz im Gegenteil! Er war bis zum Scheitel vollgepumpt mit verschiedenen berauschenden Substanzen!" „War er betrunken?" fragte ich naiv. „Er stand kurz vor der Besinnungslosigkeit", antwortete Siamak ernst. „Wie viele Promille?" flüsterte ich ängstlich. „Entschieden zu viele! Er muss ein Alkoholiker sein, weil er trotz seiner Promillezahl noch aufrecht stehen konnte. Jeder andere wäre längst im Delirium oder tot gewesen", seufzte Siamak und drehte sich unbehaglich von mir weg.
Der Arzt hatte noch etwas auf dem Herzen, und das würde mir nicht gefallen, das spürte ich plötzlich deutlich. Hilflos sah ich zur Tür und überlegte ernsthaft, lieber jetzt sofort dieses unangenehme Gespräch zu beenden und den Aufenthaltsraum zu verlassen. Nervös warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr und bekam einen Schreck. Meine Schicht hatte längst angefangen! Ich musste dringend auf meine Station! Siamak sah mir meine Unruhe wohl an, denn er beeilte sich zu betonen: „Hör mal, ich weiß ja, dass du dich eigentlich von Clay getrennt hast, aber..." „Nein!" unterbrach ich ihn hastig ziemlich lautstark und fuhr zu ihm herum. „Nein, Siamak, das kannst du nicht von mir verlangen! Ich habe auch gar keine Zeit, ich muss schließlich arbeiten!" Mit aller Macht wehrte ich den Doktor ab, noch bevor er seine konkrete Bitte an mich gerichtet hatte. Ich wollte mir selbst einreden, dass ich einfach keine Zeit und vor allem kein Interesse mehr daran hatte, mich noch einmal um Herrn Banton zu kümmern. Schließlich hatte ich mich von dem kranken Mann getrennt und wollte ihn vorerst auf keinen Fall wiedersehen.
„Du hast doch jetzt frei, Siamak! Du kannst dich hervorragend um Clay kümmern!" sagte ich ein bisschen spöttisch und schaute den Arzt widerspenstig an. „Das werde ich auch tun", versicherte er mir traurig, „Ich werde für Clay tun, was ich kann. Aber ich habe bei meinem vorletzten Zusammentreffen mit ihm offenbar so ziemlich alles falsch gemacht, und jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll." „Ja, denkst du denn, ich wüsste das?" rief ich empört, „Was soll ich denn tun, wenn Clay dermaßen außer Kontrolle ist, wie du es beschrieben hast? Denkst du, ich wüsste, wie ich dann mit ihm umgehen muss?" Meine Stimme war schrill, denn Emotionen kochten in mir hoch, die ich kaum noch im Griff hatte. Ich fühlte mich von Siamak überfallen und von der ganzen Situation überfordert. Clay tat mir sehr viel stärker leid, als es nach meinem Empfinden sein durfte, und ich machte mir schreckliche Sorgen um ihn. Aber ich wollte das alles nicht mehr, denn genau aus diesem Grund hatte ich mich doch aus Bantons viel zu nervenaufreibendem Leben ausgeklinkt.
„Ich kann nicht, Siamak! Ehrlich nicht!" stöhnte ich beschwörend mit nervös klopfendem Herzen. Gleichzeitig war mir aber schon klar, dass es zu spät war, dass meine Sorge um Clay schon viel zu groß war, als hätte ich diese Ereignisse einfach ignorieren können. Ich konnte mich nicht mehr heraushalten, so wenig mir das auch gefiel. „Du könntest ja vielleicht in deiner Frühstückspause mal kurz nach ihm sehen", schlug Siamak hoffnungsvoll vor, „Bedenke, dass er ganz allein hier ist, und dich kennt er schließlich sehr gut. Es würde ihn sicher beruhigen, ein bekanntes Gesicht zu sehen." „Wieso beruhigen?" horchte ich irritiert auf, „Ist er etwa noch immer aggressiv und schlägt um sich?" Siamak lächelte gutmütig und schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Ich musste ihm in der Nacht eine Beruhigungsspritze geben, und daraufhin ist er eingeschlafen. Aber wenn er aufwacht, dann wäre es doch schön, wenn sich jemand um ihn kümmert, den er kennt." Ich seufzte schwer und nickte. „Mal sehen, was ich machen kann...", blieb ich bewusst ungewiss.
Doch Siamaks Gesicht strahlte für einen Moment auf, als hätte er einen Teil seiner Schuld und Verantwortung erfolgreich auf mich abgewälzt. Das gefiel mir nicht, denn ich wollte diese Verantwortung nicht haben. Ich wollte mich um mein eigenes Leben kümmern und nicht um das außer Kontrolle geratene von Clay Banton. Auf einmal schwer genervt, wandte ich mich von Siamak weg zur Tür hin, um den Raum zu verlassen. Ich ärgerte mich, weil in meinem Kopf jetzt so viele ablenkende und sorgenvolle Gedanken waren. Viel lieber wollte ich mich auf meine Arbeit konzentrieren und an nichts anderes mehr denken. Aber das war unmöglich, dazu waren diese Ereignisse viel zu schwerwiegend. Clays hilflose Situation berührte mich zu stark, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Obwohl ich mir immer wieder sagte, dass Banton es doch schließlich selber Schuld war, wenn er in der Psychiatrie landete. Warum nahm er auch so viele verdammte Drogen, bis er den Verstand verlor?
Fast hatte ich den Ausgang des Aufenthaltsraums schon erreicht, als Siamak eilig rief: „Da ist noch was, Eliza..." Abrupt blieb ich stehen und schloss abwehrend für einen Moment die Augen. Der Doktor hatte mir schon genug Unerfreuliches an den Kopf geknallt. Ich wollte jetzt eigentlich lieber nichts mehr von ihm hören. Aber ich hatte ja gar keine Wahl, also öffnete ich die Augen und wandte mich zögernd zu ihm um. Er sah schon wieder schrecklich deprimiert aus, wie er mich fast flehend fixierte. Doktor Siamak Tourani hatte noch eine Bitte an mich, die mir genauso wenig gefallen würde, wie der ganze traurige Rest. Das ahnte ich auch diesmal instinktiv. Mein Herzschlag beschleunigte sich noch einmal, während mein Blick auf der Suche nach einem Ausweg auf den Boden fiel, wo noch immer mein Kleingeld lag. Um mich abzulenken, ging ich hastig darauf zu und hob die Münzen auf. Mir fiel ein, dass ich mir ja eigentlich hier im Pausenraum nur einen Kaffee hatte ziehen wollen. Nervös wandte ich mich dem Getränkeautomaten zu. Insgeheim wünschte ich mir sehnlich, dass Siamak aufhören würde, mich mit diesem unerfreulichen Thema zu belasten.
Aber der studierte Herr Doktor fühlte sich Clay gegenüber offenbar tatsächlich sehr schuldig und wollte seinen schweren Fehler irgendwie wieder gut machen. „Wir müssen uns sehr genau überlegen, was jetzt mit deinem Exfreund geschehen soll, Eliza!" sagte Siamak mit einem enorm ernsten, beschwörenden Unterton in der Stimme. Spontan zog sich alles in mir zusammen. Ich warf meine Münzen in den Getränkeautomaten, um mir ein wenig Zeit zu verschaffen. „Was meinst du denn damit?" erkundigte ich mich zögernd, ohne Siamak anzusehen. Ich konzentrierte mich darauf, mir an diesem Automaten ein Getränk zu besorgen und drückte auf die entsprechende Taste für Cappuccino. Heute brauchte ich jede Menge Koffein. Denn dieser Tag würde leider noch viel anstrengender werden, als ich es ohnehin erwartet hatte.
Clay
Es war mein Vater. Er sah jung aus, groß, gut aussehend, mit dunkelblonden Haaren und grün-braunen Augen, genau wie in meiner Erinnerung. Er stand an der hohen Klippe, an der wir manchmal Möweneier einsammelten. Der Himmel war bewölkt, ein Sturm zog auf, unzählige Möwen flatterten durch die Luft. Ich stieg von smári herunter und streichelte über ihr samtiges Maul. Ein Stückchen entfernt graste blóm, das Pferd, was mein pabbi sich immer auslieh, wenn wir gemeinsam über die Insel ritten. Unser Nachbar züchtete Islandpferde und überließ sie uns kostenlos, wann immer wir ein robustes Transportmittel benötigten, mit dem man auch querfeldein gut vorankam. Smári war mein persönliches Pony und ich liebte sie über alles, obwohl sie mir nicht gehörte.
„Komm her, Clay, ich möchte dir etwas zeigen!" rief mein pabbi mit lächelndem Gesicht. Strahlend rannte ich auf ihn zu und fühlte mich dabei faszinierend jung, völlig unbeschwert, ich war absolut frei. Da war gar nichts in meinem Kopf, was mich irgendwie belastet hätte. Schon war ich bei meinem Dad angekommen, erfreut, erwartungsvoll. Mein pabbi zeigte mir immer aufregende, wundervolle Dinge, wenn wir gemeinsam die Insel erkundeten. Er hatte mir die zahllosen Papageitaucher gezeigt, die Polarfüchse, die im Sommer grau und im Winter weiß waren, die schwarzen Strände aus Vulkangestein, die Wasserfälle und Geysire. Ich war erwartungsfroh, aufgeregt, was er mir wohl diesmal Wunderschönes zeigen würde. „Was ist es, pabbi?" fragte ich ihn ungeduldig.
Verschmitzt lächelnd zog er seine Hand hinter dem Rücken hervor und zeigte mir etwas, was auf seinem flachen Handteller lag. Es war eine kleine Insulinspritze. Sie war aufgezogen, eine braune Flüssigkeit befand sich darin. „Was ist das?" fragte ich ihn ein wenig irritiert und schaute ihn verständnislos an. Seine Augen wirkten plötzlich ganz verschwommen, seine Pupillen waren winzig klein. „Das hier ist die Lösung für alles, Clay", behauptete mein Vater und lächelte versonnen, „Du musst es dir nur in deinen Arm stechen." Schon packte er meinen dünnen Arm und schob den Ärmel meiner Jacke hinauf. Mit einem Mal fühlte ich mich unwohl und schüttelte den Kopf. „Nein, pabbi, das möchte ich nicht!" versicherte ich ihm und wollte meinen Arm aus seinem Griff ziehen. Aber er ließ nicht los, sondern packte nur immer fester zu, bis es wehtat. „Nein, pabbi, ich möchte das nicht!" wiederholte ich verzweifelt, aber er schien mich gar nicht mehr zu hören.
Mein Vater war ganz auf meinen Arm fixiert, suchte ihn mit den Augen ab, tastete daran herum, während er die Spritze zwischen seinen Zähnen hielt. Schließlich hatte er wohl eine geeignete Stelle gefunden, denn er holte die Spritze aus dem Mund und zog die rote Kappe ab. „Nein! Nicht! Bitte!" schrie ich voller Angst, als er mit dieser Nadel meinem dünnen, blassen Arm immer näher kam. Meine Gegenwehr wurde stark, ich wehrte mich energisch, zappelte herum, trat nach seinen Beinen, um mich seinem Zugriff zu entziehen. „Stell dich nicht so an, Clay. Du bist doch nicht schwul. Das hier wird dir gut tun. Ich will dir doch nur helfen", knurrte mein Vater verärgert, als ich ihm einen mächtigen Stoß mit beiden Händen verpasste. Darauf war er wohl nicht gefasst gewesen, denn er taumelte tatsächlich rückwärts. Die Spritze fiel aus seinen Fingern zu Boden, als er haltlos mit den Armen ruderte.
Im nächsten Augenblick war mein pabbi mit einem Aufschrei verschwunden. Er fiel mindestens fünfzig Meter tief, denn ich hatte ihn die steile Klippe hinuntergeschubst. In meiner Angst vor der Spritze hatte ich ganz vergessen, dass wir sehr nah an diesem Abgrund gestanden hatten. Jetzt fühlte ich eine schwarze Panik nach meiner jungen Seele greifen, als würde ein Dämon seine Finger nach mir ausstrecken. Ein Gefühl aus Entsetzen und Schuld explodierte in mir und riss mir das Herz raus. Erschrocken machte ich einen Schritt auf den Abgrund zu, um hinuntersehen zu können. In der Ferne donnerte es, der Himmel verdüsterte sich, der Sturm kam näher. „Pabbi?" schrie ich verzweifelt. Ich konnte ihn nicht sehen, da unten schien nichts als ein endloser Abgrund zu sein. Tief unten brach sich das tosende, dunkle Meer an den Felsen. Ich ging noch ein Stück näher heran, weil ich dringend meinen Dad sehen wollte, wissen musste, was mit ihm passiert war. Irgendwo da unten musste er doch sein. „Pabbi?" schrie ich nochmal, so laut ich konnte.
Im nächsten Moment spürte ich einen heftigen Stoß in meinem Rücken und verlor das Gleichgewicht. Jemand hatte auch mich diese Klippe hinunter gestoßen, und jetzt fiel mein kleiner Körper unaufhaltsam dem Abgrund entgegen. Mir war sofort klar, dass ich sterben würde. Die Felsen unten würden mich beim Aufprall gnadenlos zerschmettern. Eiskalte Panik schnürte mir die Kehle zu, meine Brust verengte sich. Ich wollte noch nicht sterben, dafür war ich doch viel zu jung! Zahllose Möwen flatterten um mich herum, während ich rasend schnell dem Tod entgegenstürzte. Die Vögel stießen laute, krächzende Schreie aus. Das mächtige Tosen des aufgescheuchten Wassers kam näher. Jeden Moment würde ich unten aufprallen, dann würde alles vorbei sein. Ich konnte nicht atmen. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Ich fiel und fiel und fiel...
Schockiert riss ich die Augen auf. Ein scharfer Schmerz fuhr mir durch den Schädel, der so stark war, dass ich unwillkürlich gequält aufstöhnte. Mein Herz hämmerte wie verrückt, das Atmen fiel mir schwer. Die verstörenden Bilder aus meinem Traum umhüllten mich. Ich lag auf dem Rücken und sah eine hellgraue Betondecke und ein weißes Neonlicht. Das Licht war viel zu hell. Reflexartig wollte ich mir die Finger schützend über die Augen legen, um das schmerzende Licht abzuschirmen. Aber meine Arme bewegten sich nicht. Ich konnte zwar die Hände heben, aber es fühlte sich an, als wären meine Handgelenke neben meinen Hüften am Untergrund festgeklebt. Meine langen Arme, die rechts und links neben meinem Körper lagen, ließen sich kein bisschen bewegen. Irgendwas hielt stur meine Gelenke fest.
Ächzend schloss ich die Augen und zwang mich, ganz tief und gleichmäßig zu atmen. Mein Schädel platzte jeden Moment, der Schmerz war atemberaubend. Bleib ganz ruhig, mahnte ich mich matt, während ich verwirrt versuchte, meine unerwartete Lage zu analysieren. Dies hier war schließlich keinesfalls eine Premiere für mich. Schon unfassbar oft war ich in seltsamen Situationen erwacht, ohne zu wissen, wie ich dort hineingeraten war. Ich hatte schon in fremden Wohnungen verwirrt und ahnungslos die Augen aufgeschlagen, in fremden Betten mit völlig fremden Menschen an meiner Seite, an Stränden und in Grünanlagen. Man hatte mich schon ohne mein Wissen in Krankenhäuser gekarrt. Mein besoffener Körper war auf Müllhalden, Bürgersteigen und Parkbänken abgelegt worden. Mit zehn war ich in Kanada zum ersten Mal in einer Ausnüchterungszelle bei der Polizei erwacht. Weil ich damals keine Papiere bei mir trug, hatten sie nicht gewusst, wo sie mich abliefern sollten. Die Ausnüchterungszellen in Australien hatte ich mit zwölf kennengelernt, und sie mit dreizehn, vierzehn, fünfzehn Jahren wiederholt besucht. Als Teenager war ich ein ziemlich wütender Alkoholiker gewesen.
Müde grinsend bei der Erinnerung an wilde Zeiten, versuchte ich nochmal, meine Arme zu bewegen. Aber das war zwecklos, die Handgelenke saßen felsenfest, als wären sie irgendwo eingeklemmt. Okay,dachte ich bei mir, das ist nicht gut! Meine Nervosität stieg rapide an, als mir klarwurde, was genau es bedeuten konnte. Ich war mir nicht sicher, ob ich dem überhaupt näher auf den Grund gehen wollte, ob ich die Ursache für meine Bewegungslosigkeit würde ertragen können. Mein Herz bumperte unverdrossen druckvoll in so hoher Geschwindigkeit, dass das Atmen verdammt schwerfiel. Hilflos rang ich nach Luft. Dieser verfluchte Albtraum hing mir noch immer nach und schien sich geradewegs in einen neuen Albtraum zu verwandeln. Die Bilder aus Island wühlten mich beschissen auf, aber ich wollte nicht über sie nachdenken. Das Bild von meinem Dad, wie er früher ausgesehen hatte, als ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, schmerzte mich enorm. Mir war klar, dass er inzwischen wahrscheinlich ganz anders aussah, und dass ich das niemals erfahren würde. In meiner Erinnerung würde er immer jung, stark und groß sein.
„Fuck!" entfuhr meinen Lippen wütend. Mein Hals war ganz trocken. Ich hatte großen Durst und einen echt widerlichen Geschmack im Mund. Angestrengt lauschte ich in die Stille hinein. Es war überhaupt nichts zu hören, nur das leise Summen der Neonröhre an der Decke. Eine Weile lag ich einfach so dort. Dann wollte ich mich dringend bewegen, aber das funktionierte nicht. Irgendetwas hielt mich zurück. Obwohl ich es eigentlich nicht wollte, weil ich mich instinktiv vor der Antwort fürchtete, drängte es mich nun doch, meiner unerfreulichen Lage näher auf den Grund zu gehen. Nur sehr widerwillig öffnete ich nochmal meine Augen, ganz langsam, zögernd und vorsichtig. Mein Blick glitt höchst beunruhigt über meinen auf dem Rücken liegenden Körper, wobei ich meinen böse schmerzenden Kopf ein wenig anheben musste.
Ich trug lediglich mein schwarzes Unterhemd und eine mir völlig unbekannte, hellgraue Jogginghose, was ich mir nicht erklären konnte. Über meiner Taille befand sich ein brauner Lederriemen mit einem silbernen Verschluss in der Mitte, den man nur mit einem besonderen Schlüssel öffnen konnte. Ich kannte diese Riemen und Metallverschlüsse aus Erfahrung und wusste nur zu gut, was sie bedeuteten. Schlagartig bestätigte sich meine allerschlimmste Befürchtung. Hektisch kontrollierten meine Augen meine Handgelenke, und jep, auch sie zierten beide diese schmalen Lederriemen, die ich schon entschieden zu oft getragen hatte. Mich selbst von diesen viel zu stabilen Fesseln befreien zu wollen, war vollkommen aussichtslos. Das wusste ich ebenfalls. Unwillkürlich stöhnte ich gequält und extrem genervt auf. Das war so ziemlich die schlimmste Variante von ahnungslosem Erwachen, die ich mir vorstellen konnte. Ich war fassungslos. Dies hier war definitiv ein Worst-Case-Szenario. Verdammt nochmal! Blöder Banton war wahrhaftig ans Bett fixiert! Fuck!
Automatisch versuchte mein verwirrter Kopf, eine Erklärung für meine unerwartet unerfreuliche Situation zu finden. Höchst alarmiert, mit wild hämmerndem Herzen irrte mein wirrer Blick durch das vollständig mit hellgrünen Kacheln verkleidete Zimmer. Ich lag in einem Krankenhausbett, das lediglich mit einem Gummilaken bezogen worden war, damit man es leicht säubern konnte. Die Matratze war schmal und extrem hart. Die Lederriemen waren außen herum felsenfest am Bett befestigt. Keine Chance, sie abzureißen. Meine Fußgelenke hatten sie wohl vergessen, denn die waren noch frei, was ich auch sofort ausnutzte, indem ich meine Beine schützend heranzog. Ansonsten hatte ich keine Bewegungsfreiheit mehr, und das machte mir echt zu schaffen. Meine Merinthophobie schlug rasend schnell zu und ich verspürte den zwanghaften Drang, mich sofort bewegen zu müssen. Die brodelnde Panik in mir steigerte sich ungesteuert in gefährliche Intensitäten und ich kämpfte damit, nicht völlig den Verstand zu verlieren. Das war alles nicht gut, das war überhaupt nicht gut! Wie verdammt nochmal war ich in diese enorm demütigende Situation geraten? Shit!
Ich erinnerte mich einfach nicht, so sehr ich mich auch darum bemühte. Mein heftig schmerzender Kopf drohte jeden Moment zu platzen. Unaufhaltsam durchforschte mein träges Gehirn die Vergangenheit nach Antworten. Das Letzte, an das ich mich noch vage erinnern konnte, war merkwürdigerweise dieses kleine, zweifellos extrem gefährliche und total undurchsichtige Junkiemädchen. Ausgerechnet! Sie hatte unerwartet vor meinem Haus gestanden. Das seltsame Mädchen hatte offenbar dort auf mich gewartet, und ich hatte sie mit in meine Wohnung genommen, weil ich nicht allein sein wollte. Ich hatte der Kleinen meinen Chinesen in die jungen, unverdorbenen Lungen gehaucht, und sie hatte das wider Erwarten tatsächlich toll gefunden. Sie war sehr sanft zu mir gewesen, zärtlich, freundlich.
Ich erinnerte mich, mit der süßen Kim zusammen in meiner warmen, großen Duschkabine gestanden zu haben. Das wohltemperierte Wasser hatte unsere durchgefrorenen, nackten Körper von allen Seiten pausenlos nass besprenkelt. Die Frau hatte meinen verletzten, schmutzigen Körper auf eine extrem liebevolle Art gewaschen. Das war erstaunlich angenehm gewesen. Ich wusste noch, wie devot das sanfte Mädchen vor mir gekniet und mir einen geblasen hatte. Ihr kleines Gesicht war wunderschön gewesen, ihre grünen Augen ständig voller unerklärbarer Liebe für mich. Sie hatte mit ihrer süßen Zunge und ihren roten Lippen tatsächlich freiwillig an meinem Penis herumgeleckt, hatte zart an ihm gesaugt und ihn immer wieder innig geküsst, als wäre sie auch in ihn verliebt. Dabei hatten ihre Finger mich zärtlich gestreichelt, an meinem Schwanz, meinen Oberschenkeln, meinem Bauch und zwischen meinen Beinen. Sie hatte auch meinen Sack und meine Eier sehr einfühlsam liebkost. Shit! Das alles hatte sich so verflucht geil angefühlt!
Meine verwirrend deutliche Erinnerung an diesen faszinierenden, unglaublich gefühlvollen Blowjob von Kimberly törnte mich auch im Rückblick noch total an. Sie fuhr mir spürbar geradewegs in den Schwanz hinein, deshalb schob ich diese höchst erregenden Bilder in meinem irren Schädel hastig und erschrocken beiseite. Denn eine Erektion war so ziemlich das Allerletzte, was ich jetzt gebrauchen konnte. Mein Lage war schon so peinlich genug, auch ohne sichtbare sexuelle Erregung. Andererseits war meine derzeitige Situation dermaßen frustrierend, dass es mich automatisch ganz enorm nach einem Ausgleich drängte, nach einfach irgendeinem guten Gefühl, an dem ich mich hätte festhalten können.
Aber da war rein gar nichts. Ich war völlig allein in diesem verdammten, gruselig sterilen Raum, von dem ich annahm, dass er wohl zu der Abteilung eines Krankenhauses gehörte, die mir prinzipiell am allerwenigsten gefiel. Ich ahnte, dass es höchstwahrscheinlich die Psychiatrie war, in der ich aus einem mir völlig unersichtlichen Grund gelandet war. Panisch irrten meine Augen wiederholt durch das hell erleuchtete Zimmer. Es gab hier kein einziges Fenster, nur eine geschlossene Tür, keine Stühle oder Tische, nur einen Schrank an der gegenüberliegenden Wand und das Bett, auf dem sie mich festgeschnallt hatten. Das Bett stand auch an einer Wand, aber nicht nah genug, als hätte ich die Mauer berühren können. Ansonsten war dieser Raum vollkommen leer. Alles war darauf ausgerichtet, jegliche Verschmutzungen kinderleicht beseitigen zu können, indem man glatte, leicht zu reinigende Oberflächen verwendet hatte. Hellgrüne Keramikkacheln vorzugsweise.
Nur die Decke war aus nacktem, grauem Beton. Eine Weile starrte ich sie an, zur Reglosigkeit verdammt. Ich streckte meine Beine aus und zog sie wieder an. Dann kämpfte ich wieder mit meiner steigenden Panik, indem ich tief ein und aus atmete. Mein Herz beruhigte sich aber nicht, es hämmerte verstärkt in meiner Brust, weil mir das alles hier überhaupt nicht gefallen wollte. Das war alles totale Scheiße, und ich grübelte mit aufbrausendem Zorn darüber nach, wem ich dieses bösartige Geschenk wohl zu verdanken hatte. Es musste etwas mit Kim zu tun haben, denn die Hexe war die letzte Person, die ich noch deutlich vor Augen hatte. Was war bei ihrem zweifellos faszinierenden Blowjob passiert? Irgendwas ziemlich Heikles muss geschehen sein, sonst wäre ich jetzt nicht hier, dachte ich beunruhigt. Mit der zögernd auftauchenden Erinnerung stieg mein Unbehagen rapide an. Es war etwas Schlimmes passiert!Ausgerechnet beim heftigen, hemmungslosen Oralsex mit einer süßen, kleinen Frau war mir etwas wirklich Beschissenes passiert: Möglicherweise hatte ich die Kontrolle über mich verloren.
Der Gedanke beunruhigte mich sofort enorm, darum schob ich ihn entsetzt hastig beiseite. Ich konnte und wollte mich nicht näher daran erinnern. Viel wichtiger war jetzt nämlich die entscheidende Frage, wie ich aus meiner schrecklichen Lage wieder herauskommen konnte. Wie lange wollten die mich eigentlich noch allein hier liegen lassen? Warum kam nicht endlich jemand und befreite mich von diesen scheiß Fesseln? Warum hatten die mich überhaupt fixiert? Irgendwelche dunkeln Erinnerungen schlichen sich prompt in meinen Verstand. Bilder der Vergangenheit, grausame Szenen aus längst vergangenen Zeiten, die ich eigentlich schon längst abgehakt hatte. Dazwischen tauchten niederschmetternde Szenen dieser Nacht auf, in der ich eventuell in den bösen Traumbildern gefangen gewesen war.
Sofort hämmerte mein Herz los, weil das so extrem unangenehm war, dass ich es kaum ertragen konnte. Aufgewühlt rang ich nach Luft, weil die Bilder in meinem Kopf ungewollt viel deutlicher wurden, als mir gefallen konnte. Dieser kranke Junge aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wie er mir hämisch grinsend etwas Großes und Hartes in den Hintern steckte, was mir fürchterlich wehgetan hatte. Die anderen Jungs standen drum herum und sahen interessiert zu. Sie machten spöttische Kommentare. Einige wichsten dabei und spritzten mir später hasserfüllt ihr Zeug ins Gesicht und auf den Körper. Verdammt nochmal, nein! Das war nichts, was ich jemals wiedersehen wollte! So hilflos wollte ich mich nie wieder fühlen! Daran wollte ich nie wieder denken! Das war doch schon ewig vorbei!
Gequält keuchend zappelte ich auf dem harten, schmalen Bett herum, konnte mich aber nicht bewegen, und das machte mich verrückt. Diese brutalen Szenen in meinem Kopf waren unerträglich, und ich konnte mir nicht erklären, wie sie überhaupt da hinkamen. Das hatte ich doch alles schon längst hinter mir gelassen! Krampfhaft zwang ich mich dazu, an etwas anderes zu denken, während ich meine langen Beine anzog und ausstreckte, anzog und ausstreckte, anzog und ausstreckte. Acht verfluchte Wochen! Es waren doch nur zwei verfickte Monate gewesen! Die konnten mich doch unmöglich mein ganzes Leben lang dermaßen penetrant verfolgen! Das war totale Scheiße! Mein Herz hämmerte wütend. Fast war ich schon verdurstet. Wie lange musste ich noch nutzlos hier herumliegen? Wollten die mich hier vielleicht elendig verrecken lassen? War das eine Strafe für etwas, was ich getan hatte? Was hatte ich Fürchterliches getan?
Überaus nervös spürte ich, wie der vertraute Affe mir zuverlässig in den Schädel kroch und gleichzeitig langsam meine Muskeln und Knochen in Beschlag nahm. Definitiv wurde es Zeit für ein bisschen Heroin. Ich hatte doch schon seit Ewigkeiten keine shore mehr genommen und ein paar Chinesen mehr als verdient. Ich musste nur ein wenig shore nehmen, dann würde es mir sofort viel besser gehen. Das Heroin würde die schmerzenden Szenen in meinem Kopf vertreiben und auch die zunehmenden Schmerzen in meinem Körper kinderleicht besiegen. Mir fiel ein, dass Sergej mir gestern knapp zwei Gramm auf Kombi mitgegeben hatte, und ein erleichtertes Lächeln erschien auf meinem verstörten Gesicht. Sergej war der beste aller möglichen Dealer. Gott sei Dank besaß ich noch genug Heroin! Der zuverlässigste Schmerzkiller musste irgendwo in meiner Wohnung sein. Ich musste nur so schnell wie möglich nach Hause, dann konnte ich mich sofort umfassend heilen.
Der Gedanke beruhigte mich, obwohl ich ahnte, dass es für mich diesmal nicht so einfach werden würde, aus dieser verfluchten Situation wieder herauszukommen. Ich musste dringend verhindern, dass sie mich noch länger hierbehielten. Aber sie durften mich ja gar nicht gegen meinen Willen hierbehalten.Sie mussten mich sofort gehenlassen, wenn ich das wollte. Oder? Bei dem Gedanken daran, dass sie mich eventuell aus irgendeinem hirnrissigen Grund länger hierbehalten würden, mich womöglich sogar auf unbestimmte Zeit in der Psychiatrie einsperren würden, geriet ich unvermittelt in eine heftige Panikattacke. Mein Kopf schnellte hoch, mir wurde schlecht, mein Magen drehte sich herum. Hektisch zog ich meine Beine heran und legte sie wieder ab, weil das die einzige Bewegung war, die ich noch hinbekam. Ich zerrte ein wenig an den engen Lederriemen um meinen Handgelenken, aber die erlaubten mir nicht die kleinste Regung. Nur meine Hände flatterten auf und ab. Zornig zu Fäusten geballt, schlugen sie recht wirkungslos wiederholt auf das harte Gummilaken ein. Weil meine Handgelenke aber so eng auf dem Bett festgeschnallt waren, konnte ich kaum eine richtige Faust machen oder auch nur zum Schlag ausholen.
Verflucht nochmal! Ich konnte diesen verfickten Scheiß hier nicht länger aushalten! Was war das bloß für ein demütigender Mist, so durfte mich niemand behandeln! Tatsächlich war fixiert zu werden definitiv eins der schlimmsten Dinge, die man mir überhaupt antun konnte, und ich kämpfte verzweifelt mit meiner Panik und meiner Wut deswegen. Ich wollte nicht schon wieder die Kontrolle über mich verlieren. Aber die niederschmetternden Gefühle der Ohnmacht wurden stärker und mir war völlig klar, dass sie mich schon bald übermannen würden. Der dunkle Wahnsinn würde mich bald besiegen, der gefährliche Dämon würde erwachen und in mir wüten. Das durfte mir auf gar keinen Fall passieren! Wenn ich jetzt durchdrehte, dann hätten sie ja nur einen guten Grund, um mich hierzubehalten! Und ich wollte zum Verrecken nicht hierbleiben, das stand schon mal grundsätzlich fest. Ich wollte dringend, ja, ich musste sogar zwingend so schnell wie möglich hier raus. Der Entzug war unmissverständlich im Anmarsch, der Affe kroch mir unaufhaltsam durch die Eingeweide, drehte meinen Magen herum und schickte mir getreu kalten Schweiß auf die Stirn und unter die Achselhöhlen. So schnell wie möglich brauchte ich neues Heroin.
Aus diesem Grund durfte ich nichts tun, was sie auch nur vage an meinem Verstand zweifeln lassen könnte. Sinnlos lautstark herumzuschreien war daher keine Option, obwohl es mich enorm danach verlangte. Nein, ich musste hier still liegenbleiben und einfach abwarten, bis jemand kam. Irgendwann würde ja schließlich irgendwer nach mir sehen, oder etwa nicht? Panikattacke. Ein neuerlicher Flashback ereilte mich blitzartig, total unvorbereitet. Eine Szene in meinem Kopf verselbstständigte sich. Eine relativ große Duschkabine, in der ich ein kleines, wunderhübsches, süßes Mädchen ziemlich tief und ungebremst in den Rachen fickte, während ich sie gewaltsam am Kopf festhielt, meine Finger in ihrem nassen, dunkelroten Haar verkrallt. Ihre riesengroßen, leuchtend grünen Augen flehten mich ängstlich an, doch bitte nicht so brutal zu ihr zu sein. Das war so überirdisch geil gewesen, dass ich mich nicht hatte beherrschen können. Ihre spürbare Angst und ihre hilflos flehenden Augen hatten mich wahrhaftig extrem angetörnt.
Das unerwartete Bild entsetzte mich plötzlich dermaßen, dass mein Magen eine letzte Drehung vollführte und mir der Inhalt vor lauter Eigenekel und Schuldgefühl abrupt in die Speiseröhre schoss. Ich konnte gerade noch meinen Kopf ein wenig heben, soweit ich es eben hinbekam, und ihn eilig zur Seite drehen, als mir auch schon alles aus dem Maul geschossen kam, was sich noch in meinem Magen befunden hatte. Das war wohl nicht allzu viel, aber trotzdem platschte irgendwas dicht neben dem Bett auf den gekachelten Fußboden, was ich nicht sehen und auch beim besten Willen nicht aufhalten konnte. Ich kotzte so überraschend los, dass ich keine Chance zur Gegenwehr hatte. Meine hilflose Panik, meine rasende Wut, meine Ohnmacht, der verfickte Affe und mein Entsetzen über vergangene Taten und Erlebnisse konzentrierten sich in dem unwillkürlichen, körperlichen Versuch, den ganzen giftigen Dreck mit einem Mal loszuwerden, weil ich ihn schlicht nicht länger ertragen konnte.
In der letzten Nacht hatte ich wohl tatsächlich etwas wirklich Schlimmes getan, das dämmerte mir langsam, und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte. Mir war überhaupt nicht klar, was ich jetzt noch tun konnte, um meine Lage auch nur irgendwie zu verbessern. Zweifellos war ich ein kranker, brutaler Scheißkerl, der sich an dem Leid anderer aufgeilen konnte und es daher nicht anders verdient hatte. Mit einem Mal schien mir alles komplett aussichtslos zu sein. Ich hatte mein armseliges Leben wohl endgültig an die Wand gefahren. Heiße Tränen schossen mir ungewollt in die Augen. Autonom lief das nasse Zeug an meinen Schläfen hinab, bis in meine Ohren hinein, während ich reglos an die Decke starrte, weil ich ohnehin nichts wegwischen konnte. Fuck!
Plötzlich war ich entsetzlich jämmerlich und verachtete mich selbst abgrundtief dafür. Genau in diesem Moment ging abrupt die Tür auf. Jemand kam zögernd herein und schloss die Tür leise hinter sich. Aufgeschreckt hob ich sofort den Kopf und schaute in diese Richtung. Einerseits war ich erleichtert und heilfroh, dass endlich was passierte und jemand nach mir sah, andererseits war ich gerade so dermaßen deprimiert, dass es mir mega unangenehm war. Shit, meine ganze extrem demütigende Situation war mir fürchterlich peinlich! Banton lag hier heulend wie ein Mädchen auf einem verdammten Gummilaken und war ans Bett gefesselt. Außerdem hatte ich gerade vor einer Minute erst ungewollt auf den Fußboden gekotzt. Bedauernswerter ging es doch kaum noch!
Ich registrierte, dass eine unbekannte Frau in Schwesterntracht an der Tür stand, die mich sichtbar angespannt beobachtete und dabei offenbar meine Verfassung abschätzte. „Gut, endlich sind Sie wach!" stellte sie mit einem schiefen Lächeln fest, als unsere Blicke sich trafen. Diese Olle war schon öfter hier, vermutete ich irritiert, sie hat mich wer weiß wie lange dreist beim Schlafen beobachtet. Diese suspekte Vorstellung machte mich nervös. Schon fiel ihr Blick auf den Boden neben dem Bett, und ihr Gesicht verzog sich deutlich missbilligend und angewidert. „Ja...das... tut mir leid... ich... musste gerade kotzen...", stotterte ich entschuldigend mit trockener Kehle. Ich war darum bemüht, einen möglichst normalen Eindruck auf sie zu machen, damit sie mich auf der Stelle von den scheiß Fesseln befreite. Meine beengende Fixierung konnte ich keine Sekunde länger ertragen. Das erinnerte mich viel zu stark an meine erste Psychotherapie und andere extrem unschöne Aufenthalte in verschiedenen Institutionen.
Mann, dieser Durst war entsetzlich! Und mein Geschmack im Mund hatte sich durch das Kotzen auch nicht gerade verbessert. Die fremde Frau stand schweigend dort und musterte mich prüfend. Abwehrend verschränkte sie ihre Arme über der Brust und lächelte ziemlich arrogant. Sie war schätzungsweise ein paar Jahre älter als ich, sah aber okay aus. „Ist schon in Ordnung. Machen Sie sich keine Sorgen darüber. Mit Ihren 2,8 Promille kann das gar nicht anders ablaufen. Außerdem hatten Sie heute Nacht noch ganz andere unwillkürliche Entleerungen", erzählte sie mir spöttisch grinsend. Unwillkürlich schockiert sah ich instinktiv an mir herunter. Mist, das hörte sich gar nicht gut an! Das hämische Weib lachte amüsiert. „Nein, nein, keine Sorge! Wir haben Sie natürlich längst gesäubert und Ihnen eine frische Hose angezogen!" Mein Blick fiel verstört auf diese unbekannte, sichtbar abgetragene und oft gewaschene Jogginghose mit labberigem Gummibund, die ich anhatte, und das Blut schoss mir spontan ins Gesicht, als ich plötzlich registrierte, dass ich darunter keine Unterhose mehr trug. Stöhnend legte ich meinen schweren Schädel zurück auf die harte Matratze. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle unsichtbar gemacht. Diese verdammte Krankenschwester machte das doch ganz bewusst, die blöde Kuh! Sie erzählte mir diese Peinlichkeiten nur, damit ich mich schämte und sie sich darüber amüsieren konnte!
Als Teenager hatte ich wahrhaftig manchmal so viel gesoffen, bis ich mir in die Hose geschissen hatte. Das war definitiv nie schön gewesen! Allein in einer Kammer mit vollgeschissener Hose aufzuwachen war fürchterlich. Aber wenn es dann auch noch jemand anderes mitbekam, konnte man eigentlich nur noch im Erdboden versinken. In diesem Moment konnte ich nichts weiter tun, als zu hoffen, dass ich mich in der letzten Nacht wenigstens nur vollgepinkelt hatte. Ich konnte mich sowieso an nichts dergleichen erinnern. Ich wusste ja nicht mal, welche Hose genau ich angehabt hatte. „Wir haben ihre beschmutzte Kleidung in einer Plastiktüte dort im Schrank verstaut", informierte die Krankenschwester mich lächelnd und zeigte auf den einzigen Schrank an einer Wand des Raumes, der mir ja schon aufgefallen war. Ich folgte ihrem Fingerzeig, drehte den Kopf und schaute mir den Schrank an. Das graue Möbelstück war total hässlich, nur eine Art Spind, und die drei Türen waren geschlossen.
Die Fremde kam jetzt langsam einige Schritte auf mich zu, bis sie schließlich dicht vor dem Bett stehenblieb, wobei sie meiner peinlich stinkenden Kotze auf dem Fußboden auffallend auswich. Interessiert musterte sie mich. Ich versuchte nervös, ihren prüfenden Blick so klar und freundlich zu erwidern, wie es mir nach dieser niederschmetternden Blamage noch möglich war. Hektisch blinzelte ich, um die Tränen in meinen Augen loszuwerden, die meine Sicht verschleierten. Die kalte Frau ignorierte meine Traurigkeit. „Wie heißen Sie? Wissen Sie das? Können Sie sich an Ihren Namen erinnern?" fragte sie mich ruhig. Das verwirrte mich, denn ich war aus irgendeinem Grund fest davon ausgegangen, dass die hier auf der Station meinen Namen längst kennen würden. „Banton... Clay Banton...", krächzte ich mühsam und hustete trocken. Sehr bald musste ich dringend etwas trinken, am liebsten eine Flasche Jack Daniel's.
„Wissen Sie, wo Sie hier sind, Herr Banton? Erinnern Sie sich an die letzte Nacht?" wollte die Krankenschwester wissen. Ihre Stimme war betont ruhig und sachlich. Sie ließ mich nicht eine Sekunde aus den Augen, sondern guckte pausenlos aufmerksam in mein Gesicht. Irritiert schaute ich sie an. Ihre aufdringliche Befragung gefiel mir nicht. Und was stellte die doofe Kuh überhaupt für beschissene Fragen? Hatte sie nicht eben selbst von 2,8 Promille Blutalkoholkonzentration gesprochen? Wie zum Teufel sollte ich mich mit so viel Alkohol im Blut noch an irgendetwas erinnern können? Und warum zur Hölle hatte ich denn bloß dermaßen viel gesoffen? Ich hatte keinen blassen Schimmer, und das gefiel mir ganz und gar nicht. In meinem böse schmerzenden Kopf fand ich lediglich verflucht wirre Bilder, zahllose Blitzlichter, seltsam quälende Bruchteile von Sekunden, die ich nicht richtig zu fassen bekam.
Die Anwesenheit dieser dominanten Frau machte mich zunehmend nervös. Das Weib war mir entschieden zu nah, sie stand direkt neben dem Bett. Meine Muskeln verspannten sich widerwillig. Mein Blick fiel trotzig auf ihre Titten, die recht groß zu sein schienen. Ich entdeckte genau dort an ihrem weißen Poloshirt ein kleines Schildchen, was da angeheftet war und auf dem womöglich ihr Name stand. Die Schrift auf dem Schild war aber verflucht klein, und ich lag vor ihr auf dem Rücken, mit verfickten Ledergurten an beiden Handgelenken und eng über der Taille am Bett festgeschnallt. Aufrichten war nicht drin, und das machte mich langsam aber sicher total sauer. Mühsam konzentriert kniff ich die Augen zusammen, um die Buchstaben auf dem rechteckigen Button entziffern zu können. Mein armer Schädel tat unverändert stark weh, und ich musste mich dringend an der Nase kratzen. Vom jämmerlichen Heulen brannten mir die Augen, und mein Gesicht war nass geworden. Kalter Schweiß stand auf meiner Stirn. Es stresste mich extrem, dass ich meine Arme nicht bewegen und mir mit den Fingern über die Visage wischen konnte.
„Bitte machen Sie mich los!" forderte ich die fremde Frau drängend auf und schaute flehend in ihr Gesicht, ohne die Buchstaben auf ihrem winzigen Namensschild erkannt zu haben. Ihre Augenbrauen zogen sich missbilligend zusammen. Sie hatte ihre schwarzen, halblangen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Augen waren auch sehr dunkel, vielleicht dunkelbraun, und sie studierte mich ohne Pause wachsam. Ihre Lippen waren jetzt ablehnend aufeinandergepresst und wirkten dadurch noch schmaler. Sie hatte kleine Leberflecken auf der Wange, am Hals und im Mundwinkel.
Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Nein, Herr Banton, das geht jetzt nicht. Beantworten Sie bitte nur meine Fragen!" forderte sie mich streng auf, während ihre Augen angriffslustig funkelten. Enorm genervt stöhnte ich auf, bevor ich es verhindern konnte. „Nein... ich... bitte... ich bin doch völlig klar im Kopf...", stammelte ich verzweifelt, weil ich fürchtete, jeden Moment komplett durchzudrehen, wenn ich noch länger auf dieser schmalen, mega unbequemen Matratze liegen musste. Meine Hände ballten sich instinktiv zu Fäusten, was die verfluchte Furie auf der Stelle mitbekam, denn ihre Aufmerksamkeit schoss sofort alarmiert zu meinen Händen hin. Fuck!, das ist nicht gut, dachte ich erschrocken, öffnete hastig die verkrampften Finger und legte sie ruhig auf dem Laken ab. Zweimal atmete ich tief durch, um mich zu beruhigen.
„Es geht mir wieder gut, ehrlich!" behauptete ich mit freundlicher Stimme und lächelte die Frau so charmant an, wie ich es noch hinbekam, was wahrscheinlich nicht besonders viel war. Verschwörerisch zwinkerte ich ihr zu. Ich wollte dringend einen kleinen Flirt mit ihr starten, weil mir nichts besseres mehr einfiel. Aber ihr Mund verzog sich nur spöttisch, das scheiß Weibsbild ließ mich eiskalt abprallen. Genüsslich musterte sie mich von oben bis unten und ließ sich auffallend viel Zeit dabei. Ihre dunklen Augen wanderten sehr interessiert über meinen gesamten Körper, zweimal intensiv der Länge nach hin und her, bis sie wieder in meinem Gesicht angekommen war. Ich riss mich zusammen und ließ sie glotzen, obwohl mich dieses dreiste Abchecken echt ankotzte. Ich fühlte mich der fremden Bitch restlos ausgeliefert und war es zweifellos auch. Das war definitiv nicht gut, denn dieses hilflose Gefühl der Ohnmacht ging mir im Moment zu sehr an die Substanz.
Mühsam beherrscht holte ich tief Luft. „Es tut mir echt total leid, dass ich so viel Ärger verursacht habe. Aber jetzt bin ich..." „Sie brauchen sich bei mir nicht zu entschuldigen, Herr Banton!" unterbrach sie mich ungehalten, „Sie sollen bitte einfach nur meine Fragen beantworten, soweit es Ihnen möglich ist." „Wann werde ich losgemacht?" drängte es mich zu wissen. Sie seufzte genervt. „Das darf nur der diensthabende Arzt tun, nachdem er Sie untersucht hat", informierte sie mich spürbar ungeduldig. „Wann kommt der Arzt denn?" konnte ich mich nicht zurückhalten, weil diese Fragen für mich schlicht existenziell waren. Jetzt lächelte sie wieder, die Schlampe war tatsächlich amüsiert von mir! „Da müssen Sie sich schon noch ein bisschen gedulden, Clay. Bleiben Sie einfach ruhig liegen und beantworten Sie bitte meine Fragen, okay?" Sie versuchte ein aufmunterndes Lächeln, aber es wirkte nur arrogant und belustigt.
Besiegt schloss ich die Augen und atmete tief. Meine Muskeln waren so angespannt, dass sie anfingen zu zittern. Was meinte dieses Weib mit ein bisschen gedulden? Das konnte ja alles heißen! Womöglich musste ich noch stundenlang auf den scheiß Arzt warten! Das war kein bisschen cool! Nervös spürte ich, wie der vertraute große Zorn in mir hochkam, den ich nur schwer im Zaum halten konnte. Aber das durfte mir jetzt auf keinen Fall passieren. So blöd und fies diese Frau auch war, sie hatte verfickt nochmal leider recht. Ich musste unbedingt ruhig bleiben und durfte mich nicht sinnlos aufregen. Aggressiv zu werden war definitiv keine Option, denn dann würden sie mich mit Sicherheit nur noch länger gegen meinen Willen hier festsetzen.
Ich gab mir einen Ruck und öffnete die Augen, wobei mir erneut ein extrem scharfer Schmerz quer durchs Gehirn zuckte. Unwillkürlich stöhnte ich schmerzerfüllt auf. In diesem Moment spürte ich schockiert, dass mich etwas an der Schulter berührte. Mein Kopf fuhr alarmiert zur Seite und ich registrierte, dass die Krankenschwester mir beruhigend eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. Gott, die ahnungslose Frau fasste mich wahrhaftig an! Das war ganz schlecht, das ging jetzt so was von gar nicht!Das konnte ich jetzt wirklich nicht ertragen! Ich hatte nur mein schwarzes Unterhemd an, das hinten am Rücken eng zusammenlief und meine Schulterblätter völlig freiließ. Deshalb spürte ich ihre Finger auf meiner nackten Haut viel zu intensiv, sie verursachten mir eine Gänsehaut. Schlagartig hämmerte mein Herz los, meine Brust schnürte sich zu. Meine Schulter zuckte im vergeblichen Versuch, sich ihrer ungewollten, elektrisierenden Berührung zu entziehen. Meine Arme zerrten ganz von allein an den Fesseln, weil ich die aufdringliche Frau dringend wegschieben wollte. Panisch schnappte ich nach Luft.
„Ganz ruhig, Clay!" meinte die Schwester mit besänftigender Stimme, „Sie hatten vor knapp fünf Stunden noch 2,8 Promille Alkohol in Ihrem Blut. Es ist also kein Wunder, dass Sie sich heute Morgen extrem verkatert fühlen. Außerdem hat unser Test auf Barbiturate, THC und sehr stark auf Opiate angesprochen. Sie sind also in diesem Augenblick auf gar keinen Fall nüchtern." Scharf zog ich die unangenehm abgestandene Luft ein. Was quatschte die verdammte Olle denn da nur? Noch mehr Blödsinn konnte sie mir ja gar nicht erzählen! Ich fühlte mich nämlich so entsetzlich nüchtern, wie es überhaupt nur möglich war. Ein schlimmer Schmerz wütete in mir, der sowohl körperlich als auch seelisch war. Der verfluchte Affe kicherte immer lauter in meinen reißenden Knochen. Ich war definitiv nicht zugeknallt und spürte keine einzige dieser wohltuenden Wirkungen mehr, weswegen ich wohl vor einigen Stunden diese Rauschgifte konsumiert hatte. Mein Kopf platzte fast vor Schmerz und war extrem unvernebelt, sodass jeder Gedanke wie ein scharfes Messer in meinen Verstand und auf meine Seele einstach.
Ich konnte mich nicht erinnern, in letzter Zeit Barbiturate zu mir genommen zu haben. Dieser Punkt verwirrte mich enorm. Ratlos schaute ich die Krankenschwester an, die nicht damit aufhörte, beruhigend zu lächeln und mit ihren langen, dünnen Fingern meine nackte Schulter zu tätscheln. Sie hatte an jedem einzelnen Finger auffallend roten Nagellack aufgetragen, und ich wollte ihr zu gerne unverzüglich die Finger abbeißen, damit sie endlich damit aufhörte, mich anzufassen. „Wollen Sie jetzt bitte noch ein paar Fragen beantworten?" erkundigte die Frau sich gezwungen behutsam und glotzte gelassen. Ich schüttelte den Kopf, bevor ich nachdenken konnte. „Nein... ich... das geht jetzt nicht... ich muss dringend nach Hause... ich muss... arbeiten...!" versuchte ich ihr blöde stammelnd klarzumachen. Mein Kopf dröhnte zu stark, der Schmerz lenkte mich ab, darum war es schwer, meine Gedanken zu vernünftigen Sätzen zu bilden. Meine zunehmende Panik verstärkte den Schwindel in meinem Schädel. Ich war dieser fremden Frau ausgeliefert und das konnte ich kaum noch verpacken. Mein Herz hämmerte wie verrückt und schnürte mir die Luft zum Atmen ab.
Aufgewühlt zog ich meine langen Beine heran und stellte die nackten Fußsohlen auf dem harten, glatten Gummilaken ab. „Ich habe total wichtige Termine!" versicherte ich der Schwester verzweifelt. Das war bestimmt die Wahrheit, auch wenn ich mich im Moment an keinen einzigen Termin erinnern konnte. Es war mir aber todernst und ich legte in meinen Blick und meine Stimme die ganze lebenswichtige Dringlichkeit meiner Aussage. Aber ihre Mundwinkel schossen in einem verblüfften Grinsen nach oben. Ihre Augen funkelten extrem belustigt. Laut lachend stieß sie Luft aus und schüttelte fassungslos den Kopf. „Himmel, Clay!" kicherte sie ausgelassen, als hätte ich einen überraschend guten Witz für sie gemacht, „Erst vor wenigen Stunden waren Sie vollkommen außer Kontrolle! Sie konnten sich noch nicht einmal mehr an ihren eigenen Namen erinnern! In Ihrem desolaten Zustand werden Sie noch eine sehr lange Zeit nicht arbeiten können!"
Während die Frau mir ihre niederschmetternde Meinung wie ein scharfes Messer reindrückte, streichelte sie gutmütig grinsend mein Schultergelenk. Ihre amüsiert hervorgekicherten Worte waren schlimmer als alles, was ich hören wollte oder verarbeiten konnte. Dieses verfickte Weib machte sich so dermaßen eindeutig über mich lustig, dass irgendwas in mir unvermittelt austickte, ohne dass ich es verhindern konnte. Spontan zuckte meine Schulter in einer widerwillig heftigen Bewegung von ihr weg. Erstaunt ließ sie mich los und beobachtete leicht irritiert meine Reaktion. Meiner ausgetrockneten Kehle entwich ein enorm zorniges Fauchen, bevor ich es zurückhalten konnte. Hasserfüllt fixierte ich die fremde Krankenschwester in dem extrem rasenden Begehren, ihr das spöttische Lachen sofort aus dem Gesicht zu schlagen.
„Jetzt mach mich schon los, verdammte Scheiße!" schrie ich die Schwarzhaarige wütend an, weil Schlagen mit Fixierung leider nicht möglich war. Erschrocken zuckte sie zusammen. Ihr Lachen starb auf der Stelle, ihre dunklen Augen weiteten sich unangenehm überrascht. Die blöde Kuh ging vorsichtshalber hastig zwei Schritte rückwärts, um Abstand zu mir zu gewinnen, obwohl ich mich doch sowieso nicht bewegen konnte. Alarmiert beobachtete sie mich. Dann schüttelte sie anklagend den Kopf. „Na gut, Herr Banton, wenn Sie jetzt noch nicht in der Lage sind, meine Fragen zu beantworten, dann komme ich eben später noch einmal zu Ihnen", informierte sie mich arrogant mit einem geringschätzigen Lächeln. Im nächsten Moment drehte sie sich auch schon um und steuerte mit festem Schritt direkt die Tür an. Mein Herz blieb komplett stehen. Vor meinen Augen fing es böse zu flimmern an, weil die Panik in mir abrupt explodierte. „Nein! Moment! Warten Sie bitte! Es tut mir leid! Ich wollte nicht...", rief ich diesem Menschen hinterher, der in diesem Augenblick wichtiger als mein Leben für mich wurde. Diese Frau durfte jetzt nicht einfach wieder weggehen! Sie konnte mich doch unmöglich nochmal eine unbestimmt lange Zeit allein hier liegen lassen! Das war so was von uncool! Das konnte ich auf gar keinen Fall aushalten!
Ich hob den Kopf so ruckartig an, dass meine Halswirbel schmerzhaft knackten, und starrte der Krankenschwester beschwörend hinterher. Meine Hände griffen hektisch in die Luft, wegen der fixierten Gelenke dicht über der Matratze, in dem hilflosen Versuch, sie irgendwie festzuhalten. Meine Füße streckten sich in dem sinnlosen Versuch, sie zu erreichen. „Bitte... gehen Sie bitte nicht! Es tut mir leid!"wiederholte ich flehend und schnappte röchelnd nach Luft. Das ätzende Weib stand schon an der Tür und griff unbeeindruckt nach der Klinke. Langsam drehte sie sich noch einmal zu mir herum und betrachtete mich eine Weile selbstbewusst lächelnd. Meine demütigende Situation gefiel ihr sichtbar. Es machte ihr Spaß, meine Hilflosigkeit mitanzusehen. Das entfachte meinen Zorn enorm, und auf einmal hatte ich echte Mühe damit, die vielen Beschimpfungen und Flüche zurückzuhalten, die mir spontan zu dieser Person einfielen und die dringend aus mir herauswollten.
„Entschuldigen Sie sich nicht bei mir, Herr Banton. Beruhigen Sie sich lieber. Ich werde später nochmal nach Ihnen sehen, wenn Sie sich beruhigt haben", meinte die Bitch mit einem spöttischen Grinsen. Im nächsten Moment öffnete sie die Tür und ging hinaus. „Nein... bitte... Kann ich bitte was zu trinken haben?" schrie ich eilig los, und meine Stimme überschlug sich dabei vor Angst. Ich konnte es nicht fassen, als sie mich eiskalt ignorierte und die Tür hinter sich schloss. Ich war allein in dem beschissenen Zimmer, fixiert auf diesem harten Bett mit dem Gummilaken, und ich drehte echt durch. Meine Beine machten sich selbstständig und traten völlig sinnlos immer wieder kräftig in die Luft. Mein gesamter Körper streckte sich autonom und wand sich innerhalb der engen Fesseln herum, in einem unbändigen, nicht mehr zu kontrollierenden Bewegungsdrang. Jede einzelne meiner Muskeln zitterte und zuckte schmerzhaft angespannt. Mit all meiner mir verbliebenen Kraft wollte ich mich gewaltsam von meinen Fesseln befreien. Aber die drei Lederriemen um meinem Leib wurden nur immer enger. Die scharfen Ränder bohrten sich in meine Haut, schnürten mir beim Zerren die Blutzirkulation ab. Es fing an, überall wie wahnsinnig zu kribbeln. Dicht unter meiner Haut krabbelten schon bald abertausende Ameisen herum. Es wurde schlicht unerträglich, dass ich mich nicht kratzen konnte. Der jubelnde Affe eröffnete endgültig seinen wilden Freudentanz in mir. Das hier konnte ich gar nicht überleben. Das war echt der Supergau.
Eliza
Mein Herz schlug zu schnell, ich dachte viel zu intensiv an Banton, und das war beides nicht gut. Ich musste mich beruhigen. Aber ich stand nur dort, mit meinem Kaffee in der Hand, und musste eigentlich schon längst mit meiner Arbeit anfangen. Trotzdem war ich wie festgenagelt, als wäre ich hier gefangen und könnte diesen verdammten Pausenraum nicht mehr verlassen. Das gefiel mir alles nicht. Heute sollte doch der erste Tag nach langer Zeit sein, an dem ich mich ausschließlich um mich selbst kümmern wollte. Das hatte ich mir fest vorgenommen, hatte mich befreit und zufrieden gefühlt. Ich hatte die zweijährige Clay-Episode meines Lebens vor einer halben Stunde mit meiner Briefzustellung an ihn erfolgreich abgeschlossen.
Aber jetzt war alles anders. Nun war schon wieder nur noch dieser Mann in meinem Kopf. Meine Gedanken kreisten um ihn, seinen derzeitigen Zustand, die erschreckende Tatsache, dass er in der letzten Nacht aus irgendeinem Grund in der Psychiatrie gelandet war. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass ich selbst daran nicht ganz unschuldig war, und das belastete mich stärker, als ich verarbeiten konnte. Außerdem verlangte Doktor Siamak Tourani auch noch von mir, dass ich mich um meinen Exfreund kümmern sollte. Als hätte ich nichts Besseres zu tun!
„Was meinst du damit?" fragte ich Siamak noch einmal, weil er nicht antwortete, und nahm nervös einen Schluck von meinem Pappbecher voll Cappuccino. Das Getränk war heiß und schmeckte recht gut. Ich schloss die Augen und atmete zweimal tief durch. Dann öffnete ich die Augen und drehte mich entschlossen zu Siamak hin. Er stand sichtbar hilflos dort, und ich konnte es nicht fassen, dass er sich ausgerechnet von Clay Banton dermaßen aus der Ruhe bringen ließ. Egal, was mit Clay in der letzten Nacht passiert sein mochte, Siamak hatte bestimmt nichts damit zu tun. Das war doch ein dummes Hirngespinst von Doktor Tourani! Ich verstand nicht, warum der junge Arzt sich dermaßen für Banton verantwortlich fühlte, wo er ihn doch eigentlich kaum kannte. Schließlich war er seinem Patienten bisher nur wenige Male in der Notaufnahme begegnet.
„Ich meine damit, dass wir sehr gut darüber nachdenken sollten, wie wir weiter mit Clay vorgehen", erklärte Siamak mir zögernd und betrachtete mich aufmerksam. Er hatte offenbar Angst, dass ich ablehnend reagieren könnte, und das verblüffte mich total. Warum war ihm meine Meinung so wichtig? Was hatte ich überhaupt damit zu tun? Ich konnte Herrn Banton doch sowieso nicht helfen, ganz egal, in welchen Mist er sich diesmal wieder selbst hineinmanövriert hatte. Das hatte ich doch nun wirklich schon hinlänglich festgestellt. Und ich hatte auch keine Lust mehr, mich nochmal damit zu beschäftigen. Der studierte Mann mit dem Doktortitel schaute mich an, als müsste ich doch eigentlich ganz genau wissen, was jetzt zu tun war. Als hätte ich eine ziemlich dumme Frage gestellt, und das gefiel mir nicht. Jetzt fixierte er mich vielsagend. „Ja, ist dir denn gar nicht klar, was das für eine riesige Chance für Clay sein könnte?" fragte Siamak mich fassungslos mit weit aufgerissenen Augen.
Ich schüttelte den Kopf und nippte nochmal an meinem Kaffee. Mir war überhaupt nichts klar, nur, dass ich schnellstmöglich mit meiner Arbeit beginnen musste, sonst würde ich meine Vorbereitungen bis zum Wecken der Patienten nicht mehr schaffen. Demonstrativ schaute ich auf meine Armbanduhr und drehte mich zum Ausgang hin. „Hör mal, Siamak! Ich habe jetzt echt keine Zeit...", fing ich abwehrend an, als er mich auch schon unterbrach: „Aber Eliza! Denk doch bitte mal nach! Clay befindet sich in diesem Moment bei uns in der geschlossenen Psychiatrie! Er ist also ganz genau da, wo er schon lange sein sollte! Wir könnten ihn jetzt ganz leicht hierbehalten! Dann könnte er endlich vom Heroin entziehen! Er würde die professionelle Hilfe bekommen, die er so dringend benötigt!" schlug der Herr Doktor begeistert vor und war auf einmal richtig aufgeregt. Beschwörend musterte er mich und heischte spürbar nach meiner Zustimmung. Es verlangte ihn dringend nach meiner Unterstützung.
Aber ich konnte seine Begeisterung beim besten Willen nicht teilen. Stattdessen war ich maßlos erstaunt darüber, wie überaus naiv Doktor Siamak Tourani offenbar war. Dachte er denn tatsächlich, dass dieses Problem so einfach zu lösen war? Anscheinend hatte Siamak noch nicht viel mit Drogenabhängigen zu tun gehabt. Nervös musste ich grinsen bei dem Gedanken, dass ich mich plötzlich wie ein Profi fühlte, wie jemand, der mit dieser schwierigen Thematik schon jede Menge Erfahrung gesammelt hatte. Dabei stimmte das doch gar nicht. Clay war bisher der einzige Süchtige, den ich kannte, aber dafür hatte ich mit ihm wegen dem scheiß Rauschgift schon entschieden zu viel mitgemacht. Genau das war doch auch einer der Hauptgründe gewesen, weswegen ich mich von dem zärtlichen, attraktiven Mann aus Island getrennt hatte.
Als mir das plötzlich wieder einfiel, schüttelte ich energisch den Kopf. „Nein, Siamak! Glaubst du denn ernsthaft, du könntest Clay gegen seinen Willen eine Drogen- und Psychotherapie aufzwingen? So kann das doch gar nicht funktionieren!" „Aber der arme Kerl braucht doch so dringend Hilfe!" fuhr es verzweifelt aus Siamak heraus, „Und vielleicht müssen wir ihn wirklich zu seinem Glück zwingen, wenn er es selbst partout nicht einsehen will!" Aber seine Stimme zitterte dabei, und ich sah ihm an, dass er an seiner eigenen Begeisterung zu zweifeln begann. Siamak Tourani tat mir plötzlich leid. Der junge Doktor schien schon jetzt so viel Gefühl für Clay Banton entwickelt zu haben, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Zusätzlich fühlte er sich dummerweise für das verantwortlich, was in der vergangenen Nacht mit Clay passiert war. Diesen Unsinn musste ich ihm zuerst mal ausreden. „Du, Siamak, hör mal! Du bist nicht schuld daran, dass Clay in der Psychiatrie gelandet ist. Rede dir das bitte nicht ein. Clay hat schon sein Leben lang mit Dämonen zu kämpfen, die wir uns wahrscheinlich nicht mal vorstellen können", versuchte ich es mit einem aufmunternden Lächeln. Dann nahm ich noch einen großen Schluck Cappuccino.
Siamak betrachtete mich nachdenklich. Sein voreiliger Anfall von naivem Enthusiasmus war verflogen. Jetzt wirkte er wieder deprimiert und ratlos. „Was ist denn bloß mit Clay passiert?" fragte der junge Arzt mich so ängstlich, als fürchte er die Antwort, „Aus welchem Grund ist er nur so entsetzlich wütend?" Ich hob die Schultern, denn ich wusste es wirklich nicht. Während unserer gemeinsamen Zeit war Banton nie übermäßig wütend gewesen. Genau genommen hatte ich ihn zum ersten Mal richtig zornig erlebt, kurz bevor er gestern aus meinem Badezimmer gestürmt war. Außerdem hatte Clay mir im Laufe unserer Beziehung fast nichts über sich erzählt und noch weniger über seine Kindheit oder Jugend. Dass er so ungern über seine unstete Vergangenheit sprach, war wohl ein Indiz dafür, dass etwas ziemlich Unerfreuliches vorgefallen war. Aber ich konnte dem wissbegierigen Doktor Tourani keine konkrete Erklärung bieten.
„Ich weiß es nicht, Siamak. Ich vermute, dass es etwas mit seiner schwierigen Kindheit zu tun hat. Clay hat durch die Trennung seiner Eltern schon ziemlich früh seinen Vater verloren und ist mit seiner Mutter und seinen Schwestern oft umgezogen. Vielleicht hat ihm so etwas wie ein dauerhaftes Zuhause gefehlt", erzählte ich vage und wandte mich hastig zur Tür. Auf keinen Fall wollte ich länger über Clays Leben nachdenken, denn das machte mich jedes Mal traurig. „Für so etwas kann es doch unendlich viele Gründe geben. Du kannst Clay ja gleich selbst danach fragen, wenn du zu ihm gehst", schlug ich eilig vor, obwohl ich mir sicher war, dass Clay dem Doktor sowieso nichts über seine rätselhafte Kindheit erzählen würde.
„Ich muss jetzt zur Arbeit, Siamak!" betonte ich und machte einen Schritt Richtung Ausgang. Siamak seufzte noch einmal schwer und packte mich hektisch an der Schulter, um mich aufzuhalten. Eindringlich fixierte er mich. „Bitte, Eliza, denk doch bitte noch mal drüber nach! Ich kann deine Hilfe hierbei ehrlich gut gebrauchen! Du kennst Clay doch viel besser als ich! Wir müssen gemeinsam versuchen, ihn erst einmal hier festzuhalten. Es wird vielleicht sogar sein Leben retten, wenn er ein bisschen hierbleibt..." Nervös lachte ich auf. „Was meinst du denn mit ein bisschen? Was soll das denn bringen?" Siamak ließ mich los. In seinen Augen erschien eine grimmige Entschlossenheit, die mich erstaunte. „Ich werde das zur Not auch alleine in Angriff nehmen, Eliza. Ich kenne den diensthabenden Arzt in der Psychiatrie. Und ich werde alles versuchen, was in meiner Macht steht, damit Clays Aufenthalt hier bei uns so lange wie möglich dauert."
Verständnislos schüttelte ich den Kopf, während ich verblüfft in Siamak Touranis fest entschlossenes Gesicht schaute. Ich konnte mir sein Engagement für einen drogensüchtigen Mann, den er kaum kannte, wirklich nicht erklären. „Du willst das gegen Clays Willen tun?" wandte ich nochmal höchst zweifelnd ein. Aber Siamak blieb unbeeindruckt. „Ja, zur Not auch gegen seinen Willen. Clay Banton ist sehr krank, Eliza. Dein Exfreund schwebt zweifellos in Lebensgefahr, auch wenn er selbst das offenbar nicht mal ahnt. Ich verstehe nicht, warum du davon während deiner zweijährigen Beziehung mit ihm nichts gemerkt haben willst. Vielleicht kann er sich ja besonders gut verstellen. Aber ich habe heute Nacht sein wahres Gesicht gesehen. Und ich bin mir inzwischen sicher, dass er neben seiner gefährlichen Drogenabhängigkeit auch noch an der Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet. Die richtigen Medikamente würden ihm das Leben sehr erleichtern. Und Clay selbst kann zweifellos gar nicht mehr beurteilen, was ihm helfen würde..."
Vor lauter Nervosität lachte ich nochmal laut auf, obwohl ich mich in Wahrheit erschöpft und deprimiert fühlte. Das Thema Clay Banton wühlte mich extrem auf, spürte ich verärgert. Die traurigen Ereignisse rund um Clay gingen mir zu tief unter die Haut, und mir war klar, dass ich unverändert entschieden zu viel Liebe und Sorge für diesen gut aussehenden Mann empfand. Clay tat mir leid und ich fand, dass er es nicht verdient hatte, wenn eiskalt über seinen Kopf hinweg über ihn entschieden wurde. Aber ich verstand auch, dass Siamak es gut mit ihm meinte und merkwürdigerweise fest entschlossen war, Clay zu seinem angeblichen Glück zwingen zu wollen. Ich konnte den erstaunlich engagierten Herrn Doktor wohl kaum von seinem Vorhaben abbringen. Sollte Siamak es doch auf seine Weise versuchen, wenn er so versessen darauf war! Clay würde sich sowieso mit Händen und Füßen gegen so eine Bevormundung sträuben, das war mir jetzt schon klar, und ich konnte mir seinen heftigen Widerstand bildhaft vorstellen. Banton war in meinen Augen längst nicht so lebensgefährlich krank, wie Tourani ihn darstellte. Und er würde auf gar keinen Fall freiwillig länger in der Psychiatrie bleiben wollen, das stand für mich fest.
Mein Lachen gefiel dem Arzt nicht. Er verstummte und guckte mich irritiert an, die Augenbrauen leicht verärgert zusammengezogen. „Du nimmst diese Sache nicht ernst genug, Eliza!" beklagte er sich bitter bei mir. Mein Lachen starb und ich seufzte schwer. „Ich nehme das sehr ernst, Siamak, glaube mir. Das ist total ernst, das verstehe ich besser, als du dir vorstellen kannst. Aber ich möchte mich damit nicht mehr belasten. Ich habe lange genug versucht, Clay irgendwie zu helfen. Ich kann es nicht. Und ich möchte es auch nicht mehr. Bitte lass mich da raus, okay?" Um Verständnis bittend schaute ich ihn an. Er nickte zögerlich und seufzte. „Aber du wirst ihn in deiner Frühstückspause besuchen, nicht wahr? Du wirst bei ihm vorbeischauen?" hakte er flehend nach. „Unser Freund ist ganz allein in der geschlossenen Abteilung", setzte er noch vielsagend hinzu. „Mal sehen... wenn ich die Zeit dafür finde...", blieb ich bewusst ungewiss.
Ich war mir nicht sicher, ob ich Herrn Banton schon heute wiedersehen wollte. Ob ich Clay in der Psychiatrie überhaupt würde ertragen können. Womöglich würde der verwirrte Mann sogar mir die Schuld an allem zuschieben. Vielleicht war er in der vergangenen Nacht nur deshalb ausgeklinkt, weil ichihn verlassen hatte, und würde mir das wütend vorwerfen. So einen neuen, hässlichen Streit mit Clay wollte ich mir nicht antun. Und das Schlimmste daran war, dass ich mich wider besseres Wissen tatsächlich ein bisschen schuldig fühlte, was mir überhaupt nicht gefallen wollte.
„Jetzt muss ich aber dringend mit meiner Arbeit anfangen", betonte ich nochmal und machte rasch zwei Schritte zur Tür hin. Meine Hand streckte sich nach der Klinke. Ich wollte so schnell wie möglich diesen Pausenraum verlassen und nichts mehr hören, denn das waren wahrhaftig genug schlimme Neuigkeiten für einen frühen Morgen gewesen. „Du hast ihn heute Nacht ja nicht gesehen!" rief Doktor Tourani plötzlich höchst verzweifelt hinter mir her. Intuitiv zog sich alles in mir zusammen, denn dieser Satz klang wie ein Hilfeschrei, in dem Siamaks gesamte Sorge und Frustration gebündelt zu sein schien. Zögernd blieb ich stehen, konnte mich aber nicht überwinden, mich zu dem Arzt umzudrehen. Ich wollte gar nicht hören, was er mir über seine letzte, sehr unerfreuliche Begegnung mit Banton in der nächtlichen Notaufnahme berichten wollte. Aber jetzt konnte ich auch nicht einfach abhauen. Meine Neugier hielt mich schon wieder hier fest, und das nervte mich enorm.
Ein paar Sekunden war es totenstill im Aufenthaltsraum. Meine Finger krampften sich um den heißen Pappbecher in meiner Hand. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich mir unwillkürlich vorstellte, in welchem Zustand genau sie Clay wohl in der Nacht gewaltsam gegen seinen Willen hier eingeliefert hatten. Siamak zufolge war Banton so außer sich und vollgepumpt mit Rauschmitteln gewesen, dass er Siamak noch nicht einmal mehr erkannt hatte. Doktor Tourani hatte seinem außer Rand und Band geratenen Patienten eine Beruhigungsspritze geben müssen, weil Clay so aggressiv gewesen war, dass er sogar um sich geschlagen hatte. In der letzten Nacht war mein Exfreund eine Gefahr für sich und andere gewesen, hatte Siamak felsenfest behauptet.
Das hörte sich richtig schlimm an, und eigentlich passte es kein bisschen zu Clay, so wie ich ihn kannte. Viel lieber wollte ich mich an einen anderen Clay Banton erinnern, an den liebenswerten, lustigen, zärtlichen und charmanten großen Jungen, der mich auf Händen getragen und mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte. Ob die Polizei ihn letzte Nacht hilflos und orientierungslos draußen auf der Straße aufgegriffen hatte? Oder hatte Clay vielleicht besoffen irgendwo randaliert und war angezeigt worden? Warum um Himmels Willen hatte er das nur getan? So etwas passte doch gar nicht zu ihm! Er war doch noch nie ein wütender, aggressiver Mann gewesen! Was war nur in der vergangenen Nacht in seinem hübschen Kopf für ein verrückter Film abgelaufen?
Er hat schon total aufgelöst gewirkt, als er Sean und mich gestern Abend völlig überstürzt verlassen hat, erinnerte ich mich mit Schrecken. Zweifellos hatten Valmont und ich ihn mit unserem unbedachten Verhalten ganz extrem wütend gemacht. War Banton womöglich nur völlig durchgedreht und hatte sich mit Drogen förmlich vollgestopft, weil er mit der endgültigen Trennung von mir nicht zurechtkam? Hatte ich dem zweifellos überaus sensiblen Mann vielleicht wahrhaftig das Herz gebrochen, sodass er davon lebensgefährlich verletzt worden war? Dieser Gedanke entsetzte mich regelrecht. Ich konnte und wollte mir das nicht vorstellen.
Erstarrt stand ich dort im Aufenthaltsraum und fixierte die Tür, nicht fähig dazu, den Doktor anzusehen, aus Angst davor, was er mir jetzt noch Schreckliches erzählen würde. Siamak seufzte schon wieder hörbar schwer und holte tief Luft. Nur knapp widerstand ich dem plötzlichen Bedürfnis, mir vorsichtshalber schützend die Ohren zuzuhalten. „Es war total beängstigend, Eliza! So etwas Extremes habe ich vorher noch nie mit einem Patienten erlebt. Als wäre es gar nicht Clay Banton gewesen, der direkt vor mir gestanden hat, sondern ein völlig fremder Dämon. Etwas unfassbar Zorniges hat Besitz von dem Menschen ergriffen, was er definitiv nicht mehr unter Kontrolle hat", murmelte Siamak deprimiert.
Noch bevor die Sätze richtig zu mir durchdrangen fiel mir auf, dass er so noch nie mit mir gesprochen hatte. Siamak hatte sich noch niemals so kraftlos angehört. Die Stimme des jungen Arztes war extrem leise, sie brach fast vor Ergriffenheit und Entsetzen. Trotzdem konnte ich ihn leider ganz genau verstehen, und seine Worte fuhren mir unerwartet heftig durch Mark und Bein. Hastig schüttelte ich abwehrend den Kopf. So genau wollte ich das doch gar nicht wissen! Ich wollte so ein Bild von Clay nicht in meinem Kopf haben. Zu gerne hätte ich Siamaks Beschreibung auf der Stelle lächerlich gemacht. Ich hätte mir einfach eine Szene aus einem Film vorgestellt. So wie bei Der Exorzist zum Beispiel. Clay würde dann mit grün geschminktem Gesicht und irrem Blick auf einem Bett sitzen. Wegen der teuflischen Präsenz wäre es so kalt im Zimmer, dass man seinen Atem sehen könnte, und er würde mit gruselig dunkler Dämonen-Stimme Flüche, Beschimpfungen und Verwünschungen von sich geben.
Das wäre eine befreiend einfache Erklärung für seinen Zustand gewesen. Clay Banton wäre dann nichts weiter als ein begabter Schauspieler, über dessen übertrieben dargestellte Rolle ich lachen und mich ein bisschen angenehm ängstigen könnte. Aber das funktionierte nicht mehr, denn der gewaltige Blitz hatte mich schon aus dem Nichts heraus getroffen. Schlagartig war ich einfach nur maßlos schockiert. Mir war überhaupt nicht zum Lachen zumute. Mich in eine imaginäre Film-Szene zu flüchten, war nicht mehr möglich, so gerne ich das auch getan hätte. Aber es war zu spät. Siamaks Bild von dem fremden, bösartigen Dämon, der Clay Bantons kindlich-sensiblen Verstand restlos übernommen hatte, erschütterte mich total unvorbereitet und stach ganz enorm tief in meine Seele hinein. Die Intensität meines emotionalen Schmerzes war plötzlich dermaßen groß, dass mir wahrhaftig die Luft wegblieb und ich mich unwillkürlich gequält zusammenkrümmte. So eine außergewöhnlich starke, rein intuitive, komplett ungesteuerte und extrem emotionale Reaktion auf eine reine Information hatte ich vorher noch nie erlebt, schon gar nicht bei mir selbst. So etwas hatte ich nicht mal für möglich gehalten.
Clay
Es wurde wirklich, wirklich schlimm. Und damit meine ich richtig schlimm. Mittlerweile lag ich seit Stunden hier, seit Tagen und Nächten, Monaten oder Jahren. Es gab kein Fenster in diesem verfluchten Raum, daher wusste ich noch nicht mal, ob es draußen hell oder dunkel war. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Die Ewigkeit umhüllte mich in nie enden wollender, unerträglicher Einsamkeit und steigendem Schmerz. Der Affe tanzte zunehmend lauter in mir. Die Angst schnürte mir die Kehle zu. Mein Herz hämmerte unverdrossen hart und schnell.
Noch immer lag ich auf dem Rücken. Ich war mit drei Lederriemen zu eng ans verdammte Bett fixiert und konnte mich nicht rühren. In einer heftigen Panikattacke und einem Anfall von akutem, unkontrollierbarem Bewegungs- und Befreiungsdrang hatte ich so lange heftig mit den Beinen gestrampelt und jede meiner Muskeln dermaßen widerwillig angespannt, dass mir jetzt alles wehtat. Jede verdammte Faser meines Körpers schmerzte. Meine blasse Haut war nassgeschwitzt, mein schwarzes Unterhemd klebte mir am Oberkörper. Das harte, völlig glatte Gummilaken unter mir war nicht saugfähig, darum lag ich jetzt in meinem eigenen Schweiß, der sich besonders an meiner Rückseite unangenehm klebrig, nass und heiß anfühlte.
Die unbekannte, hellgraue Jogginghose, die sie mir irgendwann in der Nacht angezogen hatten, war durch das heftige Strampeln von allein heruntergerutscht, weil das Gummiband so ausgeleiert war, dass es kaum noch Halt bot. Blöderweise hatte ich das zu spät bemerkt, sonst hätte ich früher mit dem sinnlosen In-die-Luft-Treten aufgehört. Jetzt hing mir die verfluchte Hose so tief an den Hüften, dass man tatsächlich mein sehr kurz rasiertes Schamhaar sehen konnte. Nur ein paar Millimeter tiefer, und jeder hätte auch meinen Schwanz bewundern können, der mir dicht unter dem Hosenbund schlapp auf dem Unterleib lag. Das Schlimmste daran war, dass ich keine Unterhose mehr anhatte, und dass ich es auch mit der größten Anstrengung und dem schmerzhaften Verbiegen meiner Finger nicht geschafft hatte, mir die verfickte Hose selbst wieder hochzuziehen. Dazu waren meine Handgelenke viel zu eng und stramm ans Bett gefesselt.
Irgendwann hatte ich es erschöpft und entnervt aufgegeben, mich wieder richtig anziehen zu wollen. Stattdessen hatte ich so abrupt losgeheult, dass es mich selbst überraschte. Weil ich über die scheiß verrutschte Hose so verzweifelt war, dass es mir total den Verstand raubte. Weil Banton in Wahrheit ein kleines Mädchen war. Natürlich war es nicht nur die Hose, aber die gab mir irgendwie den Rest. Mein hemmungsloses Weinen wurde echt übel, verkrampft und unkontrolliert, denn einmal damit angefangen, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Keine Ahnung, wie lange ich heulte, mich selbst kräftig bemitleidete und lautstark jammerte. Mein eigener, heftiger Anfall von umfassender Depression und Resignation machte mich mit der Zeit jedenfalls von allein so extrem wütend, dass ich danach genauso ungezügelt nur noch herumschreien konnte. Hemmungslos schrie ich so ziemlich alle Schimpfwörter und Flüche heraus, die mir in dem Moment einfallen wollten. Meine eigene Stimme dröhnte mir in den Ohren und konnte doch die fürchterliche Totenstille in diesem sterilen Raum nicht übertönen.
Allerdings nützte der ganze Kraftaufwand nichts, denn es passierte rein gar nichts. Niemand kam herein, obwohl ich lautstark danach verlangte. Kein Mensch ließ sich blicken. Nichts wurde davon besser, ganz im Gegenteil. Das Heulen und Schreien überanstrengte nur meine wertvollen Stimmbänder, bis ich letztendlich heiser war. Jetzt tat mein Hals entsetzlich weh. Die vielen salzigen Tränen waren mir in die Ohren gelaufen. Meine Augen waren total verquollen, mein Blick war verschleiert und mein Durst noch viel schlimmer geworden. Mein Gesicht war ganz nass von Tränen und Schweiß. Beim Flennen war mir massig Rotz aus der Nase gelaufen, den ich nur halbwegs mit der Zunge hatte auflecken können. Die verdammte Feuchtigkeit auf meiner Haut kribbelte überall wie verrückt und ich drehte echt durch, weil ich mich nicht kratzen konnte. Ich konnte gar nichts weiter tun als einfach nur dazuliegen und an die Decke zu starren!
Inzwischen hatte ich jede einzelne Kachel in diesem Zimmer tausendmal gezählt, jeden Sprung in den Kacheln und jeden winzigen Riss an der Decke registriert. Mit dem zwanghaft drängenden Begehren, in meinem allumfassenden Elend wenigstens etwas Angenehmes zu fühlen, streichelten meine geknickten Finger schon seit geraumer Zeit pausenlos über meine Handballen und beide Daumen abwechselnd über meine Zeige- und Mittelfinger. Mit dieser sanften Berührung wollte ich mich selbst beruhigen. Das funktionierte sogar irgendwie, solange ich mich ausschließlich auf dieses Streicheln konzentrierte.
Aber das Konzentrieren wurde kontinuierlich schwieriger, denn der Affe war stärker als das. Der Affe war naturgemäß sehr viel stärker als jeder andere Scheiß. Der akute Mangel an Heroin schickte mir Schüttelfrost und Krämpfe und drehte mir den Magen herum. Inzwischen hatte ich wohl schon so an die zwanzigmal gekotzt. Mit zunehmend geringerem Ergebnis, weil mein Magen sich dabei komplett leerte. Zuletzt würgte ich nur noch Spucke hoch, die ungehindert aus meinem Maul lief, bis ich innerlich vollständig vertrocknet war. Jetzt klebte meine Zunge unförmig am Gaumen. Mein Durst brachte mich um. Ich überlegte, wie lange es wohl noch dauern würde, bis ich verdurstet war. Ich glaubte, irgendwo mal gehört zu haben, dass ein Mensch höchstens sieben Tage ohne Wasser überleben konnte. Ich fragte mich, ob diese Zeit wohl schon verstrichen war und wusste es ehrlich nicht. Ich spürte eine tiefe, gefährliche Sehnsucht in mir, durch den Tod erlöst zu werden.
Noch viel länger lag ich einfach so dort. Aufgezwungene Bewegungslosigkeit lähmte meinen Körper. Dadurch fühlten sich meine Gedanken besonders frei und machten sich pausenlos selbstständig. Sie wirbelten wie irre in meinem schmerzenden Schädel herum, suchten autonom nach einer Erklärung für meine unerträgliche Lage und wollten sie doch gar nicht finden. Meine dunklen Ahnungen allein waren schon schrecklich genug, als dass ich intensiver über meine Situation nachdenken wollte. Ich vermutete, dass mich eine weitere beschissene Intrusion ereilt hatte, denn meine Erinnerungsfetzen deuteten alle darauf hin. Das machte mir entschieden zu große Sorgen, weil ich keinen blassen Schimmer hatte, was genau passiert war, was ich eventuell getan hatte, und ich war unglaublich angepisst deswegen, weil es so oft die gleichen verfickten Bilder waren, die mich fertigmachten. Nur acht verfluchte Wochen Sommerferien! Das war so was von Scheiße! Das war extrem uncool! Ich konnte nicht begreifen, warum meine Seele sich ausgerechnet an diesen bösen Erlebnissen festgeklammert hatte, dass sie mich scheinbar mein ganzes restliches Leben verfolgen wollten.
Zum Verrecken wollte ich mich nicht noch länger daran erinnern, mich nicht noch länger so entsetzlich ausgeliefert und hilflos fühlen wie damals. Meine derzeitige Situation beschwor aber ganz genau diese niederschmetternden Gefühle in mir. Ich wollte auch nicht pausenlos an shore und den nächsten Chinesen denken, obwohl der Affe alle meine Empfindungen und Gedanken allein darauf fokussieren wollte. Aber das machte mich nur noch affiger, also suchte ich panisch nach angenehmen Bildern und Gefühlen in meinem Gedächtnis. Um mich besser darauf konzentrieren zu können, fing ich fast unbemerkt damit an, leise irgendwelche Songs zu singen, die ich irgendwann mal fabriziert hatte. Einige Lieder stammten aus Psychotic Kühlschrank, die meisten aber nicht, sie waren sehr viel älter. Erstaunt spürte ich, wie tröstlich sich die vertrauten Texte und Melodien in meinem Kopf anfühlten, obwohl mein Hals so trocken war, dass ich eigentlich nur noch krächzen konnte. Besonders die vielen zornigen Texte sprachen mir noch immer aus der Seele, obwohl ich sie teilweise schon als Teenager geschrieben hatte.
Während ich gefesselt auf dem Rücken lag und die verdammte graue Decke anstarrte, kam mir in den Sinn, dass meine erste Psychotherapie zweifellos die grausamsten Schulferien meines Lebens gewesen waren. Paradoxerweise war aber danach nicht nur für meine Familie erst mal alles besser geworden, sondern auch für mich. Als meine Mutter mich nach den acht Wochen Therapie aus der Klinik abholte, hatte ich zwei entscheidende Dinge fürs Leben gelernt: Andere Menschen wollten und konnten mir wirklich schmerzhaften Schaden zufügen. Und niemanden interessierte es auch nur die Bohne, was ich wollte, fühlte oder wie es in Wahrheit in mir aussah.
Also verschloss ich meine Seele von diesem Zeitpunkt an sehr sorgfältig, warf den Schlüssel weit weg und lebte damit weitaus problemloser als vorher. Ich beschloss einfach, dass mir ab jetzt alles egal sein sollte, und damit wurde das Leben sofort einfacher für mich. Der fremde Mann in unserer Wohnung gab mir Unterricht in Englisch, nachdem meine Mum ihn darum gebeten hatte. Er konnte das richtig gut und ich lernte diese Sprache recht schnell. Weil ich sitzengeblieben war, kam ich nach den Ferien in eine neue Schulklasse und das Traktieren und Verspotten hörte komplett auf. Ich war jetzt fast zwei Jahre älter als die meisten meiner Mitschüler, darum sahen sie automatisch zu mir auf. Sie interessierten sich für mich, weil ich irgendwie ein mysteriöser Außenseiter war, also perfektionierte ich diese Rolle.
Mit Whiskey stärkte ich mein angeknackstes Selbstbewusstsein und hatte immer genügend Kaugummis dabei, um meinen Atem aufzufrischen. Keiner merkte es, wenn ich besoffen war, weil es im Grunde niemanden interessierte. Der Unterricht fiel mir nicht schwer, meistens hatte ich schon nach einer Schulstunde alles verstanden. Hausaufgaben waren daher gar nicht mehr notwendig, obwohl die Lehrer sich deswegen zuerst tierisch aufregten. Meine Tests waren aber immer gut, deshalb ließen sie mich irgendwann entnervt in Ruhe. Statt mit langweiligen Hausaufgaben, vertrieb ich mir meine Zeit mit Ausflügen in die Umgebung und scharrte bald eine Clique aus älteren Jungs um mich, mit denen ich zusammen abhängen konnte. Meistens hielten wir uns draußen auf oder bei irgendwem zu Hause, der ein eigenes Zimmer hatte. Wir hörten laute Musik und träumten von einer eigenen Band, aber daraus wurde nie was.
Wir nahmen alles an Drogen, was uns in die Finger geriet, soffen Alk wie die Raben, rauchten dope in Joints, Shillums und Bongs, schnupften Speed und schluckten MDMA. Mit elf hatte ich schon mit unzähligen hübschen Mädchen geknutscht, die alle irgendwie scharf auf den kleinen, dünnen, blassen Isländer waren. Allerdings war ich meistens dabei so breit, dass ich kaum richtig mitbekam, was wir da eigentlich konkret taten. Mit zwölf konnte ich schließlich auf eine recht eindrucksvolle Drogenkarriere zurückblicken und hatte mir auf der Gitarre eines Freundes selbst das Spielen beigebracht. Auch mit dem Zeichnen hatte ich wieder angefangen, meistens bemalte ich während der Schulstunden meine Hefte und Bücher.
In dieser Zeit hatte meine Mum andere Probleme, als auf ihren einzigen Sohn zu achten, denn die Beziehung zu ihrem Typen zerbrach langsam und im letzten Jahr stritten sie sich eigentlich nur noch. Wenn ich irgendwann in der Nacht nach Hause kam, konnte ich oft schon draußen vor der Tür das lautstarke, hasserfüllte Gebrüll hören. Dann schlüpfte ich in der Regel unbemerkt in die Wohnung und legte mich zu meinen Schwestern ins Bett. Wenn ich nicht zu betrunken dazu war und die Mädchen nichts dagegen hatten, übte ich manchmal vor dem Schlafen noch ein bisschen Küssen.
Die ständig angespannte Atmosphäre in der kleinen Wohnung und die aggressive Reizbarkeit meiner Mutter erinnerten mich stark an die Streitereien meiner Eltern, die ich in Island viel zu oft miterlebt hatte. Mir war klar, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis wir den Mann wahrscheinlich verlassen würden. Aber mittlerweile war mir das, wie die allermeisten anderen Dinge auch, ziemlich gleichgültig.
Nicht so ganz egal war es mir allerdings, als meine älteste Schwester schon vorher ihre Koffer packte, ohne uns irgendwas davon zu sagen. Adriane verschwand klammheimlich aus Kanada und unserem Leben, als ich zwölf war. Eines Tages war sie einfach weg, schockierte damit ihre Geschwister und brach meiner Mutter das Herz. Zu diesem Zeitpunkt war Adriane Banton fünfundzwanzig Jahre alt und hatte schon beinahe ihr Jura-Studium abgeschlossen. Sie war längst erwachsen, also konnte sie niemand mehr aufhalten. Adriane war immer die Älteste von uns gewesen, die Kluge und Vernünftige, die sehr oft auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen musste und das auch mit Vorliebe tat. Sie liebte es, uns nach Herzenslust herumzukommandieren. Meine älteste Schwester war einerseits sehr intelligent, andererseits aber auch eine ziemlich emotionale und oft aufbrausende Halb-Italienerin.
In mich war sie früher förmlich vernarrt gewesen. Sie hat mit mir gespielt, als wäre ich ihre Puppe, ihr persönliches Eigentum. Ich erinnere mich, dass sie mich ständig mit sich herumschleppte, mich küsste, umarmte und überall anfasste. Am liebsten verwandelte sie mich in ein Mädchen. Sie schminkte mich, zog mir begeistert immer wieder verschiedene Kleider meiner Schwestern an und lachte sich dann über meinen Anblick kaputt. Wenn meine Mutter etwas davon mitbekam, war der Teufel los, was Adriane allerdings weder bremste noch beeindruckte. Im Laufe der Jahre hat sie mir viel über Frauen beigebracht, auch wenn ich wohl zu vieles davon nie verstanden habe. Adriane erfüllte sich für uns völlig unerwartet ihren Traum und zog zu ihrem Vater nach Italien.
Und schon ein halbes Jahr später wurde auch mein Aufenthalt in Kanada abrupt beendet. Meine Mum verließ mit ihren verbliebenen vier Kindern das Land, um es in Australien mit einem anderen Mann zu versuchen. Diesmal klappte unsere heimliche Flucht allerdings nicht so problemlos und unbemerkt, wie ich es vier Jahre zuvor in Island erlebt hatte. Der Typ wollte seine offenbar große Liebe nämlich nicht so einfach gehenlassen und machte ihr eine echt erbärmliche Szene. Noch jetzt musste ich spöttisch und geringschätzig grinsen, als ich mich daran erinnerte, wie dieser große, starke Mann draußen vor dem Haus mitten in der Nacht vor meiner Mutter auf dem Bürgersteig gekniet und sie angefleht hatte, ihn doch bitte nicht zu verlassen, weil er ganz bestimmt alles zu ihrer Zufriedenheit regeln und schon bald eine neue Arbeit finden würde. Meine Mama hat ihm allerdings kein Wort geglaubt, denn sie hat uns damals trotzdem rigoros ins mit laufendem Motor wartende Taxi gedrängt und war mit uns geradewegs zum Flughafen Edmonton International abgehauen.
Irgendwas an dieser im Grunde ziemlich lächerlichen Episode berührte mich plötzlich enorm stark, erinnerte mich an etwas Böses, was vor Kurzem passiert war, sodass mein Grinsen abrupt starb und ich unbehaglich aufstöhnte. Genervt schob ich alle Gedanken an die Vergangenheit beiseite. Mein Körper wand sich innerhalb der engen Lederbänder ungesteuert in einem neuerlichen, richtig schmerzhaften Schüttelfrost. Fuck, der Affe wurde echt schlimm, das konnte ich nicht mehr lange aushalten. Und als wäre das allein nicht schon ätzend genug, gesellte sich auch noch ein neues Problem zu all den anderen hinzu: Ich musste bald schon dringend pinkeln! Verdammter Mist! Wie sollte ich das denn gefesselt im Liegen anstellen? Würde diese arrogante Krankenschwester, die ja, wenn ich mich richtig erinnerte, vor Ewigkeiten irgendwann mal bei mir gewesen war, mich losbinden, weil ich zur Toilette wollte?
Wohl eher nicht, befürchtete ich, als ich mich an das unfreundliche, schnippische Weib erinnerte. Die spöttische Furie würde mir stattdessen bestimmt nur so eine mega peinliche Pinkelflasche aus Plastik bringen, die ich dann noch nicht mal selbst festhalten konnte. Mann, das wollte ich zum Verrecken nicht, denn das würde meine Demütigung vor der fremden Frau absolut maximieren! Nein, das kam auf keinen Fall in Frage, diese Genugtuung gönnte ich der blöden Kuh einfach nicht. Ich musste mich nur noch eine Weile zusammenreißen, denn irgendwann mussten sie mich ja endlich losbinden. Oder? Bestimmt würden sie mich bald befreien und nach Hause entlassen. Oder?
In diesen für mich absolut existenziellen Punkten war ich mir leider gar nicht sicher, und die verdammte Ungewissheit belastete mich ganz enorm. Fuck, ich lag schon so verflucht ellenlang sinnlos und allein hier herum, dass ich mich nicht mehr erinnern konnte, wann diese seltsame Krankenschwester hier gewesen war. War sie denn überhaupt tatsächlich hier gewesen? Oder hatte ich mir das in meinem Wahn womöglich nur eingebildet? Und hatte diese Frau nicht angekündigt, später nochmal zu mir zurückzukommen, wenn ich mich beruhigt hatte? Ja, das hatte sie gesagt, glaubte ich plötzlich zu wissen, wenn ich mich beruhigt hatte, dann würde sie wiederkommen. Also musste ich mich jetzt dringend beruhigen! Aber verdammt, je länger sie mich noch gefesselt hier liegen ließen, desto unmöglicher würde das Beruhigen definitiv für mich sein. Denn der Affe wurde unaufhaltsam stärker in mir, schmerzhafter, allumfassender, und meine Angst und mein Unbehagen deswegen wuchsen beständig mit.
Shit, ich musste mich mit irgendwas davon ablenken. Verzweifelt versuchte ich, mich genau an diese Krankenschwester zu erinnern, um herauszufinden, ob die Frau real gewesen war. Weil sie schlicht der einzige Mensch war, den ich hier gesehen hatte, seit ich ahnungslos in diesem grausamen Albtraum erwacht war. Sie hatte rot lackierte Fingernägel, entsann ich mich verbissen, sie hatte dunkle Augen, und ihr halblanges, schwarzes Haar war in einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Auf gar keinen Fall darf ich die Bitch nochmal anschreien, kam mir plötzlich in den Sinn. Ich ärgerte mich über mich selbst, als ich mich dunkel an meinen dummen Ausraster erinnerte. Ich habe mit dieser verdammten Frau alles total falsch gemacht, schimpfte ich wütend mit mir, unbedingt muss ich das nächste Mal ruhig bleiben und freundlich alle ihre scheiß Fragen beantworten, wenn sie wiederkommt.
Aber warum um Himmels Willen kam sie denn nicht zurück? Hatte die Schlampe mich vielleicht vergessen? Hatten alle mich einfach vergessen? Würde ich denn wahrhaftig bald sterben, festgeschnallt auf einem Krankenhausbett mit einem verfluchten, ekelig nassgeschwitzten Gummilaken? Bei diesem enorm beängstigenden Gedanken geriet ich unvermittelt in eine weitere akute Panikattacke. Ein neuer brutaler Schüttelfrost krampfte meinen mittlerweile geschwächten Körper schmerzhaft zusammen. Mein Kopf explodierte beinahe vor Schmerz.
Echt verzweifelt und gequält stöhnte ich laut auf, als mit einem Mal die Tür aufging. Ich konnte das nicht sehen, weil ich ja schon seit Ewigkeiten die graue Decke anstarrte. Aber ich hörte dieses Geräusch nur allzu deutlich. Schon seit Tagen, Wochen, Monaten oder auch Jahren hatte ich lediglich das leise Summen der grellen Neonröhre über mir gehört. Darum war das zögernde Öffnen der einzigen Tür in diesem sterilen Raum in meinen nassen Ohren plötzlich so laut, wie ein gänzlich unerwarteter Donnerschlag.
Aufgeschreckt riss ich instinktiv den Kopf so hoch es ging und fixierte all meine kranke Aufmerksamkeit auf die Richtung, aus der das so entsetzlich lange heftigst herbeigesehnte Geräusch gekommen war. Dem verfluchten Himmel sei Dank! Diese Schwester kam zurück zu mir! Vielleicht hatte sie irgendwie meine Gedanken gehört, oder mein Schutzelf hatte sie endlich für mich hierher geholt. Wenn ich richtig doll nett zu ihr bin, dachte ich panisch, dann wird sie mich bestimmt früher oder später befreien. Die hat ganz bestimmt den Schlüssel oder weiß, wo sie ihn holen kann. Das Weib hat mich blöderweise vollständig in ihren lackierten Fingern, so wenig mir das auch gefällt, darum muss ich unbedingt total nett und so charmant wie irgend möglich zu dieser verfluchten Furie sein, bläute ich mir hastig ein. Fuck,der scheiß Affe ist inzwischen echt schlimm, ich weiß nicht, ob ich das noch hinkriege, befürchtete ich im selben Moment ängstlich. Jeder einzelne Zentimeter meines Leibes schmerzte. Die Gedanken rasten wie irre in meinem pochenden Kopf kreuz und quer herum. Hektisch nahm ich mir fest vor, auf jeden Fall die ganze Zeit freundlich und zuvorkommend zu bleiben.
Jemand kam herein und schloss leise die Tür hinter sich. Irritiert heftete sich mein verschwommener Blick auf diese so ellenlang ersehnte Person. Die Gestalt kehrte mir kurz den Rücken zu, als sie sachte die Tür zumachte, als wollte sie mich nicht aufwecken. Ich war verwirrt, weil es offenkundig nicht diese Krankenschwester war, mit der ich fest gerechnet und auf die ich mich innerlich vorbereitet hatte. Aber mein zweiter Besucher seit meinem unerfreulichen Erwachen im Worst-Case-Szenario war zu meiner Verblüffung ein schlanker, mittelgroßer Mann. Auf den ersten Blick konnte ich den Typen nicht erkennen, weil ich ihn noch nie ohne seine Arbeitskleidung gesehen hatte. Jetzt trug der Kerl aber nicht seine schneeweiße Ärzte-Uniform, sondern eine braune Cargohose und ein blau-kariertes Flanellhemd. Angestrengt fixierte ich die wohlgeformte Gestalt mit den pechschwarzen, kurzen Haaren, und hinter meinen Rippen begann mein Herz ein noch unsinnigeres Hämmern.
Als der Mann sich langsam zu mir umdrehte und mir sein Gesicht zuwandte, trafen sich unsere Blicke. Seine extrem dunkel glühenden Augen fesselten mich auf der Stelle. In diesem Moment erkannte ich ihn. Vor Aufregung krampfte sich alles in mir zusammen und ich ächzte verdutzt auf. Diese orientalische, extrem faszinierende Visage gab es definitiv nur einmal auf der ganzen verdammten Welt. Zwar hatte ich mir schon denken können, dass ich mich im Christopherus-Krankenhaus befand, einfach, weil es das einzige verfickte Krankenhaus in dieser Gegend war. Trotzdem hatte ich nie im Leben mit diesem Manngerechnet und war entsprechend überrascht. Verblüfft starrte ich zur Tür hin und glaubte, meinen Augen nicht trauen zu können. Das war doch sicher nicht echt, da stimmte doch was nicht. Der war doch fleißig in seiner Notaufnahme. Womöglich hatte ich vor lauter Durst schon Halluzinationen.
Mein Nacken tat weh, weil ich den Kopf zu ruckartig hochgerissen hatte, aber ich konnte unmöglich meinen irren Blick von diesem Menschen nehmen, der sich so zögernd zu mir herumdrehte, als hätte er große Angst davor, was er jetzt wohl zu sehen bekäme. Vorsichtshalber blieb er erst mal direkt an der Tür stehen und checkte mich aus sicherer Entfernung aufmerksam und höchst interessiert ab. Mir fiel ein, dass diese bekloppte Krankenschwester es ganz genauso gemacht hatte, als sie vor Ewigkeiten hier aufgetaucht war. Mann, die waren doch beide total bescheuert! Was zur Hölle erwarteten diese verfickten, misstrauischen Menschen denn von mir? Was konnte ich denn schon Schreckliches tun, so völlig bewegungslos ans Bett fixiert? Rein gar nichts!
Der hammergeile Doktor Siamak Tourani stand wahrhaftig reglos dort und betrachtete mich wachsam. Das konnte ich zuerst mal gar nicht fassen oder verarbeiten. Unsere Blicke hefteten sich aneinander und verschmolzen auf der Stelle. Seine schönen Augen weiteten sich unangenehm überrascht, was mir gar nicht gefallen wollte. „Oh, verdammt!... Clay!... Um Himmels Willen!... Verdammte Scheiße!... Was zur Hölle... machen die denn... bloß mit dir...?" stammelte der Doktor ehrlich entsetzt. Noch nie hatte ich ihn fluchen gehört. Darüber war ich erst mal total verwirrt und spürte verdutzt, wie sehr mich seine Schimpfwörter und seine heftige Anteilnahme an meiner Situation antörnten. Ein extrem geiler Schauer erfasste mich unwillkürlich, und ich erschauderte autonom gurrend am ganzen Körper.
Im nächsten Moment erinnerte ich mich an meine letzte Begegnung mit dem scharfen Arzt. Erst gestern Abend hatte ich ihn in seiner Notaufnahme aufgesucht, damit er meine tiefen Schnittwunden ein weiteres Mal versorgte. Und das hatte er ja dann auch getan, fachmännisch wie immer. Aber noch viel besser erinnerte ich mich plötzlich an seine verdammten, penetranten Worte dabei, an seine ständig nervigen Provokationen, die ich zum Schluss zum Verrecken nicht mehr hatte ertragen können. Wie ein Feigling war ich letztendlich aus seiner verfluchten Notaufnahme geflüchtet. Der Herr Doktor hatte mich gestern mit seiner wohlklingenden Stimme ganz intensiv getriggert, und zwar ohne Ende!
Einen Moment lang war ich erstarrt, als ich mich deutlich an diese Sätze erinnerte und daran, welche Bilder sie zwangsläufig in meinem Kopf heraufbeschworen hatten. Zwei Sekunden später explodierte unverhofft der große Zorn in mir, ohne dass ich auch nur eine Chance gehabt hätte, ihn irgendwie aufzuhalten. Die stürmische Wut hatte sich in den letzten reglosen Stunden, Tagen, Monaten oder Jahren zweifellos in mir aufgestaut. Und jetzt reichte allein der zur Gänze unerwartete Anblick von Siamak Tourani, allein die dazugehörige Erinnerung an unser letztes intimes Zusammensein, um mich ungebremst detonieren zu lassen. Schlagartig waren all die schönen Vorsätze, auf jeden Fall die ganze Zeit ruhig, freundlich und zuvorkommend zu bleiben, die ich noch vor einer halben Minute so verbissen und ernsthaft gefasst hatte, total vergessen.
„Du warst das!" brüllte ich spontan zornig los, ohne dass die Worte mein Gehirn auch nur bewusst gestreift hätten, „Du hast das getan!" Siamak zog sofort besorgt die Augenbrauen zusammen, während er mich alarmiert beobachtete. Seine schönen Arme hoben sich hilflos beschwichtigend, aber er bewegte sich nicht von der Tür weg und erwiderte gar nichts. Meine Hände ballten sich automatisch zu Fäusten, die auf ihn einschlagen wollten, aber nur wiederholt auf das Laken klopften, weil ich mit den Armen nicht ausholen konnte. Mein angespannter Körper streckte sich innerhalb der Fesseln. Ich hob das Becken ein wenig an und strampelte hart mit den Beinen, in dem vergeblichen Versuch, ihn irgendwie zu erreichen. Aber natürlich stand der extrem attraktive Mann viel zu weit weg von mir, und das frustrierte mich enorm.
„Du hast mich hier eingesperrt! Du willst... dass ich mit dem Heroin aufhöre... du hast immerzu von einer Therapie gequatscht... du willst... mich zwingen, eine scheiß Therapie zu machen...!" fasste ich meine Anklage zusammen und klammerte mich in dieser erbärmlichen Situation mit meiner ganzen verängstigten Seele daran. Sehr tief in mir drin wusste ich nämlich, dass das irgendwie nicht ganz stimmen konnte. Denn zweifellos war da noch etwas anderes gewesen. Da war etwas extrem Dunkles gewesen. Etwas Schreckliches war passiert, nachdem ich gestern Siamak besucht hatte, und das hatte eindeutig mit diesem verfickten, gefährlichen Junkiemädchen zu tun. Zu deutlich erinnerte ich mich an die junge, dünne Kimberly. Wie ich auf meiner Couch gesessen und fette Chinesen mit ihr geraucht hatte. Wie ich mit der Kleinen in meiner teuren Luxus-Dusche gestanden und sie mich liebevoll gewaschen hatte. An ihre süßen Lippen sehr fest um meinem erigierten Schwanz. Aber diese Gedanken an Kim beunruhigten mich dermaßen stark, dass ich auf keinen Fall näher nachhaken wollte.
Mit all meiner verbliebenen Kraft stürzte ich mich spontan, völlig unüberlegt auf diese relativ harmlose Erklärung meiner Zwangslage, die ich dem sichtbar irritierten Herrn Doktor völlig unbeherrscht, zornig schreiend an den Kopf knallte. Und diese Sache fühlte sich erstaunlich gut an, die Sätze beruhigten mich auf eine irre Art. Es war ein Grund, der mich von sämtlicher Schuld freisprach, und darum gefiel er mir absolut. Banton ging mal wieder instinktiv den einfachen Weg und schob die ganze verdammte Schuld einfach dem Menschen zu, der plötzlich ohne Vorwarnung in diesem verfluchten Zimmer stand. Denn Banton fürchtete zu recht, mit der grausamen, undurchsichtigen Wahrheit eventuell nicht umgehen zu können.
Siamak schüttelte jetzt kaum merklich seinen entzückenden Kopf. Er fixierte mich angestrengt und machte einen zögernden Schritt auf mich zu, die Arme noch immer besänftigend erhoben. Hasserfüllt taxierte ich ihn und holte tief Luft. Mein ganzer Körper zitterte vor Anspannung, während ich pausenlos wie ein Geisteskranker in seine Richtung trat. „Du bist so ein Arsch! Die ganze Zeit hast du über das Heroin geredet! Du willst... das ich damit aufhöre!... Du... hast mich hier eingesperrt, damit ich eine scheiß Therapie mache... Du willst mich dazu zwingen!" schrie ich ihn an, während meine durchnässten, wirren Augen vernichtende Giftpfeile auf ihn abschossen. Mein Hals war inzwischen so erbärmlich trocken, dass ich nur noch krächzen konnte. Jedes Wort schmerzte in meiner Kehle wie raues Schmirgelpapier, deshalb musste ich eine Pause machen, in der ich nur aufgebracht nach Luft schnappte.
Unwillkürlich gebannt beobachtete ich, wie der verwirrend attraktive Mann sich mir sehr langsam näherte. Er machte einen zögerlichen Schritt nach dem anderen, dann stoppte er plötzlich. Sein Blick fiel erschrocken auf den Fußboden direkt neben dem Bett. Eine Weile guckte er sich den Inhalt meines Magens an, der sich dort mittlerweile versammelt hatte, ohne dass ich ihn sehen konnte. Ich roch die Pfütze nur, und es irritierte mich, dass Siamak kein bisschen angewidert wirkte, während er meine Kotze betrachtete, sondern nur traurig und noch sehr viel besorgter. Seine Arme fielen kraftlos an seinen Seiten herunter, als könnte er sie nicht länger oben halten.
Endlich hoben sich seine faszinierend dunklen Augen wieder und fanden erneut meinen vernichtenden Blick. Auf Siams gut aussehendem Gesicht erschien ein verhaltenes, besänftigendes Lächeln, was mich nur noch wütender machte, weil er mich offensichtlich gar nicht ernst nahm. „Du verdammter Wichser, Siamak! Du... hast mich fixiert, du Arschloch! Du... willst mich hier verrecken lassen... Du... kannst es nicht ertragen... wenn ich meinen Spaß habe!" krächzte ich lautstark. Extrem genervt spürte ich, wie mir von der Anstrengung des Schreiens und völlig sinnlosen Herumhampelns langsam die Luft wegblieb. Ich musste einsehen, dass meine komplett unüberlegte, zornige Aktion im Endeffekt ziemlicher Schwachsinn war. Erschöpft fielen meine Beine zurück auf das harte Gummilaken. Knurrend hörte ich auf, wirkungslos an den Fesseln zu zerren, und meine sämtlichen Muskeln zitterten nur noch mega verspannt.
„Nein, Clay, so ist das nicht. Ich weiß nicht, was die hier mit dir machen und welchen Sinn das haben soll", versicherte Siamak mir betont ruhig und freundlich. Der verflucht ansehnliche Mann lächelte mich besänftigend an, während er seine zögernde Wanderung wieder aufnahm. Er ging sehr langsam weiter auf das Bett zu, einen bedachtsamen Schritt nach dem anderen. Als wollte er mich nicht unnötig mit zu hastigen Bewegungen erschrecken. Sein neugieriger und mega besorgter Blick wanderte jetzt sehr aufmerksam über meine gesamte angeschlagene Gestalt. Er war auf der Suche nach irgendwelchen Auffälligkeiten, und das machte mich auf der Stelle tierisch nervös. Hilflos drehte ich meinen böse pochenden Kopf von Siamak weg, um einen flüchtigen Blick auf meinen fixierten, durchgeschwitzten Körper zu werfen. Beunruhigt wollte ich überprüfen, welcher Anblick sich dem heißen Mann gerade bot.
Unverändert lag ich auf dem Rücken, sodass mir schon allein davon mittlerweile alles wehtat. Das erste, was mir sofort auffiel, war mein Schwanz, der ganz offen an der Luft auf meinem Unterleib lag. Die verdammte Jogginghose war durch mein erneutes, richtig kräftiges Strampeln von alleine noch viel tiefer heruntergerutscht, sodass der labberige Gummibund sich inzwischen in Höhe meiner Kniekehlen befand. Mir wurde klar, dass ich das die ganze Zeit genau gespürt hatte. Schlagartig kapierte ich, dass ich es mit voller Absicht getan hatte. Weil mir nämlich sonnenklar gewesen war, dass die Hose sich weiter in Richtung meiner Füße verabschieden würde, wenn ich mit dem Treten nicht aufhörte. Nun, ich hatte trotzdem nicht aufgehört. Wie ein Bekloppter hatte ich unverdrossen volle Kanne in Richtung Siamak getreten. Und verdammt, ich hatte jeden einzelnen Zentimeter genossen, die der hellgraue Baumwollstoff dabei spürbar herabgerutscht war!
Erst jetzt verstand ich, dass ich es getan hatte, weil ich enorm dringend wollte, dass Siamak Tourani sich meinen Penis anguckte. Ich war gerade so ein kranker, verrückter Wichser, vollaffig, überfüllt mit nervigen Schmerzen und massig schlechten Gefühlen, dass sich schlicht alles in mir wie irre nach einem Ausgleich sehnte. Und der naheliegendste, verdammte Ausgleich war nun mal wieder nur fucking Sex.Denn in dieser verfluchten, extrem demütigenden und quälenden Situation war für mich nichts anderes noch verfügbar. Im Grunde tat ich eigentlich nur das, was ich immer machte, was ich schon automatischtat, wenn es mir dreckig ging. Ich flüchtete mich in gute Gefühle hinein, nach denen ich mich inzwischen schon zwanghaft heftig sehnte. Das waren instinktive Mechanismen, die da abliefen, ohne dass ich auch nur eine Sekunde darüber nachdachte.
Jetzt war er also öffentlich sichtbar, mein Schwanz, schlapp und klein, kraftlos wie ich lag er auf meinem Unterbauch. Kopflos besessen fixierte ich ihn und erinnerte mich unwillkürlich daran, wie viele verflucht endgeile Gefühle er mir in meinem Leben schon geschenkt hatte. Und ich konnte es schlicht nicht länger ertragen, dass ich ihn nicht berühren konnte. Siamak soll ihn anfassen, gierte es panisch in mir, der verflucht feurige Doktor soll mir sofort kräftig einen runterholen oder so was! In meinem mit Sicherheit inzwischen nahezu lebensbedrohlichen Zustand brauche ich jetzt zwingend ein bisschen Erleichterung, und wenn es auch nur ein paar Sekunden sind, dachte ich verzweifelt.
Fuck, ich halte den scheiß Affen nicht länger aus, spürte ich gequält stöhnend. Müde fiel mein Kopf zurück auf die Matratze. Meine gierigen Finger verbogen sich von allein in dem sinnlosen Bemühen, meinen Penis irgendwie halbwegs zu erreichen. Dabei wusste ich nur zu gut, dass mir das momentan nicht möglich war. Schließlich waren meine beiden Handgelenke doch schon seit Ewigkeiten an das verfluchte Bett fixiert! Enorm frustriert darüber, fing ich hektisch abermals damit an, mit meinen Daumen meine eigenen Finger zu streicheln. Einfach aus dem Grund, weil ich sofort irgendwas Angenehmes fühlen musste, um nicht drei Sekunden später komplett durchzudrehen. Diesmal machte ich es noch bewusster. Meine Daumen strichen sanft aber fest über jeden einzelnen Finger. Den Zeigefinger, den Mittelfinger, den Ringfinger und den kleinen Finger. Langsam die ganzen vier Finger entlang, die verschiedenen Längen vollständig ausnutzend, jedes Gelenk akkurat fühlend. Ich streichelte mich mit beiden Daumen genau gleichzeitig. Den Zeigefinger, den Mittelfinger, den Ringfinger und den kleinen Finger, und dann immer wieder von vorn. Verbissen konzentrierte ich mich auf diese selbst beigebrachte Zärtlichkeit. Tief atmete ich ein und aus, um mich zu beruhigen. Das war zwar bei Weitem nicht das, was ich eigentlich wollte, aber es war besser als gar nichts.
Aus den Augenwinkeln nahm ich plötzlich eine Bewegung wahr. Erschrocken schnellte mein Kopf zur Seite. Da war noch immer dieser junge Mann mit mir zusammen in diesem sterilen Raum. Ich hatte den gut aussehenden Kerl wahrhaftig schon beinahe vergessen, weil ich mich ausschließlich auf meine einsame, hilflose Fingererotik konzentriert hatte. Ich registrierte erstaunt, dass Siamak Tourani mittlerweile an mein Bett getreten war und jetzt dicht neben mir stand. Außerdem erwischte ich den seriösen Arzt dabei, wie er eindeutig neugierig meine entblößten Geschlechtsorgane musterte. Und zwar verweilte sein interessierter Blick einige Sekunden länger auf meinen Weichteilen, als dass man es hätte flüchtig nennen können. Fuck! Der heiße Akademiker guckte sich wahrhaftig ausführlich meinen Schwanz und meine Eier an! Seine faszinierend tiefgründigen Augen leuchteten extrem angetan. Es gefiel ihm ausgesprochen gut, was er da sah. Und just in diesem Augenblick leckte er sich auch noch aufgeregt und wohl unbewusst über seine dunkelroten Lippen! Ha! Erwischt!, dachte ich triumphierend und musste tatsächlich grinsen, was sich in meinem Elend aber irgendwie falsch und fehl am Platz anfühlte. Doktor Siamak Tourani stand nicht auf Männer? Scheiße, von wegen! Man konnte seinen verschlingenden Blick schlicht nicht anders deuten: Zweifellos war er total fasziniert von meinem Penis!
Das fand ich spontan so extrem geil, dass mir unwillkürlich massig erregte Schauer durch das Rückgrat schossen, die sich alle tief in meinem Unterleib zu sammeln schienen. Prompt reagierte mein müder Schwanz ein wenig darauf. Verblüfft über die unerwartete Wohltat stöhnte ich auf. Siamak lächelte amüsiert und versonnen in sich hinein. Im nächsten Moment beugte der magnetisch anziehende Mann sich über mich. Perplex hielt ich die Luft an, weil ich sofort irgendwas Geiles erwartete, blöd und restlos verwirrt, wie ich gerade war. Aber der coole Herr Doktor griff sich nur mit beiden Händen den ausgeleierten Bund meiner Jogginghose. Mit einem schnellen Ruck zog er mir die Hose bis zu den Hüftknochen wieder herauf. Dummerweise hatte ich ihm schon erwartungsfroh mein Becken entgegengereckt, deshalb schaffte er das ganz leicht. Danach ließ er mich sofort wieder los. „Was haben die dir denn da bloß angezogen?" murmelte er vor sich hin und schüttelte leicht missbilligend den Kopf.
Dann stand er einfach so da und schaute mich an. Sein Blick wurde wieder ziemlich traurig und besorgt. Ich sah riesiges Mitleid in seinen wunderschönen Augen, und das wollte mir so gar nicht gefallen. Und ganz bestimmt wollte ich nicht mit ihm darüber reden, aus welchem peinlichen Grund ich diese hässliche Jogginghose trug. Enttäuscht blies ich die Luft aus und erinnerte mich schlagartig an meinen großen Zorn, der prompt abermals damit anfing, aufs Neue in mir zu brennen. Er wütete abrupt so stark, dass mein Herz losspurtete und meine Eingeweide sich im Heroinentzug schmerzhaft ineinander verkrampften. „Fuck, Siamak! Du musst mich sofort freilassen! Mach mich auf der Stelle los! Du kannst mich nicht zwingen, deine scheiß Therapie mitzumachen!" schrie ich ihn an, spürte aber, wie mühsam diese sinnlose Brüllerei mittlerweile für mich war. Genau genommen schaffte ich es kaum noch, genügend Luft dafür in meine Lungen zu pumpen. Mein armer Hals war so verflucht trocken, dass ich krächzend husten musste.
„Mach mich jetzt los, verdammt!" heulte ich verzweifelt auf, was ziemlich erbärmlich war, weil es sich nach Kapitulation anhörte. Neuerliche Tränen schossen mir in die Augen, von denen ich mich wunderte, wo sie überhaupt noch ihre Feuchtigkeit herbekamen. Im nächsten Moment spürte ich eine Bewegung, die mich abrupt erstarren ließ. Siamak Tourani legte mir seine gebräunte Hand gezielt auf meine eigene, fieberhafte, linke Hand, um damit das manische Streicheln meiner Finger zu stoppen, das er ganz genau registriert hatte. Sofort stellten meine zittrigen Daumen ihre zwanghaften Bewegungen ein.
Siamak wartete kurz ab, bis ich ein bisschen ruhiger wurde. Dann legte der Typ mir seine Hand plötzlich flach auf den unteren Rippenbogen, knapp über dem verfluchten Lederriemen, der meine Taille zierte. Seine Finger lagen ruhig auf meinem durchgeschwitzten Unterhemd. Aber ich spürte ihn verwirrend intensiv. Und er war so verdammt nah an meinem Bauch, dass ich unwillkürlich erschauderte. Hilflos fixierte ich diesen Mann und versuchte, in meinen Blick mein ganzes Elend zu legen, all meine verzweifelte Sehnsucht danach, dass er unverzüglich Erbarmen zeigte und mich auf der Stelle aus meiner ätzenden Zwangslage befreite. Eigentlich wollte ich ganz ruhig liegenbleiben, seine Nähe und seine überraschende Berührung irgendwie genießen. Aber das war nicht mehr drin, dazu war mein Affe definitiv schon viel zu mächtig geworden. Außerdem musste ich dringend pinkeln. Meine enorm verspannten Muskeln zitterten und zuckten von selbst herum, ohne dass ich sie auch nur noch ansatzweise unter Kontrolle hätte kriegen können. Mein ganzer Körper wand sich innerhalb der Fixierung in nie enden wollender Qual. Überwältigt von der Intensität meines Schmerzes stöhnte ich laut auf. Es war eine Mischung aus Schmerzlaut und ungeheurer Frustration.
„Beruhige dich, Clay", flüsterte Siamak beschwichtigend, „Bitte... sei ganz ruhig..." Fuck, seine Finger bewegten sich! Der zärtliche Mann streichelte sachte über mein Unterhemd. Und ich wünschte mir plötzlich so dringend, dass er meinen nackten Bauch berühren würde, dass ich es nicht mehr aushielt. „Bitte... fass mich bitte an...", krächzte ich drängend und zog ungesteuert den Bauch ein, um seine Hand irgendwie tiefer zu befördern. Hart schluckte ich an meinen salzigen Tränen. Ich blinzelte hektisch, um meinen nass verschwommenen Blick zu klären. Panisch fixierte ich sein Gesicht, um seine Reaktion genau erfassen zu können. Siamaks wundervolle Augen weiteten sich widerwillig, weil er mich offensichtlich komplett falsch verstand. Der Mann vermutete wohl, dass er mich an verboten intimen Stellen anfassen sollte, zumindest rutschte sein Blick an genau diese Stelle meines Körpers. Der immer beherrschte, höchst seriöse und studierte Herr Doktor dachte wahrhaftig als Allererstes an meinen Penis! Weil er ihn gesehen und nicht vergessen hatte.
Darüber musste ich plötzlich lachen, auch wenn alles in mir viel lieber heulen oder aus voller Kehle schreien wollte. Selbstverständlich sollte er mich an meinen am meisten erogenen Organen anfassen! Je früher, fester und direkter er das tat, umso besser, verdammt! Aber irgendwie war mir klar, dass der scheiß verheiratete Mann das höchstwahrscheinlich nicht freiwillig tun würde. Jetzt war er verwirrt und beunruhigt, weil ich ohne ersichtlichen Grund so lauthals lachte, wie ein komplett Geisteskranker. Und das war ich ja in diesem Moment auch. Ich war so krank, wie man es nur sein konnte, wenn man als Junkie zu lange kein Heroin mehr konsumiert hatte. Deshalb klang mein Lachen auch alles andere als amüsiert, sondern verflucht verzweifelt, total hysterisch und unkontrolliert.
Sein Streicheln an meinen Rippen wurde noch intensiver. „Nicht, Clay... sei ganz ruhig... beruhige dich doch bitte...", stammelte er hilflos, wofür ich ihn spontan gerne kräftig ins Gesicht schlagen wollte. Warum kapierte der Arsch denn nicht langsam mal, dass Beruhigen mit einem Vollaffen in den Knochen definitiv nicht mehr möglich war?! Gerade wollte ich ihn kräftig verbal zusammenscheißen, als sich mein Magen abermals herumdrehte und ich abrupt damit anfing, wie irre herumzuwürgen, ohne etwas dagegen tun zu können. Ich hatte nichts Essbares mehr in mir, deshalb würgte ich nur Spucke hoch, die mir ungehindert aus dem Maul mein Kinn heruntertropfte. „Fuck!" schniefte ich, erschlagen von der Macht meiner schlechten Gefühle, die mich jetzt vollständig einhüllten. Unruhig wegen meiner vollen Blase, presste ich die Oberschenkel zusammen. Nicht mal Siamaks liebevolle Finger auf meinem Brustkorb konnte ich noch richtig spüren. Ich fühlte nur noch Schmerz und Unbehagen und eine definitiv übermenschliche Gier nach dem nächsten Chinesen.
„Fuck, Siamak! Mach mich jetzt los! Lass mich doch bitte gehen, um Himmels Willen!" fing ich verzweifelt an zu betteln, als das krampfhaft trockene Würgen endlich halbwegs nachließ. Er beobachtete mich aufmerksam mit diesem enorm besorgten, ziemlich traurigen Ausdruck in seinem attraktiven, orientalischen Gesicht, der mich wahnsinnig machte. Warum glotzte der Typ mich denn nur ständig so beschissen mitleidig an? Warum tat er denn nicht endlich was, um mir zu helfen, der verfluchte Wichser? Meine Gedanken rasten autonom durch meinen affigen Schädel, auf der Suche nach einem Ausweg, nach irgendeiner hilfreichen Idee. Aber mir fiel überhaupt nichts ein, und das machte mich wirklich verrückt. Ich hatte jetzt keine Zeit mehr, um eventuell Siamaks Hand auf meinem nackten Bauch zu fühlen. Es war zu spät, ich hätte diese extrem geile Berührung ohnehin nicht mehr genießen können. Dazu ging es mir inzwischen viel zu verdammt schlecht. Außerdem war ich so extrem zornig, dass ich mich kaum noch beherrschen konnte. Es war schwer genug, nicht völlig den Verstand zu verlieren. Deshalb hielt ich die Klappe, atmete verbissen tief ein und aus und starrte ihn nur noch böse an.
Plötzlich griff Siamak in die Tasche seiner braunen Cargohose und holte ein kariertes Baumwoll-Taschentuch heraus, ohne seine andere Hand von meinem Körper zu nehmen. Das Taschentuch passte farblich genau zu seinem Flanellhemd, wie ich irritiert registrierte. Er fing wahrhaftig damit an, mir sanft aber sorgfältig mein nasses Gesicht trocken zu reiben, während die andere Hand weiterhin zart über meine Rippen streichelte. Er seufzte schwer und schaute mich traurig an. „Ich verstehe nicht, was die mit dir machen, Clay. Ich habe nicht angeordnet, dass sie dich fixieren sollen. Als du heute Nacht hergebracht wurdest, hast du fest geschlafen. Ich weiß nicht, warum der diensthabende Arzt es für nötig hielt, dich hier im Keller isoliert auf das Bett zu fixieren."
Seine leicht verärgerten, verständnislosen Worte flogen komplett an mir vorbei. Weil ich es einfach nicht fassen konnte, wie liebevoll dieser Kerl mein affiges, juckendes Gesicht säuberte. Auf der Stelle war ich versteinert, obwohl mein wütender Körper innerlich noch immer enorm angepisst und schmerzhaft vibrierte. Jede Faser in mir schrie lauthals nach dem scheiß verfickten Heroin und ließ sich durch keinen einzigen mühevollen Gedanken besänftigen. Fuck! Aber trotzdem war ich momentan erstarrt. Denn Siamak Tourani fasste mich gerade auf eine Art an, die man nur mit großer Zuneigung erklären konnte. Der fesche Siam mochte mich gut leiden, zweifellos! Seine Finger arbeiteten dermaßen sanft auf meiner Haut, als wollte er mir auf keinen Fall wehtun. Sorgfältig wischte er all die ätzende Feuchtigkeit aus meiner blöden Visage. Der liebevolle, freundliche Mann entfernte mit seinem weichen Taschentuch all die sinnlos vergossenen Tränen, den Schweiß überall, den flüssigen Rotz an meiner Nase und die Spucke an meinem Kinn. Mann, das tat so verdammt gut, dieses ganze nervige, juckende Zeug loszuwerden, dass ich nur noch ruhig liegenbleiben wollte. Jede Sekunde von dieser durchweg unverhofften Berührung wollte ich intensiv in mich aufnehmen.
Aber Shit, das funktionierte einfach nicht mehr. Der verfluchte Heroinentzug wand mich in einem neuerlichen Krampfanfall. Schmerzerfüllt ächzte ich auf, und Siamaks dunkle Augen unter den geschwungenen, buschigen Brauen wurden noch ein wenig mitleidender. „Ganz ruhig, Clay... ruhig...", flüsterte er und streichelte mit seinem Tuch zärtlich über meine verschwitzte Stirn. Dann wischte er mein Kinn ab, und weil ich auf diese Stelle direkt darunter insgeheim total abfahre, reckte ich ihm unwillkürlich mein Kinn entgegen. Verdammt nochmal, dachte ich jedoch genervt dabei, ich kann dieses beschissene Wort einfach nicht mehr hören! Der liebe Herr Doktor konnte ja gut von Ruhe reden, der schob ja nicht diesen grausamen, extrem schmerzintensiven Affen, so wie ich gerade! Der brauchte gar nicht so leidend zu gucken, der fühlte doch nichts von dem, was mich quälte! Stattdessen quatschte er nur pausenlos über Ruhe.
„Verdammt!" fuhr ich ihn an, bevor ich darüber nachdenken konnte, „Hör auf mit dem verfickten Scheiß!" Siamak zuckte zusammen, schüttelte traurig den Kopf und zog hastig seine Hände ein. Und zwar die an meinem Körper und die an meinem Gesicht, die beide abrupt verschwanden, sodass ich ihn nicht mehr spüren konnte. Er tat es gleichzeitig, mega erschrocken, als hätte er mir plötzlich wehgetan und das nicht gewollt. Eilig steckte er sein Taschentuch zurück in seine Hose. In Wahrheit war jedoch sein überstürzter Rückzieher das Letzte, was ich gewollt oder beabsichtigt hatte. Verflucht, der entzückende Mann sollte mich doch anfassen, überall, an jedem einzelnen, kranken Teil von mir! Ich wollte Siamak Touranis selbstlose Freundlichkeit überall spüren. Er sollte mich dringend überall so zärtlich und liebevoll streicheln, und ganz besonders dringend an den intimsten Stellen. „Nein!" rief ich panisch, „Hör damit nicht auf!" Beschwörend taxierte ich ihn, hustete nochmal nervös und trocken und schüttelte den Kopf. Das läuft hier alles total schief, fürchtete ich voller Angst, ich kann ihm nicht klarmachen, was ich von ihm will. Mist, er versteht mich einfach nicht!
Eine Weile war es unangenehm still in diesem seltsam gekachelten Zimmer, nur die blöde Neonröhre summte unverdrossen vor sich hin. Shit, ich musste mich unbedingt zusammenreißen! Ich durfte nicht die Nerven verlieren, sonst würde Siamak mich für völlig durchgeknallt halten und mir bestimmt nicht mehr helfen wollen. Womöglich würde der Mann sogar eiskalt abhauen und mich allein zurücklassen, was ich dann mit absoluter Sicherheit nicht überleben konnte. Die verworrenen Befürchtungen rasten in meinem schmerzenden Schädel umher und erschwerten mir das Atmen.
Jetzt war der arme Kerl total verwirrt. Er stand dicht neben dem Bett und musterte mich nur noch forschend, unverändert höchst interessiert und offenbar stark mitfühlend. „Es tut mir leid, Clay. Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll...", bemerkte er leise. Der Idiot war tatsächlich ratlos. „Mach mich los!"wiederholte ich fassungslos viel zu laut. Es war mir ein Rätsel, warum er das verdammt nochmal nicht kapierte. Siamak hob bedauernd die breiten Schultern. Er schüttelte den Kopf, und ich wollte ihn dafür am liebsten in die gut aussehende Fresse schlagen. Meine Muskeln zuckten schon wieder verspannt, der große Zorn drängte aus mir heraus, den ich nur schwer bändigen konnte. Ich hatte das miese Gefühl, jeden Moment vollständig mein restliches bisschen Verstand zu verlieren. „Ich kann dich leider nicht losmachen, Clay. Ich habe keinen Schlüssel für die Fixierung", erklärte der Typ mir geduldig.
Sofort lag mir auf der Zunge, dass er den verdammten Schlüssel doch einfach unverzüglich irgendwo holen könnte. Aber im letzten Moment hielt ich mich schockiert zurück. Auf gar keinen Fall wollte ich, dass Tourani diesen Raum verließ. Denn dann würde er vielleicht nicht mehr zurückkommen, und das konnte ich schlicht nicht ertragen. Aus dem gleichen Grund konnte ich ihn auch nicht um etwas zu trinken bitten, obwohl ich inzwischen so gut wie verdurstet war, oder ihm etwas von meinem Pinkelproblem verraten, das blöderweise auch nicht von allein verschwand. Aufgewühlt schnappte ich nach Luft, weil die Situation sich so verflucht verfahren anfühlte. Alles schien nur immer schlimmer zu werden und ich hatte keinen Plan, wie ich das ändern konnte.
Mein verrückter Leib zitterte ein bisschen bekloppt herum, als Siamak kurzentschlossen seinen Arm wieder hob und seine Hand flach auf meinem Bauch ablegte. Diesmal legte er seine wohlgeformten, leicht gebräunten Finger knapp unter das scheiß Lederband, ungefähr in Höhe meines Bauchnabels. Er ließ seine Hand fest auf mein Unterhemd sinken, sehr gut spürbar und dennoch zart, und mein Herz blieb stehen, weil mich diese Berührung trotz des Stoffes zwischen seiner und meiner Haut augenblicklich überwältigte. „Verdammt, Clay, ich habe ehrlich keine Ahnung, was die sich dabei denken! Ich finde es unter aller Sau, dass die dich einfach unbewacht, allein und gefesselt wer weiß wie lange hier liegen lassen! Das ist doch totale Scheiße, was die mit dir machen! Ich finde das völlig verantwortungslos!" ereiferte Siamak sich verärgert, während seine Finger wie beiläufig über meinen Bauch streichelten.
„Schieb mein Hemd hoch!" ächzte ich verblüfft. Als er mich irritiert anschaute, setzte ich schnell ein flehendes „...bitte!" hinzu. Für seine Wörter war ich gerade nicht aufnahmefähig. Aber ich bekam ganz genau mit, dass der geile Doktor schon wieder kräftig fluchte. Aus irgendeinem Grund geilte mich das dermaßen auf, dass mein affiger Schwanz von allein anfing zu zucken. Als hätte Siamak ihn mit seinen Schimpfwörtern und seiner erregend dunklen Stimme direkt berührt. „Was meinst du damit, Clay?" fragte Doktor Tourani behutsam. Ratlos warf er einen kurzen Blick auf mein schwarzes, schweißnasses Unterhemd, dann suchten seine dunkelbraunen Augen wieder die meinen. „Bitte... leg deine Hand auf meinen nackten Bauch... ja?... Siam... tust du das für mich?... bitte", keuchte ich atemlos, gierig und wirr, während ich den Kopf hob und seine wohlgeformten Arztfinger förmlich hypnotisierte, damit sie mein verficktes Hemd hochschoben.
Aber sie bewegten sich nicht, darum guckte ich hektisch in das fremdländische Gesicht des Mannes, der neben meinem Bett stand. Ein gerührtes Lächeln erschien um seinem wunderschönen Mund mit den vollen Lippen, während er mich mit leuchtenden Augen eingehend betrachtete. Mann, der Typ mochte mich definitiv, der war sogar verrückt nach mir! Diese Erkenntnis törnte mich schlagartig enorm an, und ich spürte meinen Schwanz noch deutlicher. In diesem Moment war es erstaunlich angenehm, keine Unterhose zu tragen. Allein in der lockeren Jogginghose, hatte mein Penis jeden Platz der Welt. Plötzlich wollte ich ihn gerne nochmal entblößen, damit ich ihn anschauen konnte. Ich wollte ihm dringend beim Wachsen zusehen. Aber ich konnte mich ja sowieso nicht selbst nackig machen, höchstens durch kräftiges Treten, und darauf hatte ich echt keinen Bock mehr. Das war viel zu anstrengend.
Der fantastische Siamak lächelte zum Niederknien und schob tatsächlich vorsichtig mein Unterhemd hoch, soweit die Fessel das zuließ. Er legte seine Hand flach auf meine heiße, nassgeschwitzte Haut und ließ sie einfach dort liegen. Erstaunt, aufmerksam und interessiert beobachtete er meine Reaktion. Ich war von dieser Berührung, die ich wie irre liebe, sofort dermaßen angetan, dass mir unwillkürlich geile Blitze durch den Unterleib schossen. „Magst du das so sehr?" fragte Siamak verdutzt und lächelte amüsiert, weil ich ihm nicht mal antworten konnte. Ich musste einfach die Augen schließen und gierig dieses Gefühl in mich aufsaugen.
Die Erdkugel blieb möglicherweise für ein paar Sekunden stehen, als ich überdeutlich wahrnahm, dass mein Penis wahrhaftig langsam anschwoll. Er reagierte sehr zögerlich, als wäre er sich nicht ganz sicher. Und das war ich mir auch nicht. Verbissen fixierte ich mich ausschließlich auf das geile Gefühl, das ich so gut wie jedes Mal dabei habe, wenn ich eine Erektion bekomme. Es törnte mich an, dass Siamak neben dem Bett stand und bestimmt alles mitbekam. Es erregte mich ganz extrem, dass seine warme Hand auf meinem Bauch lag. Blitzartig wollte ich nur noch dieses eine Gefühl wahrnehmen. Weil es nämlich das erste richtig gute Gefühl war, das ich seit endlosen Ewigkeiten in der Lage war zu spüren, und ich konzentrierte mich mit all meiner affigen Energie darauf. Mein Schwanz wurde ein bisschen hart. Das konnte ich kaum verarbeiten, weil ich gerade total am Ende und durchgeknallt war.
Meine Gier nach Heroin veränderte sich dabei gar nicht, die Schmerzen in allen Körperteilen wurden nicht die Spur geringer. Aber ich schaffte es für kurze Zeit, die Quälerei zur Seite zu schieben und mich ein paar Sekunden lang voll auf Siamaks Berührung und meinen Penis einzulassen. Das war, wie ein mega kurzer Blitzurlaub, inmitten von einem ätzenden Stapel Arbeit oder so was. Das war, als hätte sich in der absoluten Dunkelheit endlich irgendwo ein Fenster geöffnet und ein wenig Licht würde in diesen sterilen Raum fallen, in dem ich mich vor Kurzem definitiv schon hatte sterben sehen. Fuck, das war einfach nur geil! Ich seufzte völlig hemmungslos, denn ich wollte mich jetzt nicht mehr zurückhalten. Irrer Banton wollte voll und ganz in seiner unverhofften Geilheit aufgehen. Ich wollte nur noch Siamak Touranis Hand auf mir spüren und wünschte mir dringend, dass er mir doch bitte einfach einen runterholte, und zwar jetzt sofort.
Unwillkürlich stürzte ich mich mit ganzer Begehrlichkeit in dieses Gefühl, ohne dass dabei mein Gehirn auch nur halbwegs angesprungen wäre. In meinem Kopf liefen automatisch die geilsten Sachen ab, die alle mit Siamak und meinem Ständer zu tun hatten. Aber nichts davon, was ich mir in allen Einzelheiten so genussvoll ausmalte, passierte in der Wirklichkeit. Natürlich nicht. Das wäre ja auch zu schöngewesen. Als Siamak richtig realisierte, was gerade mit mir passierte, zog er seine Hand unverzüglich von meiner nackten Haut weg. Und damit waren meine paar Sekunden Affen-Urlaub auch schon wieder vorbei.
Maßlos enttäuscht riss ich die Augen auf, hob den Kopf und warf einen prüfenden Blick auf die Jogginghose, unter der sich mein Penis noch kaum abzeichnete. Außerdem knallte der zornige Heroinentzug sofort wieder dermaßen brutal rein, dass das mit der standfesten Erektion wohl vorerst nichts mehr werden würde. Strafend und total angepisst starrte ich Siamak an. Eigentlich wollte ich ihn anschreien, dass er seine verdammte Hand gefälligst sofort wieder zurück auf meinen nackten Bauch legen sollte, oder noch lieber auf meinen Schwanz. Aber mein Herz hämmerte so hart, dass ich auf die Schnelle nicht genug Luft und sowieso kaum noch Energie dafür hatte.
Der Doktor seufzte immens deprimiert und schüttelte nochmal betrübt den attraktiven Kopf. „Das geht nicht, Clay! Das ist totale Scheiße! Ich kann einfach nicht länger mit ansehen, wie du hier vollkommen grundlos leidest", meinte er plötzlich ungeduldig. So langsam schien meine derzeitige Situation ihn richtig sauer zu machen. Die Macht von Siamaks empathischen Gefühlen für mich fuhr mir enorm angenehm durch den Körper, wie ein warmer Hauch oder so was. Obwohl es mir auch irgendwie nicht gefiel, dass er mich bemitleidete. Aber dieses neuartige Fluchen von ihm törnte mich dagegen total an. Es machte mir den Mann unglaublich sympathisch. Nun klopfte er mir beruhigend auf die Brust und guckte mich verschwörerisch lächelnd an. „Hör mal, Clay, ich werde jetzt sofort losgehen und als Erstes den Schlüssel für deine Fixierung besorgen. Und dann rufe ich deinen Hausarzt an und frage ihn nach deiner Dosierung für Methadon. Falls die hier nichts haben, dann werde ich auch eben zu deinem Arzt fahren und dir dein Methadon holen, wenn es sein muss. Ich will mir diese verdammte, unmenschliche Scheiße hier einfach nicht länger mit ansehen!"
Das war merkwürdig, was mit mir passierte, als Siamak diese verärgerten Sätze zu mir sprach, verschwörerisch lächelte und dabei mit seinen Fingern beruhigend auf meinen Brustkorb klopfte. Anstatt für seine zweifellos absolut hilfreichen Vorschläge dankbar zu sein, hörte ich nur, dass er losgehen wollte. Siamak Tourani wollte weggehen. Er würde mit Sicherheit nicht zurückkommen, denn er wollte sich diese Scheiße hier nicht länger angucken. Das konnte ich schlicht nicht akzeptieren. Diese Neuigkeit löste schlagartig eine weitere, heftige Panikattacke in mir aus. Das passierte wohl, weil mein armes Gehirn in der Zwischenzeit schon längst unbemerkt getillt war. Ich war komplett ausgefüllt mit unterschwelliger Geilheit, zu viel Angst und Schmerz, überirdischer Gier nach shore, zu vielen schlechten Gefühlen und quälenden Gedanken, sodass ich schlicht nichts anderes mehr richtig mitkriegen konnte.
„Ich beeile mich, Clay, versprochen!" versicherte Siamak mir freundlich zwinkernd. Der Doktor zog seine Hand von meiner Brust und drehte sich herum, weil er sofort zur Tat schreiten wollte. Er wollte geradewegs zur Tür und hinausgehen, und mein Herz blieb stehen, weil die Panik in mir noch einmal förmlich explodierte. „Nein, nicht... das... geht nicht... Siamak, nein! Du kannst nicht... bitte nicht...", stotterte ich abrupt entsetzt und schnappte nach Luft, weil mein Hals sich zuschnürte. Was hatte ich falsch gemacht? Es war diese blöde Schwanz-Episode, vermutete ich wirr, die hat ihm nicht gefallen, das hätte ich auf keinen Fall tun dürfen, verflucht! Panisch hob ich meinen Kopf so weit es ging und zerrte an den Fesseln, weil ich dringend zu ihm wollte. Ich musste ihn zwingend irgendwie aufhalten.
Er stand jetzt mitten im Zimmer und drehte sich total erstaunt zu mir um. Maßlos irritiert betrachtete er mich. „Siamak, hör mal... es... tut mir leid... ich... wollte nicht..." Fuck, ich konnte nur noch beschissen armselig herumstammeln! Meine Gedanken wirbelten so schnell in meinem bekloppten Hirn herum, dass ich nichts mehr ordnen konnte. Das fühlte sich gefährlich an, als stünde ich sehr kurz vor dem endgültigen Overkill. Panisch rang ich nach Luft. Meine affigen Eingeweide krampften sich zusammen. Meine Finger fingen wie verrückt zu zittern an. Mein Herzschlag hinter meinen Rippen fing an zu rasen. Das Blut rauschte mir in den Ohren. „Nein, Siamak... ich... bitte... du kannst jetzt nicht... es tut mir leid...ich... will nicht, das du..." Shit, das hatte doch alles überhaupt keinen Sinn mehr! Ich bekam keinen einzigen zusammenhängenden Satz mehr zustande. Stattdessen brabbelte ich nur irgendwelches abgefucktes Zeug herum. Der Arzt musste ja denken, dass ich total verrückt geworden war! Absolut hilflos und panisch taxierte ich ihn flehend. Siamaks Augen weiteten sich erschrocken. Der junge Mann war richtig schockiert, als er mich verwirrt und höchst alarmiert musterte. „Bitte geh nicht... ich kann nicht...", brachte ich noch heraus. Und dann driftete ich irgendwie weg. Blitzartig wurde mir schwarz vor Augen. Ich spürte noch, wie mein Kopf kraftlos zurück auf das harte Gummilaken knallte. Dann fühlte ich gar nichts mehr.
Sean
Die Nacht nach meinem Verbrechen wurde die bisher schlimmste Nacht meines Lebens für mich. Allein lag ich in der Dunkelheit des Zimmers in meinem Bett und wurde das bedrohliche Gefühl nicht los, jeden Moment komplett den Verstand zu verlieren. Etliche Stunden lang habe ich mich verzweifelt hin und her gewälzt. Ich bin unzählige Male ruhelos aufgestanden und hilflos in der Finsternis herumgeirrt. Dann habe ich mich ratlos wieder hingelegt, nur um gleich darauf wieder aufzustehen. Ich habe wie ein Schlosshund geheult und mir stumm die Seele aus dem Leib geschrien. In den Stunden davor hatte ich entschieden zu viel Kokain genommen, und die verdammte harte Droge vergiftete meinen Geist auf eine Art, die kaum noch zu ertragen war. Beinahe minütlich schwankte ich innerlich zwischen quälender Paranoia, panischer Angst und selbstmörderischen Schuldgefühlen. Es kann sein, dass ich zwischendurch auch mal kurz eingenickt bin. Doch jedes Mal bin ich aufs Neue panisch aufgeschreckt. Absolut verzweifelt kontrollierte ich auf meinem Handy manisch immer wieder die Uhrzeit, in der drängenden Hoffnung, dass diese quälende Nacht endlich vorbeigehen würde. Aber die scheiß Minuten bewegten sich kaum. Die Zeit schien gegen mich zu arbeiten und nahezu stillzustehen. Im Nachhinein habe ich keinen blassen Schimmer, wie ich diese fürchterlichen Stunden überlebt habe. Viel zu oft war ich verdammt nahe daran, mich an einem der Dachbalken meines Zimmers aufzuhängen. Aber das Leben hatte letztendlich irgendwie ein Einsehen mit mir. Und schließlich ertönte in meinem Handy doch die seit etlichen Stunden heiß ersehnte Melodie, die mich eigentlich wecken sollte, obwohl ich ja schon längst hellwach war.
Um Punkt sechs Uhr morgens spielte mein Smartphone abrupt das absolut wundervolle Danse Macabrevon Camille Saint-Saëns ab, genau so, wie ich es selbst vor Ewigkeiten eingestellt hatte. In diesem Augenblick lag ich gerade mal wieder lang ausgestreckt, absolut planlos und mit verkrampft geschlossenen Lidern auf meiner Matratze. Verblüfft riss ich die Augen auf und starrte in die Dunkelheit. Mein Kopf schmerzte enorm, denn ich hatte die allermeiste Zeit der Nacht nicht geschlafen und vom vorherigen, übermäßigen Alkoholgenuss einen schlimmen Kater. Sofort hatte ich unglaublich Bock auf eine richtig fette Linie Kokain. Die inzwischen schon vertraute, nervöse Befürchtung stellte sich zuverlässig ein, ohne ein bisschen Koks eventuell gar nicht funktionieren zu können. Seit gefühlten Ewigkeiten hatten sich einige unschöne Ereignisse in meinem Gedächtnis festgesetzt. Es waren immer die gleichen grausamen und niederschmetternden Bilder, böse Geschehnisse, die am Tag zuvor passiert waren. Meine hilflosen Gedanken kreisten immerzu um Mister Clay Banton, und mein ausgedörrter Hals schnürte sich abermals zu und mein Brustkorb war entschieden zu eng. Panisch knipste ich das Licht an und sprang wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett. Extrem dringend musste ich mich ablenken. Und endlich war die Zeit gekommen, in der Ablenkung sehr viel leichter wurde, als sie in der schlaflosen Nacht gewesen war.
Die Luft in meinem Dachboden war angenehm kalt. Hastig zog ich mich bis auf die Unterwäsche aus. Ich nahm das Handy, startete die Musik neu und warf das Telefon zurück aufs Bett. Wie ferngelenkt fing ich an zu tanzen. Absolut verbissen tanzte ich zum Danse Macabre meinen eigenen makaberen Tanz. Dabei ging ich bis an meine Grenzen und darüber hinaus, während das teure Smartphone glasklar die ganze schöne Komposition für mich abspielte. Erfahrungsgemäß war körperliche Verausgabung ein ganz hervorragendes Mittel gegen unerwünschte Grübeleien und lästige Drogengelüste. Zum Glück funktionierte es auch diesmal irgendwie. Als das Handy schließlich verstummte, trainierte ich noch eine Weile mit den Hanteln und machte konzentriert ein paar Taijiquan Übungen. Danach sank ich auf meine Yogamatten und saß noch ein paar Minuten dort. Mir war total heiß geworden, aber im Grunde fühlte ich mich bis auf die Kopfschmerzen jetzt relativ okay.
Schließlich stand ich auf und nahm mein Handy vom Bett auf. Dann saß ich auf dem Bett, rauchte die erste Zigarette an diesem Tag und schrieb aus einem plötzlichen, inneren Impuls heraus eine SMS an Clay: Es tut mir so leid. Ich hab echt Scheiße gebaut. Bitte verzeih mir. Lass uns bitte zusammen am Mittwoch an Werners Songcontest teilnehmen. Ich habe uns schon angemeldet. Erst als ich den unüberlegten Text längst abgeschickt hatte, fiel mir schlagartig ein, dass Clay kein Handy mehr hatte, weil irgendwelche gewalttätigen Vollidioten es ihm vor einigen Tagen geklaut hatten. Dieser Umstand machte mich wütend. Spontan schrieb ich eine SMS an Louis Frédéric. Du musst dringend für mich herausfinden, wer Bantons Smartphone zur Zeit hat. Louis hatte nämlich extrem viele nützliche Kontakte und jede Menge Beziehungen. Herr von Ravenhorst besaß unzählige Möglichkeiten, von denen ich keine Ahnung hatte. Absolut verärgert ging ich davon aus, dass Louis relativ leicht für mich herausfinden konnte, welches Arschloch zur Zeit frech und dreist mit Clays Eigentum herumlief. Aufgewühlt nahm ich mir vor, den miesen Verbrecher für seinen Diebstahl und den brutalen Angriff gegen Clay auf jeden Fall mit einfachsten, aber wirkungsvollsten Mitteln zu bestrafen. Aufgeputscht vom Sport freute ich mich sogar auf diese Prügelei.
Dann warf ich einen flüchtigen Blick auf die Uhr im Handy und registrierte erschrocken, dass ich mich ein bisschen beeilen musste. Also öffnete ich das Dachfenster einen Spalt breit, um zu lüften. Beim Öffnen fiel ein wenig Schnee herunter auf den Fußboden, weil das Fenster komplett eingeschneit war. Ich ging zum Kleiderschrank, wo ich mir eilig einige frische Klamotten heraussuchte, die ungefähr zu meiner Stimmung passen sollten. Merkwürdigerweise war meine ausgesuchte Kleidung zum Schluss vollkommen schwarz, obwohl ich mich doch in diesem Moment eigentlich kaum noch deprimiert fühlte. Mit dem Stapel im Arm knipste ich das Licht aus und lief vorsichtig die Treppe herunter. Im Badezimmer ging ich aufs Klo und nahm dann eine kurze, kalte Dusche, weil mir beim Tanzen so heiß geworden war, dass ich total verschwitzt war.
Beim Waschen dachte ich über den kommenden Arbeitstag nach, der mir jetzt unmittelbar bevorstand. Ich versuchte mich zu entsinnen, was genau ich alles tun musste und welche wichtigen Verpflichtungen auf mich warteten. In Gedanken ging ich meine Dienstags-Seminare durch und die von mir längst vorbereiteten Unterrichtsthemen. Nach einer Weile fühlte ich mich von diesen Gedanken nervig gestresst und holte mir zur Entspannung kurzentschlossen einen runter. Dafür brauchte ich höchstens fünf Minuten. Nach der erfrischenden und erleichternden Dusche trocknete ich mich ab, rasierte mich und pflegte meine Haut sorgfältig mit teuren Pflegeprodukten, wie sie es seit meiner Geburt gewohnt war. Die neuen roten, blauen und grünen Flecken auf meiner Haut machten mir Sorgen. Diese unerwünschten Hämatome erinnerten mich an meine viel zu heftige Schlägerei mit Clay am vorherigen Abend im Park. Für einen Moment schloss ich besiegt die Augen. Dann fiel mir plötzlich ein, wie Clay einmal in diesem Stadtpark über einen umgestürzten Baumstamm balanciert war. Der risikofreudige Dummkopf hatte prompt das Gleichgewicht verloren und war geradewegs in den See darunter gestürzt. Obwohl das eiskalte Wasser ihn völlig durchnässt hatte, hatte er sich zusammen mit mir über sein Missgeschick totgelacht. Clay hatte fast nie ein Problem damit, über sich selbst zu lachen. Nach diesem Unfall waren wir zurück zu meinem Haus gefahren, wo wir an diesem Tag ungestört gewesen waren. In meinem Zimmer hatte ich ihn langsam entkleidet und sanft abgetrocknet. Daraus waren mit der Zeit von allein immer direktere Zärtlichkeiten geworden. Und natürlich hatte auch dieser Körperkontakt zwischen uns in fantastischem Sex gegipfelt. Auf einmal musste ich bei der Erinnerung an den ausgelassenen, glücklichen, liebevollen Clay Banton lächeln. Ein tröstliches, warmes Gefühl breitete sich in mir aus. Das überraschte mich enorm, weil es gefühlt zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit passierte. Die Sehnsucht nach meinem Mann brachte mich fast um.
Mühsam riss ich mich zusammen und verhüllte meinen Körper vollständig mit schwarzer Kleidung. Schwarze Unterwäsche, schwarze Jeans und schwarzes Sweatshirt. Sogar meine Socken und die Schuhe waren schwarz. Schnell ging ich hinüber in die Küche, wo ich mir mit Brot, Butter und Marmelade ein schnelles Frühstück bereitete und zwei Tassen löslichen Kaffee trank. Beim hastigen Essen bekam ich verstärkt Kopfschmerzen. Gestresst löste ich mir zwei Tabletten in Wasser auf und spülte sie gierig herunter. Die Schmerzen nervten mich extrem, und urplötzlich hatte ich unglaublich Bock auf Heroin. Prompt fingen meine sämtlichen Knochen an zu schmerzen und mir wurde klar, dass ich noch immer auf Heroinentzug war. Ich ärgerte mich, dass ich es am letzten Samstag in Clays Wohnung nicht einfach sein gelassen hatte. Dann dachte ich daran, wie unbestreitbar schön es auf seinem Sofa mit Clay und dem Heroin gewesen war. Wie nahe wir uns durch das gemeinsame Rauchen gewesen waren, wie überaus dankbar er mir gewesen war, dass ich ihm sein verfluchtes scheiß Zeug besorgt hatte. Das muss jetzt unbedingt aufhören, überlegte ich nervös, ich habe zusammen mit Clay echt lange genug alle möglichen Drogen genommen. Clay muss dringend mit dem Heroin aufhören, wünschte ich mir, und alles zog sich vor Unbehagen in mir zusammen. Weil mir völlig klar war, wie verdammt schwierig und langwierig es auch diesmal für mich werden würde, Herrn Banton vom gefährlichen Rauschgift wegzukriegen. Falls es mir überhaupt gelingen würde, was leider in den Sternen stand.
Besorgt spürte ich, dass ich auch diesen Tag ohne chemische Hilfe nicht überstehen konnte. Kurzentschlossen verließ ich die Küche und ging zu Marcs Zimmer. Nervös lauschte ich an der geschlossenen Tür. Ich konnte nichts hören und öffnete die Tür behutsam. Marcs Refugium war dunkel, mein Mitbewohner lag schlafend in seinem Bett. Als Freiberufler musste Herr Hellberg niemals früh aufstehen, wenn er es nicht wollte. Unter der dicken Decke konnte ich seine Umrisse nur erahnen, hörte ihn jedoch tief und gleichmäßig atmen. Aus dem Flur hinter mir fiel durch die offene Tür genug Licht in Marcs Zimmer, dass ich mich orientieren konnte. Mit nervös klopfendem Herzen schlich ich auf Zehenspitzen zu seinem Schrank. Ich zog die Schublade auf und klaute mir aus dem dort von mir für Notfälle wie diesem aufbewahrten Vorrat zwei Codein Tabletten zu je 150 Milligramm. So leise wie möglich schob ich die Schublade wieder zu. Morgen werde ich höchstens noch eine davon nehmen, und auch nur, wenn es dann immer noch sein muss, nahm ich mir genervt und schlechten Gewissens vor. Vom Bewohner unbemerkt, zog ich mich vorsichtig aus dem Zimmer zurück und schloss sanft die Tür. Das hatte wider Erwarten gut geklappt. Mein störungsfreier, heimlicher und rundum gelungener Diebstahl freute mich mehr, als ich mir eingestehen wollte. Erleichtert atmete ich auf. In der Küche schluckte ich die beiden hilfreichen Tabletten hastig mit viel Wasser hinunter. Es ging mir gut. Jetzt konnte mir nichts mehr passieren. Der kommende Tag war trotz Kater und Schmerzen gesundheitlich kein Problem mehr.
Ein Blick auf die Küchenuhr verriet mir, dass ich spät dran war. Schnell lief ich die Treppe hinauf und holte meine schon längst gepackte Arbeitstasche, meine Armbanduhr, die ich sofort umband, und mein Handy. Dann ging ich zum Schrank, zog meine Lederjacke an und steckte das Telefon ein. Mir fiel ein, dass ich heute in der Kunsthochschule eine Hausaufgabe zum Thema Ausdruckstanz abfragen musste. Meine Studenten würden mir die gestellte Aufgabe vortanzen müssen, und ich dachte amüsiert, dass das vielleicht sogar ganz interessant werden konnte. Ich lief die Treppe herunter, nahm meine Schlüssel und knipste überall das Licht aus.
Um halb acht Uhr morgens verließ ich mein kleines, uraltes Häuschen. Draußen war es stockdunkel. Es war eiskalt, sodass ich fröstelte. Ich ärgerte mich, dass ich keine Handschuhe angezogen und keine Mütze aufgesetzt hatte. Mein Atem dampfte, als ich über den zugeschneiten Steinweg direkt zur Garage lief. Dabei fiel mir auf, dass vier der fünfundzwanzig kleinen Solarleuchten, die im Dunkeln die Wege des Gartens erhellen sollten, offensichtlich nicht funktionierten. Ich fragte mich, ob die Lampen wohl kaputt, oder am Tag zuvor nur nicht genug von der Sonne aufgeladen worden waren. Ich glaubte mich zu erinnern, dass am vorherigen Tag die Sonne kaum geschienen hatte. Seit meiner nächtlichen Ankunft hier, hatte es zum Glück nicht mehr allzu viel geschneit, darum musste ich den Weg von der Garage zur Straße nicht erst freischaufeln. Im Schnee konnte man noch deutlich die Reifenspuren meines Jeeps erkennen. Ich dachte daran, wie ich erst vor wenigen Stunden den Jeep in der Garage geparkt hatte und dann noch eine Weile im Auto sitzengeblieben war, weil ich mich nicht sofort ins Haus hinein zu meinen Mitbewohnern getraut hatte. Marcs nächtliche Warnungen kamen mir in den Sinn, dass Clay Banton mich kaputtmachen würde. Dass Clay mich niemals lieben würde. Plötzlich wünschte ich mir dringend, extrem betrunken zu sein. Ich sehnte mich heftig nach ein bisschen Kokain oder Heroin oder einfach irgendwas, was den inneren Schmerz restlos betäuben würde.
Diese Gedanken gefielen mir nicht und machten mich enorm nervös. Daher beeilte ich mich, die Garage zu betreten, in den Jeep einzusteigen, mich bequem im ergonomischen Sitz zurechtzurücken und mich zum Schluss vorschriftsmäßig anzuschnallen. Ich stellte das iPhone in die Dockingstation, fuhr das Garagentor hoch und startete das Auto mitsamt Computer. In der Liste suchte ich mir ein bisschen geile Musik heraus, um sie während der Fahrt in voller Lautstärke zu hören. Meine Wahl fiel auf den fantastischen Rittertanz aus dem Ballett Romeo und Julia von Sergei Sergejewitsch Prokofjew. Sie ist eine meiner vielen Lieblingskompositionen. Natürlich fuhr ich deshalb ziemlich darauf ab und tanzte im Sitzen ein bisschen mit, während ich den Jeep vorsichtig aus der Garage auf die Straße und dann auf direktem Weg in Richtung Kunsthochschule lenkte. Hinter mir fuhr das Garagentor autonom wieder herunter. Auf den Straßen der alten Stadt war um diese Uhrzeit schon jede Menge los. Viele Menschen fuhren mit dem Auto zur Arbeit. Zu viele davon waren merkbar noch müde oder abgelenkt, deshalb zwang ich mich, mich trotz der lauten Musik auf das Fahren zu konzentrieren.
Ungefähr auf halber Strecke wurde der Rittertanz plötzlich durch den Ritt der Walküren ersetzt. Das geschah so unerwartet, dass es mich total verwirrte. Darum brauchte ich einen ziemlich langen Moment, um zu kapieren, dass es mein Handy war, was unverdrossen klingelte. Maßlos erstaunt warf ich einen schnellen Blick aufs Display. Auf diese Weise erfuhr ich, dass der überraschende Anrufer Louis Frédéric von Ravenhorst war. Es wunderte mich sehr, dass Louis um diese frühe Uhrzeit offenbar schon wach war. Aber bereits im nächstem Moment erinnerte ich mich an die unzählbaren Börsengeschäfte meines Freundes. Wegen der verschiedenen Öffnungszeiten der Börsen in der ganzen Welt, musste Louis bisweilen zu den merkwürdigsten Zeiten zwingend wach sein. Mit einem Tastendruck am Lenkrad nahm ich das Gespräch nur zögernd an, weil ich eigentlich gar keine Lust hatte, mit dem Störenfried zu reden.
„Louis?" fragte ich ehrlich verblüfft. Weil mein ältester Freund mich nämlich sonst niemals so früh am Morgen anrief. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass der gewitzte Börsenmakler mich jemals auf dem Weg zur Arbeit kontaktiert hatte. „Sag mal, willst du mich total verarschen, Valmont?" kam es ungehalten aus den Lautsprechern. Mit dieser extremen Unfreundlichkeit hatte ich nicht gerechnet. Louis' hörbar gewaltige Wut konnte ich mir nicht erklären. Und ich hatte auch bestimmt keine Lust, völlig grundlos durch das Telefon von ihm angepflaumt zu werden, schon gar nicht an diesem Tag und um diese Uhrzeit. „Wo liegt dein Problem, Herr von Ravenhorst?" erkundigte ich mich mühsam beherrscht und hielt an der gefühlt tausendsten roten Ampel an. „Meinst du das etwa ernst, dass ich für dich herausfinden soll, wer Bantons Smartphone zur Zeit hat?" fragte Louis mich gefährlich leise. Unwillkürlich kam mir die ziemlich überstürzte SMS in den Sinn, die ich Louis Frédéric vorhin auf meinem Bett geschrieben hatte, als mir plötzlich wütend eingefallen war, dass Clay kein Handy mehr besaß, weil es ihm bösartig geklaut worden war. Fast gleichzeitig erinnerte ich mich an die zweifellos total jämmerliche SMS an Clay Banton, die ich ebenfalls spontan und gänzlich unüberlegt abgeschickt hatte. Es tut mir so leid. Ich hab echt Scheiße gebaut. Bitte verzeih mir.
In dieser Sekunde begriff ich schlagartig, dass meine frühmorgendliche Nachricht an Clay ein riesengroßer, vielleicht sogar nicht mehr zu korrigierender Fehler von mir gewesen war. Weil man nämlich das, was ich meinem Mann eigentlich dringend begreiflich machen musste, auf gar keinen Fallin einer verfluchten SMS sagen sollte. Diese enorm schwerwiegenden und längst überfälligen Wörter waren schlicht zu überlebenswichtig für mich, als dass ich sie ausgerechnet durch ein verdammtes, unpersönliches Handy schicken durfte. Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ungesteuert zog sich alles schmerzhaft in mir zusammen. Entsetzt ächzte ich auf. Mir fielen diese grausamen Bilder wieder ein, die mich schon seit etlichen Stunden so sehr quälten. Plötzlich fühlte ich erneut die zentnerschwere, total erdrückende Schuld auf mir, weil ich mich an meine eigene Straftat abrupt nur allzu genau erinnerte. Panisch schnappte ich nach Luft und schüttelte hektisch abwehrend den Kopf.
Louis, der die ganze Zeit schweigend auf meine Antwort gewartet hatte, rief spontan besorgt: „Alles klar mit dir, Sean? Wo bist du denn gerade?" Ich schloss die Augen und zwang mich mühevoll dazu, mich schnellstmöglich zusammenzureißen. „Ich bin auf dem Weg zur Arbeit, verdammt! Wo denn wohl sonst?" krächzte ich angepisst. In meiner Jacke suchte ich hastig nach den Marlboro, um mich mit Nikotin zu beruhigen. Ich fand die Schachtel und steckte mir hektisch eine an. Mit konzentriert geschlossenen Augen nahm ich einen genussvollen, tiefen Zug, als mir siedend heiß einfiel, dass ich in meinem Jeep normalerweise gar nicht rauchte. „Also hör mal, was soll das denn heißen, Clay hat kein Handy mehr? Seit wann denn? Und woher weißt du das überhaupt?" wollte Louis nur unbedeutend ruhiger von mir wissen. Mein Freund war noch immer extrem wütend. „Es wurde ihm geklaut, als er zusammengeschlagen...", erklärte ich meinem aufgebrachten Gesprächspartner mit zugeschnürter Kehle und verstummte mitten im Satz irritiert, weil Louis hörbar frustriert lauthals aufstöhnte. Noch einmal stöhnte mein Freund fassungslos laut auf, dann atmete er tief ein. „Verdammt, Valmont! Schon seit Ewigkeiten versuche ich, den verfluchten Typen unter seiner scheiß Handynummer zu erreichen! Seit Tagen wähle ich mir für dich förmlich die Finger wund! Ich tue das allein für dich, Valmont! Erinnerst du dich daran? Weißt du noch, wie ich dir wiederholt erzählt habe, dass ich deinen Liebsten auf seinem Handy angerufen und nicht erreicht habe, immer und immer wieder?" Louis machte eine Pause, in der er verärgert nach Luft schnappte. Offenbar versuchte mein zorniger Freund recht erfolglos, sich zu beruhigen. Fünf Sekunden später ging seine Predigt weiter: „Wenn Mister Clay Banton sein verdammtes Smartphone schon seit Samstag gar nicht mehr besitzt, dann ist es ja wohl nur logisch, dass er nicht drangeht, oder? Dann kann ich ihn auch noch hunderttausend mal auf seinem Handy anrufen, und er wird trotzdem niemals drangehen!" regte Louis sich fassungslos auf. Dann atmete er zweimal tief durch und fragte etwas leiser: „Warum zur Hölle hast du mir das denn nicht schon am Sonntag gesagt?"
Plötzlich war es still in meinem Auto. Die Lautsprecher knackten leise, während mein Freund offenbar auf eine Antwort von mir wartete. Ich war total verwirrt, denn ich hatte ehrlich keine Ahnung, warum Louis Frédéric schon so lange versuchte, meinen Mann telefonisch zu erreichen. Der Gedanke beunruhigte mich. Misstrauisch fragte ich mich, warum der schwule Adelige Clay so dringend sprechen wollte. Unsinnige Eifersucht kam in mir auf. Gierig zog ich an meiner Zigarette. Unwillkürlich musste ich an Banton denken. Seine vom vielen Blut durchtränkte Jeans. Seine sphärisch schöne, blasse, nackte Haut. Seine mannigfachen Verletzungen. Mein Körper sehr dicht hinter seinem. Wie ich mich an ihn schmiegte. Das verfluchte Gebüsch im Stadtpark. Meine Finger begannen von allein ein sinnloses Zittern. Nervös krampfte ich beide Hände um das Lenkrad.
Auf einmal hupte jemand hinter mir und ich realisierte, dass die Ampel zwischenzeitlich auf grün gesprungen war. Erschrocken ließ ich die Kupplung kommen und fuhr los, und weil ich das viel zu ruckartig tat, wurde mein armes Auto dabei abgewürgt. Der Mensch in dem Fahrzeug hinter mir hupte nochmals, laut und anhaltend, weil er einer von den unzähligen Ärschen war, die es auch an diesem Morgen zu eilig hatten. Hektisch drehte ich den Schlüssel, sodass der Jeep neu startete. Diesmal konzentrierte ich mich voll auf den Startvorgang und schaffte das Anfahren problemlos. Gleichzeitig spürte ich aber unbehaglich, dass ich jetzt entschieden zu aufgewühlt war. Wirre, absolut quälende Szenen waren in meinem übernächtigten Gehirn aufgetaucht, die ich kaum noch kontrollieren konnte. Dieser verfluchte Scheiß lenkte mich dermaßen penetrant ab, dass ich mit dem hektischen Berufsverkehr auf einmal nicht mehr klarkam. Das wurde mir zu gefährlich, denn ich wollte bestimmt keinen Unfall bauen.
Bei der ersten Möglichkeit fuhr ich deshalb rechts an den Straßenrand und hielt an. Als der Jeep endlich sicher stand, atmete ich erleichtert auf. „Hörst du mich, Sean?" fragte Louis leicht beunruhigt in den Lautsprechern. „Was?" fragte ich konfus. Er seufzte tief. „Na gut, Sean Valmont. Ich kann versuchen, sein Handy zu orten, wenn du das wirklich so dringend möchtest", schlug Louis Frédéric mir leise vor. Aufhorchend setzte ich mich senkrecht in meinen Fahrersitz. In der Stimme meines Freundes schwang etwas mit, was mir nicht gefiel. Es war Abscheu, ein Hauch davon, dass er eigentlich zu dieser Handyortung nicht die geringste Lust hatte. Ich kannte Herrn von Ravenhorst wahrlich gut genug, um diesen scharfen Unterton in seiner Stimme deutlich herauszuhören. Und er machte mich aus irgendeinem Grund stinksauer. „Jetzt hör mal gut zu, Louis! Irgendwelche gewalttätigen Wichser haben ihm sein teures Smartphone eiskalt geklaut! Das Telefon ist unbezahlbar für ihn! Er braucht es zwingendfür seine Arbeit, denn es hat alle seine Kontakte gespeichert!" fuhr ich Louis Frédéric wütend an. Ich ließ das Seitenfenster herunterfahren, nahm noch einen Zug und warf die Kippe heftig hinaus.
Danach lehnte ich meinen Kopf ins Freie und rang nervös nach Luft. „Diese verfluchten, endbrutalen Schweine, die ihn zu mehreren und gemeinsam verprügelt und dabei richtig schwer verletzt haben, haben ihm als Krönung auch noch sein Handy weggenommen!" betonte ich, und die prompte Erinnerung daran, was meinem innig geliebten Mann in dieser Nacht Grausames angetan worden war, brachte mich fast um. Mein Herz begann unwillkürlich ein zorniges Hämmern. Das gefiel mir nicht, weil ich auf keinen Fall die Kontrolle über mich verlieren wollte. Ich krampfte meine bebenden Finger um das Lenkrad, schloss mühsam konzentriert die Augen und atmete tief durch. Meine nervenden Kopfschmerzen schienen zurückzukommen, und ich wünschte mich sehr weit weg. Ich wünschte mich unverzüglich in die zärtlichen, bedingungslos verzeihenden Arme von Clay Banton. In einem heftigen Suchtanfall sehnte ich mich nach ein bisschen Heroin. Nur zur Beruhigung, redete ich mir ein.
„Es frustriert mich, dass du mich ausgerechnet heute danach fragst, Sean. Nach dem, was gestern zwischen euch und vor allem mit dir passiert ist, habe ich eigentlich gehofft, dass du wenigstens heute mal eine längere Clay Banton Pause einlegst. Aber das war wohl ziemlich naiv von mir", meinte Louis selbstgefällig. Seine Arroganz machte mich noch wütender. Plötzlich war ich nahe daran, meinen hilfreichen Freund einfach mit einem Tastendruck am Lenkrad aus der Leitung zu schmeißen. „Na gut, dann vergiss es doch einfach, Ravenhorst! Du musst das ja nicht tun, wenn du keinen Bock drauf hast!" knurrte ich angepisst. Er lachte amüsiert, und ich wollte ihn dafür am liebsten ins Gesicht schlagen. Ich muss jetzt unbedingt zur Arbeit, dachte ich genervt, ich habe keine Zeit für diesen verdammten Scheiß. „Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt, kleiner, hypersensibler Sean Valmont!" kicherte Louis Frédéric von Ravenhorst albern. „Vergiss meine SMS. Ist schon gut", wehrte ich ihn ärgerlich ab und atmete tief ein. „Ich muss jetzt auflegen. Mein Seminar fängt an!" informierte ich ihn kühl, um ihn loszuwerden. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr im Armaturenbrett verriet mir, dass ich tatsächlich spät dran war.
Endlich hörte er auf zu lachen. „Okay, Sean, tut mir leid", lenkte er beschwichtigend ein, „Ich werde sehen, was ich machen kann, okay?" Abrupt raste mein Herz förmlich los bei dem Gedanken, dass Louis das Handy höchstwahrscheinlich schon sehr bald finden würde. Unbestreitbar konnte der so was. Aufgeregt malte ich mir aus, was ich in diesem Fall konkret tun würde. Ich zog es sogar in Erwägung, eventuell ein paar meiner Kurse deswegen abzusagen, damit ich das vermisste Smartphone so schnell wie möglich holen konnte. Meine Gedanken gerieten schon wieder durcheinander, als mir klar wurde, dass ich Banton in absehbarer Zeit sein extrem wichtiges Kommunikationsgerät zurückbringen konnte. Clay würde mir zweifellos sehr dankbar sein. Er würde sich über sein verloren geglaubtes Handy wie verrückt freuen und sich überschwänglich bei mir bedanken. Meine mutige Eigeninitiative würde meinen Mann unter Garantie besänftigen. Und das war ganz genau das, was ich in meiner derzeitigen Position am besten gebrauchen konnte.
Bekloppt voreilig zufrieden, lächelte ich selig vor mich hin, ohne es richtig zu merken. „Tu, was du willst", erwähnte ich betont gelangweilt, denn ich wollte Louis Frédéric nichts von meiner spontan freudigen Erregung verraten. „Mach's gut, Louis", verabschiedete ich mich im nächsten Moment von dem Typ in der Telefonleitung. „Nein, warte noch kurz, bitte", rief er hastig, und ich seufzte in dunkler Vorahnung. „Wie geht's dir denn überhaupt heute?" wollte Louis interessiert wissen und nervte mich damit total, weil ich ein undankbarer Wichser war. „Alles soweit okay. Ein bisschen verkatert vielleicht", behauptete ich schnell ausweichend. Dabei fühlte ich mich ja in Wahrheit alles andere als okay. Böse Erinnerungen drängten immerzu in mein Bewusstsein, die ich echt nicht mehr sehen wollte und gerade auf der Arbeit auch keineswegs gebrauchen konnte. Krampfhaft hielt ich mich an dem Gedanken fest, dass ich Clay schon sehr bald sein Handy zurückbringen würde. Ich hoffte tatsächlich ganz schön naiv, dass allein meine selbstlose Tat unsere beschissen angespannte Situation bereinigen würde.
Zu meiner Erleichterung gab Louis sich diesmal mit meiner Lüge zufrieden und hakte nicht weiter nach. „Okay, dann wünsche ich dir noch einen erfolgreichen Tag in der Schule, Herr Professor. Ich wollte mich heute sowieso verstärkt auf die Suche nach deinem Goldjungen machen, weil ich den Junkie ja gestern nicht mehr erreichen konnte", erzählte Louis ein bisschen genervt. Mir war total klar, dass der jüngste Spross eines reinblütigen Adelsgeschlechts eigentlich gar keine Lust darauf hatte, sich mit jemandem wie Clay Banton überhaupt zu beschäftigen. Menschen wie Clay waren absolut uninteressant für ihn. Aber er hatte keine Wahl, denn wir hatten eine Abmachung getroffen. Und an die würde er sich zweifellos wie immer halten. Plötzlich fiel mir wieder ein, warum Louis Clay so dringend kontaktieren musste. Es erleichterte mich mehr, als angemessen war, dass es lediglich um die Ausstellung ging. Louis musste Clay zu einer neuen Ausstellung überreden und ihm dort für unglaublich viel Geld ein paar Bilder abkaufen. Es freute mich diebisch, dass Louis Frédéric von Ravenhorst etwas für mich tun musste, was er eigentlich gar nicht tun wollte. Meinen Teil der Vereinbarung hatte ich ja bereits am Sonntag im Schloss erfüllt. Nur ungern erinnerte ich mich an meine Rolle auf Louis' exklusiver Party. Es war eine höchst unangenehme Pflicht für mich gewesen, auch wenn es mich womöglich manchmal sogar irgendwie angetörnt hatte. Nur für Clay hatte ich die tanzende Prostituierte gespielt. Denn für Clay würde ich alles tun. Aber jetzt war Louis Frédéric an der Reihe. Auch wenn mein Opfer für Clay ohne Frage weitaus größer gewesen war, so hatte Louis nun zumindest auch eine für ihn eher unwillkommene Pflicht zu erfüllen. Das freute mich auf eine hinterhältige Art. Mein irres Lächeln wurde ein wenig gemein. „Ja, dir auch einen schönen Tag, L. F", sagte ich und drückte den Knopf fürs Auflegen. Ein paarmal atmete ich noch tief durch. Verbissen redete ich mir ein, dass alles gut war. Mein Leben würde schon bald wieder in Ordnung sein. Schließlich lenkte ich den Jeep nach dem vorgeschriebenen Schulterblick und Blinkzeichen zurück in den morgendlichen Straßenverkehr.
Siamak
Der Anruf kam weit nach Mitternacht. „Siamak? Eliza hier. Hör mal, das ist ein echter Notfall! Heute ist etwas wirklich Schlimmes passiert! Jemand ist lebensgefährlich verletzt worden! Kannst du dir bitte jetzt sofort Zeit für ihn nehmen?" Die Krankenschwester hörte sich höchst besorgt an, fast hysterisch, was ich gar nicht von ihr kannte. Zufällig befand ich mich gerade in meinem Ruheraum und hatte tatsächlich nichts zu tun. „Das geht in Ordnung, Eliza", bestätigte ich ihre Anfrage. Sie atmete hörbar erleichtert auf. „Clay hat mindestens zwei lange und tiefe Schnittwunden! Vielleicht sind es aber auch noch viel mehr! Er blutet jedenfalls ganz entsetzlich, du musst ihn dringend zusammennähen!" drängte Eliza mich schrill und schnappte atemlos nach Luft. „Ich guck ihn mir sofort an. Hab keine Angst, ich werde ihm schon helfen können", versuchte ich ein bisschen hilflos, meine langjährige Arbeitskollegin möglichst zu beruhigen. Plötzlich wurde ihre Stimme leiser. „Hör mal, das könnte vielleicht ein bisschen schwierig werden. Clay ist nämlich nicht freiwillig mitgekommen, verstehst du? Du musst Geduld mit ihm haben, okay?" flüsterte sie verschwörerisch. Über diese Information musste ich spontan schmunzeln. Unwillkürlich fragte ich mich, wen genau sie mir da wohl mitbringen würde. Einerseits war der Mann lebensgefährlich verletzt, und andererseits musste sie ihn zu einer ärztlichen Behandlung zwingen? Dieses leichtsinnige Verhalten erschien mir zumindest recht ungewöhnlich. In diesem Moment hörte ich durch das Telefon deutlich eine männliche Stimme im Hintergrund. „Was tust du denn? Du hast versprochen, dass du mich nach Hause fährst!" beschwerte sich jemand hörbar entsetzt. Darüber musste ich lachen, weil Eliza ihre rätselhafte Begleitung offenbar irgendwie überlistet hatte. „Okay, Siamak! Bis gleich also! Wir sind jetzt da!" sagte sie gehetzt und legte auf. Ich steckte mein Handy ein und schüttelte den Kopf. Ein vielleicht schwieriger Patient, der nicht freiwillig zu mir kam. Das kann zumindest interessant werden, erwartete ich neugierig. Im nächsten Moment wunderte ich mich, was Eliza für seltsame Leute kannte. Ich fragte mich, in welcher Beziehung sie zu diesem verletzten Mann stand, weil sie sich so große Sorgen um ihn machte, dass sie ihn gegen seinen Willen hierher brachte. Ein wenig beunruhigt kam mir der Gedanke, ob dieser uneinsichtige Patient wohl wirklich lebensgefährlich verletzt war, was denn so Schlimmes passiert war, woher seine tiefen Wunden wohl stammten. Ich hoffte, ihm helfen zu können.
Es dauerte nicht lange, da kam auch schon Schwester Brigitte herein. „Eliza wartet mit einem männlichen Patienten in Untersuchungszimmer drei auf dich", informierte sie mich knapp. Also machte ich mich über den Flur auf den Weg. Vor der Tür zum Behandlungsraum standen zu meiner Verwunderung zwei große, breitschultrige Krankenpfleger, die ich nicht kannte. Offenbar gehörten sie zu einer anderen Station. „Was ist denn eure Funktion?" fragte ich sie irritiert. Die beiden grinsten belustigt und musterten mich interessiert. Sie waren beide fast einen Kopf größer als ich, sodass ich zu ihnen aufsehen musste. „Eliza hat vorhin in der Psychiatrie angerufen und zwei starke Pfleger angefordert", erklärte der eine. „Wir sollen diesen seltsamen Mann an Elizas Seite bewachen, weil der vielleicht durchdreht oder wegläuft", meinte der andere gelassen. Die jungen Männer schauten sich amüsiert an und fingen an zu lachen. Ich konnte den Grund ihrer Heiterkeit nicht nachvollziehen, hatte aber keine Zeit, mich länger mit den albernen Pflegern zu beschäftigen. Gott, dachte ich nur kopfschüttelnd, jetzt übertreibt sie aber wirklich!
Schnell betrat ich den Raum und schloss hinter mir die Tür. Womöglich war Eile geboten, falls der Mann tatsächlich so stark blutete, wie Eliza am Telefon behauptet hatte. Natürlich konnte ich nicht ahnen, wen ich in Behandlungsraum drei kennenlernen würde. In diesem Moment hatte ich nicht den leisesten Schimmer davon, dass die folgende Begegnung mein ganzes Leben auf den Kopf stellen und es für immer verändern würde. Das erste, was ich von Clay hörte, war sein lauter Schreckenschrei. Ich hörte ihn, noch bevor ich einen Blick auf ihn werfen konnte. Sofort war ich von der Intensität seiner kräftigen Stimme beeindruckt. Angesichts seines angeblich schwer verletzten Zustands war sein Schrei voller unglaublicher innerer Energie. Nun, ich war ja von Eliza schon irgendwie vorgewarnt worden, daher beschloss ich, den seltsamen Angstschrei einfach zu ignorieren.
Im nächsten Moment sah ich Clay Banton zum ersten Mal in meinem Leben. Er stand dort und schaute mir furchtsam entgegen, mit panisch weit aufgerissenen Augen. Er schien in Elizas Alter zu sein, spontan schätzte ich ihn auf Ende 20. Sein Haar war dunkelblond, nicht sehr lang, aber sichtbar ungekämmt. Er trug nichts als eine Jeans. Seine Füße und sein Oberkörper waren nackt. Es war ein gut trainierter Oberkörper, mit breiten Schultern, kräftigen Armen und sichtbaren Brust- und Bauchmuskeln. Mit dem zweiten Blick registrierte ich seine Verletzungen. Er hatte unzählige Hämatome, die wegen seiner auffallend blassen Haut noch deutlicher sichtbar waren. Dieser Mann hat bei Weitem nicht nur zwei Schnittwunden, dachte ich mitfühlend. Offensichtlich war Clay ziemlich schlimm verprügelt worden. An den Fingern seiner linken Hand tropfte über den Arm Blut auf den Boden, denn seinen Oberarm zierte eine lange, blutende Wunde, die wohl von einem Messer stammte. Mir war sofort klar, dass ich ihn unverzüglich nähen musste. Elizas Diagnose war absolut richtig gewesen. Sie stand direkt neben ihm und schaute mich ebenfalls an. Sie verdrehte genervt die Augen und verzog spöttisch das Gesicht, um mir zu demonstrieren, dass sie Clays Schrei absolut daneben fand. Ich beschloss, auch die Frau vorerst zu ignorieren. Ich wollte mich so schnell und sorgsam wie möglich um diesen Patienten kümmern, der meine Hilfe zweifellos dringend benötigte.
Also ging ich auf ihn zu, streckte ihm die Hand hin und stellte mich vor. „Ich bin Doktor Tourani. Und Sie sind..." Ich warf Eliza einen Blick zu. „...Clay?" fragte ich ihn, denn diesen seltsamen Namen hatte ich vorher noch nie gehört. Ich schaute ihn freundlich an. Er erwiderte meinen Blick irgendwie gebannt, sagte aber nichts. Eliza antwortete für ihn. „Hallo Siamak. Ja, das ist Clay Banton - mein ...Exfreund", informierte sie mich ein bisschen spöttisch. Das irritierte den Mann, der sie verblüfft anstarrte und deshalb erst mit Verzögerung meine Hand ergriff. „Hallo Clay!" begrüßte ich ihn. Clay nahm meine Hand nur zögerlich, murmelte verlegen „Hi" und schaute mich seltsam an. Sein Blick aus grün-braunen Augen verriet mir, dass er sich unwohl fühlte, was nicht verwunderlich war, weil er unter Garantie Schmerzen hatte. Seine ein wenig verschwommenen Pupillen sagten mir auch, dass er nicht nüchtern war. Aber da war noch etwas anderes in seinen Augen, was ich nicht sofort zuordnen konnte. Hinter seiner Angst und seinem Unbehagen schien ein großes Interesse zu lauern, eine Faszination, die mich verdutzte.
„Was ist mit Ihnen passiert?" erkundigte ich mich bei meinem Patienten und schaute ihn interessiert an. „Er ist verprügelt worden. Und die haben ihn mit einem Messer schwer verletzt", mischte Eliza sich ein und zeigte mir Clays Schnitte am Arm und am Bein. Ich beugte mich zu dem jungen Mann hin und studierte seine offenen Wunden, berührte seine Haut am Oberarm und seine Jeanshose am Oberschenkel, die voller Blut war. „Wer sind die?" fragte ich dabei. Mir war klar, dass ich die Blutungen stillen und die Verletzungen sehr dringend nähen musste. Erneut antwortete Eliza für ihren Exfreund, noch bevor er reagieren konnte. „Clay behauptet, dass er nicht weiß, wer ihn verprügelt hat", stellte sie so spöttisch in den Raum, als würde sie ihm das sowieso nicht glauben. Ich richtete mich von seinem Bein auf und musterte ihn eine Weile mit einem amüsierten Lächeln. Es amüsierte mich, dass Eliza vorlaut die Fragen beantwortete, die ich eigentlich an ihn gerichtet hatte. Clay grinste verhalten, weil er meine Belustigung wohl verstand. „Wissen Sie, wer Sie verletzt hat?" erkundigte ich mich bei ihm. „Der erzählt uns gar nichts!" beschwerte Eliza sich. Darüber musste ich lachen und schüttelte den Kopf. „Wir sollten vielleicht den Patienten mal zu Wort kommen lassen, Eliza", schlug ich der Krankenschwester leicht tadelnd vor. „Von dem erfährst du überhaupt nichts!" glaubte Eliza zu wissen. Ein bisschen beleidigt ging sie einen Schritt zurück und deutete auf Clay. „Aber bitte, versuch es ruhig!" forderte sie mich auf.
„Haben Sie eine Ahnung, wer Ihnen das angetan hat?" fragte ich den jungen Mann ruhig. „Das ist nur Clay Banton, den kannst du ruhig duzen!" meinte Eliza herablassend. Ihre ständige Einmischung ging mir langsam auf die Nerven, denn ich musste mich dringend mit meinem Patienten verständigen. Er sollte nicht das Gefühl bekommen, unwichtig zu sein oder übergangen zu werden. Also warf ich Eliza einen Blick zu, der leicht genervt war. „Und das bestimmst du, Eliza?" fragte ich sie tadelnd. „Ich kenne Clay gut genug, um das zu wissen!" meinte sie aufsässig. Es wunderte mich, dass Clay sich diese dreiste Bevormundung durch die Frau total teilnahmslos gefallen ließ. Als wäre es eine gewohnte Selbstverständlichkeit für ihn, dass Eliza Laser alle seine Entscheidungen traf. Das erschien mir merkwürdig, wo sie ihn doch nur als ihren Exfreund bezeichnet hatte. Meine Aufmerksamkeit wanderte zurück zu Clay. „Ist es Ihnen recht, wenn ich Sie duze?" fragte ich ihn behutsam. Er nickte irgendwie verwirrt, was mich zum Lächeln brachte, weil es putzig aussah. „Na gut, dann - mein Name ist Siamak. Also - weißt du, wer dir das angetan hat?" wiederholte ich deutlich. Clay schüttelte spontan bedauernd den Kopf und behauptete schnell: „Keine Ahnung. Ich erinnere mich kaum noch an etwas." Ich zweifelte an seiner Aussage, weil er sie viel zu hastig machte, beschloss aber, vorerst nicht weiter nachzuhaken. Die körperliche Behandlung des Patienten hatte schließlich oberste Priorität, denn er blutete unverändert stark. Also nickte ich ihm nur zu. Ich hatte das Gefühl, ihn beruhigen zu müssen. Clay Banton erschien mir gehemmt und kontaktscheu. Der junge Mann schaute mich kaum richtig an, er wirkte auf mich wenig selbstbewusst, hilflos und unsicher. Fast hatte ich ein wenig Mitleid mit ihm.
Diesen ersten Eindruck musste ich allerdings schon kurz darauf revidieren. „Wir müssen die Polizei benachrichtigen", informierte ich ihn teilnahmsvoll. Clay zuckte erschrocken zusammen. „Was?!" entfuhr es ihm entgeistert. Ich hob beschwichtigend die Hände und betrachtete ihn aufmerksam. „Du bist schwer verletzt worden, Clay. Es handelt sich hier eindeutig um eine schwere Körperverletzung. Die muss ich zur Anzeige bringen", erklärte ich ihm ruhig. „Nein!" wehrte er mich sofort ziemlich laut ab, „Das will ich auf keinen Fall!" Seine plötzlich Aggressivität machte mir Sorgen. Ich ging einen Schritt zurück und schaute Eliza fragend an. Sie grinste überheblich. „Ich sagte ja, dass es schwierig werden wird", meinte sie cool. „Also Moment mal! Wenn ich keine Anzeige erstatten will, dann mache ich keine verdammte Anzeige!" stellte Clay laut klar. Ich schüttelte den Kopf. „So einfach ist das nicht, Clay. Aber vielleicht sollten wir nicht jetzt darüber reden", wollte ich ihn ablenken. Clay richtete sich auf. „Das geht nicht! Ich will mit den scheiß Bullen nichts zu tun haben!" betonte er alarmiert. Ich schloss kurz die Augen, dann nickte ich langsam. „Ja, ist gut, Clay", wollte ich ihn beschwichtigen.
Nun zeigte sich, dass Herr Banton die erstaunliche innere Energie, auf die sein vorheriger Schrei schon hingedeutet hatte, tatsächlich besaß. Außerdem wurde deutlich, was Eliza mit „schwierig" gemeint hatte. Meine Ankündigung, die Polizei einzuschalten, hatte Clay dermaßen aufgebracht, dass er auf der Stelle aus dem Behandlungszimmer flüchten wollte. Er drehte sich einfach herum und eilte zu seinen Sachen, die auf der schmalen Liege an der Wand lagen, um sie sofort wieder anzuziehen. Es war offensichtlich, dass er uns verlassen wollte, noch bevor ich auch nur die Chance gehabt hatte, seine Verletzungen zu behandeln. Verdutzt betrachtete ich ihn. Seine aggressive Reaktion stieß mich vor den Kopf. Wovor hat er solche Angst, fragte ich mich irritiert. Ich vermutete, dass Clay womöglich in kriminelle Machenschaften verwickelt war, weil er die Polizei so sehr fürchtete.
Clay stand an der Liege und wollte sich anziehen. Eliza stürzte förmlich zu ihm hin und umarmte ihn von hinten so fest, dass er sich kaum noch rühren konnte. Leise redete sie auf ihn ein, und ich vermutete, dass sie wohl versuchte, ihn zu beruhigen und zum Bleiben zu überreden. Ein wenig hilflos stand ich dort und schaute mir die merkwürdige Szene an. Es war offensichtlich, wie vertraut Eliza mit Clay umging, wie gut sie ihn kannte. Ich hatte den Eindruck, dass sie derartige Vorfälle schon öfter mit ihrem Exfreund erlebt hatte, denn sie schien über sein Verhalten nicht verwundert zu sein. Schnell ging ich zu den beiden hin und stellte mich neben Eliza. Sie hatte Clay gewaltsam zu sich herumgedreht, starrte ihm beschwörend in die Augen und verlangte streng: „Beruhige dich! Dreh doch nicht durch!" Clay wand sich wütend in ihrem festen Griff. Seine Augen schossen Giftpfeile auf uns beide ab. „Ist schon gut, Clay. Wir vergessen das mit der Anzeige erst einmal", versuchte ich, ihn zu beruhigen. Leider konnten unsere Worte ihn nicht erreichen. Weder Eliza noch ich konnten irgendetwas ausrichten, im Gegenteil. Seine Augen weiteten sich in einem Anfall von Panik, die ich nicht nachvollziehen konnte. Abrupt schubste er Eliza so brutal von sich weg, dass sie haltlos zurücktaumelte und beinahe hinfiel. Darauf waren wir beide nicht gefasst gewesen. Erschrocken versuchte ich, sie aufzufangen und konnte so im letzten Moment einen Sturz verhindern.
In dieser Zeit war Clay schon bis zur Tür gerannt. Offenbar wollte er einfach verschwinden, obwohl er sich nicht angezogen hatte. Mein uneinsichtiger, höchst impulsiver Patient wäre wohl auch halbnackt und barfuß aus dem Krankenhaus hinaus in die eisige Kälte geflüchtet, denn er riss ohne zu zögern die Tür auf. Das war dermaßen seltsam und kindisch, dass ich ihm nur staunend hinterherschauen konnte. „Clay! Spinnst du?! Bleib hier! Verdammt!" kreischte Eliza zornig. Die junge Frau war kein bisschen überrascht, nur ziemlich wütend auf ihren Exfreund. Nun verstand ich auch, warum die kluge Krankenschwester die beiden kräftigen Pfleger angefordert hatte. Sie hatte dieses widersinnige Verhalten von Clay tatsächlich vorhergesehen, was mich in meinem Eindruck bestätigte, dass Eliza Laser Clay Banton tatsächlich sehr gut kannte. Die beiden Pfleger aus der anderen Abteilung konnten jetzt in Aktion treten. Sie stoppten Clays Fluchtversuch schon vor der Tür. Beide wirkten ebenfalls nicht überrascht über Clays plötzliches Auftauchen, sondern reagierten geistesgegenwärtig. Offenbar waren sie schwierige Patienten gewohnt, hatten also wohl wahrscheinlich auch schon in der Psychiatrie gearbeitet. „Hey, wohin denn so eilig?" fragte der eine Pfleger Clay spöttisch. Ohne Vorwarnung wollte Clay ihn von sich wegstoßen. „Fasst mich bloß nicht an! Lasst mich in Ruhe!" zischte er aggressiv dabei und wollte hartnäckig an ihnen vorbei. Aber die beiden starken Männer hatten keine Mühe damit, den wütenden Clay festzuhalten, der „Fuck!" schrie und sich verzweifelt wehrte.
Doch schon im nächsten Moment knickten dem armen Kerl plötzlich die Beine ein. Er erlitt einen spontanen Schwächeanfall, der zweifellos in seiner Aufregung und seinem großen Blutverlust begründet lag. Die beiden Pfleger packten ihn geschickt, hoben ihn hoch und verhinderten so, dass sein Körper auf den harten Boden aufschlagen konnte. Fragend schauten sie mich an. „Bringt ihn wieder herein! Legt ihn bitte hier hin!" forderte ich sie auf und ging zwei Schritte auf sie zu. Folgsam trugen die starken Männer Clay in das Untersuchungszimmer und legten seinen schlaffen Leib auf der großen Untersuchungsliege in der Mitte des Raumes ab. Nun lag mein Patient auf dem Rücken, starrte an die Decke und rührte sich nicht mehr. „Okay, danke. Ihr könnt wieder draußen warten", gab ich meine Anweisung, die die beiden Pfleger sofort befolgten. Sie verließen das Zimmer nicht, ohne sich gegenseitig albern kichernd anzustoßen. Offenbar fanden sie Clays Fluchtversuch sehr erheiternd, was wirklich kein professionelles Verhalten für Krankenpfleger war. Aber ich hatte keine Zeit, mich über die Pfleger zu ärgern.
Schnell ging ich zum Schrank und machte eine Spritze für Clay zurecht, die ihn beruhigen würde. Ganz offensichtlich stand Herr Banton unter der Schockeinwirkung des nächtlichen Überfalls auf ihn und benötigte dieses Medikament. Es war zwingend erforderlich, dass ich ihn jetzt schnellstmöglich behandelte. Die Zeit lief mir davon, denn der schwer verletzte Mann verlor noch immer Blut. Das machte mir langsam ein wenig Sorgen. Ich setzte mich auf den Hocker dicht neben der Liege und verabreichte ihm die leichte Beruhigungsspritze. Er riss erschrocken die Augen auf, als er den Einstich an seinem unverletzten, rechten Oberarm spürte. Seine Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf seinen Arm. „Was tust du? Was soll das? Was spritzt du mir da?" fragte er mich misstrauisch und wollte seinen Arm prompt wegziehen. Aber zum Glück war es zu spät, das Medikament befand sich schon in seiner Blutbahn. Zufrieden zog ich die Spritze heraus und reichte sie Eliza, die sie fachgerecht säubern würde. „Keine Angst, Clay. Das ist nur ein ganz leichtes Beruhigungsmittel. Du stehst eindeutig unter Schock,und mit diesem Mittel wird es dir gleich viel besser gehen", versicherte ich Clay freundlich und lächelte ihn beruhigend an.
Und dann passierte plötzlich etwas, was mir vorher noch nie geschehen war. Niemals. Mittlerweile praktizierte ich schon einige Jahre als Arzt, und im Rahmen der Arbeit hatte ich schon mit unzählbar vielen Menschen zu tun gehabt, auch mit komplizierten Charakteren, denen ich es nicht recht machen konnte. Zum Glück verhielten sich jedoch die meisten Patienten mir gegenüber freundlich und vertrauensvoll. Inzwischen war ich es gewohnt, auf alle möglichen Aussagen, Reaktionen und Fragen spontan reagieren zu müssen. Aber in dieser Samstagnacht war es Clay Banton, der mich zum allerersten Mal total unvorbereitet traf. Er verblüffte mich auf tausendfacher Ebene bis ins Mark. Mein Patient sagte etwas zu mir, was mich dermaßen aus dem Konzept brachte, dass mein Kopf schlagartig leer war und ich mich wie erstarrt fühlte. „Willst du mich willenlos und gefügig machen?" fragte er matt lächelnd. So etwas Bizarres hatte noch kein Patient jemals zu mir gesagt. Clay Banton stellte mir diese Frage, während er mit nacktem Oberkörper vor mir auf dem Rücken lag. Er schaute mich dabei mit diesem seltsamen, schüchtern-interessierten Blick aus seinen grün-braunen Augen an, den ich noch immer nicht richtig deuten konnte, der mich aber von diesem Moment an zunehmend berührte. Meine Güte! Dieser Mann war vor sehr kurzer Zeit extrem brutal geschlagen und wiederholt mit einem Messer geschnitten worden. Es war einfach unmöglich, dass er gerade keine starken Schmerzen hatte. Aber anstatt über sein Leid zu klagen, mich ungeduldig zur Eile anzutreiben, flehend nach einem Schmerzmittel zu verlangen oder sich über das ihm angetane Unrecht zu beschweren, fragte er mich nur, ob ich ihn willenlos und gefügigmachen wollte. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich wirklich sprachlos.
Und schon im nächsten Augenblick begriff ich schlagartig, was in diesem außergewöhnlichen Menschen vor sich ging. Der Verwundete tat etwas, was noch kein Patient bei mir auch nur vage angedeutet hatte. Einfach, weil bisher jeder Klient auf sein gesundheitliches Problem fixiert gewesen war, was vollkommen normal und legitim war. Und dennoch: Clay Banton flirtete mit mir! Nicht nur, dass sein Verhalten eine absolute Premiere für mich war. Er überraschte mich damit aus mehreren Gründen. Zuerst war da sein zweifellos lebensgefährlich verletzter Zustand, die erheblichen Schmerzen, die er fühlen musste. Dann die ganze Situation, unser Aufenthalt im Krankenhaus, und natürlich die Tatsache, dass Eliza ihn als ihren Exfreund vorgestellt hatte. Schon allein aus diesem Grund war ich natürlich nicht davon ausgegangen, dass Clay an Männern interessiert sein könnte. Dementsprechend verdutzte mich seine Frage. Aber obwohl sich vor Staunen und Rührung abrupt alles in mir zusammenzog, war ich doch bei meiner Arbeit zu sehr Profi, um mir meine absolute Verblüffung anmerken zu lassen.
Stattdessen erklärte ich ihm mit sehr ruhiger, verständnisvoller Stimme seine derzeitige Situation, die er offenbar völlig falsch einschätzte: „Nein, Clay, ich möchte ganz sicher nichts gegen deinen Willen unternehmen! Aber ich habe den Eindruck, dass du deine Situation nicht richtig einschätzt. Wenn du jetzt in einen Spiegel sehen würdest, dann würde dir bestimmt auffallen, wie blass du geworden bist. Dein Gesicht ist nahezu aschfahl, deine Lippen sind blau. Auch deine Finger und Zehen sind ganz blass, schau mal!" Locker nahm ich Clays Handgelenk und zeigte ihm die Finger seiner rechten Hand, die er irritiert betrachtete. Dann legte ich seine Hand wieder auf die Liege und fuhr fort: „Kribbeln deine Finger und Zehen nicht, als wären sie eingeschlafen? Fühlst du dich nicht ganz allgemein sehr schwach und matt? Hast du Durst? Dass du vorhin einen Schwächeanfall hattest, das ist eine Folge deines Blutverlustes, Clay!" Während ich weitersprach, richtete Clay seine Aufmerksamkeit auf mein Gesicht, was er höchst interessiert studierte. „Wenn du jetzt nach Hause gehst, Clay, bevor deine Wunden versorgt wurden, dann wirst du, falls du es überhaupt bis zu dir nach Hause schaffst, spätestens dort bewusstlos zusammenbrechen und an einem Kreislaufschock aufgrund deines Blutverlustes sterben. Aber ich vermute ganz stark, dass du es nicht bis nach Hause schaffen wirst, sondern schon auf dem Weg das Bewusstsein verlierst", erklärte ich ihm ruhig und merkte dabei, wie wenig diese Vorstellung mir gefiel, wie groß mein Mitleid mit ihm und meine Sorge um ihn war. Beides war eindeutig viel größer, als es hätte sein dürfen. Das irritierte mich. Ich konnte die Vorstellung, dass Clay sehr bald sterben würde, aus einem Grund nicht ertragen, der mir noch nicht klar war. „Du warst sehr aufgeregt, und ich habe dir ein Beruhigungsmittel gegeben, damit dein Herz wieder langsamer schlägt. Je schneller es nämlich schlägt, umso mehr Blut wird durch deinen Körper gepumpt, und umso mehr Blut verlierst du auch", versicherte ich Clay geduldig mit gleichbleibend sanfter Stimme. Mein schwer verletzter Patient lag dort vor mir und sah mich unentwegt an. Er schien gebannt an meinen Lippen zu hängen, was mich tief drinnen amüsierte. „Verstehst du das, Clay?" wollte ich von ihm wissen. Er nickte. „Natürlich verstehe ich das!" stellte er ein bisschen beleidigt klar. Ich lächelte zufrieden. „Darf ich dir dann bitte jetzt helfen? Ja?" fragte ich ihn höflich. „Wir sollten nämlich keine Zeit mehr verlieren", setzte ich noch ernsthaft hinzu.
Einen Moment lang schauten wir uns intensiv an, während ich ihn stumm um seine Zustimmung bat. „Okay", stimmte er schließlich ganz leise zu. Erleichtert atmete ich auf, stand tatendurstig auf und schob den Hocker mit dem Fuß zur Seite. „Bitte, lass mich dich zuerst mal richtig untersuchen", forderte ich meinen Patienten freundlich auf, „Setze dich bitte hier hin, Clay. Kannst du dich aufrichten?" Ich deutete auf den Rand der Liege, auf der er lag. „Ich habe ihm das alles auch schon erklärt. Aber mir wollte er das ja nicht glauben!" bemerkte Eliza plötzlich vorwurfsvoll. Sie tauchte unvermittelt neben mir auf, packte hart Clays Oberarm und zog ihn gnadenlos hoch. Er hatte keine andere Möglichkeit, als sich auf den Rand der Liege zu setzen. Ich war froh, dass ich den schwer verletzten jungen Mann endlich gründlich untersuchen konnte und fing unverzüglich damit an.
Zuerst leuchtete ich ihm mit meiner kleinen Taschenlampe in die Augen. „Du hast eine Gehirnerschütterung, Clay. Du musst dich in den nächsten Tagen unbedingt schonen, am besten Bettruhe halten", stellte ich fest, denn seine Augen wiesen die typischen Symptome einer Gehirnerschütterung auf. Außerdem verriet mir sein trüber Blick seinen übermäßigen Drogenkonsum, den ich besorgt zur Kenntnis nahm. „Hast du Alkohol getrunken? Drogen genommen?" wollte ich von ihm wissen, obwohl ich mir dessen schon völlig sicher war. Abermals antwortete Eliza für ihren Exfreund. „Natürlich ist er betrunken! Und er nimmt Heroin!" erklärte sie mir resigniert, woraufhin Clay sie extrem böse anknurrte. Offenbar gefiel es ihm nicht, dass Eliza mich auf seine Sucht aufmerksam gemacht hatte. Verwundert musterte ich den jungen Mann. „Du nimmst Heroin?" fragte ich ihn bedächtig. Ich wollte ihm keinen Vorwurf machen und war deshalb vorsichtig. Mir war klar, dass es sich für Clay um ein heikles Thema handelte, weil er auf die Mitteilsamkeit seiner Exfreundin so aggressiv reagiert hatte. Prompt zischte Clay genervt: „Das spielt doch jetzt wohl keine Rolle, oder?" Ich lächelte, gerührt über seine Dummheit, und versicherte ihm: „Alles spielt eine Rolle, Clay!" „Ja nun... Ich kann es nicht ändern...", erwiderte er verärgert. Banton war wütend, darum hob ich beschwichtigend meine Hände. „Ausschließlich du kannst es ändern, Clay", flüsterte ich fast. Seine Heroinsucht machte mir mehr Sorgen, als es hätte sein dürfen. Harte Drogen sind so ein hässliches Thema, so eine Gefahr für jedes Leben. Dass Clay Banton in dieser schlimmen Sucht gefangen war, machte mich richtig traurig. Einen Moment lang schaute ich ihn intensiv an und beschwor ihn lautlos, mit dem Heroin aufzuhören, was mir ohne Frage gar nicht zustand.
Verwirrt besann ich mich und wandte mich an Eliza, um mich abzulenken: „Wir werden Clay minimal Blut abnehmen. Kannst du das vielleicht übernehmen, Eliza?" Sie nickte eifrig, dankbar, dass ich sie gefragt hatte und sie etwas zu tun bekam. Sie lief sofort zum Schrank am Rand des Zimmers und holte sich die Sachen, die sie für ihre Blutabnahme brauchte. Zwischenzeitlich untersuchte ich Clays Kopf, fuhr mit meinen Fingern durch sein Haar und spürte dabei die dicken Beulen. Sie haben ihn tatsächlich auf den Kopf geschlagen, dachte ich betrübt. Dann berührte ich sein Genick, bewegte seinen Kopf langsam in alle Richtungen. „Hast du Kopfschmerzen? Ein Schwindelgefühl?" wollte ich wissen. „Ständig", antwortete er und ließ mich teilnahmslos gewähren. Eliza band derweil Clays unverletzten rechten Arm ab, fand eine Vene in seiner Armbeuge, stach ohne zu zögern hinein und nahm ihm Blut ab. „Was soll das? Warum machst du das?" fragte er sie irritiert. „Das ist reine Routine", behauptete die Krankenschwester, was in diesem Fall zweifellos nicht ganz stimmte. Ich hatte die Blutabnahme angeordnet, um Clay Bantons Vergiftungen bestimmen zu können. Aber ich war gerade beschäftigt und ließ Elizas Behauptung deshalb einfach mal stehen.
Interessiert wandte ich mich Clays Oberkörper zu. Ich betastete die Schnittwunden auf seiner Brust und seine Rippen, danach kontrollierte ich vorsichtig die Beweglichkeit seiner Arme. Eliza hatte die Nadel wieder herausgezogen und dem Röhrchen mit dem Blut seinen weißen Aufkleber zur Identifizierung verpasst. „Soll ich das schnell ins Labor bringen?" fragte sie mich und klebte vorschriftsmäßig ein Pflaster auf den Einstich. Ich nickte geistesabwesend, denn ich war gerade ganz mit der tiefen Schnittwunde an Clays linkem Oberarm beschäftigt, die böse aussah. Nur im Unterbewusstsein nahm ich wahr, dass Eliza das Behandlungszimmer verließ, um ins Labor zu gehen. Besorgt schaute ich meinen Patienten an. „Diese Wunde ist wirklich tief, Clay. Die muss ganz dringend genäht werden. Hast du starke Schmerzen?" fragte ich ihn mitfühlend. Er nickte sichtbar nervös. „Ach, ich habe mich inzwischen daran gewöhnt", behauptete er leichthin. Ich lächelte über seine Tapferkeit. „Soll ich dir ein Schmerzmittel geben?" erkundigte ich mich. „Dazu sage ich nicht nein!" lächelte Herr Banton aus tiefstem Herzen. Als hätte ich ihn zu einem Drink eingeladen, was mich ziemlich amüsierte.
Schnell drehte ich mich um und lief zum Schrank. Ich suchte die passende Tablette heraus und zapfte Clay danach einen Becher Wasser aus dem Wasserspender in der Ecke des Zimmers. Lächelnd ging ich zurück zu meinem Patienten, blieb dicht vor ihm stehen und hielt ihm in der einen Hand die Tablette, in der anderen das Wasser hin. „Danke sehr", sagte Clay höflich und griff sich hastig die Tablette, steckte sie in den Mund, nahm den Becher und schluckte die Pille mit dem Wasser hinunter. „Das wird gleich besser", stellte ich ihm in Aussicht. Clay betrachtete mich. Mir fiel auf, dass sein Blickkontakt intensiver geworden war, seit Eliza den Raum verlassen hatte. Das amüsierte mich. Ich konnte es gar nicht fassen, wie erstaunlich hart im Nehmen dieser Mann zu sein schien. Dass er dazu in der Lage war, mit mir zu flirten, obwohl er doch vor so kurzer Zeit brutal zusammengeschlagen worden war. Offensichtlich war er dazu in der Lage, sich voll und ganz auf die Gegenwart zu fokussieren. Von ihm kam kein einziges Wort der Klage, und das beeindruckte mich immens. Clay Banton war definitiv kein gewöhnlicher Patient für mich. Fast unbemerkt fing ich damit an, mich auch noch auf anderen Ebenen für ihn zu interessieren, ohne dass mir das sofort bewusst wurde. Clay interessierte mich nicht nur als Patient, sondern auch als Mensch, weil er zweifellos etwas an sich hatte, was mich zunehmend stark berührte.
Hastig besann ich mich darauf, seine unverändert blutenden Wunden zu versorgen. Ich musste ihn unverzüglich zusammennähen. Daher besorgte ich mir aus dem Schrank die entsprechenden Materialien. Als ich mich kurz zu Clay umsah, warf er gerade seinen Plastikbecher aus großer Entfernung in den Papierkorb an der Wand. Er traf auf Anhieb. „Klasse Wurf!" rief ich ihm belustigt zu und dachte irritiert dabei, dass dieser Mensch etwas Besonderes wäre. Clay lächelte nicht ohne Stolz. Wir sahen uns wieder an, und ich wurde für einen Moment von der überraschenden Tiefe seiner Augen abgelenkt. „Bitte lege dich auf die Liege, Clay, mit dem Kopf zu mir", forderte ich ihn auf. Clay gehorchte mir, indem er sich langsam auf den Rücken legte. Ich schob den Hocker und die Ablage, auf die ich Nadel, Faden, Desinfektionsmittel und andere benötigte Dinge ablegte, neben die Liege. Clay starrte beunruhigt auf die dünne Nadel. „Keine Angst, Clay, ich mache das ganz vorsichtig. Du bekommst eine örtliche Betäubung, dann wirst du gar nichts davon merken", erklärte ich ihm gutmütig.
Und dann überraschte er mich bereits zum zweiten Mal in dieser Nacht auf eine Art, die ich in all den Jahren noch nie erlebt hatte. „Ich will aber keine Betäubung!" betonte Clay seltsam überzeugt. Überrascht hob ich die Augenbrauen. „Warum nicht?" „Ich möchte jetzt nicht betäubt werden", teilte mein Patient mir mit. Darüber musste ich lachen, verkniff es mir aber im letzten Moment, weil ich ihn nicht kränken wollte. Geduldig erklärte ich ihm: „Es wäre nur eine örtliche Betäubung, Clay. Das bedeutet, dass ich nur deinen Arm betäube, damit du die Nadel nicht spürst." „Ich will die Nadel aber spüren!" erwiderte er ernst. Maßlos erstaunt schaute ich ihn an und konnte nicht fassen, was er gerade gesagt hatte. Clay Banton lehnte eine örtliche Betäubung seines Armes mit der Begründung ab, weil er die Nadel spüren wollte. Es liegt in der Natur eines jeden Lebewesens, Angst vor dem Schmerz zu haben, und diese Angst ist auch durchaus sinnvoll. Bisher waren ausnahmslos alle meine Patienten immer sehr dankbar für jegliche Betäubung gewesen. Aber nicht Herr Banton. Er wollte den Schmerz fühlen! Noch einmal war ich abrupt wie erstarrt, weil mir diese Aussage so unglaublich nahe ging und mich so unvorbereitet traf, dass sie mich förmlich erschlug. Sogar meine Finger zitterten vor Verblüffung, sodass ich einsehen musste, dass ich ihn unmöglich sofort nähen konnte, obwohl Eile geboten war.
Ich nickte. „Okay, ganz wie du willst. Du kannst es dir aber jederzeit noch anders überlegen, Clay. Dann sagst du mir einfach Bescheid, verstanden?" „Okay", bestätigte er. Ich schaute ihn an, und mein Mitgefühl mit diesem Menschen wurde größer, als es angemessen gewesen wäre. Es tat mir einfach unglaublich leid, dass er dermaßen verprügelt worden war, auch wenn ich die Hintergründe des heftigen Streits nicht kannte. Mir kam der Gedanke, ihm und mir dadurch zu helfen, indem ich zuerst einige Beweisfotos seiner unterschiedlichen Verletzungen machen würde. Zwar lehnte er eine Anzeige rigoros ab, jedoch änderte er womöglich seine Meinung noch, und dann wären die Fotos ein hilfreiches Beweisstück für ihn. Außerdem würde ich meine Anzeige bei der Polizei mit den Fotos untermauern können. Und mir würde diese Ablenkung sicher helfen, meine zitternden Finger wieder unter meine Kontrolle zu bekommen, damit ich ihn endlich nähen konnte. Clay darauf anzusprechen, fiel mir aber nicht leicht, denn ich wollte ihn auf keinen Fall nochmal verärgern. Ich hatte ja schon erlebt, wie extrem aufbrausend und unbeherrscht mein Patient reagieren konnte, wenn ihm etwas nicht gefiel.
„Ich habe da vorher noch eine kleine Bitte", rückte ich zögernd mit der Sprache heraus, „Hättest du etwas dagegen, wenn ich ein paar Fotos mache?" Clay fixierte mich irritiert. „Von mir?" fragte er perplex. Ich lachte kurz. „Von deinen Wunden", lächelte ich bittend. „Warum?" erkundigte Clay sich, als ihm der Grund im nächsten Moment auch schon sichtbar klar wurde. Spontan richtete er sich auf der Liege auf. „Ich werde keine scheiß Anzeige erstatten!" fuhr er mich verärgert an. Ich ging einen Schritt zurück und hob abermals beschwichtigend die Hände. Ich nickte. „Ja, ich weiß, Clay, das habe ich schon kapiert. Aber falls du es dir später doch noch anders überlegst, dann könnten die Beweisfotos dir ungemein helfen!" Clay taxierte mich noch eine Weile nachdenklich. „Also gut", gab er schließlich leise nach und sank zurück auf die Liege. Ich war erleichtert, lächelte dankbar, holte sofort mein Handy aus meiner Hosentasche und fing damit an, seine Wunden abzulichten. Ich lief um meinen Patienten herum, beugte mich über ihn, knipste seinen muskulösen, verwundeten Körper an allen möglichen Stellen. Ich machte Makroaufnahmen von all seinen sichtbaren Verletzungen. Clay lag derweil ganz ruhig dort und starrte an die Decke. Es war mein Glück, dass diese konzentrierte Ablenkung genügte, um meinen Herzschlag wieder zu beruhigen und das nervöse Zittern meiner Finger zu beenden. Ziemlich schnell war ich fertig mit meiner Foto-Aktion. Weil mir die ganze Zeit klar war, dass ich mich beeilen musste, denn Clay verlor unverändert Blut. Ich steckte das Handy ein und setzte mich wieder dicht neben ihn auf den Hocker. Ich lächelte beruhigend und zog mir dünne Gummihandschuhe über. „Nur keine Angst, Clay", flüsterte ich fast, als ich seine rührend ängstlichen Augen bemerkte. Nicht nur sein furchtsamer Blick hatte etwas von einem kleinen, hilflosen Kind, was mich stark bewegte.
Dann machte ich mich endlich daran, seinen böse zerschnittenen Oberarm wieder zusammenzunähen. Die Wunde war etwa zehn Zentimeter lang und sehr tief. Die Wundränder waren ganz glatt, was die Schärfe des Messers dokumentierte. Vorsichtig säuberte ich die Verletzung und desinfizierte sie dann. Das Desinfizieren tat Clay sichtbar weh, aber er war sehr tapfer. „Sieh mal, die Wundränder sind ganz glatt", wollte ich ihn ablenken, während ich mir die Wunde nochmal genau ansah, „Das muss ein sehr scharfes Messer gewesen sein." „Es war ein Bowie-Messer", rutschte Clay heraus. Ich sah auf und musterte ihn lächelnd. „Daran erinnerst du dich also?" fragte ich amüsiert, weil er ja vorher behauptet hatte, sich an Nichts erinnern zu können. Clay drehte seinen Kopf weg und starrte an die Decke. „Ja, daran erinnere ich mich", erwiderte er abweisend. Offensichtlich wollte er nicht mit mir über diesen Vorfall reden. Also ließ ich es gut sein. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, wie jemand Clay mit dieser gefährlichen Waffe verletzt hatte. Das betrübte mich inzwischen viel mehr, als ich mir selbst eingestehen wollte. Irgendetwas war mit mir geschehen. Mein Mitgefühl für diesen Patienten hatte sich unbemerkt in einer Art verstärkt, die ich mir nicht erklären konnte. Und mein Interesse an ihm als Person stand inzwischen zweifellos in keiner Relation mehr zu meiner Funktion als Arzt. Das war so schnell passiert, dass ich es selbst gar nicht richtig registriert hatte. Meine Gefühle machten mich ein bisschen nervös, weil sie schlicht unangebracht waren.
Also versuchte ich, mich mit dem Nähen abzulenken, was auch ganz gut funktionierte. Ich hatte schon zahllose Wunden jeglicher Ursachen, Formen und Größen zusammengenäht. Diese fingerfertige Arbeit war mir höchst vertraut. Konzentriert machte ich mich mit Nadel und Faden ans Werk. Ich nähte ihn mit engen, gleichmäßigen Stichen. Obwohl ich auf meine Arbeit fokussiert war, entging mir nicht, dass mein Patient sich zunehmend auf der Liege verkrampfte. Es war nicht zu übersehen, dass das Nähen ihm große Schmerzen bereitete. Das wunderte mich nicht, weil es unvermeidbar war. Schließlich stöhnte Clay gequält auf. Abrupt stoppte ich meine Tätigkeit und schaute zu ihm auf. „Ist alles in Ordnung, Clay? Hast du Schmerzen? Möchtest du doch eine Betäubung?" erkundigte ich mich besorgt. Clay schaute intensiv in meine Augen und lächelte atemlos. „Es geht mir gut, Siamak", versicherte er mir mit zufrieden leuchtendem Blick. Zum ersten Mal hatte er meinen Namen ausgesprochen. Seine angenehme Stimme klang dabei fast zärtlich, enorm liebevoll, und ich konnte mir nicht erklären, warum mich das so tief berührte. Ich konnte mir nicht erklären, warum Clay Banton auf einmal so glücklich aussah. Das irritierte mich enorm.
Hastig fixierte ich mich zurück auf meine wichtige Arbeit. „Ich bin gleich fertig", teilte ich Clay beruhigend mit und beeilte mich, das Nähen der Wunde zu beenden, ohne es dabei jedoch an Sorgfalt mangeln zu lassen. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich nach kurzer Zeit, wie Clay seine freie Hand in Richtung seines Schritts bewegte, und ich folgte dieser Handbewegung automatisch mit den Augen, ohne mir irgendetwas dabei zu denken. Im nächsten Moment wurde ich schlagartig damit konfrontiert, dass mein männlicher Patient allein durch meine Nähkünste eine Erektion bekommen hatte. Oder es war wohl eher der Schmerz des Nähens gewesen, der ihn sichtbar sexuell erregt hatte. Das traf mich erneut unvorbereitet, denn es war eine absolute Premiere für mich. Noch niemals hatte in meiner Gegenwart ein Schwerverletzter auf diese Weise auf Schmerz reagiert. Diese körperliche Reaktion war wohl die mit Abstand allerletzte, die ich jemals in diesem Zusammenhang erwartet hätte. Ich war vollkommen erledigt, total verblüfft, einfach nur komplett ratlos. Zum ersten Mal, seit Beginn meiner Ärztelaufbahn, hatte ich keinen blassen Schimmer, wie ich auf diese Situation reagieren sollte.
Hilflos schaute ich ihn an. „Man kann sehen, wie gut es dir geht, was, Clay?" bemerkte ich irritiert. Clay lächelte atemlos. „Ja... ich weiß auch nicht... das hat mich gerade total aufgegeilt", gestand er mir geradeheraus. Mein erstaunlicher Patient ging mit seiner eigenen sexuellen Erregung dermaßen unbefangen um, dass irgendwelche unangenehmen Peinlichkeiten gar keine Chance hatten, sich zwischen uns zu drängen. Darüber war ich insgeheim total erleichtert. Nur wenig verlegen, fing Herr Banton an zu lachen. „Also weißt du, so eine Reaktion auf meine Nähkünste habe ich tatsächlich noch nie bei einem Patienten erlebt!" eröffnete ich ihm grinsend. Und dann stimmte ich auch schon in sein Lachen ein, weil ich gar nicht anders konnte. Einen Moment lang schien Banton mir seltsam vertraut zu sein. Durch das gemeinsame Lachen bekam unsere erste Begegnung eine tiefere Verständigung. Und ich war wirklich irritiert darüber, wie gut mir das auf Anhieb gefiel.
Als Clay jedoch unvermittelt seine Hand nach mir ausstreckte, um mein Gesicht anzufassen, wich ich erschrocken vor ihm zurück. In diesem Moment riss plötzlich jemand die Tür auf. „Null Komma Acht Promille!" schrie Eliza in den Raum. Ich war sehr viel froher über diese Störung, als ich mir selbst eingestehen wollte. Schließlich war ich doch nur ein Arzt, der seinen Patienten behandelte. Eliza kam dicht neben die Liege gestürmt. „Du hast Null Komma Acht Promille, Clay!" betonte sie. Dieser Blutalkoholkonzentrationswert wunderte mich überhaupt nicht, denn ich hatte dergleichen längst vermutet. Eliza fixierte ihren Exfreund vorwurfsvoll. „Und was bedeutet das?" wollte er hörbar uninteressiert von ihr wissen. Sie blies spöttisch die Luft aus. „Das bedeutet, Clay, das du ganz schön betrunken bist!" „Aber das wussten wir doch schon vorher", bemerkte er kopfschüttelnd. Ich stand auf und drehte mich von Clay weg, um Eliza anzusehen. Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. Diese plötzliche, komplett unerwartete Nähe, die gerade zwischen Clay und mir entstanden war, machte mir ein wenig zu schaffen. Sie beunruhigte mich, denn sie war zweifellos nicht angebracht.
„Habe ich etwas verpasst?" fragte Eliza lauernd und schaute misstrauisch von Clay zu mir. Es verblüffte mich, wie gut sie ihren Exfreund tatsächlich kannte. Eliza Laser spürte wahrhaftig instinktiv, dass zwischen Clay und mir etwas vorgefallen war. „Was ist passiert, Siamak?" wandte sie sich neugierig an mich. Ich warf Clay einen kurzen Blick zu. „Ich habe Clays Arm genäht. Die Wunde ist sehr tief, das Nähen war dringend notwendig", erzählte ich ihr und wandte mich entschlossen an meinen Patienten. „Du kannst froh sein, dass Eliza dich hierher gebracht hat, Clay. Im schlimmsten Fall hätte sich die Wunde entzündet und du hättest deinen Arm verlieren können", informierte ich ihn ernst. „Ja, darüber bin ich sehr froh", nickte Clay zustimmend. Aber es hörte sich nicht so an, als hätte er den Ernst der Lage, in der er sich zweifellos befand, auch nur annähernd verstanden. „Siehst du, Clay! Das habe ich dir doch auch immer wieder gesagt! Aber du wolltest ja stur nicht hierherkommen, dumm wie du bist!" bemerkte Eliza spöttisch. Clay fuhr verärgert zu ihr herum. „Ich bin nicht dumm!" beschwerte er sich halbherzig. Sie lächelte überheblich und schlug ihn leicht gegen die Brust. „Besonders intelligent bist du aber auch nicht!" kicherte sie neckend, was ich ziemlich gemein von ihr fand.
Ein bisschen hilflos beobachtete ich die beiden Exgeliebten und wusste nicht recht, was ich jetzt tun sollte. Das irritierte mich, weil es mir bisher eigentlich noch nie passiert war, dass ich bei der Behandlung eines Patienten den Faden verlor. „Clay, verdammt!" schrie Eliza plötzlich auf. Sie beugte sich in einer unerwartet schnellen Bewegung zur Seite und grapschte mit ihrer Hand nach dem auf dem Rücken liegenden Clay. Offenbar griff sie geradewegs in seinen Intimbereich, was ich zuerst gar nicht einordnen konnte. Sie drückte wohl seine Geschlechtsorgane durch die Jeans hindurch brutal zusammen, denn Clay schrie vor Schmerz und richtete sich hastig auf. „Hör auf!" schrie er verzweifelt und zog schützend die Beine heran. Aber sie grinste nur böse und hielt ihn hart gepackt, womit sie ihm sichtbar wehtat. „Hast du das jetzt etwa extra gemacht, nur weil du deine blöde Jeans nicht ausziehen willst?" fragte Eliza ihn hämisch. „Schwachsinn!" presste er mühsam hervor. „Lass mich los, Eliza!" forderte er sie drohend auf.
Ich konnte Elizas unmögliches Verhalten weder fassen noch tolerieren. Offenbar regte sie sich über Clays Erektion auf, was weit unter ihrer Würde war. „Was ist denn jetzt kaputt?" meldete ich mich und lief eilig um die Liege herum. Ich stellte mich neben Eliza und betrachtete sie irritiert. „Was soll das bedeuten, Eliza? Was machst du denn da?" wollte ich entgeistert von ihr wissen. Die Krankenschwester grinste spöttisch und sah mich an, ohne Clay loszulassen. „Herr Banton wollte die ganze Zeit seine Jeans nicht ausziehen, und nur, weil er Angst vor einem Ständer hatte!" erzählte sie mir freimütig. Sichtbar entsetzt schnappte Clay nach Luft. „Eliza, verdammt! Das habe ich dir im Vertrauen gesagt!" beschwerte er sich peinlich berührt, was mich tief rührte. Offensichtlich behandelte Eliza Laser ihren Exfreund ohne jeglichen Respekt. Als wäre das völlig legitim, schlicht die normalste Sache der Welt, und Clay schien ihr relativ hilflos ausgeliefert zu sein. Ich weiß nicht, warum mich diese seltsame, einseitige Rollenverteilung so stark traf. Jedenfalls empfand ich die spöttische Arroganz und leichtfertige Brutalität der examinierten Krankenschwester als unerträglich. „Und kaum bin ich ein paar Minuten nicht hier, da hat er auch schon eine dicke Erektion in seiner Hose! Das hat der doch extra gemacht!" meinte die Frau unbeeindruckt. Erneut presste sie seinen Penis zusammen, sodass er vor Schmerz aufschrie. Er versuchte hastig, ihre Hand von seiner Jeans zu lösen, aber sie griff nur noch fester zu und knurrte böse. Also brach er den Versuch ab und guckte stattdessen hilfesuchend mich an.
Dringend wollte ich Clay beistehen. Ich wollte ihn wahrhaftig vor seiner gewalttätigen Exfreundin beschützen. Kurzentschlossen packte ich Eliza am Arm und schob sie energisch von Clay weg. „Jetzt lass ihn schon los, um Himmels Willen! So dumm kannst du doch gar nicht sein, Eliza!" beschwor ich sie anklagend. Frau Laser ließ meinen Schmerz leidenden Patienten endlich los, und er sank erleichtert, erschöpft zurück auf die Liege. „Du solltest wirklich wissen, dass ein Mann diese Körperfunktion nur selten unter Kontrolle haben kann!" betonte ich zu Eliza gewandt. „Du kennst Clay Banton nicht! Der bringt alles fertig! Und besonders mit seinem Penis weiß er genau umzugehen!" erwiderte sie trotzig. Kopfschüttelnd taxierte ich meine Arbeitskollegin, denn ich konnte ihre Unvernunft schlicht nicht fassen. „Also echt, Eliza! Du als gute Krankenschwester musst doch wissen, dass du den absoluten Unsinn von dir gibst!" schimpfte ich mit ihr. Daraufhin warf sie Clay einen bitterbösen Blick zu, als wäre meine Strafpredigt seine Schuld. „Und ich werde auf gar keinen Fall dulden, dass du meinem Patienten wehtust! Ganz egal, aus welchem Grund auch immer!" setzte ich ernsthaft hinzu.
Daraufhin war es eine lange Zeit still in Untersuchungszimmer drei. Eliza taxierte ihren Exfreund wütend. Ich wandte mich von ihr weg und ging erneut um die Liege herum zu der Ablage. Ich ordnete ärgerlich die Sachen, die darauf standen, um mich zu beruhigen. Dann schaute ich Clay an. „Ich werde dir jetzt noch einen Verband anlegen. Du musst aber auf jeden Fall ein bisschen vorsichtig sein, Clay. Pass mit den Fäden auf, dass du sie nicht aus Versehen herausreißt", riet ich ihm und umwickelte seinen linken Oberarm flink mit einem weißen Verband. Zum Glück habe ich die Blutung stoppen können, dachte ich erleichtert. Clay lächelte und nickte. „Ja, ich bin ganz vorsichtig", murmelte er sichtbar zufrieden. Offenbar gefiel es ihm, dass ich ihn gegen Eliza verteidigt hatte, denn er guckte mich dankbar an. Irgendwas an seinem Blick war so rührend, dass ich bewegt schlucken musste.
„Ich wollte ja nur, dass er endlich seine blöde Jeans auszieht!" meldete Eliza sich unverkennbar beleidigt. Clay und ich schauten sie fragend an. „Clay sollte sich doch nur wieder einkriegen! Und das habe ich ja offensichtlich auch geschafft!" erklärte Eliza uns und deutete tatsächlich triumphierend auf Clays Unterleib. Damit wollte die Frau wahrhaftig klarstellen, dass mein Patient keine Erektion mehr hatte. Frau Laser fühlte sich als Siegerin, was ich unter aller Sau fand, weil es schlicht kein akzeptables Verhalten war, schon gar nicht für eine Krankenschwester. Clay zuckte irritiert zusammen. Elizas indiskreter Hinweis war ihm sichtbar peinlich, was ich nur allzu gut verstehen konnte. Verärgert zog ich die Augenbrauen zusammen und betrachtete Eliza missbilligend. „Wie du dich ausdrückst, Eliza. Was soll das heißen: Clay sollte sich wieder einkriegen? Was genau meinst du denn damit?" fragte ich sie anklagend. Eliza kam ein bisschen ins Stottern. „Ich meine, das Clay absolut keinen Grund hat, hier... eine Erektion vor sich herzutragen... Das ist jetzt echt nicht angebracht!" erklärte sie zögerlich. Mein offenes Missfallen verunsicherte sie zu recht. Scharf zog ich die Luft ein und schüttelte den Kopf. „Weißt du, ich habe den Eindruck, dass du dich hier in Dinge einmischst, die dich überhaupt nichts angehen, Eliza! Du hast so gar keinen Respekt vor Clays Intimsphäre!" stellte ich vorwurfsvoll fest und musterte sie unzufrieden. „Das ist nicht in Ordnung, Eliza! So geht man nicht mit Patienten um!" warf ich ihr ernst vor. Sie zuckte mit den Schultern. „Herrgott, Siamak! Jetzt reg dich bloß nicht auf! Wir reden hier über Clay Banton, das ist doch ganz was anderes!" erwiderte sie widerspenstig. „Warum ist das was anderes?" wollte ich verständnislos wissen. Die aufmüpfige Krankenschwester grinste und schlug ihren Exfreund gegen die Brust. „Weil ich Clay schon ewig kenne!" behauptete sie, als wäre das ihr Verdienst und würde alles erklären. Sie schlug ihn ein weiteres mal, und er hob verärgert die Hände, um ihren nächsten Schlag abzuwehren. „Und deshalb musst du ihn nicht respektieren? Weil du ihn schon ewig kennst?" bemerkte ich zweifelnd. Eliza stöhnte ungeduldig. „Natürlich respektiere ich ihn! Clay weiß schon, wie ich das meine! Es geht doch jetzt auch nur darum, dass er endlich seine Jeans auszieht! Du willst doch wohl seinen Oberschenkel auch noch zusammennähen, oder etwa nicht, Siamak?" Herausfordernd blickte sie mich an. Ich nickte. „Ja, selbstverständlich nähe ich Clays Wunde an seinem Oberschenkel zusammen. Da führt gar kein Weg dran vorbei. Aber ich kann seine Jeanshose auch aufschneiden, wenn er sie nicht ausziehen möchte", schlug ich entgegenkommend vor und schaute Clay fragend an. Es wurde jetzt tatsächlich Zeit, dass ich mich um seine zweite Schnittwunde kümmerte, von der ich annahm, dass sie bestimmt nicht harmloser war, als die an seinem Arm.
Der Schwerverletzte stöhnte genervt und richtete sich auf seiner Liege auf. Er langte hinunter und knöpfte sich mit unsicheren Fingern die Jeans auf. „Beruhigt euch, Leute! Ich ziehe mich ja schon aus! Seid ihr jetzt zufrieden?" knurrte er verärgert und blickte von Eliza zu mir, während er seinen Hintern hob und die Jeans herunterzog. Der Stoff blieb unerwartet an seinem blutigen Oberschenkel kleben, und er ächzte schmerzerfüllt auf. „Warte, warte, Clay! Sei vorsichtig!" rief ich erschrocken, eilte um die Liege herum und gesellte mich zu Eliza, die Clay misstrauisch beäugte. Ich löste den Baumwollstoff der Jeans ganz behutsam vom getrockneten Blut auf seiner Haut, aber ich konnte trotzdem nicht verhindern, ihm dabei wehzutun. Sobald ich die Hose von seinem Bein getrennt hatte, zog Clay sie ganz herunter und zog sie aus. Er ließ sie einfach am hinteren Ende der Liege auf den Boden fallen. Ich holte derweil die Ablage und den fahrbaren Hocker. Dann ging ich zurück und setzte mich dicht neben seinen rechten Oberschenkel. Aufmerksam untersuchte ich Clays zweite schwere Verletzung. Dieser Schnitt war vielleicht zwanzig Zentimeter lang und ziemlich tief. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie leicht das scharfe Messer in Clay Bantons Fleisch geglitten sein musste. Der arme Kerl muss entsetzliche Schmerzen erlitten haben, dachte ich mitfühlend.
„Gibst du mir noch eine Schmerztablette?" fragte Clay mich in diesem Moment, als hätte er meine Gedanken gehört. Ich schaute auf und ihn prüfend an. „Nein, Clay, du bist betrunken! Du darfst nicht auch noch Tabletten nehmen!" fuhr Eliza ungefragt und aufgebracht dazwischen. Diese erneute, völlig respektlose Einmischung der jungen Krankenschwester konnte ich kaum noch ertragen. Elizas Verhalten war einfach vollkommen unakzeptabel. Kurz schloss ich die Augen, um nicht aufbrausend zu reagieren, und atmete einmal tief durch. Dann drehte ich mich mitsamt dem Hocker langsam zu Eliza hin. „Hör mal, Eliza. Ich möchte, dass du hinausgehst", teilte ich ihr ganz ruhig mit. Sie zuckte förmlich zusammen und starrte mich entgeistert an. „Was? Wieso denn?" fuhr es ungläubig aus ihr heraus. Ihr kurzer Blick auf Clay war nahezu vernichtend. Abermals gab sie ihm die Schuld an meiner Entscheidung, was völlig aus der Luft gegriffen und absolut unfair war. Noch einmal atmete ich tief durch. „Ich mag es nicht besonders, wenn man mir in meine Arbeit hineinredet, Eliza. Und außerdem brauche ich dich hierbei nicht. Gehe bitte hinaus. Wenn ich fertig bin, dann werde ich dich wieder hereinholen", ordnete ich gefasst an. Die Frau starrte mich noch einen Moment fassungslos an, dann drehte sie sich merkbar wütend herum und ging mit schnellen Schritten zur Tür. „Ach ja, und du kannst auch die beiden Pfleger da draußen wegschicken! Ich glaube, die werden hier ebenfalls nicht mehr benötigt. Sie sollen zurück auf ihre Stationen gehen!" rief ich ihr hinterher. „Ganz wie du willst, Herr Doktor!" knurrte Eliza verärgert, verließ das Zimmer und knallte die Tür viel zu laut hinter sich zu. Frau Laser führte sich auf, wie ein trotziges Kleinkind. Sie muss dringend an ihrer Professionalität arbeiten, dachte ich kopfschüttelnd. Dermaßen unbeherrscht und herablassend hatte ich meine Arbeitskollegin noch nie erlebt.
Mein Patient war über das Verschwinden seiner Exfreundin mindestens so erleichtert wie ich. Clay verschlang mich vor Dankbarkeit förmlich mit seinem Blick. Ich schaute ihn kurz an und lächelte, weil ich seine Erleichterung verstand. Dann stand ich auf, ging zum Schrank, holte noch eine Tablette und einen neuen Becher Wasser und brachte ihm beides an die Liege. Clay stützte sich auf seinen Ellenbogen und schluckte die Tablette gierig mit dem Wasser hinunter. Ich nahm ihm den leeren Becher ab und brachte ihn zum Papierkorb, wo ich ihn hineinwarf. Dann ging ich zurück, setzte mich wieder dicht neben sein Bein und wandte mich interessiert seiner Schnittwunde zu. Clay sank zurück und legte sich so bequem zurecht, wie es auf der harten Liegefläche möglich war. Nachdenklich betrachtete er mich, während ich den schwarzen Faden in die dünne, lange Nadel fädelte. Fragend schaute ich zu ihm.
„Warum hast du sie weggeschickt?" fragte Clay mich ohne Umschweife. Ich lächelte amüsiert, weil er diese Tatsache offensichtlich nicht einordnen konnte. Dass ich Eliza des Raumes verwiesen hatte, verwirrte Clay sichtbar immens, und das war irgendwie süß. „Weil sie mich gestört hat", sagte ich sanft. „Warum hat sie dich gestört?" wollte er wissen und änderte nervös seine Liegeposition. „Weil sie dir gegenüber respektlos ist", lächelte ich und beobachtete ihn aufmerksam. Seine irritierte Reaktion rührte mich auf eine Art, die ich nicht kannte. Ein höchst angenehmes, warmes Gefühl überschwemmte mich, und ich hatte echt keine Ahnung, wo es herkam. „Sie ist fast immer so zu mir", verriet Clay mir leise. Erstaunt hob ich die Augenbrauen. „Warum lässt du dir das gefallen?" wollte ich ehrlich interessiert wissen. Clay schien verwirrt zu sein, als er über meine Frage nachdachte. Schließlich hob er hilflos die Schultern. „Ich weiß nicht. Ich komme nicht gegen sie an", gab er ratlos zu. Das warme Gefühl in meinem Bauch verstärkte sich, weil ich es noch nie erlebt hatte, dass ein junger Mann mir gegenüber eine derartige Schwäche eingestanden hätte. „Ich glaube, du unterschätzt dich ganz gewaltig, Clay", versuchte ich gerührt, sein offenbar mangelndes Selbstbewusstsein zu stärken.
Im Laufe dieser unerwarteten Konsultation konnte ich nicht verhindern, meinen einmaligen Patienten mit anderen Augen anzusehen. Meine erste Begegnung mit Clay Banton im Behandlungsraum drei der Notaufnahme des Christopherus-Krankenhauses verlief in einer Weise, wie ich sie vorher noch nie mit einem mir anvertrauten Menschen erlebt hatte. Auch hätte ich diese Entwicklung niemals erwartet. Weil sich mit der Zeit nämlich scheinbar ganz von selbst eine eindeutig emotionale, sehr persönliche Verbindung zwischen uns aufbaute. Einerseits ging mir das viel zu weit, sodass ich tief drinnen schockiert darüber war. Aber andererseits genoss ich diese erfrischende und unvorhersehbare Begegnung irritierend intensiv. Clay hörte die ganze Zeit nicht damit auf, pausenlos mit mir zu flirten. Er nutzte einfach jede Gelegenheit, um sich mir mit Blicken zu nähern oder zu versuchen, mich anzufassen. Er tat das jedoch auf eine solcherart subtile Weise, dass ich gar nicht anders konnte, als seine schüchternen Annäherungsversuche amüsant und liebenswert zu finden. Ich war selbst am meisten erstaunt darüber, dass mich sein eigentlich ziemlich unangebrachtes Verhalten überhaupt nicht nervte. Aber der junge Mann hatte zweifellos irgendetwas an sich, das zuverlässig dafür sorgte, dass man ihm nicht böse sein konnte. Dabei war es ganz egal, was auch immer er tat.
Clay Banton lag unverändert vor mir auf der Liege. Ich wollte mich um seine zweite Schnittwunde an seinem Oberschenkel kümmern. Als mir einfiel, wie eigenartig körperlich er auf das Nähen seines Oberarms reagiert hatte, zögerte ich einen Moment. Diese neuartige Sache interessierte mich als Arzt, und ich beschloss spontan, ihr so behutsam wie möglich auf den Grund zu gehen. „Weißt du, warum ich sie noch weggeschickt habe?" fragte ich Clay ganz ruhig und studierte ihn aufmerksam. Er schüttelte ganz durcheinander den Kopf. „Weil ich jetzt deinen Oberschenkel zusammennähe. Und sie braucht das ja nicht mitzukriegen, wenn dir dabei einer abgeht", wagte ich mich ziemlich dreist vor und ließ meinen Patienten dabei nicht aus den Augen. Mein Herz klopfte härter, weil ich diese Unterhaltung enorm spannend fand. Es ging hier um persönliche Dinge, die mich zweifellos nichts angehen. Und doch konnte ich in dieser sicher einmaligen Situation nicht widerstehen, meinen ärztlichen Horizont zu erweitern. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es mir einen gemein großen Spaß machte, mitzuerleben, wie Clay Banton beinahe die Fassung verlor. Seine hilflose Reaktion war einfach zu süß mit anzusehen. Er starrte mich perplex an und schnappte überwältigt nach Luft. „Was?" fuhr es verwirrt aus ihm heraus. Ich lächelte gutmütig. „Nach deiner Reaktion auf das Nähen deines Oberarms muss ich ja davon ausgehen, dass du nun ähnlich reagieren wirst. Oder, Clay? Was meinst du?" forderte ich ihn heraus und fixierte ihn ausgeprägt. Er hatte echte Mühe mit seiner Antwort. „Nein... ähm... mir wird bestimmt keiner abgehen", stotterte er überfordert. „Warum nicht?" wollte ich sofort wissen. Verlegen brach Clay den Blickkontakt zu mir ab und starrte stattdessen verwirrt an die Decke. „Das... Stechen allein... wird nicht ausreichen... ich meine... ich müsste schon mit der Hand nachhelfen...", flüsterte er peinlich berührt und schloss ergeben die Augen.
Schmunzelnd betrachtete ich meinen schwierigen Patienten, der in diesem Moment so bewundernswert ehrlich zu mir war, wie man es nur zu einem anderen Menschen sein konnte, obwohl er mich doch gar nicht kannte. Dies war unsere erste Begegnung, und Clay verriet mir wahrhaftig seine intimsten Geheimnisse. Davon war ich so gerührt, dass ich für einen Moment die Augen schließen musste. Das warme Gefühl in meinem Bauch verfestigte sich, verwandelte sich in eine Zuneigung, die jenseits aller Normalität angesiedelt zu sein schien. Das war mir entschieden zu viel, denn ich konnte meine eigene Neugier auf diesen Menschen kaum noch verstehen.
Eine Weile war es still, während ich mit meinen Gefühlen kämpfte und Clay reglos mit geschlossenen Augen auf der Liege lag. Als er schließlich zögernd die Augen öffnete und schüchtern zu mir hinsah, lächelte ich ihn freundlich an. „Möchtest du das tun?" konnte ich mich einfach nicht bremsen. Es faszinierte mich enorm, wie leicht ich ihn in Verlegenheit bringen konnte und wie hilflos er darauf reagierte. Ich konnte mir nicht erklären, warum mich seine Sexualität dermaßen interessierte. Ich hatte das spannende Gefühl, einen extrem seltenen Menschen vor mir liegen zu haben, dessen vielschichtiges Innenleben ich als Arzt unbedingt erforschen wollte. „Was denn?" erwiderte Clay konfus. „Möchtest du dir gerne einen runterholen, während ich dein Bein nähe?" fragte ich ihn mit gebührlichem Ernst. Er riss die Augen auf und starrte mich völlig entgeistert an. Schon wieder musste ich mir ein Lachen verkneifen. Herr Banton amüsierte mich enorm. Seine Reaktionen waren einfach zu putzig. Ich gewann den starken Eindruck, dass Clay mein dreister Vorschlag sehr wohl gefiel. Die Vorstellung, sich sexuell zu befriedigen, während ich ihm durch das Nähen Schmerz zufügen würde, schien ihn wahrhaftig zu erregen. Aber irgendwas alarmierte ihn plötzlich. Höchstwahrscheinlich gelang es mir doch nicht ganz, meine zweifellos unangebrachte Neugier vollständig in ärztlicher Seriosität zu verstecken. Clay fühlte sich offenbar von mir angegriffen, etwas ängstigte ihn auf einmal, denn er schüttelte überstürzt den Kopf. „Nein, das mache ich jetzt nicht! Ich hole mir jetzt hier keinen runter!" betonte er abwehrend. Ich lächelte freundlich und hob erneut beschwichtigend die behandschuhten Hände. „Ganz wie du willst, Clay. Das war ja nur eine Frage von mir", beruhigte ich ihn. Clay schaute mich unglücklich an.
Ich wandte mich wieder seinem Bein zu. „Denk bitte daran, dass du eine örtliche Betäubung bekommen kannst. Das wird jetzt sehr wehtun", erinnerte ich ihn, ohne ihn dabei anzusehen. Ich wollte ihm Zeit geben, meine höchst intimen Fragen zu verdauen. Außerdem musste ich mich dringend um die Schnittwunde an seinem Schenkel kümmern, die doppelt so lang und um einiges tiefer war, als die an seinem Arm. Ich säuberte und desinfizierte die schwere Verletzung. Auch diesmal schrie Clay vor Schmerz unwillkürlich auf. Konzentriert fing ich damit an, den Verwundeten ein zweites Mal zu vernähen. Meine Finger arbeiteten schnell und routiniert, stachen in engen, gleichmäßigen Stichen die Nadel durch sein Fleisch und zogen den Faden fest. Mir war vollkommen bewusst, welch großen Schmerz ich meinem Patienten damit zufügte. Er lag angespannt auf dem Rücken, fixierte die Zimmerdecke und biss die Zähne zusammen. Clay war unglaublich tapfer, das beeindruckte mich unverändert. Auch diesmal erregte ihn der Schmerz, denn in seiner Unterhose breitete sich langsam eine neue Erektion aus. Allerdings schien er trotz allem sehr unter der starken Schmerzempfindung zu leiden, was mir zunehmend naheging. Ich wollte ihn schließlich nicht unnötig quälen.
„Darf ich dich mal etwas sehr Persönliches fragen, Clay?" tastete ich mich sanft vor. Clay sah mich an. In seinem Gesicht stand eine seltsame Mischung aus sexueller Erregung und hilflosem Entsetzen. „Na klar", erwiderte er gepresst. „Bist du ein Masochist?" fragte ich ihn frei heraus. Seine Augen weiteten sich schockiert. „Nein!" wehrte er sofort entsetzt ab. Ich lächelte amüsiert und betrachtete ihn gutmütig. Es war rührend, wie verwirrt er über seine eigene körperliche Reaktion zu sein schien. „Ich weiß nicht... kann sein...", berichtigte er seine Antwort nach einer Weile schüchtern. Ich nickte bedächtig und wandte mich wieder meiner Arbeit zu. Clay beobachtete mich und zuckte bei jedem Stich zusammen. Eine Gänsehaut breitete sich über seinem Körper aus, er stöhnte leise. Es war nicht zu übersehen, dass der Schmerz ihn auch diesmal sexuell erregte. Allerdings war die Verletzung an seinem Bein um einiges größer als die am Arm, und dementsprechend tiefer musste ich ihn stechen und länger brauchte ich auch für das Nähen. Es war vollkommen normal und gleichzeitig unvermeidbar, dass seine Nervenenden mit der Zeit sensibel auf die ständige Reizung reagierten und sein Schmerz sich intensivierte. Clay Banton litt sichtbar zunehmend unter meiner Behandlung, und das tat mir leid. Es war mir ein Rätsel, warum er mich nicht einfach um eine örtliche Betäubung bat. Stattdessen legte er seine Hand flach auf seinen steifen Penis in seiner Unterhose, als würde er darüber nachdenken, sich doch noch einen runterzuholen. Seine Reaktion war einleuchtend. Auf diese Weise wollte mein Patient selbst seine Qual lindern. Clay ächzte hilflos, Tränen erschienen in seinen Augen. Das tat mir in der Seele weh und ich konnte es nicht länger tatenlos mit ansehen.
Abrupt stoppte ich meine Behandlung und schaute ihn mitfühlend an. Unsere Blicke trafen sich. Clay riss entsetzt die Augen auf, als hätte ich ihn bei einer streng verbotenen Tat erwischt. „Nein, nein! Ich mache das nicht extra!" fuhr es panisch aus ihm heraus, als müsste er sich vor mir rechtfertigen. Irgendetwas machte ihm plötzlich eine Heidenangst. Besorgt und verwundert zog ich die Augenbrauen zusammen, hob abermals beschwichtigend meine Hände und schüttelte den Kopf. „Natürlich machst du das nicht extra, Clay! Das habe ich auch nicht eine Sekunde lang geglaubt!" beruhigte ich ihn mit sanfter Stimme. Er atmete hastig und wischte sich mit der linken Hand über die nassen Augen. Seine rechte Hand lag immer noch reglos auf seinem Unterleib. Ich betrachtete ihn eingehend. In seiner erregten Hilflosigkeit hatte er etwas von einem scheuen Reh und ich wollte ihn am liebsten tröstend in den Arm nehmen. „Und auch Eliza sollte wirklich wissen, dass du das nicht extra machen kannst!" bemerkte ich leise. „Es passiert einfach!" versicherte er mir unglücklich, atmete tief durch und zwang sich, mit dem Weinen aufzuhören. Ich nickte zustimmend und lächelte verständig.
Einen Moment lang schauten wir uns sehr intensiv an. Irritiert fiel mir auf, wie einzigartig die braunen Sprenkel in seinen grünen Augen wirkten. Er sollte wirklich nicht noch länger leiden, dachte ich voller Mitgefühl. Tief holte ich Luft und bat ihn ganz ruhig: „Weißt du, Clay, du musst das hier nicht heldenhaft aushalten! Wenn der Schmerz zu stark wird, dann lass mich dich doch örtlich betäuben!" Aber Clay schüttelte spontan den Kopf. „Ich möchte das aber aushalten", krächzte er irgendwie überfordert. Nochmal hob ich erstaunt die Augenbrauen. „Aber warum denn?" wollte ich behutsam wissen. Er schluckte ein paarmal, weil ich mich schon wieder ganz schön tief in sein Innenleben vorwagte, was mir zweifellos gar nicht zustand. Keine Ahnung, warum ich diesen seltsamen Mann unbedingt verstehen wollte. „Ich möchte mich lebendig fühlen", erklärte er mir ganz still, was mich unglaublich rührte. Schon wieder war er bemerkenswert ehrlich zu mir, einem völlig Fremden. Ich nickte kaum merklich, lächelte und schaute ihn eine lange Zeit gutmütig an. Clay erwiderte mein Lächeln und drückte verstohlen seinen Penis, um in all seinem Schmerz etwas Angenehmes zu fühlen, was unglaublich liebenswert war. Ich schaute ihm eine Weile bei der Selbststimulation zu, ohne mir dabei etwas zu denken.
Plötzlich zog Clay seine Hand ein, legte sie neben seinen Körper auf der Liege ab und ballte sie zur Faust. Er zitterte, war extrem aufgewühlt. Gutmütig betrachtete ich ihn und fragte: „Sag mal, Clay, fügst du dir manchmal selber Schmerzen zu, nur um dich lebendig zu fühlen?" Clay zögerte mit seiner Antwort, sie fiel ihm sichtbar nicht leicht. „Das kommt schon mal vor.... selten", flüsterte er schließlich bewundernswert vertrauensvoll und fixierte mich angestrengt. Ich nickte, denn mit dieser Antwort hatte ich gerechnet. Trotzdem machte sie mich unvermittelt traurig. Zwar ist es nicht zwingend der Fall, aber bei Clay Banton vermutete ich sofort, dass hinter seinem selbstzerstörerischen Verhalten sicherlich schwere psychische Probleme steckten. Dieser junge Mann trug alle seine Gefühle so dicht unter seiner Oberfläche, dass er sie kaum verbergen konnte. Sie steckten sichtbar in seinen ausdrucksstarken Augen, was mich mit der Zeit richtig fesselte. Innerlich wirkte er aber sehr traurig und verletzbar. Eindeutig war er ein verbranntes Kind. Das berührte mich emotional viel mehr, als es hätte sein sollen, und ich fragte mich irritiert, warum das wohl so war. Mir war nicht klar, was genau an ausgerechnet diesem Patienten mir ungewollt so tief unter die Haut ging.
„Bin ich verrückt?" schoss es plötzlich panisch aus Clay heraus. Ängstlich sah er mich an. Ich lächelte daraufhin beinahe liebevoll, weil er mich so sehr berührte. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Nein, Clay, ich glaube nicht, dass du verrückt bist", beruhigte ich ihn sanft, „Das ist leider gar nicht so selten, was du mir da erzählst." „Was stimmt nicht mit mir?" wollte er drängend von mir wissen. Seine Angst war beinahe greifbar und stach zu tief in mich hinein. Ich schloss kurz die Augen, seufzte und stand dann langsam auf. „Mit dir ist alles in Ordnung", versicherte ich ihm leise, legte die Nadel mitsamt dem Faden auf die Ablage, drehte mich von ihm weg und ging zu dem Schrank an der Seite des Zimmers, um eine örtliche Betäubungsspritze für Clay vorzubereiten. Auf keinen Fall wollte ich ihm noch länger starke Schmerzen zufügen, das hätte ich einfach nicht ertragen. Mit der Spritze ging ich zu ihm zurück und schaute ihn bittend an. „Ich werde dich jetzt örtlich betäuben,Clay", teilte ich ihm ruhig mit und stoppte seinen Einwand sofort mit einer Handbewegung. „Ich gebe dir nur eine ganz geringe Menge, okay? Du wirst immer noch ganz schön viel spüren, glaub mir. Aber es wird nicht länger so eine grausame Qual für dich sein. Bist du damit einverstanden?" fragte ich, während ich mich zurück auf den Hocker setzte. „Okay, ist gut", stimmte er nach kurzem Zögern zu meiner Erleichterung zu. Vorsichtig setzte ich ihm die Spritze in seinen rechten Oberschenkel.
Gleich drauf fuhr ich mit meiner Näharbeit konzentriert fort. Ich konnte mir denken, wie angenehm mein Tun mit der Betäubung für Clay war. Er spürte den Schmerz nur noch unterschwellig, und das schien ihn wahrhaftig stark zu erregen. Der junge Mann seufzte hingerissen, sein ganzer Körper zog sich wohlig zusammen. Sein steifer Penis in seiner Unterhose zuckte entzückt. Herr Banton hatte kein Problem damit, völlig unbefangen vor mir seine angenehmen Gefühle zu genießen, und ich gönnte sie ihm von Herzen. Amüsiert fixierte ich mich auf meine lebenswichtige Arbeit. Natürlich ignorierte ich seine sichtbare Sexualität, so gut es eben ging. Etwas anderes machte mir inzwischen viel mehr Sorgen. Es war die erschreckende Tatsache, dass Banton die tödliche Droge Heroin konsumierte, und dass er mit der Zeit immer deutlicher auf Entzug kam. Die entsprechenden Symptome häuften und verstärkten sich, je länger sein Aufenthalt bei mir dauerte. In meinem Kopf formte sich ganz von allein die Frage, wie ich diesem einzigartigen Menschen am besten helfen konnte. Ich konnte ihm die Schmerzen aufgrund der Prügelei teilweise nehmen und seine Wunden fachmännisch versorgen. Aber zweifellos war er jemand, der noch sehr viel mehr Hilfe benötigte, und zwar dringend. So liebenswert, freundlich und schüchtern er sich mir auch präsentierte, mir war völlig klar, dass er ein auf viele Arten kranker Mensch war. Die Verletzungen der Prügelei waren in Wahrheit sogar nur sein geringstes Problem. Das tat mir leid und ich wollte ihm unbedingt helfen. Mein Bedürfnis, Clay Banton konkrete Hilfsangebote zu unterbreiten, war sehr viel größer, als ich es je bei einem Patienten erlebt hatte. Aber ich war nun mal kein Psychologe, obwohl mich das umfangreiche Fach Psychologie schon während des Studiums besonders interessiert hatte.
„Hast du schon einmal daran gedacht, dir psychiatrische Hilfe zu holen?" fragte ich ihn während des Nähens betont beiläufig, weil ich ihm keineswegs zu nahe treten oder ihn erschrecken wollte. Trotzdem zuckte er vor Schreck förmlich zusammen. Entsetzt starrte er mich an. Ich hob kurz den Blick und musterte ihn interessiert. „Was erschreckt dich daran so?" wollte ich überrascht wissen. „Ich musste schon als Kind zum Psychiater", erzählte Clay mir abwehrend. Diese Antwort erschreckte mich wiederum, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Das hörte sich gar nicht gut an. Offenbar hatten seine Schwierigkeiten schon in seiner Kindheit angefangen. Das interessierte mich, weil ich mich unwillkürlich fragte, was an dem Kind Clay Banton wohl so auffällig gewesen war, um einen Psychiater hinzuzuziehen. „Warum?" hakte ich erstaunt nach und beobachtete aufmerksam seine Reaktion. Clay reagierte mit hilfloser Passivität, lag reglos dort und starrte verwirrt die Decke an. Es war nicht zu übersehen, dass dieses Thema ihm absolut nicht gefiel.
Ziemlich lange war es ganz still im Behandlungsraum drei, während ich ihn eingehend betrachtete. Es sah nicht so aus, als wollte der arme Kerl mir antworten. „Warum haben deine Eltern dich schon als Kind zum Psychiater geschickt?" wiederholte ich schließlich behutsam. Clay warf mir einen genervten Blick zu, während ich gespannt auf seine Antwort wartete. Einen Moment lang schien er ernsthaft zu überlegen, ob er mit mir über seine frühen Therapieerfahrungen reden wollte. Aber dann entschied er sich plötzlich mit einem nahezu wütend gezischten „Keine Ahnung" kurzerhand dagegen. Seine Augen warnten mich, jetzt bloß nicht weiter nachzufragen. Also tat ich das auch nicht, obwohl seine Verschlossenheit mich enttäuschte. Es stand außer Frage, dass er viel mehr Hilfe brauchte, als ich mit meiner ärztlichen Ausbildung in der Lage war, ihm zu geben. Aber ich wollte ihn nicht noch mehr provozieren. Also wandte ich mich seufzend wieder meiner Arbeit zu und nähte weiter konzentriert seine lange Schnittwunde zusammen.
„So, das war's! Ich bin fertig!" verkündete ich schließlich und betrachtete mein Werk zufrieden. Dann guckte ich Clay an. „Und du bist schön achtsam mit den Nähten, nicht wahr, Clay! Du passt gut auf, dass du sie nicht aus Versehen herausreißt!" mahnte ich ihn. Er nickte. „Ja, ich passe auf!" versprach er mir noch einmal. Ich lächelte beruhigt und schnitt den schwarzen Faden ab. Danach umwickelte ich auch seinen Schenkel mit Verband, zog mir die Handschuhe aus und schob die Ablage zurück an ihren Platz an der Wand. „In circa sechs Wochen kommst du wieder vorbei. Dann können die Fäden gezogen werden", teilte ich Clay dabei mit, ohne ihn anzusehen. Zum Glück habe ich die äußerlichen Blutungen stoppen können, dachte ich erleichtert, jetzt will ich nur noch hoffen, dass er keine inneren Verletzungen hat. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass ich das dringend überprüfen musste. Clay Banton war dermaßen brutal zusammengeschlagen worden, dass es leider sogar wahrscheinlich war, dass er auch innerlich verletzt worden war. Das machte mir große Sorgen, weil es eventuell extrem gefährlich für ihn werden konnte, falls er innere Blutungen hatte.
Als ich meinen Patienten ansah, bemerkte ich, dass er sich auf der Liege aufgerichtet hatte. Clay saß dort und schaute mich unschlüssig an, als wüsste er nicht recht, ob er sich jetzt wieder anziehen sollte. „Nein, warte bitte noch einen Moment, Clay!" bat ich ihn sanft. Er guckte mich so verblüfft an, dass ich am liebsten laut gelacht hätte. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, was jetzt auf ihn zukommen würde, dachte sich aber spontan irgendwas Aufregendes aus, und das fand ich schlicht herzallerliebst. „Was ist denn noch?" brachte er nur mühsam heraus. „Ich möchte mit Ultraschall deine inneren Organe untersuchen, Clay. Ich muss sichergehen, dass du keine ernsthaften inneren Verletzungen hast, ja?" erklärte ich ihm geduldig und war echt amüsiert, weil mein Patient so enttäuscht aussah. Er nickte ergeben. Ich drehte mich herum und holte das fahrbare Ultraschallgerät, welches ich neben die Liege rollte, während ich belustigt vor mich hinlächelte. Clay legte sich zurück auf den Rücken und wartete sichtbar gespannt darauf, was ich nun mit ihm anstellen würde.
Ich setzte mich dicht neben seinem Oberkörper auf den Hocker und studierte interessiert seine nackte Brust. Es war nicht schön, was ich dort sah, obwohl Clay Banton unbestritten einen wohlgeformten, gut durchtrainierten Männerkörper besaß. Aber er war wahrhaftig übersät mit dunklen Blutergüssen, die von wiederholter, stumpfer Gewalteinwirkung zeugten. Seine Brust und sein Bauch, seine Arme und Hände waren beinahe überall oberflächlich mit einem scharfen Messer zerschnitten worden. Hier hatte jemand eindeutig äußerst brutal seine tosende Wut abreagiert. An den Innenseiten seiner Arme entdeckte ich zu meiner Betrübnis einige lange, kaum noch sichtbare, dünne Narbenstraßen, die von unzähligen Einstichen verursacht worden waren. Er ist tatsächlich ein Heroin Junkie, dachte ich deprimiert und war gleichzeitig unendlich froh, dass er wenigstens anscheinend keine frischen Einstiche hatte. Er hatte sich das Heroin offenbar schon seit längerer Zeit nicht mehr injiziert, und das erfreute mich viel mehr, als in meiner Position als sein Arzt angemessen war.
„Was ist denn?" fragte Clay mich beunruhigt. Mein Blick wanderte zu ihm und war voller Mitleid. „Die haben dich wirklich ganz schön zusammengeschlagen!" stellte ich betrübt fest. Irritiert schaute der junge Mann sich seinen nackten Oberkörper an, als würde er ihn zum ersten Mal sehen. Offenbar wurde ihm erst jetzt richtig bewusst, wie schwer verletzt er wirklich war, denn er riss entsetzt die Augen auf, als er seine mannigfachen Verletzungen registrierte. Ich hatte den Eindruck, dass der Anblick seiner Wunden ihn an die Prügelei erinnerte, dessen Opfer er vor Kurzem geworden war, denn er schnappte erschrocken nach Luft und guckte mich panisch an. Schnell sagte ich: „Ganz ruhig, Clay, beruhige dich. Das war sicher schlimm für dich, aber es ist ja jetzt vorbei. Du hast es überstanden." Clay lächelte ein bisschen gequält. „Das war echt zu viel", versuchte er mir zu erklären. Ich nickte verständnisvoll und betrachtete ihn aufmerksam. „Warum willst du diese Verbrecher dann ungeschoren davonkommen lassen?" wollte ich vorsichtig wissen. Er stöhnte gequält auf und richtete seinen Blick panisch zurück an die Decke. Abwehrend schloss er die Augen. „Ich... kann nicht...", stotterte er völlig überfordert. Da ist noch mehr passiert, vermutete ich erschüttert, sie haben ihn nicht nur körperlich verletzt. Bestimmt haben sie ihn entsetzlich gedemütigt und extrem eingeschüchtert, dachte ich traurig. Banton tat mir so leid, dass es mich innerlich zerriss, und das hatte ich bei einem Patienten tatsächlich noch nie erlebt.
Clay traten Tränen in die Augen, sodass er beschämt seinen Kopf von mir wegdrehte. Auch ich kämpfte mit meiner Traurigkeit und musste hart schlucken. Das geht nicht, dachte ich irritiert, du darfst dich doch vom Leid anderer nicht so dermaßen mitnehmen lassen. Das kannst du dir gar nicht erlauben, denn sonst könntest du doch diesen Beruf nicht länger ausüben. Wo ist denn deine ärztliche Professionalität geblieben, verdammt?, schimpfte ich mit mir. Eine Weile war es still, während wir beide Zeit benötigten, um mit den schlimmen Ereignissen und ihren Folgen fertigzuwerden.
Nach einer Weile legte ich meinem Patienten tröstend meine Hand auf die Schulter. Er zuckte zusammen, fuhr instinktiv zu mir herum und riss die Augen auf. Ich lächelte milde und beruhigend. „Es ist schon gut, Clay. Ich kann dich wirklich gut verstehen, glaube mir", flüsterte ich und streichelte sanft seine nackte Schulter. Clay starrte mich irritiert an und atmete tief ein und aus. „Siamak...", krächzte er verwirrt. Er war wirklich überwältigt davon, dass ich ihn anfasste, obwohl es nur eine tröstende, besänftigende Geste von mir war. Interessiert fixierte ich ihn. Sein Arm bewegte sich ganz langsam auf mich zu, weil er mich anfassen wollte. Das konnte ich natürlich nicht zulassen, ließ ihn daher wieder los und wandte mich ab. „Dann wollen wir mal loslegen", kündigte ich unbekümmert an, um die Situation zu entkrampfen. „Das wird jetzt ein bisschen kalt", grinste ich und bestrich Clays nackten Oberkörper routiniert mit Gleitmittel. Dann nahm ich das Ultraschallgerät in die Hand und fuhr fest aber vorsichtig damit über seine Haut. Ich drehte den kleinen Monitor in unsere Richtung und zeigte meinem Patienten darauf das Innere seines Körpers in Schwarzweißbildern, so wie ich es bei Ultraschalluntersuchungen immer mache. Mit dem Gerät hielt ich an den einzelnen Organen an und studierte sie fachmännisch und gewissenhaft. Ich erklärte ihm mit ruhiger Stimme, was es gerade auf dem Bildschirm zu sehen gab. Wir schauten uns seinen Magen an, der völlig leer war, seine Leber, die Milz und die Lunge. Zum Glück konnte ich keine Auffälligkeiten entdecken. Konzentriert fuhr ich mit dem Gerät an seinem muskulösen Körper herunter und zeigte ihm seine anderen Organe. Sehr vorsichtig betastete ich seinen nackten Bauch auf krankhafte Verhärtungen. Dabei ignorierte ich selbstverständlich seine Erektion, schob sie nur mitsamt seiner Unterhose mit dem Gerät zur Seite, um die Innereien seines mit Hämatomen übersäten Unterleibs besser scannen zu können. Während ich mir seine Blase, die Prostata und die Samenleiter anschaute, stöhnte Clay auf, als würde ihn meine Berührung mit dem Handscanner sexuell erregen, was ich höchst erheiternd fand. Ich studierte sein komisches Verhalten mit lächelndem Interesse. Es war amüsant, wie wenig der junge Mann sich im Griff hatte. Wie hingerissen und bedenkenlos er sich auf diese angenehmen Gefühle stürzte und sich ihnen völlig bedingungslos hingab.
Später drehte ich ihn vorsichtig auf die Seite, um seine Nieren überprüfen zu können. Auf der rechten Seite fiel mir ein Schatten auf, der da nicht hingehörte. Ich hielt inne und schaute konzentriert auf den Bildschirm. „Clay, ich sehe hier, dass deine rechte Niere stark geprellt worden ist. Da hast du wohl einen mächtigen Schlag abbekommen. Du müsstest eigentlich große Schmerzen haben", wies ich ihn verwundert auf seine böse Verletzung hin, die deutlich auf dem Monitor zu sehen war. Clay war von seinen starken Gefühlen abgelenkt, schnappte aufgewühlt nach Luft und schaute mich nur hilflos an. „Ich befürchte, dass du wohl sehr wahrscheinlich ein paar Tage Blut pinkeln wirst", teilte ich ihm bedauernd mit, „Wenn das aber nach ein paar Tagen nicht aufhört, dann musst du unbedingt sofort zu mir kommen, damit ich dich nochmal genauer untersuchen kann. Versprichst du mir das?" Clay Banton nickte artig, aber ich hatte nicht den Eindruck, als hätte er mir überhaupt richtig zugehört. Allerdings war ich froh, dass mein Patient trotz dieser brutalen Schlägerei so erstaunlich glimpflich davongekommen war und lächelte erleichtert. „Ansonsten hast du erfreulicherweise sehr viel Glück gehabt, Clay. Ich kann keine ernsthaften inneren Verletzungen finden. Das bedeutet, dass der Rest jetzt nur noch eine Frage der Zeit ist. Deine Wunden werden in einigen Wochen von selbst heilen, wenn du Geduld aufbringst und dich ordentlich schonst", mahnte ich ihn ein bisschen.
Ich richtete mich auf und schaltete das Ultraschallgerät aus. Dann schob ich das Gerät zurück an die Wand und holte einige graue Papiertaschentücher für Clay, die ich ihm zum Abwischen des Gleitmittels reichte. Clay nahm die Tücher und wischte sich damit ab. Der junge Mann fuhr mit dem rauen Papier über seine zerschnittene Haut und stöhnte dabei, weil ihm das natürlich wehtat. Ich stand derweil neben ihm und beobachtete ihn aufmerksam. Er wischte an sich herum und erwiderte meinen Blick. Es zerriss mich innerlich bei dem Gedanken, dass ich ihn jetzt entlassen musste, und dass er mit Sicherheit geradewegs zurück in sein gefährliches Leben gehen würde. Clay Banton würde weiterhin Heroin konsumieren. Höchstwahrscheinlich würde genau das sogar das erste sein, was er bei sich zu Hause tun würde, denn es war nicht zu übersehen, dass er auf Entzug kam. Das machte mir viel mehr Sorgen, als es hätte sein dürfen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Clay sein wertvolles Leben derart unachtsam und gleichgültig wegwarf. Ich weiß nicht, warum ich ausgerechnet diesen Menschen so dringend von seiner Sucht heilen wollte, dass es plötzlich mein ganzes Denken ausfüllte. Ich hatte das unbefriedigende Gefühl, noch längst nicht genug für meinen Patienten getan zu haben.
Also fragte ich ihn: „Wie lange nimmst du schon Heroin?" Clay blies abrupt die Luft aus. Offenbar gefiel ihm meine Frage nicht. „Ein paar Jahre", antwortete er abweisend, brach den Blickkontakt ab und wischte weiter mit dem rauen Papier auf seiner zerschnittenen Haut herum. „Du hast das Heroin auch mal gespritzt, nicht wahr, Clay? Ich habe die vernarbten Einstiche an deinen Armen gesehen", sagte ich ganz leise. Er nickte, ohne mich anzusehen. Stattdessen rieb er das harte Papier so heftig über seine Haut, dass es ihm sehr wehtun musste. Meine Neugier ärgerte ihn, und er reagierte seine Wut auf diese dumme, selbstzerstörerische Weise ab. „Aber jetzt spritzt du anscheinend nicht mehr?" fragte ich dennoch weiter. Er schüttelte genervt den Kopf. Dieses Thema wollte er nicht näher mit mir erläutern, das signalisierte er mir recht deutlich. Aber ich war daran umso mehr interessiert. „Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, Clay! Mit dem Spritzen bringst du dich nämlich jedes Mal in akute Lebensgefahr!" redete ich fast beschwörend auf ihn ein. Er hob den Kopf, sah mich an und atmete schwer aus.
Eine Weile schauten wir uns intensiv an und ich versuchte, in meinen Blick meine ganze Sorge um ihn zu legen. Er sollte spüren, dass mir sein Wohlergehen ehrlich am Herzen lag. „Willst du mit dem Heroin aufhören?" erkundigte ich mich vorsichtig. Clay seufzte genervt. „Ich geh am Montag wieder ins Methadonprogramm", teilte er mir eher widerwillig mit. Erstaunt hob ich die Augenbrauen. „Was bedeutet wieder? Hast du schon einmal Methadon genommen?" Er nickte schnell, wandte sich demonstrativ ab und wischte weiter an sich herum, obwohl seine Haut inzwischen rot und das Gleitmittel schon so gut wie abgewischt war. Der kleine, hilflose Junge saß auf dieser breiten Liege, die Beine angezogen, und schrubbte wütend auf seinem Körper herum, weil meine Fragen ihn ärgerten und er nicht wusste, wohin mit seinem Zorn. Herr Banton war ein so herzerweichender Anblick, dass mir ganz warm wurde. „Und dann bist du also rückfällig geworden?" horchte ich ihn weiter aus. Entnervt warf er mir einen Blick zu. „So kann man das nicht sagen", antwortete er unbestimmt. Ich betrachtete ihn vielsagend und lächelte. „Du hast also nicht wirklich aufgehört, trotz Methadon", stellte ich fest. Clay nickte kaum merklich. Ich lachte amüsiert. „Aber du willst es noch einmal mit Methadon versuchen. Denkst du denn, diesmal klappt das?" Clay schloss abwehrend die Augen und murmelte: „Könnte doch sein."
Ich lachte gutmütig und berührte nochmal seine nackte Schulter. Ganz zart streichelten meine Finger über seine Muskeln und die harten Knochen unter der hellen Haut. Er riss die Augen auf und schaute mich aufgeschreckt an. Es war amüsant zu erleben, wie heftig er auf meine harmlose Berührung reagierte, wie extrem nervös sie ihn machte. „Es gibt auch noch ganz andere Möglichkeiten, um mit dem Heroin aufzuhören, Clay. Das weißt du bestimmt, oder?" versuchte ich weiterhin, ihn irgendwie zu erreichen. Aber anstatt mir zu antworten, streckte Clay plötzlich seine Hand nach mir aus, um mich zu berühren. Diesmal tat er es überstürzt, bevor ich zurückweichen konnte. Mein Patient streichelte kurz meinen Arm, dann fuhr er schnell an mir hinauf und berührte meinen Hals, mein Kinn. Seine Finger waren sehr vorsichtig, zart, beinahe ehrfurchtsvoll. „Siamak...", ächzte Clay nochmal atemlos und schaute mich drängend an. Seine Augen leuchteten bittend, fast flehend. Offensichtlich verlangte es ihn enorm nach körperlichen Zärtlichkeiten mit mir.
Das ging mir entschieden zu weit. Diese gänzlich unerwartete Berührung spürte ich sehr viel intensiver, als mir lieb sein konnte. Meine Augen weiteten sich verdutzt, augenblicklich war ich alarmiert. Mein schwieriger Patient war gerade dabei, eine wichtige Grenze zu überschreiten, die nicht ohne Grund existierte, und die ich in meiner Position als Arzt zwingend einhalten musste. Es schockierte mich, wie sehr ich seine plötzliche Zärtlichkeit trotz allem genoss. Noch niemals hatte ein Patient mich auf diese Weise angefasst, und ich fand es einfach nur überwältigend. Das war zweifellos nicht in Ordnung und ich konnte es mir wirklich nicht erklären. Hastig packte ich Clays Arm und schob ihn sanft, aber bestimmt von mir weg. Verwirrt ging ich einige Schritte rückwärts. In meinem Kopf brannten sämtliche Alarmlampen, und das war eine unangenehme Premiere für mich. Noch niemals hatte mich ein Patient dermaßen aus der Fassung bringen können. Das gefiel mir überhaupt nicht.
„So, wir sind dann hier fertig, Clay. Du kannst dich wieder anziehen. Ich gehe derweil hinaus und hole Eliza wieder herein. Sie wird dich bestimmt wiederhaben wollen", redete ich betont sachlich und zwang mich zu einem Lächeln. Überstürzt drehte ich mich herum und verließ den Behandlungsraum drei in dem drängenden Bedürfnis, schnellstmöglich so viel Abstand zu meinem Patienten zu erlangen, wie nur möglich war. Mein Herz klopfte aufgewühlt, als ich hinter mir die Tür schloss, weil meine eigene, völlig unsinnige Reaktion mir ein Rätsel war. Noch niemals war ich vor einem mir anvertrauten Menschen geflüchtet. So etwas war vollkommen unter meinem Niveau, und das war mir auch sehr wohl bewusst. Auf keinen Fall hätte ich mich von dieser Berührung so sehr aus der Fassung bringen dürfen. Ärgerlich schüttelte ich den Kopf über mich selbst und zwang mich dazu, mich auf meine Rolle als Arzt zu besinnen. Zwar hatte ich jetzt die Gewissheit, dass Clay Banton nicht mehr in Lebensgefahr schwebte, denn ich hatte seine Blutungen gestoppt, ihn eingehend untersucht und seinen Körper ausreichend versorgt. Mehr konnte ich in dieser Nacht nicht für ihn tun. Aber zu meiner eigenen Verwunderung hätte ich Clay am liebsten einfach dabehalten. Ich wollte seinen Aufenthalt im Krankenhaus verlängern, wollte ihn unverzüglich in die Psychiatrie einweisen, damit man sich dort noch viel umfassender um ihn kümmern konnte. Ich verspürte unvermindert das erstaunlich drängende Bedürfnis, Herrn Banton von den verdammten harten Drogen fernzuhalten.
Ich entdeckte Eliza, die im Flur auf einer Bank wartete, und ging mit schnellen Schritten auf sie zu. „Was ist los? Was ist passiert?" fragte sie mich alarmiert und stand auf. Offenbar merkte meine Arbeitskollegin mir meinen inneren Aufruhr sofort an, was mir gar nicht gefiel. Verärgert ignorierte ich ihre Fragen und blieb vor ihr stehen. „Ich muss dich dringend etwas fragen, Eliza", teilte ich ihr mit. Sie fixierte mich aufmerksam. Ich seufzte betrübt: „Clay ist zweifelsfrei auf Heroinentzug. Er sagte mir, dass er mit der Droge aufhören möchte." Eliza lachte abrupt spöttisch. „Ja, das habe ich schon viel zu oft von ihm gehört." „Er hat es offenbar trotz Methadon bisher nicht geschafft aufzuhören. Deshalb frage ich dich jetzt, ob du ihn nicht lieber jetzt sofort in die geschlossene Psychiatrie einweisen lassen willst. Dort könnte er in ungefähr zwei Wochen vom Heroin entziehen, und er würde obendrein psychologische Hilfe bekommen", schlug ich sehr ernst vor. Die Frau musterte mich erstaunt. „Denkst du denn, dass Clay psychologische Hilfe nötig hat?" erkundigte sie sich beunruhigt. Freudlos lachte ich auf. „Ja, das denke ich auf jeden Fall. Ich fürchte, dein Exfreund ist ein sehr verwirrter und trauriger junger Mann", machte ich ihr klar. „Wie kommst du darauf?" wollte sie von mir wissen, weil meine Worte sie scheinbar nicht überzeugten.
Eine Weile überlegte ich, wie ich der Krankenschwester diese wichtige Sache am besten erklären konnte. „Clay giert so verzweifelt nach guten Gefühlen. Als hätte er durch seine Lebensgeschichte ein großes Defizit daran", erläuterte ich schließlich nachdenklich. Clay Bantons Exfreundin war auf der Stelle sichtbar alarmiert. „Hat er etwa versucht, mit dir zu flirten?" entfuhr es ihr entsetzt. Aufgeregt starrte sie mich an. Ich betrachtete sie einen Moment. Es überraschte mich, dass sie sofort zielgerichtet diesen Verdacht äußerte, als wäre Clays unbekümmertes Flirtverhalten nichts Neues für sie. Dann nickte ich zögernd, und Eliza stöhnte unwillkürlich genervt auf. Amüsiert lächelte ich und hob beschwichtigend meine Hände. „Ach, komm, Eliza, das ist doch nun wirklich nicht so schlimm! Im Gegenteil, ich fand das irgendwie ...liebenswert", gab ich zu, ohne vorher darüber nachzudenken. Ich runzelte die Stirn und war verwirrt über meine eigenen Gefühle, aber auch darüber, dass ich ausgerechnet einer Arbeitskollegin etwas darüber verraten hatte. Das war ein Fehler, fürchtete ich sofort erschrocken, weil es mich in meiner Position als Arzt angreifbar macht.
Aber Eliza lächelte nur wissend. Sie war nicht im mindestens überrascht von meinem Geständnis. „Lass ihn uns jetzt sofort einweisen, Eliza. Wenn er erst einmal seine Drogensucht überwunden hat, dann können die Fachleute sich mit seiner Psyche beschäftigen", sagte ich fast beschwörend zu ihr. „Und was ist mit seinen Verletzungen?" fragte sie mich, um Zeit zu gewinnen. „Seine Verletzungen sind zum Glück nicht lebensbedrohlich. Ich konnte außer der leichten Gehirnerschütterung und einer Nierenprellung rechts nichts Ernstes feststellen. Seine beiden tiefen Schnittwunden sind genäht und gut versorgt worden. Du musst nur darauf achten, dass er sich in der nächsten Zeit unbedingt schont. Und dass er die Nähte nicht wieder aufreißt", erklärte ich ihr geduldig. Sie nickte. „Ja, ich werde auf ihn aufpassen", versicherte sie mir und seufzte ratlos. „Hör mal, Clay Banton ist trotz allem ein erwachsener Mann. Ich kann ihn doch nicht gegen seinen Willen in die geschlossene Psychiatrie einweisen lassen", gab sie zu bedenken. Lauernd musterte ich sie. „Wenn du einfach behauptest, dass er akut selbstmordgefährdet ist, dann können wir ihn jetzt sofort hierbehalten. Er könnte dann überhaupt nichts dagegen tun", informierte ich sie drängend.
Aus irgendeinem Grund wollte ich die Frau unbedingt von meinem Vorschlag überzeugen. Ich hatte das beunruhigende Gefühl, dass dies vielleicht sogar die letzte Möglichkeit für Clay sein könnte, um ihn vor dem endgültigen Abgrund zu retten. Aber Eliza Laser schüttelte zweifelnd den Kopf, deshalb setzte ich hinzu: „Dir muss doch klar sein, dass es nur zu seinem Besten geschehen würde. Es könnte vielleicht seine letzte Chance sein, vom Heroin doch noch loszukommen. Immerhin nimmt er dieses Zeug doch schon seit ein paar Jahren!" „Das hat er dir erzählt?" fragte sie verblüfft. Ich nickte nachdenklich. „Ich würde ihm wirklich gerne helfen, Eliza. Irgendwas hat er an sich, was an mein Mitgefühl appelliert", versuchte ich, sie zu überzeugen. Sie ist doch seine Exfreundin, dachte ich verzweifelt, ihr kann sein Leben doch nicht völlig gleichgültig sein. Mit ganzer Seele hoffte ich, dass die Frau mir bei meinem lebenswichtigen Vorhaben behilflich sein würde. Aber zu meiner Enttäuschung und Betrübnis schüttelte sie den Kopf. „Nein, Siamak, das kann ich Clay trotzdem jetzt nicht antun. Er will nämlich auf gar keinen Fall in die geschlossene Psychiatrie, das weiß ich genau. Ich gebe ihm lieber erst noch eine Chance mit Methadon", erklärte sie fest. Ihre dumme Entscheidung machte mich richtig unglücklich. Am liebsten hätte ich die Frau an den Schultern gepackt, sie geschüttelt und sie angeschrien, dass sie doch bitte die Augen öffnen und nicht so leichtfertig mit Clays Leben umgehen sollte. Aber ich schaute sie nur traurig an. „Diese andere Möglichkeit läuft uns ja nicht weg", ergänzte sie schnell. „Hoffentlich ist es dann nicht zu spät", murmelte ich resigniert und drehte mich herum. Hier konnte ich nichts weiter tun, und das war wahrhaftig eine deprimierende Niederlage für mich.
„Ich glaube, wir sollten ihn nicht zu lange allein lassen", bemerkte ich plötzlich beunruhigt und machte mich überstürzt auf den Weg zurück zu Clay, der allein im Untersuchungsraum auf uns wartete. Ich hatte auf einmal kein gutes Gefühl dabei. Eliza folgte mir schnell. Wir eilten zurück und rissen die Tür auf. Clay stand gerade am Schrank und wühlte tatsächlich darin herum. Ganz offensichtlich war er auf der Suche nach irgendwelchen Tabletten. Wahrscheinlich suchte er etwas, was seinen Heroinentzug lindern würde, vermutete ich. „Sofort weg da, Clay!" rief ich entsetzt und stürmte spontan auf ihn zu. Clay drehte sich seltsam gleichgültig zu uns um, entfernte sich aber langsam vom Schrank und hob abwehrend die Hände. „Ich habe nichts genommen", behauptete er. „Was suchst du denn überhaupt da?" fragte ich ihn verärgert und studierte prüfend den Inhalt des Schrankes. „Ich weiß nicht. Irgendwas", murmelte Clay genervt. Ich drehte mich zu ihm hin und musterte ihn eingehend. „Hör mal, Clay, das ist kein Spaß. Was hast du genommen? Wenn es das Falsche ist, dann kannst du dir damit unglaublich schaden, ist dir das klar?" redete ich auf ihn ein. Clay verdrehte die Augen. „Ich habe nichts", wiederholte er trotzig.
Allerdings konnte ich ihm das nicht so einfach glauben. Er war ein Junkie, und er war auf Entzug, und darum war ihm alles zuzutrauen. Ich machte zwei Schritte auf ihn zu und durchsuchte gewissenhaft alle Taschen von Clays Jeans, die er sich in der Zwischenzeit wieder angezogen hatte. Clay ließ sich das ganz ruhig gefallen. Er schien meine unmittelbare Nähe sogar auf eine gewisse Art zu genießen. Aber ich war viel zu besorgt, um auf seine seltsamen Reaktionen zu achten. Wenn Clay Banton eine falsche Tablette aus dem Schrank geschluckt hatte und daran womöglich sterben würde, dann würde das zweifellos auf meine Unachtsamkeit zurückfallen. Ich hatte meine Pflichten sträflich vernachlässigt, als ich meinen Patienten mit dem unverschlossenen Medikamentenschrank alleingelassen hatte, und konnte daher den größten Ärger bekommen, abgesehen von der Gefahr für Clays Gesundheit und Leben. Ich hätte ihn nicht mit dem offenen Schrank alleinlassen dürfen, machte ich mir die schlimmsten Vorwürfe, ich hätte wissen müssen, dass er etwas gegen seinen Entzug suchen würde. Schließlich ist er ein Junkie, dachte ich, und der Gedanke tat mir richtig weh.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Eliza sich neben uns stellte, während ich alle Taschen von Clays Jeans durchwühlte. Allerdings konnte ich darin außer Schlüsseln und einem Taschentuch nichts finden. Ich richtete mich wieder auf und schaute Clay intensiv in die Augen. Seine Pupillen waren vom Entzug stark erweitert und leuchteten schwarz. Mit ruhiger, sehr ernster Stimme mahnte ich ihn: „Bitte sage mir jetzt die Wahrheit, Clay. Hast du irgendwas aus diesem Schrank geschluckt? Das könnte im schlimmsten Fall sogar tödlich für dich sein!" Clay betrachtete mich beinahe spöttisch. „Ich habe überhaupt nichts geschluckt, Siamak", versicherte er mir leise. Argwöhnisch betrachtete ich ihn. Dann wandte ich mich hilfesuchend an Eliza, die ihren Exfreund besser kannte als ich. „Glaubst du ihm das?" wollte ich von ihr wissen. Clay lächelte belustigt, weil Eliza und ich ihn aufmerksam studierten, als könnten wir ihm ansehen, ob er eine Tablette aus dem Schrank geschluckt hatte, was natürlich Schwachsinn war. Ich fühlte mich hilflos und war enorm besorgt.
„Ich glaube ihm", entschied die Krankenschwester endlich. Ich musste einsehen, dass ich nichts weiter tun konnte, obwohl mir das nicht gefiel. Langsam ging ich zwei Schritte zurück. „Also gut, dann sind wir hier fertig", sagte ich resigniert und wandte mich nochmal an meinen Patienten. „Du weißt Bescheid, ja, Clay? In sechs Wochen müssen deine Fäden gezogen werden. Und wenn bis dahin irgendwas passiert oder wenn du starke Schmerzen bekommst, dann musst du unbedingt sofort hierherkommen oder zu deinem Hausarzt gehen, okay?" Ich schaute hilflos zu Clay hin, der mich belustigt fixierte und dabei nickte. „Ja, ist schon gut, Siamak", beruhigte er mich grinsend. Es war mehr als offensichtlich, dass er weder meine Worte noch seine gefährliche Lage ernst nahm. Das machte mich traurig, weil es mir das Gefühl gab, mich noch nicht genug angestrengt zu haben. Es gab mir das Gefühl, versagt zu haben.
Abrupt drehte ich mich herum und ging zum Schrank. Ich suchte eine Weile nach den richtigen Medikamenten, dann fand ich, was ich suchte. Mit den zwei Packungen Tabletten lief ich durch das Zimmer zurück zu Clay. Ich reichte ihm die Packungen, und Clay nahm sie erstaunt entgegen. „Hier gebe ich dir noch Schmerztabletten mit. Aber nehme sie bitte nur bei Bedarf, höchstens drei am Tag. Und von denen hier nimmst du eine am Tag. Die sollen einer Entzündung deiner Schnittwunden vorbeugen", erklärte ich Clay, der mich wachsam musterte. „Okay?" fragte ich und guckte meinen schwierigen Patienten unglücklich an. „Okay", bestätigte Clay lächelnd. Er hat wahrhaftig nichts verstanden, glaubte ich resigniert zu wissen, ihm ist überhaupt nicht klar, wie schwer verletzt worden er ist, und dass ich ihn förmlich in letzter Minute vor dem Verbluten gerettet habe. Leider war es höchst fraglich, ob Banton meine wichtigen Anweisungen befolgen würde. Bestimmt hatte er sie schon vergessen, noch bevor er das Krankenhaus verlassen würde. Diese Gewissheit deprimierte mich, aber an den traurigen Tatsachen konnte ich nichts ändern. Plötzlich fühlte ich mich enorm erschöpft. Ich spürte, wie sehr diese unerwartete Begegnung mich innerlich berührt und angestrengt hatte. Ganz langsam ging ich zur Tür. „Ich muss jetzt dringend weiter. Bis in sechs Wochen, Clay. Wir sehen uns, Eliza", murmelte ich gedankenversunken und verließ das Untersuchungszimmer. Ich lief den Flur entlang, betrat meinen Ruheraum und schloss hinter mir die Tür.
Siamak
Als ich diese einzigartige, nächtliche Konsultation in der neuen Akte und auf dem Computer dokumentierte, fühlte ich mich seltsam aufgewühlt. Definitiv hatte ich mich bisher noch nach keiner einzigen Behandlung eines Menschen so gefühlt. Mein Patient hatte mit seiner erstaunlichen, inneren Energie und auf seine merkwürdige, naiv-kindliche Art einen großen Eindruck bei mir hinterlassen. Es dauerte eine irritierend lange Zeit, bis ich mich von dieser ersten Begegnung mit Clay Banton richtig erholt hatte. Mein verwirrter Kopf grübelte noch viel zu lange darüber nach, wie diesem Mann am besten zu helfen wäre. Was ich konkret tun könnte, um ihm zu helfen. Ich fühlte mich wahrhaftig als Arzt unbefriedigt, weil ich das frustrierende Gefühl hatte, längst nicht genug für ihn getan zu haben. Das beunruhigte mich immens, weil es eine Premiere für mich und auch zweifelsfrei unangemessen war.
Unverzüglich erfüllte ich meine Pflicht und brachte das offensichtliche Verbrechen an Clay Banton durch eine ausführliche Email an die Polizei zur Anzeige, die ich mit ein paar aussagekräftigen Fotos ergänzte. Diese brutale Straftat wühlte mich persönlich erstaunlich intensiv auf, was mir so gar nicht gefallen wollte. Als Arzt konnte ich mir derartige Emotionen eigentlich gar nicht erlauben. Aber mein Kopf und meine Seele wollten sich noch viel ausführlicher mit diesem Menschen beschäftigen. Mein Glück in dieser komischen, beunruhigenden Situation war, dass ich mich auf meiner Arbeitsstelle befand. Mein Dienst in der Notaufnahme des Christopherus-Krankenhauses ging weiter, und schon bald lenkten mich andere Menschen mit neuen Verletzungen und Problemen ab. Ich ging davon aus, dass ich Clay Banton frühestens in sechs Wochen wiedersehen würde, wenn ich seine Fäden ziehen konnte. Aber ich zweifelte auch daran, dass er zu diesem Zweck überhaupt zu mir kommen würde. Bestimmt würde er irgendwann die Fäden selber herausziehen. Zumindest schätzte ich ihn in seiner kindlichen Unvernunft so ein.
Der Rest der Nacht verlief relativ ruhig. In den Morgenstunden wurden ein paar dehydrierte Samstagnacht-Raver eingeliefert, die obendrein zu viel Ecstasy geschluckt hatten. Ich versorgte sie mit Infusionen und überwies sie zur Überwachung auf die Innere Station. Danach aß ich etwas und konnte ein paar Stunden schlafen. Auch der Sonntag fing eher gemächlich an. Ich telefonierte kurz mit meiner Frau Malina und den Kids, um ihnen einen schönen Tag zu wünschen. Gegen Mittag bekamen wir einen schweren Verkehrsunfall mit sechs Verletzten herein, sodass ich ein paar Kollegen hinzuziehen musste. Alle Verletzten wurden erstversorgt und dann auf die Stationen verteilt. Ein Kind war aus einem Apfelbaum gestürzt und hatte sich dabei ein Bein gebrochen, sodass ich nach dem Röntgen einen Gips anlegen musste. Eine Frau hatte sich beim Schminken mit dem Eyeliner so unglücklich ins Auge gestochen, dass ich sie zu einem Augenarzt überweisen musste. Eine Rasur war gründlich schiefgegangen. Einen Fall von Bauchschmerzen überwies ich mit Verdacht auf Blinddarmentzündung auf die Innere. Es waren zwar zum Glück überwiegend keine lebensgefährlichen Verletzungen und Erkrankungen, um die ich mich kümmern musste, aber ich hatte unentwegt zu tun. Besonders sonntags suchen die Menschen aus den verschiedensten Gründen oft und gerne die Notaufnahme auf. Ich arbeitete konzentriert und dachte daher nicht mehr über Herrn Banton nach. Auf diese Weise verging der Tag schnell, bis ich mich gegen Abend nach dem Imbiss meines Lieblingsessens, dass Malina mir eingepackt hatte, ein paar Stunden aufs Ohr legen konnte. Vorher tauschte ich jedoch noch einige liebevolle SMS mit meiner Frau aus.
Am Montagmorgen fühlte ich mich erschöpft, denn der anstrengende Dauerdienst machte sich bei mir bemerkbar. Also trank ich verstärkt Kaffee, um mich wachzuhalten. Der örtliche Methadonarzt rief mich an und bat mich um den Untersuchungsbericht über Clay Banton. Er erzählte mir, dass Clay gerade bei ihm gewesen und um Methadon gebeten hätte. Ich weiß nicht, warum mich diese Information spontan so übermäßig freute. Vielleicht hatte ich nicht daran geglaubt, dass Clay wirklich mit dem Heroin aufhören wollte, obwohl er es mir am Samstag angekündigt hatte. Meinen Bericht schickte ich sofort per Email an den Kollegen. Im Laufe des Vormittags ereignete sich ein Unfall auf einer Baustelle, bei dem mehrere Arbeiter unterschiedlich schwer verletzt wurden. Die Behandlungsräume füllten sich schnell, sodass es hektisch wurde. Es musste zügig und effizient gearbeitet werden, um den Männern so wirkungsvoll wie möglich helfen zu können. Erst gegen Mittag waren wir mit dieser Aufgabe fertig. Ich hatte ein bisschen Luft, um mich ein wenig zu entspannen und telefonierte kurz mit Malina. Bald darauf füllte sich das Wartezimmer erneut und meine Arbeit nahm mich voll und ganz in Beschlag.
Gegen Abend wurde mir dann von Schwester Mia die Akte gebracht, die ich erst in der Samstagnacht selbst neu angelegt hatte. Der Name des Patienten war Clay Banton. Ich kann mir nicht erklären, warum mein Herz von dem Moment an schlagartig spürbar härter schlug, als ich diesen Namen las. Schwester Mia erwähnte lächelnd, dass der Patient nicht nüchtern und in einem desolaten Zustand wäre. Das machte mir sofort Sorgen und ich beeilte mich, zu ihm zu gelangen. Zufällig hatte man ihn in das selbe Zimmer gebracht, in dem ich ihn auch schon beim ersten Mal verarztet hatte. Als ich den Behandlungsraum betrat, fiel mir als erstes seine seriöse Kleidung auf. Er trug ein gut sitzendes, graues Jackett, ein hellblaues Hemd mit einer grauen Wollweste und roter Krawatte, ziemlich enge Jeans und schwarze Turnschuhe. Alle Sachen waren jedoch schmutzig, nass und teilweise zerrissen. Den dunklen, großen Blutfleck, der seine Jeans an seinem Bein mit der genähten Schnittwunde durchtränkte, konnte ich gar nicht übersehen. Anscheinend war meine sorgfältige Naht wieder aufgerissen, weil mein Patient erneut in eine heftige Schlägerei geraten war. Das tat mir unwillkürlich viel mehr leid, als gut für mich war. Clay lächelte mich jedoch mit so viel Zufriedenheit und Zuneigung an, dass ich davon förmlich blitzartig erschlagen wurde. Mit Sicherheit hatte der Mann schon wieder schlimme Schmerzen. Schließlich war er vor Kurzem ein weiteres Mal schlecht behandelt, schwer verletzt und brutal verprügelt worden. Aber in seinen Augen leuchtete in diesem Moment nichts als Glück, großes Interesse und freudige Erregung. Er beschwerte sich auch diesmal nicht, jammerte und klagte nicht über seine Verletzungen, den Schmerz oder das Unrecht, was ihm offenbar abermals angetan worden war. Clay Banton freute sich einfach nur riesig, mich zu sehen. Das war so dermaßen ungewöhnlich und ungewohnt für mich, dass ich es einfach nicht fassen konnte. Von allein breitete sich das höchst angenehme, mir mittlerweile schon bekannte, warme Gefühl in meinem Magen aus. Unübersehbar machte ich diesen Menschen allein durch meine Anwesenheit glücklich. Obwohl ich als Arzt mittlerweile alles andere als unerfahren war, hatte ich so etwas trotzdem noch niemals bei einem Patienten erlebt.
Clay stand gerade am Medikamentenschrank und sah sich durch die Glasscheiben interessiert die vielen Packungen an. Bestimmt suchte er nach etwas Wohltuendem für sich. „Versuch es erst gar nicht, Clay! Der Schrank ist abgeschlossen!" rief ich ein bisschen spöttisch in den Raum. Mit schnellem Schritt ging ich zu ihm hin und reichte ihm zur Begrüßung die Hand, die er sofort ergriff. Wir wechselten einen energischen Händedruck. „Hallo Siamak", krächzte Clay und hustete nervös. Ich schaute ihm prüfend in die Augen und lächelte hilflos, als ich seinen derzeitigen Zustand erfasst hatte. Clay Banton war tatsächlich alles andere als nüchtern. „Hallo Clay. Was kann ich für dich tun?" erkundigte ich mich. Sein Lächeln war bezaubernd. Interessiert ging ich einen Schritt zurück, um seinen Körper aufmerksam zu mustern. Clay sah wirklich schlimm aus. Als hätte ihn jemand mit roher Gewalt über den schmutzigen, nassen Boden geschleift, was ich mir wirklich nicht vorstellen wollte. Der große Blutfleck an seiner Jeans machte mir zunehmend Sorgen.
„Oh, Clay! Was ist dir denn passiert?" entfuhr es mir entsetzt, während mein Blick suchend über seinen wohlgeformten Körper wanderte. Sie haben ihn wahrhaftig schon wieder verprügelt, dachte ich fassungslos voller Mitgefühl. „Hast du Schmerzen?" wollte ich beunruhigt wissen und schüttelte bei seinem Anblick bestürzt den Kopf. Sein desolater Zustand berührte mich eindeutig viel stärker, als es hätte sein dürfen, und das gefiel mir nicht. Aufgewühlt kämpfte ich innerlich um den angemessenen, ärztlichen Abstand von dieser Situation, was mir zum ersten Mal in meinem Leben richtig schwerfiel. Fragend schaute ich in sein Gesicht. Mein Patient seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Dann sah er mich wieder an. „Mein Bein tut weh...", informierte Clay mich vage und wies mit seinem Kopf zögernd auf seinen rechten Oberschenkel. Meine Aufmerksamkeit wanderte sofort zu der angegebenen Stelle, wo ich mit einem frustrierten Seufzer abermals das Blut registrierte, das durch seine Jeans gesickert war. Selbstverständlich tat ihm sein Bein weh! Der besorgniserregende, dunkle Fleck auf seiner Jeans, der sich zu meinem Schrecken noch immer auszubreiten schien, signalisierte mir eindeutig eine schwerwiegende Verletzung. Es war offensichtlich und unvermeidbar, dass ich den Mann unverzüglich neu zusammennähen musste, und zwar so schnell wie möglich, denn er durfte auf gar keinen Fall noch mehr Blut verlieren.
„Oh, Gott, Clay. Was ist denn da passiert?" fragte ich noch einmal. „Ich weiß nicht", antwortete er ausweichend. Ich warf ihm zweifelnd einen kurzen Blick zu, kommentierte seine fragwürdige Aussage jedoch nicht. „Ziehst du die Jeans aus?" fragte ich ihn stattdessen behutsam, weil ich mich noch gut daran erinnerte, dass das Ausziehen seiner Hose bei unserer ersten Begegnung ein Problem für ihn gewesen war. Clay atmete tief. Seine grün-braunen Augen fingen an zu leuchten. „Klar! Ich tue alles für dich!" versicherte er mir schnell, was mich enorm erheiterte. Er drehte sich herum und machte zwei Schritte auf die schmale Liege zu, die an der Seite des Zimmers stand. Dort fing er ohne zu zögern an, sich auszuziehen. Während Clay sich seine Kleidung auszog, überprüfte ich in seinem Krankenblatt sicherheitshalber nochmal meine Notizen aus der Samstagnacht. Dabei spürte ich seinen sehnsüchtigen Blick, der unentwegt fasziniert auf mir lag, und ich verstand amüsiert, dass dieser seltsame junge Mann auch bei unserer zweiten Begegnung auf seine zauberhaft subtil-schüchterne Art mit mir flirtete. Ich kann nicht erklären, warum dieser Umstand mein Herz sofort ungesteuert in Aufruhr versetzte. Clay Bantons völlig unverhülltes Interesse schmeichelte mir natürlich, aber es hätte mir zweifellos nicht so sehr gefallen dürfen. Meine eigenen, ungewohnten und überraschenden Gefühle irritierten mich. Als ich ihn fragend anschaute, guckte er hastig und gehemmt zum Fenster hin, als hätte ich ihn bei etwas Verbotenem ertappt. Das war so herzallerliebst, dass mir innerlich ganz warm wurde.
„Heute Morgen hat mich dein Hausarzt angerufen", erzählte ich ihm freundlich, um mich abzulenken, „Er hat mich nach dem Untersuchungsbericht von Samstagnacht gefragt, den ich ihm dann auch sofort gemailt habe." Zögernd drehte Clay den Kopf und blickte mich wieder an. „Ja, ich war heute dort", bestätigte er nickend. Ich lächelte zufrieden. „Hat er dich ins Methadonprogramm aufgenommen?" fragte ich ihn interessiert. „Nein, das Programm ist voll. Aber ich kann als Selbstzahler teilnehmen", informierte Clay mich gelangweilt. Ich nickte wohlwollend. „Also versuchst du es tatsächlich nochmal mit Methadon", stellte ich fest, was Clay aus irgendeinem Grund zu ärgern schien. „Ja, das hatte ich doch gesagt!" betonte er aggressiv und funkelte mich vorwurfsvoll an. „Schön, Clay, das freut mich", beruhigte ich ihn schnell und lächelte froh. Noch einmal spürte ich verblüfft, dass dieses Faktum mich sehr viel mehr erfreute, als es normalerweise zwischen Arzt und Patient der Fall gewesen wäre. Zögernd musste ich mir endgültig eingestehen, dass Herr Banton mich mittlerweile sehr wohl auch als vollwertiger Mensch interessierte, und nicht mehr nur als schwer verletzter Patient. In Wahrheit interessierte mich sein Leben und seine Gesundheit inzwischen sehr viel stärker, als es gut für mich sein konnte. Genau genommen hatte ich noch für keinen einzigen meiner im Laufe meiner Jahre als Arzt zahllosen Patienten diese eindeutig persönliche Form von Mitgefühl empfunden. Das war völlig neu für mich und beunruhigte mich extrem.
Ich bemerkte, dass Clay fertig ausgezogen war, und deutete einladend auf die große Liege in der Raummitte. „Komm hierher, Clay, leg dich bitte hierhin!" forderte ich ihn geschäftig auf, und er gehorchte sofort. Nur mit grauer Unterwäsche und grauen Socken bekleidet, kam der junge Mann langsam auf mich zu. Mein aufmerksamer Blick wanderte dabei intensiv über seine wohlproportionierte, für einen Heroin-Junkie erstaunlich gut durchtrainierte Gestalt, und mir fiel auf, dass nicht wenige neue Hämatome zu den alten von Samstagnacht hinzugekommen waren. Clay Banton hatte vor Kurzem eindeutig mehrere harte Schläge einstecken müssen, die auf seiner Haut erneut in Form von Blauen Flecken jeder Größe sichtbar geworden waren. Mein besonderes Interesse galt seinen beiden langen und tiefen Schnittwunden an Arm und Bein, die zu meinem Schrecken tatsächlich beide stark blutend aufgerissen und aufgeplatzt waren.
Obwohl Clay leicht torkelte und eindeutig nicht nüchtern war, musste er starke Schmerzen haben. Aber mein Patient beklagte sich auch diesmal mit keinem Wort, als er sich langsam auf die Liege setzte und vor mir auf den Rücken sank. Zu meiner Irritation ging mir sein Zustand so nahe, dass ich schlucken musste, als ich mir unwillkürlich die brutalen Prügel vorstellte, deren Opfer dieser freundliche Kerl abermals geworden war. Ich konnte und wollte nicht begreifen, warum er in so kurzer Zeit erneut von jemandem zusammengeschlagen worden war.
„Kann ich bitte eine Schmerztablette haben?" fragte Clay mich höflich. Diesmal konnte ich den mühsam konzentrierten, schleppenden Tonfall seiner Stimme nicht mehr überhören. Mein schwieriger Patient war an diesem Abend so betrunken, dass er wahrhaftig lallte, sein Atem roch stark nach Alkohol, und das betrübte mich enorm. Außerdem machte es mir Sorgen, weil ich nicht abschätzen konnte, wie viele und welche Drogen er vielleicht sonst noch konsumiert hatte. Meine Augen richteten sich auf sein Gesicht, ich lächelte verhalten. „Wie viele hast du heute schon genommen, Clay?" wollte ich gutmütig wissen, was ihn zu meiner Überraschung ziemlich wütend machte. „Ich habe heute noch keine einzige genommen, Siamak!" versicherte er mir knurrig. Mein Lächeln wurde breiter, denn ich war amüsiert. „Dann ist es kein Wunder, dass du Schmerzen hast", bemerkte ich grinsend. „Ja, genau, darum frage ich dich ja jetzt danach!" erwiderte er ungeduldig und fixierte mich mit kaum verhülltem Zorn. Zum ersten Mal wurde Herr Banton richtig aggressiv. Nachdenklich betrachtete ich ihn eine Weile. Verdutzt und beunruhigt bemerkte ich den bedrohlichen, dunklen Schatten, der sich hinter seinen durch Drogeneinwirkung extrem winzigen Pupillen gebildet hatte. Mir wurde klar, dass Banton vor sehr kurzer Zeit nicht wenig Heroin konsumiert hatte, und dass er innerlich sehr wütend war. Spontan versuchte ich jedoch, seinen Zorn mit der Tatsache zu erklären, dass er an diesem Montagabend schon wieder geschlagen worden war und diese Prügelei wahrscheinlich verloren hatte. Darüber hätte sich jeder Mann sehr geärgert, denn niemand war gerne der Verlierer.
„Was ist denn?" erkundigte Clay sich verunsichert. „Du bist heute ziemlich betrunken, nicht wahr, Clay?" flüsterte ich fast. Lustlos stöhnte er auf. „Ja... ich... habe bei einem Freund ein... wenig Wodka getrunken...", gab er widerwillig zu. Ich nickte bedächtig. „Ein wenig?" hakte ich zweifelnd nach und hob anklagend die Augenbrauen. „Ein paar Schlucke, verdammt!" entfuhr es ihm heftig. Dann biss er sich auf die Lippen, weil er über seine eigene Aggressivität erschrocken war. Das war so süß, dass mir schon wieder ganz warm wurde. Beschwichtigend hob ich die Hände. „Ist schon gut, Clay. Ich gebe dir eine Tablette", entschied ich und machte mich direkt auf den Weg zum Schrank. Clay richtete sich auf und beobachtete mich. Ich schloss mit meinem Schlüssel den Medikamentenschrank auf, suchte die entsprechende Arznei und ging dann mit der Tablette zu ihm zurück. Ich drückte ihm die weiße Pille in die Hand und ging zum Wasserspender, um ihm einen Pappbecher mit Wasser zu zapfen. Auch den Becher brachte ich ihm an die Liege, und er schluckte die Tablette schnell und spülte mit Wasser nach. Mit angezogenen Beinen saß er auf der Liege und zerrte sich die grauen Socken herauf, als wollte er etwas verstecken. Ich nahm ihm den Becher ab und warf ihn in den Papierkorb. Dann lächelte ich ihn besänftigend an. Er erwiderte mein Lächeln viel zu charmant, also wandte ich mich ab.
„Wie ist es dir seit Samstagnacht ergangen, Clay? Hast du noch Kopfschmerzen? Musstest du dich übergeben?" fragte ich ihn neugierig, während ich meine Nähmaterialien aus dem Schrank holte und vorsorglich eine örtliche Betäubungsspritze aufzog. „Nein... es geht schon...", erwiderte er irritiert. „Tun dir die Nieren noch sehr weh? Ist noch immer Blut in deinem Urin?" wollte ich geschäftig wissen. „Nein... ich weiß nicht... ist schon okay...", stammelte er peinlich berührt. Die Tatsache, dass es ihm peinlich war, wenn ich ihn nach dem Zustand seines Urins fragte, während er mir seine Sexualität völlig ungehemmt präsentierte, brachte mich beinahe zum Lachen. Clay Banton ist wirklich ein ungewöhnlicher Mensch, stellte ich ein weiteres Mal amüsiert fest.
„Leg dich bitte wieder hin", bat ich ihn, als ich zu ihm zurückging und mir auf dem Weg dünne Gummihandschuhe überzog. Er gehorchte sofort, sank auf seinen Rücken, und ich desinfizierte seinen zerschnittenen Schenkel mit dem entsprechenden Mittel. Clay stöhnte vor Schmerz abrupt laut auf. „Oh, tut mir leid. Ich hätte dich vorwarnen sollen", entschuldigte ich mich erschrocken und warf ihm einen Blick zu. Er lächelte kläglich. Ich wandte mich ab und erneut seinem Bein zu. Interessiert begutachtete ich die lange Naht, betastete sie ganz sanft mit den behandschuhten Fingern. Clay hob den Kopf, um sich die Sache genau anzusehen. Der schwarze Faden war an mehreren Stellen aus seiner aufgeplatzten Haut gerissen. Es gab neue Blutergüsse, wo er hart getroffen worden war, aber zum Glück lief nur noch sehr wenig Blut sein Bein hinab.
„Wie ist das passiert?" wollte ich zum dritten Mal wissen. „Und wo ist dein Verband geblieben, Clay?" setzte ich erstaunt hinzu. Schon vorhin, als er sich ausgezogen hatte, hatte ich sofort gesehen, dass er die von mir bei unserer ersten Begegnung in der Samstagnacht sorgfältig angelegten Verbände über seinen vernähten Schnittwunden nicht mehr trug. Ich fragte mich, aus welchem Grund er den überaus sinnvollen Schutz wohl abgewickelt hatte. Seine dumme Sorglosigkeit ärgerte mich ein bisschen, weil dieses Risiko einer erneuten Verletzung total unnötig war. Wenn er die Verbände noch getragen hätte, dann wären meine Nähte bei dieser neuen Prügelei heute viel besser geschützt gewesen, dachte ich kopfschüttelnd, dann müsste ich ihn jetzt vielleicht nicht nochmal zusammennähen. Wissbegierig, aber auch ein wenig nervös, beobachtete ich ihn und wartete auf seine Antwort.
Kaum hatte ich meine beiden Fragen ausgesprochen, verkrampfte mein abermals schwer verletzter Patient sich zu meiner Verwunderung. Clays ganzer, muskulöser Körper versteifte sich sichtbar widerwillig. Auf dem Rücken liegend, starrte er reglos an die Decke, als könnte er sich schlagartig nicht mehr bewegen. Verdutzt und irritiert beobachtete ich seine seltsam heftige Reaktion. Eine Weile kämpfte er sichtbar enorm aufgewühlt mit seiner Antwort. Irgendetwas machte ihm auf einmal ganz extrem zu schaffen. Ich vermutete, dass es die brutalen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit waren, die Clay vor seinem inneren Auge erneut zu erleiden schien. Es war totenstill im Zimmer. Ich ließ den mir anvertrauten Menschen nicht aus den Augen und studierte ihn höchst aufmerksam. Und mit der Zeit begann ich zu ahnen, dass ihm an diesem Tag womöglich noch etwas viel Schlimmeres angetan worden war, als „nur" eine neuerliche Schlägerei. Mein Herz fing von selbst ein nervöses, intuitiv entsetztes Klopfen an bei der unwillkürlichen Überlegung, was genau meinem Patienten vielleicht vor kurzer Zeit widerfahren war.
Mitfühlend und aufmunternd lächelte ich ihn an. Herr Banton erwiderte meinen Blick. In seinen grün-brauen Augen standen Hilflosigkeit, große Wut, wirre Panik und dann plötzlich fast trotzige Entschlossenheit. Es überwältigte mich, wie viele starke Gefühle dieser Mann allein mit seinen Augen ausdrücken konnte. Natürlich hatte ich schon seit seinem zweiten unerwarteten Auftauchen bei mir in der Notaufnahme pausenlos über die möglichen Ursachen seiner neuerlich schweren Verletzungen spekuliert. Trotzdem war ich auf die Wahrheit, die er mir letztendlich mit bemerkenswerter Ehrlichkeit anvertraute, in keinster Weise vorbereitet. Sie war wie ein völlig unerwarteter, schmerzhaft heftiger Schlag in die Magengrube.
„Ich bin in einem Gebüsch vergewaltigt worden", verriet Clay Banton seinem behandelnden Arzt plötzlich ganz leise. Angespannt beobachtete er meine Reaktion. Trotz seiner leisen Stimme hatte ich ihn genau verstanden. Augenblicklich stockte mir der Atem. Meine Arme sanken kraftlos herunter. Vor Schreck und Mitleid zog sich alles in mir zusammen. Das war ein Gefühl, als hätte mir jemand einen elektrischen Schlag verpasst, als würde ich den Schmerz und die Demütigung meines Patienten blitzartig selber spüren. Meine spontane Reaktion auf Clay Bantons Antwort war dermaßen unerwartet und emotional, dass ich davon komplett übermannt wurde. Völlig hilflos riss ich bestürzt meine Augen auf, starrte ihn nur erschrocken an und brauchte eine viel zu lange Zeit, um mich wieder einigermaßen in meine Gewalt zu bekommen. Noch nie in meinem Leben hatte ich in so einer Weise auf eine Information reagiert, dermaßen unwillkürlich und gewaltig. Der erfahrene Doktor Siamak Tourani ließ sich von seinen persönlichen Gefühlen restlos überwältigen. Das war zweifellos etwas, was mir in meinem Beruf auf gar keinen Fall passieren durfte. Und bis zu dieser Sekunde war es mir auch zum Glück noch nie auch nur annähernd passiert. Nun war ich total schockiert darüber und konnte mir nicht erklären, was denn um Himmels Willen überhaupt mit mir los war. Lag es an der Tatsache, dass vor mir auf der Liege wahrhaftig ein schwer verletztes Vergewaltigungsopfer lag? Das hatte ich doch schon erlebt, wenn auch Gott sei Dank noch nicht allzu oft. Lag es an meinem allgemeinen Entsetzen über dieses grausame Verbrechen? Oder lag es vielleicht doch zum größten Teil nur daran, dass es eben Clay Banton war, der mir von seiner Vergewaltigung erzählt hatte? Ich wusste es ehrlich nicht, spürte nur meine extreme, gänzlich ungesteuerte, körperliche und seelische Reaktion darauf, die mich für eine lange Weile vollkommen außer Kraft setzte. Ich war so schockiert, dass ich mich nicht mehr rühren konnte. Mit aufgerissenen Augen stand ich dort, fixierte Clays Gesicht und hatte das Gefühl, die Welt um mich herum würde einstürzen.
Der Blickkontakt mit dem jungen Mann wurde mit der Zeit sehr intensiv, weil seine Offenheit, sein uneingeschränktes Vertrauen zu mir, allein das Wissen um diese entsetzliche Tat uns jetzt irgendwie verband. „Oh Clay... das... ist...", brachte ich stockend hervor, verstummte ratlos und atmete scharf ein. Clay schaute mich betrübt an. Er beobachtete mich und schien wahrhaftig um mich besorgt zu sein, was ich wirklich nicht fassen konnte. Er war doch der Schwerverletzte und Gedemütigte von uns beiden!Aber der erstaunliche Mann machte sich tatsächlich um mich Sorgen! Ein weiteres Mal reagierte er auf eine Art, die ich einfach nicht begreifen konnte und die mich überraschte, vollkommen unvorbereitet.„Ist schon okay...", versuchte er wahrhaftig, mich zu beruhigen und berührte leicht, tröstend meinen Unterarm.
Schlagartig hatte ich das Gefühl, von dieser herzig naiven und bodenlos gutmütigen Aussage innerlich zerrissen zu werden. Ich atmete schwer aus und schloss seufzend die Augen, weil ich mit dem plötzlichen Schwall meiner Emotionen heillos überfordert war. Ganz ruhig stand ich dort, atmete tief ein und aus und bewegte mich ansonsten überhaupt nicht. Überdeutlich konnte ich spüren, wie Clay tröstend meinen Unterarm streichelte. Die zarte Berührung verursachte mir eine Gänsehaut. Energisch rief ich mich innerlich zur Ordnung, weil es nämlich schlicht unakzeptabel war, wenn der Herr Doktor während einer Behandlung dermaßen emotional wurde. Es durfte einfach nicht sein, dass ich mich von meinem Patienten auf diese Art anfassen und trösten ließ. Außerdem konnte ich es nicht ertragen, wie leichtfertig Clay das ihm angetane, unverzeihliche Unrecht hinzunehmen schien.
„Das ist nicht okay, Clay. Es ist niemals okay, wenn dir jemand Gewalt antut", murmelte ich mit geschlossenen Augen. Ich seufzte schwer und schlug die Augen wieder auf. Mit großem Ernst taxierte ich Clay, der meinen Blick verwundert auffing und seinen Arm verunsichert wieder zurückzog. „Nein... das...", stammelte er verwirrt. Ich lächelte kläglich. „Waren das die gleichen Typen, die dich am Samstag verprügelt haben?" wollte ich vorsichtig wissen. Hastig schüttelte er den Kopf und sagte schnell: „Nein." Es war offensichtlich, dass er den oder die Täter aus einem mir völlig unverständlichen Grund nicht preisgeben wollte. „Und möchtest du immer noch niemanden anzeigen?" fragte ich ihn resigniert. Noch einmal schüttelte Clay den Kopf, blieb aber diesmal stumm. Ich betrachtete ihn noch einen Moment voller Mitleid, was ihm nicht zu gefallen schien, dann drehte ich mich kurzentschlossen um und ging zum Schrank, um noch einige benötigte Dinge zu holen. Es dauerte eine Weile, bis ich alles gefunden hatte, was ich zum neuerlichen Nähen brauchte.
Schließlich ging ich zurück zu Clay und guckte ihn traurig an. „Bist du bei dieser Vergewaltigung schwer verletzt worden, Clay?" fragte ich ihn behutsam und ernst. Mein Blick wanderte prüfend auf seinen Unterleib. Aufgrund seiner überaus heftigen Reaktionen auf meine Nachforschungen konnte ich mir denken, wie entsetzlich brutal das Verbrechen an ihm ausgeübt worden sein musste. Typische Verletzungen waren also höchstwahrscheinlich. Clay war meine Frage so peinlich, dass er wahrhaftig rot wurde, was mich abermals sehr rührte. Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Nein, nicht schwer... nur ein... wenig...", beantwortete er meine Frage schüchtern. Verlegen wandte er den Blick von mir ab und starrte stattdessen an die Decke zu den Neonlichtern. „Also hast du noch einmal Glück im Unglück gehabt, was?" bemerkte ich erleichtert. Dankbar warf Clay mir einen Blick zu. Ich lächelte und sagte: „Ich werde dir nachher eine antibakterielle Salbe mitgeben, Clay. Nur zur Sicherheit." „Okay, danke!" lächelte er charmant zurück und versuchte zwinkernd einen weiteren kleinen Flirt mit mir.
Hastig wandte ich meine Aufmerksamkeit auf seinen Oberschenkel. Zu meinem Erstaunen verspürte ich urplötzlich so etwas wie Furcht davor, den Mann ein weiteres Mal zusammenzunähen. Weil ich mich nur zu gut daran erinnerte, wie er beim ersten Mal mit sexueller Erregung auf den Schmerz meiner Nähkünste reagiert hatte. Für Clay Banton schienen seine intimen Körperfunktionen offenbar eine Selbstverständlichkeit zu sein, für die er sich nicht im Geringsten schämte. Seine körperliche Unbefangenheit imponierte mir. Doch in dieser Situation wollte ich plötzlich auf keinen Fall noch einmal damit konfrontiert werden. Auch diese unangebrachten Bedenken waren eine Premiere für mich, die mir so gar nicht gefiel. Als erfahrener Arzt sollte ich schließlich meilenweit über solchen trivialen Dingen stehen. Aber ich war tatsächlich ein Feigling.
„Ich gebe dir eine örtliche Betäubung, okay?" kündigte ich an und stach im nächsten Augenblick auch schon in seine Haut, ohne dass er überhaupt reagieren konnte. Das Mittel, dass ich diesmal in einer seltsamen Voraussicht sehr viel höher dosiert hatte, wirkte sofort, sodass ich mit einer Schere vorsichtig die Naht gänzlich auftrennen und von seinem zerschnittenen Bein entfernen konnte. Clay schaute mir interessiert bei meiner Arbeit zu, als ich seine Verletzung ein zweites Mal konzentriert in engen, gleichmäßigen Stichen vernähte. Es erleichterte mich auf eine dumme Art, dass er den Schmerz der Behandlung nicht spüren konnte. Trotzdem schien ihm das Stechen auch diesmal sehr zu behagen, denn nach einiger Zeit stöhnte er überwältigt auf. Ich hob den Blick und lächelte ihn amüsiert an. „Das gefällt dir immer noch, was?" stellte ich leicht neckend fest. „Ja, total, obwohl ich gar nichts davon spüren kann", erwiderte er grinsend. Ich nickte zustimmend und schaute ihn gutmütig an. Clay Bantons Lächeln war wunderschön. Seine grünen Augen leuchteten zufrieden. Er sah richtig glücklich aus, was angesichts seiner Lage mehr als erstaunlich war.
Da lag er also wieder auf meiner Liege, der seltsame junge Mann, der mich schon auf so viele Arten überrascht und beeindruckt hatte, obwohl wir uns gerade erst zum zweiten Mal begegneten. Nicht nur sein Drogenkonsum brachte ihn unvermindert in ständige Lebensgefahr. Offenbar bewegte er sich in einer äußerst gewalttätigen Welt. Und ich konnte noch immer nichts weiter für ihn tun, als seine körperlichen Schäden bestmöglich zu reparieren. Diese traurige Gewissheit konnte ich plötzlich nicht länger ertragen. „Hast du schon einmal daran gedacht, eine Therapie zu machen?" fragte ich ihn aus einem inneren Impuls heraus. Clay zuckte zusammen und starrte mich erschrocken an. „Was? Warum denn? Was für eine Therapie?" entfuhr es ihm entgeistert. Ich lächelte beruhigend. „Nur keine Aufregung, Clay. Ich frage ja nur." „Warum fragst du mich das?" wollte er unglücklich von mir wissen. Ich wandte mich ab und wieder meiner Arbeit zu. „Ich glaube einfach, das du professionelle Hilfe gebrauchen kannst", eröffnete ich ihm ganz ruhig, während ich konzentriert die letzten Stiche an seinem Bein vollendete.
Abrupt drehte er seinen Kopf von mir weg und fixierte angestrengt die Decke. Offensichtlich wühlte meine Frage ihn ganz extrem auf, verärgerte und verwirrte ihn in einer Intensität, die ich nicht zuordnen konnte. Vielleicht hat er schlechte Erfahrungen gemacht, vermutete ich traurig. Allein der Gedanke an eine Therapie versetzte Herrn Banton jedenfalls augenblicklich in zornige Alarmbereitschaft. Ohne es auch nur zu ahnen, hatte ich gerade meinen ersten groben Fehler an diesem Abend gemacht. Unverändert verspürte ich den drängenden Wunsch, diesem Menschen noch viel mehr zu helfen, als ich es in der Notaufnahme tun konnte. Meine Hilfe sollte über das Versorgen seiner körperlichen Schäden hinausgehen. Ich wollte wahrhaftig auch seine seelischen Wunden heilen, was mir in Wahrheit in keinster Weise zustand. Ich fragte ihn nach einer Psychotherapie, ohne vorher darüber nachzudenken. Mein Handeln erfolgte rein instinktiv aus meinem starken Mitgefühl heraus. Ich hätte ahnen müssen, wie er darauf reagierte. Ich hätte seinen inneren Zorn nicht vergessen dürfen, der mir doch schon lange vorher an ihm aufgefallen war. Ich hätte nicht außer Acht lassen dürfen, dass er an diesem Abend alles andere als nüchtern war. Aber ich tat nichts davon, und Clays wütende Reaktion auf meinen gut gemeinten Vorschlag erschreckte und betrübte mich maßlos.
Wie von selbst streichelten meine Finger sanft über sein neu aufgeschürftes Knie, in dem drängenden Bedürfnis, ihn zu beruhigen. Gedankenverloren entfernte ich einige winzige Steinchen, die sich in seine Haut gegraben hatten, während ich überlegte, wie ich dem widerspenstigen jungen Mann mein Anliegen am besten begreiflich machen konnte. „Zum Beispiel könntest du dringend ein bisschen mehr Selbstbewusstsein vertragen", schlug ich schließlich ruhig vor. Clays Augen wanderten zurück zu mir, ich betrachtete ihn nachdenklich. „Ich kann einfach nicht fassen, dass es für dich okay ist,wenn man dich brutal schlägt, vergewaltigt und verletzt", erklärte ich ihm eindringlich. Aufmunternd lächelte ich ihn an, streichelte nochmal sanft über sein Knie, zog dann meine Hand zurück und stand abwartend neben der Liege. Freundlich schaute ich auf ihn herunter. „Nein, das stimmt doch überhaupt nicht! So habe ich das doch gar nicht gemeint!" entfuhr es ihm entgeistert, während er sich energisch, mit einem Ruck aufsetzte. Seine plötzliche Bewegung erschreckte mich. Instinktiv bewegte ich mich zwei Schritte rückwärts von ihm weg. Lauernd beobachtete ich ihn aus sicherer Entfernung, in der angespannten Erwartung, dass er womöglich aggressiv und gewalttätig werden würde.
„Wie hast du das gemeint, Clay?" fragte ich vorsichtig nach. Aufgewühlt und verwirrt fuhr er zu mir herum. Ich studierte ihn sehr aufmerksam. „Mit meinem Selbstbewusstsein ist alles völlig in Ordnung!" versicherte er mir hektisch, „Immerhin stehe ich andauernd auf irgendwelchen Bühnen herum!" Seine Stimme war schleppend, konfus schloss er für einen Moment die Augen. Seine erstaunlich emotionale Reaktion faszinierte mich nicht nur aus ärztlicher Sicht. „Ich finde es nicht okay, wenn man mich schlägt. Ich meinte nur... naja... es ist eben passiert...", erklärte er hastig und riss die Augen auf. „Ich kann das doch sowieso nicht mehr ändern... es ist vorbei, also ist es schon okay...", setzte er verzweifelt hinzu. Flehentlich taxierte Clay mich. Dieses Thema war ihm zuwider, das signalisierte er mir recht intensiv. Wortlos bat er mich, es doch bitte sofort fallenzulassen. Der Ausdruck seiner Augen war so eindeutig und gewaltig, dass ich davon gefesselt wurde, während ich über seine Worte nachdachte.
Eine lange Zeit war es still im Behandlungszimmer drei der Notaufnahme des Christopherus-Krankenhauses. Als ich die flehende Intensität seiner Augen schließlich nicht länger aushielt, fiel mein Blick auf Bantons Füße. Seine grauen Socken waren heruntergerutscht, und ich entdeckte in der Nähe seines Knöchels einige sehr frische Einstiche. Vor Schreck krampfte sich unwillkürlich alles in mir zusammen. Verdammter Mist, dachte ich bestürzt, er hat sich das Heroin heute wahrhaftig in seine Venen gespritzt! Zweifellos hatte Clay das getan, die vielen roten Punkte auf seiner Haut sprachen leider eine eindeutige Sprache. Herr Banton hatte sich die harte Droge vor Kurzem injiziert, obwohl er mir bei unserer ersten Begegnung versichert hatte, dass er schon lange nicht mehr spritzen würde. Meine unerwartete Entdeckung machte mich spontan so traurig und wütend, dass ich große Mühe damit hatte, mir nichts anmerken zu lassen. Viel zu aufgewühlt grübelte ich hastig darüber nach, wie ich jetzt am besten auf seine frischen Einstiche reagieren sollte. Alles in mir drängte danach, Clay nach diesen Injektionen zu fragen. Ich wollte ihm sofort ins Gewissen reden. Aber ich schreckte auch davor zurück, weil ich ihn nicht unnötig provozieren wollte. Prüfend schaute ich mir den jungen Mann an, der auf der Liege saß und mich unentwegt im Auge behielt. Ich darf ihn auf keinen Fall darauf ansprechen, beschloss ich zu guter Letzt verzweifelt, er ist ohnehin schon so aufgeregt. Mein schwieriger Patient schien an dem Abend unserer zweiten Begegnung sogar noch sehr viel sensibler und labiler zu sein, als er es vor zwei Tagen zusammen mit Eliza gewesen war. Offenbar hatten die Ereignisse der letzten Stunden, denen er ausgesetzt gewesen war, ihn enorm gestresst. Mir war klar, dass ich vorsichtig sein musste.
„Also meinst du damit, dass du die Sache nur noch abhaken willst?" erkundigte ich mich nach einer Weile wissbegierig. Clay nickte. „Ja, klar! Was soll ich denn auch sonst noch tun?!" zischte er, als wären meine Überlegungen völliger Unsinn. „Du könntest zum Beispiel diese feigen Verbrecher anzeigen!" schlug ich ihm ernsthaft vor. Entschieden schüttelte er den Kopf und wich meinem beschwörenden Blick aus. „Nein, das geht auf keinen Fall!" stellte er nochmals klar und starrte demonstrativ trotzig zum Fenster hin. „Weißt du, Clay...", begann ich ganz vorsichtig und wartete, bis er seinen Blick zurück auf mich richtete. Ich lächelte entschuldigend. „Wenn ich von einem Verbrechen erfahre, dann muss ich das melden", informierte ich ihn sanft. Herr Banton schloss sofort abwehrend die Augen und atmete tief ein. Seine Hände fingen an zu zittern, wie ich alarmiert bemerkte. Nervös zog er die Beine heran und krampfte seine Hände um seine Unterschenkel. Mühevoll zwang er sich zur Ruhe. „Was bedeutet das genau?" fragte er mich lauernd mit geschlossenen Augen. Dann lauschte er beunruhigt in die Stille hinein. Aufmerksam beobachtete ich ihn und antwortete erst, als er mich auffordernd anschaute. Ich lächelte beruhigend. „Das bedeutet, dass du bald Post von der Polizei bekommen wirst, Clay. Die werden dich zu diesen Straftaten befragen wollen", erörterte ich ihm ganz sachte.
Vorsichtshalber ging ich noch zwei Schritte rückwärts von ihm weg und fixierte ihn wachsam, weil ich seine Reaktion nicht richtig einschätzen konnte. Es stand außer Frage, dass Herr Banton höchst sensibel und unbeherrscht auf alles reagierte. In diesem Moment war er eindeutig extrem verärgert. Meine Informationen hatten ihn spürbar richtig sauer gemacht. Daher befürchtete ich, dass er sich vielleicht nicht kontrollieren konnte und wütend auf mich losgehen würde. Aber Clay riss sich bemerkenswert zusammen. Er versuchte sogar ein Lächeln und nickte mir leicht zu. „Na dann...", sagte er unbestimmt und schaute wieder zum Fenster hin, während er nervös seine nackten Unterschenkel massierte.
Gerührt betrachtete ich den jungen Mann. Es berührte mich, wie eindeutig er mit sich kämpfte, um nicht die Fassung zu verlieren. Sein ganzer Körper war widerwillig angespannt, während er zornig mit dem Oberkörper hin und her schaukelte und verspannt mit beiden Händen seine Unterschenkel knetete. Dies waren typische, instinktive Bewegungen, mit denen er sich selbst zu beruhigen versuchte. So aufgebracht hatte ich ihn noch nie erlebt, und ich spürte verwundert, wie sehr mich sein verstörender Zustand betrübte. Banton ist vielleicht psychisch krank, glaubte ich ihm anzumerken, er reagiert äußerst impulsiv auf alles. Er hat sich selbst kaum im Griff, sondern gibt jeder seiner starken Gefühlsregungen viel zu sehr nach. Er ist seinen eigenen Emotionen total ausgeliefert. Womöglich ist er ein Borderline-Patient, vermutete ich deprimiert und voller Mitleid. Schon während meines Studiums hatte ich mich interessiert mit dem Fach Psychologie beschäftigt. Clay Bantons Charakter schien in meinen Augen mittlerweile nahezu ein Paradebeispiel für die Borderline-Störung zu sein. Trotzdem stand mir eine solche Diagnose natürlich gar nicht zu, denn ich hatte keinerlei Kompetenzen dafür.
Hätte ich bei meinem zweiten, gänzlich unerwarteten Zusammensein mit Clay nur ein wenig mehr nachgedacht, hätte ich nur ein bisschen empathischer und sensibler auf ihn reagiert, dann hätte ich einfach meinen Mund gehalten. Aber es drängte mich aus einem mir unbekannten Grund extrem danach, diesem ungewöhnlichen jungen Mann einfach irgendwie zu helfen. Es frustrierte mich, wie er mit seinem wertvollen Leben umging. Seine bloße Existenz schien mir viel zu kostbar zu sein, um sie auf seine dumme, total unnötige und gefährliche Art zu verschwenden. Unbedingt wollte ich ihn von den verdammten harten Drogen wegbringen und seine psychischen Probleme geheilt wissen. Etwas an dieser zweifellos extrem schwierigen Herausforderung reizte mich so stark, dass ich einfach nicht widerstehen konnte.
„Du stehst auf Bühnen herum?" fragte ich ihn nach langer Zeit des Schweigens verblüfft in die Stille hinein. Ich war darum bemüht, die angespannte Situation mit einem harmlosen, angenehmen Thema zu entschärfen. Aber zu meiner Überraschung sackte Clay sofort zusammen. Mein Gesprächspartner schloss abwehrend die Augen und legte seinen Kopf auf seine Knie. Offenbar wollte er auch über dieses Thema nicht mit mir sprechen, was ich mir nicht erklären konnte. Langsam ging ich drei Schritte auf ihn zu, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Ich mache Musik", verriet er mir schließlich widerwillig und hob den Kopf. Seine Kreativität imponierte mir, war er doch schließlich drogenabhängig. Höchst interessiert, aber auch ein wenig angespannt betrachtete ich ihn und lächelte aufmunternd. „Das ist ja toll!" sagte ich anerkennend, „Was machst du für Musik?" „Ich spiele Gitarre", murmelte Clay und drehte sich von mir weg. Demonstrativ starrte er zum Fenster hin und signalisierte mir damit deutlich, dass er darüber nicht mit mir sprechen wollte. Das fand ich sehr schade, denn es war ohne Frage bemerkenswert, dass jemand, der sich Heroin injizierte, auf einer Bühne öffentlich Musik machte. Zu gerne hätte ich Clay Banton mal spielen gehört, hätte ihn am liebsten sofort nach seinem nächsten Auftritt gefragt. Aber mein bockiger Patient wollte nicht mit mir darüber reden, und das musste ich akzeptieren. Also ließ ich es gut sein.
Vorsichtig näherte ich mich ihm und überlegte mir dabei meine nächsten Worte sehr genau. Unverändert drängte es mich danach, ihn von einer psychotherapeutischen Behandlung zu überzeugen. Ich muss nur die richtigen Worte finden, redete ich mir verbissen ein. Diese Aufgabe erschien mir zu lebenswichtig zu sein, um sie so schnell aufzugeben. Als ich neben der Liege stehenblieb, starrte Clay noch immer reglos aus dem Fenster. Beruhigend legte ich dem jungen Mann meine Hand auf die Schulter. Er zuckte erschrocken zusammen und fixierte mich irritiert. „Ach, Clay, hab doch bitte keine Angst!" beschwor ich ihn und lächelte besänftigend, „Niemand will dich hier zu etwas zwingen, weißt du?! Aber du musst verstehen, dass man diese schlimmen Erlebnisse, die du in den letzten zwei Tagen hattest, nicht so einfach allein für sich abhaken kann. Ohne professionelle Hilfe werden sie dich dein Leben lang verfolgen, das kannst du mir glauben!" Zu meiner Enttäuschung und Betrübnis lachte Clay spontan laut auf und blies spöttisch Luft aus. „Du weißt gar nichts von mir!" entfuhr es ihm voller Hohn, „Du hast keine Ahnung, was ich schon alles abgehakt habe!" Seine Worte klangen dermaßen verbittert, dass sie mir schmerzhaft in meine Seele schnitten. Er ist tatsächlich schon durch die Hölle gegangen, dachte ich voller Mitleid und hatte gleichzeitig das Gefühl, diese traurige Wahrheit nicht ertragen zu können.
Eine Weile betrachtete ich ihn traurig. Er erwiderte meinen betrübten Blick selbstbewusst grinsend. Aber hinter seinem vorgeschobenen Selbstbewusstsein lauerte spürbar seine Angst und Wut. „Doch, das kann ich mir denken, Clay", erklärte ich ihm schließlich sanft und zog meine Hand von seiner Schulter, „Du hast mit Sicherheit schon viel mitgemacht. Das ist ja wahrscheinlich auch der Grund für deine Heroinsucht." Clay knurrte widerspenstig, als ich das Heroin erwähnte. In seinen durch den Drogenkonsum verschwommenen Augen erschien abermals dieses extrem zornige Feuer. „Du hast auch heute Heroin konsumiert. Trotz Methadon. Nicht wahr, Clay?" bemerkte ich spontan deprimiert, weil ich seine eindeutigen Warnzeichen dummerweise nicht ernst genug nahm. Und das war auch der Grund, warum mich seine Reaktion darauf wahrhaftig überraschte. Aufgescheucht drehte Clay sich herum, schwang kurzentschlossen seine Beine von der Liege und sprang auf den Boden. Scheinbar wollte er sofort zu seiner Kleidung gehen, sich anziehen und auf der Stelle verschwinden. Zu meinem absoluten Schrecken wollte mein schwieriger Patient mich kurzerhand zornentbrannt verlassen, weil ich im Umgang mit ihm entschieden zu viel völlig falsch gemacht hatte.
Schlagartig war ich wie vor den Kopf geschlagen und wollte noch nie in meinem Leben etwas dringender, als ihn aufzuhalten. Überstürzt packte ich ihn am Arm. „Nein, Clay, bitte lauf jetzt nicht weg! Bitte bleib noch hier!" bat ich ihn eindringlich und schaute ihn beschwörend an. Mein Patient schüttelte trotzig den Kopf, riss seinen Arm aus meinem Griff und machte zwei hastige Schritte auf die kleinere Liege zu, wo seine Kleidung lag. Sein verletztes Bein knickte dabei ein, weil er wegen der örtlichen Betäubung noch kein richtiges Gefühl darin hatte. Unwillkürlich geriet er ins Taumeln, rang um Gleichgewicht und wäre beinahe gestürzt. „Vorsicht, Clay! Pass auf!" rief ich erschrocken und eilte geistesgegenwärtig zu ihm. Ich fasste ihn am Arm und rettete ihn damit vor einem Sturz. Aber er war enorm wütend auf mich, deshalb riss er sich sofort nochmal los. „Ich gehe jetzt!" teilte er mir viel zu laut mit, „Ich habe keinen Bock mehr, Siamak!" Auch sein nächster Schritt war ein hilfloses Stolpern, sein Bein gehorchte ihm nicht. „Nein, Clay... sei vorsichtig... du bist noch betäubt...", stotterte ich unglücklich und fasste abermals nach seinem Arm, um ihn zu stützen. Banton wich mir fauchend aus und steuerte fest entschlossen seine Sachen an. „Ich muss noch deinen Arm nähen, Clay!" erinnerte ich ihn flehend, aber er tat so, als würde er mich gar nicht hören. Schon war er an der Liege bei seiner Kleidung, um sich anzuziehen und unverzüglich zu verschwinden. Clay Banton verließ mich mit einer unvorstellbaren Wut im Bauch. Und diese Wut richtete sich ausschließlich gegen seinen behandelnden Doktor Siamak Tourani. Natürlich hatte ich schon verärgerte Patienten erlebt, sogar mehr, als mir lieb war. Aber noch niemals hatte ich einen dermaßen stürmischen Hass gegen mich gerichtet gespürt. Und ganz sicher war noch niemals ein Patient zornentbrannt vor mir davongelaufen.
Aber der mir anvertraute Clay Banton befand sich eindeutig vor mir auf der Flucht. Ohne Frage hatte ich als Arzt komplett versagt. Das konnte ich kaum ertragen. Diese unerfreuliche Wendung unseres bisher so erfrischend freundschaftlichen Miteinanders deprimierte und frustrierte mich sehr viel mehr, als ich jemals vermutet hätte. Plötzlich war ich wie erstarrt und machte mir sofort die schlimmsten Vorwürfe, weil ich Clay offensichtlich zu stark provoziert hatte. Zum ersten Mal hatte ich das miese Gefühl, dass diese ganze Konsultation eine verhängnisvoll falsche Richtung einschlug. Bisher hatte ich mich während der Behandlung eines Menschen noch nie so hilflos gefühlt.
Clay war an der Liege angekommen und griff energisch nach seinem Hemd. In diesem Moment wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen. „Es tut mir leid!" schoss es autonom förmlich aus mir heraus. Bis zu diesem Augenblick hatte ich mich tatsächlich noch niemals bei einem Patienten für etwas entschuldigen müssen, schon gar nicht in dieser flehentlichen Intensität. Dieser Satz kam wahrhaftig aus den tiefsten Winkeln meiner Seele, und ich war deswegen vollkommen von der Rolle, verdutzt, besiegt, absolut rat- und sprachlos. Zu meinem grenzenlosen Glück hielt Clay in seinem Vorhaben abrupt inne. Sein Hemd fiel zurück auf die Liege. Nach einigem Zögern drehte er sich zu mir herum und schaute mich misstrauisch an. „Es tut mir leid, Clay. Ich wollte dir nicht zu nahetreten!" wiederholte ich absolut verzweifelt. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, mein Atem ging schwer. Er darf jetzt nicht einfach gehen,dachte ich immer wieder, als wäre ich davon besessen, ich habe ihm noch längst nicht genug geholfen! Er schwebt doch noch immer in akuter Lebensgefahr! Ich habe ehrlich keine Ahnung, was in Behandlungsraum drei des Christopherus-Krankenhauses mit mir passierte. Irgendwas ging mir plötzlich so tief rein, dass ich vollkommen machtlos dagegen war.
Wie ferngelenkt näherte ich mich langsam diesem erstaunlichen Mann, dem ich an diesem Abend erst zum zweiten Mal in meinem Leben begegnete. „Hör auf mit diesem Mist! Ich will nicht über das Heroin mit dir sprechen!" stellte er verärgert klar. Ich nickte verständnisvoll. „Ja, ist gut", lenkte ich ein. „Du hetzt mir einfach die Bullen auf den Hals, obwohl ich das nicht will! Und du hast mit Eliza über mich getratscht!" beschwerte er sich wütend. Ich nickte, lächelte und ging langsam auf ihn zu. „Ja, das war nicht richtig von mir. Es tut mir leid", wiederholte ich besänftigend. Clay Bantons unglaubliche innere Stärke und Energie, die er trotz seiner psychischen Probleme, trotz seiner Drogensucht und der vielen schlimmen Verletzungen und Demütigungen, die ihm jemand erst vor sehr kurzer Zeit mutwillig zugefügt hatte, spürbar nicht verloren hatte, imponierte mir auf eine Art, die ich kaum fassen oder auch nur begreifen konnte. Elizas Exfreund ist etwas ganz Besonderes, glaubte ich verblüfft zu begreifen. Dieser junge Mann hat etwas an sich, was ich noch bei keinem anderen Menschen erlebt habe.
Es erstaunte mich, wie einfach ich ihn beruhigen konnte. Offenbar war der tosende Zorn, der ihn noch vor einer Minute vollständig ausgefüllt hatte, im nächsten Moment schon wieder verschwunden. Schließlich schaute er mich nur noch erwartungsvoll an, ein bisschen schüchtern, aber auf freudige Weise erregt. „Ich bin nicht...", fing er an und brach wieder ab, als ich dicht vor ihm stehenblieb und ihn liebevoll anlächelte. Wohlwollend betrachtete ich ihn, und er schnappte aufgeregt nach Luft. Ich hatte schwer mit meinen auflodernden Gefühlen für ihn zu kämpfen. Meine Zuneigung zu diesem Menschen war auf einmal so stark, dass ich sie kaum noch im Zaum halten konnte. Sehr dringend wollte ich ihm nach all diesen grausamen Gewalttätigkeiten, die er in den letzten zwei Tagen erfahren hatte, etwas Gutes tun. Verdammt nochmal, er hatte sogar frische Bisswunden an seinem Hals! Irgendwer hatte ihn wahrhaftig ziemlich tief in seine Haut gebissen. Diese Ungeheuerlichkeit versetzte mir einen weiteren emotionalen Schlag, als ich sie bemerkte. Aus tiefster Seele wollte ich ihn jetzt trösten und seinen irgendwie verständlichen, und dennoch unvorstellbaren Zorn besänftigen.
„Du bist ein erstaunlich starker Mann, Clay Banton. Du hast schon so viel mitgemacht und bist trotz allem noch voller Energie", bemerkte ich anerkennend und meinte es absolut ehrlich. „Du bist auch total stark, Siamak", erwiderte Clay verdutzt. Ich lächelte amüsiert. Clay fixierte mich und versuchte ein charmantes Augenzwinkern, weil er wahrhaftig schon wieder unermüdlich mit mir flirtete, was mich angesichts seiner Situation extrem beeindruckte und erheiterte. Ich wünschte, er hätte all diese schlimmen Verbrechen nicht erleben müssen, dachte ich voller Mitgefühl, ich wünschte, er wäre nicht so schwer verletzt worden. Das hat er wirklich nicht verdient, fuhr es mir traurig durch den Sinn. Ich seufzte. „Es tut mir leid, was dir passiert ist", flüsterte ich fast. „Das muss es nicht!" versicherte er mir schnell.
Und schon zwei Sekunden später beging ich meinen nächsten schweren Fehler im Umgang mit Clay Banton. „Ich möchte dich gerne mal kurz in den Arm nehmen, Clay. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich damit nicht meine Kompetenzen überschreite", gestand ich ihm zögernd. Perplex riss er die Augen auf und starrte mich fassungslos an. „Siamak... bitte... mach das doch einfach...", stammelte er drängend, augenblicklich spürbar erpicht auf meine Berührung. Verblüfft musste ich lachen, und Clay lachte schüchtern mit. Eine warme Welle der Zuneigung erfasste mich ungewollt. Fünf Sekunden später breitete ich zaghaft, aber einladend meine Arme aus. Ich taxierte ihn, nickte auffordernd, und mein schwieriger Patient machte ungeduldig einen Schritt auf mich zu. Ich ging ihm entgegen und schlang behutsam meine Arme um seinen breiten Rücken. Zuerst erstarrte Clay in meiner recht unbeholfenen Umarmung. Aber nur einen Moment später presste er sich förmlich gierig gegen mich. Ich umarmte ihn sanft, freundschaftlich, tröstend, genau so, wie ich es vorgehabt hatte. Meine Nähe sollte ihn trösten, ihn in seinem mächtigen inneren Zorn besänftigen. Er sollte spüren, dass ich es gut mit ihm meinte.
Ich legte meine Arme um seinen muskulösen Körper und fühlte die starken Muskeln an seinem Rücken, seine harten Schulterblätter. Herr Banton hatte ungefähr meine Größe, und sein Gesicht kam meinem bei dieser Umarmung zwangsläufig sehr nahe. Ich hatte plötzlich den Eindruck, als wollte er mich auf den Mund küssen, aber er drehte seinen Kopf im letzten Moment ein wenig zur Seite und fuhr mit seiner Nase zärtlich an meiner Wange entlang. Aus irgendeinem Grund elektrisierte mich diese zarte, enorm liebevolle Berührung, sodass ich völlig verdutzt war. Seine Finger streichelten meinen Nacken, die andere Hand fuhr an meinem Rücken hinab zu meinem Hinterteil. Das passierte so schnell und unerwartet, dass ich zuerst gar nicht darauf reagieren konnte. Maßlos erstaunt musste ich mir eingestehen, wie sehr seine sanften, zurückhaltenden Zärtlichkeiten mir gefielen. Obwohl mir schon an diesem Punkt eigentlich klar war, dass ich diese Umarmung dringend stoppen musste, wollte ich ihn doch noch ein bisschen länger so spüren. Das konnte ich überhaupt nicht begreifen. Mein Kopf fühlte sich seltsam leer an, als würde alles in mir sich von allein auf dieses neue, unerwartete Gefühl fokussieren. Irgendwie war ich mir selbst und Clays unmittelbarer Nähe ausgeliefert, und das gefiel mir sogar, was mich enorm verwirrte.
Es dauerte viel zu lange, bis ich aus diesem unerwarteten Rausch, der mich vollständig erfüllte, wieder erwachte. „Du fühlst dich gut an", wisperte Clay atemlos in mein Ohr. Er seufzte wohlig, stöhnte leise und atmete tief ein. Nichts konnte diesen unerschrockenen jungen Mann daran hindern, sich voll und ganz auf meine direkte Nähe einzulassen, sich komplett fallenzulassen und neugierig, ehrfürchtig und hingerissen meinen Körper zu erkunden. Clay Banton hatte seine Umgebung, die ganze Situation, in der wir uns befanden, ganz einfach innerhalb von Sekunden vergessen. Ich konnte sein Herz spüren, das hinter seinen Rippen in rasender Geschwindigkeit hämmerte. „Du riechst so gut, Siam", keuchte er überwältigt und leckte verlangend über meinen Hals und mein Ohrläppchen, was mir unwillkürlich einen widersinnigen Schauder durch mein Rückgrat jagte. Verblüfft seufzte ich auf, als Clay mit seiner Hand meinen Hintern umfasste und mich sehr gezielt an sich presste. Erst jetzt registrierte ich die Härte an meinem Unterleib, die eindeutig von Clay Bantons wachsender Erektion stammte. Völlig ungebremst rieb er sich wollüstig an mir und erschauderte dabei gurrend.
In diesem Moment gingen schlagartig sämtliche Alarmsirenen in mir an. In meinem verwirrten Kopf leuchtete es abrupt grell rot. Was tust du denn hier eigentlich, schimpfte ich mit mir selbst, er ist dein Patient, um Himmels Willen nochmal! Bist du denn total verrückt geworden? Hast du den Verstand verloren, Siamak? Hastig, fast panisch wollte ich ihn auf der Stelle heftigst von mir wegstoßen. Nur mit großer Mühe konnte ich mich bremsen, weil ich ihn nicht unnötig kränken wollte. Sanft aber energisch löste ich mich von Clay, schob ihn zurück und wand mich zunehmend aus seiner Umklammerung. „Ist schon gut, Clay. Lass mich bitte los", verlangte ich betont distanziert und schob ihn hartnäckig weg. „Nein... bitte... bleib doch...", flehte er zitternd, ließ mich nur widerstrebend los und suchte in meinem Blick verzweifelt nach einer Erklärung für mein Verhalten. Herr Banton konnte wahrhaftig nicht verstehen, warum ich unsere viel zu intime Umarmung so plötzlich beendet hatte. Meine Zurückhaltung war ihm ein einziges Rätsel.
Nach Luft ringend stand er dort und starrte mich völlig verdattert an. Vor Erregung zitterte er am ganzen Körper. Unzufrieden kniff er die Augen zu einem Spalt zusammen und fokussierte sich angestrengt auf mein Gesicht. Offenbar gefiel ihm überhaupt nicht, was er darin zu lesen glaubte, denn schon im nächsten Moment riss er schockiert die Augen wieder auf. Sichtbar total vor den Kopf geschlagen stolperte er panisch zwei Schritte rückwärts von mir weg, bis er mit seinem Hintern hart gegen die schmale Liege an der Wand stieß, auf der seine Kleidung lag. Das war ein großer Fehler, wurde mir spätestens jetzt, mit einem Blick in Clay Bantons maßlos verwirrte, enttäuschte Augen klar, das hätte ich auf gar keinen Fall tun dürfen! Aber es war zu spät, denn ich konnte diese verhängnisvolle Episode nicht mehr ungeschehen machen. Es verwirrte und beunruhigte mich, wie sehr ich seine kurze, innige Berührung in Wahrheit genossen hatte. Denn diese Art von Körperkontakt war zwischen Arzt und Patient ganz ohne Zweifel total unangebracht, sogar ein absolutes No-Go. Nicht ohne Grund gab es da ziemlich strenge Richtlinien, an die ich mich bisher auch immer gehalten hatte. Ich konnte in Teufels Küche kommen, sollte mein Patient sich diesbezüglich an höherer Stelle über mich beschweren.
Aber mir war völlig klar, dass Herr Banton wohl nichts ferner lag, als mich in Schwierigkeiten zu bringen. Im Gegenteil, der unbeirrt nach guten Gefühlen lechzende junge Mann hätte unsere Umarmung wohl am liebsten bis zum sexuellen Höhepunkt fortgeführt. Seine spontan und rasend schnell erblühte körperliche Erregung war durch die Boxershorts, die er ja lediglich trug, schlicht unübersehbar geworden. Amüsiert lächelte ich ihn an. Verlegen drehte er sich von mir weg und starrte konfus aus dem Fenster. Er hatte wirklich keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Hörbar frustriert stöhnte er auf. Seine völlig hilflose und verständnislose Reaktion rührte mich stark. Clay tat mir in seiner grenzenlosen Verwirrung sehr leid, denn er war überraschend zärtlich und liebevoll zu mir gewesen und hatte diese herbe Enttäuschung eigentlich nicht verdient.
Aus einem Impuls heraus ging ich zu ihm hin und umarmte ihn ganz sachte von hinten, um ihn zu trösten. Als ich meine Hände zart auf seine Brust legte, wurde sein muskulöser Körper stocksteif. „Nein, Clay, bitte schäme dich nicht vor mir. Es ist alles in Ordnung, hörst du? Du musst dir wirklich keinerlei Sorgen machen. Ich fand es sehr schön, dich mal kurz im Arm zu halten. Aber jetzt machen wir mit deiner Behandlung weiter, okay? Ich möchte jetzt deine zweite Schnittwunde nähen, ja? Bitte lege dich dafür nochmal auf die Liege, tust du das bitte?" flüsterte ich ihm ins Ohr und ließ ihn im nächsten Moment wieder los. „Da draußen warten nämlich noch jede Menge anderer Patienten auf mich", setzte ich beiläufig hinzu.
Energisch besann ich mich auf meine wichtige Aufgabe als Herr Doktor, um mich von anderen merkwürdigen Gedanken und Gefühlen abzulenken. Mir fiel ein, dass an diesem Abend das Wartezimmer voller anderer Menschen war, die alle meine Hilfe wollten. Ich muss meine zweite Begegnung mit Clay Banton jetzt so schnell und effizient wie möglich zu einem versöhnlichen und sinnvollen Ende bringen, beschloss ich aufgewühlt. Es gefiel mir nicht, wie sehr dieser junge Mann mich in Aufruhr versetzen konnte, wie kinderleicht er mich immer wieder überwältigte. Ich verstand nicht, warum ich mich bei ihm so wenig professionell verhielt. Das ist nicht richtig, überlegte ich verärgert, ich bin sein Arzt und sollte daher bei aller Freundschaft auch für ihn eine Respektsperson bleiben.
Ungeduldig stand ich an der breiten Liege und wartete auf meinen schwierigen Patienten, damit ich ihn endlich weiter behandeln konnte. Aber Clay stand noch immer am Fenster, starrte mit einem seltsamen Grinsen hinaus und war in seine Gedanken versunken. Plötzlich lachte er abrupt laut auf. Es hörte sich ziemlich spöttisch an, was ich nicht einordnen konnte. Lachte er jetzt etwa über mich? Lachte er mich aus? Die Vermutung ärgerte mich. „Kommst du bitte, Clay?" forderte ich ihn leicht verstimmt auf. Böse kichernd drehte er sich zu mir herum und guckte mich an. In seinen blitzenden Augen stand kaum verhüllter Hohn. „Darf ich bitte meine Jeans wieder anziehen?" fragte er mich ziemlich provozierend. Vielleicht war es ihm peinlich, in der Boxershorts eine Erektion zu haben, vielleicht wollte er auch nur meine Geduld strapazieren. Er wusste schließlich genau, dass ich seine Schnittwunde noch verbinden musste.
Bedauernd schüttelte ich den Kopf und konnte wahrhaftig dabei zusehen, wie sich der Spott in Clay Bantons Augen in reine Wut verwandelte. „Nein, bitte warte mit der Jeans noch einen Moment, Clay. Ich muss vorher noch deinen Oberschenkel verbinden", kündigte ich freundlich an, woraufhin ihm ein frustriertes Fauchen entwich. „Muss der blöde Verband denn unbedingt sein?" quengelte er genervt und taxierte mich vernichtend, wie ein trotziges Kleinkind. Ich lächelte amüsiert quer durch das Zimmer. „Ach, Clay! Du hast doch selbst gesehen, was ohne die schützenden Verbände passiert. Deine schöne Naht ist abgerissen, die Wunde ist aufgeplatzt, und das wollen wir doch nicht noch einmal riskieren, nicht wahr?" redete ich behutsam auf ihn ein, was ihn aus irgendeinem Grund noch zorniger machte. „Die scheiß Naht ist aufgerissen, weil ich vergewaltigt wurde!" blaffte er mich aggressiv an. Es machte mir Sorgen, dass Clays tosende Wut von Neuem erwachte, und ich konnte seine heftigen Reaktionen auch nicht recht nachvollziehen. Ich hatte keine Ahnung, was ihn so überaus wütend machte oder wie ich ihn besänftigen konnte.
Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen, runzelte die Stirn und betrachtete ihn eine Weile ratlos. Er ist innerlich noch viel schwerer verletzt worden, dachte ich traurig, er kann damit nicht allein zurechtkommen. Er braucht dringend professionelle Hilfe, glaubte ich zu wissen. „Trotzdem müssen wir die Nähte unbedingt schützen, Clay", erklärte ich ihm schließlich geduldig. „Ich will aber keine scheiß Verbände mehr!" knurrte er zornig. Herr Banton hatte sich unversehens in einen kleinen Trotzkopf verwandelt, der nur aus Prinzip alles ablehnte. Das fand ich so rührend, dass ich spontan belustigt auflachte und grinsend über ihn den Kopf schüttelte, bevor ich mich bremsen konnte. Clay guckte mich irritiert an. Dann drehte er sich hastig nochmal zum Fenster, starrte angespannt hinaus und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Ungeduldig und ratlos stand ich im Raum und beobachtete meinen störrischen Patienten.
Nach einer Weile entschloss er sich zum Glück doch noch, sich weiter von mir behandeln zu lassen. Kurzentschlossen drehte er sich um und lief taumelnd zurück zu der breiten Liege in der Raummitte. Sein verletzter Oberschenkel war immer noch betäubt, darum fiel ihm das Laufen schwer. Trotzdem schaffte er es ohne weitere Zwischenfälle. Als er sich neben mich auf die breite Liege setzte und sich gleich darauf folgsam auf den Rücken legte, war ich sehr erleichtert. Ich ging mit schnellem Schritt um die Liege herum, nahm die rollbare Ablage mit und richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf Clays zerschnittenen linken Oberarm, den ich ausführlich studierte. Später säuberte ich die Wunde sorgfältig, desinfizierte sie und verabreichte ihm die vorbereitete Spritze. „Nur die örtliche Betäubung", erklärte ich Clay, als er mich fragend ansah. Konzentriert fing ich an zu arbeiten, sobald seine Schnittwunde betäubt war, was nur Sekunden später geschah. Ich entfernte mit einer Schere sorgfältig den halb abgerissenen schwarzen Faden und nähte danach sein zerschnittenes Fleisch ein weiteres Mal routiniert und schnell mit engen, gleichmäßigen Stichen zusammen. Während dieser Arbeit hatte ich mit wirren Gedanken zu kämpfen, die mich zunehmend belasteten und von meiner wichtigen Tätigkeit ablenkten. Mir wollte nicht recht einleuchten, warum mir diese Umarmung so sehr gefallen, warum ich sie immerzu vor Augen hatte. Der Gedanke an Clay Bantons unmittelbare Nähe, seine liebevollen, sanften Zärtlichkeiten, die mich merkwürdig berührten, irritierte mich sehr.
„Warum hast du mich umarmt?" fragte Clay mich in die Stille hinein, als hätte er meine Gedanken irgendwie gespürt. Während ich über diese Frage nachdachte, huschte ein kurzes Lächeln über mein Gesicht, als ich mich an seine drängenden Liebkosungen erinnerte. Mir wurde ganz warm. Erstaunt musste ich einsehen, dass ich ihm keine konkrete Antwort geben konnte. „Ich wollte es einfach", antwortete ich schließlich ganz leise und ziemlich ratlos. Zögernd hob ich den Blick und guckte ihn entschuldigend an. „Es tut mir leid, Clay", versicherte ich ihm und schaute gleich wieder auf seinen Arm. Clay holte unzufrieden Luft. „Die Umarmung tut dir leid?" entfuhr es ihm entgeistert. Ich schüttelte den Kopf, während ich krampfhaft weiter nähte. „Nein, es tut mir nur leid, dass ich dich damit so..." Ich suchte nach dem richtigen Wort. „...aufgewühlt habe", vollendete ich meine Erklärung. Clay blies spöttisch Luft aus. „Mann, du hast mich nicht aufgewühlt, Siamak. Du hast mich tierisch aufgegeilt!"stellte er in seiner einzigartigen, einnehmenden Unbefangenheit frei heraus klar und taxierte mich vorwurfsvoll. Ein weiteres Mal faszinierte und amüsierte es mich, wie absolut unverklemmt dieser junge Mann mit seiner eigenen Sexualität umging. Nur mit Mühe konnte ich mir ein Lachen verkneifen, während ich mich angestrengt auf seine Wunde fokussierte. „Lachst du mich aus?" knurrte er drohend, aber seine Stimme klang eher gekränkt dabei. Sofort hob ich kopfschüttelnd den Kopf, guckte ihn vielsagend an und legte ihm beruhigend meine Hand auf den Brustkorb. Sanft streichelte ich über seine Rippen, den weichen Stoff seines grauen Unterhemdes. Sein Herz schlug hart und schnell in seiner Brust. Er war unvermindert erregt. „Nein, Clay, ich lache dich nicht aus, natürlich nicht!" versicherte ich ihm ehrlich und lächelte gerührt, „Bitte, glaube das niemals von mir!" Clay betrachtete mich prüfend, schien mir jedoch glücklicherweise zu glauben. Ich zog meine Hand von seiner Brust, wandte mich wieder seinem Arm zu und vollendete die letzten Stiche.
Clay lag angespannt auf dem Rücken und schien innerlich mit sich zu kämpfen. Schließlich räusperte er sich nervös. „Siamak, hör mal...", fing er unschlüssig an. Ich war inzwischen fertig mit seinem Arm. Fragend warf ich ihm einen Blick zu, und er suchte hastig nach den richtigen Worten. „Du... musst doch gemerkt haben, wie sehr ich dich mag... du... törnst mich total an...", gestand mein Patient mir schüchtern und wartete gespannt auf meine Reaktion. Doktor Siamak Tourani war über diese Worte sehr viel schockierter, als er es hätte sein dürfen. Immerhin hatte ich doch schon bei Bantons erstem Besuch in der Notaufnahme seine Annäherungsversuche ganz genau registriert, und ich hatte sie auf eine amüsante Art zauberhaft gefunden. Allerdings war mir wohl nicht so recht klar gewesen, dass der Mann sein Flirten wahrhaftig ernst meinen könnte. Das tat er aber. Und ich wusste schon wieder nicht, wie ich darauf am besten reagieren sollte. Seine totale Unbefangenheit erschlug mich nahezu, faszinierte mich aber auch auf nie erlebte Weise.
Und abermals verhielt ich mich wie ein Feigling. Abwehrend schloss ich die Augen und presste die Lippen zusammen. Im nächsten Moment drehte ich mich von ihm weg und flüchtete zu dem Schrank hin, wo ich verwirrt nach Verbandsmaterial suchte. Am liebsten hätte ich Clays offenherziges Geständnis einfach ignoriert. Ich wünschte mir sehnlichst, er hätte seine unangebrachte Liebesbekundung einfach für sich behalten, denn ich wollte damit nicht konfrontiert werden. Seine Gefühle überforderten mich auf eine Art, die mir völlig neu war. Ich spürte eine nie gekannte Furcht in mir, meinen schwierigen Patienten mit meiner Antwort womöglich nochmal unberechenbar zu verärgern. Ich muss vorsichtig sein, grübelte ich nervös, er ist impulsiv und heute Abend extrem labil, seine Emotionen und Reaktionen sind völlig unvorhersehbar.
„Was sagst du dazu?" drängte Clay und richtete sich auf der Liege auf, um mich besser ansehen zu können. Verbissen beschäftigte ich mich am Schrank und reagierte nicht, weil ich dazu erst mal nicht in der Lage war. Ich musste mir sehr schnell etwas überlegen, aber mein Kopf schien seltsam leer zu sein. Auf keinen Fall wollte ich nochmal diesen stürmischen Zorn in Clay herausfordern, der zweifellos unter seiner Oberfläche lauerte. Aber ich hatte keine Ahnung, mit welcher Antwort ich das vermeiden konnte. Nervös holte ich Verbände und weißes Klebeband aus dem Schrank. „Sag doch bitte irgendwas!" rief Herr Banton hörbar verzweifelt. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass er auf der Liege saß, die Beine baumeln ließ und schon wieder nahe daran war, von der Liege zu springen, seine Klamotten anzuziehen und auf der Stelle zu verschwinden. Allein mein Zögern provozierte ihn offenbar schon. Die Situation wurde brenzlig, ich musste mich mit meiner Antwort beeilen.
Also tauchte ich kurzentschlossen aus dem Medikamentenschrank auf, schloss die Glastüren und ging mit den Verbänden in der Hand langsam auf ihn zu. Ich blieb vor ihm stehen und schaute ihn nachdenklich an. Dann holte ich Luft. „Ich fühle mich geschmeichelt, Clay, ehrlich! Aber ich interessierte mich nicht für Männer, okay?!" erklärte ich ihm zögernd so sanft wie möglich und hoffte dabei mit ganzer Seele, damit nichts Falsches gesagt zu haben. Ich spürte eine tiefe Unsicherheit, die ich im Umgang mit einem Patienten noch nie zuvor gespürt hatte. Das gefiel mir überhaupt nicht, und es passte auch gar nicht zu mir. Noch nie hatte mich ein junger Mann dermaßen verunsichert und aufgewühlt, schon gar nicht während meiner Arbeit im Krankenhaus.
Zu meiner Überraschung und Erleichterung streichelte Clay mir spontan tröstend über den Arm. Diese liebevolle Geste gab mir seltsamerweise Mut. „Ich bin verheiratet, Clay. Ich habe mit meiner Frau zwei Kinder", gestand ich dem Schwerverletzten, als müsste ich mich dafür entschuldigen, was ich selbst nicht begreifen konnte. „Schon okay", versicherte Clay mir schnell und streichelte zärtlich über meinen Bizeps. Ich spürte diese Berührung viel zu intensiv, genoss sie auf eine komische Art, und Herr Banton schien mir das irgendwie anzumerken. Er lächelte mich abschätzend, auffordernd an, während er unvermindert genussvoll meinen Arm streichelte. Einen Moment lag war ich ernsthaft versucht, meinen Patienten noch einmal innig zu umarmen, aber im letzten Moment rief ich mich energisch zur Ordnung. Es war jetzt endgültig genug! Auf gar keinen Fall durfte unser unangemessener Körperkontakt so weitergehen oder sich womöglich sogar steigern. Die kurze Vorstellung davon, was dann vielleicht noch alles zwischen Clay Banton und mir passieren konnte, versetzte mich unversehens beinahe in Panik.
Ich musste mich dringend mit irgendwas beschäftigen. Also legte ich einen der Verbände, die ich in der Hand hielt, auf die Ablage und riss von dem anderen die durchsichtige Plastikfolie ab. Dann wandte ich mich Clays frisch genähtem, noch gänzlich betäubtem linken Oberarm zu. „So, jetzt verbinde ich dich schnell", teilte ich ihm geschäftig mit, „Bitte sei sehr achtsam mit den Verbänden, Clay, denn wir wollen doch nicht, dass die Naht noch einmal aufreißt, nicht wahr?" Er antwortete nicht, beobachtete mich jedoch aufmerksam. Schnell wickelte ich einen neuen, sauberen und schneeweißen Verband um seinen Oberarm, fast ohne ihn dabei zu berühren. Die Enden der Stoffbahn klebte ich mit weißem Klebeband fest, was ich vorher von einer Rolle abgeschnitten hatte. „Stell dich bitte hin, Clay, dann verbinde ich noch eben die zweite Naht", forderte ich ihn freundlich lächelnd auf. Ich half ihm dabei, von der Liege zu rutschen.
Dann stand er dicht vor mir und wäre beinahe prompt eingeknickt, weil sein Bein betäubt war, sein Kreislauf abstürzte oder sich wegen des Alkohols das Zimmer um ihn drehte. Hastig hielt ich ihn fest, indem ich ihn am Arm packte, und schaute ihn forschend an. „Ist alles klar mit dir, Clay?" wollte ich leicht beunruhigt wissen und blickte ihm geradewegs in die Augen. „Ist dir schwindelig?" fragte ich ernsthaft, „Hast du Kopfschmerzen?" Clay schüttelte den Kopf. „Nein, geht schon...", murmelte er und kniff mehrmals die Augen zusammen, um sein Schwindelgefühl zu vertreiben. Davon war ich schon wieder gerührt, wollte mich aber von meinen unsinnigen Gefühlsregungen nicht länger irritieren lassen. Schnell ließ ich meinen Patienten los, schnappte mir den zweiten Verband von der Ablage und riss die Plastikfolie ab. „Du bist betrunken, Clay. Und du hast vor Kurzem trotz Methadon nicht wenig Heroin konsumiert", bemerkte ich beunruhigt. „Ja, das stimmt", gab er gleichgültig zu, konnte aber den aggressiven Unterton in seiner Stimme nicht verbergen. Ich seufzte schwer, weil mich sein gefährlicher Gleichmut in Bezug auf sein eigenes Leben unvermindert deprimierte. „Kannst du mir einen vernünftigen Grund dafür nennen?" forschte ich ernsthaft nach, während ich seine muskulösen Beine ein Stückchen auseinander schob und routiniert damit anfing, den Verband fest um seinen frisch genähten Oberschenkel zu wickeln. „Wie wäre es zum Beispiel mit einer Vergewaltigung, Siamak. Ist das ein guter Grund?" knurrte Clay geringschätzig und taxierte mich vorwurfsvoll.
Ich schaute nicht auf, konzentrierte mich ganz auf meine Tätigkeit, aber seine Worte gingen mir unglaublich nahe. Mein Hals schnürte sich zu bei dem Gedanken, welche grausamen Schrecken dieser junge Mann allein in den letzten Tagen erlebt hatte. Es frustrierte mich, dass ich rein gar nichts tun konnte, um ihn aus seiner brutalen Welt zu retten. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, in welchem lebensbedrohlichen Zustand, mit was für neuen, schwerwiegenden Verletzungen Clay Banton das nächste Mal in meiner Notaufnahme auftauchen würde. Krampfhaft hielt ich mich an meiner wichtigen Arbeit fest, um mich abzulenken. Schnell wickelte ich die weiße Stoffbahn straff um seinen Schenkel und ignorierte dabei selbstverständlich seine große Erektion in seiner Boxershorts, obwohl sie mich förmlich die ganze Zeit ansprang.
In nicht mal zwei Minuten war der Verband fertig. Auch diesmal klebte ich die Enden fest, zog mir die dünnen Handschuhe aus, warf sie auf die Ablage und richtete mich langsam auf. Ich blieb vor meinem einzigartigen Patienten stehen und betrachtete ihn ausführlich. Ich schaute mir seinen verletzten Hals mit den eindeutigen Bissspuren an, dann sein beinahe zartes Gesicht, guckte ihm tief in die ausdrucksstarken, grün-braunen Augen. Er ist wunderschön, dachte ich plötzlich verblüfft, und konnte es im gleichen Moment nicht fassen, dass mir ausgerechnet dieser Gedanke bei seinem Anblick gekommen war. Es amüsierte mich, dass Clay die unbestreitbare Tatsache, dass ich nicht schwul, verheiratet und Vater zweier Kinder war, anscheinend als völlig unerheblich einstufte. Der junge Mann wurde es einfach nicht müde, auf seine schüchterne Art mit mir zu flirten. Das verdutzte mich ein weiteres Mal. Clay Banton hatte so erstaunlich viel an sich, er tat so viele völlig unvorhersehbare Dinge, die mich überraschten, beunruhigten, ärgerten, erschreckten, aber auch oft zum Lachen brachten. Mir wurde bewusst, wie erfrischend lebendig ich mich die ganze Zeit in seiner Gegenwart fühlte. Das lag wohl daran, weil ich in seiner Nähe das ständige Gefühl hatte, unbedingt hellwach bleiben zu müssen, weil er immerzu unerwartete Sachen sagte oder tat. Weil alle seine starken Gefühle so unvermittelt und ungefiltert aus ihm heraus drängten. Herr Bantons Gesellschaft war erstaunlich anregend für mich. Seine Seele ist so sensibel, dachte ich tief bewegt, man muss vorsichtig mit ihm umgehen, denn man kann ihn kinderleicht verletzen.
Mit der Zeit machte Clay mein forschender Blick scheinbar nervös, denn er zog die Augenbrauen zusammen und musterte mich fragend. Ich lächelte aus tiefstem Herzen. „Es tut mir leid, Clay. Ich wollte dich wirklich nicht kränken", flüsterte ich mit einem engen Knoten in der Brust. Clay riss verblüfft die Augen auf. „Nein... ich...", wollte er abwiegeln, aber ich hob die Hände und schüttelte den Kopf. „Weißt du, ich würde so gerne noch sehr viel mehr für dich tun. Aber dazu bin ich nicht ausgebildet, und ich habe auch gar keine Zeit dafür", erklärte ich ihm sanft. Er starrte mich verwirrt an und atmete aufgeregt tief ein. Seine stark emotionale Reaktion war so rührend, dass mir ein weiteres Mal ganz warm ums Herz wurde. „Siamak", sagte Clay Banton konfus. Drängend streckte er die Hand nach mir aus, weil er mich wieder einmal anfassen wollte. Diesmal kam ich ihm zuvor, indem ich seine Hand ergriff, bevor sie mich erreichen konnte, und sie mit beiden Händen zart festhielt. Vorsichtig streichelte ich über seinen Handrücken, während ich ihn liebevoll anlächelte. Er sehnt sich so nach Zärtlichkeiten, dachte ich gerührt, er hat so viel Gewalt erlebt, dass er sogar die Nähe seines Arztes herbeisehnt. Er ist so unglaublich dankbar, wenn jemand nur nett zu ihm ist, stellte ich fest und fühlte mich ein weiteres Mal vom Charakter meines schwierigen Patienten förmlich erschlagen. Clay war einfach dermaßen außergewöhnlich, dass mir alles an ihm wie ein seltsames Wunder erschien.
Mein Blick fiel auf seine Hand, die ich sanft streichelte. Mit Schrecken und Betrübnis registrierte ich die frischen Wunden auf seiner hellen Haut, die von zu vielen Schlägen aufgeplatzten und verschrammten Knöchel. Seine Finger waren relativ lang und zart, die teilweise mit Erde verschmutzten Nägel sorgfältig kurzgeschnitten. „Du hast dich ganz schön gewehrt, nicht wahr, Clay?" stellte ich traurig fest und fuhr mit den Daumen einfühlsam über seine zweifellos erst vor Kurzem neu verletzten Fingerknöchel. Verdammt, er hat so entsetzlich viel Leid und Schmerz erlebt, dachte ich erneut mit aufkochender Wut und innerem Mitleid. Und er tut wahrhaftig so, als wäre überhaupt nichts passiert, lässt mich einfach seine Wunden nähen und das war's für ihn. Das ist nicht richtig, überlegte ich traurig und aufgeregt, das kann er unmöglich alleine verarbeiten. Er wird daran früher oder später zugrunde gehen, war ich mir völlig sicher. Ich seufzte nochmal und atmete tief ein. „Wenn du irgendwann therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen möchtest, Clay, ganz egal, was auch immer passiert ist, dann kannst du jederzeit hierherkommen. Wir haben hier im Christopherus-Krankenhaus hervorragendes Fachpersonal dafür, das kannst du mir glauben!" „Siamak", krächzte Clay flehend, weil er es kaum verpacken konnte, dass ich seine Hände streichelte. Es war offensichtlich, dass meine Berührung, so harmlos sie auch war, ihn direkt sexuell erregte. Ich lachte leise amüsiert und ließ ihn vorsichtig los.
„Hast du sonst noch irgendwelche Beschwerden?" fragte ich ihn betont seriös, um ihm Gelegenheit zum Abkühlen zu geben. Genervt stöhnend zog er seine Hand zurück und schüttelte den Kopf. „Okay, dann sind wir für heute wohl fertig. Es war richtig, dass du sofort hierhergekommen bist, Clay. Pass bitte gut auf deine Nähte auf. Und schone dich ein bisschen, du hast noch immer eine leichte Gehirnerschütterung", sagte ich und ging zum Schrank an der Wand. „Du kannst dich jetzt wieder anziehen", erwähnte ich nebenbei. Es fiel mir schwer, ihn gehen zu lassen. Das Gefühl, noch längst nicht genug für ihn getan zu haben, wollte einfach nicht verschwinden. Im Gegenteil, es schien immer stärker und gewichtiger zu werden. Leider stand es nicht in meiner Macht, noch etwas anderes für ihn zu tun. Aber das konnte ich in diesem Moment kaum akzeptieren. Clays verletzte Seele gehörte nicht in meinen Fachbereich. Auf seine sensible Psyche konnte ich keinen Einfluss nehmen, und das frustrierte mich sehr viel mehr, als es hätte sein dürfen.
Mein Patient machte einen Schritt auf die schmale Liege an der Wand zu und fiel im gleichen Moment fast hin, weil sich alles um ihn herum drehte und sein Bein unter ihm wegknickte. Nur mit Mühe krallte er sich an der breiten Liege fest, die protestierend laut schepperte. Ich stand mittlerweile am Schrank, fuhr bei dem Lärm zu ihm herum und rief erschrocken: „Sei vorsichtig, Clay, du bist betrunken! Und dein Oberschenkel wird noch eine Weile betäubt sein, sodass du nicht richtig laufen kannst." Clay machte zwei vorsichtige Schritte, bis sein Schwindelgefühl wohl nachließ. Schließlich erreichte er seine Klamotten ohne Zwischenfälle. Langsam zog er sich sein Hemd an und knöpfte es zu. Ich nahm die antibakterielle Salbe aus dem Schrank, ging zu ihm und drückte ihm die Packung in die Hand. Ich erklärte ihm genau, wie er sie anwenden musste, was ihm offensichtlich ziemlich peinlich war. Zu meinem Amüsement nickte er nur und steckte die Salbe schnell in sein Jackett. „Du kannst die antibakterielle Salbe auch für deine unzähligen Schnittwunden verwenden, Clay", schlug ich ihm freundlich vor. Er nickte noch einmal und wurde beinahe rot dabei, was wirklich süß war.
„Hast du heute die eine Antibiotika pünktlich genommen?" wollte ich gleich darauf wissen. Mein sorgloser Patient geriet sichtbar in Verlegenheit. Er hat die Tablette natürlich vergessen, glaubte ich ihm sofort anzumerken. Es wunderte mich überhaupt nicht, dass Clay Banton mit der zeitgenauen Einnahme von Medikamenten offenbar nicht zurecht kam. Dazu war er ganz einfach viel zu gedankenlos. „Wenn du die Antibiotika nicht ganz genau regelmäßig einnimmst, Clay, dann kann sie nicht mehr wirken. Es ist also nicht verkehrt, wenn du die Schnitte mit der Salbe behandelst, um einer Entzündung vorzubeugen", versuchte ich, ihn auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen. Clay hatte dermaßen viele Schnittwunden, dass es eine Katastrophe gewesen wäre, hätten diese Verletzungen sich auf seiner Haut auch noch entzündet. Aber leider reagierte mein bockiger Patient nur mit seiner dummen Wut auf meine gut gemeinten und enorm sinnvollen Hinweise. Seine Miene verdunkelte sich, und ich beschloss hastig, lieber den Mund zu halten, bevor er einen neuen Wutanfall bekommen würde.
„Wie lange arbeitest du schon hier?" fragte Clay Banton mich plötzlich. Er griff nach seiner Jeans, stieg vorsichtig hinein, zog sie behutsam hoch, stopfte seinen steifen Penis rein und knöpfte sie mühsam zu. Dann zog er seine Weste über und guckte mich fragend an, weil ich so lange keine Antwort gab. Doch ich brauchte noch einen langen Moment, um diese Frage zu verarbeiten. Schon wieder hatte er mich unvorbereitet getroffen. Seine spürbare Besorgnis an meinem Befinden rührte mich enorm. Das war einfach nur riesig nett von diesem Mann, dass er sich überhaupt um mich Gedanken machte, wo doch erder Schwerverletzte war. So etwas kam nur äußerst selten vor, dass ein Kranker sich um den Arzt Sorgen machte. Ich hatte es wahrlich noch nicht oft erlebt, dass mich ein Patient nach meiner Arbeit oder meinem Befinden fragte. „Seit zwei Jahren", verriet ich ihm gerührt lächelnd, ehrlich erstaunt über sein Interesse. „Und hier in der Notaufnahme? Wie lange hast du denn hier schon ununterbrochen Dienst?" wollte Clay besorgt von mir wissen. Er schaute mich mitfühlend an, als könnte er sich die oft sehr stressige Arbeit in der Notaufnahme bildhaft vorstellen. Es verblüffte mich, dass er sich über diese Dinge Gedanken machte, über seinen eigenen Gesundheitszustand aber offenbar nur herzlich wenig. Noch einmal kam ich zu dem Schluss, dass dieser junge Mann wirklich außergewöhnlich war.
„Wir arbeiten in der Notaufnahme immer 72 Stunden am Stück, Clay. Danach habe ich dafür zwei Tage frei", informierte ich ihn mit vor Rührung enger Kehle. „Du siehst so müde aus, Siamak. Du wirkst auf mich so erschöpft, deshalb", erläuterte Clay mitfühlend und fesselte mich mit seinem zweifellos höchst charmanten Blick, weil er schon wieder unbeirrt mit mir flirtete. Ich lächelte amüsiert und war tief bewegt. „Es ist nett von dir, dass du dir darüber Gedanken machst", erwiderte ich und meinte es ehrlich. Und dann passierte etwas, was ich mir auch im Nachhinein nicht erklären kann. Unvermittelt stand die Zeit still, während Clay Banton mutig seine Hand ausstreckte und ganz leicht über meine Wange streichelte. Augenblicklich war ich von dieser zarten Berührung paralysiert. Ganz still, bewegungslos stand ich dort, blickte meinen Patienten fasziniert an und ließ seine sanfte Berührung zu, was ich selbst kaum fassen konnte. Mein Kopf war schlagartig leer. In diesem Augenblick hatte ich keine Befürchtungen mehr. Es war, als würden sich plötzlich sämtliche Grenzen zwischen ihm und mir in Luft auflösen. Alles andere wurde seltsam gleichgültig und konnte mich nicht mehr erreichen. Weil es einfach nur wundervoll war, von Clay Banton gestreichelt zu werden.
„Vielleicht können wir uns ja mal treffen, wenn du zwei Tage frei hast", schlug mein Patient mir lächelnd vor. Dieser Satz riss mich mit einem Schlag aus meiner komischen Erstarrung. Verblüfft stutzte ich, riss die Augen auf, blies perplex lachend Luft aus und schüttelte fassungslos den Kopf. Himmel! Ich hatte ihm von meiner Frau und unseren Kindern erzählt, und trotzdem wollte Herr Banton mich offenbar dringend privat treffen! Ich war total perplex und wollte mich am liebsten ausschütten vor Lachen, so amüsant und liebenswert war das von ihm. Dieser seltsame junge Mann gefiel mir plötzlich so sehr, dass ich total verwirrt war und neue Sorgen in mir hochkamen. Er ist so wahnsinnig zärtlich, dachte ich konfus bei mir. Er hat etwas ganz enorm Liebevolles an sich, was mich unwillkürlich fesselt. Ich bin ihm total ausgeliefert, er hat mich in der Hand, kam mir nochmal in den Sinn. Der Gedanke beunruhigte mich.
Im nächsten Moment wich ich seiner liebkosenden Hand mit einer schnellen Bewegung aus und bückte mich nach seiner Krawatte, die auf der Liege hinter ihm lag, weil ich einfach irgendwas tun musste. Ich nahm die Krawatte auf und zeigte sie ihm. Sichtbar enttäuscht und verwirrt zog er seinen Arm ein. „Darf ich dir die umbinden?" fragte ich ihn höflich und lächelte besänftigend. Irritiert taxierte er mich und nickte dann zögernd. Fürsorglich band ich ihm die rote Krawatte um seinen von Bisswunden und einem roten Striemen verletzten Hals, machte einen perfekten Knoten und schaute ihn dabei gerührt an. Seine grün-braunen Augen blickten so voller Zuneigung zu mir, dass mir das Herz schwer wurde. Mit meiner ganzen Seele wollte ich ihm helfen, die drohende Gefahr, in der er offenbar völlig ahnungslos schwebte, irgendwie von ihm abwenden. Vielsagend schaute ich ihm in die Augen und flüsterte beschwörend: „Du musst ehrlich keine Angst vor einer stationären Therapie haben, Clay. Ich verspreche dir, dass du dich hier im Krankenhaus wohlfühlen wirst. Weißt du, die Menschen, die bei uns arbeiten, sind alle gut ausgebildete Profis. Und sie wollen dir alle nur helfen."
Leider reagierte mein unberechenbarer Patient völlig anders darauf, als ich es mir sehnlichst gewünscht hatte. Clay riss entsetzt die Augen auf, drehte sich in einer schnellen Bewegung von mir weg und griff hastig nach seinem Jackett, um es anzuziehen. Dann zog er sich in wilder Eile seine Schuhe an. Schon im nächsten Moment war er damit fertig, was angesichts seines betrunkenen Zustands erstaunlich war. Noch bevor ich reagieren konnte, wandte er sich von mir ab und humpelte mit betäubtem Oberschenkel zu Tür. Er riss die Tür auf und stürmte aus dem Zimmer. Clay Banton sah mich nicht mehr an und sagte dabei kein einziges Wort zu mir. „Nein, warte bitte!" rief ich ihm bestürzt zu, „Was ist denn los, Clay? Was ist passiert?" Aber er reagierte nicht mehr, ignorierte mich komplett. Er beeilte sich einfach nur, so schnell wie möglich von mir wegzukommen. Ich konnte ihn nicht aufhalten, obwohl mir dabei beinahe das Herz zerriss. Offensichtlich hatte ich einen neuen, schwerwiegenden Fehler gemacht. Ich hatte etwas zu ihm gesagt, was er nicht hatte hören wollen. Meine gut gemeinten Worte hatten ihn offenbar dermaßen in Panik versetzt, dass er nur noch vor mir flüchten konnte.
Clay Bantons überstürzter Aufbruch war zweifellos allein meine Schuld gewesen, das war mir auf der Stelle sonnenklar. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen, wie ich das verarbeiten sollte. In meiner Zeit als Arzt war mir noch nie ein derartiger Fehler unterlaufen. Und dieser hier schien nahezu verhängnisvoll zu sein. Noch niemals war ein mir anvertrauter Mensch vor mir davongelaufen. Clays Mangel an Vertrauen in mich, den er mir mit seinem Verhalten ins Gesicht geschlagen hatte, schockierte mich extrem. Noch nie hatte mich ein Patient wortlos, ohne die geringste Erklärung einfach stehenlassen. Allein stand ich in diesem Zimmer und hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte, wie ich mit dieser plötzlichen Situation umgehen sollte. Ich war so ratlos und vor den Kopf geschlagen, wie noch nie in meinem Leben. Ich hatte im Umgang mit dem schwierigen Patienten Clay Banton scheinbar vollkommen versagt, und diese Schuld lastete entschieden zu schwer auf mir.
Aber bevor ich in meiner Sorge um Clay, meinem Selbstmitleid, dem Entsetzen oder den Schuldgefühlen versinken konnte, trat schon Schwester Mia zögernd durch die offen stehende Tür in den Raum. Sie wies mich verwundert darauf hin, dass Clay wortlos an ihr vorbeigerannt wäre. Auf ihre Zurufe hätte er nicht reagiert. Schwester Mia fragte mich verunsichert, was passiert wäre. „Das ist schon okay", behauptete ich, obwohl es natürlich alles andere als okay war. In Wahrheit war es eine Katastrophe, deren Ausmaß ich noch gar nicht abschätzen konnte. Zu gerne wäre ich dem panischen Mann hinterhergerannt, hätte ihn zurückgeholt und ausführlich mit ihm geredet. Ich wollte ihn dringend in die psychiatrische Abteilung überweisen. Aber er war verschwunden. Ich hatte ihn abrupt verloren und es stand nicht in meiner Macht, jetzt noch irgendwas für ihn zu tun. Das war für mich viel schlimmer, als ich je vermutet hätte.
Aber trotz allem konnte ich mich schon nach kurzer Zeit auf meine Rolle als Notfallarzt besinnen, die nach wie vor dringend ausgefüllt werden musste. Mein Dienst war noch immer nicht zu Ende. Also wurde ich zwangsläufig wieder zu dem Herrn Doktor, der in der Notaufnahme benötigt wurde. Auf diese Weise gelang es mir sogar relativ leicht, meine mächtig aufgeflackerte Sorge um Clay Banton zur Seite zu schieben. Ich kümmerte mich einfach um die vielen verschiedenen Menschen, die alle schon lange im Wartezimmer auf meine Hilfe gewartet hatten. Durch meine alleinige Fixierung auf die gesundheitlichen Probleme anderer, konnte ich meine widersinnigen Gedanken rund um die plötzliche, mir vollkommen unverständliche Flucht von Banton recht gut verdrängen. Als erfahrener Profi ließ ich es natürlich nicht zu, dass diese quälenden Gedanken mich bei der Arbeit ernsthaft ablenkten. Meine Tätigkeit als Arzt war schlichtweg viel zu wichtig und verantwortungsvoll, als dass ich sie jemals halbherzig ausgeführt hätte. Aber die hartnäckigen Sorgen lauerten seit Bantons panischer Flucht unaufhörlich in meinem Hinterkopf. Dagegen war ich machtlos. Selbstverständlich analysierte ich im Kopf meine zahlreichen Fehler, fühlte ich mich dumm und schuldig und fragte mich immer wieder verständnislos, was an meinem völlig unverbindlich gemeinten Vorschlag, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben, den unberechenbaren Mann denn bloß so dermaßen schockiert haben konnte.
Die Stunden vergingen schnell, denn sie waren für mich ausgefüllt mit den verschiedensten Krankheiten und Verletzungen, den unterschiedlichsten Patienten. Der Montag neigte sich langsam seinem Ende zu, und damit auch meine 3-Tages-Schicht in der Notaufnahme. Das Wartezimmer leerte sich, inzwischen war die Nacht schon weit fortgeschritten. Und dann erhielt ich plötzlich noch einen unvorhersehbaren Anruf. Das Display des Telefons in meinem Raum zeigte mir, dass es die Anmeldung war. Das ist schon mal kein gutes Zeichen, dachte ich spontan und nahm das Gespräch an. „Ich habe hier die Polizei für Sie in der Leitung!" informierte mich der junge Mann, der zur Zeit in der Vermittlung arbeitete, und verband mich nach meinem Okay gleich weiter. „Notaufnahme. Doktor Tourani", meldete ich mich routinemäßig. Mein überraschender Gesprächspartner war tatsächlich ein Polizist. „In ein paar Minuten bringen wir Ihnen einen Patienten", teilte der Mann mir gelassen mit. „Es handelt sich um einen circa dreißigjährigen Mann, der vollkommen außer Kontrolle geraten ist. Wir vermuten, dass er eine Überdosis irgendeines zu starken, unbekannten Halluzinogens erwischt hat, aber seine Freundin streitet das ab. Die junge Frau war es auch, die den Krankenwagen angefordert hat. Der Notarzt hat dann allerdings uns verständigt. Er konnte nichts für diese Person tun, weil er gar nicht an ihn herankam. Die Freundin behauptet, dass ihr Freund plötzlich ohne ersichtlichen Grund zu Hause durchgedreht sein soll." Im Hintergrund konnte ich jemanden laut schreien hören, daher fragte ich alarmiert: „Ist der Mann aggressiv?" Daraufhin stieß der Polizist ein kurzes, freudloses Lachen aus. „Selten habe ich jemanden noch aggressiver erlebt", meinte er gleichgültig. „Wir sind jetzt gleich am Krankenhaus", erwähnte er cool. „Okay, ich bereite alles vor", sagte ich zu ihm. Damit war das kurze Gespräch beendet.
Sofort rief ich in der Psychiatrie an und informierte die Station über den höchstwahrscheinlich zu erwartenden Patienten. Dann stand ich auf und ging hinüber in Behandlungsraum drei. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet dieses Zimmer wählte, denn zu diesem Zeitpunkt waren alle Räume frei. Auf dem Weg wies ich Schwester Mia und Pfleger Dirk an, mir bitte mit dem Patienten zu helfen, der gleich eingeliefert werden würde. Ich informierte sie über den voraussichtlichen Zustand des Mannes, um den wir uns kümmern mussten. Im Behandlungsraum bereitete ich vorsorglich eine hoch dosierte Beruhigungsspritze vor.
Und dann ging auch schon das Geschrei auf dem Flur los. „Das dürft ihr gar nicht! Nein!" brüllte jemand aus voller Kehle, „Ihr dürft mich nicht zwingen! Ich bin nicht eure Schlampe!" Diese Stimme erkannte ich auf Anhieb, weil ich sie erst vor wenigen Stunden in verschiedener Lautstärke gehört hatte. Blitzartig zog sich krampfhaft alles in mir zusammen. Womöglich blieb sogar mein Herz vor Schreck ein paar Sekunden lang einfach stehen. Mein abruptes Entsetzen war jedenfalls umfassend und wahrhaftig schmerzhaft fühlbar. Mister Clay Banton war unerwartet schnell ins Krankenhaus zurückgekehrt. Er kam ein weiteres Mal mitten in der Nacht zu mir. Und genau wie bei unserer ersten Begegnung, kam er auch diesmal nicht freiwillig. Nur, dass er sich dieses Mal noch sehr viel heftiger dagegen sträubte.
Wenige Sekunden später tauchten in der Tür drei uniformierte Polizisten auf, die in ihrer Mitte einen mit den Händen auf dem Rücken gefesselten Mann mit sich mehr trugen als zerrten. Der junge Mann gebärdete sich, wie ein Tollwütiger. Er zappelte wild herum, strampelte, fluchte und schrie ohne Unterlass. Schwester Mia hatte den Besuchern den Weg zu mir gezeigt und sie zu Behandlungszimmer drei begleitet. Vor den vier Männern lief pausenlos eine sichtbar aufgeregte, ziemlich kleine Frau mit langen, dunkelroten Haaren herum. Das Mädchen war kaum erwachsen, fast noch ein Teenager. Ich schätzte sie auf allerhöchstens 20 Jahre alt. „Clay! Hör doch mal! Bitte! Beruhige dich! Niemand tut dir was! Bitte, Clay! Wir wollen dir doch nur helfen!" Ihre Stimme klang extrem besorgt, sie stand unter Hochspannung. Unverdrossen sprach sie auf Clay ein, der sie aber offensichtlich nicht mal registrierte. Verzweifelt bat sie die Polizisten, ihm doch bitte nicht wehzutun.
Die kleine Gruppe bewegte sich gemeinsam in das Zimmer hinein. Pfleger Dirk schaute mich fragend an. Eigentlich hätte er die aufgelöste junge Frau jetzt auf meine Anweisung hin hinausbegleiten müssen, denn aufgeregte Angehörige sollten in solchen Fällen lieber auf dem Flur warten. Doch ich dachte nicht einmal daran. Denn meine ganze Aufmerksamkeit fokussierte sich unwillkürlich auf den aus irgendeinem rätselhaften Grund scheinbar emotional förmlich explodierten Menschen zwischen den drei Beamten. „Das dürft ihr gar nicht!" wiederholte er immer wieder schreiend, „Ihr dürft mich nicht zwingen! Lasst mich sofort los! Lasst mich in Ruhe! Ihr dürft das nicht tun! Ihr müsst mich sofort loslassen!" Er knurrte enorm zornig, fauchte aggressiv, wand sich mit erstaunlicher Kraft und zappelte energisch im engen Griff der Polizisten herum. Die starken Männer hielten ihn jedoch routiniert sicher gepackt. Sie wussten mit seiner Wut umzugehen. Bestimmt hatten sie so etwas schon öfter erlebt.
Obwohl Clays unsteter, wirrer Blick mich mehrmals direkt traf, schien er dennoch nichts um sich herum richtig wahrzunehmen. Er erkannte mich nicht. Clay Banton erkannte niemanden mehr. Offensichtlich wusste er nicht einmal, wo er sich gerade befand. Seine grün-braunen Augen waren vor Panik weit aufgerissen, seine schwarzen Pupillen zuckten nervös hin und her. Er hatte nichts als ein schwarzes Unterhemd und eine schwarze Jeans an. Seine Füße waren nackt. Fassungslos registrierte ich, dass der sinnvoll schützende Verband, den ich ihm doch erst vor wenigen Stunden um seinen zerschnittenen linken Arm gewickelt hatte, inzwischen schon wieder verschwunden war. Meine sorgfältig gestochene, schwarze Naht seiner tiefen Wunde lag zu meiner Betrübnis völlig frei. Das ärgerte mich, weil es leichtsinnig und total unnötig war. Gerade jetzt, in dieser gewalttätigen Situation, hätte Clay den Verband dringend gebraucht. Denn der extrem aggressive Mann bewegte sich widerspenstig, heftig und ruckartig. Er fokussierte seine ganze Kraft darauf, sich aus dem Griff der Polizisten zu befreien, sodass die Männer ihn unentwegt mit hartem Griff festhalten mussten. Und natürlich hatten sie ihn besonders fest an den Oberarmen gepackt, genau in Höhe seiner Verletzung. Mit Sorge bemerkte ich, dass meine schon zweimal achtsam hergestellte Naht in großer Gefahr war, von der Polizei unabsichtlich beschädigt zu werden.
Der felsenfeste Griff um seinen verletzen Arm musste Clay sehr wehtun. Aber offensichtlich spürte er in seiner derzeitigen Verfassung keinerlei körperlichen Schmerz. Sein wirrer Kopf bewegte sich schnell, hektisch, ängstlich suchend in alle Richtungen. Ich blieb direkt vor ihm stehen und schaute abschätzend in sein aufgelöstes Gesicht. Ich fühlte mich angespannt, war höchst konzentriert auf diesen rätselhaften Fall, den ich inständig hoffte lösen zu können. Irritiert spürte ich, dass Clay Bantons erschreckender Zustand mich sehr viel mehr schmerzte, als ich es je bei einem Patienten erlebt hatte. Dass der selbe Mann, mit dem ich gelacht und geredet, der mich noch vor wenigen Stunden begierig an sich gedrückt und überaus zärtlich gestreichelt hatte, mich jetzt plötzlich nicht mal mehr erkannte, tat mir sogar so enorm weh, dass ich es kaum ertragen konnte.
Aber ich zwang mich dazu, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Das besorgte Mädchen guckte mich unglücklich an und ging einen Schritt beiseite. Automatisch richtete sie ihre ganze Hoffnung auf Heilung auf mich. Das war ich gewohnt, weil ausnahmslos alle Angehörigen von Kranken oder Verletzten sich so verhielten. Sofort befand ich mich vollständig in meiner vertrauten Rolle als Arzt. Ein prüfender Blick in Clays irre winzige Pupillen verriet mir, dass er stark unter Drogeneinfluss stand und mental gar nicht anwesend war. „Was ist passiert?" fragte ich die junge Frau, ohne meinen Blick von Clay zu nehmen. Mir fiel auf, dass seine strubbeligen Haare und das Hemd nass waren. Die Frau seufzte schwer. „Ich weiß es doch auch nicht!" jammerte sie, „Plötzlich ist er immer stärker weggedriftet, bis er mich schließlich gar nicht mehr erkannt hat!" „Was war der Auslöser?" forschte ich weiter nach, „Hat er vielleicht LSD oder Ecstasy genommen?" Vehement schüttelte sie den Kopf. „Das war auch unser erster Verdacht!" bemerkte einer der Polizisten, „Allerdings hat unser Drogen-Schnelltest nichts dergleichen angezeigt. Offenbar sind nur Opiate und Alkohol in seinem Blut." Ich nickte dem Mann zu und wandte mich wieder an das rothaarige Mädchen. Mir war klar, dass nur die Frau mir eventuell etwas von Wichtigkeit erzählen konnte. Ich vermutete, dass sie Clays neue Freundin war, womöglich die Beziehung, die er nach der Trennung von Eliza eingegangen war. Immerhin war sie anscheinend die einzige Person in diesem Raum, die Clays merkwürdige Verwandlung miterlebt hatte. Aber das Mädchen wehrte sich heftig gegen meine Annahme, dass ihr Freund halluzinogene Drogen zu sich genommen hätte. Sie blieb beschwörend bei ihrer Aussage, dass das nicht der Fall gewesen wäre.
„Clay!" sprach ich ihn später mit fester Stimme an und beobachtete angespannt seine Reaktion, „Clay?Hörst du mich? Weißt du, wo du bist? Was ist passiert?" „Sie kennen diesen verrückten Typen?" fragte einer der Polizisten mich verblüfft. Ich nickte beiläufig, behielt dabei aber aufmerksam den akut kranken Mann im Auge. Clay hatte mich sehr wohl gehört, denn sein Kopf zuckte sofort in meine Richtung. Eine Weile schien es, als wolle er mich interessiert fixieren, war dazu aber nicht mehr richtig in der Lage, denn seine Pupillen gehorchten ihm offenbar nicht. „Du darfst das nicht tun!" schrie er mich plötzlich wütend an, „Du musst mich loslassen, du Wichser! Fick dich! Ich bin nicht deine Schlampe! Lass mich in Ruhe, scheiß Arschloch!" Er schnaufte verächtlich und spuckte mir ohne Vorwarnung mitten ins Gesicht. Voller höhnischer Verachtung starrte er mich triumphierend an. Erschrocken machte ich zwei Schritte rückwärts und wischte mir mit den Fingern den Speichel aus der Visage. Der verwirrte Mann knurrte und fing wieder an zu zappeln und zu schreien. Er versuchte wahrhaftig so aggressiv, gezielt nach mir zu treten, dass die Beamten ihn nur noch mit Mühe festhalten konnten.
Kurzerhand drehte ich mich um und ging zur Ablage, wo die gefüllte Beruhigungsspritze zum Glück schon bereitlag. Ich zwang mich dazu, mir mein spontan mächtiges Entsetzen vor den anderen nicht anmerken zu lassen. Denn ich, Siamak Tourani, war hier der Herr Doktor. Ich trug in diesem Zimmer die alleinige Verantwortung und musste zu jeder Zeit Ruhe und Kompetenz ausstrahlen. Kontinuierlich musste ich jede Situation vollständig im Griff haben. Normalerweise gelang mir das auf der Arbeit immer problemlos. Aber in diesen paar Minuten hatte ich schwer mit meiner zugewiesenen Rolle zu kämpfen.
Ich hatte nämlich gerade sehr intensiv in Clay Bantons grün-braune Augen gesehen, und das war wie ein Blick in abgrundtiefe, pechschwarze Abgründe gewesen. Das war wie ein Blick in die verdammte, angsteinflößende und unergründliche Hölle gewesen! Der einnehmend freundliche junge Mann mit den starken Emotionen in seinen Augen, der mich auf unendlich viele Arten überrascht, mich amüsiert und fast unbemerkt fasziniert, mich zärtlich liebkost und subtil-schüchtern mit mir geflirtet hatte, befand sich nicht mit uns in diesem Raum. Der Clay Banton, den ich kannte, war noch nicht mal in der Nähe. Die Person, die laut schreiend, fluchend, tretend und zappelnd auch von drei Polizisten kaum noch in Schach gehalten werden konnte, war ein vollkommen Fremder. Diesen irrsinnig aggressiven Mann hatte ich vorher noch nie gesehen, war ihm noch nie in meinem Leben begegnet. In diesem Moment war ich mir nicht mal mehr sicher, ob er überhaupt noch ein Mensch war. Denn durch seine tiefgründigen Augen hatte mich gerade eben zweifellos ein gefährlicher, dunkler und unfassbar zorniger Dämon angestarrt. Diese Kreatur hasste aus tiefster Seele einfach alles und jeden um sich herum. Er machte keine Unterschiede mehr und war absolut bereit zu töten. Der Dämon war ganz ohne Zweifel eine Gefahr für sich und andere.
Ich brauchte einen langen Moment, um diese schreckliche Wahrheit, diese absurde Situation, auf die ich in keinster Weise vorbereitet gewesen war, verarbeiten zu können. Zweimal atmete ich tief durch und nahm dann kurzentschlossen die Spritze. Ich bat Pfleger Dirk um seine Hilfe. Gemeinsam näherten wir uns behutsam dem schreienden Dämon, der unvermindert mit erstaunlicher Energie und Kraft tobte. Das Mädchen versuchte schon wieder hörbar verzweifelt, irgendwie zu Clay durchzudringen. Jedoch scheiterte die Kleine auf ganzer Linie, denn ihr Freund beschimpfte und verfluchte sie nur und nahm sie ansonsten kaum wahr. Schließlich gab sie es deprimiert auf. Tränen der Besorgnis liefen aus ihren Augen, die sie verstohlen wegwischte. Die drei Polizisten schafften es auf meine Bitte hin irgendwie, dass Banton nicht länger so wild herumzappeln konnte. Sie verdrehten ihm überaus schmerzhaft die gefesselten Arme, packten ihn hart im Nacken und hielten ihn felsenfest. Diese Behandlung gefiel ihm überhaupt nicht, denn sein zorniges Gebrüll wurde nur noch um einiges lauter. Auch das Zufügen von Schmerz konnte ihn in seiner schlicht übermenschlichen Wut nicht bremsen, ganz im Gegenteil. „Das dürft ihr gar nicht!" wiederholte er immer wieder zornentbrannt. „Ihr verdammten Arschlöcher! Ich bin keine Schlampe! Ihr müsst mich sofort loslassen, verfickt nochmal!"
Während Dirk und Mia den unverletzten rechten Arm so gut es ging festhielten, verabreichte ich der wütenden Kreatur blitzschnell und routiniert die Spritze in das Fettgewebe in der Nähe seines Bizeps. Zu unser aller Glück und grenzenloser Erleichterung beruhigte das von mir sorgfältig ausgewählte, ziemlich starke Medikament ihn tatsächlich. Innerhalb von höchstens zehn Sekunden verstummte der Dämon schlagartig mit einem leisen Röcheln, seine Beine knickten kraftlos ein, seine Augen schlossen sich, der zum Zerreißen angespannte Körper erschlaffte. Der völlig außer Rand und Band geratene Mann schlief jählings ein. Das war genau die Reaktion, die ich beabsichtigt, erwartet und mir erhofft hatte. Die einsetzende Stille im Behandlungsraum drei tat uns allen nach dem pausenlosen Lärm erstaunlich gut. Aufatmend und belustigt kichernd hoben die drei starken Polizisten Clays schlaffen, leblosen Körper hoch und legten ihn auf meine Anweisung hin auf der Liege in der Raummitte ab. Dann entfernten sie die überflüssig gewordenen Handschellen. Als Nächstes baten sie mich, einige Papiere zur Zwangseinweisung zu unterschreiben. Auch die junge Frau musste noch eine kurze Erklärung der Vorkommnisse unterschreiben. Bald darauf verabschiedeten sich die uniformierten Männer und verließen gemeinsam die Notaufnahme.
Für einen Augenblick konnte ich meine Augen schließen, um neue Kraft zu sammeln, was dringend notwendig geworden war. Im nächsten Moment schickte ich das Krankenpersonal aus dem Zimmer. Dirk und Mia gingen folgsam hinaus und schlossen hinter sich die Tür. Ich war mit dem unverändert aufgelösten Mädchen und dem tief schlafenden Clay allein. „Wie heißen Sie?" fragte ich die junge Frau behutsam. „Kim Flint", schniefte sie traurig. „Und in welcher Beziehung stehen Sie zu Clay?" interessierte mich. Sie betonte nicht ohne Stolz, dass sie Clay Bantons feste Freundin wäre, was ich ja ohnehin schon vermutet hatte. „Okay, Kim. Es ist alles gut. Sie müssen sich jetzt keine Sorgen mehr machen. Ich bin Doktor Tourani. Bitte erzählen Sie mir nochmal ganz genau, was eigentlich passiert ist", forderte ich sie sanft auf. Kims Augen waren angstvoll aufgerissen und leuchteten im Neonlicht auffallend grün. Ich bemerkte die Panik in ihrem Blick, sie stand eindeutig unter Schock. Vielleicht sollte ich ihr auch eine Beruhigungsspritze geben, zog ich kurz in Erwägung, verwarf die Idee aber gleich wieder, als sie anfing zu erzählen. Das Mädchen war tapfer, sie hatte sich im Griff.
„Ich war mit Clay allein in seiner Wohnung. Plötzlich hat er mich nicht mehr erkannt. Er hat immerzu geschrien, dass man ihn in Ruhe lassen soll. Und er konnte sich in seiner eigenen Wohnung auch gar nicht mehr orientieren. Er hat zu viel Whiskey getrunken und ist hilflos in den Zimmern herumgeirrt, als würde er etwas suchen. Ich bekam Angst und wusste mir irgendwann nicht mehr anders zu helfen. Also habe ich einen Krankenwagen angefordert. Aber die haben dann die Polizei verständigt, weil Clay so aggressiv war und sie gar nicht an sich herangelassen hat", informierte sie mich mit gefasster Stimme. Das Mädchen betrachtete den reglos auf der Liege schlafenden Mann mit einer so großen Sorge und nahezu grenzenloser Liebe in ihren jungen Augen, dass ich von so viel Zuneigung richtig gerührt war.
Langsam bewegte ich mich zu Banton hin und überprüfte seinen mir mittlerweile vertrauten, durchtrainierten, aber unverändert verletzten Körper auf neue Blessuren oder Auffälligkeiten. Die Naht an seinem Oberarm hatte die gefährlich raue Behandlung wider Erwarten schadenfrei überstanden. Ich fand einen neuen Einstich in seiner Armbeuge, der eindeutig von einer Spritze stammte. Er hatte sich höchstwahrscheinlich noch mehr Heroin gespritzt, was mich unendlich betrübte. Ansonsten konnte ich aber vordergründig keine weiteren Verletzungen feststellen. Dann kontrollierte ich seinen Blutdruck und den Puls. Zum Glück war alles im grünen Bereich. Der Mann schlief ruhig und fest, seine Vitalfunktionen normal, die Augen waren geschlossen. Sein deutlich von zu viel Alkohol geschwängerter Atem ging regelmäßig. Mir war vollkommen klar, was ich jetzt tun musste. Das war mir von Anfang an klar gewesen. Tatsächlich hatte ich ähnliche Fälle schon erlebt, wenn auch nicht in dieser erschreckenden Intensität. Bisher war jedoch jedes Mal verhängnisvolles Rauschgift mit im Spiel gewesen. Halluzinogene Drogen hatten Menschen in Dämonen verwandelt. Und immer waren meine Arbeitsschritte die gleichen gewesen. Unmöglich konnte ich den kranken, unberechenbaren Mann zurück in die Obhut dieses kleinen Mädchens geben. Denn ich konnte schlicht nicht abschätzen, wie er reagieren und in welcher Verfassung er sein würde, wenn er wieder aus seinem hoffentlich langen und erholsamen Schlaf erwachen würde. Nein, es gab für mich nur eine einzige verantwortungsbewusste Möglichkeit, und die gefiel mir sehr viel besser, als ich mir selbst angesichts dieser traurigen Situation eingestehen wollte.
Nachdem ich Clays Körper augenscheinlich untersucht hatte, wandte ich mich zurück an die junge Frau. „Und das ist also einfach so passiert? Urplötzlich? Ohne ersichtliche Ursache?" hakte ich zweifelnd nach. Sie blickte mich fest an und nickte. „Ja, es gab keinen Anlass. Er ist einfach durchgedreht", behauptete sie ein bisschen stur. Tief drinnen konnte ich ihr das allerdings nicht glauben, denn ihre Behauptung war schlicht seltsam, wenn nicht sogar zweifelhaft. Ich beschloss, auf jeden Fall eine Blutuntersuchung anzuordnen, um Clays Körper auf jedwede Drogeneinwirkung hin genau überprüfen zu lassen. „Können Sie sich denn vielleicht denken, was mit ihm geschehen ist, Kim? Welchen Grund könnte es geben? Was war es, das ihn so entsetzlich wütend gemacht hat? Was vermuten Sie?" versuchte ich vorsichtig, noch ein paar hilfreiche Informationen zu erhalten. Kim wich meinem forschenden Blick aus und schluckte unbehaglich. Sie brauchte eine Weile, um sich schließlich einen Ruck zu geben. „Ich fürchte, dass Clay irgendwann in seinem Leben sexuell missbraucht worden ist. Vermutlich schon als Kind", verriet sie mir zu meiner Verblüffung plötzlich leise. Dann schaute sie mich unglücklich an.
Diese Aussage hatte ich bestimmt nicht erwartet. Sie traf mich abrupt total unvorbereitet viel zu tief in meiner Seele. Aus irgendeinem Grund war mir auf der Stelle klar, dass Kim Flint mit ihrer Befürchtung sehr wohl völlig richtig liegen konnte. Zweifellos hatte Banton mit schlimmen Traumata zu kämpfen. Und das tat mir sehr viel heftiger weh, als es angemessen war. Ich wusste ja, dass Clay Banton in den letzten zwei Tagen zusammengeschlagen, böse geschnitten und vergewaltigt worden war. Und vielleicht hatte sein Martyrium tatsächlich schon in seiner Kindheit begonnen. Verdammt nochmal, was musste dieser liebenswerte, freundliche Mann wohl in seinem doch erst so kurzen Leben alles durchmachen, dachte ich entsetzt, während ich einen schnellen, extrem mitleidigen Blick auf den friedlich schlafenden Clay warf.
„Wie kommen Sie denn ausgerechnet darauf?" fragte ich Kim fassungslos. Mein Hals war eng, ich musste nach Luft ringen. Zu meiner Überraschung wurde das Mädchen blitzartig dunkelrot im Gesicht und drehte sich beschämt von mir weg. „Ich vermute es einfach... weil er davon redet, keine Schlampe zu sein...", murmelte sie verlegen. Es war offensichtlich, dass ihr etwas extrem peinlich war. Nach kurzer Überlegung kam ich darauf, dass ihre Verlegenheit eventuell etwas mit Sex zu tun haben konnte. Clay und dieses Mädchen hatten gerade Sex, als er die Kontrolle über sich verlor, glaubte ich zu verstehen und war ehrlich baff. Ich konnte mir nicht recht vorstellen, wie genau sich diese Verwandlung von Clay wohl vollzogen hatte, was konkret der Auslöser dafür gewesen war. Aber Kim signalisierte mir deutlich, dass sie auf gar keinen Fall mit mir über ihre privaten Intimitäten mit Banton reden wollte. Die junge Frau schämte sich deswegen offensichtlich fast zu Tode. Also hakte ich diskret nicht weiter nach.
„Okay, ist schon gut, Kim. Das, was mit Clay passiert ist, war auf keinen Fall Ihre Schuld. Sie sollten jetzt nach Hause gehen. Hier wird gut für ihn gesorgt", sagte ich freundlich zu der jungen Frau und lächelte sie beruhigend an. Alarmiert taxierte sie mich. „Nein! Ich kann doch jetzt nicht nach Hause gehen! Ich möchte bei Clay bleiben! Ich muss doch unbedingt für ihn da sein, wenn er wieder aufwacht!" rief sie widerspenstig. Das Mädchen war richtig empört über meine gut gemeinte Aufforderung. Der Gedanke, Banton in dieser Situation zu verlassen, entsetzte sie offenbar enorm. Ich lächelte gutmütig. „Hören Sie mal, Kim. Sie können jetzt ehrlich nichts mehr für Clay tun. Sie haben sich völlig richtig verhalten, aber jetzt sind wir an der Reihe. Clay wird gleich in die Psychiatrie gebracht. Dort werden die Ärzte und Pfleger ihn die ganze Nacht im Auge behalten. Und wenn er aufwacht, wird er sich hoffentlich schon wieder erholt haben. Rufen Sie morgen in der Station an, ob er schon aufgewacht ist. Dann können Sie ihn bestimmt auch sofort besuchen, okay?" Meine Stimme war ruhig, beschwichtigend und freundlich, denn ich war es gewohnt, mit aufgeregten Angehörigen umzugehen. Sie sträubte sich aber noch ein wenig, indem sie betonte, dass sie ihren Freund auf keinen Fall alleinlassen wollte. Ihre bedingungslose Loyalität rührte mich. Mit sanfter Überredungskunst gelang es mir letztendlich aber doch, die kleine, auffallend schlanke, sehr junge Frau dazu zu bringen, das Krankenhaus vorerst zu verlassen und ihren geliebten Freund unserer fachlichen Obhut zu überstellen.
Nachdem Kim Flint gegangen war, überprüfte ich noch einmal die Vitalfunktionen meines Patienten. Dann forderte ich zwei Pfleger aus der geschlossenen Psychiatrie an, die den betäubten Mann abholen und auf ihre Station bringen sollten. Ich schrieb einen Untersuchungsbericht mit meinen Anweisungen für die Kollegen in der Psychiatrie. Alles ging seinen gewohnten Gang, und Clay wurde schon kurz darauf abgeholt. Unverändert friedlich schlafend rollte Herr Banton auf der Liege davon. Ich erkannte in den beiden Pflegern, die ihn mit sich nahmen, die Männer, die in der Samstagnacht auf Elizas Bitte hin vor der Tür zu Behandlungsraum drei gewartet hatten. Ich sprach kurz mit ihnen und gab ihnen einige Anweisungen und Empfehlungen mit. Ich betonte ausdrücklich, dass Clay ständig überwacht werden müsse und höchstwahrscheinlich verwirrt aufwachen würde. Später schrieb ich in meinem Raum einen kurzen Bericht über die Umstände dieser nächtlichen Zwangseinweisung und Clays derzeitigen Zustand. Ich begründete meine Entscheidung, ihn der geschlossenen Psychiatrie zu überantworten, mit meinem Verdacht auf halluzinogene Drogeneinnahme oder frühkindliche Traumata. Ich schlug dringend eine umfassende psychotherapeutische Behandlung des Patienten vor. Den Bericht schickte ich per Intranet an die entsprechende Dienststelle.
Danach war urplötzlich alles getan, und ich hatte das Gefühl, zum ersten Mal nach einer sehr langen Zeit wieder richtig durchatmen zu können. Allein saß ich auf dem Stuhl in meinem Raum und entspannte mich. Meine Gedanken waren jetzt erstaunlich ruhig. Die Gewissheit, dass Clay Banton sich in diesem Moment, durch eine seltsame Fügung des Schicksals, ganz genau dort befand, wo ich ihn doch schon so lange hatte sehen wollen, gab mir ein Gefühl der Befriedigung. Der auf vielerlei Arten kranke Mann hielt sich in der Psychiatrie auf, wo die gut ausgebildeten Fachleute sich umfassend um seine verletzte Seele kümmern konnten. Ich hatte Clay doch noch helfen können. Erst jetzt hatte ich alles für ihn getan, was in meiner Macht als Allgemeinmediziner stand. Das fühlte sich für mich an, als hätte ich meine vorherigen, verhängnisvollen Fehler im Umgang mit dem schwierigen Patienten wieder ausbügeln können. Als würde jetzt tatsächlich und endlich alles gut werden.
Meine spontane Zufriedenheit war natürlich naiv und voreilig. Tief drinnen ahnte ich das, aber ich gab mich trotzdem gerne dieser Illusion hin. Ab sofort würde richtig für Herrn Banton gesorgt werden. Endlich bekam Elizas Exfreund die fachliche Hilfe, die er zweifellos sehr dringend benötigte. Trotz der schockierenden Vorkommnisse in der nächtlichen Notaufnahme, fühlte ich mich zu meinem eigenen Erstaunen beruhigt und zufrieden. Natürlich machte ich mir auch Sorgen um Clay und fragte mich, was genau denn wohl mit ihm geschehen war. Woher sein unglaublicher Zorn, der aus irgendeinem Anlass in ihm explodiert war, überhaupt stammen konnte. Aber in diesem Moment war ich mir sicher, dass die examinierten Psychologen des Christopherus-Krankenhauses diesem rätselhaften Phänomen erfolgreich auf den Grund gehen würden.
Den Rest dieser Nacht hatte ich wahrhaftig nichts mehr zu tun. Das Wartezimmer war leer, niemand brauchte meine Hilfe. Darum legte ich mich aufs Ohr und schlief erschöpft ein. Kein Notfall störte meinen Schlaf, bis meine Schicht endete. Schließlich hatte ich Feierabend, wusch mich oberflächlich im Waschraum und zog mir im Umkleidezimmer meine Privatsachen an. Ich begrüßte die Kollegin, die mich ablöste, und gab ihr einen zusammenfassenden Bericht meiner vergangenen Arbeitszeit. Irritiert spürte ich dabei, dass meine Gedanken zunehmend abschweiften. Meine innere Unruhe verstärkte sich, meine Sorge kreiste autonom um Clay Banton. Nur schleichend wurde mir bewusst, dass ich jetzt noch nicht nach Hause fahren konnte. Erst an diesem frühen Morgen begriff ich richtig, dass der Mann, den ich bisher erst dreimal in meinem Leben getroffen hatte, womöglich schon an diesem Tag aus dem Krankenhaus entlassen werden würde. Dass Clay sich gerade in der geschlossenen Psychiatrie aufhielt, bedeutete nämlich entgegen meiner Wünsche keineswegs, dass er auch eine Psychotherapie durchlaufen würde. Der diensthabende Oberarzt hatte nämlich schlicht keinerlei Handhabe, ihn gegen seinen Willen festzuhalten, wenn er zurechnungsfähig war und gehen wollte. Herr Banton war erwachsen, aber er war auch erschreckend uneinsichtig und leichtsinnig. Es gab keinen Zweifel daran, dass Clay niemals freiwillig in der Psychiatrie bleiben würde, so gut glaubte ich ihn inzwischen zu kennen. Sobald er heute mit klarem Verstand aufwachte, würden sie ihn nach kurzer Prüfung auf seinen Wunsch hin gehenlassen. Es war ein dummes, naives und voreiliges Wunschdenken von mir gewesen, dass sich jemand umfassend um seine kranke Seele kümmern würde. Clay würde keine Psychotherapie mitmachen, weil er gar nicht lange genug hier sein würde.
Diese Gewissheit entsetzte mich nahezu, denn in diesem Fall wäre einfach alles umsonst gewesen. Der freundliche Mann, der mit mir geflirtet hatte, würde zwangsläufig sofort zurück in seine ständige Lebensgefahr rutschen. Nein, das durfte nicht passieren! Ich konnte unmöglich hier verschwinden, ohne mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass Banton vorerst in dieser sinnvollen, für ihn lebenswichtigen Obhut blieb. So traurig das auch war, dieser seltsame junge Mann, der genauso umfassend und ungebremst freundlich liebevoll wie zornig aggressiv sein konnte, gehörte in die geschlossene Psychiatrie und sollte sich auch für lange Zeit dort aufhalten. Es brauchte schließlich sehr viel Geduld, um seine psychischen Wunden heilen zu können. Seine kranke Seele benötigte sehr viel mehr Aufmerksamkeit als sein mannigfach verletzter Körper, um den ich mich hatte kümmern können.
Erst an diesem Dienstagmorgen kapierte ich richtig, was in der vergangenen Nacht womöglich mit Clay geschehen war, und wie fürchterlich traurig und besorgniserregend das war. Ich ahnte jetzt, was seine Krankheit für eine grausame Ursache haben konnte. Mein Entschluss, diesem einen, besonderen Menschen zu helfen, wurde unabänderlich. Sofort schrieb ich eine SMS an meine Frau Malina, in der ich ihr bedauernd mitteilte, dass ich unvorhergesehen noch länger im Krankenhaus bleiben musste. Das war nichts Ungewöhnliches, weil es öfter vorkam. Malina würde enttäuscht und traurig sein, aber sie würde keine Fragen stellen. Danach schaute ich mir den Schichtplan des Krankenpersonals an, um die Arbeitszeiten von Krankenschwester Laser auszuspionieren. Ich musste meine Arbeitskollegin dringend von der Wichtigkeit meines Vorhabens überzeugen. Eliza konnte mir am allerbesten dabei helfen, das Leben ihres Exfreundes zu retten. Zu meiner Freude hatte Eliza an diesem Dienstag die Frühschicht, würde also schon sehr bald im Krankenhaus auftauchen.
Im Pausenraum der Inneren Station wartete ich kurz darauf ungeduldig auf Frau Laser. Ich ging davon aus, dass sie vor Arbeitsbeginn mit Sicherheit hier vorbeikommen würde, um sich einen Kaffee zu ziehen. Ich erhoffte mir von der Frau, die immerhin Clays feste Freundin gewesen war und ihn daher sehr viel besser kannte als ich, tatkräftige Hilfe bei der Rettung von Clay Banton. Aber zu meiner Betrübnis lehnte sie diese Hilfe noch immer ab, als ich sie später tatsächlich traf und ausführlich mit ihr mein Problem erläuterte. Obwohl ich ihr erzählte, was ich in der Zwischenzeit alles Aufwühlendes mit Clay erlebt hatte und in welchem alarmierenden Zustand er gewesen war, blieb seine Exfreundin abweisend und uninteressiert. Sie betonte, dass sie sich von Clay getrennt hatte und nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Angeblich hatte Frau Laser schon lange genug vergeblich versucht, Herrn Banton irgendwie zu helfen. Diese neuerliche Abfuhr enttäuschte mich, brachte mich aber nicht von meinem Vorhaben ab. Nach wie vor erachtete ich eine psychotherapeutische Behandlung als absolut lebensnotwendig für Clay.
Nach dem langen Gespräch mit Eliza Laser, bei dem ich leider so gut wie nichts hatte ausrichten können, wollte ich meinen schwierigen Patienten besuchen, um mich davon zu überzeugen, dass er gut untergebracht worden war. Ich irrte ein wenig auf der geschlossenen Station herum, weil ich ihn nicht auf Anhieb finden konnte. Erst, nachdem ich mehrere Personen danach gefragt hatte, erfuhr ich endlich, wo der kranke, labile Mann sich aufhielt. Zu meinem großen Ärgernis hatten sie ihn wahrhaftig in ein einsames Einzelzimmer im Keller verbannt, was ich prompt unmöglich fand. Schließlich hatte ich doch in der Nacht zuvor deutlich genug angeordnet, dass Clay unbedingt die ganze Zeit überwacht werden sollte. Zu meiner eigenen Irritation fürchtete ich mich ein wenig davor, ihn an diesem frühen Dienstagmorgen wiederzusehen. Weil ich weder wusste, noch abschätzen konnte, in welchem Zustand er jetzt, gerade mal ein paar Stunden nach seinem zornentbrannten Ausbruch, sein würde. Ich hatte Angst davor, dass er womöglich noch immer der gefährliche Dämon war, der mich abgrundtief hasste, ohne mich auch nur vage zu erkennen. Gleichzeitig musste ich mir aber auch verwirrt eingestehen, dass ich mich tief drinnen nach dem seltsamen Mann sehnte. Doktor Siamak Tourani sehnte sich nach seinem Patienten Clay Banton! Das war so was von unangebracht, dass ich es nicht fassen konnte, aber ich fühlte mich machtlos dagegen. Extrem dringend wollte ich wissen, wie es Clay an diesem Morgen ging. Ich würde keine Ruhe finden, bevor ich mich nicht selbst davon überzeugt hatte, dass er jetzt, nachdem er hoffentlich ein paar Stunden geschlafen hatte, zu sich selbst zurückgefunden hatte. Ich wollte Clay Banton lächeln sehen und ich wollte unbedingt, dass er nochmal mit mir flirtete.
Von meinen eigenen, starken Gefühlen überrascht und nahezu überwältigt, lief ich die Treppe hinunter und durch die Flure im Keller zu dem abgelegenen Zimmer. Es ärgerte mich, dass hier unten weit und breit kein Krankenpersonal zu sehen war. Offenbar hatten sie Clay einfach unbeachtet alleingelassen. Schließlich fand ich die mir von einer Schwester genau beschriebene Tür. Eine Weile stand ich davor und atmete tief durch, um mich innerlich auf diese unvorhersehbare Begegnung vorzubereiten. Ich hatte ehrlich keine Ahnung, was mich hinter dieser Türe erwartete.
Schließlich gab ich mir einen Ruck, öffnete sie zögernd, betrat den kleinen, komplett in hellgrün gekachelten Raum und schloss die Tür behutsam hinter mir. Mit nervös klopfendem Herzen drehte ich mich herum und warf einen suchenden Blick in das heruntergekommene, deprimierend sterile Zimmer. Es gab kein Fenster, und bis auf einen Schrank und ein Bett war es völlig leer. Als ich das meines Erachtens nach längst ausgemusterte, schmale und sichtbar uralte Bett an der Wand entdeckte, erlitt ich unvermittelt einen heftigen Schock. Es mag sein, dass mein Herz dabei kurz stehenblieb. Zumindest zog sich abermals abrupt alles schmerzhaft in mir zusammen, sodass ich schockiert nach Luft schnappen musste.
Clay Banton lag auf diesem Bett, an dessen altem Metallgestell wahrhaftig schon die weiße Farbe abblätterte. Der junge Mann war zu meinem absoluten Entsetzen mit Lederriemen an das Gestell des Bettes fixiert. Er lag ganz offen auf dem Rücken und hatte noch nicht mal eine Decke. Ich vermutete stark, dass dieser weit abgelegene Raum im Keller des Krankenhauses normalerweise gar nicht mehr benutzt wurde, und auch das Bett schon seit längerer Zeit unbeachtet hier gestanden hatte. Ich konnte mir nicht erklären, warum man meinen Patienten hier unten abgestellt und dann scheinbar völlig vergessen hatte. Clay lag auf einem alten Gummilaken auf der dünnen Matratze und war an den Handgelenken und über seiner Taille mit brauen, verschlossenen Riemen gefesselt. Offensichtlich lag er schon seit einer geraumen Weile hilflos dort, völlig unbeachtet und unversorgt. Das bestürzte und empörte mich dermaßen, dass mir schlicht die Luft wegblieb und die Worte fehlten. Es war eine beinahe kriminelle Ungeheuerlichkeit, was die Verantwortlichen der Psychiatrie mit dem ihnen ausgerechnet von mir selbst anvertrauten Patienten gemacht hatten. Allein die Fixierung einer Person war nämlich schon seit langer Zeit gar nicht mehr zulässig. Ihn hier unten in diesem Raum wer weiß wie lange unversorgt alleinzulassen, war unentschuldbar.
Komplett erstarrt stand ich dort an der Tür und konnte mich schlagartig nicht mehr bewegen. Mein Herz schlug mir vor Entsetzen und spontaner Wut bis zum Hals. Clay hatte seinen Kopf mühsam hochgerissen, damit er die Tür sehen konnte. Offenbar hatte mein Eintreten ihn aufgeschreckt. Unsere Blicke trafen sich unvermittelt, und in der selben Sekunde wusste ich, dass der besondere Mann in den Körper des zornigen Dämons zurückgekehrt war und den Dämon in der Zwischenzeit besiegt hatte. Banton erkannte mich auf Anhieb – ganz eindeutig! Und ich hatte, trotz meiner Wut auf die Diensthabenden der Psychiatrie, für einen wunderbaren Augenblick das berauschende Gefühl, dass ich noch nie in meinem Leben etwas Schöneres gesehen hatte, als Clay Bantons grün-braune Augen in diesem einen Augenblick, in dem er mich zweifelsfrei erkannte. Meine spontane Freude und Erleichterung darüber, dass mein Patient seinen Verstand tatsächlich zurückerlangt hatte, war umfassend und grenzenlos. Niemand hätte mit absoluter Sicherheit voraussagen können, wie seine Verfassung nach dem Aufwachen sein würde. Aber jetzt war sein Blick völlig klar. Herr Banton sah mir direkt in die Augen. Er fixierte mich verblüfft, verwirrt, als wäre er sich nicht ganz sicher, ob ich wirklich echt wäre. Mein schwieriger Patient war wieder bei Bewusstsein und schaute mich mit wachen Augen an. Diese Tatsache machte mich sehr viel glücklicher, als ich mir selbst eingestehen wollte. Genau das hatte ich mir insgeheim sehnlichst erhofft. Dass er direkt nach dem Aufwachen wieder Herr seiner Sinne war, war ein eindeutiges Indiz dafür, dass sein nächtlicher Anfall rein psychische Ursachen gehabt hatte. Ich weiß nicht, warum mich das so sehr freute.
Doch schon mit dem zweiten Blick wurde mein spontanes Glück herbe abgewürgt. Erschrocken wanderten meine Augen über das vertraute Gesicht, den auf dem Rücken festgeschnallten Körper. Unübersehbar ging es dem jungen Mann an diesem frühen Morgen hundsmiserabel. Sein hübsches Gesicht glänzte schweißnass, die dunkelblonden Haare klebten ihm wirr auf der Stirn. Seine Augen waren panisch weit aufgerissen und vom heftigen Weinen rot verquollen, Schnodder war aus seiner Nase über sein Kinn gelaufen. Alle seine Muskeln zuckten und zitterten innerhalb der Fesseln in nervösem Aufruhr. Sein gesamter Körper war so durchgeschwitzt, dass ihm das schwarze Unterhemd und die abgetragene, hellgraue Jogginghose feucht auf der Haut klebten. Ich wunderte mich über die Hose, weil ich mich daran zu erinnern glaubte, dass er bei seiner Einlieferung eine schwarze Jeans getragen hatte. Diese altmodischen Jogginghosen zog man in der Psychiatrie normalerweise nur denjenigen Patienten an, die aus irgendeinem Grund keine eigene Kleidung dabei hatten. Clay ächzte und stöhnte unbehaglich. Seine trockenen Lippen bebten. Seine Pupillen weiteten sich vor Angst und Schmerz. Offensichtlich war er stark dehydriert und quälte sich durch einen ziemlich schmerzhaften Heroinentzug. Ich konnte nicht fassen, wie gleichgültig und verantwortungslos hier mit meinem Patienten umgegangen wurde. Anstatt ihm umfassend zu helfen, hatte man ihn wahrhaftig einfach im Keller abgestellt, wie ein lästiges, sinnlos gewordenes und nicht mehr benötigtes Möbelstück.
„Oh, verdammt!... Clay!... Um Himmels Willen!... Verdammte Scheiße!... Was zur Hölle... machen die denn... bloß mit dir...?" kam es irgendwie aus mir heraus. Ich war so bestürzt und vor den Kopf geschlagen, dass ich mein eigenes, unangebrachtes Fluchen gar nicht bemerkte. Meine Gedanken wollten einfach nur ungefiltert aus mir heraus. Ich stand an der Tür und schaute Clay hilflos an. Ich fühlte mich schuldig, weil ich mich nicht schon in der Nacht darum gekümmert hatte, dass mein schwieriger Patient in der geschlossenen Psychiatrie ordentlich versorgt wurde. Ich hätte das sehr viel früher überprüfen müssen, dachte ich betroffen.
„Du warst das!" brüllte Clay mich unvermittelt wütend an, „Du hast das getan!" Zornentbrannt taxierte er mich mit böse aufgerissenen Augen. Seine Hände klopften zu Fäusten geballt auf das Laken, weil er sie wegen der Fixierung nicht weiter anheben konnte. Stattdessen hob der junge Mann aber sein Becken und fing damit an, wie ein Irrer mit den Füßen in meine Richtung zu treten. Wenigstens seine Fußgelenke hatten sie offenbar nicht ans Gestell gefesselt. Seine plötzlichen, überaus aggressiven Bemühungen waren allerdings vollkommen sinnlos, denn er lag auf dem alten Bett, und das stand viel zu weit von der Tür entfernt, als dass er mich auch nur halbwegs hätte erreichen können. „Du hast mich hier eingesperrt!Du willst... dass ich mit dem Heroin aufhöre... du hast immerzu von einer Therapie gequatscht... du willst... mich zwingen, eine scheiß Therapie zu machen...!" fasste Clay seine Anklage zusammen und schnappte nach Luft. Beschwichtigend hob ich die Hände und bewegte mich sehr langsam, bewusst behutsam auf das Bett zu. Dabei behielt ich aufmerksam den innerhalb seiner engen Fesseln wütend tobenden Mann im Auge. Ich war fasziniert von der unglaublichen Energie, die er trotz seines Zustands noch immer in der Lage war aufzubringen. Hasserfüllt taxierte er mich. Sein ganzer Körper zitterte vor Anspannung, während er pausenlos wie ein Geisteskranker in meine Richtung trat. „Du bist so ein Arsch!Die ganze Zeit hast du über das Heroin geredet! Du willst... das ich damit aufhöre!... Du...hast mich hier eingesperrt, damit ich eine scheiß Therapie mache... Du willst mich dazu zwingen!" schrie Clay mich an, während seine durchnässten, wirren Augen vernichtende Giftpfeile auf mich abschossen.
Auf einmal fiel mir die Lache Erbrochenes auf, die sich in Höhe seines Kopfes auf dem gekachelten Fußboden direkt neben dem Bettgestell angesammelt hatte. Offenbar hatte Clay sich schon mehrmals heftig erbrochen, seit er hier abgestellt worden war. Das tat mir in der Seele weh. Sein kranker, offen gequälter Zustand schmerzte mich beinahe körperlich. Meine Arme fielen kraftlos herunter. Voller Mitgefühl schaute ich ihn an und lächelte tröstend, besänftigend. Aber Clay wurde nur noch wütender. „Du verdammter Wichser, Siamak! Du...hast mich fixiert, du Arschloch! Du... willst mich hier verrecken lassen... Du...kannst es nicht ertragen...wenn ich meinen Spaß habe!" krächzte er lautstark. Jedoch wurde seine Stimme schnell leiser. Er hustete trocken, denn er war völlig dehydriert und spürbar unendlich erschöpft. Ich vermutete, dass er, in diesem angsteinflößenden Zimmer ganz auf sich allein gestellt, mit Sicherheit mehrmals heftig versucht hatte, sich selbst aus seiner Zwangslage zu befreien. Seinen neuerlichen Wutanfall konnte ich daher in gewissen Teilen sogar nachvollziehen. Immerhin hatte er recht damit, dass ich ihn in diese Abteilung überwiesen hatte, und dass ich eine psychotherapeutische Behandlung für ihn herbeisehnte. Sein Vorwurf allerdings, dass ich es ihm nicht gönnen würde, wenn er seinen Spaß hätte, brachte mich beinahe zum Lachen, weil er irgendwie so süß war. Der junge Mann war wirklich sauer, und ich war schon wieder beeindruckt von seiner unglaublichen Kraft und Leidenschaft, selbst unter diesen extrem belastenden Umständen.
Nur langsam wurde sein Strampeln und Klopfen kraftloser, bis er nur noch atemlos keuchend und zitternd auf dem nassgeschwitzten Gummilaken lag. „Nein, Clay, so ist das nicht. Ich weiß nicht, was die hier mit dir machen und welchen Sinn das haben soll", versicherte ich ihm betont ruhig und freundlich. Gleichbleibend besänftigend behielt ich mein Lächeln bei, während ich sehr langsam weiter auf ihn zuging, einen bedachtsamen Schritt nach dem anderen. Ich wollte ihn nicht unnötig mit zu hastigen Bewegungen erschrecken.
Schließlich stand ich direkt neben seinem Bett. Prüfend wanderte mein aufmerksamer Blick über seinen angeschlagenen Körper, auf der Suche nach neuen Verletzungen oder Abnormitäten. Zu meinem verblüfften Amüsement, hatte der ganz besondere junge Mann es allein mit den ruckartigen, kräftigen Bewegungen seiner Beine irgendwie geschafft, sich selbst die Jogginghose auszuziehen, dessen Bund sich jetzt unterhalb seiner Knie befand. Seine muskulösen Oberschenkel waren nicht länger vom hellgrauen Baumwollstoff verhüllt. Zwar hatte ich es irgendwie schon geahnt, aber es ärgerte mich trotzdem, dass, genau wie an seinem linken Oberarm, auch der Verband an seinem rechten Oberschenkel einfach verschwunden war. Die von mir vor kurzer Zeit sehr achtsam und fest gewickelte Stoffbahn hatte sich innerhalb weniger Stunden scheinbar schon wieder in Luft aufgelöst. Verständnislos registrierte ich, dass die lange, erschreckend tiefe, schon zweimal von mir sorgfältig eng genähte Schnittwunde an seinem Oberschenkel völlig frei lag und daher vermeidbar ungeschützt war. Anscheinend hatte Clay die Verbände leichtsinnig entfernt, obwohl ich ihm wiederholt die Wichtigkeit und den Nutzen der Bandagen nahegelegt hatte.
Meine Augen wanderten leicht ungehalten, aber seltsam interessiert über seinen Körper. Zu meiner Überraschung hatte er keine Unterhose an. Sein Unterleib und seine Genitalien waren daher vollkommen entblößt. Ich kann nicht erklären, warum mein Blick ausgerechnet an seinem Penis hängenblieb. Es passierte, ohne dass es mir richtig bewusst wurde. Viel zu lange schaute ich mir intensiv seine Geschlechtsorgane an, die ich ja bisher bei keiner unserer drei Begegnungen gesehen hatte. Und irgendwas an seinen intimen Körperteilen ließ mein Herz auf einmal härter schlagen. Mir fuhr durch den Sinn, dass Clay Banton einen auffallend hübschen, extrem wohlgeformten Penis hatte, und aus irgendeinem Grund fand ich es erregend, dass er beschnitten war. Clay stöhnte und reckte mir seinen Unterleib entgegen. Anscheinend gefiel es ihm, wie ich ihn ansah, was mich in meinem unverschämten Starren seltsamerweise auch noch bestätigte. Herr Banton reckte seine neben seinen Hüften ans Bett gefesselten Hände nach seinem Glied, erreichte es natürlich nicht und fing stattdessen damit an, wie besessen mit seinen Daumen seine eigenen Finger zu streicheln. Beide Daumen strichen sanft aber fest über jeden einzelnen Finger. Den Zeigefinger, den Mittelfinger, den Ringfinger und den kleinen Finger. Langsam die ganzen vier schlanken, langen Finger entlang, die verschiedenen Längen vollständig ausnutzend, jedes Gelenk akkurat erfühlend. Er streichelte sich mit beiden Daumen genau gleichzeitig. Den Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinen Finger, und dann unermüdlich von vorn. Diese innige Bewegung registrierte ich sofort, und sie erregte mich auf eine nie gekannte, direkte Art, die ich mir nicht erklären konnte. Ein unerwartet heißer Schauer durchlief meinen Leib, sammelte sich gezielt in meinem Schritt, der mich vollkommen verdutzte. Das konnte ja wohl nicht wahr sein!
Hastig beugte ich mich über den hilflos fixierten Mann, zog ihm mit einem schnellen Ruck die ausgeleierte Jogginghose wieder herauf und ließ ihn danach sofort los. „Was haben die dir denn da bloß angezogen?" murmelte ich vor mich hin und schüttelte missbilligend den Kopf. Dann stand ich mit widersinnig klopfendem Herzen dort und schaute ihn ratlos an. Ich war voller Mitgefühl für seine extrem demütigende Situation, und fast bereute ich es, ihn überhaupt in diese offensichtlich völlig verantwortungslose Abteilung geschickt zu haben. Von meiner nächtlichen Einweisung in die Psychiatrie hatte ich mir wahrhaftig sehr viel mehr für Clay versprochen.
Auch mein unvermindert nach guten Gefühlen lechzender Patient hatte sich vom mutwilligen Entblößen seines Körpers offensichtlich etwas völlig anderes versprochen. Dass ich ihn lediglich schnell wieder angezogen hatte, enttäuschte und frustrierte Herrn Banton in seiner typisch ungebremsten Heftigkeit. Wütend blies er die Luft aus und fixierte mich strafend, was mich zu einem amüsierten Lächeln veranlasste. „Fuck, Siamak! Du musst mich sofort freilassen! Mach mich auf der Stelle los! Du kannst mich nicht zwingen, deine scheiß Therapie mitzumachen!" schrie er mich widerspenstig an. Damit hatte er leider völlig recht, so wenig mir das auch gefiel. Aber Clay Banton war trotz seines kindlich-unvernünftigen Verstandes ein selbstbestimmter, erwachsener Mensch. Niemand durfte ihn zu etwas zwingen, was er nicht tun wollte. Das war mir völlig klar. Und doch wollte ich es nicht akzeptieren, es nicht so einfach hinnehmen. Noch immer wollte ich seiner kranken Seele unbedingt helfen, ihn zur Not sogar zu einer psychotherapeutischen Behandlung nötigen. Seine unbestreitbar faszinierende Seele schien mir nämlich mittlerweile viel zu wertvoll zu sein, um sie mit ihren traurigen Beschädigungen noch länger unbeachtet zu lassen.
Mittlerweile schaffte Clay es kaum noch, genügend Luft für seine lautstarken Beschwerden in seine Lungen zu pumpen. Sein Hals war offenbar so trocken, dass er nochmal krächzend husten musste. Die verdammten Pfleger haben ihm noch nicht mal etwas zu trinken gegeben, das ist nahezu kriminell, registrierte ich empört und voller Mitgefühl. „Mach mich jetzt los, verdammt!" heulte Clay plötzlich verzweifelt auf. Neuerliche Tränen schossen ihm in die Augen. Er konnte sie sich mit den am Bett befestigten Handgelenken nicht abwischen, daher liefen sie ungehindert über sein Gesicht und in seine Ohren hinein. Seine Traurigkeit und Hilflosigkeit rührten mich stark. Der arme Kerl wand sich stöhnend in einem weiteren schmerzhaften Krampfanfall, was mich so sehr mitnahm, dass ich es kaum aushalten konnte. Mit zugeschnürter Kehle legte ich meine Hand schnell auf Bantons fieberhafte, linke Hand, um damit das zweifellos manisch gewordene Streicheln seiner Finger zu stoppen. Sofort stellten seine zittrigen Daumen ihre zwanghaften Bewegungen ein.
Aus einem inneren Impuls heraus legte ich meine Hand danach flach auf Clays unteren Rippenbogen, knapp über dem Riemen, der seine Taille fixierte. Augenblicklich konnte ich seinen enormen inneren Aufruhr spüren, die viel zu hektische, flache Atmung, das unbändige Zittern seiner Muskeln, die unglaubliche, feuchte Hitze seines schwitzenden Körpers. Sein schwarzes Unterhemd fühlte sich weich, aber auch nass und heiß an. Ein intensiver Geruch nach Schweiß ging von ihm aus. Im Laufe meiner Jahre als Arzt hatte ich schon Patienten erlebt, die auf Entzug von irgendwelchen hässlichen Drogen gewesen waren. Aber die unfassbar gewaltige Intensität von Clay Bantons Beschwerden erschreckte und betrübte mich mehr, als ich erwartet hatte. Ausgeprägt spür- und sichtbar hatte er aus bekannten Gründen zu lange kein Heroin mehr zu sich genommen. Und nun lieferte sein eigener Körper ihm die grausame Quittung seiner Sucht. Es fiel mir schwer, seine in Wahrheit total unnötige Qual mit anzusehen. Der Mann tat mir unendlich leid. Als wäre seine derzeitige Situation nicht allein schon demütigend genug für ihn, musste er sich auch noch mit extrem schmerzhaften Entzugserscheinungen herumschlagen. Er braucht dringend meine Hilfe, dachte ich erschüttert, so schnell wie möglich muss ich ihm bei seinem Hausarzt sein Methadon besorgen. Die umfangreiche Apotheke des Christopherus-Krankenhauses hat wahrscheinlich gar kein Methadon vorrätig, überlegte ich fieberhaft.
„Beruhige dich, Clay", flüsterte ich beschwichtigend, „Bitte... sei ganz ruhig..." Sachte streichelte ich über sein feuchtes Unterhemd. Pausenlos schaute er mich panisch an, beschwörend, flehentlich. Seine hilflose, total ausgelieferte Hoffnung hatte sich automatisch allein auf mich fokussiert, was mich tief drinnen stark bewegte. „Bitte... fass mich bitte an...", krächzte er drängend und zog den Bauch ein, um meine Hand irgendwie tiefer zu befördern. Hart schluckte er an seinen salzigen Tränen, blinzelte hektisch, um seinen nass verschwommenen Blick zu klären. Panisch fixierte er mein Gesicht, um meine Reaktion genau erfassen zu können. Aber seine Lider flatterten, sein Blick war schmerzerfüllt, gehetzt und unstet. Heftig, ungeduldig zog er nochmal den Bauch ein, um meine Hand auf diese Art tiefer zu befördern. Automatisch warf ich einen Blick auf seinen Unterleib, weil ich auf der Stelle wusste, wo genau er von mir angefasst werden wollte. Meine Hand lag gerade ruhig auf seiner Taille, aber Clay Banton sehnte sich nach einer anderen Berührung. In seiner einnehmenden, unglaublichen Unbefangenheit sehnte er sich in dieser für ihn so unangenehmen Situation danach, von mir sexuell befriedigt zu werden. Ich weiß nicht, warum mich seine dreiste Aufforderung so sehr aufwühlte. Keine Ahnung, warum mein Herz augenblicklich losspurtete bei dem Gedanken, seinen wunderschönen Penis anzufassen. Das war ganz einfach völlig absurd, denn es hätte sämtliche Grenzen unserer Beziehung auf unfassbare und unentschuldbare Weise überschritten. Ich war immer noch sein Arzt und er war mein schwieriger Patient, und schon allein deshalb würde ich ihm mit absoluter Sicherheit niemals einen runterholen.
Ein paar Sekunden stand ich verwirrt dort und schaute irgendwie gebannt auf seinen Unterleib, als Clay plötzlich lauthals anfing zu lachen. Irritiert richtete ich meinen Blick zurück in sein aufgelöstes Gesicht. Er taxierte mich offen spöttisch, seine Augen blitzten verwegen. Sein lautes Lachen klang höchst verzweifelt, völlig irre und hysterisch. Clay Banton sah aus, als würde er jeden Moment den Verstand verlieren. Darum intensivierte ich eilig meine Berührung an seinem Bauch, indem ich etwas fester über sein feuchtes Unterhemd streichelte. Ich war erschüttert und wusste mir nicht anders zu helfen. „Nicht, Clay... sei ganz ruhig... beruhige dich doch bitte...", stammelte ich mit einer eines erfahrenen Arztes schlicht unwürdigen Ratlosigkeit. Er braucht ganz dringend sein Methadon, überlegte ich nervös, ich muss ihm jetzt sofort Methadon besorgen, und außerdem muss ich unbedingt so schnell wie möglich dafür sorgen, dass ihn jemand von diesem schrecklich Bett losschnallt. Auf gar keinen Fall darf er noch länger fixiert sein, fuhr es mir besorgt durch den Sinn, das hält der arme Kerl offensichtlich nicht mehr lange aus. Clay ertrug seine Fesselung einfach nicht mehr, und obwohl ich diese grausame Beschneidung der persönlichen Freiheit Gott sei Dank noch nie selbst erleiden musste, konnte ich ihm das aus ganzer Seele nachfühlen.
Mein trauriger, besorgniserregender Eindruck verstärkte sich, als Clay plötzlich heftig anfing zu würgen. „Fuck!" schniefte er fluchend, überwältigt von der Intensität seiner schlechten Gefühle. Spucke lief ungehindert aus seinem Mund, seine angespannten Muskeln zuckten und zitterten verstärkt, sein ganzer Körper erschauderte wiederholt in vegetativen Krämpfen. „Fuck, Siamak! Mach mich jetzt los! Lass mich doch bitte gehen, um Himmels Willen!" stöhnte Clay in grenzenloser Verzweiflung. Tränen stürzten aus seinen Augen, Spucke und Rotz liefen über sein schweißnasses, aber noch immer hübsches Gesicht. Seine inständig flehenden, gequält panischen Augen berührten mich ganz tief in meiner Seele. Ich fühlte mich überfordert, seltsam verletzt, als könnte ich seine Ohnmacht und die Schmerzen selber empfinden. Ein bisschen fühlte ich mich auch schuldig, weil ich ihn auf diese Station überwiesen hatte, wo er erschreckend gleichgültig und schlecht behandelt wurde, auch wenn in der letzten Nacht meine Überweisung in bester Absicht geschehen war. Dringend musste ich etwas Gutes für ihn tun, ihn irgendwie beruhigen.
Kurzentschlossen holte ich mit meiner freien Hand mein Taschentuch heraus und wischte ihm sanft das nass verschmierte Gesicht sauber. Dabei nahm ich die andere Hand nicht von seinem Körper, weil es mir sehr gefiel, wo sie gerade lag. Es befriedigte mich eigenartig stark, ihn anzufassen. Während meine Finger sachte, beinahe zärtlich über den unteren Rand seines Brustkorbs streichelten, entfernte ich mit dem Taschentuch sorgfältig all die überflüssige Feuchtigkeit aus seinem Gesicht. Ich seufzte schwer und schaute ihn traurig an. „Ich verstehe nicht, was die mit dir machen, Clay. Ich habe nicht angeordnet, dass sie dich fixieren sollen. Als du heute Nacht hergebracht wurdest, hast du fest geschlafen. Ich weiß nicht, warum der diensthabende Arzt es für nötig hielt, dich hier im Keller isoliert auf das Bett zu fixieren", erklärte ich ihm ruhig. Achtsam wischte ich mit dem weichen Tuch über seine Stirn, die Wangen und sein Kinn. Ich hatte den Eindruck, dass ihm diese Berührung sehr gefiel, denn er reckte mir zärtlichkeitsbedürftig sein Kinn entgegen.
Und nicht nur Herrn Banton gefiel unser seltsamer Körperkontakt. Mit der Zeit konnte ich vor mir selbst nicht länger leugnen, dass diese Situation mir sehr viel mehr gefiel, als es vielleicht noch normal gewesen wäre. Es gefiel mir sogar außerordentlich gut, diesen Mann zu streicheln. Auch wenn ich mir das nicht erklären konnte. Ich war überwältigt und gerührt davon, zu sehen, wie schnell es ihn besänftigte, wie ruhig er wurde, wie sehr meine hilflose Zärtlichkeit ihm in seinem umfassenden Elend guttat. Fasziniert beobachtete ich ihn dabei, und mir fuhr es durch den Sinn, wie hübsch mein schwieriger Patient doch tatsächlich war, welche fein geschnittenen Gesichtszüge er hatte. Sein Antlitz war irgendwie zart, fast schon weiblich, mit hohen Wangenknochen, nur sanft geschwungenen Augenbrauen, einer geraden Nase und vollen, roten Lippen. Aus bekannten Gründen hatte er sich zu lange nicht rasiert, daher war sein Kinn voller winziger, dunkler Bartstoppeln. Er sieht erstaunlich gut aus, dachte ich völlig konfus, sein Körper ist auf eine Weise gepflegt und durchtrainiert, die man angesichts seiner jahrelangen Drogenabhängigkeit nur bewundern kann. Dieser Mann ist außergewöhnlich charmant und attraktiv, stellte ich mit grenzenloser Verwirrung in meinem Herzen fest. Es war mir ein Rätsel, warum ich mir überhaupt Gedanken über sein Wesen oder sein Aussehen machte, warum es mir so sehr imponierte, wie gesund er trotz seines derzeitigen Entzuges aussah.
Doch am allermeisten fesselten mich seine grün-braunen Augen mit den auffallend dunklen Wimpern. In seinem flehenden, unverändert gequälten Blick, der unentwegt auf mir lag, entdeckte ich so viel Kraft und innere Stärke, eine schier unfassbare Energie, dass es mich unwillkürlich bannte. Er ist so voller Leben, spürte ich überwältigt, Clay ist trotz seiner derzeitigen, für ihn extrem demütigenden und schmerzhaften Situation noch immer faszinierend lebendig. Aber nein, dieser außergewöhnliche junge Mann war noch viel mehr: Clay Banton sprühte förmlich vor Leidenschaft!
Ein neuer, heftiger Krampf erschütterte ihn, sein Körper bebte förmlich, er konnte ihn einfach nicht stillhalten. Sorgfältig wischte ich mit meinem Tuch über sein zitterndes Gesicht und flüsterte besänftigend: „Ganz ruhig, Clay... ruhig!" Langsam war er trocken gewischt, aber ich fuhr noch ein wenig länger mit dem Taschentuch über seine erhitzte Haut, weil mir das so merkwürdig gut gefiel. Die Finger meiner anderen Hand streichelten weiterhin seine Taille und seine Rippen. „Verdammt! Hör auf mit dem verfickten Scheiß!" schrie Clay plötzlich völlig unerwartet los und starrte mich böse an. Maßlos erschrocken zog ich überstürzt meine beiden Hände von ihm weg und steckte das Taschentuch zurück in meine Hosentasche. Irritiert stand ich mit hängenden Armen vor seinem Bett und schaute ihn konfus an. Ich war vor den Kopf geschlagen, denn ich konnte mir ehrlich nicht erklären, warum er plötzlich so wütend auf mich war. Nun gut, ich hatte meinen Patienten vielleicht auf eine Weise angefasst, die streng genommen nicht in Ordnung war. Aber die ganze Zeit hatte ich doch den untrüglichen Eindruck gehabt, dass der junge Mann meine zurückhaltenden Zärtlichkeiten sehr genießen würde. Außerdem hatte ich ihn ja nur gestreichelt, um seinen zornigen, aufgebrachten Körper und seine sensible Seele zu beruhigen.
„Nein, hör damit nicht auf!" rief Clay panisch, taxierte mich beschwörend, hustete nochmal nervös und trocken und schüttelte den Kopf. Sein unverständlicher Meinungswechsel verwirrte mich noch sehr viel mehr. Ich verstand nicht, was der kranke Mann damit konkret meinte, was er ausdrücken wollte. Fragend musterte ich ihn und wusste auf einmal gar nicht mehr, was ich tun sollte. Doktor Siamak Tourani hatte komplett seinen Plan verloren. Tief drinnen war ich erleichtert darüber, dass Clay mich mit seinem unerwarteten Ausruf abrupt gestoppt hatte. Denn zweifellos hatte ich unseren zärtlichen Körperkontakt ein bisschen zu sehr genossen. Mein besänftigendes Streicheln hatte sich mit der Zeit von allein noch in etwas anderes verwandelt, was absolut nicht okay war. Meine eigenen, viel zu intensiven und deutlichen Gefühle schockierten mich extrem. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wo diese ungewohnten, völlig neuen Empfindungen überhaupt herkamen und wie ich mit ihnen umgehen sollte. Noch nie in meinem Leben hatte ich Derartiges für einen anderen Mann empfunden, nicht mal annähernd.
Viel zu lange war es unangenehm still in diesem äußerst deprimierend steril gekachelten Kellerraum, während ich konfus und ratlos vor dem Bett stand und Banton verunsichert musterte. „Es tut mir leid, Clay. Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll...", teilte ich ihm schließlich unglücklich mit. In diesem Moment konnte ich sein spürbar mächtiges Elend kaum noch ertragen. Das hat er nicht verdient, drehten die Gedanken sich in meinem Kopf, ich muss jetzt endlich etwas für ihn tun. Ich muss dafür sorgen, dass er nicht länger so sehr leiden muss. „Mach mich los!" blaffte Clay mich fassungslos an. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, was ich auf der Stelle tun sollte, und er konnte nicht fassen, dass ich zögerte. Das rührte mich schon wieder, weil er offensichtlich trotz meiner Beteuerungen nicht begriff, dass nicht ich es gewesen war, der ihn fixiert hatte. Doktor Siamak Tourani gehörte ja noch nicht mal auf diese Station, war gar nicht mehr im Dienst und hatte natürlich auch keinen Schlüssel für die hässlichen Lederriemen mit dem Metallverschluss, die felsenfest am Bett und an dem Mann befestigt worden waren und Clay Bantons Bewegungsfreiheit extrem stark einschränkten. „Ich kann dich leider nicht losmachen, Clay. Ich habe keinen Schlüssel für deine Fixierung", erklärte ich ihm geduldig. Die Heftigkeit seiner Reaktion auf meine Worte erschreckte mich. Meine Antwort beunruhigte ihn aus irgendeinem Grund ganz enorm. Seine Augen weiteten sich augenblicklich entsetzt, die riesigen Pupillen zuckten panisch hin und her, seine greifbare Angst steigerte sich blitzartig in schwindelnde Höhen. Womöglich befürchtete der arme, verwirrte Kerl plötzlich, womöglich nie mehr aus seiner entsetzlichen Lage befreit zu werden. Seine fast spürbare Panikattacke berührte mich schon wieder sehr viel stärker, als es vielleicht noch angemessen gewesen wäre.
Clay Bantons schwer verletzter und unglaublich stark nach harten Drogen verlangender Körper erzitterte spürbar, als ich kurzentschlossen meinen Arm wieder hob und meine Hand flach auf seinem muskulösen Bauch ablegte. Diesmal legte ich meine Finger knapp unter das hässliche Lederband, ungefähr in Höhe seines Bauchnabels. Vorsichtig ließ ich meine Hand auf sein weiches Unterhemd sinken. Auf der Stelle konnte ich genau spüren, wie aufgeregt und nervös dieser Mensch tatsächlich war. Sein gesamter, starker und attraktiver Leib erbebte in einer schlimmen Mischung aus grenzenloser Panik, Wut und Entzugserscheinungen. Alle seine Muskeln erzitterten immerzu vegetativ, was sehr schmerzhaft für ihn sein musste. Clay tat mir unendlich leid.
In diesem Moment konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Meine eigene Wut und Hilflosigkeit explodierten förmlich in mir. „Verdammt, Clay, ich habe ehrlich keine Ahnung, was die sich dabei denken! Ich finde es unter aller Sau, dass die dich einfach unbewacht, allein und gefesselt wer weiß wie lange hier liegen lassen! Das ist doch totale Scheiße, was die mit dir machen! Ich finde das völlig verantwortungslos!" ereiferte ich mich verärgert, während meine Finger wie beiläufig über seinen Bauch streichelten. Meine Stimme war entschieden zu laut und unbeherrscht, sogar verschiedene Schimpfwörter rutschten mir heraus. Ich wollte dringend, dass der junge Mann verstand, dass ich hundertprozentig auf seiner Seite war.
„Schieb mein Hemd hoch!" ächzte Clay verblüfft, was mich völlig aus dem Konzept brachte. Hatte er mir überhaupt zugehört? Als ich ihn irritiert anschaute, setzte er hastig ein flehendes „...bitte!" hinzu und taxierte mich auffordernd. Ich konnte mit seiner merkwürdigen Bitte erst mal gar nichts anfangen, aber offensichtlich war es ihm ein sehr drängendes Anliegen. „Was meinst du damit, Clay?" fragte ich ihn behutsam. Ratlos warf ich einen kurzen Blick auf sein schwarzes, schweißnasses Unterhemd, dann suchten meine Augen wieder die seinen. „Bitte... leg deine Hand auf meinen nackten Bauch... ja?...Siam... tust du das für mich?... bitte", keuchte Clay atemlos, gierig und wirr, während er den Kopf hob und meine Finger förmlich hypnotisierte, damit sie sein Unterhemd hochschoben. Dem kranken Mann war seine Bitte zweifellos sehr ernst. Er sehnte diese seltsame Berührung mit ganzer Seele herbei. Seine unglaubliche Leidenschaft imponierte mir ein weiteres Mal. Tief gerührt tat ich ihm den Gefallen, auch wenn ich ein wenig verdutzt und auch ärgerlich war, dass er mir offenbar gar nicht zugehört hatte.
Ich lächelte verschwörerisch und schob vorsichtig sein Unterhemd hoch, soweit die Fessel das zuließ. Ich legte meine Hand flach auf seine heiße, nassgeschwitzte Haut und ließ sie einfach dort liegen. Erstaunt, aufmerksam und interessiert beobachtete ich seine Reaktion. Clay war sofort dermaßen angetan, dass er hingerissen aufseufzte, unvermittelt die Augen schloss und sich ganz auf das Gefühl meiner Hand konzentrierte. „Magst du das so sehr?" fragte ich verdutzt und lächelte amüsiert, weil er mir wahrhaftig nicht mal mehr antworten konnte. Völlig hemmungslos stöhnte er, wand sich ein bisschen herum, rieb sich auf dem Laken, hob sein Becken genüsslich an, und ich verstand ziemlich schnell, was er dabei war zu tun. Clay Banton geilte sich in Sekundenschnelle an meiner Berührung auf seiner nackten Haut auf, und darin war er ohne Frage ein wahrer Experte. Dieses höchst seltsame Verhalten hatte ich schon einmal mit ihm erlebt, und auch dieses Mal wurde ich von seiner absoluten Unbefangenheit förmlich erschlagen. Clay Banton schämte sich seiner Sexualität nicht, ganz im Gegenteil. Er genoss es sichtbar, sie mir offen vorzuführen. Amüsiert beobachtete ich, wie sich in seiner Jogginghose eindeutig etwas tat. Er wurde wahrhaftig hart, allein durch das Gefühl meiner flachen, völlig reglosen Hand auf seinem nackten Bauch, was mich eigenartig tief berührte. Unwillkürlich gebannt schaute ich ihm zu, wie er sich innerhalb der engen Fesseln auf dem feuchten Gummilaken räkelte, hörte sein hemmungsloses Stöhnen, sah sein in all seinem Elend genussvoll verzehrtes Gesicht. Sein Becken zuckte, sein Penis zeichnete sich in der Hose deutlicher ab, und in mir tat sich etwas, was mich vollkommen vor den Kopf stieß. Erst mit Verzögerung begriff ich, dass Bantons Anblick mich sexuell erregte. Maßlos schockiert und so verwirrt, wie noch niemals in meinem Leben, zog ich überstürzt meine Hand von seinem Körper weg. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, nervös drückte ich meine Oberschenkel zusammen. Um Himmels Willen, dachte ich erschrocken, das kann doch jetzt echt nicht wahr sein! Verdammte Scheiße! Meine Gedanken gerieten vollkommen durcheinander. Wie erstarrt stand ich dort und wäre am liebsten auf der Stelle ganz weit weggelaufen. Meine eigene Reaktion auf Bantons sexuelle Unbefangenheit entsetzte mich auf eine Weise, die ich zuvor noch nie erlebt hatte. In diesem Moment war ich an einem so gefährlichen Punkt angekommen, dass ich ihn auch beim besten Willen nicht mehr hinnehmen durfte, wollte und konnte.
Clay spürte es natürlich, als ich meine Hand hektisch von seinem nackten Bauch wegzog. Sofort riss er die Augen auf und starrte mich wütend an. Ruckartig hob er den Kopf und warf einen prüfenden Blick auf die Jogginghose, unter der sich sein Penis noch kaum abzeichnete. Strafend und total angepisst taxierte er mich. Seine blitzenden Augen forderten mich unmissverständlich auf, meine Berührung unverzüglich wieder aufzunehmen. Aber das konnte ich auf gar keinen Fall tun, denn offensichtlich konnte ich mir selbst und meinem eigenen Körper nicht mehr trauen.
Um mich von meiner umfassenden Verwirrung und dem großen Schrecken abzulenken, fing ich spontan an zu reden. Deprimiert seufzte ich und schüttelte betrübt den Kopf. „Das geht nicht, Clay! Das ist totale Scheiße! Ich kann einfach nicht länger mit ansehen, wie du hier vollkommen grundlos leidest", erklärte ich meinem Patienten ungeduldig. Beruhigend klopfte ich ihm auf die Brust und guckte ihn verschwörerisch lächelnd an. „Hör mal, Clay, ich werde jetzt sofort losgehen und als Erstes den Schlüssel für deine Fixierung besorgen. Und dann rufe ich deinen Hausarzt an und frage ihn nach deiner Dosierung für Methadon. Falls die hier nichts haben, dann werde ich auch eben zu deinem Arzt fahren und dir dein Methadon holen, wenn es sein muss. Ich will mir diese verdammte, unmenschliche Scheiße hier einfach nicht länger mit ansehen!" Erleichtert spürte ich, dass diese wichtigen Aufgaben mich von meiner umfassenden Irritation ablenkten. Es beruhigte mich, etwas äußerst Sinnvolles zu tun. Außerdem brauchte ich plötzlich aus irgendeinem Grund dringend räumlichen Abstand zu meinem schwierigen Patienten. Irgendetwas an Clay Banton beunruhigte mich plötzlich, machte mich auf eine Weise nervös, die ich niemals erwartet hatte.
Ich ging davon aus, dass Clay meine Ankündigung sehr freuen würde, denn immerhin würde jetzt unverzüglich an seiner Befreiung gearbeitet werden. Er hatte wiederholt flehend von mir verlangt, ihn aus seiner misslichen Lage zu erlösen, und genau das würde ich jetzt tun. Für uns beide wurde endlich absehbar, dass er bald von seinen Qualen befreit werden würde. „Ich beeile mich, Clay, versprochen!"versicherte ich ihm verschwörerisch zwinkernd, nahm meine Hand von seiner Brust und wollte sofort zur Tat schreiten. Ich spürte, dass ich so schnell wie möglich aus dieser frustrierenden Situation, die mich viel zu sehr in Aufruhr versetzte, flüchten musste. Ich brauchte Abstand, musste meine wild wirbelnden Gedanken ordnen, musste dringend etwas für Banton tun, damit er nicht noch länger im Keller in seinem eigenen Saft schmorte. Das alles tat mir zunehmend weh, dieses abgelegene, sterile Zimmer, das uralte, längst ausgemusterte Bett, der Mann, den die Pfleger der Psychiatrie offenbar einfach hier unten vergessen hatten. Ich konnte mir diese verantwortungslose Scheiße nicht länger angucken, wollte sie so schnell ich konnte beenden. Tief drinnen begriff ich, dass ich nichts lieber wollte, als Clay Banton wieder lachen zu sehen.
Während ich eilig zur Tür schritt, formten sich in meinem Kopf die konkreten Arbeitsschritte. Zuerst musste ich jemanden vom Personal finden, der mir den Schlüssel für Clays Fixierung aushändigen konnte. Dann musste ich dringend telefonisch bei seinem Hausarzt seine Dosierung für das Methadon erfragen. Zur Not musste ich hinfahren und das Medikament beim Hausarzt holen. Mental war ich schon ganz in meine dringend notwendigen Aufgaben versunken und streckte eilig meine Hand nach dem Türgriff, als Clay völlig unerwartet hinter mir aufschrie: „Nein, nicht... das... geht nicht... Siamak, nein! Du kannst nicht... bitte nicht!"
Wie vom Donner gerührt blieb ich stehen. Ich erstarrte vollständig, denn ich hatte noch nie in meinem Leben so eine Stimme gehört. Diese Stimme war schrill und mehr als panisch. Was ich hörte, ging weit über Angst hinaus. Es war die Stimme von jemandem, der sich plötzlich nichtsahnend in Lebensgefahr befindet. Unerwartet schmerzhaft schnitt sie sich direkt in meine verwirrte Seele hinein. Tief verletzt schloss ich für einen Moment die Augen. Ich hatte das Gefühl, jeden Augenblick weinen zu müssen, schaffte es aber mühsam, mich zu kontrollieren. Vorsichtig drehte ich mich zu dem Mann um, der mich von seinem Bett aus flehend taxierte. Er hatte den Kopf so weit hochgerissen, dass er mich gut sehen konnte. Stumm beschwor er mich, ihn nicht wieder alleinzulassen. Clay Banton fürchtete, dass ich womöglich nicht zu ihm zurückkommen wollte. In seinen tiefgründigen Augen funkelte die nackte Todesangst! Das berührte mich so stark, dass ich hart schlucken musste. „Siamak, hör mal... es tut mir leid... ich wollte nicht...", stammelte Clay völlig verwirrt und schnappte panisch nach Luft. Sein gesamter, zu eng gefesselter Körper vibrierte, seine Beine zitterten jetzt stark. Sein Atem ging flach und schnell, er hyperventilierte förmlich. Erschrocken hob ich die Hände, um ihn mit dieser Geste zu beruhigen. Behutsam ging ich auf ihn zu. Gott, er denkt wirklich, dass ich ihn hier alleinlasse, verstand ich erschüttert, er geht tatsächlich davon aus, dass ich nicht zu ihm zurückkommen werde. Sein Mangel an Vertrauen kränkte mich stärker, als es angemessen war.
„Nein, Siamak... ich... bitte...du kannst jetzt nicht...es tut mir leid...ich... will nicht, dass du..." stotterte Clay hilflos zwischen heftigen, hörbar krampfhaften Atemzügen. Seine Augen wurden noch größer, er riss sie so entsetzt auf, bis sie fast aus ihren Höhlen zu springen schienen. Verblüfft, erschlagen und überfordert stand ich dort und hatte keinen blassen Schimmer, wie ich darauf am besten reagieren sollte, was um alles in der Welt ich denn jetzt bloß machen konnte, um ihn zu beruhigen. Mein Patient vertraut mir nicht, begriff ich fassungslos, Clay unterstellt mir wahrhaftig diese unglaubliche Niedertracht, mich in dieser Situation von ihm abzuwenden und ihn eiskalt seinem Schicksal zu überlassen. Daran musste ich hart schlucken. Doch noch viel mehr schockierte mich seine offensichtliche Todesangst, die er mit jeder Faser seines Seins ausstrahlte. Verdammt nochmal, dieser erstaunliche Mann entschuldigte sich bei mir! Dabei war doch rein gar nichts, was ich bei unseren mittlerweile vier Begegnungen mit ihm erlebt hatte, seine Schuld gewesen. Er war ein leider sehr kranker und auf vielerlei Arten schwer verletzter Mensch, dem unfassbar Böses angetan worden war. Und keine seiner verblüffenden Reaktionen und Taten hatte er mutwillig vollbracht, nichts davon hatte er in irgendeiner Weise selbst verschuldet. Er war doch einfach nur immer er selbst geblieben! Ich konnte es kaum verarbeiten, dass Clay mich um Verzeihung bat, obwohl doch er derjenige war, der hier direkt vor meinen Augen schon wieder gequält und gedemütigt wurde.
„Bitte geh nicht... ich kann nicht...", krächzte Clay nach Atem ringend. Und dann geschah etwas, was ich mir für den Rest meines Lebens bestimmt nicht mehr verzeihen werde. Mein hilfloser, mir an diesem frühen Morgen in jeder nur erdenklichen Hinsicht komplett ausgelieferter Patient erlitt unversehens einen Kreislaufschock. Das passierte zweifellos aufgrund seiner für ihn eindeutig zu großen psychischen und körperlichen Belastung. Er seufzte leise, seine flatternden Augen verdrehten sich, sein Kopf fiel ungebremst zurück auf die dünne Matratze. Von jetzt auf gleich verlor er vollständig sein Bewusstsein. Bantons ohnehin schon durch die besonderen Belastungen der letzten Nacht, den heftigen Entzug vom Heroin und auch durch die erniedrigende Situation schon lange stark beanspruchter Kreislauf brach jählings in sich zusammen.
Clay Bantons Kreislaufkollaps war allein meine Schuld! Das war mir augenblicklich klar, und ich machte mir sofort die schlimmsten Vorwürfe. Verdammt nochmal, der in den typischen und eindeutigen Symptomen sehr gut ausgebildete Doktor Siamak Tourani hatte doch schon auf den ersten Blick bemerkt, wie dehydriert dieser Mensch in der Zwischenzeit geworden war! Sein besorgniserregender Zustand war mir schon aufgefallen, als ich vor knapp einer halben Stunde ahnungslos dieses trostlose Zimmer betreten und Clay zum ersten Mal aufmerksam prüfend angesehen hatte. Das hatte mich doch augenblicklich extrem schockiert! Der auf vielerlei Arten ziemlich kranke Mann war in der vergangenen Nacht, innerhalb der paar Stunden, die er sich jetzt in der geschlossenen Psychiatrie aufhielt, langsam ausgetrocknet. Darauf hatten längst nicht nur seine ausgedörrten Lippen hingewiesen. Ohne Frage hatte Clay viel zu lange nichts getrunken. Ich konnte nicht fassen, dass die zuständigen Pfleger ihm noch nicht einmal einen Becher Wasser zur Verfügung gestellt hatten. Sie hatten ihm überhaupt nichts zu trinken gegeben. Sein pausenloses, extrem starkes Schwitzen, die Krämpfe des Entzuges und das mehrfache Übergeben hatten ihr Übriges dazu getan, seinen Kreislauf schlicht zu überfordern.
Ich registrierte schuldbewusst, dass ich selbst ihm auch nichts zu trinken gegeben hatte, obwohl ich das schon ganz am Anfang hätte tun sollen. Es wäre das erste Sinnvolle und Notwendige gewesen, was ich für Clay hätte tun können. Aber ich hatte einfach nicht daran gedacht. Als Arzt hatte ich schon wieder komplett versagt. Die ganze unerwartete und belastende Situation hatte mich viel zu sehr beschäftigt. Allein die Tatsache, dass Banton allein und fixiert in diesen deprimierenden Raum im Keller abgeschoben worden war, hatte ich von Anfang an kaum verarbeiten und ertragen können. Und der junge Mann selbst hatte mich im Laufe unseres seltsamen Beisammenseins auf eine Art erregt und fasziniert, die ich mir noch immer nicht mal ansatzweise erklären konnte. Schlicht unentschuldbar hatte ich mich von meiner wichtigen und verantwortungsvollen Rolle als sein Herr Doktor ablenken lassen.
Erst nachdem Clay Banton plötzlich kollabiert war, riss ich mich endlich zusammen. Sein abrupter Zusammenbruch wirkte nach dem ersten, spontanen Schock wie ein längst überfälliger Weckruf auf mich. Konzentriert eilte ich zum Bett und kontrollierte seine Vitalfunktionen, soweit ich das ohne Hilfsmittel konnte. Ich vergewisserte mich, dass mein Patient in keiner unmittelbaren Gefahr schwebte. Seine Werte waren zwar erhöht, aber alles hielt sich zum Glück im vertretbaren Rahmen. Mein vorher viel zu lange und stark verwirrter Verstand schaltete autonom in die immens wichtigen Aufgaben, die jetzt unmittelbar vor mir lagen. Innerhalb von Sekunden wurde ich vollständig zu dem konzentrierten, hilfreichen Doktor, der ich eigentlich schon die ganze Zeit über hätte bleiben sollen. Zweifellos hätte ich mich bei meiner vierten Begegnung mit diesem besonderen Menschen lieber auf meine Rolle als Arzt besinnen sollen, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt strenggenommen bereits Feierabend hatte. Schließlich blieb ich trotzdem sein behandelnder Doktor. Aber es war so verwirrend schnell gegangen, dass Clay mich mit seiner unglaublichen Unbefangenheit und erstaunlichen Energie irgendwie fast unbemerkt überwältigt hatte. Banton hatte mich ohne Frage in seiner Hand, und zwar in jeder einzelnen Sekunde, die ich mich in seiner Nähe aufhielt. Auch wenn mir dieses Faktum erst jetzt in letzter Konsequenz bewusst wurde.
Während ich dort am Bett stand und den bewusstlosen Mann betrachtete, fühlte ich wieder dieses ungewohnte, angenehm warme Gefühl in mir aufkommen. Mein Arm hob sich selbstständig, meine Finger streichelten ihm liebevoll und eindeutig zärtlich über den Kopf, durch die nassgeschwitzten Haare, über sein hübsches Gesicht. Im nächsten Moment wurde mir schlagartig klar, auf welch zweifelhafte Art ich meinen schwierigen Patienten gerade anfasste. Hastig zog ich meinen Arm ein, drehte mich herum und verließ schnellen Schrittes den völlig unakzeptablen Kellerraum. Banton hatte sich gewaltig geirrt, als er annahm, dass ich nicht zu ihm zurückkommen würde. Nicht um alles in der Welt wollte ich diesen Mann nochmal auf irgendeine Art im Stich lassen! Ja, dummerweise hatte ich im Umgang mit ihm schon entsetzlich viele und schlimme Fehler gemacht. Aber nun würde alles besser werden. Jetzt würde ich mich endlich so umfassend um Elizas Exfreund kümmern, wie ich es schon von Anfang an hätte tun sollen. Innerlich nervös spürte ich, dass in der letzten halben Stunde irgendetwas mit mir passiert war, was ich noch nicht richtig entschlüsselt hatte. Aber in dieser Situation hatte ich keine Zeit, intensiver darüber nachzudenken. Meine ohne Frage lebenswichtigen Aufgaben lagen völlig klar und geordnet direkt vor mir. Als Erstes wollte ich dringend das für Clay Banton zuständige Pflegepersonal finden und ihm kräftig meine Meinung sagen. Die würden was zu hören kriegen! Auch mit dem diensthabenden Oberarzt, den ich von einigen früheren Fortbildungen her kannte, wollte ich ein ausführliches und klärendes Gespräch führen. Danach wollte ich mich mit Clays Hausarzt in Verbindung setzen. All das würde ich so schnell wie möglich tun. Und danach würde ich sofort zu ihm zurückkehren. Mein Patient Clay Banton war schon wieder unentschuldbar und unfassbar schlecht behandelt worden. Er brauchte dringend Hilfe, in jeder nur erdenklichen Art. Und endlich würde er sie lückenlos von mir bekommen.
Clay
Diese lauten Stimmen weckten mich wohl. Zwei Menschen unterhielten sich, offenbar ein Mann und eine Frau. Die wohlklingende Stimme des Mannes erkannte ich sofort, zweifellos gehörte sie Doktor Siamak Tourani. Auch die weibliche Stimme hatte ich schon mal gehört. Aber ich wollte diese Stimmen gar nicht hören. Ich wollte ihnen nicht zuhören. Denn ich wollte sehr viel lieber bewusstlos bleiben. Auf keinen Fall wollte ich aufwachen, denn ich wusste ganz genau, was mich dann erwartete. Meine demütigende, schmerzvolle und angsteinflößende Situation war mir noch allzu gegenwärtig. Und ich hatte definitiv überhaupt keine Lust mehr auf dieses qualvolle Elend. Viel lieber wollte ich weiterhin gar nichts spüren. Einfach in diesem ruhigen Nichts verharren und abwarten.
Aber leider funktionierte das irgendwie nicht. Meine Sinne kehrten von allein immer deutlicher in mich zurück. Und ich erwartete furchtsam, in angespannter Habachtstellung, die neuerlichen Schmerzen und Unwägbarkeiten, die auf mich zukamen. Zwangsläufig sah ich all dem höchst vertrauten Leid entgegen, das der tanzende Affe mir jedes Mal versprach, noch bevor ich auch nur die Augen öffnete oder mich bewegte. „Ich darf diesen unberechenbaren Patienten nicht befreien. Professor Maiwald hat extra angeordnet, dass er das nur selbst nach eingehender Prüfung tun will", beschwerte die schnippische Frau sich gerade. Mir fiel ein, dass es sich dabei wahrscheinlich um diese fremde Krankenschwester handelte, die mich lange vor Siamak an meinem Bett besucht hatte. „Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich das gerne auf meine eigene Kappe nehmen will. Professor Maiwald ist ein guter Freund von mir", erwiderte Siamak erstaunlich geduldig. „Also geben Sie mir jetzt bitte den Schlüssel!" forderte er die aufmuckende Frau auf.
Es gefiel mir, was ich da hörte. Offenbar ging es darum, mich endlich von der scheiß Fixierung zu befreien. Es verursachte mir ein sehr angenehmes, warmes Gefühl im Bauch, dass der scharfe Siamak sich so engagiert für meine Befreiung einsetzte. Noch sehr viel mehr gefiel mir allerdings, dass die heftigen Schmerzen, die ich so angstvoll alarmiert erwartete, trotz fortschreitender Bewusstseinsklärung nur unterschwellig spürbar blieben. Das war doch gar nicht möglich! Ich war doch gerade höchstens ein paar Minuten bewusstlos gewesen. In der kurzen Zeit konnte sich mein vorher kaum noch auszuhaltender Zustand doch unmöglich dermaßen gebessert haben. Irgendwas Gravierendes musste passiert sein, als ich kurz weggetreten war. Denn der hellwache, zornige Affe wütete fühlbar nicht mal mehr halb so stark in mir, wie er es vor meinem Aussetzer definitiv getan hatte. Die unerwartete Verbesserung meiner Empfindungen verblüffte mich. Sie erleichterte mich sehr viel mehr, als Worte es ausdrücken könnten. Sofort breitete sich ein zufriedenes Lächeln auf meinem Gesicht aus, als ich schließlich kapierte, dass meine Schmerzen wohl nicht mehr stärker werden würden, selbst wenn ich mich dazu entschloss, richtig aufzuwachen. Jemand hatte sich während meiner Bewusstlosigkeit zweifelsfrei gut um mich gekümmert. Er musste mir etwas gegeben haben, was den Affen recht erfolgreich im Zaum hielt. Unglaublich dankbar stellte ich mir vor, wie Siamak mir heimlich ein Rotkäppchen mit astreiner shore in den Arm stach, um die wohltuende Ladung zärtlich in meiner Blutbahn zu verteilen. Diese seltsame Phantasie erregte mich plötzlich absurd stark, sodass ich verdutzt aufseufzte. Sofort hatte ich unglaublich Bock auf Heroin und auf Sex mit Herrn Tourani. Nein, das kann nicht sein, verbesserte ich meine Gedanken dann, so etwas würde er nicht tun, denn damit würde er sich strafbar machen. So ein unkalkulierbares Risiko würde der seriöse Herr Doktor unter Garantie nicht eingehen. Stattdessen hatte er mir wohl eher Methadon besorgt. Wobei ich mir jedoch nicht erklären konnte, warum das Ersatzmittel auf einmal so enorm schnell wirken konnte, wo es doch normalerweise Stunden dafür benötigte.
„Ich verstehe gar nicht, warum Clay überhaupt fixiert werden musste. Als er in der letzten Nacht hergebracht wurde, da hat er dank meiner Spritze sehr tief geschlafen. Ich habe niemals angeordnet, dass der Patient gefesselt werden soll", bemängelte Siamak verständnislos. Der extrem attraktive Arzt setzte sich wahrhaftig heldenhaft für mich ein. Diese schmeichelhafte Tatsache sowie der angenehme Klang seiner Stimme vibrierten geil in meinem Unterleib. Doch genau in diesem Bereich meines Körpers spürte ich auch noch etwas anderes, weit weniger Behagliches. Fuck, inzwischen musste ich wirklich dringend pinkeln! Die Krankenschwester schnappte hörbar nach Luft. „Ich weiß nicht, warum Herr Banton ans Bett fixiert wurde. In der letzten Nacht, als das gemacht wurde, war ich nicht dabei. Meine Schicht hat erst heute Morgen angefangen. Aber ich habe Ihren Bericht gelesen, Doktor Tourani. Und da steht doch eindeutig, wie außergewöhnlich aggressiv er sich verhalten hat, als er zu Ihnen gebracht wurde. Sie haben sogar extra angemerkt, wie gefährlich der Mann wäre: 'Der Patient ist eine Gefahr für sich selbst und andere.' Diese Anmerkung haben Sie sogar dick unterstrichen..."
„Was?" entfuhr es mir perplex. Abrupt riss ich die Augen auf, noch bevor mein Gehirn richtig angesprungen war. In drei Sekunden registrierte ich genervt, dass ich noch immer auf diesem verdammten Krankenhausbett lag und unverändert gefesselt war. Außerdem steckte merkwürdigerweise eine Nadel in meiner rechten Armbeuge, an der ein dünner Schlauch angeschlossen war, der zu einer Plastikflasche führte, die kopfüber an einem Infusionsständer hing. Die Nadel war mit weißen Klebebändern an meiner Haut festgeklebt. Das verwirrte mich, aber ich konnte mich jetzt nicht damit beschäftigen. Mein Kopf drehte sich ruckartig nach links, auf der Suche nach Siamak, weil ich ihm dringend die Meinung sagen musste. „Du findest ernsthaft, dass ich gefährlich bin?" fuhr ich ihn entgeistert an, sobald ich den Wichser entdeckt hatte. Siamak stand neben dem Bett, und diese seltsame Schwester war direkt neben ihm. Beide schauten jetzt verblüfft auf mich runter. „Ach, wie schön, Clay, du bist endlich wieder wach!" stellte Siamak erleichtert fest. Er bückte sich und hob etwas auf, was ich nicht sehen konnte, weil es neben dem Bett auf dem Boden stand. Als er wieder hochkam, hatte er eine kleine Plastikflasche mit Mineralwasser in der Hand, die er unverzüglich aufschraubte. „Hier, trink ein wenig", forderte er mich auf und trat noch näher an mein Bett. Instinktiv riss ich den Schädel hoch und öffnete flehend den Mund, weil ich wahrhaftig nahezu verdurstet war. Siamak lächelte gerührt, beugte sich zu mir und stützte hilfsbereit meinen Hinterkopf. Mein Wohltäter setzte mir den Flaschenhals an die ausgedörrten Lippen und schüttete mir das kühle Wasser in die Kehle. Fuck, das tat verflucht gut! Ich war echt erstaunt. Noch nie hatte mir reines Mineralwasser so verflucht gut geschmeckt. Überaus gierig schluckte ich das kühle Nass herunter und konnte nicht genug davon kriegen. Vor lauter Genuss entwich mir tief aus der Kehle ein behagliches Stöhnen und Rülpsen.
„Hey, langsam, Clay! Nicht so hastig!" meinte Siamak lächelnd. In studierter Voraussicht wollte der Doktor nicht, dass ich mich verschluckte, darum setzte er die Flasche nach winzigen Schlucken immer wieder ab, was ich kaum ertragen konnte. „Nein... mehr...", verlangte mein Überlebensinstinkt ganz von allein. Und dann verschluckte ich mich selbstverständlich auch schon. „Vorsicht, Clay! Trink langsam!" warnte Siamak, während mir schon keuchend und hustend das Wasser vom Kinn tropfte. Sofort wischte der Engel mich nochmal mit seinem weichen Taschentuch trocken. Liebebedürftig reckte ich ihm mein Gesicht entgegen. Aber er steckte sein Tuch schon wieder ein und strich mir stattdessen lächelnd mit seiner Hand über den Kopf. Der mega heiße Typ spreizte dabei seine Finger und fuhr zärtlich, tastend durch mein Haar. Das elektrisierte mich dermaßen, dass mein Herz wahrscheinlich etliche Schläge aussetzte. Meine Kopfhaut ist mega empfindlich! Schlagartig hatte ich komplett vergessen, was ich ihm noch vor einer Minute wütend vorwerfen wollte. Ich konnte ihn nur noch ansehen. Und verdammt, er sah wahrhaftig noch immer extrem überwältigend aus. Sein zauberhaftes Lächeln fesselte mich total. Das lockende Dunkelbraun seiner Augen schien magisch zu leuchten.
„Woran erinnerst du dich, Clay? Kannst du dich noch an etwas aus der letzten Nacht erinnern?" fragte er mich behutsam, während seine Finger sanft meinen Kopf streichelten. Die unerwartete Berührung erregte mich extrem. Ich war total verwirrt, paralysiert, und konnte ihm nicht antworten. Außerdem wollte ich mich auch gar nicht erinnern. Bestimmt nicht in diesem Moment und sowieso am liebsten niemals. Meine lästigen Intrusionen waren nämlich keine einzige scheiß Erinnerung wert. Also schüttelte ich den Kopf, ganz leicht nur, damit er ja nicht seine Hand wegnahm. Sein geiles Lächeln wurde noch strahlender. „Wie geht es dir denn jetzt?" wollte er leise wissen und betrachtete mich prüfend. Nun, es ging mir erstaunlich gut, wenn man meine derzeitige Situation bedachte und den Affen, der definitiv noch spürbar unter meiner Haut lauerte. Aber offenbar hatte das verfluchte Tier sich zwischenzeitlich tief in meinen Knochen versteckt, was ich noch immer nicht begreifen konnte. „Was ist los, Siamak? Was hast du mit mir gemacht?" keuchte ich atemlos, woraufhin er amüsiert lachte und zu meinem Bedauern seine Hand von meinem Kopf wegzog. Frustriert stöhnte ich auf, bevor ich mich bremsen konnte.
Ohne mir zu antworten, wandte der Doktor sich an die Frau, die mich die ganze Zeit misstrauisch beäugte. „Es ist unverantwortlich, dass Sie Clay ewig lang unbewacht hier liegen lassen! Er ist total dehydriert gewesen! Er ist auf Heroinentzug! Das kann richtig gefährlich werden!" schimpfte er mit scharfer Stimme. Die Frau zuckte gleichgültig die Schultern. „Damit habe ich nichts zu tun. Ich sollte nur nach ihm sehen. Und das habe ich seit Schichtbeginn auch oft genug getan", verteidigte sie sich beleidigt. Siamak seufzte schwer. „Warum haben Sie ihm denn nicht wenigstens Wasser gegeben?" wollte er verständnislos wissen. Anklagend fixierte er die Krankenschwester, die seinen strafenden Blick mit einem widerspenstigen Funkeln in ihren dunkelbraunen Augen erwiderte. „Sie haben ja keine Ahnung, wie der sich aufgeführt hat, Herr Doktor! Dieser Patient hat keine einzige meiner Fragen beantwortet, die ich ihm stellen sollte, wenn er aufwacht. Stattdessen hat er mich nur überaus aggressiv angeschrien, dass ich ihn losmachen soll." „Versetzen Sie sich doch mal in seine Lage!" erwiderte Siamak fassungslos, „Was würden Sie wohl tun, wenn Sie plötzlich fixiert auf einem fremden Bett erwachen würden?" „Das wird wohl kaum passieren. Ich nehme nämlich keine Drogen!" betonte die verdammte Pflegerin arrogant und warf mir einen genervten, vernichtenden Blick zu. Als wäre es meine Schuld, dass sie sich die Vorwürfe von Siamak anhören musste.
Grimmig erwiderte ich ihren Blick und stellte mir vor, sie kräftig an ihrem hohen Pferdeschwanz zu ziehen. Ja, ich wollte ihr am liebsten jedes schwarze Haar einzeln ausrupfen. Viel zu gut erinnerte ich mich daran, wie spöttisch und gleichgültig mich das Weib behandelt hatte. Unruhig wälzte ich mich auf der harten Matratze herum. Die Fixierung war kaum noch zu ertragen. Die Fesseln schnitten sich in mein Fleisch, als ich ungeduldig an ihnen zerrte. Shit, ich konnte unmöglich noch länger hier liegenbleiben! Auf gar keinen Fall! Diese aufgezwungene Bewegungslosigkeit kotzte mich total an. Außerdem taten mir vom langen Liegen schon sämtliche Knochen weh. Und ich musste dringend eine Toilette aufsuchen. „Fuck... verdammt...", fluchte ich zermürbt und warf Siam einen hilfesuchenden Blick zu. Er lächelte und legte mir nochmal seine Hand auf den Kopf. Beruhigend streichelten seine Finger durch mein Haar, was sich echt gut anfühlte. Augenblicklich verlangte es mich nach sehr viel mehr. Gierig reckte ich ihm meinen Schädel entgegen und seufzte zustimmend. Daraufhin zog der Feigling seine Hand ein und wandte sich wieder der eingebildeten Krankenschwester zu.
„Bitte geben Sie mir jetzt den Schlüssel, Frau Köchmann. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich kläre das mit Professor Maiwald", forderte er die Grazie auf und streckte ihr auffordernd seine offene Hand entgegen. Die Furie schaute mich noch einen Moment entnervt an. Ihr feindseliger Blick legte mir noch tausend engere Fesseln an und mindestens einen Knebel. Aber dann griff sie doch endlich in ihre weiße Hosentasche und holte einen Schlüssel hervor, den sie dem Arzt sichtbar widerwillig und nur zögernd reichte. „Ausdrücklich nur auf Ihre Verantwortung, Doktor Tourani!" musste sie dabei nochmal drohend klarstellen. Total entgeistert starrte ich das Weibsbild an. Verdammt nochmal, die blöde Kuh hatte die ganze Zeit den scheiß Schlüssel, registrierte ich ehrlich fassungslos. Das Weib hatte diesen verfickten Schlüssel in ihrer Tasche und ließ mich trotzdem eiskalt hier verrecken! Sie genoss es wirklich, dass ich gefesselt und deshalb hilflos und wehrlos war. Es gefiel ihr, dass ich ihr vollständig ausgeliefert war. Am liebsten hätte ich der fremden Frau dafür kräftig ins Gesicht getreten.
Aber ich hielt nur den Atem an. Denn jetzt passierte etwas absolut Aufregendes, auf das ich schon seit ewigen Zeiten gehofft und mehr als sehnsüchtig gewartet hatte. Doktor Siamak Tourani nahm unverzüglich den Zauberschlüssel und beugte sich weit über mich, um mein rechtes Handgelenk aufzuschließen. Sein Schwanz in seiner braunen Cargo berührte dabei unabsichtlich meine Hüfte. Und ich pisste mir um ein Haar in die Hose. Erstens war die Erleichterung und Freude darüber, endlich aus meiner demütigenden Zwangslage befreit zu werden, schlicht überwältigend. Zweitens kam der scharfe Mann mir plötzlich so nahe, dass ich seinen faszinierend herben Geruch wahrnehmen konnte und diese beiläufige Berührung seines intimsten Körperteils an meiner Hüfte überdeutlich spürte. Und drittens musste ich einfach nur verdammt dringend pinkeln. Erschrocken ächzte ich auf, spannte instinktiv abwehrend die Muskeln in meinem Unterleib an und drückte hastig die Oberschenkel zusammen. Es war schwer, die peinliche Katastrophe zu verhindern.
Siamak befreite mich geschickt und konzentriert von der Fixierung, indem er mit dem kleinen Schlüssel einen silbernen Verschluss nach dem anderen öffnete. Zuerst die Handgelenke, nach dem rechten direkt das linke. Und dann noch den breiten Lederriemen über meiner Taille. Ich hatte den Kopf gehoben und beobachtete ihn gebannt dabei. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich war extrem aufgeregt. Das hier erregte mich. Überwältigte mich. Eigentlich konnte ich gar nicht so schnell kapieren, dass ich jetzt endlich befreit wurde. Irgendwie hatte ich schon gar nicht mehr damit gerechnet, nochmal von diesem verfluchten Bett herunterzukommen. Aber dann passierte es tatsächlich. Total unerwartet. Und das brachte mich beinahe um. So groß war das Glück, die Dankbarkeit und Zufriedenheit, die ich verspürte, als Doktor Tourani sorgfältig die Schlösser aufschloss und die Lederriemen zur Seite klappte, bis sie nutzlos an den Seiten des Bettes herunterhingen. Der orientalische Mann benötigte für meine seit Ewigkeiten dringend herbeigesehnte Befreiung nicht mal eine Minute. Und ich fand den hilfsbereiten Kerl plötzlich so dermaßen geil, dass ich es kaum noch aushielt. Nochmal ächzte ich auf, eine Mischung aus Geilheit, Überwältigung und Unbehagen wegen der vollen Blase. Mein ganzer Körper erzitterte autonom in einem wohlig-überreizten Schauer. Alle meine Muskeln zuckten vegetativ. Gierig wollte ich den rechten Arm hochreißen, sobald er befreit war. Weil ich augenblicklich einen schlicht unbezwingbaren Bewegungsdrang verspürte. Ich hatte mich einfach entschieden zu lange nicht mehr bewegen können. Darum war das jetzt ein existenzielles Begehren für mich geworden. Dringend musste ich mir mit den Fingern über die juckende Fresse reiben.
Aber Siamak stoppte meine Bewegung geistesgegenwärtig, hastig, erschrocken, indem er meinen Unterarm heftig zurück auf die Liege drückte, noch bevor ich ihn auch nur ein paar Zentimeter angehoben hatte. „Nein, Vorsicht, Clay! Pass auf! Lass den rechten Arm bitte noch ruhig liegen! Denk an deine Infusion! Du darfst die Nadel nicht herausreißen", rief er warnend dabei. Diese rätselhafte Infusion konnte ich mir ohnehin nicht erklären. Irgendwie war ich genervt wegen der neuerlichen, aufgezwungenen Einengung meiner Freiheiten. „Was ist das für ein Scheiß?" fragte ich Siamak leicht ungehalten. Verdutzt schaute er mich an. In seinem Gesicht erschien ein amüsiertes Grinsen. „Das ist kein Scheiß, Clay. Das ist der Grund, warum es dir jetzt schon viel besser geht als vorhin", erklärte er mir ganz sanft, beinahe zärtlich, „Du bist aufgrund der Unachtsamkeit der Verantwortlichen hier erschreckend dehydriert gewesen!" Nochmal warf er der Krankenschwester einen strafenden Blick zu. Und mich durchlief abermals ein geiler Schauer, vom Gehirn abwärts, durch das Rückgrat direkt in den Schwanz hinein, weil mich das enorm erregte. Es törnte mich tierisch an, wie er pausenlos engagiert für mich Partei ergriff. Wie er die verdammte Schwester mit feurigen Blicken und Worten anschnauzte. Meine Aufmerksamkeit richtete sich wie ferngelenkt auf Siamaks Schritt. Meine Augen wurden magisch dort hingezogen. Weil ich unbedingt seinen weichen Schwanz sehen wollte, den ich gerade einige Sekunden lang zweifelsfrei an meiner Hüfte gespürt hatte. Als der fantastische Mann sich über mich gebeugt hatte, um mich zu befreien. Ich sehnte mich mächtig nach Siamaks Schwanz. Unter dem Stoff seiner braunen Cargohose konnte ich seine verlockenden Geschlechtsorgane allerdings nur erahnen. Trotzdem sah ich sie mir eine Weile an und ließ kräftig mein erotisches Kopfkino laufen, was wirklich geil war.
Der hilfsbereite Doktor hatte meinen Körper wahrhaftig befreit und hielt der Frau triumphierend den Schlüssel vor die Nase. Die Furie schnaufte ziemlich geringschätzig, griff sich heftig das Teil und steckte es sichtbar beleidigt zurück in die Hosentasche. „Das ist ganz allein auf Ihre Verantwortung geschehen, DoktorTourani!" konnte sie sich nicht verkneifen, noch einmal grimmig zu betonen. Siamak lachte nur und schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte er keine Lust mehr, sich mit der dummen Frau anzulegen. Derweil war ich damit beschäftigt, meinen linken, freien Arm zu heben. Seit Jahren hatte ich ihn nicht mehr bewegen können. Deshalb fühlte sich das Spiel meiner Muskeln jetzt total ungewohnt an. Es kostete mich eine erstaunlich große Kraftanstrengung. Mein Körper schien eingerostet, daher bewegte ich meinen Arm nur sehr langsam. Und ich genoss jeden einzelnen Augenblick, jeden Zentimeter. Vorsichtig hob ich meine Hand an mein Gesicht und wischte mir mit den Fingern über die feuchten Augen. Dann genussvoll über die Nase und die Wangen. Mann, das war überwältigend! Ich konnte mich sogar an der juckenden Haut kratzen. Zusätzlich hob ich automatisch das Becken an. Instinktiv musste ich es ausnutzen, dass meine Taille nicht länger gefesselt war. Also setzte ich die Fußsohlen auf das Laken und stemmte ein paarmal mein Becken weit hoch. Kranker Clay Banton war hellauf begeistert. Es war schlicht fantastisch, sich nach so langer Zeit endlich wieder bewegen zu können. Der gefährliche Patient war echt fasziniert. Am allerliebsten wollte ich augenblicklich von dem scheiß Krankenbett aufspringen, um den verfluchten Raum und das ganze verfickte Krankenhaus auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Sofort wollte ich nach Hause und so viel shore nehmen, bis ich nichts mehr spürte. Ich wollte verdammt nochmal überhaupt nichts mehr spüren. Ich hatte so was von die Schnauze voll!
Aber da war ja noch Doktor Siamak Tourani, der dicht neben meinem Bett stand, mich zauberhaft anlächelte und unverändert magisch anzog. Und diese verfluchte, rätselhafte Nadel, die tief in meiner Armbeuge steckte. Mein rechter Arm lag neben meinem Körper. Es drängte mich enorm, ihn unverzüglich zu bewegen. Obwohl oder weil der Doktor mich gebeten hatte, das nicht zu tun. Ich musste mich wirklich anstrengen, um den Arm da reglos liegen zu lassen. „Was ist in der Infusion? Methadon? Polamidon?" fragte ich Siamak ganz direkt, während ich mir den seltsamen Schlauch nochmal ansah, der hinauf zu der auf dem Kopf stehenden Flasche führte. Oben tropfte in regelmäßigen, sehr langsamen Abständen eine durchsichtige Flüssigkeit in den Schlauch und gelangte durch Schlauch und Nadel in meine Blutbahn. Die Plastikflasche war noch ungefähr halb voll. Das würde womöglich noch Stunden dauern, bis die endlich leer wäre, registrierte ich genervt und ungeduldig. Siamak lachte amüsiert auf. Fragend schaute ich zu ihm. Der Mann sah schlicht zum Reinbeißen aus. Aber sein Lachen ärgerte mich, weil er mir damit das Gefühl gab, etwas sehr Dummes gefragt zu haben. „Nein, Clay", kicherte er und schüttelte grinsend den Kopf. Seine Antwort verwirrte mich, weil er mir doch eindeutig etwas gegen meinen Affen gegeben hatte. Irgendein Substitutionsmittel musste es demnach sein. Mann, das konnte ich doch zweifellos spüren, dass mein Affe jetzt nicht mehr halb so schlimm war, wie er vor meiner kurzen Bewusstlosigkeit gewesen war. „Was dann?" wollte ich leicht verärgert wissen. Siamak lächelte und legte mir beschwichtigend seine Hand auf die Brust. Das elektrisierte mich augenblicklich, als er mich dort anfasste. Seine Hand lag ganz ruhig dort, bewegungslos, aber ich spürte sie überdeutlich auf meinen Rippen. Sie war auch durch mein Unterhemd angenehm warm. „Dein Arzt konnte mir deine Dosierung für das Methadon nicht nennen, Clay. Er konnte sie noch nicht bestimmen, weil du bisher keine Urinprobe bei ihm abgegeben hast", informierte Siamak mich ruhig. „Du hast mit dem Doc gesprochen?" warf ich irritiert ein. Er nickte. „Ja, ich habe vorhin mit ihm telefoniert. Ich habe ihn über deinen derzeitigen Aufenthaltsort informiert. Du hattest ja heute Morgen einen Termin bei ihm. Den habe ich natürlich abgesagt. Dein Arzt weiß deine Methadon-Dosierung nicht. Also konnte er mir auch kein Methadon für dich geben." Aufmerksam studierte Herr Tourani meine Reaktion.
Obwohl seine Hand auf meiner Brust angenehm war, konnte ich auf einmal unmöglich noch länger liegen bleiben. Es beunruhigte mich extrem, dass er meinen Termin beim Methadondoc abgesagt hatte. Das hörte sich für mich so an, als sollte ich noch viel länger in diesem scheiß Krankenhaus bleiben. Als würde ich vorerst nicht mehr hier wegkommen. Allein den vagen Gedanken daran konnte ich schon nicht ertragen. Ich musste nämlich so schnell wie möglich hier weg! Ich musste sofort nach Hause und Heroin nehmen! Außerdem musste ich dringend von diesem verfluchten, unbequemen Bett runter. Definitiv hatte ich schon viel zu lange auf dem scheiß feuchten Gummilaken gelegen. Vom ständigen Auf-dem-Rücken-Liegen tat mir ja schon alles weh! Mein Drang aufzustehen wurde existenziell. Unruhig und unbehaglich rutschte ich auf dem harten Laken herum. Mein Becken hob und senkte sich fast von allein. Es sah aus und fühlte sich auch so an, als würde ich völlig sinnlos die Luft ficken, was zweifellos ziemlich lächerlich war. Aber ich konnte das trotzdem nicht sein lassen. Meine Beine zitterten angespannt. Der linke Arm knickte und streckte sich. Nervös warf ich einen Blick auf die Krankenschwester, die noch immer neben Siamak stand und mich unverhohlen musterte. Die neugierigen Augen der Frau beobachteten spöttisch meine seltsame Hampelei. Sie betrachtete mich höchst interessiert, als wäre ich ein seltsames Versuchsobjekt. Das nervte mich. Außerdem war meine Blase mittlerweile so übervoll, dass es anfing wehzutun. Mein Interesse daran, was denn jetzt Rätselhaftes in dieser ominösen Infusion drin war, erlosch schlagartig.
„Hör mal, Siamak, ich muss echt total dringend pinkeln!" stöhnte ich hilflos, als mir schlicht keine andere Wahl mehr blieb. Peinlichkeit hin oder her. Gequält presste ich die Oberschenkel zusammen. Die blöde Frau verkniff sich spontan ein spöttisches Kichern. Hastig drehte sie sich von mir weg, damit ich ihre unprofessionelle Belustigung nicht bemerkte. Dabei hatte ich die doch schon längst bemerkt! Siamak nahm seine Hand von meiner Brust und streichelte nochmal meinen Kopf, fuhr zärtlich durch mein Haar, was echt wundervoll war. Seine dunklen, feurigen Augen blickten eindeutig liebevoll. „Ich hol ihm die Flasche", kündigte das Weib kichernd an und machte einen Schritt auf die Tür zu. Sie war von meiner unangenehmen Notlage wirklich amüsiert, die verdammte Fotze. Schlagartig zog sich alles in mir zusammen. „Nein! Ich will keine Flasche!" fuhr ich sie entsetzt an, „Auf keinen Fall piss ich in so eine ätzende Flasche rein!" Das Pflegeweib prustete belustigt los und warf Siamak einen spöttischen, triumphierenden Blick zu, der wohl besagen sollte, dass sie recht gehabt hatte mit ihrer Meinung, dass ich vollkommen verrückt war. Das machte mich echt sauer. Trotzig starrte ich auf ihren üppigen Busen in ihrem weißen Poloshirt, den sie mir prompt provozierend entgegen reckte, indem sie ihre Hände in die Hüften stemmte und die Brust vorschob. „Keine Sorge, Herr Banton. Ich habe mit Sicherheit etwas viel Besseres zu tun, als Ihnen beim Urinieren zuzusehen!" ließ sie mich höhnisch wissen. Ihr Blick machte mich völlig bedeutungslos. Fuck, am liebsten wollte ich dieser Schlampe die Arroganz aus der Fresse schlagen! „Dann können Sie ja jetzt gleich mal damit aufhören mich anzustarren!" entgegnete ich knurrend, woraufhin sie schon wieder belustigt lachte. Ich bumste sie mit meinen Augen und setzte herausfordernd hinzu: „Oder Sie ziehen einfach sofort ihr Oberteil aus, damit ich mir Ihre Titten endlich richtig angucken kann!" Betont frivol streckte ich die Zunge nach ihr raus. Mit diesem Scheiß wollte ich die Fremde eigentlich schockieren. Aber zu meiner Frustration amüsierte es die blöde Olle nur noch mehr. Das Weib fand mein Gebaren sichtbar mega erheiternd. Die Arbeit in der Psychiatrie hatte sie wahrscheinlich abgehärtet. Siamak legte mir beruhigend die Hand auf den Kopf und murmelte: „Nicht doch, Clay! Bleib ruhig", weil er wohl spürte, dass ich nahe daran war auszurasten.
Die Krankenschwester wandte sich lachend an den Arzt: „Sehen Sie, was ich meine, Herr Doktor? Der Patient Banton ist unglaublich aggressiv. Der wurde nicht ohne Grund fixiert, das können Sie mir ruhig glauben. Sie hätten ihn niemals eigenmächtig befreien dürfen!" Aus lauter Wut darüber, was sie da sagte, fauchte ich sie böse an. Aber Siamak ging darauf nicht ein. Stattdessen schüttelte er den Kopf. „Sie können jetzt gehen, Frau Köchmann. Ich brauche Sie hier nicht mehr", forderte er die Krankenschwester zum Verschwinden auf. Die Angesprochene warf ihm einen eingeschnappten Blick zu. „Sie haben hier gar keine Befugnis, Doktor Tourani", musste sie unbedingt erwähnen. Aber Siam ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ich bewunderte ihn dafür, wie gelassen er blieb. Wie souverän er die angespannte Situation im Griff hatte. „Ich übernehme gerne vorübergehend die Verantwortung für den Patienten Banton. Dann können Sie sich jetzt wieder Ihren wichtigen Aufgaben zuwenden", schlug er freundlich vor. Die Pflegerin schenkte mir noch einen geringschätzigen Blick. Dann drehte sie sich abrupt herum und verließ mit schnellen, selbstbewussten Schritten das Zimmer. Sie knallte ärgerlich die Tür hinter sich zu, und ich atmete erleichtert auf.
Siamak bedachte mich mit einem weiteren liebevollen Blick. Der Mann war gar nicht verärgert über meine Provokation. Das fand ich total geil. Er zwinkerte verschwörerisch, was mich echt in die Knie zwang. Allerdings musste ich noch immer extrem dringend pinkeln, und darum rutschte ich weiter nervös auf dem verfluchten Bett herum. „Siamak...", warnte ich flehend. Er streichelte mir über den Kopf und lächelte. „Weißt du, es wäre schon besser, wenn du noch ein bisschen liegen bleibst, Clay. Wenigstens noch so lange, bis die Infusion..." „Nein, verdammt!" entfuhr es mir genervt, „Ich bleibe jetzt nicht mehr liegen, Siamak! Auf keinen Fall kann ich noch länger hier liegen bleiben!" „Ich kann dir auch eine Flasche bringen", schlug der Doktor leise vor. Aber ich schüttelte entschieden den Kopf. Der Gedanke daran, vor ihm in eine durchsichtige Plastikflasche Blut zu pissen, war einfach zu erniedrigend. Siamak betrachtete mich gerührt und nickte dann gutmütig. „Okay, wie du willst. Dann zeige ich dir, wo die Toilette ist", lenkte er ein. Mir entwich ein zufriedenes, sehr erleichtertes Stöhnen. „Also gut, Clay. Du kannst langsam aufstehen. Sei aber bitte vorsichtig mit dem Infusionsschlauch", erlaubte Siamak besorgt. Er nahm seine Hand von meinem Kopf und half mir dabei, mich aufzurichten. Blöderweise war das sogar notwendig, denn mein Körper fühlte sich dermaßen schwach und ungelenk an, dass ich mich zu meiner Bestürzung allein kaum hochstemmen konnte. Langsam richtete ich mit Siamaks tatkräftiger Hilfe meinen Oberkörper auf. Dann drehte ich mich mühsam herum und ließ die Beine über den Rand des Bettes baumeln. Prompt wurde mir schwarz vor Augen und ich musste noch einen Moment sitzen bleiben. Das beunruhigte mich. Es war ein scheiß Gefühl, dermaßen auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
Als mein Blick sich endlich wieder klärte, stand ich vorsichtig auf, wobei Siamak meinen Arm stützte. Der heiße Doktor war es auch, der den metallenen Infusionsständer, der unten vier Rollen hatte, um das Bett herum neben mich rollte. Fuck, ich kam mir vor wie ein Schwerstinvalider! Mein Körper war dermaßen geschwächt, dass ich ihn kaum unter Kontrolle hatte. Das war total ätzend! Es gefiel mir kein bisschen, wie ich an Siamaks Arm langsam, Schritt für Schritt aus dem Zimmer taumeln musste und dabei den Infusionsständer neben mir her schob. Der gekachelte Fußboden war total kalt an meinen nackten Füßen. Das Gummiband der scheiß Jogginghose war dermaßen ausgeleiert, dass sie sofort extrem tief auf meinen Hüften hing. Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, die Hose würde mir jeden Moment herunterrutschen, darum zerrte ich den Baumwollstoff immerzu hinauf. Zwar war ich dankbar für Siamaks Hilfe. Aber es war entwürdigend, wie entkräftet ich war. Wie sehr auf den Doktor angewiesen. Es erschütterte mich, wie ausgelaugt mein Körper zu sein schien. Und wie wenig ich meine Muskeln im Griff hatte. Das war absolut beängstigend, und ich konnte es mir auch eigentlich gar nicht erklären. Siamak öffnete die Tür und wir bewegten uns sehr langsam und vorsichtig aus dem Raum hinaus. Ich war verdammt froh, endlich aus diesem Folterzimmer herauszukommen. Jeder Zentimeter darin war mir verhasst. Diesen trostlosen Raum hatte ich mir entschieden zu lange ansehen müssen.
Zu meiner Irritation landeten wir in einem Gang, der endlos zu sein schien. Es war wohl ein abgelegener Keller oder so, denn es gab keine Fenster und weit und breit war kein Mensch zu sehen. Der betonierte Fußboden war so kalt, dass mir die Füße wehtaten. Ich hatte keine Lust auf diese Scheiße. Mein Affe war zwar auszuhalten, aber er war definitiv noch da. Das hinterhältige Tier lauerte böse kichernd irgendwo tief in meinen Knochen und Eingeweiden. Es wartete nur darauf, jederzeit wieder schreiend hervorzuspringen. Und ich wusste mit absoluter Sicherheit, wenn ich jetzt ein paar Chinesen rauchen würde, dann wäre sofort alles wieder okay. Es würde mir augenblicklich sehr viel besser gehen. Mein Geist fühlte sich seltsam ungeschützt an. Meine Seele schien offen herumzuliegen, sodass jeder mit Leichtigkeit darauf hätte herumtrampeln können. Das machte mir Angst. Meine Beine knickten immerzu ein, sodass Siamak mich wahrhaftig am Arm gepackt halten musste, damit ich nicht hinfiel. Sehr behutsam führte der starke Mann mich über diesen langen Flur zu einer der unzähligen Türen, die eindeutig als Herrentoilette gekennzeichnet war. Es wurde dringend Zeit für mich, diesen Ort aufzusuchen. Und ich war heilfroh, dass Siamak mir die peinliche Pinkelflasche erspart hatte. Das hätte meiner Demütigung ohne Zweifel die Krone aufgesetzt. Zum Glück war wenigstens die nervige Krankenschwester verschwunden. Der rattenscharfe Siamak und ich waren sehr dicht beieinander allein. Jedoch fühlte ich mich dermaßen beschissen, dass ich die direkte Nähe des attraktiven Mannes gar nicht richtig genießen konnte. Dieses Laufen war enorm anstrengend. Die scheiß Infusion nervte, der metallene Ständer und der Schlauch waren extrem lästig, und die Nadel ziepte jedes Mal in meiner Armbeuge, wenn ich mich unabsichtlich falsch bewegte.
„Fuck, Siamak...", stöhnte ich erschlagen, als ich das Gefühl hatte, keinen einzigen Schritt mehr laufen zu können. „Schon gut, Clay. Wir sind ja da", wollte er mich beruhigen und öffnete die Tür zum Klo. Dicht neben ihm betrat ich den kleinen Waschraum. Auch hier brannte, wie überall, viel zu grelles Neonlicht. Was für eine sinnlose Stromverschwendung! Hinten im Raum gab es einige Pissoirs, zu denen Siamak mich geradewegs begleitete. Es war total peinlich, dass ich so schwach war, und dass ich ausgerechnet jetzt so dringend pinkeln musste. Ich wollte nicht, dass der geile Doktor mir dabei so unmittelbar zusah. Aber leider konnte ich ihn auch nicht wegschicken. Denn dann wäre ich zweifellos unverzüglich auf die Fresse gefallen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als von ihm gestützt vor eins der Becken zu treten. Mit einer Hand tauchte ich eilig in die Hose und griff nach meinem Schwanz. Prompt rutschte mir dabei die hellgraue Jogginghose bis zu den Knöcheln herunter. Aber ich hatte jetzt keine Zeit, um mich darum zu kümmern. Ich brauchte meine ganze Konzentration, um meine extrem verkrampften Muskeln zu entspannen. Trotz meines dringlichen Begehrens nach Erleichterung, tat sich nämlich erst mal gar nichts. „Fuck... Siam...", wiederholte ich bestürzt. Mein Körper krümmte sich gequält in seinem festen Griff. „Ist schon gut, Clay", beruhigte er mich abermals geduldig, „Lass dir Zeit. Du hast es bestimmt lange zurückgehalten. Es ist ganz normal, wenn es jetzt ein bisschen dauert." Ich schloss die Augen und wollte am liebsten im Erdboden versinken. Verdammt, das war wirklich übelst peinlich, diese ganze Angelegenheit! Ich fühlte mich enorm gedemütigt. Unglücklich warf ich Herrn Tourani einen Blick zu. Er lächelte besänftigend in seiner unvergleichlichen Art. Mein gequältes Gesicht fühlte sich heiß an, als würde es vor Verlegenheit knallrot werden. Das gefiel mir alles überhaupt nicht. Die ganze ungewohnte Situation war tödlich beschämend.
Endlich entspannten sich meine Muskeln, sodass ich meine um ein Haar platzende Blase mit einem ungewollten, behaglichen Stöhnen in dieses Pissoir entleeren konnte. Siamak lächelte und fuck, er guckte wahrhaftig auf meinen Schwanz. In jeder anderen Situation hätte ich das unter Garantie mega geil gefunden, dass der neugierige und indiskrete Arzt meinen Penis anschaute. Aber in diesem Moment war es mir nur verflucht peinlich und unangenehm. Ich fühlte mich nackt und ungeschützt. Obendrein sah das, was aus mir herauskam, noch immer ein bisschen wie Blut aus. Meine Niere schmerzte und ich knurrte hilflos. Lange Zeit war es ganz still auf der grell erleuchteten Herrentoilette. Nur das Plätschern meiner Körperflüssigkeit, die aus mir heraus in das Emaillebecken lief. Das dauerte viel zu lange. Es flimmerte vor meinen Augen. Mein Magen drehte sich herum und ich hatte das Gefühl, als müsste ich jeden Moment kotzen. Unbehaglich wand ich mich in Siamaks festem Griff. Der Doktor hatte mich an meinem linken, verletzten Arm gepackt, vermied es aber achtsam, dabei die von ihm hergestellte Naht zu beschädigen. Mit der rechten Hand, in dessen Arm die Nadel mit dem Schlauch steckte, hielt ich meinen beschämend winzigen Pillemann fest. Der Infusionsständer stand an meiner anderen Seite direkt neben mir. Echt total erbärmlich!
Später war ich endlich restlos entleert und drückte hastig auf die Spülung. „Wir müssen das unbedingt im Auge behalten, Clay. Wenn das Bluten nicht aufhört, dann muss ich dich zwingend nochmal genauer untersuchen", konnte der Herr Doktor sich nicht verkneifen zu bemerken. Ich nickte peinlich berührt und wollte eigentlich meine Hose vom Boden aufheben, um sie schnellstmöglich wieder anzuziehen. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich danach überhaupt nochmal hochkommen würde, wenn ich jetzt in die Knie gehen würde. Also stand ich unschlüssig herum, bis Siamak verstehend in die Knie ging und meine Jogginghose nach oben über meine Hüften zog. Zu diesem Zweck musste er mich loslassen, und ich hielt mich derweil am Pissoir fest. Das war echt niederschmetternd für mich, wie wenig Kraft ich hatte. So einen hilflosen, komplett ausgelieferten Zustand hatte ich noch nicht allzu oft erlebt. Meine Schwäche erschütterte mich enorm. Siamak ergriff wieder meinen Arm und half mir langsam, Schritt für Schritt vor eins der Waschbecken, wo ich sorgfältig meine Hände wusch. „Willst du dich nicht ein wenig frischmachen?" schlug der Mann sanft vor. Ich hatte keine Lust dazu, denn ich fühlte mich elend und Waschen war anstrengend. Aber dennoch tat ich ihm den Gefallen. Ich wusch mein verschwitztes Gesicht, den feuchten Oberkörper unter dem Hemd und die nackten Arme mit kaltem Wasser aus dem Hahn ab. Diese Aktion verbrauchte meine letzte, jämmerliche Kraft. Danach brach ich regelrecht zusammen. Ich wäre wohl einfach hingeknallt, weil meine Beine nachgaben, hätte der Herr Doktor mich nicht aufmerksam gestützt.
Gleich darauf machten wir uns auf den Rückweg. Während ich dicht neben Siamak über den langen Flur taumelte und den nervigen Infusionsständer an meiner anderen Seite neben mir her schob, ärgerte ich mich. Weil ich es so wenig genießen konnte, wie nah der heiße Mann mir körperlich war. Er lief so nah neben mir, dass ich ihn warm an meiner Seite spürte. „Fuck, was ist das für ein Mist, Siam? Warum bin ich denn so beschissen kraftlos?" musste ich ihn einfach fragen. Weil mir das ehrlich große Sorgen machte. Natürlich lächelte er wieder gerührt, was unbestritten zauberhaft aussah. Nur beruhigte es mich so gar nicht. „Das ist kein Wunder, Clay. Du hast deinem Körper leider entschieden zu viel zugemutet", erklärte der Fachmann zögernd. „Was soll das heißen? Ich hab doch gar nichts gemacht!" erwiderte ich verständnislos. Siamak lachte amüsiert. Das kränkte mich, weil es sich anfühlte, als würde er mich auslachen. „Du hast diesmal zu viele harte Drogen genommen. Das kannst du nicht abstreiten, Clay", tadelte der Doktor mich mit freundlicher Stimme. Es nervte mich total, dass er alles auf die Drogen schob. Und ich glaubte ihm auch nicht, dass dieses Zeug der alleinige Grund für meinen beängstigenden Zustand sein sollte. Denn in diesem Fall würde ich mich zweifellos noch sehr viel öfter dermaßen geschwächt fühlen. „Nein, das war's nicht", entgegnete ich widerspenstig. Wie endlos lang war dieser verdammte Gang eigentlich? Meine Beine drohten ihren Dienst zu versagen. Ich musste mich zunehmend auf Siamak stützen, um genügend Halt zu finden. Zum Glück hielt der Mann mich felsenfest gepackt. „An was erinnerst du dich?" fragte er und warf mir einen forschenden Seitenblick zu. Schon wieder diese scheiß Frage, registrierte ich gestresst. Shit, ich wollte und konnte mich nicht erinnern! Die letzte Nacht hatte ich emotional längst abgehakt. Nie wieder wollte ich daran denken. Darum antwortete ich ihm auch nicht, sondern konzentrierte mich lieber darauf, heil zurück in mein deprimierendes Zimmer zu kommen. Ich war froh, als Siamak nicht weiter nachfragte.
Endlich betraten wir den Raum, den ich eigentlich nie wieder betreten wollte. Es widerstrebte mir extrem, hierher zurückzukehren. Frustriert ließ ich meinen Blick durch das vollständig in hellgrün gekachelte Domizil schweifen, in dem ich beinahe meinen Verstand verloren hatte. Jeder Zentimeter dieses Zimmers war mir unverändert verhasst. Mir fiel auf, dass meine Kotze vom Boden direkt neben dem Bett verschwunden war. Offenbar hatte in der Zwischenzeit jemand Unsichtbares hier saubergemacht. Allerdings war mir das herzlich egal. Schnurstracks strebte ich zum Bett hin, weil ich mich sehr dringend ausruhen musste. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich mich dem verfluchten Bett nie wieder auch nur genähert. Aber mein entsetzlich ausgelaugter Körper schrie gellend nach etwas, auf das ich mich hinsetzen konnte. Und in diesem Verlies war das Bett nun mal die einzige Option.
„Wann kann ich nach Hause, Siamak?" wollte ich von ihm wissen, als ich schließlich mit seiner Hilfe wieder auf dem Bett saß und die Beine erneut baumeln ließ. Meine Stimme klang flehend. Er stand direkt vor mir und betrachtete mich abschätzend. Als müsste er nach den richten Wörtern suchen. „Hör mal... Clay... bitte... du... bist sehr krank...", fing er zögerlich mit irgendwelcher Scheiße an, die ich unter Garantie nicht hören wollte. „Wann kann ich endlich nach Hause?" wiederholte ich drohend. Der Doktor seufzte tief und betrachtete mich traurig. In seinen faszinierend dunklen Augen lag so eine dermaßen große Besorgnis, dass ich davon tief berührt wurde. Mein Herz verkrampfte sich hinter meinen Rippen. Das war mir jetzt zu viel. Ich konnte es nicht aushalten, dass der scharfe Kerl so besorgt und deprimiert war, darum schaute ich schnell in eine andere Richtung. „Du musst vorher noch mit Professor Maiwald sprechen", informierte Siamak mich seufzend. Ich gewann den Eindruck, dass der hinterhältige Herr Doktor mich insgeheim nicht nach Hause gehen lassen wollte. Allein den vagen Gedanken daran fand ich schon unerträglich. Darum fixierte ich ihn misstrauisch. „Kann der mich nach Hause schicken?" wollte ich drängend wissen. Siamak nickte leicht. „Ja, Professor Maiwald ist der diensthabende Oberarzt dieser Station. Ich kenne ihn recht gut. Wenn du mit ihm gesprochen hast, dann kann er dich auch nach Hause schicken." Meine Augenbrauen verengten sich. Irgendwie hörte sich das beschissen unsicher an. Als gäbe es auch noch eine andere Option, nämlich die, mich eben nicht nach Hause zu schicken. Aber darüber wollte ich nicht nachdenken. Denn ich wollte nur noch so schnell wie möglich hier rauskommen. Ich musste sogar zwingend so schnell wie möglich hier raus. Unverzüglich wollte ich nach Hause, wo das tröstliche Heroin schon auf mich wartete. Fuck, der Gedanke an die für mich derzeit frustrierend unerreichbare shore killte mich, schien vor lauter Gier auf der Stelle alle meine Eingeweide schmerzhaft zu verknoten. Obwohl ich mich nebenbei besorgt fragte, wie ich es in meinem jämmerlichen Zustand überhaupt allein bis in meine Wohnung schaffen sollte, gab es für mich definitiv keine andere Wahl. Aber auch über dieses Problem würde ich erst konkret nachdenken, wenn es denn endlich so weit war.
„Was will dieser blöde Professor denn von mir?" erkundigte ich mich genervt. Siamaks hellwacher Blick gefiel mir nicht. Der studierte Mann beobachtete mich, musterte mich so aufmerksam prüfend, als wollte er irgendwas an mir feststellen. Als wollte der pflichtbewusste Arzt in ihm dringend irgendeine Diagnose stellen, die mich noch sehr viel länger in der verfickten Psychiatrie festhielt. Das beunruhigte mich, machte mich enorm nervös. Mein Herz fing vor Unbehagen an zu klopfen. Meine Brust schnürte sich zu. Diffuse Panik machte sich in mir breit. Die Befürchtung, womöglich nie wieder aus diesem scheiß Krankenhaus herauszukommen. Aufgewühlt schnappte ich nach Luft und hampelte nervös auf dem ätzenden Bett herum. Ich musste mich davon abhalten, sofort herunterzuspringen und in Panik davonzulaufen. Aber obwohl es mich in jeder Faser dazu drängte, war ich dazu ohnehin nicht fähig. Mir war klar, dass ich sowieso als Erstes hinfallen würde. Höchstwahrscheinlich würde ich allein noch nicht mal drei Schritte schaffen, bevor ich auf die Fresse fallen würde. Weil meine Beine mich schlicht nicht zuverlässig trugen. Diese Gewissheit stresste mich extrem.
„Der Professor möchte sich nur ein bisschen mit dir unterhalten, Clay", meinte Siamak betont locker. Anscheinend war ihm gar nicht klar, dass es hier um mein Leben ging. Ich konnte diese Sache jedenfalls nicht so leicht nehmen. „Worüber denn?" wollte ich verständnislos wissen. Siamaks feurige Augen durchbohrten mich so forschend, als würden sie versuchen, bis direkt in meine schwarze Seele zu blicken. Eine Weile war es still, während ich ungeduldig auf seine Antwort wartete. „Woran erinnerst du dich?" fragte Siamak aufs Neue. Dafür erntete er ein böses Knurren von mir, was er mit einer Handbewegung einfach beiseite wischte. „Versuche doch bitte mal, dich zu erinnern. An Irgendwas", flüsterte der Doktor behutsam, „Streng dich bitte an, Clay. Was weißt du noch von der letzten Nacht? Was ist mit dir passiert?" Der viel zu neugierige Typ stand direkt neben meinen Beinen am Bett und ließ mich nicht eine Sekunde aus den Augen. Fast berührte er mich mit seinem geilen Körper. Wissbegierig forschte er nach meiner Reaktion. Seine Aufmerksamkeit lag zur Gänze auf meinem Gesicht. Plötzlich drängte es mich, ihn ziemlich feste zu treten, weil er mich mit diesem lästigen Scheiß zum Verrecken nicht in Ruhe lassen wollte. Ich musste mir den attraktiven Kerl dringend irgendwie vom Leib halten. Und so fern wie möglich von meiner derzeit enorm verletzlichen Seele.
„Ich erinnere mich an gar nichts, Siamak", behauptete ich abwehrend und musste mich anstrengen, um seinem überaus prüfenden Blick gelassen standzuhalten. Der Doktor seufzte unzufrieden und holte tief Luft. „Bitte versuche es doch, Clay! Du warst mit deiner Freundin Kim zusammen in deiner Wohnung. Ihr zwei seid euch sehr nahegekommen. Ihr hattet wohl gerade Sex...", wollte der dreiste Mann sanft nachhelfen. Entsetzt riss ich die Augen auf. What the hell?! Ich glaubte ehrlich, mich verhört zu haben. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! „Was?" entfuhr es mir entgeistert, „Wir hatten Sex? Woher willst du das denn wissen?" Siamak hob beschwichtigend seine schönen Hände. „Deine Freundin Kim hat es mir erzählt", behauptete er betont ruhig, „Sie war sehr besorgt um dich, als du gestern Nacht..." „Kim ist nicht meine Freundin! Und wir hatten keinen scheiß Sex!" schrie ich den Kerl zornig an, der sich hier eindeutig in höchst private Dinge einmischte, die ihn nichts angingen. Er durfte auf gar keinen Fall weitersprechen! Das war jetzt echt zu viel. Diese quälenden Bilder in meinem Kopf wollte ich nie wiedersehen, aber der Arsch beschwor sie mit jedem einzelnen, unbedachten Wort herauf. Seine Sätze waren wie schmerzhafte Messerstiche in meine kranke Seele. Ich fühlte mich von meinem Gegner aufs Schärfste angegriffen. Das konnte ich kaum verpacken, dass Tourani offenbar sehr viel mehr über die letzte Nacht wusste als ich. Dass er diese Dinge von mir vermutete, irgendwas Seltsames, woran ich nicht denken wollte. Fuck, ich wollte an diesen verfluchten Scheiß nicht erinnert werden!
Wütend schnappte ich nach Luft. Meine Augen töteten den Arsch, der mich bestürzt musterte. Haltlos hampelte ich auf dem Bett herum, sodass das alte, rostige Gestell unter meinem Gewicht ächzte. Die blockierten Räder bewegten sich, weil meine Beine so heftig zappelten. Meine Arme fuchtelten völlig sinnlos in der Luft herum. Mein Herz schlug so schnell, dass ich kaum noch atmen konnte. Das junge Gesicht des Junkiemädchens schlich sich in meinen Kopf hinein und stach mit spitzen Nadeln von innen gegen meine Schädeldecke. „Sei still!" brachte ich nur mühsam heraus. Meine wirren Augen flehten Siamak an, augenblicklich aufzuhören. Erschrocken legte der Mann mir seine Hand auf den Oberschenkel. Er fing an, mich beruhigend zu streicheln. Damit stoppte er das vegetative Zittern sofort. Verdutzt fixierte ich seine Finger, die sich auf meinem verletzten Bein gut anfühlten. „Halt einfach die Klappe, Tourani!" bat ich den Doktor, ohne ihn anzusehen. Mein Atem ging schwer, weil ich plötzlich so aufgewühlt war. Das war doch alles totale Scheiße! Ich wollte das nicht mehr, dieser verflucht jämmerliche Zustand, in dem ich anscheinend nicht die kleinste Provokation ertragen konnte. Ich wollte dem attraktiven Doktor nicht länger dermaßen ausgeliefert sein. Und schon gar nicht wollte ich an Kimberly denken. Maßlos verwirrt schloss ich die Augen und konzentrierte mich verbissen auf das Streicheln und die Wärme seiner Hand auf meinem Schenkel. „Du musst dich mit deinen Problemen auseinandersetzen, um sie lösen zu können", mahnte Siamak leise. „Bitte hör auf!" stöhnte ich abwehrend. Der verflucht geile Mann seufzte schwer und war endlich still.
Eine Weile war es ganz ruhig um mich. Nur mein angestrengtes Atmen. Das Blut rauschte mir in den Ohren. Mein Herz hämmerte viel zu schnell. Meine Empfindung fokussierte sich auf Siamaks zärtliche Berührung. Seine Finger waren angenehm und machten mir automatisch Lust auf mehr. Ich will sofort mit ihm schlafen, fing es unkontrollierbar an, in mir zu gieren. Mein Körper und meine Seele sollen sich unverzüglich mit Geilheit heilen, so wie sie es schon tausende Male gemacht haben, dachte ich wirr. Die böse Hexe hat mich endgültig besiegt, verstand ich entsetzt, fucking Kimberly ist schuld daran, dass ich jetzt hier bin. Und die verdammte Schlampe hat ausgerechnet Tourani diese privaten Sachen über mich erzählt. Was fällt der bloß ein mich hierher zu bringen?! Mir so was anzutun, in einem Moment, in dem ich absolut wehrlos war? Das werde ich der gefährlichen Bitch niemals verzeihen. Ich möchte nicht länger nachdenken müssen. Ich will mich nicht an diese Scheiße erinnern. Ich will mich nicht länger so beschissen fühlen. Keine Sekunde mehr. Die verfluchte Hexe soll aus meinem Schädel verschwinden!
Unbewusst legte meine rechte Hand mit der Infusionsnadel und dem angeschlossenen Schlauch sich Trost suchend in meinen Schritt. Tastend suchte ich nach einem guten Gefühl. Irgendeinem. Genau diesem. Mein linker Arm legte sich um Siamaks Hüfte und zog ihn näher zu mir. Ich wollte dringend, dass er die Klappe hielt. Und ebenso dringend wollte ich ihn spüren. Er wehrte sich nicht, beugte sich sogar an mein Ohr und raunte: „Bitte bleib ruhig, Clay. Reg dich bitte nicht auf. Ich kann dich ja verstehen." Mein Gesicht drehte sich zu ihm. Erstaunt öffnete ich die Lider. Plötzlich war er mir sehr nah. Seine wundervoll orientalischen Augen erforschten noch immer konzentriert mein Gesicht. Er hörte nicht auf, beschwichtigend über meinen Oberschenkel zu streicheln. Mein Griff um seine Hüfte wurde stärker. Bedürftig zog ich seinen muskulösen, warmen Körper an mich und berührte mit meinen Lippen wie ferngelenkt seine Wange. Der Kerl war noch immer nicht gut rasiert, seine Bartstoppeln piksten. Aber das geilte mich in diesem Moment nur auf. Genauso, wie die verblüffende Tatsache, dass Siamak Tourani seinen Kopf nicht wegdrehte. Der mega scharfe Mann ließ es wahrhaftig zu, dass ich seine Wange küsste. Also tat ich das gleich nochmal, und zwar sehr viel deutlicher. „Ich will dich jetzt, Siamak...", keuchte ich irgendwie verwirrt. Mein Herz hämmerte zu hart und schnell, weil ich unverändert Panik darüber verspürte, vorerst nicht mehr aus der scheiß Psychiatrie entlassen zu werden. Womöglich nie mehr hier herauszukommen.
Siamak lächelte amüsiert und bedachte mich mit einem vielsagenden Blick, den ich nicht deuten konnte. „Hör mal, Clay. Es tut mir leid, aber du musst dich erinnern. Auf Dauer hast du gar keine andere Wahl. Wenn du dich nie erinnerst, dann wirst du deine Probleme niemals loswerden. Verstehst du das? Nur wenn du dich erinnerst, dann kannst du daran arbeiten, deine Traumata zu überwinden", versuchte er geduldig, mir mit sanfter Stimme zu erklären. Aber keins von seinen Worten kam richtig bei mir an, weil ich das alles nicht hören wollte. Nicht jetzt. Niemals. Banton wollte mal wieder nicht denken, sondern ficken. Verzweifelt verstärkte ich meine Bemühungen in meinem Schritt, massierte gezielt meinen weichen Schwanz, soweit das durch die Jogginghose funktionierte. Es fühlte sich zwar gut an, war aber längst nicht genug. Schon drängte es mich, mit meiner Hand unter den Stoff zu tauchen. Aber ich wollte auch andererseits nicht öffentlich masturbieren. Nicht vor Siamak. Denn ich fürchtete, dass genau dies womöglich dann für ihn ein Grund sein könnte, um mich im Krankenhaus festzuhalten. „Nein... ich kann nicht...", seufzte ich abwehrend und schüttelte den Kopf. Schnell presste ich meine Lippen nochmal auf seine kratzige Wange. Meine andere Hand streichelte seine Hüfte. „Bitte, Siamak... fass mich bitte an...", bat ich ihn ganz leise. Er seufzte schwer und zog seine Hand von meinem Bein. In einer raschen, geschickten Bewegung drehte er sich von mir weg. Ich war nicht schnell genug, um ihn zurückzuhalten. Frustriert stöhnte ich auf. „Nein, Clay, nicht! Hör bitte auf damit. Das geht nicht. Und das weißt du auch", meinte der unfaire Typ ein wenig ungeduldig. Offensichtlich deprimierte es den Wichser enorm, dass ich ihm kaum zuhörte. Dass ich nicht kapierte, was er mir so dringend begreiflich machen wollte. Dass seine ach so gewichtigen Worte mich so wenig interessierten. Ich wollte ihn ja gar nicht verstehen!
Unschlüssig studierte er mich, wie ich auf diesem verfluchten Bett saß und mit einer Hand durch den Stoff der Hose hindurch meinen Penis stimulierte. Sofort kam ich mir deswegen mega blöd vor. Widerwillig nahm ich meine Hand weg und krallte die Finger stattdessen aufgebracht an den Rand des Bettes. „Warum geht das nicht?" begehrte ich verständnislos auf. Siamaks Augen waren entschieden zu traurig. Das gefiel mir alles nicht. Die ganze Situation zerrte zunehmend an meinen arg strapazierten Nerven. Er wollte etwas von mir, was ich ihm nicht geben konnte. Und umgekehrt war es zu meinem grenzenlosen Frust ganz genauso. „Weil ich dein Arzt bin", seufzte Siamak, als wäre das als Erklärung nur zu logisch und völlig ausreichend. Aber ich schüttelte den Kopf. „Nein, du bist nicht mal im Dienst!" stellte ich mit Blick auf seine Zivilkleidung spöttisch fest. „Trotzdem bleibe ich dein behandelnder Arzt", widersprach er streng, versuchte aber ein beschwichtigendes Lächeln dabei, „Das, was du von mir willst, wird niemals zwischen uns passieren, Herr Banton." Der Feigling vermied es auffallend, konkret zu werden. Das stresste mich total. Seine unsinnige Weigerung machte mich echt sauer. Wütend schnappte ich nach Luft und hampelte auf dem Bett herum. Ich musste mich davon abhalten, ihm aus lauter Frustration eine reinzuhauen.
Der viel zu aufmerksame Mann spürte das wohl. Er merkte es mir an. Alarmiert riss er die Augen auf. Konzentriert behielt er mich im Auge, als wäre er auf jede Aggressivität von mir gefasst. Ich war angepisst und panisch. Es ging mir echt nicht gut. Und alles in mir wollte das augenblicklich ändern. Ich wollte Sex mit Doktor Siamak Tourani. Dringend. Aber ich hatte keine Kraft und keine Lust dazu, den nervig widerspenstigen Mann jetzt erst noch lange überreden zu müssen. Also stürzte ich mich spontan auf das Nächstliegendste. „Fuck, Siamak! Dann hol doch einfach den scheiß Professor, damit ich endlich hier weg kann!" fauchte ich unfreundlich. Gleich darauf tat mir mein lauter, feindseliger Tonfall schon leid. Verwirrt biss ich mir auf die Lippen. Der extrem gut aussehende Mann lächelte bezaubernd und strich mir tröstend über den Kopf. „Schon gut, Clay. Beruhige dich ein bisschen. Bleib einfach hier sitzen und warte bitte. Ich werde mal sehen, wo ich Professor Maiwald finden kann. Dann komme ich sofort mit ihm zu dir zurück, um dich abzuholen, okay?" Vor Schreck verkrampfte sich abrupt mein ganzer Körper. „Siam, nein, geh nicht weg!" fuhr es unüberlegt aus mir heraus. Weil ich intuitiv das Gefühl hatte, es nicht ertragen zu können, wenn mein einziger Vertrauter mich in diesem ätzenden Kellerraum allein ließ. Ich konnte unmöglich länger allein sein. Nicht hier. Nicht nochmal. Nie wieder.
Aber meine überstürzte, unüberlegte Bitte war total unsinnig, weil ich ihn ja kurz vorher selbst weggeschickt hatte, um diesen doofen Professor zu holen. Und das war mir auch klar. Stöhnend, überfordert hielt ich mir den konfusen Kopf fest. Siamak überhörte meinen panischen Einwurf. „Sag mal, Clay, hast du etwas dagegen, wenn ich nachher bei deinem Gespräch mit Professor Maiwald mit dabei bin?" erkundigte der diensteifrige Arzt sich vorsichtig. Nochmal streichelte er beruhigend über meinen Schädel. In diesem Moment konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Hastig packte ich seine Hand und presste sie gierig und unmissverständlich gegen meinen Schwanz in der Jogginghose. „Das ist mir scheißegal, ob du dabei bist", brachte ich mühsam heraus, „Ich will, dass du mir sofort einen runterholst!" Mein Gehirn tillte wohl plötzlich, denn in diesem Moment war das mein voller Ernst. Aber selbstverständlich zog der seriöse Herr Doktor seine Hand energisch zurück. Eigentlich wollte ich ihn nicht loslassen. Ich brauchte es dringend, dass er mich anfasste. Dass irgendwer mich anfasste. Dieses Begehren schien mir lebenswichtig zu sein. Alles in mir schrie förmlich danach. Aber der feige Arsch ging stur rückwärts und zog mich dabei fast vom Bett runter. Also ließ ich ihn widerstrebend los und fauchte verärgert.
Siamak Tourani ging vorsichtshalber noch einen Schritt zurück, bis er außerhalb meiner Reichweite stand. Mega besorgt und eindeutig unzufrieden betrachtete er mich mit forschendem Blick. Eine Weile sahen wir uns gegenseitig prüfend an. Keiner von uns sagte etwas. Ich bekam das schreckliche Gefühl, der ärgerliche Arzt würde mich jeden Augenblick für vollkommen verrückt erklären. Als würde er mich für immer in diese geschlossene Abteilung einsperren und den Schlüssel eiskalt wegwerfen. Erschrocken ächzte ich auf. „Tut mir leid!" versicherte ich ihm eilig, „Ich wollte nicht..." Meine Gedanken überschlugen sich. Total verwirrt brach ich ab. In Siams faszinierendem Gesicht erschien dieses gerührte Lächeln, was einerseits toll aussah, mich aber andererseits irgendwie als dumm oder krank abstempelte. „Ist schon gut, Clay", beruhigte er mich mit sanfter Stimme. Es fiel mir schwer, seinem traurigen, forschenden Blick noch länger standzuhalten. Sein schwerer Seufzer war viel zu deprimiert. „Ich hoffe so sehr, dass du bald einsehen wirst, dass du dringend professionelle Hilfe brauchst, Clay Banton", bemerkte Tourani leise. Der verfluchte Kerl hätte mir genauso gut überraschend ein Messer zwischen die Rippen rammen können. Er hätte ebenso meine Seele herausreißen und sie in der Luft zerfetzen können. Seine unerwarteten Worte schmerzten mich enorm.
Entsetzt stöhnte ich auf und hielt mir instinktiv schützend den Bauch fest. „Was... nein... das...", stotterte ich blöd. Siamak stand vor mir und schaute mich unentwegt besorgt an. Er war jetzt zu weit weg, als dass ich ihn noch hätte berühren können. Das frustrierte mich. Ich wollte gerne aufstehen und zu ihm hingehen. Ich hatte das existenzielle Verlangen nach seiner tröstenden Umarmung. Wenigstens der. Ich brauchte dringend seinen Körperkontakt. Irgendeinen verdammten Körperkontakt. Aber mir war sonnenklar, dass ich nicht allein laufen konnte. Höchstwahrscheinlich würde ich schon nach dem ersten Schritt auf die Fresse fallen. Und ich hatte keine Lust darauf, hilflos auf die harten Fliesen zu knallen. „Siamak... es tut mir leid...", betonte ich echt verzweifelt. Ich verstand nicht, was er eigentlich von mir erwartete. Was ich hätte tun können, um ihm seine offenbar astronomische Sorge um mich wegzunehmen. Er lächelte hinter seiner immensen Traurigkeit. „Das ist okay, Clay. Bitte bleibe einfach noch ein wenig hier sitzen, ja? Du kannst dich auch hinlegen, wenn du möchtest..." „Nein, auf keinen Fall leg ich mich nochmal hin!" widersprach ich sofort entschieden. Er lachte amüsiert und schüttelte grinsend den Kopf. Aber sein Lachen war nicht echt, denn eigentlich war er unverändert traurig und besorgt. Das spürte ich deutlich, und es gefiel mir kein bisschen. Ich wollte nicht, dass der heiße Doktor dermaßen traurig und besorgt war. Es irritierte mich enorm, dass offensichtlich ich der alleinige Grund für seine mega deprimierte Stimmung war. Und ich hatte keine Ahnung, womit ich seine Laune verbessern konnte. Das war echt niederschmetternd für mich.
„Ich bin gleich wieder da, Clay. Du kannst dich ehrlich auf mich verlassen, okay? Ich lass dich hier nicht im Stich, hörst du mich? Glaubst du mir das? Vertraust du mir, Clay Banton?" Seine angenehme Stimme war ruhig und eindringlich. Unvermindert aufmerksam beobachtete der Mann mich, um jede meiner kleinsten Regungen genau mitzukriegen und fachlich analysieren zu können. Ich hatte keinen Plan mehr, was ich jetzt tun sollte. Was ich überhaupt noch machen konnte. Fühlte mich seltsam besiegt. Umfassend. Banton war endgültig am Ende seiner spärlichen Weisheit angelangt. „Vertraust du mir, Clay?" fragte Siamak noch einmal überdeutlich. Seine Augen forschten höchst konzentriert nach meiner Reaktion. Es hörte sich an, als wäre diese Frage plötzlich von entscheidender Wichtigkeit ihn. Also nickte ich. Automatisch. Um den besorgten Typ zu beruhigen. Um ihm zu gefallen. Obwohl ich mir in Wahrheit mittlerweile nicht mehr sicher war, ob ich diesem schnuckeligen Herrn vertrauen konnte. Mich ließ das erschreckende Gefühl nicht los, dass er mich unbedingt in der verfluchten geschlossenen Psychiatrie festsetzen wollte. Dass er auf gar keinen Fall wollte, dass der Professor mich entließ. Ich erinnerte mich daran, dass Siamak während unserer Begegnungen schon öfter mal von so einer verkackten scheiß Therapie gesprochen hatte, die ich angeblich total dringend benötigte. Ich war argwöhnisch, weil ich nicht abschätzen konnte, was der hinterhältige Doktor in zivil in Wahrheit im Schilde führte.
„Also dann hör jetzt bitte mal genau zu, Clay. Ich gehe jetzt und hole Professor Maiwald hierher. Ich komme mit ihm zurück, sobald ich ihn gefunden habe und er Zeit hat. Wir holen dich dann unverzüglich zum Gespräch ab. Er wird bestimmt in seinem Büro mit dir sprechen wollen. Hast du das verstanden, Clay?" Der dienstbeflissene Mann ließ mich nicht aus den Augen. Sein dunkler Blick erforschte pausenlos mein Gesicht. Das machte mich unglaublich nervös. Ich fühlte mich bedrohlich intensiv beobachtet. Meine Beine fingen schon wieder von allein damit an, vor lauter Nervosität zu zappeln. Meine Finger krallten sich schmerzhaft verkrampft an den Rand des Bettes. Alles in mir wollte auf der Stelle aufspringen. Ich musste dringend von diesem verfluchten Bett springen, um den Mann vor mir festzuhalten. Wenn er jetzt geht, dann kommt er nicht zurück, hämmerte die hinterhältige Panik unverdrossen in mir. Und dann komme ich unter Garantie nie mehr hier raus. Zweifellos bin ich total verrückt, dachte ich wirr. Das haben die Fachleute hier schon längst gemerkt. Sie werden mich für immer in der geschlossenen Psychiatrie einsperren. Meine irren, diffusen Gedanken machten mir eine Heidenangst. Aber was hätte ich in meiner Situation tun sollen? Trotz meiner Panik war mir sonnenklar, dass ich nicht ausrasten durfte, denn dann wäre ich womöglich im schlimmsten Falle nochmal fixiert worden. Vielleicht hätte sogar Siamak mich unverzüglich wieder ans Bett gefesselt, wenn ich aggressiv geworden oder irgendwie ausgeklinkt wäre. Und noch eine Fixierung hätte ich mit Sicherheit nicht überlebt. Diesmal nicht. Also zwang ich mich mühsam dazu, ziemlich kleinlaut zu nicken. Meine Augen flehten den Mann vor mir jedoch eigenständig an, mich bitte nicht nochmal in diesem Raum allein zu lassen. Das konnte ich nicht verhindern. Ich hatte keine Kontrolle über meine Augen.
Gleichzeitig sagte mein Mund allerdings etwas völlig anderes: „Okay, Siamak. Ist schon gut. Ich warte hier. Abhauen kann ich ja sowieso nicht." Banton gab sich sehr viel selbstbewusster, als er in Wirklichkeit war. Siamak Tourani grinste erleichtert. „Ist gut, Clay. Dann machen wir das so", kündigte er freundlich an. Langsam drehte er sich von mir weg und machte einen zielstrebigen Schritt zur Tür hin. Abrupt erstarrt beobachtete ich ihn. Meine Eingeweide verknoteten sich. Von allein schnürte sich mein Hals zu. Tränen schossen mir in die Augen. Weil ich mir schlagartig hundertprozentig sicher war, diesen verflucht gut aussehenden Kerl niemals wiederzusehen. Der einzige Mann, der vielleicht halbwegs auf meiner Seite stand, würde jetzt weggehen. Er würde aus dem Zimmer gehen und die Tür hinter sich zumachen. Und dann würde er mich hier unten im Keller eiskalt vermodern lassen. Selbstverständlich war ich ihm zu anstrengend. Banton war entschieden zu verrückt. Absolut durchgeknallt. Total unberechenbar. Womöglich komplett wahnsinnig. Denn ich hatte von dem Herrn Doktor wahrhaftig und drängend verlangt, mir hier und jetzt einen runterzuholen. Ich hatte den Studierten ernsthaft aufgefordert, meinen Penis zu wichsen. Im Nachhinein war das ohne Frage katastrophal und verhängnisvoll. Weil ich doch im Grunde meines Herzens nur zu gut wusste, dass Siamak Tourani das niemals tun würde. Er würde meinen Schwanz nie anfassen. Weil ihn das nämlich seinen Job kosten könnte. Er würde dieses Risiko nicht eingehen. Trotzdem hatte ich ihn darum gebeten. Ich hatte ihn sogar drängend aufgefordert. So etwas zu tun.
Ich verstand nicht, was mit mir passierte. Nicht mal ansatzweise. In diesem Moment war ich einfach nur völlig kaputt, schwach, verwirrt und überfüllt mit negativen Emotionen. Der drohende Affe hockte mir beschissen anhänglich tief im Hinterkopf. Eine unfassbare Bedrohung lauerte in meinen eigenen Erinnerungen. Unvermittelt stürzten massig Tränen aus meinen Augen. Noch bevor ich sie auch nur bemerkte, liefen sie schon heiß und nass über meine Wangen. Schlicht überfordert schluchzte ich laut auf. „Nein... bitte...ich...", krächzte ich konfus. Clay Banton war ein jämmerliches Weichei und schämte sich dafür zu Tode. Fuck, urplötzlich heulte ich los. Heftigst. Ohne auch nur zu ahnen warum. Der aufmerksame Doktor hörte mein Schluchzen sofort. Augenblicklich blieb er stehen und drehte sich sichtbar verwirrt zu mir um. Sein besorgter Blick landete unverzüglich auf mir. Einen Moment guckte er mich erschrocken an. Ich konnte seinen Blick nicht richtig erwidern, weil ich mir hastig mit den Fingern über die nassen Augen wischte. Ich wollte die scheiß peinlichen Tränen irgendwie aufhalten. Sie unauffällig verschwinden lassen. Aber mein panischer Versuch war vollkommen sinnlos.
„Nein.. warte... ich kann nicht...", wollte ich irgendwas erklären, was mir selbst nicht mal ansatzweise klar war. Ich hatte ehrlich keine Ahnung mehr, was überhaupt mit mir oder um mich herum passierte. Beinahe hatte ich sogar schon vergessen, wo ich mich überhaupt gerade befand. Oder warum. Alles wurde seltsam unklar für mich. Die Umgebung verschwamm in meiner Wahrnehmung. Banton war absolut verwirrt. Als würde mein Gedächtnis oder auch mein Verstand sich endgültig verabschieden. Mein viel zu geschwächter Körper zitterte angespannt. Ich rang nach Luft, weil mein Brustkorb so eng war. Konfus fixierte ich Siamak, der wie erstarrt wirkte, um mich irgendwo festzuhalten. Im nächsten Moment löste Siam sich von seiner Schockstarre und kam mit schnellem Schritt auf mich zu. Ehe ich mich versah, hatte der scharfe Herr Doktor mich auch schon in die Arme geschlossen. Allerdings funktionierte das nicht sehr gut. Weil ich ja noch immer auf diesem verdammten Bett saß. Trotzdem klammerte ich mich augenblicklich hilfesuchend an ihm fest. Meine Arme umschlangen gierig den mittlerweile irgendwie vertrauten Körper und wollten ihn nie mehr loslassen. Der Schlauch an dem Infusionsständer und an der Nadel in meinem Arm bewegte sich heftig. Irgendwas klapperte laut. Die Nadel zerrte an meinem Fleisch. Aber ich konnte nicht aufhören, den Mann an mich zu drücken. Verzweifelt presste ich mein heulendes Gesicht gegen seine breite Brust, fest in sein weiches, kariertes Flanellhemd hinein. „Siam... ich kann nicht...", stammelte ich schluchzend. Es tröstete mich, wie liebevoll er mich in den Arm nahm. Und seltsamerweise hatte das diesmal kaum was Sexuelles an sich. Es war nur beschützend. Sehr zärtlich, aber auf eine freundschaftliche, tröstende Art. Doktor Siamak Tourani streichelte mir abermals über den Kopf. Der Mann strich mit seinen Fingern sanft durch mein Haar und flüsterte: „Schon gut, Clay. Sei ganz ruhig. Ich kann verstehen, wie es dir geht. Das ist alles zu viel für dich. Und das ist auch gar kein Wunder. Du hast sehr viel mitgemacht. Beruhige dich. Bitte ruhe dich noch ein wenig aus, ja? Ich verspreche dir, dass ich mit dem Professor zurückkomme, sobald ich ihn gefunden habe. Ich werde ihn bitten, sich zu beeilen. Und dann reden wir über deine Entlassung. Okay? Geht das für dich in Ordnung?" Seine angenehme Stimme vibrierte tröstend in meinem Kopf und meinen panisch verkrampften Eingeweiden. Besänftigend streichelte er meinen irren Schädel, den ich fest gegen seine Brust presste. Clay Banton heulte wahrhaftig Siamak Touranis bestimmt nicht preiswertes Herrenhemd nass. Die salzigen Flecken von meinen armseligen Tränen würde er unter Garantie nie wieder herausbekommen.
„Tut mir leid...", jammerte ich wie ein Idiot und fühlte mich dabei absolut erbärmlich. Es schien mir, als würde ich jeden Moment nochmal mein Bewusstsein verlieren. Oder anfangen zu kotzen. Oder zu schreien. Ich war mir nicht sicher, ob mein Körper diese Belastungen noch länger durchhalten konnte. Meine schwer verwundete Seele konnte es zweifellos nicht. Abrupt brach sie vollständig in sich zusammen. Siamak streichelte meinen Kopf und versuchte mit seiner dunklen, sanften Stimme geduldig, mich irgendwie zu beruhigen. „Ist ja gut, Clay. Beruhige dich. Sei ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung. Du kommst hier schon wieder raus, hab keine Angst. Bitte mach dir darüber keine Sorgen. Bei dem Gespräch mit Professor Maiwald nachher werde ich dir auch helfen. Du kannst dich auf mich verlassen, okay?" sprach er leise, besänftigend auf mich ein. Ich nickte kläglich, obwohl ich mir nach wie vor nicht sicher war, ob er tatsächlich voll auf meiner Seite stand. Das unbestimmte, quälende Gefühl, dass Siamak mich für eine sehr lange Zeit in der Psychiatrie eingesperrt sehen wollte, piesackte mich und verschwand nicht mehr. Aber verdammt, es war einfach niemand anderes da. Ich war verflucht allein in dieser verfickten scheiß Situation. Fühlte mich total ausgeliefert und war es zweifellos auch. Es gab schlicht keine Alternativen für mich. Also musste ich dem netten Doktor wohl oder übel vertrauen. „Ja, okay...", schniefte ich erschlagen und zwang mich verärgert dazu, mit dem jämmerlichen Heulen aufzuhören, was gar nicht leicht war. Ständig wischte und rieb ich mir mit den Fingern über die Augen, sodass der Schlauch mit der Nadel schmerzhaft an meinem Arm zerrte. Shit, dieses nervige Ding ging mir echt total auf den Sack! „Sei bitte vorsichtig mit der Infusion, Clay. Du darfst die Nadel nicht herausreißen", mahnte Siamak natürlich, während er mich beschützend im Arm hielt.
Ich hatte seinen warmen, muskulösen Körper umschlungen und presste ihn gierig an mich. Ich wollte ihn nicht loslassen, nie mehr, aber nach einiger Zeit wand er sich schon wieder hartnäckig und schob mich zunehmend energisch zurück. Mein leises Knurren nützte mir überhaupt nichts. Siamak lachte irritierend belustigt, packte mit beiden Händen meine Schultern und hielt meinen Oberkörper so, dass er mir geradewegs in die peinlich verheulten Augen gucken konnte. Ich schämte mich wegen dem mädchenhaften Weinen, erwiderte jedoch so aufmerksam und interessiert wie möglich seinen abschätzenden Blick. Ich wollte nicht, dass er womöglich merkte, wie maßlos verwirrt ich in diesem Moment war. „Also machen wir das so? Ja, Clay?" wollte der Kerl behutsam wissen. Seine entzückend glühenden, dunkelbraunen Augen warteten bittend auf meine Zustimmung. Leider hatte ich aber schon längst vergessen, wovon er sprach, was er damit meinte oder was er vorher die ganze Zeit gesagt hatte. Mein Gehirn war eigenartig leer gefegt. Da waren nur noch verwirrende, unzusammenhängende Bruchstücke, die ich nicht ordnen konnte. Hartnäckig mischten sich pausenlos bedrohliche Bilder in meine Erinnerungen, kleine Nadelstiche, die ich bestimmt nicht ertragen wollte. Siamaks unzählbare Wörter schienen meilenweit entfernt zu sein. Aber ich nickte einfach mal, weil ich das Gefühl hatte, dass der Typ ein Nicken von mir erwartete. Und offenbar stimmte das sogar, denn er blies sofort erleichtert Luft aus. Der einnehmend hübsche, orientalische Mann lächelte hinreißend und ließ meine Schultern los. „Du wartest hier, Clay Banton. Bitte bleib ganz ruhig auf dem Bett sitzen. Ich komme zurück, sobald ich Professor Maiwald gefunden habe. Und ich beeile mich auch. Das verspreche ich dir", sprach Doktor Siamak Tourani zu mir. Kurz berührte er meine Wange, um eine Träne wegzuwischen, was irgendwie süß von ihm war. Ratlos schaute ich ihn an. Ich wusste nicht, was ich noch hätte tun können, um ihn aufzuhalten. Ich hatte keine Ahnung, wo er hinging oder was er vorhatte. Banton wusste gar nichts mehr und konnte nichts mehr tun. Der verrückte Patient saß allein in diesem Kellerraum auf dem alten Bett und hatte jeglichen Verstand total verloren.
Eliza
Selbstverständlich musste ich nach ihm sehen und mich selbst von seiner Gesundheit überzeugen. Ich hatte doch gar keine andere Wahl! Den ganzen Morgen spukte diese beunruhigende Geschichte selbstständig in meinem Hinterkopf herum. Seit dem erschreckenden Gespräch mit Siamak im Pausenraum wurde ich sie nicht mehr los. Hartnäckig wollte sie mich von meiner Arbeit ablenken, auf die ich mich doch zwingend konzentrieren musste, um keine womöglich sogar verhängnisvollen Fehler zu begehen. Auch wenn mir das nicht gefallen wollte: Siamaks unerfreuliche Informationen Clay betreffend hatten mich sehr viel stärker erschüttert, als ich wahrhaben wollte. Diese schrecklichen Neuigkeiten ließen mir keine Ruhe mehr. Sie ließen mich sogar viel zu oft die Uhrzeit überprüfen und nervös die Pause herbeisehnen. So ging das den ganzen Morgen lang, ohne dass ich eine Chance gehabt hätte, etwas daran zu ändern. Ich hatte wahrhaftig keine entspannte Minute mehr. Natürlich machte ich mich unverzüglich auf den Weg zu Herrn Banton, sobald mein Dienstplan mir die Zeit dafür erlaubte. Es war extrem schwierig, den kranken Mann innerhalb der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie zu finden. So etwas hatte ich nicht erwartet. Mehrmals musste ich mich bei verschiedenen Pflegern nach Clay erkundigen, weil offenbar niemand richtig Bescheid über ihn wusste. Zu meiner großen Verwunderung wurde ich schließlich in den Keller geschickt, der menschenleer zu sein schien. Erstaunt lief ich die Treppe hinunter. Der lange Gang wirkte wie ausgestorben, als wäre hier schon seit langer Zeit niemand mehr gewesen. Ich konnte mir nicht erklären, warum sie Clay ausgerechnet in den Keller abgeschoben hatten. Das wirkte auf mich, als wollten sie eigentlich lieber nichts mit ihm zu tun haben. Dabei wäre es doch ihre Aufgabe gewesen, sich umfassend um den laut Siamak extrem verwirrten Patienten zu kümmern. Aber offenbar hielt Clay sich allein und unbeachtet in einem Zimmer im Keller auf. Das gefiel mir gar nicht. Es machte mir Sorgen, weil ich ihn gut genug kannte, um zu wissen, dass er nicht gerne allein war.
Zügig lief ich über den hell erleuchteten Flur. Die vielen geschlossenen Türen hatten alle Nummern, darum fand ich die richtige relativ schnell. Ich war sehr viel nervöser, als ich mir eingestehen wollte, als ich vor dieser Tür stand und tief durchatmete, um genug Kraft zu sammeln. Ich ahnte, dass diese Begegnung mit meinem Exfreund eventuell nicht einfach für mich werden würde. Denn ich wusste nicht, in welchem Zustand er jetzt sein würde. Ich hatte keine Ahnung, was mich hinter dieser Tür erwartete. Siamak hatte von wirklich schlimmen Begebenheiten gesprochen. Der Doktor hatte mir von einem gefährlichen Dämon berichtet, der nichts mehr mit Clay Banton, wie ich ihn kannte, gemeinsam gehabt hatte. Ich hatte Angst, dass Clay mich womöglich gar nicht erkennen würde. Das hätte mir sehr wehgetan, und ich hätte auch nicht gewusst, wie ich darauf reagieren sollte. Ich fürchtete, dass der Mann vielleicht sehr aggressiv oder auch nur apathisch sein würde. Beides hätte mir nicht gefallen.
Aber es half ja alles nichts. Meine Neugier und meine viel zu große Sorge um Banton sorgten dafür, dass ich allen Mut zusammennahm und laut an die Tür klopfte. Ich wollte dringend überprüfen, ob er überhaupt auf ein Klopfen reagieren konnte. Das würde mir schon mal einen kleinen Hinweis auf seinen Zustand geben. Zu meiner Erleichterung reagierte er augenblicklich mit einem lauten „Was?" auf mein Anklopfen. Zwar vernahm ich ihn nur gedämpft durch die Tür, aber es hörte sich trotzdem wie ein schriller Hilfeschrei an. Mein Herz hämmerte ziemlich heftig. Ich war extrem angespannt, als ich gleich darauf die Tür öffnete und in das mir unbekannte Krankenzimmer trat. Es war ein mit Neonlicht hell erleuchteter, vollständig mit hellgrünen Kacheln ausgekleideter, relativ kleiner Kellerraum ohne Fenster. Bis auf ein sichtbar altes, längst ausgemustertes Bett und einen Schrank an der Wand war er völlig leer. Auf dem Bett saß mein Exfreund Clay Banton. Mein Blick fiel sofort prüfend auf seine vertraute Gestalt. Der Mann trug lediglich ein schwarzes Unterhemd und die hellgraue Jogginghose der Psychiatrie. Seine Beine baumelten in der Luft, weil das Bett so hoch eingestellt war. Seine Füße waren nackt. In seinem rechten Arm steckte eine Infusion. Der dazugehörige Ständer mit der Flasche und dem Schlauch stand neben dem Bett.
Zögernd betrat ich den deprimierenden Ort. Sorgsam schloss ich die Tür hinter mir, ohne Clay aus den Augen zu lassen. Vorsichtshalber blieb ich erst mal direkt an der Tür stehen, um die momentane Verfassung des kranken Patienten abzuschätzen. Noch immer fürchtete ich, dass er womöglich aggressiv sein könnte. Aber Clay starrte mich nur mit weit aufgerissenen Augen reglos an. Sein Anblick war herzerweichend. Seine Augen wirkten wie zwei schwarze Höhlen in seinem blassen, extrem verblüfften und verwirrten Gesicht. Der Typ sah aus, als wäre er sich nicht sicher, ob ich nicht vielleicht nur eine Erscheinung war, ein Gespenst, womöglich ein Geist oder so was. Er konnte es sichtbar nicht glauben, dass ich plötzlich an der Tür stand und ihn ansah. Aufmerksam studierte ich ihn, suchte nervös nach einem Hinweis auf seinen Zustand. Sofort fiel mir auf, wie entsetzlich krank Clay aussah. Er war noch viel blasser als sonst. Sein Gesicht wirkte fahl, seine schwarzen Augen waren vom Weinen stark gerötet und verquollen, mit ziemlich dunklen Schattenrändern. Sein Atem ging schwer, als er mich fassungslos betrachtete. Er hatte die Finger um den Rand des Bettes gekrallt. Sein Oberkörper fing damit an, unruhig vor und zurück zu schaukeln. Das ging mir ziemlich nahe, weil ich wusste, was es bedeutete. Mit dieser instinktiven Handlung wollte er sich selbst trösten und beruhigen. Clay Banton war ein kleines Kind in der Wiege, das geschaukelt werden wollte.
Ein paar Minuten war es ganz still in dem sterilen Raum. Ich war seltsam gebannt und konnte meinen Blick nicht von ihm nehmen. „Eliza", krächzte er schließlich verdutzt mit rauer Kehle und hustete trocken. Offensichtlich ging es dem Patienten extrem schlecht. Sein ganzer Körper fing an zu zittern. Der erwachsene Mann wirkte hilflos und vollständig verloren. Das tat mir in der Seele weh. Mein erster Impuls war, augenblicklich zu ihm hin zu eilen und ihn tröstend, beschützend in den Arm zu nehmen. Ich wollte ihn mal wieder vor der bösen Welt beschützen. Nur mühsam konnte ich mich davon abhalten. „Hallo Clay", grüßte ich ihn und machte einen zaghaften Schritt in seine Richtung. Es erleichterte mich und machte mich froh, dass er mich wenigstens erkannt hatte. Sein desolater Zustand ging mir jedoch sehr viel näher, als mir gefallen wollte. Clay riss die schwarzen Augen noch weiter auf, als er realisierte, dass ich tatsächlich echt war. „Eliza!" ächzte er fassungslos und sprang überstürzt vom Bett. Er schwankte und brauchte einen Moment, um sich zu stabilisieren. „Eliza! Du bist da! Du hast mich gefunden!" stellte er zufrieden fest. Der Kerl war völlig außer sich, was ich gerührt zur Kenntnis nahm. Verwundert fragte ich mich, ob er wohl schon sehnsüchtig auf mich gewartet hatte. Das wäre totaler Unsinn gewesen, weil er ja gar nicht wissen konnte, dass ich zu ihm kommen würde. Er wusste bestimmt nicht mal, dass ich heute Dienst im Krankenhaus hatte. Clay hatte sich meine Arbeitszeiten nie merken können.
„Du hast mich gefunden!" betonte er und machte einen wackeligen Schritt auf mich zu. Offenbar trugen seine Beine ihn nicht zuverlässig, denn er drohte augenblicklich einzuknicken. Trotzdem taumelte er verbissen weiter, machte einen unsicheren Schritt nach dem anderen. Den Infusionsständer riss er dabei völlig unbeachtet an der Nadel in seinem Arm hinter sich her. Das musste ihm wehtun, aber er schien es nicht mal zu bemerken. Seine wirren Augen lagen mühsam konzentriert auf mir. Er hielt sich mental an mir fest. Ich war sein alleiniges Ziel. Als hätte er wahrhaftig schon ellenlang auf mich gewartet. „Eliza! Du bist da! Du hast mich gefunden!" wiederholte er hörbar überwältigt, als könnte er das einfach nicht glauben. Offenbar wollte das kleine Kind sich sofort Schutz suchend in meine Arme stürzen. Irritiert schaute ich auf seinen nackten Unterbauch. Seine Jogginghose war so tief heruntergerutscht, dass der Bund nur noch locker auf seinen Hüften hing. Als würde die Hose jeden Moment herunterrutschen. Es erschreckte mich, wie der kranke Mann plötzlich zielstrebig auf mich zukam. Seine dunklen Augen wirkten bedrohlich, sein noch immer sichtbar schwer verletzter Körper taumelte haltlos. Seine Arme suchten ausgestreckt nach Gleichgewicht. Er drohte sich mit seinen heftigen Bewegungen die Nadel aus dem Arm zu reißen.
Instinktiv ging ich einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände. „Nein, Clay! Warte! Pass doch auf!" fuhr ich ihn warnend an, weil er den Ständer mit der Infusion beinahe umriss. Clay starrte mich verwirrt an. Nur mühsam und spürbar widerwillig stoppte er seine manische Vorwärtsbewegung. Seine instabile Gestalt schwankte. Schließlich kam er zum Stehen. Sein Körper kippelte auf unsicheren Beinen, als er mich verunsichert fixierte. „Eliza", flüsterte er drängend, flehend, „Liz, bitte..." „Was zur Hölle machst du hier, Clay Banton?" fragte ich ihn vorwurfsvoll, ging noch einen Schritt rückwärts von ihm weg und verschränkte demonstrativ meine Arme vor meiner Brust. Ich wusste nicht, was in der letzten Nacht mit ihm passiert war, welche widrigen Umstände dazu geführt hatten, dass er sich jetzt in der geschlossenen Psychiatrie aufhielt. Aber ich konnte mir denken, dass seine Misere mit Sicherheit etwas mit seinem scheiß Drogenkonsum zu tun hatte. Das ärgerte mich maßlos. Der Idiot hat es mal wieder übertrieben, redete ich mir ein, er ist das alles selber schuld. Clay seufzte traurig und wischte sich fahrig mit den Fingern über die verquollenen Augen. Er schwankte und streckte die Arme aus, um irgendwo Halt zu finden, den es in seiner derzeitigen Position mitten im Raum nicht gab. Der verletzte Mann sah mich bittend an und streckte sich hilfesuchend nach mir. Aber ich wollte ihn nicht anfassen. Auf keinen Fall wollte ich ihm zu nahekommen. Irgendwas in mir sträubte sich heftig dagegen. Ich war viel zu aufgewühlt, fühlte mich nahezu schockiert, und brauchte deshalb unbedingt räumlichen Abstand zu dieser unerwarteten Situation. Strafend und abweisend behielt ich ihn im Auge.
Es war still. Clay antwortete mir nicht, sondern schaute mich nur unentwegt an. Seine Augen flehten um Hilfe, was ich kaum ertragen konnte. Nach einiger Zeit begriff er, dass ich ihm nicht helfen würde. Ich würde ihn noch nicht mal stützen. Das freie Stehen fiel Herrn Banton nicht leicht. Sein ganzer, angeschlagener Körper zitterte von der Anstrengung. Offensichtlich war er enorm geschwächt, was mich ziemlich erschreckte. Seine Beine drohten nachzugeben. Darum drehte er sich vorsichtig tastend herum und machte zögerliche Schritte zurück zu dem Bett, von dem er gekommen war. Das Bett war der einzige Ort in diesem deprimierenden Zimmer, an dem er den benötigten Halt finden konnte, weil ich ihm diesen Halt verweigerte. Clays Anblick war schlicht herzzerreißend. Mein Hals schnürte sich zu, als ich beobachtete, wie der große, muskulöse Mann hilflos zurück zu diesem alten Bett taumelte. Seine Knie knickten ein und er fiel fast hin, sodass ich ihn schon hastig auffangen wollte. Intuitiv machte ich zwei Schritte auf ihn zu und stoppte dann verwirrt. Er bemerkte es nicht, weil er mir den Rücken zudrehte. Aber der tapfere Mann fing sich zu meiner Erleichterung selbstständig und erreichte am Ende das Bett, auf das er sich keuchend stützte. Sein kleiner Ausflug in meine Richtung hatte ihn wahrhaftig richtig doll angestrengt. Das ging mir sehr nahe. Ich kämpfte zunehmend mit meinem aufkommenden Mitleid mit diesem hilflosen Menschen. Immer wieder sagte ich mir trotzig, dass er es doch schließlich selbst schuld war. Clay Banton hatte sich seine momentane Situation allein zuzuschreiben. Ich wollte nicht zu viel Mitgefühl für ihn entwickeln, denn sein Anblick schmerzte mich sowieso schon viel zu stark, fand ich. Es tat mir unglaublich weh, wie verletzt er war, wie schwach und auf Hilfe angewiesen. In so einem jämmerlichen Zustand hatte ich Clay vorher noch nie erlebt. Seine körperliche und seelische Gebrechlichkeit war beängstigend.
Nachdem er sich eine Weile ausgeruht hatte, drehte der Typ sich schwankend wieder zu mir und registrierte, dass ich zwischenzeitlich nähergekommen war. Das zauberte ihm ein klägliches Lächeln ins blasse Gesicht. „Eliza...", seufzte er ratlos. Mein Blick fiel wieder auf seine ausgeleierte Jogginghose, die echt sexy tief auf seinen Hüftknochen hing. Diese Beinbekleidung gehörte dem Krankenhaus. Sie wurde ausschließlich Psychiatriepatienten angezogen, die keine eigene Kleidung besaßen. Unwillkürlich fragte ich mich, warum Clay um alles in der Welt nicht seine eigenen Klamotten trug. „Was hast du denn da bloß an?" fragte ich ihn kopfschüttelnd und schob den Infusionsständer sorgsam neben ihn. Der Dummkopf hatte das Teil mit den vier Rollen so achtlos hinter sich her gezerrt, dass das metallene Gestell beinahe umgefallen war. Mit einem Blick überprüfte ich neugierig das Etikett der auf dem Kopf stehenden, bereits zu drei Vierteln geleerten Infusionsflasche. Die durchsichtige Flüssigkeit darin interessierte mich, weil sie über den Schlauch und die Nadel unermüdlich tröpfelnd in Clays Blut gelangte. Auf dem Etikett stand der Inhalt der Flasche. Herr Banton wurde mit einem hochdosierten Stärkungsmittel, versetzt mit einem überaus starken Schmerzmittel versorgt. Erstaunt fragte ich mich, wer ihm wohl diese ziemlich heftigen Medikamente verordnet hatte. Allerdings hatte er die Infusion zweifellos dringend nötig.
Der sichtbar extrem erschöpfte und schwer verletzte Mann sah lächelnd an sich herunter. Mit einer Hand zog er den Bund der abgetragenen Jogginghose hinauf. Die hellgraue Baumwolle rutschte jedoch in dem Moment bis zu seinen Hüftknochen zurück, als er den Bund losließ. „Ja... weißt du, Liz... ich dachte... wenn ich schon in die Psychiatrie gehe... dann muss ich mich auch passend kleiden...", behauptete er grinsend. Nochmal versuchte er, die Hose heraufzuziehen, was nicht wirklich funktionierte, weil das alte Gummiband schlicht zu ausgeleiert war. Irritiert schaute ich auf seinen Unterleib, die helle, glatte Haut und die sexy hervorstehenden Knochen seiner Hüfte. Sein schwarzes Unterhemd war kurz, daher war der untere Teil seines Bauches nackt. Entweder trug er keine Unterhose, oder sie konnte nur aus einem winzigen Stofffetzen bestehen, denn es war nicht mal ein Bund zu sehen. Clay Banton hatte viele bunte Hämatome auf seinem Körper. Jemand hatte ihn wiederholt und äußerst heftig geschlagen. Jemand hatte ihm unzählige Schnittwunden zugefügt. Obwohl ich das schon lange gewusst hatte, erschütterten mich seine sichtbaren Verletzungen aufs Neue. Es tat mir weh, mir vorzustellen, wie irgendwer brutal auf ihn einprügelte.
Der verrückte Kerl schaute mich an, stieß ein nervöses Lachen aus und zwinkerte neckend. Ich erwiderte seinen Blick und verzog spöttisch meine Miene. Clay Banton versuchte, lustig zu sein. Er bemühte sich, unsere angespannte Situation zu retten. So etwas kannte ich von ihm. Er wollte mich damit besänftigen und amüsieren. Bisher hatte mein Exfreund mit seinem albernen Verhalten auch meistens irgendwie Erfolg bei mir gehabt. Aber diesmal registrierte ich deutlicher, als ich wahrhaben wollte, dass seine nur gespielte Fröhlichkeit seine Augen nicht erreichen konnte. Clays enorm traurige, rot verheulte Augen blieben dunkle Höhlen in einem sehr verzweifelten Gesicht. „Das ist doch totaler Schwachsinn!" schmetterte ich seinen kindischen Versuch ab und schüttelte verständnislos den Kopf. Sein neckisches Grinsen starb sofort. Clay stand hilflos vor dem Bett und betrachtete mich. Seine Augen flehten um Verständnis. Mit einer Hand hatte er sich abgestützt, weil sein Körper unverändert instabil war. Er schwankte immerzu, seine Beine drohten ihm den Dienst zu versagen. Das Stehen strengte ihn an. Dennoch blieb er dort stehen und setzte sich nicht hin. Sein Blick wanderte aufmerksam über meinen ganzen Körper, was ich reglos geschehen ließ. Mein Herz hämmerte noch immer nervös. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Clays Zustand war viel erschreckender, als ich erwartet hatte. Darauf war ich nicht vorbereitet. Obwohl er mich zum Glück sofort erkannt hatte, schien er kurz vor dem vollständigen Zusammenbruch zu stehen. Das war beängstigend und tat mir in der Seele weh. Mein Schmerz war sehr viel stärker, als mir gefallen konnte. Am liebsten hätte ich mich unverzüglich herumgedreht und wäre aus diesem gruseligen Kellerraum geflüchtet. So weit weg von ihm wie möglich. Ich wollte den kranken Typen hier drin allein lassen, und ich wollte ihn nicht wiedersehen. Offensichtlich war er ziemlich herbe abgestürzt, und damit wollte ich nichts zu tun haben. Schließlich hatte ich mich aus gutem Grund schon längst von diesem für mein Seelenheil extrem gefährlichen und unberechenbaren Kerl getrennt. Genau das sagte mir mein Verstand recht deutlich.
Aber mein unwillkürliches Mitgefühl, meine große Sorge und Angst um ihn hielten mich davon ab, das gekachelte Krankenzimmer zu verlassen. Ich fürchtete, vermutlich sogar zu recht, wenn ich jetzt einfach wortlos hier verschwand und ihn unbewacht zurückließ, dann würde Clay Banton höchstwahrscheinlich sterben. Vielleicht würde er einen Weg finden, um sich umzubringen. Der Patient sah eindeutig aus, als würde er schon sehr lange danach suchen. Als würde er ernsthaft den Tod herbeisehnen, um sein unerträgliches Leid endlich zu beenden. Offensichtlich hatte dieser Mensch schon entschieden zu lange gelitten. Mein Gefühl sagte mir, wenn ich ihn jetzt allein ließ, dann würde er sich mit Sicherheit irgendwie selbst töten. Oder sein überforderter Körper würde einfach von allein endgültig seinen Dienst einstellen. Der Gedanke an Clay Bantons einsamen Tod in einem fremden, kalten Kellerraum war mir unerträglich. Dieses unkalkulierbare Risiko konnte und wollte ich nicht eingehen. Das hätte ich mir niemals verziehen.
„Du siehst so schön aus, Liz", teilte Clay mir plötzlich mit zaghafter Stimme mit, „Du gefällst mir so sehr. Wie du aussiehst... das... törnt mich an. Das ist wirklich scharf." Er deutete auf meine Dienstkleidung, nickte begeistert und setzte hinzu: „Ich steh total auf Mädchen in Uniform." Herr Banton lächelte liebevoll und zwinkerte keck. Meine Eingeweide verkrampften sich. Der verrückte Mann schmeichelte mir, um mit mir zu flirten. Er flirtete in dieser Situation mit mir! Das war auch so eine Masche von ihm, die ich nur allzu gut kannte. Clay benutzte sie regelmäßig, um mich in angespannten Situationen zu besänftigen. Obwohl ich das genau wusste, fühlte ich mich von seiner Anerkennung dennoch geschmeichelt. Das konnte ich nicht verhindern, obwohl es mir nicht gefiel. Es gab mir das Gefühl, ihm hilflos ausgeliefert zu sein. Weil ich unwillkürlich haargenau auf die Art reagierte, die er beabsichtigt hatte. Verwirrt versuchte ich mich zu entsinnen, wie oft Clay mich in den letzten Jahren in meiner Schwesterntracht gesehen hatte. Aber ich wusste es nicht mehr. Ich konnte mich nicht erinnern. Mein Kopf schien auf einmal seltsam leer zu sein. Und gleichzeitig fühlte ich mich überfüllt mit unangenehmen Emotionen, die sich ausschließlich auf den kranken Menschen vor mir bezogen.
Clay streckte seinen Arm aus, weil er zärtlich mein Gesicht berühren wollte. Mit der rechten Hand hielt er sich unverändert am Bett fest, sonst wäre er wohl hingefallen. Erschrocken beobachtete ich, wie seine linke Hand sich meiner Wange näherte. Instinktiv wich ich vor ihm zurück. Enttäuscht ließ er den Arm sinken. „Du bist so hübsch, Liz. Ich mag dich so gern", flüsterte Clay flehend und traf mich damit unvorbereitet tief in meiner Seele. „Ach, Clay", stöhnte ich resigniert. Der hinterhältige Kerl lächelte zufrieden, weil er spürte, dass er mit seiner Schmeichelei sehr wohl Erfolg bei mir hatte, obwohl ich das gar nicht wollte. Clay kannte mich einfach viel zu gut. „Du bist echt wunderschön, Eliza", beteuerte er sanft, „Du törnst mich total an. Ich... möchte dich gerne anfassen." Schon wieder streckte er zielstrebig die Finger nach mir aus. Vorsichtshalber ging ich zwei Schritte zurück, damit er mich nicht mehr erreichen konnte. Auf keinen Fall wollte ich von ihm angefasst werden. Clay seufzte schwer und klammerte sich müde an den metallenen Rand des uralten Bettes, an dem wahrhaftig die weiße Farbe abblätterte. Auf dem mit Sicherheit schon lange nicht mehr benutzten Bett lag eine ebenso alte, schmale und harte Matratze, die lediglich mit einem Gummilaken bezogen worden war, das man leicht reinigen konnte. Mit Grausen registrierte ich die an dem nahezu rostigen Gestell fest verankerten Lederbänder. Diese braunen Riemen mit den silbernen Spezialverschlüssen hatten früher einmal dazu gedient, zu wild gewordene Psychiatriepatienten bewegungslos ans Bett zu fixieren, damit sie sich selbst und anderen keinen Schaden mehr zufügen konnten. Mittlerweile war diese brutale Behandlungsmethode allerdings nicht mehr erlaubt. Ob sie Clay wohl trotzdem fixiert hatten, überlegte ich erschüttert, Siamak hat mir doch erzählt, dass Clay sich letzte Nacht in einen aggressiven Dämon verwandelt hatte. Vielleicht sind sie einfach nicht anders mit ihm fertiggeworden und dreist davon ausgegangen, dass es hier unten im Keller sowieso niemand merken würde, wenn sie ihn fixieren. Diese Vorstellung war schrecklich, alles verkrampfte sich in mir. Einen in diesem fürchterlichen Zimmer an dieses ätzende Bett gefesselten Clay Banton wollte ich mir wirklich nicht vorstellen.
Voller Mitleid betrachtete ich den hilflosen Patienten, der ein wenig gebeugt vor mir stand. Seine extrem geschwächten Muskeln zitterten, fahrig wischte er sich mit der Hand über das verschwitzte Gesicht und rieb sich mit den Fingern die geröteten Augen. „Was machst du denn bloß hier, Clay? Wie um alles in der Welt bist du in der geschlossenen Psychiatrie gelandet? Was ist mit dir passiert?" fragte ich ihn schon viel freundlicher, weil er mir zunehmend leidtat, ohne dass ich es verhindern konnte. Clay wich stöhnend meinem Blick aus und schloss abwehrend die Augen. Eine Weile stand er so dort und atmete schwer. Ich betrachtete seine angeschlagene, doch noch immer wohlproportionierte Gestalt und musste mit dem Bedürfnis kämpfen, ihn auf der Stelle beschützend in den Arm zu nehmen. Ich wollte ihm helfen. Und irgendwie wollte ich es auch nicht. Ein Teil von mir wollte noch immer diesen Ort und den Mann auf dem schnellsten Wege verlassen. Jedoch war mir völlig klar, dass das viel zu gefährlich wäre. Mit jeder Faser meines Seins spürte ich, dass ich den extrem labilen Typen in seinem Zustand nicht mehr alleinlassen durfte. Vom Personal dieser Station fand ich es schlicht unverantwortlich, dass der Patient Banton offenbar schon viel zu lange alleingelassen worden war. Mein Herz hämmerte nervös, als ich ihn forschend ansah. „Was ist mit dir passiert?" wiederholte ich drängend. „Ich weiß nicht...", seufzte Clay mit geschlossenen Augen. Hilflos drehte er sich von mir weg und trat unruhig auf der Stelle. Seine Lider waren fest zu, er wollte die feindliche Umgebung einfach ausblenden. „Das glaube ich dir nicht, Clay", sagte ich ihm auf den Kopf zu und machte zwei Schritte in seine Richtung. Er spürte das und riss erwartungsvoll die Augen auf. Hastig reckte er die Hand nach mir. Ich war jetzt nah genug bei ihm, damit er so eben mit den Fingerspitzen meine Schulter berühren konnte. „Bitte, Liz...", flehte Clay. Sein dunkler Blick war derart deprimiert, dass ich ihm kaum standhalten konnte. „Ich weiß gar nicht, was das... ich... wollte nicht...", fing er ratlos an und schüttelte betroffen den Kopf. Verwirrt stockte er und brach ab. Zu meiner Bestürzung füllten sich seine grün-braunen Augen sehr langsam mit nassen, salzigen Tränen. Das ging mir so nahe, dass ich mich nicht länger zurückhalten konnte. Eigentlich wollte ich es gar nicht, und ein Teil von mir sträubte sich nach wie vor dagegen. Andererseits konnte ich seine umfassende Traurigkeit nicht länger tatenlos mit ansehen.
Spontan breitete ich einladend meine Arme aus und lächelte ihn auffordernd an. Selbstverständlich nahm Banton mein unüberlegtes Angebot unverzüglich an. Sein trauriges, verwirrtes Gesicht erhellte sich augenblicklich, er lächelte höchst erfreut. Ohne Frage hatte er schon die ganze Zeit verzweifelt darauf gewartet. Mit einem großen, taumelnden Schritt warf er sich förmlich in meine Arme und klammerte sich unverzüglich hilfesuchend an mir fest. Natürlich beachtete er die Nadel, die mit weißen Klebebändern befestigt tief in seinem rechten Arm steckte, kein bisschen. Der durchsichtige Schlauch klapperte durch Clays hastige Bewegung gegen das Infusionsgestell, was bedrohlich ins Wanken geriet. „Sei vorsichtig!" mahnte ich ihn verständnislos. Aber der kranke Mann hörte mich gar nicht. Wie besessen umarmte er mich, völlig hilflos und komplett ausgeliefert. Seine Arme schlangen sich überstürzt um meinen Rücken, er drückte sein blasses, weinendes Gesicht heftig gegen mein Schlüsselbein. Haltlos schluchzte er auf. Wie eine sorgende Mutter empfing ich zwangsläufig das kleine, enorm verängstigte Kind und streichelte ihm über den Kopf, fuhr mit den Fingern zärtlich durch sein kurzes, strubbeliges Haar. Herr Banton roch sehr intensiv nach Schweiß. Offenbar hatte er in den letzten Stunden stark geschwitzt und sich seitdem noch nicht richtig gewaschen. Sein höchst verzweifelter Überfall überforderte mich. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich jetzt tun sollte. Eigentlich wollte ich ihn nicht so nah bei mir spüren. Andererseits tat er mir in seinem Elend leid und ich wollte ihn gerne irgendwie trösten.
Ratlos umarmte ich den vertrauten, muskulösen Körper, legte vorsichtig meine Arme um ihn und strich beruhigend über seinen breiten Rücken. Sein schwarzes Unterhemd fühlte sich weich, warm und ziemlich nass an. Der trotz seiner sichtbaren Verletzungen noch immer attraktive Leib des kranken Mannes war tatsächlich vollständig durchgeschwitzt. „Das hast du jetzt davon, Clay", tadelte ich ihn streng, „Warum musst du auch immer alles so dämlich übertreiben!" „Nein... ich... das hab ich doch nicht...", erwiderte er irgendwo an meinem Hals und schluchzte verkrampft. Der arme Kerl zwang sich mühevoll, mit dem Weinen aufzuhören. „Ich weiß gar nicht...", fing er ratlos an, als ich ihn auch schon genervt unterbrach. „Ja, ja, Clay, du weißt mal wieder gar nicht, was eigentlich passiert ist, nicht wahr? Damit erzählst du mir echt nichts Neues, verdammt. Das ist doch nun wirklich keine Überraschung", seufzte ich resigniert. „Eliza...", stöhnte mein Ex leise an meiner Halsbeuge, „Eliza... bitte..." Gierig presste er sich gegen mich. Seine Hände an meinem Rücken fuhren ziellos über mich, hastig suchend, drückten mich besitzergreifend, wollten mich nicht mehr loslassen. Das gefiel mir nicht. Sein manisches Verhalten alarmierte mich. Das frühmorgendliche Gespräch mit Siamak Tourani im Pausenraum fiel mir ein, in dem der besorgte Doktor mir gestanden hatte, dass er seinen Patienten Clay während seiner Konsultation unbedacht umarmt und damit einen großen Fehler gemacht hatte. Offenbar beging ich jetzt genau den gleichen Fehler. Irritiert stellte ich fest, dass Herr Banton vollkommen ausgehungert nach menschlichem Körperkontakt war. Der ständig nach Zärtlichkeiten lechzende Mann war wohl schon so lange nicht mehr berührt worden, dass es ihn nun total überwältigte. „Clay, nicht...", wollte ich ihn warnend bremsen, aber er wurde nur noch stürmischer. Unbeirrt fing er damit an, gezielt seinen Unterleib gegen meine Hüfte zu pressen. Sein gesamter Körper erzitterte in einem geilen Schauer, der ausgezehrte Mann erbebte förmlich und stöhnte gleichzeitig übermannt auf. Clay Banton stürzte sich absolut besessen in diese Umarmung mit mir, sodass seine ungebremste Leidenschaft mich zunächst mal nur verblüffte. Tröstend streichelte ich ihm über den Kopf und an seinem nassen Unterhemd an seinem Rücken entlang. „Clay... ist ja gut...", versuchte ich hilflos, ihn irgendwie zu beruhigen. Aber der verrückte Kerl zitterte nur und stöhnte nochmal. Sein Mund saugte sich irgendwie an meinem Hals fest, was fast ein bisschen wehtat.
Ziemlich schnell wurde immer deutlicher, dass Herr Banton etwas sehr Bestimmtes mit meiner ausschließlich tröstend gemeinten Umarmung zu erreichen versuchte. Clay verhielt sich bei mir nicht anders, als er es bei Siamak getan hatte. Wie er es vermutlich in diesem Moment bei jeder Person gemacht hätte. Und eigentlich war ich auch gar nicht überrascht darüber. Vielleicht hatte ich es im Unterbewusstsein sogar irgendwie erwartet. Schließlich kannte ich diesen sexbesessenen Herrn mittlerweile ziemlich gut, denn er war fast zwei Jahre lang mein fester Freund gewesen. Dermaßen gezielt presste der dreiste Kerl sich gegen mich, dass ich seinen Schwanz deutlich an meiner Hüfte spürte. Verdutzt registrierte ich, dass er erstaunlich schnell steif wurde. „Du bist echt total schön, Liz. Ich mag dich so gern...", ächzte Clay atemlos und küsste gierig meinen Hals. Verstohlen langte er hinunter und rückte seinen erigierenden Penis zurecht. „Ich habe dich so sehr vermisst", behauptete er keuchend und umarmte mich stürmisch. Mit war klar, dass er in seiner ausgehungerten Wollust nicht zu bremsen war. Zweifellos würde er sich bis zum Orgasmus an meinem Körper reiben. Das ging mir entschieden zu weit. Denn ich hatte bestimmt nicht vor, irgendwelche Intimitäten mit ihm auszutauschen. Schon gar nicht in einem Krankenzimmer, selbst wenn dieses Zimmer im Keller innerhalb der Station weit abgelegen war. Immerhin hielt ich mich gerade auf meiner Arbeitsstelle auf. Dies hier war meine Frühstückspause. Jetzt und an diesem Ort mit Clay Banton Sex zu haben, war daher vollkommen abwegig. Nie im Leben wäre mir das eingefallen. Außerdem war der schmutzige Mann dermaßen geschwächt, dass ich mich ehrlich wunderte, wie er in seinem erbärmlichen Zustand überhaupt dazu fähig war, so rasend schnell eine standfeste Erektion aufzubauen.
„Eliza... bitte...", stöhnte er flehend und presste seinen Schwanz gegen mich, der sich jetzt sehr groß und hart anfühlte. Hungrig leckte er über meinen Hals und küsste ihn immer wieder, knabberte an meinem Ohrläppchen. Mann, ich fühlte seine Zärtlichkeiten sehr viel intensiver, als mir lieb war! Nervös und ärgerlich musste ich mir eingestehen, dass Clays sexuelle Ambitionen mich körperlich berührten. Unwillkürlich hatte der attraktive Mann eine direkte Wirkung auf mich, obwohl ich das bestimmt nicht wollte. Clay Banton erregte mich mit seiner typischen Unbefangenheit. Seine mir nur allzu vertraute Art, mit der er sich völlig ungebremst in seine Sexualität hinein flüchtete, hatte unbestreitbar etwas sehr Aufregendes, sogar in dieser seltsamen Situation. Unvermittelt wurde mir warm und geile Gefühle sammelten sich in meinem Unterleib. Energisch rief ich mich innerlich zur Ordnung. Auf keinen Fall durfte ich jetzt den Kopf verlieren und mich auf irgendwas mit ihm einlassen, das ich später unter Garantie bereuen würde. „Hör sofort auf damit, Clay!" rief ich mit fester Stimme und stemmte mich abwehrend gegen seine Brust. Er wollte mich nicht loslassen, darum musste ich meine ganze Kraft aufwenden. „Lass das sein, verdammt! Lass mich los, du Spinner! Immer willst du nur Sex!" fuhr ich ihn wütend an. Widerwillig lockerte er endlich seine Umarmung und guckte mich panisch an. Seine dunklen Augen glänzten fiebrig. Sein Atem ging schwer, enorm angespannt zitterte er am ganzen Körper. „Nein...Liz... bitte... ich will nur...", stotterte er hilflos. Verärgert stemmte ich mich gegen ihn, schlug gegen seine Brust und schob ihn heftig von mir weg. Dabei dachte ich nicht nach, wollte ihn nur noch instinktiv so schnell wie möglich loswerden.
In seinem geschwächten Zustand konnte Clay sich nicht wirkungsvoll dagegen wehren. Er taumelte und stolperte rückwärts, wobei er beinahe hinfiel. Im letzten Moment gelang es ihm, sich an das Bettgestell zu klammern und einen Sturz auf die hellgrünen Fliesen zu verhindern. Seine zitternden Beine gaben nach. Er hatte große Mühe, aufrecht stehen zu bleiben. Sichtbar vor den Kopf geschlagen, fixierte er mich betrübt. In seinen geröteten Augen stand eine Mischung aus Wut, Resignation, Verzweiflung und unendlicher Traurigkeit. „Aber du hast doch gesagt, dass du meine Freundin bleiben willst!" warf er mir nach Luft schnappend vor, „Du hast versprochen, dass du immer für mich da sein willst!" Seine wirren, dunklen Augen guckten tatsächlich vorwurfsvoll, was ich nicht fassen konnte. Entschieden schüttelte ich den Kopf, obwohl ich mir in diesem Moment gar nicht sicher war, was ich ihm früher vielleicht mal versprochen hatte. Es wunderte mich sowieso, dass der vergessliche Mann sich überhaupt noch an meine Worte zu erinnern glaubte. „Nein, Clay! Selbst wenn ich das irgendwann mal zu dir gesagt habe. So beinhaltet meine Freundschaft zu dir mit Sicherheit keine scheiß ekligen Erektionen mehr!" schrie ich ihn ärgerlich an und deutete anklagend auf seinen Schwanz, der die lockere Jogginghose inzwischen sehr eindeutig ausbeulte.
Mega entsetzt keuchte Clay auf, als hätte ich ihm einen unerwartet schmerzhaften Schlag verpasst. Er riss die Augen auf und starrte mich ungläubig an. Unwillkürlich griff er sich schützend in den Schritt. Meine spontanen und zweifellos viel zu harten, gemeinen Worte trafen ihn sehr viel heftiger, als ich erwartet hatte, was mir sofort leidtat. Offenbar hatte ich ihn mit meiner völlig unbedachten Aussage nahezu tödlich getroffen. In seinen wirren Augen blitzten unvermittelt massig neue Tränen, die sofort über seine Wangen liefen. Haltlos schluchzte er auf und wischte sich mit den Fingern abermals hastig über das Gesicht. „Fuck, Liz... das ist so... ich... kann doch nicht...", ächzte er unglücklich und schüttelte bestürzt den Kopf. Sein Körper taumelte haltlos, während er mich fassungslos taxierte. „Fuck... verflucht... du bist... so unfair!" beschwerte er sich arg verwundet. Beschämt drehte er sich von mir weg und starrte ratlos die gekachelte Wand an. Plötzlich knickten seine Beine ein, sodass er fast auf den Boden fiel. Clay stieß ein verzweifeltes Jaulen aus, das mir unerwartet durch Mark und Bein fuhr. Mühevoll klammerte er sich an das Bett, kroch schließlich stöhnend auf die dünne Matratze, drehte sich herum und setzte sich zwangsläufig hin. Gekrümmt hockte er auf dem Gummilaken, die nackten Füße zitternd in der Luft. Schockiert stierte er vor sich hin, ohne mich anzusehen, ohne überhaupt noch irgendwas zu sehen, glaube ich. Pausenlos rieb er sich mit einer Hand über die Augen und das Gesicht, um die Tränen aufzuhalten, was nicht funktionierte. Seine andere Hand war fest gegen seinen Penis gedrückt, als wollte er ihn vor mir verstecken.
Erschrocken beobachtete ich den extrem aufgewühlten Patienten. Banton weinte haltlos, rang nach Luft und hatte zweifellos große Mühe damit, meine gehässigen Worte zu verarbeiten. Eine Weile war es bis auf sein verkrampftes Schluchzen still. Er kämpfte sichtbar mit den Tränen, mit seiner umfassenden Depression, seiner Enttäuschung und damit, nicht jeden Moment vollends die Fassung zu verlieren. Das ging mir sehr nahe. Ich hatte ihn noch nicht allzu oft weinen gesehen, und jetzt schüttelte die Traurigkeit seinen ganzen, geschwächten Körper. Hilflos stand ich dort und wusste plötzlich nicht weiter. Alarmiert beobachtete ich den mir vertrauten Menschen, registrierte seine Frustration, seinen unvorstellbaren Schmerz, und fühlte mich mit einem Mal so richtig schlecht. Ich fühlte mich schuldig. Mir wurde bewusst, wie verletzend mein letzter Satz für ihn gewesen sein musste. Ich hatte ihm wahrhaftig eiskalt an den Kopf geknallt, dass ich mich vor ihm ekelte. Selbstverständlich entsprach das nicht der Wahrheit. Sein hübscher Schwanz ekelte mich niemals an, egal in welchem Zustand. Im Gegenteil, sein verlockendes Sexualorgan erregte mich noch immer stark, auch wenn ich das nie zugegeben hätte. Ich hatte diesen Unsinn spontan, im aufbrausenden Zorn behauptet und längst nicht so böse gemeint, wie er geklungen hatte. Und jetzt konnte ich diese schlimmen Worte nicht mehr zurücknehmen.
Während ich den sichtbar verwirrten und schwer verletzten Mann auf dem Bett betrachtete, begriff ich langsam, wie enorm sensibel Clay Banton an diesem Morgen auf verbale und sonstige Angriffe reagierte. Sein emotionaler Schutzpanzer, der ihn normalerweise erstaunlich viele Gemeinheiten relativ unberührt ertragen ließ, schien aus irgendeinem Grund verschwunden zu sein. Durch irgendwas war seine seelische Barriere komplett zerstört worden. Der junge Mann war jeder noch so kleinen Attacke hilflos ausgeliefert. Er hatte ihr nichts entgegenzusetzen. Dieser Mensch war auf viele Arten besiegt worden. Plötzlich tat Clay mir so sehr leid, dass ich schlucken musste. Mein Körper verkrampfte sich unbehaglich. Ich bereute meine gehässigen Worte, aber ich wusste nicht, wie ich sie wieder gutmachen konnte. Das war total unnötig, schimpfte ich innerlich mit mir, du hättest ihn wirklich nicht so stark kränken dürfen. Verdammt, er hat doch eigentlich gar nichts Schlimmes getan! Du kannst ihm doch nicht vorwerfen, dass er sich nach Zärtlichkeit sehnt!
Einige Zeit war es unangenehm still in diesem kalten, sterilen Raum. Mein suchender Blick fiel auf Clays nackte Füße, mit denen er sinnlos in der Luft herumhampelte. Auf einmal entdeckte ich die vielen roten Einstiche, die die helle Haut rund um seinen Knöchel zierten. Verwirrt sah ich genauer hin und mein Herz verkrampfte sich. Schlagartig wurde ich damit konfrontiert, dass mein drogenabhängiger Exfreund sich vor sehr kurzer Zeit Heroin in seine Blutbahnen gespritzt hatte. Das schockierte mich dermaßen, dass ich mich eine Weile wie erstarrt fühlte. Auf einmal schien alles noch sehr viel schlimmer zu sein, als es sich mir ohnehin schon darstellte. Wenn Clay sich das Heroin entgegen seiner Gewohnheiten gespritzt hatte, dann musste schon etwas unvorstellbar Entsetzliches mit ihm passiert sein, das glaubte ich zu wissen. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte. Während ich noch nach der richtigen Entschuldigung suchte, hob Clay zögernd den Kopf und warf mir einen kurzen, scheuen Blick zu. Als ich ihn fragend ansah, drehte er sich hastig weg und fixierte ratlos die Matratze. Der untypisch eingeschüchterte Mann hatte sich, soweit es sitzend ging, von mir abgewandt. Er drehte mir die Seite zu, und ich betrachtete erschüttert die lange, eng genähte Messerwunde an seinem linken Oberarm. Erst jetzt fiel mir auf, dass er keinen Verband mehr trug. Bestimmt hatte er diesen wichtigen und sinnvollen Schutz selbst abgewickelt, der leichtsinnige Dummkopf. Noch länger stand ich dort in der Stille und schaute ihn nur an. Ich fühlte mich entsetzlich schuldig. Irgendwie mache ich alles falsch, warf ich mir verbittert vor, ich verhalte mich genauso gedankenlos wie Siamak. Das ist nicht gut, damit mache ich alles nur schlimmer. Verdammt, ich muss viel besser aufpassen, was ich ihm an den Kopf werfe. Mit Vorwürfen kann er zur Zeit überhaupt nicht umgehen. Schließlich ist er sogar dermaßen wütend und verzweifelt gewesen, dass er sich das verfluchte Heroin sogar gespritzt hat.
Mit der Zeit wurde Clays Schluchzen leiser und seltener. Andauernd rieb er sich mit den Fingern über die inzwischen stark geröteten, geschwollenen Augen. Sein Gesicht war nass von Tränen, die er immerzu versuchte abzuwischen. Aber sie waren schon massig auf sein Unterhemd, das Bett und seine Jogginghose getropft. Mühsam zwang der arme Kerl sich dazu, mit dem Weinen aufzuhören. Darüber war ich froh, weil seine depressive Heulerei mir definitiv zu naheging. „Es tut mir leid, Clay", gab ich mir schließlich einen Ruck und ging zögerlich auf ihn zu, „Ich hätte das nicht sagen sollen." Achtsam behielt ich ihn im Auge, um seine Reaktionen richtig deuten zu können. Aber der Mann reagierte kaum. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, als er mir scheu den Kopf zudrehte. Mit erschöpften, traurigen Augen guckte er mich an. Endlich nahm er die Hand aus dem Gesicht und stützte sich damit auf das Laken. Seine andere Hand war unverändert schützend in seinen Schritt gepresst, als er sich mir langsam zuwandte. „Wenn du mich eklig findest, dann kannst du das auch ruhig sagen", erklärte er mir ungerührt. Clay Bantons dunkle Augen wirkten plötzlich wie tot. Als wäre auch noch das letzte bisschen Leben aus ihnen verjagt worden. Das brach mir fast mein Herz. Ohne nachzudenken, machte ich hastig zwei Schritte in seine Richtung, bis ich dicht neben ihm am Bett stand. Entschuldigend streichelte ich die feuchte Haut an seiner Wange. „Nein, Clay... Ich finde dich doch gar nicht eklig...", berichtigte ich mich eilig, „Ich werde dich nie eklig finden. Ich... mag dich doch, und ich hoffe sehr, du weißt das auch..." Ehrlich tief geknickt, wartete ich auf sein amüsiertes Lächeln, auf sein typisches Zeichen, dass er mir schon längst verziehen hatte, wie er es ja sonst immer tat. Aber zu meiner Bestürzung veränderte sich seine traurige Miene nicht. Reglos betrachtete er mich. Seine Hand auf dem Laken fing an, nervös über das glatte Gummi zu streichen. Seine Beine zitterten verspannt.
Plötzlich wollte ich unbedingt, dass dieser Mensch mir verzieh, weil ich mir meine unbedachte Gehässigkeit selbst kaum verzeihen konnte. Verzweifelt streichelte ich die Stelle unter seinem Kinn, die er so mochte, um ihn irgendwie zu besänftigen. Der Mann hatte sich zu lange nicht rasiert, seine Wange und sein Kinn waren voller dunkler, stacheliger Bartstoppeln. „Ich hab dich lieb, Clay Banton", beteuerte ich schuldbewusst, „Daran wird sich nie etwas ändern." In dieser Sekunde meinte ich es auch so. Um Vergebung heischend, blickte ich in seine erschreckend toten, geröteten Augen mit den dunklen Schattenrändern, betrachtete ausführlich sein vertrautes Gesicht. Zufrieden registrierte ich, dass seine Verletzungen schon sichtbar abgeklungen waren. Sein blaues Auge war nicht mehr allzu bunt, die Schwellungen in seinem Gesicht waren seit Samstagnacht merkbar zurückgegangen. Endlich glaubte ich, so etwas wie Amüsement in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Das erleichterte mich sehr viel mehr, als ich vor mir selbst zugeben wollte. „Das solltest du dir nochmal gut überlegen, Eliza, ob du mich lieb hast. Weißt du, ich bekomme nämlich andauernd diese scheiß ekligen Erektionen", bemerkte Clay trocken und zeigte mir seine weißen, gleichmäßigen Zähne. Liebebedürftig reckte er mir sein Kinn entgegen, das ich ausgiebig streichelte. „Ich könnte dich niemals eklig finden", versicherte ich ihm aus tiefstem Herzen. In diesem Moment war ich einfach nur heilfroh über sein zweifellos bemerkenswert großes Herz, seine fantastische Fähigkeit, sogar die gemeinsten und grausamsten Tiefschläge zu verzeihen, selbst wenn er selbst daran fast kaputtging.
Während ich ausgiebig sein hübsches, kratziges Kinn liebkoste, schaute ich ihm tief in die grün-braunen Augen. Es erschütterte mich, wie groß der Schmerz in ihnen war, wie umfassend seine Verzweiflung. „Was ist letzte Nacht passiert, Clay?" fragte ich ihn abermals ganz leise. Forschend schaute ich ihn an, aber er schloss sofort abwehrend die Augen und schüttelte den Kopf. Ich war mir nicht sicher, was ich jetzt tun sollte. Entweder mein Ex erinnerte sich wirklich nicht, oder er wollte nicht mit mir darüber sprechen. Beides musste ich wohl oder übel akzeptieren, auch wenn es mir schwerfiel. „Wo kommst du her, Eliza? Wie hast du mich hier gefunden?" fragte Clay mit geschlossenen Augen. Offensichtlich wollte er schnellstmöglich das Thema wechseln. Seufzend fing ich damit an, über seinen Hals zu streicheln, langsam an diesem hässlichen roten Striemen entlang. Dann über seine Schultern und weiter hinunter über seine Brust. Sein Herz schlug überraschend hart und schnell hinter seinen Rippen, als ich sachte mit meiner Hand darüber fuhr. „Siamak hat mich darüber informiert, dass du hier bist. Wo ist er überhaupt, Clay? Er wollte sich doch unbedingt um dich kümmern. Warum sitzt du hier ganz alleine?" erkundigte ich mich verständnislos. Clay öffnete alarmiert die Augen und sah mich verdutzt an. „Du hast mit Siamak über mich gesprochen?" wollte er misstrauisch wissen. Irgendwas an dieser Information schien ihm nicht zu gefallen. Ich nickte. „Ja, ich habe den Doktor im Pausenraum getroffen. Wir haben uns ausführlich unterhalten. Er macht sich große Sorgen um dich, Clay. Er möchte dir dringend helfen." „Was hat er dir erzählt?" fragte Clay und änderte nervös seine Sitzposition. Seine Finger strichen wieder unruhig über das glatte Gummilaken. Er nahm die andere Hand aus seinem Schritt und krallte sie neben seinen Oberschenkel an den Rand des Bettes.
Ich war mir nicht sicher, was genau ich Clay über mein aufwühlendes Gespräch mit Siamak erzählen konnte, und was ich besser für mich behielt. Darüber musste ich einen Moment nachdenken, während ich weiterhin an seiner Brust über sein feuchtes Unterhemd streichelte, jede einzelne seiner harten Rippen sanft erfühlte. „Siamak will diesen Professor holen, mit dem ich reden muss", berichtete Clay mir ungeduldig, als ich ihm nicht antwortete, „Ich soll hier auf den Doktor warten, bis er zurückkommt." „Also war er vorhin schon mal hier bei dir?" hakte ich neugierig nach. Clay nickte nachdenklich, fixierte mich und kniff argwöhnisch die Augen zusammen. „Was hat Siamak dir erzählt, Eliza?" fragte er nochmal drängend. Irgendwas gefiel ihm nicht, alarmierte ihn zunehmend. Ich lächelte beruhigend, hob die Hand von seiner Brust und streichelte wieder über sein hübsches Gesicht, seine Wangen, die Nase, die Augenbrauen. „Siamak macht sich ehrlich große Sorgen um dich, Clay", wiederholte ich ruhig, „Er möchte dir wirklich helfen." Spöttisch blies Clay Luft aus und meinte abfällig: „Ich glaube eher, dass er mich hierbehalten will." Aufmerksam studierte der Mann mich, um meine Reaktion genau zu erfassen. Clay wollte dringend wissen, was ich mit Siamak besprochen hatte, zu welchem Entschluss wir hinter seinem Rücken gekommen waren. Instinktiv ahnte er nichts Gutes, und ich war verblüfft über seine Klugheit, Siamaks Ambitionen genau richtig einzuschätzen. „Und du möchtest nicht hierbleiben?" erkundigte ich mich vorsichtig, obwohl ich seine Antwort längst kannte. Nochmal blies er höhnisch Luft aus und schüttelte so entschieden den Kopf, dass meine Finger von seiner Wange rutschten. „Nein, Eliza, ich will auf gar keinen Fall hierbleiben!" stellte er fest entschlossen klar. „Aber vielleicht können die Fachleute hier dir helfen...", wandte ich behutsam ein und beobachtete ihn konzentriert. Clay riss verstört die Augen auf und taxierte mich strafend. „Nein, Eliza. Die können mir hier nicht helfen!" sagte er dermaßen überzeugt, dass ich mich unwillkürlich fragte, woher seine offenbar riesige Abneigung gegen Psychotherapien wohl stammte. „Warum bist du dir da so sicher?" forschte ich sanft nach.
Zu meiner Bestürzung wurde Clays gequältes Gesicht schlagartig noch viel dunkler. In seinen Augen blitzte dieser unvorstellbar rasende Zorn auf, den ich vor wenigen Tagen schon einmal in meinem Badezimmer an ihm gesehen hatte. Himmel, er erinnert sich an etwas total Schlimmes, glaubte ich ihm erschrocken anzumerken, der arme Kerl hat extrem schlechte Erfahrungen gemacht! Der in dieser Hinsicht sehr verschlossene Mensch hatte mir während unserer gemeinsamen Zeit nie etwas über seine Erlebnisse in irgendwelchen Psychiatrien erzählt, aber jetzt ahnte ich plötzlich, dass er etwas Entsetzliches durchgemacht haben musste, was damit in Zusammenhang stand. „Selbst wenn du mit Psychologen schon mal schlechte Erfahrungen gemacht hast, Clay, so ist es doch deswegen noch längst nicht sicher, dass eine Therapie hier im Christopherus genauso falsch laufen würde", versuchte ich hilflos, ihm klarzumachen. Aber der sture Mann schüttelte erneut den Kopf. Emotional extrem aufgescheucht rutschte er auf dem Bett herum und strampelte wütend mit den Beinen. Er bewegte seine Arme so heftig, dass die Infusion ins Wanken geriet. Die dicke Nadel zerrte an seiner Haut, was ihm unter Garantie wehtat. Aber er beachtete es gar nicht. „Sei vorsichtig, Clay!" mahnte ich ihn erschrocken, was er mit einer genervten Handbewegung beiseite wischte. „Hör mal, Liz, ich hab das... ehrlich... noch nie... jemandem erzählt...", kündigte der Patient auf einmal zögernd an und betrachtete mich unschlüssig. Sofort war ich alarmiert, weil ich fürchtete, dass er mir jetzt womöglich schlimme Begebenheiten aus seiner Kindheit erzählen würde, die ich vielleicht lieber gar nicht hören wollte. Andererseits konnte ich aber sein unerwartetes Vertrauen in mich unmöglich mit kaltem Desinteresse strafen. Darum riss ich mich zusammen, schaute ihn aufmerksam an und nickte aufmunternd. Meine Finger streichelten abermals besänftigend über seine kratzige Wange. Mein Herz fing damit an, vor Aufregung härter zu schlagen, weil ich nicht wusste, was genau nun auf mich zukommen würde.
Clay fiel es sichtbar schwer, mir etwas anzuvertrauen, das er bisher angeblich noch nie jemandem erzählt hatte. Meine Geduld und auch meine Neugier wurden noch ein wenig strapaziert, bis der bedauernswerte Typ endlich so weit war, sich mir zu öffnen. „Früher in... Kanada... da wurde ich in so ein Haus eingesperrt... ein Krankenhaus... eine... Psychiatrie... die war extra für Kinder und... Teenager... die... haben nur Leute behandelt, die unter achtzehn waren... und... ich musste da eine Therapie mitmachen... acht Wochen lang... in den Sommerferien...", fing Clay leise stockend an. Seine mega nervösen Augen lagen jetzt unentwegt prüfend auf mir, weil er sichergehen wollte, dass ich ihm auch ja interessiert zuhörte und jedes Wort richtig verstand. Ich konnte nicht fassen, dass mein Exfreund sich mir plötzlich anvertraute. Wo ich ihn doch früher, während unserer Beziehung, bestimmt schon tausendmal nach seiner Kindheit und seiner Vergangenheit gefragt und nie eine Antwort erhalten hatte. Warum hatte er denn nicht schon viel eher mal mit mir darüber gesprochen? So oft hatte ich geduldig und sensibel versucht, mehr über ihn und seine Lebensgeschichte zu erfahren. Es hatte doch für ihn schon so viele sehr viel passendere Gelegenheiten für dieses Gespräch gegeben, all die Male, wo wir allein gewesen waren und genug Zeit und Ruhe dafür gehabt hatten. Aber nein, der total verrückte Kerl entschloss sich plötzlich jetzt dazu, mich in seine rätselhaften, dunklen Dämonen einzuweihen. Ausgerechnet in dieser Situation fing Clay Banton an zu reden! In einem ziemlich deprimierenden Krankenzimmer der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie. In meiner relativ kurzen Frühstückspause, die doch schon bald vorbei sein würde. Sicher hatte ich gar nicht lange genug Zeit, um mir Bantons schlimme Kindheitserlebnisse aufmerksam und interessiert genug anzuhören. Geschweige denn, ob ich sie überhaupt würde verarbeiten können. Darauf war ich doch jetzt gar nicht vorbereitet! Außerdem waren wir zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr zusammen und ich hatte im Grunde nichts mehr mit ihm zu tun. Sein Leben ging mich gar nichts mehr an. Ein Teil von mir wollte ganz schnell weglaufen. Instinktiv fürchtete ich mich vor diesen Wahrheiten, ahnte ich doch, dass sie höchst unerfreulich sein würden. Mein Kopf fühlte sich plötzlich leer an, obwohl wirre Gedanken in ihm herumwirbelten. Schlimme Befürchtungen kamen in mir hoch, dunkle Ahnungen und das intuitive Bedürfnis, aus dieser plötzlichen, gänzlich ungewollten Situation zu flüchten.
Reglos stand ich dort an dem Bett, streichelte sein vertrautes, hübsches Gesicht und hörte ihm zwangsläufig zu. „Wie alt warst du damals?" fragte ich leise, um ihm weiterzuhelfen, weil er spürbar große Schwierigkeiten mit dem Weitersprechen hatte. Seine Hände zitterten, die Finger bebten. Er war extrem angespannt. In seinen tiefgründigen Augen tobte ein wahrer Wirbelsturm aus Angst und Wut. „Neun", antwortete er knapp. „Was haben die mit dir gemacht?" flüsterte ich nervös. „Die haben mich... echt... nicht gut behandelt", erwiderte Clay vorsichtig und schaute mir prüfend tief in die Augen. Er wollte meine Reaktion richtig verstehen, wollte sichergehen, dass ich für die nächsten Wahrheiten überhaupt aufnahmebereit war. Nun, ich war es definitiv nicht, denn ich hatte schon jetzt genug gehört. Schon jetzt, nach den ersten paar Sätzen! Alles in mir sträubte sich plötzlich davor, noch mehr Grausamkeiten zu erfahren. Und Herr Banton, der mich so erstaunlich gut kannte, schätzte die Schutzbarriere meiner Seele richtig ein, worüber ich insgeheim enorm froh war. Das war wirklich, wirklich schlimm genug für mich! Sie hatten ihn in der Kinderpsychiatrie schlecht behandelt! In der Kinderpsychiatrie! Augenblicklich war mir absolut klar, dass Clays zögerndes „nicht gut behandelt" die Untertreibung des Jahrhunderts war. Und ich konnte mir sehr gut ausmalen, was einem kleinen, verschreckten Jungen an diesem verschlossenen Ort vielleicht alles angetan worden war. Doch in diesem Augenblick wollte ich darüber auf keinen Fall weitere Einzelheiten hören. Und Clay Banton ersparte sie mir zum Glück mit nahezu göttlicher Intuition.
„Fuck, Eliza, der verfluchte Scheiß verfolgt mich total! Schon mein ganzes Leben lang! Manchmal kommt das einfach wieder hoch. Dann erinnere ich mich plötzlich daran, obwohl ich das gar nicht will", seufzte der Mann mit einer Empathie, die ich ihm gar nicht zugetraut hatte, und schüttelte genervt den Kopf. „Ist das auch in der letzten Nacht mit dir passiert?" fragte ich ihn sanft. Ein verdutztes Lächeln erschien in seinem Gesicht, was ihn sofort viel schöner erscheinen ließ. „Ich fürchte ja", gab er zu, „Ich habe mich erinnert. Und das ist manchmal so schlimm, dass ich die Kontrolle über mich verliere." „Ach, Clay", sagte ich ratlos voller Mitgefühl, „Das tut mir leid." „Nein, das muss es nicht", widersprach er sofort. Mein Streicheln an seinem Gesicht wurde automatisch deutlicher, weil ich ihn irgendwie trösten wollte, und er reckte sich mir entgegen, weil er diese zärtliche Berührung sehr mochte. Vielleicht hätte ich ihn jetzt nach Einzelheiten fragen müssen. Hätte mich richtig mit seinen zweifellos traumatischen Erlebnissen auseinandersetzen müssen. Aber ich konnte mich nicht überwinden, mir diese vermutlich grausamen Dinge anzuhören. Viel lieber brachte ich den mit unvorstellbar zornigen, von anderen Menschen heraufbeschworenen Dämonen erfüllten Mann mit zärtlichem Körperkontakt zum Schweigen.
Eine Weile saß Clay unruhig auf dem Bett, zitterte nervös und zappelte ein wenig herum, und ich stand direkt vor ihm und tröstete ihn mit meinen sanften Fingern. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, seine stürmische Wut zu besänftigen, und irgendwie funktionierte das mit der Zeit auch. Der aufgewühlte Mann wurde spürbar ruhiger, als ich mit meiner Hand an ihm hinab über seinen muskulösen Körper fuhr. Verstohlen schaute ich auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass mir noch zwanzig Minuten Pause übrig blieben. Eigentlich wollte ich gerne etwas essen, weil ich Hunger hatte. Normalerweise verbrachte ich meine Frühstückspause immer in der Cafeteria des Krankenhauses. Aber in einem Kellerraum der geschlossenen Psychiatrie zu stehen und liebevoll, tröstend meinen Exfreund zu streicheln, hatte mit der Zeit unbestreitbar auch etwas Angenehmes. Ich schaute ihn an, betrachtete sein schönes Gesicht, seinen wohlgestalteten Körper, und konnte gar nicht verhindern, davon irgendwie berührt zu werden. Clay Banton erregte mich unwillkürlich. Er hat Schlimmes mitgemacht, dachte ich voller Mitleid, ich möchte jetzt lieb zu ihm sein. Und das war ich auch. Meine Finger fuhren sanft über seinen Körper, von seinem Gesicht hinab, über seinen verletzten Hals, seine nackten Schultern, und dann langsam über seine Brust. Er fühlte sich warm und feucht an. Clay beobachtete mich unentwegt. Es schien ihm zu gefallen, wie ich ihn berührte, denn er wehrte mich nicht ab.
Je tiefer ich ihn allerdings streichelte, umso nervöser schien der Kerl wieder zu werden. Der kranke Typ rutschte unruhig auf dem glatten Laken herum, seine Hände und Beine hörten nicht auf zu zittern. Als ich mich mit meiner Hand schließlich sanft seinem Bauch näherte, drehte er sich plötzlich abrupt von mir weg, sodass meine Finger von seinem Hemd glitten. Verwundert zog ich meinen Arm zurück. Ich hatte erwartet, dass Clay meine Berührung an seinem Bauch dringend herbeisehnte, so wie sonst auch immer. Schließlich liebte er es doch über alles, wenn ich meine Hand flach auf seinen nackten Bauch legte. Aber diesmal entzog er sich mir in einer schnellen, abwehrenden Bewegung. „Du musst das nicht tun, Eliza", zischte er dabei und warf mir einen irritierend feindseligen Blick zu. „Was meinst du denn?" fragte ich gekränkt. Clay stieß ein kurzes, spöttisches Lachen aus. „Du musst mich jetzt nicht anfassen, nur weil du ein schlechtes Gewissen oder Mitleid mit mir hast", erklärte der Mann mit einer Kälte, die mir unwillkürlich einen eisigen Schauer durch das Rückgrat jagte. Gleichzeitig war mir aber auch klar, dass er mit seinem Vorwurf gar nicht so falsch lag. Mist, Clay Banton kannte mich einfach viel zu verdammt gut! Allerdings wollte ich das nicht zugeben, noch nicht mal vor mir selbst. „Ich fasse dich nicht nur aus Mitleid an, Clay", betonte ich beleidigt, woraufhin er ungläubig das Gesicht verzog. „Ach nein, Frau Laser?" spottete er belustigt. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich möchte dich jetzt gerne anfassen", behauptete ich trotzig. Clay lächelte und betrachtete mich eine Weile abschätzend. „Dann fass mich richtig an", forderte er mich plötzlich drängend auf.
Im ersten Moment wusste ich nicht, was genau er damit meinte. Clay merkte das, denn er griff sich ohne Vorwarnung provozierend in den Schritt. „Fass meinen Schwanz an, Eliza!" befahl er mir herausfordernd, „Verpass mir eine scheiß eklige Erektion!" „Clay!" stöhnte ich unbehaglich, weil er meine eigenen, gemeinen Worte wiederholt hatte, „Das habe ich doch nicht so gemeint..." „Ich weiß, dass du das nicht so gemeint hast", gab er grinsend zu. „Aber es hat dir trotzdem wehgetan?" fragte ich kleinlaut. Er nickte, während er mich ausführlich musterte. „Ja, Frau Laser, das hat mir trotzdem wehgetan." Seine Worte schmerzten mich, schürten mein schlechtes Gewissen. Eine Weile schauten wir uns schweigend an, in der ich ihn wortlos um Verzeihung bat. „Mach das doch wieder gut, Eliza! Du kannst es sofort wiedergutmachen. Hol mir einfach einen runter!" schlug der Kerl plötzlich gierig vor. Vor Aufregung fingen seine Augen an zu glänzen, mega erwartungsvoll taxierte er mich. Irgendwie vor den Kopf geschlagen, sah ich ihn fassungslos an. Mein Zögern gefiel ihm nicht. Der Mann war abrupt geil und ungeduldig. „Bitte... Liz... tu das für mich...", bat er verzweifelt. Sein frivoler, unverschämter Blick legte mich wahrhaftig hemmungslos flach.
Nervös schaute ich nochmal auf meine Armbanduhr. „Nicht doch, Clay, meine Pause ist gleich vorbei...", suchte ich hilflos nach irgendeiner Ausrede. „Ich brauch bestimmt nicht lange", versprach er ohne jede Scham. Seine Hände griffen nach mir, umfassten meine Taille und zogen mich verlangend zu sich hin. „Eliza... hör mal... Es geht mir nicht gut. Ich... habe echt zu viel Scheiße erlebt, und... mir geht's total beschissen... ich... möchte etwas Geiles fühlen... und zwar jetzt sofort!" bemühte er sich stockend, sein delikates Bedürfnis zu erklären. Mitleidig sah ich ihn an. Es war unübersehbar, dass es dem armen Kerl nicht gut ging. An diesem Morgen ging es ihm sogar absolut miserabel. Und sicher fühlte er sich in Wahrheit noch viel schlechter, als ich auch nur ahnen konnte. Schließlich wusste ich nicht, was er allein in den letzten Stunden in diesem Raum schon alles durchgemacht hatte. Mein Blick fiel auf die gruseligen Lederriemen an dem alten Metallgestell. „Warst du an dieses Bett gefesselt?" konnte ich meine Neugier auf einmal nicht bremsen. Clay zuckte förmlich zusammen und wand sich unbehaglich auf der harten, schmalen Matratze. „Ewig lange. Die hatten mich fixiert und dann vergessen, die verfluchten Arschlöcher", flüsterte er mit rauer Kehle und schluckte hart, weil er sich selbstredend nicht gerne daran erinnerte. Er zeigte mir seine Handgelenke, die aber schon am Samstag beide von roten Striemen verunstaltet gewesen waren, um zu demonstrieren, dass seine Gelenke gefesselt worden waren. Aus irgendeinem Grund glaubte ich ihm sofort und fand es schrecklich. Dieses Bild von Clay wollte ich nicht in meinem Kopf haben. Es war einfach ungeheuerlich, wie achtlos und nahezu kriminell das Personal der Psychiatrie mit seinen hilflosen Patienten umging. So langsam verstand ich Clays brennende Abneigung gegen eine Psychotherapie in dieser Abteilung.
„Das tut mir total leid für dich, Clay! Das ist so gemein! Und das durften die auch gar nicht!" versicherte ich ihm empört. Aber er schüttelte ungeduldig mit dem Kopf. „Nein... das... ich will dir nicht leidtun... Eliza... ich will, dass du mir einen runterholst...", stammelte er verwirrt. Seine kopflose Gier brachte mich zum Schmunzeln. Außerdem musste ich zugeben, dass ich den Gedanken mittlerweile in der Tat aufregend fand. „Nein, Clay, das geht doch jetzt nicht. Du hast selbst gesagt, dass Siamak jeden Moment mit dem Professor zurückkommt", wandte ich dennoch ein und warf einen prüfenden Blick zur geschlossenen Tür. „Fuck Siamak!" knurrte Clay wütend, „Scheiß auf ihn und den scheiß Professor! Die Wichser wollen mich fucking hierbehalten!" Verblüfft schaute ich meinen aufgebrachten Exfreund an. Die stürmische Leidenschaft, mit der er sich über seinen behandelnden Arzt Doktor Tourani und den Oberarzt der Station aufregte, war in seinem extrem geschwächten Zustand ohne Frage bemerkenswert. Clay Banton war zweifellos ein Kämpfer. Seine erstaunliche innere Energie, die er offenbar auch in den für ihn niederschmetternsten Situationen nie vollständig verlor, imponierte mir, freute mich in diesem Moment sogar, auch wenn er seine tosende Wut leider gegen die falschen Personen richtete. Siamaks persönliches Vorhaben, ihn auf Teufel komm raus in eine Psychotherapie zu verfrachten, ärgerte Clay dermaßen, dass ich ungewollt lachen musste. „Die meinen das wirklich nur gut mit dir, Clay, das kannst du mir glauben. Siamak meint es ausschließlich gut mit dir...", versuchte ich, dem uneinsichtigen Kind klarzumachen.
Sein Griff um meine Hüfte wurde stärker. Beschwörend taxierte er mich und streichelte dabei zart über meine Augenbrauen. Seine andere Hand strich gezielt über meine Taille. Beides fühlte sich sehr gut an, musste ich insgeheim zugeben. „Mein du es auch gut mit mir, Liz. Fass mich an. Ja? Tust du das für mich? Bitte!" drängte er ungeduldig. Nervös lachte ich auf, weil er mir fraglos gar nicht zuhörte. Der total verrückte, pausenlos auf Sex versessene Mann war schon jetzt auf seinen eventuell zu erwartenden Orgasmus fixiert. Herr Banton nahm nichts anderes mehr richtig wahr, und das amüsierte mich, erregte mich aber auch irgendwie. Dennoch fand ich den Ort und die Situation nicht angebracht für sein Vorhaben. „Überlege dir das lieber nochmal, Clay. Bist du dir auch sicher, dass du das wirklich willst?" forschte ich befangen, „Denk daran, dass jederzeit jemand hereinkommen und uns stören kann. Und wenn Siamak mit dem Professor wiederkommt, dann weiß ich nicht..." „Shit, Eliza, ich bin mir sicher!" unterbrach Clay mich genervt mit viel zu lauter, herrischer Stimme, „Ich bin mir so verdammt sicher, wie man sich überhaupt nur sicher sein kann!" Unverändert nervös zappelnd auf dem Bett sitzend, rutschte er mit dem Hintern überstürzt nach vorne, schob seine Beine auseinander und dirigierte meinen Körper rigoros dazwischen. Das ging so schnell und energisch, dass ich keine Zeit oder Gelegenheit hatte, mich dagegen zu wehren. Plötzlich stand ich zwischen Clays geöffneten Beinen und guckte ihn irritiert an. „Clay...", beschwerte ich mich unsicher, aber der gierige Kerl brachte mich abrupt mit einem stürmischen Kuss zum Schweigen. Er presste seine vollen, roten Lippen so besitzergreifend und ausgehungert auf meine, dass ich vollkommen überrumpelt wurde. Vielleicht fünf Sekunden lang stand irgendwie die Zeit still. Im nächsten Moment gab Clay mich wieder frei, ohne seine Zunge auch nur andeutungsweise benutzt zu haben, was ich insgeheim automatisch erwartet hatte und jetzt spontan vermisste. Obwohl ich mich gleichzeitig dafür tadelte.
Wirr flehend starrte der kranke Patient mich an. Er packte mein Handgelenk und platzierte meine rechte Hand unmissverständlich auf seinem Penis unter seiner Jogginghose. Wollüstig strich er mit meiner Hand über sein Organ und knurrte zustimmend. „Wenn du jetzt sofort anfängst, Liz... dann... bin ich längst fertig, bevor Siamak wiederkommt...", versprach er mir keuchend. Auch wenn es mir nicht gefiel, musste ich zugeben, dass diese Situation mich zunehmend erregte. Ohne Frage war es aufregend und spannend, was Clay von mir wollte, gerade an diesem Ort und unter dem gegebenen Zeitdruck. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mir so etwas Absurdes gefallen konnte, aber es hatte zweifellos was. Es war eine neuartige Mischung aus Nervosität, Erregung, Widerwillen und Angst, die ich empfand, als ich langsam damit anfing, gezielt Clays Schwanz in seiner Hose zu streicheln. Dabei beobachtete ich interessiert sein Gesicht, weil ich dringend sehen wollte, wie es ihn aufgeilte. Ich liebte den Ausdruck seiner Augen dabei, der mir immer absolut zuverlässig verriet, wie sehr es ihm gefiel, was ich mit ihm anstellte. Clay erwiderte meinen Blick, nickte kaum merklich und atmete tief ein und aus. Ein triumphierendes, zufriedenes Lächeln erschien in seinem Gesicht, was ich schon viel zu lange dort vermisst hatte. Obwohl der verletzte Mann noch immer auf viele schreckliche Arten besiegt wirkte, leuchtete zögernd etwas in ihm auf. Es war höchstens eine Ahnung von dem, was Clay Banton ansonsten ausmachte, aber trotzdem registrierte ich es augenblicklich. Da war ein neuer, frischer Hauch von Lebendigkeit, der in dem arg deprimierten und schwer gepeinigten Menschen erwachte. Das war nicht zu leugnen. Und der Anblick war einfach nur wunderschön. Ich kannte Clay gut genug, um dieses winzige Funkeln in seinen pechschwarzen Pupillen auf der Stelle wahrzunehmen. Das pure Leben kehrte langsam in ihn zurück, weil ich ihm diese Zärtlichkeit schenkte, die er sich so sehr wünschte. Darüber war ich spontan so dermaßen froh, dass ich am liebsten vor Freude und Erleichterung laut gejubelt hätte.
Aber stattdessen intensivierte ich nur mein Streicheln zwischen seinen Beinen. Zärtlich strich ich an seinem Penis entlang und knetete sanft seine Hoden. Seine Sexualorgane waren unter dem weichen Stoff der lockeren Jogginghose so gut fühlbar, dass ich irritiert ahnte, dass Clay tatsächlich keine Unterhose trug. Amüsiert und erregt konnte ich es deutlich spüren, als der Mann wahrhaftig wieder steif wurde. Und zwar ganz genauso schnell und unmittelbar, wie auch vorhin während unserer kurzen Umarmung. Clay seufzte laut und genüsslich. Seine Beine und sein Unterleib zuckten vegetativ. Allerdings geschah das spürbar auf eine andere Art und aus einem viel schöneren Grund, als vorher seine Muskeln hauptsächlich vor Schwäche und Erschöpfung gezittert hatten. „Es gefällt ihm", meinte Clay lächelnd ohne Scheu, weil sein Schwanz so deutlich auf mich reagierte, „Das ist sehr schön. Du machst das genau richtig, Liz." Nun, das musste er mir wirklich nicht bestätigen, weil ich nämlich ganz genau wusste, wie dieser sexbesessene Herr am liebsten angefasst werden wollte. Aber dennoch schmeichelte mir seine unbefangene Anerkennung und motivierte mich unwillkürlich dazu, mir noch ein bisschen mehr Mühe zu geben.
Sein hart und groß gewordener Penis unter der weichen Baumwolle zeigte mittlerweile gerade nach oben, und ich strich mit der rechten Hand sehr langsam, aber intensiv an ihm auf und ab. Mit der linken Hand liebkoste ich seine Eier und die Innenseite von Clays rechtem Oberschenkel. Ich stand zwischen seinen Schenkeln am Rand des Bettes, während er mit gespreizten Beinen vor mir auf der Matratze saß, genauso, wie er mich energisch und zielstrebig für sich platziert hatte. Meine rechts und links von seinen muskulösen Beinen gesäumte Position hatte unbestreitbar etwas sehr Erregendes, und das spürte ich auch in jeder Faser meines Körpers. Genaugenommen hatte es eine viel stärkere Wirkung auf mich, als mir eigentlich lieb war. „Wenn jetzt plötzlich jemand hereinkommt, dann höre ich sofort auf!" warnte ich den Mann leise. Banton knurrte und hob heftig seinen rechten Arm, natürlich ohne die Nadel von der Infusion zu beachten. Schon hatte der Kerl seine Hand um meinen Nacken gelegt und streichelte so dermaßen sanft meinen Hals, dass sich mir ungesteuert alle Härchen aufstellten. Ein geiler Schauer erfasste mich und sammelte sich autonom in meinem Unterleib. Ungewollt presste ich die Schenkel zusammen. Clays linke Hand war an meiner Hüfte und strich jetzt intensiv über meine Taille, danach behutsam nach hinten zu meinem Po. Eine Weile knetete er ihn zart und schob mich dann plötzlich daran noch näher zu sich hin. Ich hatte keine andere Wahl, als ihm einen Schritt entgegen zu kommen. Und im Grunde hatte ich auch gar nichts dagegen einzuwenden.
Nun waren wir uns sehr nah, ich stand unmittelbar vor ihm, und Clay reckte sich zu mir und strich mit seiner kratzigen Wange liebevoll an meiner Wange entlang. „Aua, Clay, du pikst!" beschwerte ich mich kichernd, woraufhin er seufzend seine Stirn gegen meine lehnte. Einen Augenblick verharrte er so und schaute mir dabei tief in die Augen. „Nein, du musst nicht aufhören, Eliza... verdammt, das... sieht doch keiner, was wir hier machen...", wollte er mir ernsthaft einreden. Naja, einerseits hatte er schon recht, musste ich zugeben. Ich stand direkt vor seinem Unterleib und schirmte ihn mit meinem Körper vor der Tür ab. Falls jemand überraschend das Zimmer betrat, würde er zumindest nicht auf den ersten Blick erkennen können, was sich recht verstohlen, tief unten zwischen unseren Leibern abspielte. Aber natürlich würde derjenige unser intimes Treiben recht bald kapieren. Spätestens, wenn er näher zum Bett treten würde. Es war völlig ausgeschlossen, dass ich Clay in Anwesenheit eines unbeteiligten Zuschauers einfach dreist weiter befriedigen würde. Das wäre mir viel zu peinlich gewesen! Außerdem war es in meiner derzeitigen Funktion als uniformierte Krankenschwester auf gar keinen Fall angemessen! Im Moment erregte mich diese subtile Gefahr, in die ich mich hier zweifellos begab, noch irgendwie. Aber ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass ich es nicht zu weit treiben würde. Sobald jemand das Zimmer betreten würde, wobei es mir völlig egal war, wer derjenige sein würde, dann wäre mein heimlicher Handjob für Clay Banton auf der Stelle beendet.
Die konkrete Vorstellung davon, dass uns tatsächlich jederzeit irgendjemand überraschen und beim Sex erwischen konnte, beunruhigte mich zunehmend. Auf einmal fühlte ich mich sehr verunsichert. „Vielleicht solltest du dir doch lieber schnell selbst einen runterholen, Clay", schlug ich kleinlaut vor, „Ich könnte dann eben vor der Tür warten und Wache für dich halten. Ich erzähle einfach jedem, der hier rein will, dass du dich gerade umziehst oder so was. Damit könnte ich die Pfleger und Ärzte solange von deinem Zimmer fernhalten, bis du fertig bist, okay?" Meine spontane Idee war ehrlich gut gemeint, weil ich besorgt dachte, dass der arme Kerl auf dem Bett direkt vor mir es bestimmt nicht ertragen konnte, womöglich am Punkt höchster sexueller Erregung keinen Orgasmus zu erreichen, weil ich vorher eventuell plötzlich aufhören musste. Aber Clay reagierte mit haltlosem Entsetzen auf meinen naiven Vorschlag. „Fuck! Verdammt, Eliza...", stöhnte er entsetzt und fauchte angewidert. Mit dieser gänzlich unerwarteten Reaktion erschreckte er mich, sodass ich zusammenzuckte und unwillkürlich meine Handbewegung an seinem Penis stoppte. „Nein, shit... bitte... hör nicht auf...", beschwerte er sich sofort verzweifelt. Überstürzt verließ er meinen Nacken und griff stattdessen nach meiner Hand zwischen uns, um sie drängend zum Weitermachen zu animieren. Natürlich tat ich ihm den Gefallen und nahm mein gezieltes Auf- und Abreiben wieder auf. Clay seufzte erleichtert. Ein erregter Schauer ließ seinen Körper ungesteuert zittern. Er stöhnte laut und schloss für einen Moment die Augen, während er voller Genuss erbebte. Gleich darauf öffnete er seine grün-braunen Augen wieder und betrachtete mich unglücklich. Ich war ziemlich verunsichert, beschloss aber, ihn jetzt nicht im Stich zu lassen. Zumindest nicht, solange wir noch allein in diesem sterilen Kellerraum sein würden. Und inzwischen hoffte ich wirklich sehr, dass uns niemand stören würde, bis Clay sein dringendes Ziel erreicht haben würde. Ehrlich, ich gönnte dem sichtbar unvorstellbar schlimm gequälten Mann seine schönen, entspannenden Gefühle von ganzem Herzen!
Meine eigene sexuelle Erregung erhielt jedoch aufgrund meiner alarmierenden Überlegungen ungewollt einen beträchtlichen Dämpfer. Automatisch wurden meine Bewegungen an Clays Schwanz schneller. Ein wenig hastig rieb ich über das steife Organ hinter der angenehm weichen Baumwolle. Eigentlich wollte ich ihn gerne sofort auspacken und mich beeilen. Aber irgendwas hielt mich davon ab. Ich war mir noch nicht ganz sicher, ob ich Bantons Erektion an diesem Morgen nackt sehen und anfassen wollte. Clay kannte mich viel zu gut, um mir meine veränderte Stimmung nicht anzumerken. Der sensible Kerl konnte meine Bedenken wahrhaftig erahnen. Er seufzte schwer, krallte seine rechte Hand neben seinen Schenkel an den Rand des Bettes und betrachtete mich unzufrieden. Seine linke Hand lag noch immer auf meinem Hintern. „Hör mal, Liz... ich... hab nicht mehr gewichst, seit ich ein Teenager war... und... ich will das jetzt echt nicht tun...", erklärte er mir atemlos und erschauderte nochmal, weil ich ihn so intensiv rieb. Der geile Anblick des attraktiven Mannes wirkte unmittelbar auf mich, ob ich das nun wollte oder nicht. Trotz meiner beunruhigenden Überlegungen sammelte sich unwillkürlich sexuelle Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen an. Das fühlte sich unbestreitbar sehr gut an, irritierte mich aber auch irgendwie. „Aber vielleicht wäre das jetzt doch besser... es würde schneller gehen...", wandte ich ein, als Clay sich auch schon hastig zu mir beugte und mir noch einen schnellen Kuss auf die Lippen drückte, um meine Einwände abzuwürgen. „Nein, Eliza, es wäre weder besser, noch würde es schneller gehen, glaub mir doch...", bat er und guckte mich vielsagend an. Lächelnd legte ich meine Hand auf seinen Brustkorb und spürte augenblicklich sein Herz schnell und kräftig hämmern. „Du hast als Teenager gewichst?" fragte ich ihn neckend, weil mich diese Vorstellung irgendwie erregte und amüsierte. Er grinste schief. Sein schöner Mund mit den vollen, roten Lippen blieb leicht geöffnet, weil er hörbar tief ein und aus atmete. Seine weißen Zähne blitzten hervor. „Alle Teenager wichsen", meinte er achselzuckend. Er war nicht im Geringsten verlegen.
Seine linke Hand fing wieder an, auf ziemlich angenehme Weise meinen Hintern zu kneten. Clay streichelte sich langsam, aber zielstrebig von hinten zwischen meine Beine. Ein Teil von mir war alarmiert und wollte ihn dringend stoppen. Aber der andere, animalische Teil von mir konnte gar nicht genug davon kriegen, wie liebevoll der Mann mich anfasste. Dieser Teil sehnte sich verwirrend heftig danach, von ihm an sehr bestimmten Stellen berührt zu werden, was ich mir in dieser riskanten Situation aber auf keinen Fall erlauben durfte. „Erzähl mir davon", forderte ich Clay peinlich keuchend auf, während ich ihn die ganze Zeit genau studierte. Seine faszinierenden Augen veränderten sich ausnahmslos, wenn man ihn streichelte. Deutlich spiegelten sie seine steigende sexuelle Erregung, was mich unglaublich geil machte. Automatisch bremste ich meine zu eiligen Bewegungen an seinem Schwanz und fuhr mit meiner Hand wieder langsamer, aber umso intensiver an dem harten Organ auf und ab. Clay lächelte amüsiert und erschauderte nochmal gurrend. „Das ist schön... Liz... das... fühlt sich so gut an...", lobte er mich zufrieden. „Erzähl mir, wie du als Teenager gewichst hast!" befahl ich ihm nochmal und spürte, wie mein Herz damit anfing, härter zu schlagen. Diese unerwartete Situation wurde immer aufregender für mich, von ganz allein immer angenehmer. Die trostlose Umgebung schien in meiner Wahrnehmung zu verschwinden, zunehmend belangloser zu werden, weil ich mich intuitiv auf den attraktiven Mann vor mir und meine eigenen geilen Gefühle fokussierte.
Clay lachte glucksend und bedachte mich mit einem zärtlichen Blick. „Zu Hause hab ich mich... meistens... im Bad eingeschlossen... um zu wichsen... weil ich nie ein eigenes Zimmer hatte, und..." Er stockte und stöhnte auf, weil ihn unwillkürlich ein neuer, stark erregender Wirbelwind erfasste. Seine Beine zuckten vegetativ und spannten sich zitternd um meine Oberschenkel. „Fuck! Liz!" fluchte er überwältigt mit halb geschlossenen Augen. Sein Unterleib drängte sich meiner liebkosenden Hand entgegen. Ich hatte seinen harten, großen Schwanz mit der Hose halbwegs umfasst und rieb ihn betont langsam, in gleichbleibend deutlichem Rhythmus, die ganze Länge des Gliedes ausnutzend auf und ab. Meine linke Hand streichelte unverdrossen seine Hoden und die Innenseite seines Schenkels. „Die Mädchen haben es immer geahnt... wenn... ich gewichst habe...", grinste Clay atemlos, „Die... wollten mir immer zusehen... mich ständig anfassen..." „Welche Mädchen?" fragte ich verwirrt, empört, und spürte wahrhaftig einen völlig widersinnigen Stich aus Eifersucht in mir. Clay guckte bedeutungsvoll. „Meine Schwestern...", presste er grienend hervor. Der aufmerksame Kerl sah mir wahrhaftig an, dass ich spontan eifersüchtig war, und er amüsierte sich prächtig darüber. Meine dumme Eifersucht auf fremde Frauen gefiel ihm enorm. Das ärgerte mich total. „Haben die dir etwa mal zugesehen? Oder dich angefasst?" fragte ich total fassungslos. Clay kicherte bei der Erinnerung, also konnte sie nicht allzu unangenehm für ihn sein, was ich ziemlich merkwürdig fand. Automatisch fragte ich mich pikiert, wie weit seine sexuellen Erfahrungen innerhalb seiner Familie wohl gegangen waren. „Gott, Clay! Jetzt erzähl mir bloß nicht, dass du Sex mit deinen Schwestern hattest!" blaffte ich ihn argwöhnisch an. Clay beugte sich vor und küsste flüchtig meine Wange. Dann lehnte er sich behaglich ein wenig zurück. Mit der rechten Hand stützte er sich hinter seinem Körper ab, während seine linke Hand noch immer an meinem Po beschäftigt war. „Das war schön... Eliza... das war nicht... blöd...", versuchte er schüchtern zu erklären. Aber ich starrte ihn entgeistert an. „Du hast ehrlich mit deinen Schwestern geschlafen?" entfuhr es mir entsetzt. Unzufrieden kniff Clay die Augen zusammen, schaute mich spöttisch an und schüttelte den Kopf. „Ich dachte, wir sprechen hier über's Wichsen, Frau Laser...", bemerkte er geringschätzig und klimperte frivol mit den Augen. Obwohl ich den Eindruck hatte, dass der Typ mich ablenken wollte, um etwas ziemlich Fragwürdiges vor mir zu verbergen, beschloss ich, nicht weiter nachzuhaken. Im Grunde ging es mich ja auch gar nichts an, was er vielleicht in seiner Jugend mit seinen Geschwistern getrieben hatte.
„Erzähl mir, wie du gewichst hast", befahl ich ihm streng mit klopfendem Herzen. Clay schaute an sich herunter, wo meine Hand unentwegt durch den Stoff hindurch seinen Penis bearbeitete. Sein Unterleib zuckte mir entgegen, er stöhnte laut auf. „Das ist geil... aber...", seufzte er und guckte mich an. „Hol ihn doch bitte raus, Eliza!" bat er mich drängend. „Nur, wenn du mir in allen Einzelheiten erzählst, wie du als Teenager gewichst hast", fiel ich unbemerkt in meine vertraute, dominante Rolle, ohne es selbst richtig zu realisieren. Diese Position nahm ich mit Herrn Banton immer irgendwann ein, wenn wir intim waren, und ich genoss meine Macht über ihn ganz außerordentlich. Mein Herz klopfte hart, ich war erregt und nervös. Zwischen meinen Beinen war es mittlerweile nass geworden, es kribbelte angenehm, und ich drückte immerzu ungesteuert die Schenkel zusammen, weil sich das so geil anfühlte. Clay lachte keuchend in einer Mischung aus Belustigung und Verzweiflung. „Ach, Süße... was... glaubst du denn, wie ich gewichst habe... das ist doch...." Er brach ab und schüttelte ratlos den Kopf. „Ich bin nicht deine Süße, Banton!" fuhr ich ihn strafend an und stoppte meine Hand an seinem Penis, um ihn zu ärgern und meine uneingeschränkte Macht zu demonstrieren. Seine Augen verengten sich, als er mich abschätzend musterte. Unruhig rutschte er auf dem Bett herum, beugte sich wieder vor und legte seine rechte Hand an meine Hüfte, während seine linke Hand abermals meinen Hintern streichelte. „Ich hab einfach meinen Schwanz gepackt und gewichst", sagte er langsam, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Wie hast du ihn gewichst?"verlangte ich atemlos zu wissen, weil mich allein die Vorstellung davon schon geil machte. Clay kreuzte seine Knöchel hinter mir und umschloss mich dadurch noch viel enger mit seinen Beinen. Sein Unterleib zuckte ungeduldig, weil meine Hand so reglos auf ihm lag. Sogar durch den Stoff der Jogginghose konnte ich spüren, wie das Blut in seiner Erektion pulsierte.
Vergeblich wartete ich darauf, dass der sture Patient mir Einzelheiten über seine jugendlichen Wichsgewohnheiten erzählte. Stattdessen trugen wir ein stummes Blickduell aus, in dem ich deutlich seinen aufsässigen Widerstand spürte, der mich in dieser Situation paradoxerweise noch viel mehr erregte. Mein Körper zitterte angespannt, ich presste die Schenkel zusammen und konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken. Dummerweise merkte Clay mir meine Erregung an, weil er mich so gut kannte. Außerdem hatte der Mann reichlich Erfahrung mit der weiblichen Sexualität. Der freche Kerl fing damit an, mich spöttisch anzugrinsen, was mich in diesem Moment extrem ärgerte. „Diese Jogginghose, die du da trägst, die gehört dir nicht, Clay. Die Hose ist Eigentum des Krankenhauses. Du hast sie auf keinen Fall angehabt, als sie dich vorige Nacht hier eingeliefert haben. Warum trägst du sie jetzt, hä? Warst du etwa nackt, als du gegen deinen Willen hierher gebracht wurdest?" fragte ich laut und anklagend. Meine Augen funkelten geringschätzig. Allerdings konnte ich meinen Exfreund damit zu meinem Verdruss nicht einschüchtern. Völlig unberührt erwiderte er meinen vorwurfsvollen Blick. „Keine Ahnung, ob ich nackt war", erklärte er mir ohne jede Scham und grinste voller Hohn, als ich entgeistert die Augen aufriss. „Vielleicht hab ich mich auch einfach nur vollgeschissen", meinte Clay herausfordernd und taxierte mich spöttisch. „Gott, Clay...", stöhnte ich angewidert, woraufhin er zufrieden lachte. Es ärgerte mich, dass er es so leicht geschafft hatte, mich zu schockieren.
So unangenehm es auch war, was der verrückte Patient mir da erzählte, so zweifelte ich nicht daran, dass er mir die Wahrheit sagte. Clay konnte sich wirklich nicht an die letzte Nacht erinnern. Er kannte die Umstände seiner eigenen Einlieferung ins Krankenhaus nicht. Siamak hatte mir ja schon berichtet, dass Banton ihn zu dieser Zeit noch nicht mal mehr erkannt hatte oder auch nur seine Umgebung identifizieren konnte. Trotzdem hatte Clay mich mit seiner betont provozierenden Aussage verärgert. „Siamak hat mir erzählt, dass du letzte Nacht ein unberechenbarer und gefährlicher Dämon warst!" informierte ich ihn mit grimmigem Trotz, weil ich ihn als Retourkutsche ebenfalls schockieren wollte. Zu meinem Erschrecken gelang mir das viel stärker, als ich es beabsichtigt hatte. Clay zuckte getroffen zusammen und schloss unverzüglich abwehrend die Augen. „Nein... fuck... Eliza... bitte nicht...", ächzte er verstört und krallte seine Finger panisch zu fest um meine Hüftknochen, sodass er mir wehtat. Zweifellos wollte er diese Dinge nicht hören. Er wollte die Einzelheiten seiner seltsamen Verwandlung in ein Monster nicht erfahren. Auf keinen Fall wollte er sich an die letzte Nacht erinnern. Schon tat mir meine erneute Gemeinheit leid, obwohl ich gar nicht abschätzen konnte, wie stark sie Clay tatsächlich verletzte. Schließlich war ich bei den Ereignissen der vergangenen Nacht in der Notaufnahme nicht dabeigewesen.
Tröstend nahm ich mein zärtliches Streicheln an Clays Penis wieder auf, weil ich ihn beruhigen wollte. Mit geschlossenen Augen seufzte er erleichtert und zustimmend. Eine Weile rieb ich ihn schweigend. Meine Hand bewegte sich intensiv im vertrauten Rhythmus, sehr gezielt und langsam. Mit klopfendem Herzen beobachtete ich, wie Clays sexuelle Erregung sich unwillkürlich steigerte, während meine eigene Geilheit auf dem gleichen, höchst angenehmen und nicht zu drängenden Level blieb. Das gefiel mir sehr, wie vertrauensvoll Herr Banton sich mir hingab. Wie er sich sichtbar auf meine Finger fokussierte, die ihm diese intime Wohltat schenkten. Wie sein Atem mit der Zeit schwerer wurde, alle seine Muskeln angespannt zuckten und geile Schauer ihn immerzu erschaudern ließen. „Bitte... Liz... willst du ihn nicht bitte rausholen..?" fragte er schließlich leise flehend, ohne die Augen zu öffnen. Seine Hände lagen jetzt reglos, leicht auf meinen Hüften. Sein Unterleib drängte sich meiner Hand von allein entgegen, weil es ihn zunehmend nach einer Steigerung meiner Stimulation verlangte. Ich war stärker gerührt davon, als ich erwartet hatte, wie genüsslich und dankbar der verletzte Mann das Geschenk annahm, das ich ihm hier gab. Genauso, wie ich es nur allzu gut von ihm kannte, lieferte er sich mir auch dieses Mal mit einer bedingungslosen Hingabe aus, die mich tief bewegte. Schließlich konnte er sich doch an diesem Morgen im Krankenhaus in Wahrheit gar nicht sicher sein, ob ich ihm in unserer absurden Situation überhaupt restlos wohlgesonnen war. Aber Clay Banton vertraute mir hemmungslos, trotz allem, was ich ihm allein in diesem Raum schon wieder an Gemeinheiten an den Kopf geknallt hatte. Das konnte mich gar nicht kaltlassen. Es berührte meine Seele auf eine Art, die mich fast überwältigte, während mein Körper allein durch den Anblick seiner unverhüllten Sexualität, durch das Gefühl seines Schwanzes unter der Baumwolle schon stark erregt wurde.
Nervös spannte ich die Muskeln zwischen meinen Beinen an, weil sich das so ausgesprochen gut anfühlte. Meine linke Hand legte ich erneut auf seine Brust, wo ich liebevoll über die einzelnen Rippen streichelte. Sein breiter, flacher Brustkorb bewegte sich rhythmisch in tiefen Atemzügen. Das Gefühl seines kraftvollen, erstaunlich schnellen Herzschlags an meinen Fingern machte mich plötzlich richtig glücklich. Clay Bantons unbestreitbar faszinierende Augen hatten vorhin noch so entsetzlich leer ausgesehen. Das wohl einmalige Grün mit den brauen Sprenkeln und der tiefschwarzen, großen Pupille in der Mitte hatte fast tot gewirkt. Er war so schrecklich besiegt und deprimiert gewesen. Darum freute es mich jetzt mehr, als ich eigentlich begreifen konnte, sein Herz hinter den Rippen voller Energie schlagen zu fühlen. Dieser besondere Mensch lebte noch. Das Leben feierte sich selbst in ihm, trotz all dem unvorstellbar Grausamen, was ihm fraglos widerfahren war. Sein schwer verletzter und leider mit harten Drogen vergifteter, aber unvermindert attraktiver Leib pumpte unverdrossen warmes Blut durch seine zahllosen Adern und in sämtliche Körperteile. Auf einmal war mir, als hätte ich noch niemals in meinem Leben etwas Schöneres gespürt, als Clay Bantons kräftig und schnell klopfendes Herz.
„Beschreibe mir, wie du als Teenager gewichst hast", nahm ich unser frivoles Spiel stichelnd wieder auf. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich es ausnahmslos und hemmungslos genoss, den Mann mit solchen Fragen in Verlegenheit zu bringen. Und Clay Banton war der einzige Mensch, den ich kannte, der unser Dominanzspiel jedes Mal mehr oder weniger bereitwillig mit mir spielte. Bisher hatte er noch immer mitgemacht, wenn auch manchmal nur unter Protest. Aber jetzt reagierte er zu meinem Frust sehr viel ablehnender, als ich es je mit ihm erlebt hatte. Clay stöhnte extrem genervt, riss die Augen auf und nahm seine Hände von meinen Hüften. Abrupt löste mein Exfreund seine verschränkten Fußgelenke hinter mir und ließ die Füße unruhig herunterbaumeln. Unwohl änderte er ein paarmal seine Position auf dem Bett, als wäre ihm das Sitzen mit gespreizten Beinen auf einmal zu unbequem geworden. Nervös rutschte er auf der schmalen Matratze herum, während er mich pausenlos unzufrieden musterte. Der widerspenstige Kerl suchte in meinen Augen nach den Gründen für meinen Befehl. Er wollte verstehen, wie dringend und ernst meine wiederholte Aufforderung an ihn gemeint war, mir alle Einzelheiten seiner jugendlichen Selbstbefriedigung zu verraten. Seine Hände strichen jetzt aggressiv über das Laken. Ich gewann den Eindruck, dass Clay seine Finger am liebsten zu Fäusten geballt und auf die Matratze eingeschlagen hätte.
Noch immer stand ich zwischen seinen Beinen, sehr nah vor ihm, unmittelbar am Rand des Bettes. Durch sein unbehagliches Herumrutschen verunsichert, nahm ich meine beiden Hände von seinem Körper. Er quittierte das mit einem weiteren genervten, hörbar verärgerten Knurren. Sein Atem ging schwer, er zitterte am ganzen Körper. „Was ist denn los, Clay?" erkundigte ich mich verwirrt. Er verdrehte missmutig die Augen. „Muss das denn sein...? Eliza... ich... will jetzt echt nicht... bitte... hol mir doch einfach nur einen runter... ja...?" stammelte Clay atemlos und beschwor mich mit seinen rührenden Augen, in denen in diesen Sekunden eindeutig seine sexuelle Erregung dicht neben seiner tosenden Wut stand. Zu meiner Irritation schienen beide Emotionen in diesem Moment nahezu gleichgroß zu sein. Das beunruhigte mich, weil ich so etwas bisher noch nie an ihm gesehen hatte. Du musst vorsichtig sein, sagte mir eine warnende Stimme in meinem Kopf, du darfst ihn jetzt nicht zu stark provozieren, sonst dreht er unter Garantie total durch. Er ist heute Morgen unglaublich sensibel und labil. Banton sitzt nicht ohne Grund in der geschlossenen Psychiatrie fest, rief ich mir ängstlich in Erinnerung. Spontan beschloss ich, es gut sein zu lassen und diese Sache jetzt nur noch zu ihrem Ende zu führen. Auch mit dem nervösen Gedanken an Siamak, der ja schließlich ausgerechnet mit dem Oberarzt jederzeit überraschend in diesem gekachelten Raum auftauchen konnte. „Weißt du, Clay, ich fände es eben ziemlich geil, wenn du mir beschreiben würdest, wie du damals gewichst hast", erklärte ich ihm enttäuscht, aber bewusst ohne jeden Tadel in der Stimme. Ein amüsiertes, gutmütiges Lächeln erschien in seinem aufgelösten Gesicht, was mich sofort erleichterte. „Das weiß ich, Liz", teilte Clay mir belustigt mit, „Ich weiß, dass dich so was total aufgeilt." Natürlich wusste er das! Schon viel zu oft hatten wir gemeinsam dieses schlüpfrige Spiel gespielt, in dem ich ihn nach äußerst intimen, sexuellen Dingen fragte, und er mir mehr oder weniger bereitwillig Auskunft gab. Clay hatte recht, ich liebte diese Spielereien mit ihm über alles. Immer noch. Aber inzwischen hatte ich mich von meinem Sexualpartner getrennt. Darum war dieses Tun für mich eigentlich gar nicht mehr angebracht. Und eigentlich war hier und jetzt auch wirklich nicht der richtige Ort dafür.
Clay legte seine rechte Hand um meine Taille, um sich an mir festzuhalten. Die linke Hand stützte er auf das Bett. Er spreizte seine Beine noch ein Stückchen mehr und schaute auffällig an sich hinab. Sein erigierter Penis war in seiner ausgeleierten Jogginghose als große, harte, hochstehende Beule unübersehbar. „Ich... hab jetzt echt keinen Bock zu reden... ich kann nicht... Eliza... guck ihn dir doch an... Sieh nur!... er will dringend befriedigt werden...", seufzte der Typ in seiner herrlichen, absolut einmaligen Unbefangenheit ungeduldig und erschauderte am ganzen Körper. Ich musste mir ein gerührtes Lachen verkneifen und folgte neugierig und aufgeregt seinem Blick. Auf dem hellgrauen Baumwollstoff hatte sich ein kleiner, feuchter Fleck gebildet, genau in Höhe seiner Eichel. Clay hatte aufgrund seiner fortgeschrittenen Erregung unbemerkt geile, sexuelle Feuchtigkeit ausgestoßen. Aus irgendeinem Grund geilte mich dieser feuchte Fleck auf dem hellen Stoff augenblicklich extrem auf. Verblüfft stöhnte ich auf, bevor ich mich bremsen konnte. Clay grinste atemlos und knetete verlangend meine Taille. „Bitte... Liz... hol ihn raus... ja?... guck ihn dir genau an... er will das unbedingt... er vermisst dich so... und... fass mich an, ja?... tust du das für mich... jetzt...?" Sein Atem ging tiefer, er keuchte und guckte mich mit flehenden, erwartungsvoll leuchtenden Augen an. Seine Beine zitterten angespannt, sein Unterleib zuckte, als ich den lockeren Gummibund seiner Hose ergriff und den weichen Stoff langsam, behutsam herunter schob. Obwohl ich es schon geahnt hatte, verdutzte es mich trotzdem, dass der kranke Patient tatsächlich keine Unterhose trug. Der Anblick seines nackten, prallen Geschlechts fuhr mir augenblicklich zwischen die Beine, sodass ich nervös meine Muskeln anspannte, weil ich gar nicht mehr anders konnte.
„Fass ihn an...", forderte Clay mich ungeduldig auf, also tat ich ihm den Gefallen. Mit der rechten Hand umfasste ich fest seine große Erektion und nahm mein zärtliches Auf und Abreiben wieder auf. Augenblicklich stöhnte Clay genüsslich auf, seine Augenlider flatterten, er nickte zustimmend. Seine linke Hand bewegte sich zielstrebig auf meine Brust zu. Der erfahrene Mann berührte erstaunlich sanft meinen Busen unter dem weißen Poloshirt, das zu meiner Schwesterntracht gehörte. Eigentlich wollte ich in dieser Situation gar nicht von ihm angefasst werden. Aber andererseits fühlte sich seine fast ehrfurchtsvolle Streicheleinheit so gut an, dass ich ihn gewähren ließ. Aufgeregt, mit hämmerndem Herzen beobachtete ich, wie Clay Banton auf meine liebevollen Zärtlichkeiten reagierte. Typischerweise verbarg er gar nichts vor mir, sondern gab sich sofort aufs Neue bedingungslos meinen Händen hin. Das rührte und erregte mich gleichermaßen. Meine Hand hatte ihn jetzt hart gepackt und fuhr in gleichmäßigem Rhythmus auf und ab. Mit der Zeit wurde meine Bewegung unwillkürlich schneller, weil es mich so faszinierte, wie unmittelbar der Mann darauf reagierte, wie sehr es ihn zunehmend überwältigte, was ich da tat. „Gefällt dir das, Herr Banton?" musste ich ihn nach ein paar Minuten einfach neckend fragen. Er schenkte mir einen vielsagenden Blick aus halb geschlossenen, überaus gierigen Augen. „Fuck, ja!... Mädchen...", erwiderte er und schüttelte irritiert den Kopf. „Du weißt ganz genau, wie verdammt mir das gefällt... du... kennst mich doch... Liz... du kannst es mir ansehen...", keuchte er verstört und rang nach Luft. „Ich mag es, wenn du es mir sagst", gestand ich ihm schüchtern.
Clay streckte unwillkürlich den Rücken, richtete sich zitternd auf, hob den Kopf und schloss mit flatternden Lidern die Augen. Sein Mund öffnete sich zu einem lauten, lustvollen Stöhnen. Sein Körper verspannte sich, er zog den Bauch ein und schob zuckend seinen Unterleib vor, um meiner Hand ungesteuert entgegen zu drängen. Eine Gänsehaut überzog seinen erschaudernden Leib. Seine linke Hand an meiner rechten Bust packte ungewollt zu fest zu. Es überwältigte ihn, und er tat mir damit weh. „Aua... nicht, Clay!" tadelte ich ihn, woraufhin er seine Hand eilig wegzog und sie mit zitternden Fingern auf das Laken stützte. Seine Augen öffneten sich einen Spalt, die schwarzen Pupillen waren jetzt nur noch geile, verschlingende Saugnäpfe. „Tut mir leid... das... ich wollte das nicht...", seufzte er entschuldigend. Ich lächelte verständnisvoll, rieb zärtlich seinen Schwanz und legte meine andere Hand auf seine Brust. Liebevoll streichelte ich mich an ihm herunter, schob sein schwarzes Unterhemd hoch und legte meine Hand flach auf seinen nackten Bauch, knapp unter seinen Bauchnabel. Meine Finger krabbelten zärtlich über seine glatte, heiße, feuchte Haut. Meine rechte Hand verharrte an seinem Penis, damit mein Daumen ganz zart den Rand seiner Eichel liebkosen konnte, besonders an der Stelle seines Bändchens. Clay dankte mir meine bewussten Geschenke mit einem weiteren, hemmungslosen Aufstöhnen. Seine Augen flatterten. Seine Wirbelsäule streckte sich erbebend, der Unterleib zuckte entzückt. „Shit... Süße... Eliza... das ist...", entfuhr es ihm panisch, weil ihn zärtliche Berührungen an diesen Stellen seines Körpers extrem aufgeilten, wie ich nur zu gut wusste. Genau deshalb widmete ich mich ihnen ja. Ich wollte jetzt nur noch besonders lieb zu Clay Banton sein. Es erregte und befriedigte mich gleichermaßen, ihn vollständig in meiner Hand und unter meiner Kontrolle zu haben.
Der Mann beugte sich hastig vor und berührte mit seiner Wange gierig mein Gesicht, küsste überstürzt, flüchtig meine Lippen, meine Augenlider, die Augenbrauen, meine Nase, wieder meine geschlossenen Lippen. Sein Atem ging jetzt schnell, tief und laut. „Das ist schön, Schatz... das ist... Liz... das fühlt sich verfickt geil an...", verriet er mir schnaufend mit hörbarer Anerkennung. Noch ein heftiger Schauer erfasste seinen mittlerweile aufgeputschten Leib, veranlasste ihn wiederholt zum gutturalen Knurren. Seine eindeutig sexuellen, unwillkürlichen und völlig ungebremsten Geräusche fuhren mir geradewegs in meine Sexualorgane hinein und vermehrten die Feuchtigkeit, die zunehmend aus mir heraus drängte. Mann, das fühlte sich gut an! Wieder drückte ich automatisch seufzend die Schenkel zusammen. Zärtlich streichelte mein Daumen Clays nicht mehr vorhandenes Bändchen und den Rand seiner Eichel, dann fuhr ich wieder fest an seinem ganzen Penis entlang. Die andere Hand liebkoste die warme, feuchte Haut an seinem Bauch. „Hör mal... Liebes... ich kann das nicht...", fing Clay an und erschauderte abermals, seine Augen suchten ängstlich meinen Blick, „Das kann ich... nicht mehr lange... aushalten... Eliza!" Es klang wie eine Warnung, ein panischer Hilfeschrei, was ich echt nicht verstehen konnte. Mir war völlig klar, dass meine Zärtlichkeiten, meine aus reichlicher Erfahrung mit ihm wohlüberlegten, sehr gezielten Berührungen ihn geradewegs in großen Schritten zum Höhepunkt führten. Das war es doch schließlich, was er von mir gewollt hatte. Der ausgehungerte Mann wollte in all seinem Elend etwas Geiles fühlen, und er wollte bestimmt nicht kurz vorm Orgasmus aufhören. „Ich weiß, Schatz", flüsterte ich irritiert, „Clay! Das ist doch in Ordnung!" Seine Knie drückten von außen gegen meine Schenkel, weil seine Beine sich zitternd anspannten. Sein harter, großer, praller Schwanz pulsierte in meiner Hand, zuckte mir entgegen und verlangte autonom nach mehr. Clay schloss für einen Moment die Augen, sammelte sich und blies mühsam beherrscht Luft aus.
Im nächsten Augenblick öffnete er seine glühenden, besitzergreifenden Saugnäpfe und blickte mich vielsagend an. „Ich komm gleich, Eliza... und... ich will dich nicht versauen... deine schöne Uniform... die... ich will die echt nicht dreckig machen...", erklärte er mir atemlos, hob die Arme und strich ein wenig zu heftig über meine Schultern, „...ich weiß gar nicht..." Plötzlich verwirrt, taxierte er mich, als würde er mich zum ersten Mal sehen. Schlagartig wurde mir klar, wie recht der Kerl mit seiner Warnung hatte. Ich Dummkopf hatte unsere derzeitige, recht intime Position nicht richtig bedacht, hatte mich von der aufregenden Situation und meiner eigenen Erregung zu stark ablenken lassen. Clay Banton saß mir direkt gegenüber auf dem Bett, die Beine weit gespreizt. Ich stand unmittelbar vor ihm, zwischen seinen Beinen, meine Hand war um seinen steifen Penis geschlungen, die andere liebkoste seinen nackten Bauch. Sein Orgasmus würde unweigerlich auf ihm und mir landen, und ohne Frage würde sein Erguss auch meine Kleidung treffen. Mit derartigen Spermaflecken auf meiner Krankenschwesternuniform hätte ich wohl kaum weiterarbeiten können. Zwar lag in meinem Spind vorsorglich Ersatz, aber ich hatte trotzdem keine Lust darauf, von Clay vollgespritzt zu werden. Auf diese weiße, zähflüssige Verschmutzung konnte ich gut verzichten.
Bantons erstaunliche, eher sehr untypische, kluge und rücksichtsvolle Voraussicht verblüffte mich enorm. Dankbar und voller Liebe lächelte ich den überraschend weitsichtigen Herrn an, nahm meine Hand von seinem Bauch und streichelte stattdessen sein hübsches Gesicht. Er seufzte und wand sich unruhig auf dem schmalen Bett herum. Es war nicht zu übersehen, dass er ziemlich kurz vorm Höhepunkt stand. Blitzschnell musste ich mir eine Lösung ausdenken, weil es offensichtlich war, dass der höchst erregte Mann nicht mehr lange durchhielt. „Okay, Clay, steh auf!" forderte ich ihn kurzentschlossen auf. Seine halb geschlossenen Augen blickten mich hilflos an, fragend, er war seltsam verwirrt. „Was?" fragte er konfus. „Steh bitte auf!" wiederholte ich drängend, ließ ihn los und bewegte mich von ihm weg, um sein Bein herum und wieder zu ihm hin. Ich fasste ihn am Arm, um ihm beim Aufstehen zu helfen. „Nein... Eliza... ich kann nicht...", beschwerte er sich unglücklich, wehrte sich jedoch nicht, als ich ihn energisch vom Bett zog. Seine Beine knickten beinahe ein, darum musste ich ihn tatsächlich stützen. Die hellgraue Jogginghose des Chistopherus-Krankenhauses rutschte sofort bis zu seinen Knöcheln herunter, als er endlich stand. Clay erbebte, knurrte genervt und griff unwillkürlich schützend nach seinem Penis. Ich platzierte seinen höchst erregten, muskulösen Körper dicht vor meinem, schmiegte mich von hinten an seinen heißen, verschwitzten Leib und schlug frech seine Hand an seinem Schwanz zur Seite, um selbst zuzugreifen. Verblüfft ächzte er auf, als meine Finger ihn energisch und fest umschlossen.
Clay überließ mir auch in unserer neuen Position klaglos die Kontrolle über sein intimstes Organ. Ohne die Sache noch länger hinauszuzögern, nahm ich meine gezielten Bewegungen wieder auf. Meine Hand rieb jetzt schnell und hart an seinem samtigen Glied auf und ab. Mein anderer Arm war von hinten um seine Taille gelegt, um ihm den tatsächlich dringend benötigten Halt zu geben. Meine Hand lag stützend auf seinem bebendem Brustkorb. Augenblicklich stöhnte Clay entfesselt laut auf, weil ich ihn wirklich überwältigte. „Fuck... Liz... warte... nicht so schnell... ich komm jetzt...", informierte er mich stöhnend, worüber ich schmunzeln musste. Zögernd verlangsamte ich meine Bewegungen, intensivierte sie bewusst, um ihm noch mehr Genuss zu bereiten. Ach, ich kannte diesen jungen Mann so gut, er und seine sexuellen Vorlieben waren mir so wunderbar vertraut. „Shit... Eliza... ich weiß gar nicht... ich... kann doch hier nicht... einfach so... alles versauen...", meldete er atemlos furchtsame Bedenken an, die ich ehrlich niemals von ihm erwartet hätte. "Hast du nicht ein... Taschentuch... oder so was...?" fragte er mühevoll und rang nach Luft. Seine untypische Rücksichtnahme verblüffte mich ein weiteres Mal. „Mach dir keine Sorgen, Clay. Der Fußboden hier ist doch durchgehend gekachelt. Das kann man nachher ganz leicht wieder aufwischen", beruhigte ich ihn erstaunt und maßlos gerührt. Er nickte ergeben und ächzte hilflos. Sein Körper versteifte sich dicht vor meinem, seine Muskeln zitterten in höchster Anspannung. Es war sehr aufregend für mich, ihn in diesem Zustand zu erleben, in den ich ihn selbst versetzt hatte, was mich ein bisschen stolz machte. Ich küsste seinen warmen, feuchten Nacken, schmiegte mich zärtlich an seinen breiten Rücken, und mir wurde klar, wie lieb ich Clay Banton zweifellos noch hatte. Trotz all meiner Bedenken, trotz meiner Trennung von ihm, trotz all dem fraglos schmerzhaft Unerfreulichen, was ich mit dem unverbesserlichen Kerl schon erlebt hatte, und obwohl er sich selbst mit seiner dummen Gedankenlosigkeit und seiner schrecklichen Drogensucht in die geschlossene Psychiatrie hinein katapultiert hatte, liebte ich diesen Menschen vor mir, den ich mit einem Arm stützen musste, in diesem Moment aus ganzem Herzen.
Meine Hand bearbeitete ihn unwillkürlich schneller, heftig und zielstrebig, fuhr in gleichmäßigem Rhythmus an seinem Schwanz auf und ab. Clay atmete lauter, er stöhnte und knurrte hemmungslos in rasender Verzückung. Liebebedürftig lehnte er sich rückwärts gegen mich, verzweifelt Halt suchend, sein Kopf drehte sich zu mir nach hinten, er konnte mich jedoch mit seiner suchend ausgestreckten Zunge nicht richtig erreichen. Also zog er zischend die Unterlippe zwischen die Zähne und leckte sich über die Lippen. Wollüstig rieb er seinen Rücken an meinem Busen. Seine Hände tasteten sich nach hinten zu meinem Körper, wobei er sich mit einem Ruck die Nadel der Infusion aus dem Arm riss, was er jedoch nicht mal ansatzweise bemerkte. Seine Hände rieben haltlos über meine Oberschenkel, fuhren gierig, besitzergreifend über meinen Hintern. „Das ist... so schön... Liz... schön... total geil...", erklärte er mir stammelnd. Sein Stöhnen wurde noch lauter, sein ganzer Körper spannte sich, die Wirbelsäule streckte sich, bis man die Wirbel fast knacken hörte, seine Beine wurden ganz steif. Unbewusst zog er den Bauch ein, während sein Unterleib wiederholt stoßend nach vorn zuckte, um meine Zärtlichkeiten und Bewegungen unfassbar ausgehungert und gierig zu unterstützen. Sein Schwanz schien sich von allein meiner Hand entgegen zu recken. Unübersehbar und unüberhörbar nahte Clay Bantons Orgasmus. Der hochgradig sexuell erregte Mann bestieg unaufhaltsam den Gipfel der Genüsse, die ich ihm gerne schenkte. Wohlweislich verlangsamte ich meine Stimulation zu einem festen, gleichmäßigen Auf und Ab, und trieb ihn damit unter Garantie fast in den Wahnsinn. Er wand sich stöhnend und flehend in meinem Arm, wäre fast bebend zusammengebrochen, aber ich hatte ihn zum Glück fest gepackt. Und ich liebte es mit jeder Faser meines Seins, meinen Exfreund so hundertprozentig unter meiner Kontrolle zu haben. "Ich komm jetzt... warte... Liz... pass auf... ich will dich... nicht... vollsauen...", warnte er mich keuchend mit einer mich tief bewegenden Liebenswürdigkeit. Kurz darauf kam er wirklich. Der sexuelle Höhepunkt überrollte und überwältigte ihn. Clay zuckte gewaltig zusammen, wurde starr und ergoss sich in mehreren heftigen Schwallen auf den gekachelten Fußboden des sterilen, deprimierenden Kellerraums. Sein gewaltiger Orgasmus wurde begleitet von seinem rührenden, lautstark rhythmischen Fluchen. „Oh Fuck... fuck... fuck... fuck..." Sein warmer Samen klatschte hörbar auf die hellgrünen Fliesen. Und ich hatte wahrhaftig noch einmal das befriedigende, fantastische Gefühl, noch nie in meinem Leben etwas Schöneres gehört zu haben.
Siamak
„Jetzt erkläre mir doch bitte noch mal, warum du dich ausgerechnet für diesen Patienten so erstaunlich energisch einsetzt, Siamak. Du sagst doch, dass du ihn gerade mal zwei Tage kennst. Du bist diesem heroinabhängigen Mann in deinem Leben erst drei mal begegnet. Was also soll an ihm so anders sein als an jedem x-beliebigen Junkie?" fragte Fabian mich verständnislos. Der junge Professor der Psychologie, der im Rahmen seiner Arbeit mit Drogenabhängigen schon jede Menge, teils sehr schlechte Erfahrungen gemacht hatte, warf mir einen prüfenden Seitenblick zu, als wir gemeinsam die Treppe hinuntergingen. „Du wirst sehen, dass Clay anders ist. Wenn du ihn gleich erlebst, dann wirst du es verstehen", erwiderte ich überzeugt. Insgeheim war ich lange nicht so selbstsicher, wie ich gerne erscheinen wollte. Mit ganzer Seele hoffte ich, dass das auch tatsächlich passieren würde. Dass Fabian Maiwald mein Engagement für Clay Banton verstehen und bestenfalls mit mir teilen würde. Dass mein schwieriger Patient es irgendwie schaffen würde, auch den Professor nachhaltig zu beeindrucken. „Na, jetzt bin ich aber neugierig." Fabian warf mir einen zweifelnden Blick zu, den ich so selbstsicher wie möglich erwiderte. Es würde nicht einfach werden, den Professor zu überzeugen, das war mir klar.
Nicht nur deswegen war ich nervös. Das bedrohliche Gefühl, Clay inzwischen schon viel zu lange in seinem sterilen, deprimierenden Kellerraum allein gelassen zu haben, nagte zunehmend an mir. Ich war mir nicht sicher, ob Herr Banton in seinem verwirrten, enorm geschwächten Zustand meine Erklärungen und Hinweise überhaupt richtig verstanden hatte. Als ich ihn vor über einer Stunde verließ, hatte er mich aus lauter Angst davor, dass ich nicht zu ihm zurückkommen würde, weinend an sich gepresst. Clay wollte mich tatsächlich nicht gehenlassen. Obwohl ich ihm doch mein Vorhaben genau erklärt hatte und es zu diesem Zeitpunkt zwingend notwendig für mich war, mich auf den Weg zu machen, damit sich endlich ausreichend um ihn gekümmert wurde. Offensichtlich hatte mein Patient mir nicht geglaubt. Er vertraute mir nicht genug, um meinen Worten Glauben zu schenken. Das kränkte mich mehr, als gut für mich war. Clays irre flehende Augen ließen mir keine Ruhe.
Leider hatte es mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich erwartet hatte, den diensthabenden Oberarzt der geschlossenen Abteilung ausfindig zu machen und ihn davon zu überzeugen, dass er unverzüglich mit mir zu diesem einen Patienten eilen müsste. Es hatte mich einiges an Überredungskunst gekostet, Fabian dazu zu bewegen, bei dieser besonderen Visite lieber nicht seine kleine Studentengruppe aus angehenden Medizinern mitzunehmen, wie es sonst üblich war, sondern nur mit mir allein den schwierigen Patienten in Augenschein zu nehmen. Der ständig viel beschäftige Professor wollte nicht so leicht einsehen, warum ausgerechnet Clay Banton auch für ihn, so wie für mich, oberste Priorität haben sollte. Letztendlich hatte der Verantwortliche der Station sich aber zum Glück dazu bereiterklärt, meinen Beteuerungen zumindest eine Chance zu geben. Zweifellos hatte es mir geholfen, dass ich den Professor schon von einigen Fortbildungen her kannte. Und jetzt konnte ich gar nicht schnell genug zurück zu Clay gelangen, den ich allein und konfus in seinem Zimmer wähnte. Besorgt ging ich davon aus, dass mein Patient vielleicht inzwischen schon vollständig in seiner Panik, Einsamkeit und Depression versunken war.
Als Fabian Maiwald und ich endlich die geschlossene Tür zu dem weit abgelegenen, in hellgrün gekachelten Raum im Keller erreichten, tönte uns schon von draußen ein merkwürdiges Stöhnen entgegen, das unmissverständlich nach einem wiederholten, lautstarken, enthusiastischen „Fuck" klang. Fabian warf mir spontan einen spöttischen Blick zu. „Was um Himmels Willen macht dein besonderer Patient denn allein da drin? Das hört sich für mich so an, als hätte er jede Menge Spaß mit sich selbst. Hast du nicht behauptet, der arme Mann wäre unglaublich geschwächt, weil wir ihn doch angeblich so sträflich vernachlässigt haben?" fragte er grinsend. „Das klingt aber ganz anders", setzte er triumphierend hinzu.
Ich konnte das spontane Amüsement meines Arbeitskollegen nicht nachvollziehen, denn ich machte mir große Sorgen um Clay. In meiner Vorstellung sah ich den eindeutig extrem depressiven, hochgradig verwirrten Mann schon mit einem Strick um den Hals bei einem einsamen Suizidversuch. Er könnte den stabilen Plastikschlauch der Infusion als Strick benutzen, fiel mir schockiert ein. Clay könnte irgendeine Stelle finden, an der er sich damit aufhängen kann. Womöglich nimmt er den Schrank dafür. An der Tür wäre ein Selbstmord umsetzbar. Sofort machte ich mir die schrecklichsten Vorwürfe, weil ich diese zweifellos bestehende Gefahr für Bantons wertvolles Leben nicht schon viel früher erkannt hatte. Doktor Siamak Tourani hatte einfach nicht daran gedacht, als er den ihm anvertrauten Menschen in seinem kritisch labilen Zustand in diesem Zimmer allein ließ. Schon wieder hatte ich im Umgang mit Clay Banton einen vielleicht verhängnisvollen Fehler begangen. Eventuell hatte seine Fixierung bei aller Unannehmlichkeit für Clay doch einen lebenswichtigen Sinn, grübelte ich bestürzt. Ich selbst hatte meinen labilen und deprimierten Patienten von der Fixierung befreit und ihm damit nebenbei unbewusst ermöglicht sich umzubringen. Diese Wahrheit machte mir schwer zu schaffen.
Überhastet, in plötzlich quälend schlimmer Vorahnung riss ich die Tür auf und stürmte alarmiert in den kleinen Kellerraum. Nach drei schnellen Schritten stoppte ich jedoch abrupt. Der gänzlich überraschende Anblick, der sich mir bot, stellte mir sofort entsetzt sämtliche Härchen auf. Entgegen meiner Erwartung war Clay Banton keineswegs mehr allein in seinem nicht selbst gewählten Domizil. Der kranke Mann stand auf sichtbar wackeligen Beinen neben dem Bett. Seine Exfreundin Eliza Laser befand sich direkt hinter ihm. Die examinierte Krankenschwester, die aufgrund ihrer Kleidung sichtbar im Dienst war, hatte einen Arm von hinten um Clays halbnackten Leib geschlungen, um ihn zu stützen. Zweifellos hatte er diesen Halt dringend nötig. Als ich die Tür aufriss und ins Zimmer hastete, ließ Frau Laser ihren Exfreund jedoch jählings los und stieß ihn erschrocken heftig von sich weg.
Darauf war Herr Banton nicht im Geringsten gefasst. Er konnte es gar nicht sein. Clay war in diesem Moment nämlich so abgelenkt, wie man es als Mensch überhaupt nur sein konnte. Seine Augen waren fest geschlossen. Sein Mund stand halb offen, um das ringende Luftholen zu erleichtern. Sein hübsches Gesicht war in höchster Verzückung verzehrt. Der kranke Mann war vollständig auf seinen eigenen Körper fokussiert. Auf die genussvollen, sexuellen Gefühle, die sein stark erregter Leib ihm schenkte. Seine hellgraue Jogginghose war bis auf den Boden heruntergerutscht. Weil seine erigierten Genitalien nackt waren, sah und verstand ich auf den ersten Blick, was hier in der Zwischenzeit ohne mein Wissen praktiziert worden war. Mein schwieriger, depressiver Patient hatte zum Glück nicht versucht sich umzubringen. Stattdessen hatte er sich, anscheinend sogar mit Elizas Hilfe, voll und ganz den körperlichen Freuden des Lebens zugewandt.
Durch Elizas unerwartet heftigen Stoß verlor Clay sein ohnehin nur mühsam aufrechterhaltenes Gleichgewicht. Erschrocken riss er die Augen auf und stolperte mit einem weiteren energischen „Fuck" einen Schritt seitwärts. Der haltlos taumelnde Mann verhedderte sich in seiner an seinen Knöcheln befindlichen Jogginghose und stürzte völlig hilflos auf die harten, hellgrünen Bodenfliesen neben dem Bett. Er war nicht aufmerksam oder reaktionsschnell genug, um sich am Bett festzuhalten, sondern stieß sich beim Fallen nur den Kopf am Metallgestell an. Im nächsten Moment lag er auf dem Boden, stöhnte schmerzerfüllt ob des unsanften Sturzes, presste sich instinktiv schützend die Hände in den Schritt, krümmte sich und starrte mich verwirrt an. Sein Körper zitterte noch, die sexuelle Anspannung seiner Muskeln löste sich nur langsam. Clay Banton brauchte einige Zeit, um die neue, für uns beide und sicherlich jeden in diesem Raum gänzlich unerwartete Situation richtig zu erfassen. Der schwierige Patient war auf mein Erscheinen nicht vorbereitet gewesen. Entgegen meiner festen Annahme hatte er durchaus nicht sehnsüchtig auf mich gewartet. Ich weiß nicht, warum mich das spontan so sehr kränkte, was zweifellos unangebracht war. Reglos starrte ich ihn an. Unsere Blicke hefteten sich automatisch aneinander. Seine tiefgründigen, leuchtend grün-braunen Augen verrieten mir seine nur behutsam abklingende, allerhöchste sexuelle Erregung. Der mehr als nichtsahnende Doktor Siamak Tourani war komplett erstarrt. Völlig fassungslos. Er hatte keinen blassen Schimmer, wie er auf diese seltsam bizarre Situation reagieren sollte.
Schon im nächsten Moment fing der auf der harten, kalten Erde liegende, für alle hier sichtbar durch sexuelle Betätigung erschöpfte Mann an zu lachen. „Fuck, Siamak... du hast... so ein... scheiß Timing... also echt!" kicherte Clay atemlos, „Konntest du denn nicht mal... fünf Minuten... später reinkommen... verdammt? Siamak?...nur scheiß fünf Minuten...?" Vorwurfsvoll blinzelte Clay mich an und verdrehte empört die Augen. Verzog in gespieltem Entsetzen das Gesicht. Zog alberne Grimassen. Und kicherte glucksend dabei. Der verrückte Typ lachte wie ein Irrer. Mein ausgelassener Patient lachte, als gäbe es im Moment nichts Lustigeres auf der Welt als die momentane Situation, als die delikate Tatsache, dass ich ihn gerade eben um ein Haar beim heftigen Orgasmus erwischt hatte. Herr Bantons lautstarkes Amüsement war so umfassend wie alle seine plötzlich hervorbrechenden Emotionen. Die für ihn überaus beschämende Lage, in der Clay sich fraglos als Mann gerade befand, schien ihm nicht das Geringste auszumachen. Die bedenkliche Wahrheit, dass Professor Maiwald und ich ihn beim selbst oder möglicherweise sogar mit Eliza Lasers Hilfe herbeigeführten sexuellen Höhepunkt ertappt hatten, war dem Patienten Banton nicht peinlich. Nicht mal ansatzweise.
Ratlos glotzte ich ihn an. Der Doktor war versteinert. Noch niemals hatte er sich hilfloser gefühlt. Aufgedreht wand Clay seinen verletzten, attraktiven Leib auf den harten, kalten Fliesen herum, während seine Hände fest in seinen Schritt gepresst blieben, um seinen wahrscheinlich noch halbwegs erigierten Penis zu schützen. Vielleicht wollte er ihn auch nur vor mir verstecken. Clay hatte sich, unachtsam, wie er nun mal war, die Nadel mit der Infusion aus dem Arm gerissen. Aus dem Einstich in seiner Armbeuge lief ein dünnes Rinnsal Blut, was er nicht mal zu bemerken schien. Der Infusionsständer lag umgekippt neben dem Bett, die Infusionsflasche war leer. Zum Glück war nur sehr wenig des flüssigen Medikamentes auf dem Boden ausgelaufen, also war die Flasche auch schon vor dem Herausreißen so gut wie leer gewesen. Es befriedigte mich, dass sich der Inhalt der Flasche sicher fast vollständig in Clay Bantons Blutbahn befand. Das starke Medikament zeigte seine von mir erwünschte Wirkung. Augenscheinlich ging es meinem Patienten wieder richtig gut. Clay ging es mittlerweile sogar sehr viel besser, als ich erwartet hatte. Überraschenderweise schien er seine vorherige Depression überwunden zu haben. Der erstaunliche Mann hatte die quälenden Ereignisse der vergangenen Tage und letzten Nacht, die einsam gefesselten Stunden in diesem Raum und seinen schmerzhaften Heroinentzug unterdessen einfach hinter sich gelassen.
Zumindest fand der seltsame Kerl diese unvorhergesehene Situation so lustig, um sich darüber kaputtlachen zu können, was für mich überhaupt nicht nachvollziehbar war. Wohl niemand in diesem Krankenzimmer außer ihm konnte seine Belustigung verstehen. Zwar fühlte ich mich erleichtert, weil Clay keinen Selbstmordversuch unternommen hatte, und irgendwie freute es mich auch, dass er stattdessen so ungewöhnlich fröhlich war. Aber diese ganze derzeitige Konstellation war so absurd und unerwartet, dass ich damit nicht so leicht umgehen konnte. Am meisten Sorgen machte mir die zu erwartende, verständnislose Reaktion des Oberarztes, der sich nur in meiner Begleitung befand, weil ich ihn drängend darum gebeten hatte. Inbrünstig hatte ich mich bei Professor Fabian Maiwald darüber beschwert, wie schrecklich verantwortungslos, gleichgültig und miserabel der in der letzten Nacht von mir eingewiesene Patient Banton auf seiner Station behandelt worden war, und wie überaus elend es dem hilflosen Patienten jetzt ging, allein durch die Schuld des Pflegepersonals der Psychiatrie. Aber in diesen für ihn ausschlaggebenden ersten Minuten des Zusammentreffens zeigte sich dem ohnehin schon sehr skeptischen Professor leider ein gänzlich anderes Bild von Clay Banton. Fabian sah lediglich einen halbnackten, sich auf dem gefliesten Boden herumwälzenden, übermütig lachenden Mann, der offensichtlich sehr kurz zuvor einen Orgasmus gehabt hatte. Dieser angeblich bedenklich leidende und depressive Patient war unübersehbar in ausgelassener und fröhlicher Stimmung. Auch körperlich schien der junge Mann fraglos in ausreichend gesunder Verfassung zu sein. Nichts von dem, wovon ich dem Professor empört und vorwurfsvoll berichtet hatte, war in diesem Raum zu finden.
Der erstarrte Doktor Siamak Tourani hatte keine Ahnung, wie er dem Verantwortlichen der geschlossenen Psychiatrie diesen Gegensatz erklären sollte. Clays derzeitig offenbar höchst zufriedener, richtig alberner Zustand strafte alle meine Beschwerden und Ausführungen dem Professor gegenüber Lügen. Der Anblick, der sich uns bot, machte meine energisch geäußerte Besorgnis und Anklage lächerlich. Das war für mich schwer zu verkraften. Noch nie war ich dermaßen gedemütigt worden. Ich fühlte mich hilflos, war total vor den Kopf geschlagen.
Reglos betrachtete ich die seltsame Szenerie. Neben dem Patienten Clay Banton befand sich auch noch die uniformierte Krankenschwester Eliza Laser im Zimmer. Die junge Frau hatte sich bei unserem Eintreten in wilder Hast von dem Mann gelöst und stand nun zwei Meter entfernt von ihm mitten im Raum. Sie sah aus, als hätte sie sich liebend gerne unsichtbar gemacht. Eliza war die einzige, der diese befremdliche Situation offensichtlich mehr als peinlich war. Hilflos, mit hochrotem Kopf stand sie in ihrer Schwesterntracht dort und wich unbehaglich meinem forschenden Blick aus. Ich fragte mich ernsthaft, warum sie ihren Exfreund nicht von seinem ungebührlichen Vorhaben abgehalten, sondern ihn im Gegenteil sogar in irgendeiner Form dabei unterstützt hatte. Immerhin befand Schwester Laser sich auf ihrer Arbeitsstelle, wo sexuelles Verhalten ohne Frage und aus gutem Grund nicht in Ordnung war. Für jeden im Raum unübersehbar war die weit verstreute Lache aus feuchtem, weißem Ejakulat, die sich einige Zentimeter entfernt von Clays nackten Füßen auf dem gefliesten Boden befand. Ganz offensichtlich war die frisch verspritzte Körperflüssigkeit das Ergebnis von Clay Bantons nur Sekunden zuvor stattgefundenem sexuellem Höhepunkt. Und zweifellos hatte Eliza dabei irgendeine Rolle gespielt.
Entsetzt schloss ich für einen Moment die Augen. Siamak brauchte Zeit, um sich innerlich zu sammeln. Um so schnell wie möglich herauszufinden, wie er jetzt am besten weiter vorgehen sollte. Mir war nur allzu bewusst, wie unglaublich verrückt, ja krank diese Szenerie auf den völlig ahnungslosen Professor Maiwald wirken musste. Fabian kannte Clay noch nicht. Er war dem ungewöhnlichen Mann nie begegnet und deshalb mit Sicherheit noch sehr viel überraschter und fassungsloser als ich. Hastig zwang ich mich dazu, mir meinen unweigerlichen Schrecken nicht anmerken zu lassen. Langsam öffnete ich die Augen und wandte mich Fabian zu. Der Professor trat neben mich. Sein fachlich sehr gut geschulter und erfahrener Blick wanderte einmal prüfend durch den ganzen Raum und blieb dann höchst interessiert an Clay Banton hängen. Der unfreiwillige Psychiatriepatient lag unverändert mit heruntergelassenen Hosen auf dem Boden und amüsierte sich prächtig. Nichts von dem hier war ihm irgendwie peinlich oder auch nur unangenehm. Das wunderte mich eigentlich nicht, weil es absolut typisch für ihn war. Seine eigene Sexualität hatte Clay ja noch nie beschämt. Atemlos kichernd schaute der unvernünftige Kerl mich unentwegt an, rutschte über die Fliesen und zog zweideutige Grimassen. In jeder anderen Situation hätte ich wohl darüber lachen können. Ich hätte mich über seine närrische Ausgelassenheit gefreut. Aber dies hier war einfach viel zu wichtig, um es zu veralbern. Für ihn genauso wie für mich. Es war seine erste Begegnung mit Professor Maiwald, von der seine ganze Zukunft abhing. Leider war Clay das offenkundig nicht mal annähernd bewusst.
Allerdings starb sein Gelächter in dem Moment, als er endlich mit zeitlicher Verzögerung den Oberarzt registrierte, der neben mir stand. Der Ausgelassene riss erschrocken die Augen auf, zuckte zusammen und kroch spontan verstört rückwärts von Fabian und mir weg. Dabei bemühte er sich instinktiv, seine Jogginghose heraufzuziehen, die sich noch immer in Höhe seiner Knöchel befand. Weil er aber gleichzeitig mit einer Hand seine Geschlechtsorgane verdeckte, hatte er bei seinen verrenkenden Bemühungen nur mäßigen Erfolg. Hektisch zerrte Clay am Bund der Hose, um sich schnellstmöglich wieder anzuziehen. Im Liegen und mit nur einer Hand gestaltete sich dieses Vorhaben jedoch schwierig.
Fabian Maiwald stand bewegungslos neben mir und sondierte eine Weile schweigend die sonderbare Lage. Falls der Professor überrascht oder gar fassungslos war, so ließ er sich zumindest nichts davon anmerken. „Guten Morgen, Herr Banton. Ich bin Professor Maiwald, der diensthabende Oberarzt dieser Station", stellte er sich schließlich mit ruhiger Stimme vor, wobei er seinen nun sichtbar entsetzten Patienten nicht aus den Augen ließ. Clay reagierte nicht, rutschte nur rückwärts über die Bodenkacheln, bis die Wand in seinem Rücken seiner offenbar panischen Flucht ein abruptes Ende machte. Der arme Kerl stieß sich nochmal ziemlich heftig den Kopf, diesmal an der Mauer. Hektisch zerrte er sich die Jogginghose herauf, was ihm letztendlich auch gelang. Schließlich saß er mit schützend angezogenen Beinen an die Wand gelehnt auf dem Boden, nur mit der Hose und dem schwarzen Unterhemd bekleidet. Mit konzentriert aufgerissenen Augen fixierte er alarmiert den Professor, als würde von dem fremden Mann eine für ihn nicht einschätzbare Gefahr ausgehen. Hat er das denn wahrhaftig schon vergessen, fragte ich mich irritiert, dass ich ihn vorhin doch nur verlassen musste, um den verantwortlichen Oberarzt hierher zu holen? Weiß er das denn nicht, dass ich ihn nur allein gelassen habe, damit sich endlich ausführlich um ihn gekümmert wird? Clay Bantons verwirrte und panische Reaktion auf Professor Fabian Maiwald bestätigte meine Befürchtung, dass wohl keine einzige meiner ausführlichen Erklärungen bei dem Kranken angekommen war, als ich ihn vor über einer Stunde in diesem Raum allein gelassen hatte. Plötzlich war ich heilfroh, dass wenigstens Eliza Laser in der Zwischenzeit auf meinen schwierigen Patienten aufgepasst hatte. Wer weiß, was Clay in seiner Unvernunft sonst noch eingefallen wäre, überlegte ich mit einem Grausen. Womöglich hätte er tatsächlich versucht sich zu erhängen.
Fabian ignorierte die sichtbar eingeschüchterte Krankenschwester vorerst. Seine ganze Aufmerksamkeit lag auf seinem neuen Patienten, von dem ich felsenfest behauptet hatte, dass er jemand Besonderes wäre. „Wissen Sie, wo Sie hier sind?" fragte Professor Maiwald den paralysierten Drogenabhängigen sanft. Sein geschultes Lächeln war berechnend und sollte zweifellos beruhigend wirken. Wohlweislich ging der erfahrene Arzt nicht näher an Clay heran, sondern blieb auf seinem Platz neben mir stehen. Ich verstand, dass der Diensthabende als erstes Bantons derzeitigen psychischen und geistigen Zustand überprüfen wollte. „Christopherus-Krankenhaus", krächzte Clay irritiert und hustete nervös. Fahrig fuhr er mit seinen Händen an seinen Schienbeinen entlang. Fabian nickte bedächtig. „Haben Sie gerade masturbiert, Herr Banton?" erkundigte er sich ruhig. Seiner Stimme fehlte jeder Vorwurf. Sein Blick streifte kurz das Ejakulat auf dem Fußboden und heftete sich dann erneut auf Clay. Der Patient kniff misstrauisch die Augen zusammen. Seine Arme legten sich schützend um seine Knie. „Nein", behauptete er dreist. Professor Maiwald studierte jede seiner kleinsten Regungen, und das schien Clay nervös zu machen. Hilfesuchend huschte sein Blick zu Eliza hin, die es jedoch auffällig vermied ihn anzusehen.
Stattdessen straffte die Krankenschwester kurzentschlossen ihren Rücken. „Ähm... meine Frühstückspause ist jetzt zu Ende. Ich muss zurück an meine Arbeit gehen", informierte sie uns mit einem entschuldigenden Lächeln. Bemüht langsam bewegte sie sich auf die Tür zu, blieb aber wieder stehen, als Fabian sie ansprach. „Wer sind Sie? Was machen Sie hier?" fragte er Eliza geradeheraus. „Das ist Schwester Laser. Sie ist schon lange mit Clay bekannt, daher hatte ich sie gebeten, in ihrer Pause nach dem Patienten zu sehen", erklärte ich dem Professor schnell, woraufhin Eliza mich dankbar ansah. Fabian nickte verstehend. „Dann können Sie uns doch sicher erklären, was sich hier gerade abgespielt hat", meinte er zu der Krankenschwester, die entsetzt in sich zusammenschrumpfte. „Nein... ich... weiß auch nicht...", stotterte Eliza überfordert. Einen Moment herrschte bleierne Stille im Raum. Dann meldete sich Clay zu Wort. „Hier ist gar nichts passiert!" betonte er hörbar genervt. Es ehrte ihn, dass er seiner Exfreundin beistehen wollte. Aber Eliza schloss nur für einige Sekunden hilflos die Augen. Sie ahnte, dass sie so leicht nicht aus dieser Situation herauskommen würde.
Fabian wandte sich abermals an Clay. „Wie erklären Sie sich dann das hier, Herr Banton?" lächelte er behutsam und deutete auf die eindeutig sexuellen Hinterlassenschaften auf dem Fußboden. „Sie können nicht abstreiten, dass es sich hierbei um frische Samenflüssigkeit handelt. Nun, sie waren bis gerade eben der einzige Mann in diesem Raum. Und warum hätten Sie es lieber gehabt, dass Doktor Tourani fünf Minuten später hereinkommt?" fuhr er mit ruhiger Stimme fort. Interessiert wartete er auf die Antwort des Patienten. Clay verdrehte verärgert die Augen. „Mann, damit hat Eliza doch gar nichts zu tun! Ich... stand nur so da, und dann ist mir halt einer abgegangen, und ich dachte, das braucht Siamak jetzt nicht zu sehen", erklärte er uns ungeduldig fauchend. Spontan musste ich mir ein Lachen verkneifen, weil Clay diesen Unsinn so rührend ernsthaft behauptete. Seine schönen Augen durchbohrten jetzt kampfbereit den Professor. Fabian erwiderte den tödlichen Blick wachsam, verzog dabei aber keine Miene. „Welchen konkreten Grund gab es denn für Sie, einen Orgasmus zu haben?" fragte er gelassen weiter, „Das passiert normalerweise nicht einfach nur so, ohne jeden Anlass." „Weil Eliza in ihrer Uniform so verdammt geil aussieht!" knurrte Clay aus dem Stegreif aufgebracht, „Und dafür kann sie überhaupt nichts!"
Belustigt biss ich mir auf die Lippen und bemerkte, dass Eliza ebenfalls Mühe hatte, um nicht laut aufzulachen. Clays wütend vorgebrachte Erklärungen waren aber auch wirklich zu amüsant. In dieser ganzen unvorstellbaren Katastrophe schaffte der schwierige Patient es wahrhaftig mich zu amüsieren und nahm mir damit unbemerkt einen Teil meiner riesigen Besorgnis. Allerdings fand Clay die intime Befragung durch den wissbegierigen Professor überhaupt nicht lustig. Und auch seine Antworten waren nicht witzig gemeint. Sie waren sein voller Ernst. Herr Banton fühlte sich grundlos angegriffen und kämpfte spürbar mit seiner kontinuierlich ansteigenden Wut. Das entging auch Fabian Maiwald nicht. „Ach so, Herr Banton, jetzt verstehe ich das", erwiderte er und guckte mich vielsagend an. Der junge Professor war in Formen der Deeskalation hervorragend geschult. Ihm war völlig klar, dass er Clay nicht länger provozieren durfte. Die Reaktionen seines Patienten waren für den erfahrenen Psychologen keine Überraschung.
„Ich muss jetzt wirklich dringend zurück zur Arbeit", meldete sich Eliza scheu. Ungeduldig machte die Krankenschwester einen weiteren Schritt Richtung Tür. Offenbar wollte sie sich dieser noch immer unangenehmen Situation so schnell wie möglich entziehen. Der Professor schaute sie an und nickte. „Ja, ist gut, Schwester Laser. Selbstverständlich können Sie zurück auf ihre Station gehen", erlaubte er zustimmend. Sichtbar erleichtert verließ Eliza geradewegs den Ort des seltsamen Geschehens, ohne Clay oder mir noch einen Blick zuzuwerfen. Lasers übereilter Weggang war eindeutig eine Flucht. Die Pflegerin fürchtete irgendwas. Irritiert fragte ich mich, ob die junge Frau ihrem Exfreund in diesem Raum wahrhaftig einen runtergeholt hatte. Bei meinem Eintritt hatte es tatsächlich kurz so ausgesehen, als würde sie ihn mit der Hand befriedigen, während sie dicht hinter ihm gestanden und ihn mit einem Arm gestützt hatte. Ganz sicher war ich mir aber nicht, was genau ich beim Hereinkommen gesehen hatte. Denn es war ebenso möglich, dass Eliza Clay lediglich bei seiner Selbstbefriedigung Halt gegeben hatte, weil er allein nicht sicher und stabil stehen konnte. Fassungslos grübelte ich darüber nach, was die examinierte Krankenschwester wohl dazu bewegt hatte, den verwirrten Patienten bei seinen eigentümlich sexuellen Ambitionen auch noch zu unterstützen. So ein Verhalten war in einem Krankenhaus dermaßen unangebracht, dass ich es beim besten Willen nicht gutheißen konnte.
Das einzige, was mir an dieser ganzen unseligen Geschichte positiv auffiel, war, dass Herr Banton zwischenzeitlich erstaunlich lebendig geworden war. Seine faszinierend grün-braunen Augen glänzten befriedigt. Er war längst nicht mehr so apathisch und blass wie noch vor einer Stunde. Der kranke, depressive, schwer verletzte und mannigfach geschlagene junge Mann war mittlerweile hellwach geworden. Höchstwahrscheinlich hing das mit seinem kurz zuvor erlebten Orgasmus zusammen, konnte seine zweifelhafte Tat in meinen Augen aber trotzdem nicht rechtfertigen. Der nasse Samenerguss auf dem gekachelten Fußboden machte einfach auf Professor Maiwald einen denkbar schlechten Eindruck und blamierte mich gleichzeitig auf eine Art, mit der ich nicht gut umgehen konnte. Selbstverständlich musste mein studierter Kollege deswegen an Bantons psychischem Zustand zweifeln. Und meine wiederholten Beteuerungen, wie besonders dieser eine Patient wäre, wurden dadurch lächerlich gemacht. Zur Zeit war Clay aufgrund dieser unvorhergesehenen Ereignisse für Fabian lediglich ein ziemlich kranker Mann, der seine sexuellen Bedürfnisse nicht im Griff hatte. Das war mir sonnenklar. Es ärgerte mich mehr, als ich mir eingestehen wollte, dass Herr Banton mit seinem unüberlegten und unakzeptablen Verhalten gegen meine Bemühungen, ihm bestmöglich zu helfen, förmlich ankämpfte. Auch wenn der dumme, große Junge das sicherlich unbewusst tat. Das verwirrte Kind in ihm wusste es einfach nicht besser. Für einen Moment fragte ich mich verbittert, ob das alles hier nicht vielleicht ein riesiger Fehler von mir war. Ob die Energie, die ich in Clay Banton und seine Rettung steckte, nicht womöglich völlig vergebens war.
Ratlos stand ich neben dem Oberarzt der geschlossenen Station, dessen prüfende Augen interessiert auf dem Patienten lagen. Unglücklich betrachtete ich den jungen Mann auf dem Boden. Clay erwiderte unsere Blicke. Noch immer schien unser unverhülltes Interesse ihn zunehmend nervös zu machen. Sein Atem ging schnell, sein Brustkorb hob und senkte sich heftig. Sein verletzter Körper bewegte sich unbehaglich auf den harten, kalten Fliesen, die Hände fuhren ziellos über seine Unterschenkel. Das bedeutsame Schweigen im Raum machte dem Patienten zu schaffen. „Es tut mir leid...", stieß er plötzlich hilflos hervor, „Ich... wollte mit meiner Wichse nicht alles total vollsauen..." Unwillkürlich wurde mir vor Rührung ganz warm, aber der Professor ließ keine Gefühlsregung erkennen, falls er eine hatte. „Finden Sie es bedenkenlos, sich selbst willentlich im Krankenhaus einen Orgasmus herbeizuführen?" forschte er nur sanft nach. Clay stöhnte gestresst und zeigte ihm fauchend seine weißen, ebenmäßigen Zähne. „Ja nun... das kam... ich... hatte halt hier drin... nix Besseres zu tun...", stotterte er widerstrebend. Offenbar ging es ihm extrem auf die Nerven, dass der Professor sich so lange und ausführlich mit seinem Sperma beschäftigte. Auch das Fabian und ich ihn gemeinschaftlich aufmerksam fixiert hielten, gefiel ihm überhaupt nicht. Stöhnend wich er unseren prüfenden Blicken aus und hielt sich den Kopf fest, als würde er ihm wehtun. Aber Clay Banton hatte inzwischen keinerlei Schmerzen mehr, dessen war ich mir sicher. Der heroinsüchtige Patient hatte fast die gesamte Infusion erhalten, und das schloss sämtliches Schmerzempfinden für ihn nahezu aus.
„Also haben Sie doch masturbiert, Herr Banton?" fragte der Professor und lächelte sachte, weil Clay das ja bei seiner ersten Frage abgestritten hatte. „Nein, verdammt!" blieb der Bockige auch diesmal bei seiner frechen Behauptung, was der Oberarzt lächelnd zur Kenntnis nahm. „Hat Schwester Laser sie befriedigt?" interessierte ihn anscheinend brennend. Clay riss empört die Augen auf und schüttelte entsetzt den Kopf. „Nein!" schrie er beinahe, „Sie hat doch nicht... Liz hat damit nichts zu tun!... Eliza hat... gar nichts gemacht!" Sein panischer Blick irrte hektisch durch den Raum zu der Stelle, an der seine Exfreundin vor einer Minute noch gestanden hatte. Er seufzte gequält, weil dieser Platz nun leer war. Eliza Laser war nicht mehr anwesend, und offenbar vermisste Clay die Frau jetzt schon. Es war rührend zu erleben, wie er seine ehemalige Geliebte beschützen wollte. Wie wichtig es ihm war, dass Eliza keine Schwierigkeiten bekam.
Ich hatte das Gefühl, dringend das Thema wechseln zu müssen. Sonst würde Clay womöglich bald richtig aggressiv werden. „Du hast dir die Infusion herausgerissen, Clay", warf ich ihm vor, weil mich seine Unachtsamkeit wirklich ärgerte. Obwohl mein Vorwurf sicher nicht zu Bantons Beruhigung beitragen konnte. Sein Blick wanderte zu dem umgekippten Ständer, wo er sich eine Weile das zum Glück nur wenig ausgelaufene, durchsichtige Medikament ansah. Im nächsten Moment schaute er abrupt zu mir. Seine dunklen Augen waren verengte Schlitze. „Das muss in dem Moment passiert sein, als ich gerade abgespritzt habe, Siamak", informierte er mich bewusst provozierend. Seine offene Feindseligkeit tat mir weh. Ich riss mir hier sämtliche Beine für diesen fremden Kerl aus, hatte wie ein Blöder auf den Professor eingeredet, damit er mich so schnell wie möglich zu dem besonderen Patienten begleitete, und als Dank erhielt ich von Herrn Banton nur ein genervtes Fauchen und einen irre tödlichen Blick. Das habe ich nicht gemeint, als ich Eliza Laser bat, in ihrer Pause nach ihrem Exfreund zu sehen, dachte ich verbittert. Sie sollte ihm mit Sicherheit nicht beim Masturbieren helfen. Clay steht unter enormem Druck, versuchte ich gleich darauf ihn zu entschuldigen, er hat in den letzten Tagen und Stunden so viel Grausamkeiten erlebt. Sein Bedürfnis nach Befriedigung war einfach zu groß, da konnte er nicht anders. Clay meint es gar nicht böse. Ich muss nachsichtig mit ihm sein.
„Können Sie bitte mal aufstehen?" fragte Fabian Maiwald und machte einen vorsichtigen Schritt auf Clay zu, der ihn sofort alarmiert fixierte. „Keine Ahnung", seufzte der Schwerverletzte missmutig, versuchte aber mühsam, irgendwie auf die Beine zu kommen. Clay stützte sich an der Wand in seinem Rücken ab und stemmte sich ächzend hoch. Noch immer hatte er sichtbar Schwierigkeiten, seine geschwächten Muskeln zu kontrollieren. Nach einer Weile gelang es ihm jedoch, halbwegs gerade zu stehen, wobei er sich gegen die Mauer lehnte. Mit einer Hand hielt er wohlweislich den ausgeleierten Bund seiner Jogginghose fest. Sein nervöser Blick wanderte rastlos zwischen Fabian und mir hin und her. „Kann ich jetzt nach Hause?" fragte er allen Ernstes. Während ich mir erneut ein fassungsloses Lachen verkniff, blieb der Professor auch diesmal völlig unbeeindruckt. „Möchten Sie gerne nach Hause?" erkundigte er sich freundlich. Clay nickte so heftig, dass er beinahe hinfiel. „Scheiße, ja!" „Fühlen Sie sich denn dazu in der Lage, um alleine nach Hause zu gehen?" war die nächste Frage des Oberarztes, die Clay spürbar in Verlegenheit brachte. Allerdings wollte er das nicht einsehen, der beeindruckend unverdrossene Kämpfer, der er fraglos war. „Ich schaff das schon, keine Angst!" blaffte er verärgert.
Im nächsten Moment biss er sich erschrocken auf die Lippen. Besorgt schaute er mich an. Anscheinend erhoffte er sich von mir einen Hinweis, was denn jetzt eigentlich von ihm erwartet wurde. Herr Banton war mit einem Mal extrem verstört, und das berührte mich mehr, als mir gefallen konnte. Ich hatte den Eindruck, ihm wurde erst an diesem Punkt richtig klar, dass das bevorstehende Gespräch mit dem leitenden Oberarzt der geschlossenen Psychiatrie extrem wichtig für ihn und seine Zukunft war. Aber das hilflose Kind hatte keine Ahnung, wie es sich verhalten musste, um seine sofortige Entlassung aus dem Krankenhaus zu bewirken. Clay Banton war an diesem Morgen entschieden zu labil und sensibel, körperlich und psychisch zu schwer verletzt, um sich selbst ausreichend im Griff haben zu können. Alle seine heftigen Emotionen brachen daher noch stärker und ungebremster als sonst aus ihm heraus. Vielleicht ahnte er plötzlich, dass seine Unbeherrschtheit auf den Professor seltsam wirken konnte und für ihn nicht von Vorteil war.
„Hören Sie mal, das tut mir total leid", wandte er sich kurzerhand an den Oberarzt, weil ich ihm keinen Aufschluss über unsere Erwartungen geben konnte, „Ich weiß schon, dass das nicht so toll war." Vage deutete er auf die weiße, zähe Körperflüssigkeit, die er als Folge seines sexuellen Höhepunktes wahrscheinlich völlig bedenkenlos auf den Fußboden gespritzt hatte. „Aber es ging mir hier drin total beschissen... ich war so lange auf dem Bett fixiert und... total allein... und... da wollte ich eben mal kurz was Angenehmes fühlen... aber... ich hatte kein Taschentuch.... das war blöd...", gab er eine zuckersüße Erklärung ab, die typisch für ihn war. Unwillkürlich wurde mir richtig warm ums Herz. Automatisch fing ich an zu lächeln, während Fabian sich auch diesmal nichts anmerken ließ. Tief drinnen bewunderte ich meinen erfahrenen Kollegen für seine offenbar uneingeschränkte Professionalität. „Ist schon gut, Herr Banton. Machen Sie sich jetzt bitte keine Sorgen mehr darüber. Das kann ja gleich ganz leicht aufgewischt werden", beruhigte er den besorgten Patienten. „Soll ich das machen?" bot Clay hilfsbereit seine Unterstützung an, was wirklich herzallerliebst von ihm war, „Ich kann das sofort aufwischen!" Auf unsicheren Beinen machte er tatendurstig einen Schritt auf den Professor zu. Fabian wich sofort wachsam vor ihm zurück, sodass Clay irritiert stehenblieb. „Nein, nein, dafür haben wir hier genügend Personal", lehnte der Psychologe kopfschüttelnd ab, „Allerdings möchte ich Sie gerne zuerst noch ein bisschen näher kennenlernen, bevor ich Sie nach Hause entlassen kann, Herr Banton." Konzentriert erwartete der Diensthabende Clays Reaktion auf seine wichtige Ankündigung. Auch ich studierte meinen schwierigen Patienten aufmerksam. Die ganze Zeit fürchtete ich, dass Banton eventuell plötzlich die Kontrolle verlieren und aggressiv werden könnte. Es schmerzte mich unverändert, dass ihm seine eigene, mehr als kritische Lebenslage so wenig bewusst war. Der dumme Typ wollte wahrhaftig einfach nur nach Hause gehen, als wäre in der vergangenen Nacht gar nichts mit ihm passiert. Dabei war doch mit seiner sensiblen Psyche zweifelsfrei etwas absolut Besorgniserregendes geschehen, was ich in dieser Form noch nie vorher erlebt hatte. Clay Banton hatte sich vollständig in seinen eigenen dunklen Dämonen verloren. Dafür musste es gravierende Gründe geben, die auf keinen Fall noch länger ignoriert bleiben durften.
Aufmerksam schaute ich ihn an und versuchte, ihm mit meinem Blick die Dringlichkeit dieser Aussprache mit dem Facharzt deutlich zu machen. Aber Clay Banton wich so ängstlich zurück, als hätte der Professor ihn angegriffen. „Nein... das ist... ich... weiß gar nicht... warum denn nur?...", stammelte er verwirrt. Abermals biss er sich verstört auf die Lippen. Offenbar wollte er nichts Falsches sagen. Sein Blick huschte nochmal hilfesuchend zu mir. Vielleicht erinnerte er sich daran, was ich ihm über dieses Gespräch nahegelegt hatte. Wahrscheinlich tat er das nicht, musste ich seufzend einsehen, als ich seinen völlig ratlosen Blick auffing. Clay Banton war an diesem Dienstag Morgen ein trauriger Anblick mit seinen rot verheulten Augen, den verstrubbelten Haaren, den nackten Füßen, der alten Jogginghose und dem durchgeschwitzten, schwarzen Unterhemd. Die eng gestochene Naht an seinem linken Oberarm, der momentan von der Hose verdeckte, von mir zweimal sorgfältig zusammengenähte, lange und tiefe Schnitt am rechten Oberschenkel, die heilenden Blessuren in seinem zarten Gesicht und an seinen feingliedrigen Händen, die dunkelroten Striemen am Hals und den Handgelenken und die Bisswunden an Hals und Schulter verrieten seine mannigfachen körperlichen Verletzungen. Innerlich war dieser Mensch jedoch noch sehr viel schlimmer verletzt worden, das stand für mich außer Frage. Clay Bantons empfindsame Seele hatte im Laufe seines bisher doch erst kurzen Lebens schon unvorstellbar großen Schaden genommen. Seine seelischen Wunden waren allerdings nicht auf den ersten Blick erkennbar. Sie mussten sorgfältig und behutsam aufgespürt werden, um sie heilen zu können. Eine andere Chance gab es für ihn nicht. Das machte mich traurig. Weil ich ahnte, dass Clay womöglich nicht bereit oder dazu in der Lage war, um sich von Fabian und mir auf diese langwierige Art helfen zu lassen.
„Wissen Sie, warum Doktor Tourani mich hierher zu Ihnen geholt hat?" fragte Fabian sanft, während er den Patienten unentwegt interessiert im Auge behielt. Als Clay verstört den Kopf schüttelte, setzte er hinzu: „Können Sie sich vielleicht einen Grund dafür denken?" Clays konfuser Blick huschte sofort wieder hilfesuchend zu mir. Mein schwieriger Patient versuchte vielleicht verstärkt sich zu entsinnen, was ich ihm bei meinem Weggang vor mehr als einer Stunde erklärt hatte. Aber schnell wurde deutlich, dass er den Sinn dieser Unterredung mit Professor Maiwald keineswegs verstanden hatte. Ratlos schaute Banton mich an. Dann atmete er tief ein. „Ich will sofort entlassen werden", antwortete er energisch und schnappte vor Aufregung nach Luft. „Ich bin doch wieder total klar im Kopf!" betonte er mit unverkennbarer Auflehnung. Seine schöne Stimme klang aggressiv und ungeduldig. Innerlich stöhnte ich auf, weil er mit diesem Hinweis seine Lage nun wirklich nicht verbesserte. Fabian nickte bedächtig. „Waren Sie denn vorher nicht klar im Kopf, Herr Banton?" tastete er sich vorsichtig an das Kernproblem heran.
Clay zuckte schockiert zusammen. Höchst alarmiert starrte er den Oberarzt an. Vor Nervosität fing der Patient damit an, unbehaglich auf der Stelle zu treten. Seine Finger krallten sich in den weichen Stoff seiner Jogginghose. Der arme Kerl wirkte wie ein plötzlich gefangenes, hilfloses Tier, das in eine unerwartete Falle geraten war und keinen Ausweg mehr fand. Sein derangierter Blick irrte haltlos durch den gekachelten Raum. Panisch sah er zur Tür hin. Mein Patient zog ernsthaft in Erwägung, augenblicklich vor Fabian und mir davonzulaufen. In diesem Moment hätte ich jede Wette darauf abgeschlossen. Schließlich hatte Herr Banton sich bei mir in der Notaufnahme ähnlich verhalten. Jedes Mal wollte er während meiner Behandlungen irgendwann weglaufen, erinnerte ich mich betrübt. Allerdings gab es aus dem Keller der Psychiatrie auch für ihn keine einfache Flucht mehr. Alle Türen zu dieser Abteilung des Christopherus-Krankenhauses waren aus genau diesem Grund mehrfach verschlossen worden. Naiv hoffte ich, dass Clay das bewusst war, sodass er im Beisein des Professors erst gar keinen Fluchtversuch unternehmen würde. Aber je länger ich ihn anblickte, umso deutlicher wurde mir, dass Bantons Gehirn so nicht funktionierte. Er würde trotzdem versuchen wegzulaufen. Einfach deshalb, weil der Mann vollkommen impulsiv agierte und niemals soweit vorausdachte. Dieser sonderbare Mensch lebte wahrhaftig einzig und allein von einer Minute zur nächsten.
Und im Moment fühlte er sich extrem bedroht. Ich vermute, dass er nicht daran erinnert werden wollte, dass er sehr wohl alles andere als klar im Kopf gewesen war. Und schon gar nicht wollte Clay darüber sprechen. Das betrübte mich unendlich, weil es seine Behandlung enorm erschwerte. Mit der Zeit wurde immer offensichtlicher, dass der Patient dem Professor keine Antwort geben wollte oder konnte. Stattdessen stieg nur seine spürbare Panik an, sodass er gefährlich nahe an einen Punkt kam, an dem er womöglich die Kontrolle über sich verlieren würde. Fabian Maiwald studierte diese aussagekräftige Reaktion höchst interessiert. Doktor Tourani hingegen wurde parallel zu seinem schwierigen Patienten nervös, weil er nicht wollte, dass der etwas komplett Unüberlegtes tat. Diese Situation war brenzlig, denn Clay war kurz davor, entgegen jeglicher Vernunft seine geschwächten Beine in die Hand zu nehmen und das Zimmer überstürzt zu verlassen. Auch wenn mir klar war, dass Herr Banton sowieso nicht weit kommen würde, so wollte ich ihm und mir diese Demütigung auf jeden Fall ersparen.
Letztendlich hielt ich das mega angespannte Schweigen nicht mehr aus. „Du, Clay, ich habe dir ein paar andere Sachen zum Anziehen besorgt. Du willst doch bestimmt gerne aus der verschwitzten Kleidung heraus, oder?" sprach ich ihn betont besänftigend an, als mir die Ungewissheit zu bedrohlich wurde. Fabian schaute mich verblüfft von der Seite an. Aber meine Aufmerksamkeit lag ausschließlich auf Clay. Es wärmte mir das Herz zu erleben, wie augenblicklich der hilflose Mann all seine derangierten Hoffnungen auf meine Person fokussierte. „Echt? Du hast frische Klamotten für mich? Siamak?" keuchte er aufgeregt. Zweifellos war der Verwirrte enorm dankbar, dass ich das für ihn so unangenehme Thema gewechselt hatte. Unverzüglich machte er einen weiten Schritt nach vorne, weil er mir näherkommen wollte. Allerdings waren seine Muskeln unverändert geschwächt, sodass Clay ins Taumeln geriet und instinktiv hilfesuchend die Arme nach mir ausstreckte. Siamak überlegte nur einen Augenblick. Zögerte kurz. Fünf Sekunden später eilte ich kurzerhand auf meinen schwierigen Patienten zu und fasste ihn stützend am unverletzten Oberarm, damit er nicht auf den Boden stürzte. Clay wollte sich mir natürlich noch weiter nähern, was mich nicht überraschte. Der Panische wollte mich intuitiv Schutz und Zuwendung suchend umarmen, aber ich wich ihm bewusst aus, indem ich mich ein paarmal unmissverständlich von ihm wegdrehte, bis er seine völlig unangebrachten Annäherungsversuche zum Glück aufgab.
„Lass uns doch jetzt bitte in dein Büro gehen, Fabian. Dort besprechen wir mit Clay dann alles Weitere, okay?" wandte ich mich fast flehend an den Professor, der unseren sonderbaren Tanz verwundert beobachtet hatte. Mir war klar, wie merkwürdig mein Arbeitskollege es finden musste, dass dieser fremde Patient dermaßen vertraulich mit mir umging. Mein Blick beschwor ihn jedoch, in Clays Gegenwart bitte nicht darauf einzugehen. Glücklicherweise deutete der erfahrene Arzt mein stummes Flehen richtig. „Gut, ich bin einverstanden", gab er mir zu verstehen, wandte sich herum, machte ein paar Schritte und öffnete die Tür zum Kellerverlies, das ich plötzlich so schnell wie möglich verlassen wollte. Dieser hellgrün gekachelte, fensterlose Raum mit dem uralten Schrank und dem rostigen Bett mit der befestigten Fixierung war dermaßen deprimierend, dass ich es nicht länger in der sterilen, bedrohlichen Atmosphäre aushielt. Wie hat Clay das nur so lange allein hier drin ertragen können, dachte ich voller Mitgefühl. Es ist ein Verbrechen, dass die Psychiatrie ihm eiskalt und völlig gewissenlos keine Wahl gelassen hat.
Der junge Patient befand sich dicht neben mir, berührte mich jedoch nicht, als ich ihn am muskulösen Oberarm gestützt aus dem Zimmer geleitete. Clay hatte meine Hilfe nötig, denn sein Gang war unverändert unsicher, beinahe taumelnd. Ganz offensichtlich hatte der Mann seine Muskeln noch nicht vollständig unter Kontrolle. Er war dermaßen geschwächt, dass er ohne meine Hilfe nicht laufen konnte, und das machte mir Sorgen. Eigentlich hätte ihn die Infusion noch viel mehr kräftigen müssen, dachte ich traurig und warf einen Blick auf Clays rechte Armbeuge, von dessen Einstich das dunkelrote Blut in einem dünnen Rinnsal hinabgelaufen und dann getrocknet war. Clay bemerkte meinen Blick. „Tut mir leid mit der Infusion, Siamak... ich... hab das nicht extra gemacht...", entschuldigte er sich ein weiteres Mal. Seine Augen flehten um Vergebung, was mich tief berührte. „Ist schon gut, Clay", beruhigte ich ihn sanft und lächelte aufmunternd. Er erwiderte mein Lächeln nicht, denn seine Panik davor, was nun womöglich Unerfreuliches auf ihn zukommen würde, war schlicht zu groß. Zu gerne hätte ich ihm Mut zugesprochen. Aber der Professor lief an meiner anderen Seite, und ich wollte vor ihm nicht länger vertraulich mit Clay sprechen. Mein Arbeitskollege sollte sich nicht ausgeschlossen fühlen, denn das hätte ihn sicherlich verärgert und vielleicht sogar gegen Clay aufgebracht. Obwohl ich Fabian Maiwald eigentlich professionell genug erlebt hatte, um weit über solchen Dingen zu stehen, hatte ich dennoch Bedenken. Doktor Siamak Tourani fühlte sich ungewohnt verunsichert, denn er konnte trotz all seiner Erfahrungen mit verschiedenen Patienten nicht abschätzen, was in Professor Maiwalds Büro konkret passieren würde. Bantons Reaktionen und Antworten auf Fabians mögliche Fragen waren einfach vollkommen unvorhersehbar. Mit ganzer Seele hoffte ich, dass es Fabian und mir gemeinschaftlich irgendwie gelingen würde, den Uneinsichtigen von der dringenden Notwenigkeit seiner stationären Psychotherapie zu überzeugen.
Aufgrund von Clays körperlicher Schwäche und seinen daraus resultierenden stolpernden Schritten kamen wir nur sehr langsam voran, als wir uns zu dritt durch die Gänge der geschlossenen Psychiatrie bewegten. Erst, nachdem wir mühevoll die Treppe erklommen hatten, begegneten uns einige Pfleger, Krankenschwestern und auch andere Patienten, die uns allesamt erstaunt hinterherschauten. Aber keiner von uns beachtete das allgemeine Interesse, was unsere merkwürdige Erscheinung verursachte. Besonders Clay in seiner Aufmachung verursachte einiges an Geflüster und Gekicher, was er jedoch vollständig ignorierte. Der Weg durch die Station schien mir unendlich lang zu sein.
Endlich kamen wir doch noch an Professor Maiwalds Büro an. Der Arzt schloss die Tür auf und ließ Clay und mich eintreten. Ich hatte meine Tasche mit der frischen Kleidung für Clay hier deponiert, ohne dem Professor etwas über den Inhalt der Tasche zu erzählen. Ich geleitete den geschwächten Patienten geradewegs zu der grauen Couch in Maiwalds Büro, auf die er sich mit einem gequälten Stöhnen fallen ließ. Das lange Laufen hatte den jungen Mann enorm angestrengt. Er rang tatsächlich nach Luft und zitterte am ganzen Körper, was mir insgeheim Kummer bereitete. Ich konnte mir Clays körperliche Schwäche gar nicht mehr so recht erklären.
Fabian schloss die Tür und ließ sich an seinem Schreibtisch nieder, wo er geschäftig einige Papiere durchsah. Ich nahm an, dass es sich dabei um Clay Bantons Krankenakte handelte. Der Professor würde wohl noch ein wenig beschäftigt sein. Also nahm ich die Tasche vom Boden auf und reichte sie Clay. „Wenn du möchtest, dann kannst du dich gleich hier umziehen, Clay. Falls dir das lieber ist, dann können wir aber dazu auch eben in einen der Waschräume gehen, wo du ungestörter bist", schlug ich ihm freundlich vor. Er öffnete die Tasche und nahm die Kleidung in Augenschein, ohne auf meinen Vorschlag einzugehen. „Was sind das für Klamotten?" wollte er nur wissen, während er den Slip, die Jeans und das T-Shirt herausholte, die ich ihm mitgebracht hatte. „Ich habe meinen Kleiderschrank für dich geplündert", verriet ich ihm lächelnd und erinnerte mich an den verdutzten Blick meiner Frau Malina, als ich ihr erklärte, ich bräuchte diese Sachen für einen Patienten. Tatsächlich war es eine wohl einmalige Premiere für mich, dass ich einem mir im Krankenhaus anvertrauten, fremden Menschen aus meinem Privatfundus etwas zum Anziehen besorgt hatte. Meine ohnehin ausgemusterten Sachen waren zwar schon etwas älter, aber selbstverständlich alle frisch gewaschen. Ich ging davon aus, dass Clay die Kleidung behalten wollte, was mir recht war.
Der Bedürftige schaute mich mit dermaßen dankbar glühenden Augen an, dass ich förmlich dahinschmolz. „Mann... Siam... das ist total geil von dir... ich weiß gar nicht, was ich...", stammelte das glückliche Kind ehrlich überwältigt. „Ist schon gut, Clay. Das habe ich doch gerne gemacht." Es wunderte mich wirklich nicht, dass der arme Kerl sich in seinem völlig durchgeschwitzten Unterhemd und der ausgeleierten Krankenhaushose nicht wohlfühlte. Niemand hätte sich in dieser Kleidung wohlgefühlt. Allerdings wollte ich unbedingt, dass Clay Banton sich bei dem folgenden, für ihn fraglos lebenswichtigen Gespräch so wohl wie nur irgend möglich fühlte. Dringend wollte ich ihm den erheblichen Nutzen einer langfristigen Therapie nahebringen. Das beängstigende Gefühl, dass dies womöglich die allerletzte Chance für diesen besonderen Menschen war, sein aus den Fugen geratenes Leben nochmal in den Griff zu bekommen, hatte mich seit meiner ersten Ahnung nicht verlassen.
Ohne Scheu begann der junge Mann sich auszuziehen, was mich nicht wirklich überraschte. Selbstverständlich zog Herr Banton es gar nicht erst in Erwägung, sich zu diesem persönlichen Zweck in einen privateren Rahmen zurückzuziehen. Vielleicht war ihm der Weg zu einem abschließbaren Waschraum einfach zu anstrengend. Oder er genoss es tatsächlich, sich vor dem Professor und mir zu entkleiden. Beides hielt ich für möglich. Dass ich ihm beim Umziehen zusah, schien dem erfrischend Unbefangenen sogar sehr zu gefallen. Mühsam zog Clay sich das vom Schweiß klebrige, schwarze Unterhemd über den Kopf und ließ es achtlos neben sich auf das Sofa fallen. Mein spontan gefesselter Blick wanderte zweifellos zu intensiv über seinen attraktiven, nackten Oberkörper. Ich registrierte seine kleinen, hellbraunen Brustwarzen, die sichtbaren Rippen des Brustkorbs, den Bauchnabel und die ausdefinierten Bauchmuskeln. Mein Herz begann ein unsinniges Klopfen, weil dieser Anblick mir sehr viel stärker gefiel, als es hätte sein sollen. Clay schlüpfte im Sitzen aus der Jogginghose, ohne dabei die geringste Scham zu zeigen.
Als ich einen nervösen Blick auf Fabian warf, der noch am Schreibtisch beschäftigt war, bemerkte ich erschrocken, dass der Professor Clays völlig unbefangenen Kleidungswechsel ebenfalls interessiert beobachtete. Sofort mahnte ich mich, mich dringend zusammenzureißen, wollte ich vor Professor Maiwald nicht ein bedenkliches Bild abgeben, indem ich unseren Patienten auf nicht akzeptierbare Art anstierte. Trotzdem konnte ich mich blöderweise nicht davon abhalten, Herrn Banton weiter anzusehen. Clay saß völlig nackt auf dem Sofa. Und sein Doktor hatte wahrhaftig Mühe damit, nicht ständig fasziniert auf seinen Penis zu schielen. „Macht es Ihnen Spaß, sich vor Fremden nackt auszuziehen?" fragte Fabian behutsam von seinem Platz hinter dem Schreibtisch her. Clay lachte verblüfft auf und guckte ihn mit geringschätzig zusammengekniffenen Augen an. „Oh ja... boah ey... wow... das geilt mich total auf!" spottete er eindeutig sarkastisch, was Fabian langsam nickend zur Kenntnis nahm. „Haben Sie denn keine Angst, dass plötzlich eine Krankenschwester hereinkommt?" erkundigte er sich bei dem unbekleideten jungen Mann auf der Couch. Clay räkelte sich provozierend auf dem Polster, grinste ziemlich schlüpfrig und erwiderte: „Ich habe niemals Angst vor irgendwas, Herr Professor!" Nun, das war unleugbar gelogen, denn ich hatte ihn sehr wohl schon in heller Panik erlebt, und nicht nur einmal. Seine Angst war sogar so gewaltig gewesen, dass er mich weinend an sich gedrückt hatte und nicht mehr loslassen wollte. Aber ich sagte nichts dazu, warf dem Professor nur einen aufschlussreichen Blick zu, den er vielsagend erwiderte.
„Vor Schwester Laser haben Sie sich vorhin auch die Hose ausgezogen, nicht wahr, Herr Banton?" erwähnte er lächelnd. Clay schloss für einen Moment die Augen. Er seufzte, öffnete und verdrehte sie dann. Mit einem Mal schien der Patient sich in seiner Nacktheit unwohl zu fühlen, während er es zuvor auf eine seltsame Weise sehr genossen hatte, seinen entblößten Körper zu zeigen. Clay griff nach der Unterhose und zog sie sich im Sitzen an. Danach nahm er sich direkt die Jeans vor, ohne dem Professor zu antworten. Fabian wartete noch eine Weile vergeblich auf eine Antwort, während er Clays Ankleiden nachdenklich beobachtete. „In welcher Beziehung stehen Sie zu Schwester Laser?" wollte er schließlich wissen. Clays Augen schlossen sich erneut abwehrend. Sein Gesicht verzog sich gequält, die Frage gefiel ihm nicht. Darum hielt ich es für besser, für ihn zu antworten. „Eliza und Clay waren mal ein Paar. Sie kennen sich privat sehr gut", erklärte ich Professor Maiwald, der mir verstehend zunickte. Mein Blick fiel zurück auf Clay, der mühevoll die Jeans heraufzog, sie zuknöpfte und sich zum Schluss auch noch das T-Shirt über den Kopf streifte. Es berührte mich eigenartig stark, dem gut aussehenden, jungen Mann beim Ankleiden zuzusehen. Auch wenn ich das nicht zugeben wollte, sein durchtrainierter Körper erregte mich auf eine Art, die ich mir nicht erklären konnte. Diese erstaunlich helle Haut, die definierten Muskeln, die wohlproportionierten, langen Arme und Beine, der kräftige Brustkorb, der flache Bauch, seine hübschen Geschlechtsorgane, die mich seltsamerweise magnetisch anzogen. Mein Herz schlug von allein härter bei dem Gedanken, dass Clay nun meinen Slip trug, was total unsinnig war.
Irritiert wandte ich den Blick ab. Banton hatte sich fertig umgezogen und die verschwitzten Stücke achtlos neben sich auf die Couch geworfen. Nun saß er in Jeans und T-Shirt auf dem Sofa. Weil der Mann in etwa meine Körpergröße und Statur besaß, passte meine Kleidung ihm ausgesprochen gut. „Danke, Siam... für die Klamotten... das ist verflucht nett von dir...", sprach er mir nochmal seinen Dank aus. Der junge Mann wirkte wahrhaftig zufrieden, was mich tief rührte. Er ist für die einfachsten Dinge zutiefst dankbar, stellte ich bewegt fest. Ich hätte ihm auch noch Socken und Schuhe mitbringen sollen, überlegte ich besorgt, er wird sich mit den nackten Füßen erkälten, draußen auf den Gängen gibt es nur eiskalten Steinboden. „Ist schon gut, Clay", lächelte ich, guckte ihn an, erfasste seine Schönheit und hatte plötzlich das dringende Bedürfnis ihn zärtlich in den Arm zu nehmen. Es fiel mir überraschend schwer mich zurückzuhalten. Nervös rief ich mir ins Gedächtnis, dass Professor Maiwald mit uns in seinem Büro anwesend war. Mein Kollege behielt mich inzwischen mindestens so interessiert und aufmerksam im Auge wie den Patienten, daran bestand kein Zweifel. Darum durfte ich auf keinen Fall etwas tun, was meine klar definierte Stellung als Clay Bantons Arzt in Frage gestellt hätte.
In diesem Moment stand Fabian vom Schreibtisch auf. „Gut, dann fangen wir mal an", beschloss er und kam zur kleinen Sitzgruppe in der Ecke seines Büros, die aus dem grauen Sofa und zwei passenden Sesseln bestand. In der Mitte der Sitzgelegenheiten stand ein niedriger Couchtisch aus Holz. Wie überall in der geschlossenen Psychiatrie waren auch in Professor Maiwalds Raum sämtliche Gegenstände aus Glas vorsorglich vermieden worden. Fabian setzte sich auf einen der Sessel gegenüber von Clay und wies mich mit einer einladenden Handbewegung an, auf dem zweiten Sessel neben ihm Platz zu nehmen. Viel lieber hätte ich mich zu meinem schwierigen Patienten auf das Sofa gesetzt, um ihm näher zu sein und ihm besser beistehen zu können. Auch, um ihn im Notfall besser im Griff zu haben, ihn gegebenenfalls festhalten zu können, falls er doch noch beschloss wegzulaufen, was jederzeit möglich war. Aber ich war aufgewühlt und feige, gehorchte dem Professor und wählte den angebotenen Sessel, um mich hinzusetzen.
Clay verfolgte unsere Bewegungen reglos mit seinen grün-braunen Augen, die vom vorherigen heftigen Weinen noch immer gerötet und ein wenig geschwollen waren. Es schien ihn nervös zu machen, dass wir uns ihm gegenüber hinsetzten, denn er fing damit an, unruhig auf der Couch herumzuhampeln. Sein Körper schwankte vor und zurück, die Arme und Beine bewegten sich, immer wieder strichen seine Finger über den Stoff des Sofas. „Ich werde unser Gespräch aufzeichnen. Ist das für Sie in Ordnung, Herr Banton?" kündigte Professor Maiwald an und legte sein zum Zweck der Tonaufnahme eingeschaltetes Handy vor sich auf den niedrigen Tisch. Clay fixierte das Handy seltsam erregt und nickte geistesabwesend. „Sie wurden letzte Nacht gegen ihren ausdrücklichen Willen hierher ins Krankenhaus in die Notaufnahme zu Doktor Tourani gebracht. Können Sie sich daran erinnern, Herr Banton?" fing Fabian mit betont ruhiger Stimme an. Clays Augen zuckten kurz zu ihm, um gleich darauf wieder unruhig durch das Büro zu streifen. „Nein", antwortete er einsilbig. „Erinnern Sie sich an etwas anderes aus der vergangenen Nacht?" hakte der Professor interessiert nach. „Nein", knurrte Clay abweisend.
Fabian warf mir einen Blick zu. „Hören Sie, Herr Banton. Vielen Patienten fällt es viel leichter mit mir zu reden, wenn Sie sich dabei hinlegen und dadurch einen Blickkontakt mit mir vermeiden können. Sie dürfen sich also gerne auf das Sofa legen, wenn Ihnen das angenehmer ist", bot er Clay freundlich an. Der Patient zischte spöttisch, zog genervt die Augenbrauen zusammen und schaute ihn an. „Nein, ich leg mich jetzt nicht schon wieder hin", schmetterte er das gut gemeinte Angebot knurrend ab, „Ich musste heute schon viel zu lange liegen." „Ganz wie Sie möchten." Fabian lächelte und hob beschwichtigend die Hände. „Offenbar haben Sie den Sinn dieser Unterredung noch gar nicht erfasst, Herr Banton. Es geht für uns nun darum zu verstehen, wie es zu den Ereignissen der vergangenen Nacht gekommen ist. Ich möchte herausfinden, was mit Ihnen passiert ist. Dazu muss ich Sie ein wenig besser kennenlernen. Verstehen Sie das?" tastete der erfahrene Psychologe sich behutsam an den bockigen Patienten heran. Aufgescheucht warf Clay mir einen flehenden Blick zu. Er fühlte sich jetzt wieder enorm unwohl. Das Anliegen des Professors behagte ihm nicht. Ich lächelte sanft, nickte leicht und versuchte ihn mit meinen Augen zu beruhigen. Zu meiner Überraschung schien das sogar zu funktionieren. Clay guckte mich eine Weile nachdenklich an. Dann seufzte er plötzlich tief und wandte sich dem Oberarzt zu. „Ja... okay", stimmte er leise zu. Ich spürte die Erleichterung des Professors, auch wenn mein Kollege sich auch diesmal nichts anmerken ließ.
„Schön, Herr Banton!" sagte er nur und lächelte ihn aufmunternd an. „Dann möchte ich mich als erstes bei Ihnen entschuldigen!" kündigte er an, was Clay sichtbar völlig aus dem Konzept brachte. „Warum denn...?" krächzte er verwirrt. „Nun, Doktor Tourani hat mir gegenüber stark bemängelt, dass wir Sie in diesem Kellerraum untergebracht und fixiert haben. Das war tatsächlich nicht die beste Lösung, und daher möchte ich Sie hierfür um Verzeihung bitten", erläuterte der Oberarzt mit ruhiger Stimme, während er den kranken Mann auf dem Sofa genauestens im Auge behielt. Clay taxierte ihn perplex. Seine Hände strichen fahrig über das Sofa, sein Körper bewegte sich unruhig hin und her. „Ist schon gut...", wehrte er überfordert ab. Mit dieser unerwarteten Entschuldigung des Professors konnte er spürbar nichts anfangen. „Ich möchte Ihnen erklären, warum diese Behandlung nötig war", legte Fabian dem sichtbar verdutzten Patienten unbeirrt dar, „Diese Station ist leider völlig überfüllt und wir waren auf ihre Ankunft in der letzten Nacht nicht vorbereitet, Herr Banton. Es war schlicht kein anderes Bett für Sie frei, darum haben wir Sie als Notlösung in diesen Raum im Keller gebracht. Als Sie hier ankamen, haben Sie fest geschlafen, aber niemand von uns konnte vorhersehen, wann und in welcher Verfassung Sie aufwachen würden. Es stand zu befürchten, dass Sie nach Ihrem Erwachen weiterhin eine Gefahr für sich selbst und andere sein würden. Nun haben wir hier auf der Station aber leider nicht genügend Personal, als dass die ganze Nacht jemand an Ihrem Bett hätte Wache halten können. Daher war die Fixierung zu Ihrer eigenen Sicherheit die einzige Möglichkeit, die sich uns anbot. Meine Anweisung, regelmäßig nach Ihnen zu sehen, wurde ja von Schwester Köchmann ausreichend erfüllt. Trotzdem möchte ich Sie um Verzeihung bitten, Herr Banton. Mir ist bewusst, dass diese Notlösung im Grunde nicht akzeptabel war. Aber leider gab es in der letzten Nacht keine andere Option für uns, um Sie sicher unterzubringen."
Nachdem der Oberarzt seine ausführliche Erklärung beendet hatte, herrschte eine Weile Schweigen im Büro von Professor Maiwald. Fabian und ich beobachteten ohne Pause unseren schwierigen Patienten, der sich uns gegenüber allein auf dem Sofa befand. Clays wirre Augen huschten suchend durch den Raum. Außer dem Schreibtisch aus dunklem Holz, einem bequemen Stuhl dahinter und zwei Stühlen davor, ein paar Bildern und Diplomen an den Wänden, einem zum Schreibtisch passenden Bücherregal sowie der Sitzecke, auf der wir zu dritt saßen, war das Zimmer leer. Clay schaute sich jeden Gegenstand im Zimmer genau an, aber es war nicht sicher, ob er diese Dinge überhaupt wahrnahm. Mit seinen Gedanken schien er weit weg zu sein. Der ignorante Dummkopf hat dem Professor gar nicht zugehört, glaubte ich verärgert festzustellen. „Ist schon gut...", wiederholte Clay murmelnd, als spräche er zu sich selbst. „Dann verraten Sie mir doch bitte, wo Sie geboren wurden", forderte Fabian ihn freundlich auf. Bantons außergewöhnlich gefärbte, grün-braune Augen richteten sich widerstrebend auf seinen aufgezwungenen Gesprächspartner. „Spielt das eine Rolle?" wandte er unwirsch ein. „Es ist notwendig, um Sie kennenzulernen", erklärte Fabian mit bewundernswerter Geduld. Ich betete innerlich, dass Clay doch jetzt bitte einfach diese Fragen des Professors beantworten sollte. Bisher ging es doch noch nicht einmal um besonders belastende Themen für ihn, fand ich. Ich konnte Bantons nicht verhüllten Widerwillen, sich auf den Oberarzt auch nur annähernd einzulassen, nur schwer akzeptieren. Spürte der Kerl denn nicht, wie gut wir es mit ihm meinten? War diesem kranken Menschen denn nicht klar, dass Fabian und ich ihm helfen wollten? Dass wir uns sogar nur gemeinsam in diesem Zimmer befanden, um ihm zu helfen?
„Island", sagte Clay plötzlich und überraschte damit beide Ärzte nicht unwesentlich. Beim Anlegen seiner Krankenakte vor drei Tagen hatte ich nicht auf seinen Geburtsort geachtet. Aber jetzt war mir plötzlich so, als hätte ich dort tatsächlich den Namen Reykjavík gelesen. „Bist du in Reykjavík aufgewachsen?" fragte ich ihn aufgeregt. Clay grinste mich freudlos an. „Nein. Ich bin da geboren worden", erwiderte er gelangweilt. „Also besitzen Sie die isländische Staatsangehörigkeit?" erkundigte Fabian sich interessiert. Clay nickte und seufzte. Seine Finger streichelten nervös über den grauen Stoff des Sofas. Sein sichtbar angespannter Körper bewegte sich unbehaglich im Sitzen. „Und wie kommt es dann, dass Sie jetzt in Deutschland leben? Sind Sie schon lange hier? Sie sprechen hervorragend deutsch, Herr Banton. Ich kann nicht den geringsten Akzent bei Ihnen heraushören", meinte der beeindruckte Oberarzt. Clay ließ seine Wirbelsäule knacken und spannte die Oberarme an, um sie gleich darauf wieder zu lockern. Seine Füße traten unruhig auf der Stelle. Wenigstens war das Büro des Professors mit einem anthrazitfarbenen Teppichboden ausgelegt worden, sodass Clays nackte Füße im Moment wohl nicht allzu kalt waren. Hoffte ich zumindest. Noch immer ärgerte es mich, dass ich vergessen hatte, ihm Strümpfe und Schuhe mitzubringen.
„Das ist eine viel zu lange Geschichte...", wehrte Herr Banton die hörbar erwachte Neugier des Oberarztes unwillig ab. „Nun, wir haben doch gerade genug Zeit...", meinte der Professor freundlich. Daraufhin stöhnte der Patient gestresst auf. „Aber ich habe keine scheiß Zeit mehr!" bemängelte er aggressiv, „Ich muss jetzt echt dringend nach Hause!" Clays wirre, extrem nervöse Augen hefteten sich auf Fabian Maiwald. „Bitte! Bitte, Herr Professor! Lassen Sie mich doch endlich gehen!" fing er wahrhaftig an zu betteln, „Ich will doch nichts weiter als hier raus! Ich möchte nach Hause gehen!" Schlagartig entsetzt schlossen sich meine Augen. Alles krampfte sich in mir zusammen. Dies war ohne Frage der komplett falsche Weg, den der Uneinsichtige da einschlug, um seine baldige Entlassung zu bewirken. Auf diese Art würde er dieses für alle Parteien zunehmend nervenaufreibende Gespräch zweifellos nur verlängern.
Sean
Ich schloss die Tür hinter mir und ließ mich erschöpft auf die alte Couch in meinem winzigen Büro fallen, um meinen Körper lang auszustrecken. Studenten waren meistens anstrengend. Entweder stellten sie zu viele oder zu wenige Fragen. Das war an diesem Dienstagvormittag in der Kunsthochschule nicht anders. Zum Glück waren meine Vorlesungen noch immer gut besucht, weil ich mir innerhalb weniger Jahre als Professor einen sehr guten Ruf aufgebaut hatte. Viele Studenten bedeuteten aber auch mehr Arbeit für mich. Drei mit mehr oder weniger lernwilligen jungen Erwachsenen förmlich überfüllte Seminare hatte ich mittlerweile erfolgreich hinter mich gebracht. Blieben noch drei weitere Kurse bis zum Feierabend. Zur Zeit hatte ich eine halbe Stunde Pause, um mich ein wenig zu erholen. Diese Auszeit hatte ich wahrhaftig nötig. Ich war stolz auf mich, weil ich es trotz meiner derzeitigen körperlichen und psychischen Probleme auch heute bisher geschafft hatte, meine Seminare über Tanz, Schauspielerei und Dramaturgie gewohnt ansprechend und lebendig zu gestalten. Die Arbeit hatte mich zuverlässig von quälenden Gedanken abgelenkt, die sich aber nun, schon im ersten Moment der Stille, penetrant zurück in mein Gedächtnis drängten.
Nervös kramte ich mein Smartphone aus meiner schwarzen Jeans und schaltete es ein. Während der Seminare schaltete ich das Gerät selbstverständlich jedes Mal aus, so wie ich es auch von meinen Studenten verlangte, auch wenn sich leider nicht alle daran hielten. Nichts nervte, stresste und störte mich stärker als irgendwelche seltsamen Klingeltöne mitten im Unterricht. Mit einem Blick aufs erwachende Display erfuhr ich von mehreren verpassten Anrufen während meiner Abwesenheit. Ausnahmslos jeden Anruf hatte Louis Frédéric von Ravenhorst getätigt. Mein Herz hämmerte los bei dem Gedanken, dass mein ältester Freund mittlerweile vielleicht schon längst das gestohlene Handy von Clay geortet hatte, womit ich Louis am frühen Morgen ja ziemlich überstürzt beauftragt hatte. Auf meiner Mailbox bat Herr von Ravenhorst mich verstärkt verärgert um meinen sofortigen Rückruf. Obwohl es mich vor Nervosität beinahe umbrachte, tat ich ihm den Gefallen unverzüglich. Dringend wollte ich erfahren, wo sich Clay Bantons mobiles Telefon befand, damit meine geplante Rettungsaktion in Sachen Diebstahl schnellstmöglich anlaufen konnte.
„Fuck, Valmont! Heute machst du mich mal wieder total wahnsinnig!" fauchte Louis mich durch die Leitung an, kaum dass er meinen Anruf entgegennahm. Tief musste ich durchatmen, um nicht spontan zornig zurück zu fauchen, denn ich konnte seine erneute Unfreundlichkeit nur schwer ertragen. „Worum geht's denn?" erkundigte ich mich mühsam beherrscht. Er atmete schwer, um seine aufbrausende Wut herunterzuschrauben. „Hast du mir nicht erst heute Morgen groß und breit vorgejammert, dass sie deinem Goldjungen sein wertvolles Smartphone geklaut haben, als er von bösen Jungs verprügelt wurde?" fragte Louis in provozierendem Tonfall. „Ja genau, so ist es", stimmte ich seufzend zu. Louis Frédéric stöhnte genervt auf. „Und wie erklärst du es dir dann, dass Bantons Smartphone friedlich bei ihm zu Hause in seiner Wohnung herumliegt, Herr Valmont?" wollte er voller Hohn wissen. Über diese komplett unerwartete Information musste ich einen Moment nachdenken. Ich war verwirrt. Tatsächlich konnte ich mir nicht erklären, wie Clays gestohlenes Handy zurück in seine Wohnung gelangt sein konnte. Es sei denn, er hätte es sich schon selbst zurückgeholt. Diese naheliegende Möglichkeit ärgerte mich. Aus dem dummen, egoistischen Grund, weil ich dann nicht mehr als strahlender Held bei ihm auftauchen konnte, um ihm das lang und schmerzlich vermisste Telefon zurückzubringen. Die Sache war mir suspekt, denn ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Clay Banton sich allein sein Smartphone zurückgeholt haben sollte. Immerhin waren doch mehrere gewalttätige Wichser über ihn hergefallen. Und Clay hatte auch noch etliche Stunden später panische Angst vor ihnen gehabt. Niemals würde er sich freiwillig zurück in die Hände dieser brutalen Schweine begeben, glaubte ich zu wissen.
„Sean?" fragte Louis ungeduldig in der Leitung, „Was sagst du dazu?" „Ich weiß es nicht, Louis", musste ich kleinlaut zugeben, „Das verstehe ich nicht." Er atmete hörbar tief ein und erwiderte: „Es ist eine Tatsache, Herr Valmont. Clays Handy liegt irgendwo in seiner Wohnung. Aber der gnädige Herr Banton geht nach wie vor nicht dran. Schon den ganzen Morgen nicht. Seit Stunden habe ich keine Chance ihn zu erreichen. Darum habe ich nochmal verstärkt nach deinem verschwundenen Liebsten geforscht. Dafür musste ich ehrlich fast alle meine Kontakte spielen lassen, Sean. Und letztendlich habe ich etwas über ihn erfahren, was du wohl besser gar nicht wissen solltest. Zumindest jetzt noch nicht."
Stille. Stille. Stille. Es dauerte mindestens drei Minuten, bis ich auf Louis' Worte reagieren konnte. Weil ich Zeit brauchte, um diese Informationen richtig zu erfassen, den Inhalt zu begreifen und zu analysieren. Je länger ich mich gedanklich damit beschäftige, umso mehr zogen sich meine Eingeweide in dunkler Vorahnung zusammen. Mein Herz schlug hart und schnell, weil mir klar wurde, dass etwas Schlimmes mit Clay passiert sein musste. Aber was kann denn um Himmels Willen noch schlimmer sein?, dachte ich erschlagen. Es war doch sowieso schon alles absolut entsetzlich. Schließlich hatte ich den Mann vergewaltigt, den ich über alle Maßen liebte, und allein diese unerträgliche Schuld würde für immer und ewig auf mir lasten.
Plötzlich hielt ich die angespannte Stille nicht mehr aus. „Was hast du erfahren, Louis?" krächzte ich hilflos, obwohl ich mir gar nicht sicher war, ob ich es überhaupt wissen wollte. Ob ich es hören wollte. Ob ich denn damit klarkommen konnte, was auch immer in der Zwischenzeit mit meinem Mann passiert sein mochte. Womöglich würde Sean Valmont auch einfach nur in dem Augenblick sterben, in dem er die letzte Wahrheit erfuhr. Innerlich war ich auf alles vorbereitet. Dachte ich zumindest. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir das ausgerechnet jetzt erzählen soll...", zögerte Louis Frédéric beschissen arrogant. „Verdammt Louis! Sei nicht so ein Arsch! Wenn du dir gar nicht sicher bist, dann hättest du vielleicht einfach mal von Anfang an deine Klappe halten sollen?! Aber du kannst doch unmöglich so etwas andeuten und dann nicht mit der Sprache rausrücken!" schrie ich meinen Freund angepisst an, weil er meine mühsam aufrechterhaltene Beherrschung schlagartig in sich zusammenbrechen ließ. „Ist schon gut, Sean. Reg dich doch nicht auf", murmelte Louis geringschätzig. Am liebsten hätte ich ihm durch das Smartphone eine reingehauen für seine extrem nervige Art, die Jedem in seiner Nähe unterschwellig suggerierte, dass Herr von Ravenhorst allmächtig war und niemals Fehler machte. Ich wusste zwar, dass Louis auch das nicht böse meinte und ihm seine eigene Arroganz wahrscheinlich oft nicht mal richtig bewusst war. Aber in diesem Moment konnte ich sein exorbitantes Selbstbewusstsein kaum ertragen.
„Was ist mit Clay?" forschte ich mit hämmerndem Herzen ungeduldig. Zu gerne hätte ich mir in diesem Moment eine Zigarette angezündet. Aber in der gesamten Kunsthochschule war das Rauchen streng verboten, also auch in meinem Büro. Ich überlegte ernsthaft, mich über dieses Verbot hinwegzusetzen. Weil meine Nervosität eine Intensität erreichte, die mir um ein Haar das Herz aus der Brust sprengte. Mein Finger zitterten und krampften sich um das Handy an meinem Ohr. Es fiel mir schwer, nicht augenblicklich in Panik zu geraten. „Okay, Sean... auf deine eigene Verantwortung...", fing Louis Frédéric vorsichtig an und erntete damit ein angefressenes Knurren von mir. „Sitzt du momentan, Sean?" wollte der Adelige gleich darauf vorausschauend wissen, „Wenn nicht, dann setz dich jetzt lieber mal kurz hin." „Ich liege auf meinem Sofa, mach dir keine Sorgen", informierte ich ihn genervt. „Also, dann hör mal gut zu...", meinte Louis und ließ mich genüsslich noch ein paar Sekunden lang zappeln, wofür ich ihn in diesem Augenblick wirklich gerne getötet hätte. „Meine Quellen sind recht zuverlässig, Sean. Also kannst du davon ausgehen, dass das, was ich dir jetzt sage, der Wahrheit entspricht", musste Louis noch erwähnen, was ich nur mit einem hilflosen Schnaufen kommentieren konnte, weil mein Hals zu zugeschnürt zum Sprechen war.
Endlich zeigte mein wohlhabender Freund Erbarmen mit meiner unerträglichen Anspannung. Er seufzte und holte tief Luft. „Was ich erfahren habe, ist Folgendes: Banton ist anscheinend in der letzten Nacht ziemlich herbe durchgedreht. Was ganz genau mit dem Knallkopf passiert ist, darüber kursieren verschiedene Vermutungen. Kann sein, dass er zu viel LSD geschluckt hat oder irgendwas hat ihn bis zum Ausklinken verärgert. Vielleicht hat er auch einfach nur zu viel gesoffen und war sternhagelvoll, ich habe keine Ahnung", erzählte mir mein ständig aktuell informierter Freund betrübt.
Nochmal Stille. Stille. Stille. Auch diesmal benötigte mein schlichtweg überfordertes Gehirn eine irritierend lange Zeit, um das eben Gehörte zu verarbeiten. Draußen auf dem Gang vor meiner Bürotür liefen und lärmten die Studenten in ihrer Pause. Die Uhr in meinem kleinen Büro tickte. Die Heizung gluckerte leise. Aber diese Geräusche konnte ich kaum wahrnehmen. Denn all meine schockierte Konzentration lag unwillkürlich auf diesem Telefongespräch mit Louis Frédéric von Ravenhorst. Der vertrauten Stimme in meinem schwarzen Handy. Dicht an mein Ohr gepresst. „Und was bedeutet das jetzt?" horchte ich schließlich verwirrt nach. Er stieß ein frustriertes Stöhnen aus. Zweifellos fiel es Louis nicht leicht, mir diese verstörenden Neuigkeiten mitzuteilen. „Hör zu, Sean Valmont, bitte dreh jetzt nicht auch noch durch. Aber dein verrückter Liebster ist letzte Nacht von der Polizei ins Krankenhaus eingeliefert worden. Er wurde sofort in die geschlossene Psychiatrie gebracht. So weit ich weiß, haben sie ihn wohl über Nacht dortbehalten", flüsterte Louis jetzt fast und setzte hastig hinzu: „Banton ist noch immer da. Aber bestimmt geht es ihm mittlerweile schon wieder gut."
Ich lag auf dem Sofa, schloss instinktiv abwehrend die Augen und hielt die Luft an. Meine Hand mit dem Telefon fiel kraftlos neben mich auf das Polster, weil ich sie nicht länger oben halten konnte. Vor meinen geschlossenen Lidern flimmerten farbige Punkte. Ich konnte nicht atmen. Es war ein Gefühl, als würde ich jeden Moment das Bewusstsein verlieren. Das ist meine Schuld, stach es augenblicklich ungesteuert auf meine Seele ein, heftig, Clay ist wegen mir durchgedreht, wegen dem, was ich ihm angetan habe. Ich habe Clay Banton viel zu schwer verletzt, damit konnte er gar nicht alleine fertigwerden. Ich hätte ihn gestern niemals allein lassen dürfen. Ich hätte auf keinen Fall feige vor ihm weglaufen dürfen.
Aber er hat mich doch ausgelacht, erinnerte ich mich mit unwillkürlich aufsteigenden Tränen in den Augen, panisch nach einer Entschuldigung für mich suchend, Clay stand direkt vor mir, in diesem Stadtpark, und er ist ein hämisch lachender Teufel gewesen. Der Mann war ein verfluchter Dämon. Ich konnte in diesem Moment nicht länger bei ihm bleiben. Er hätte mich mit seinem brutalen Spott getötet. Ich hatte doch keine andere Wahl, als mich vor dem Teufel in Sicherheit zu bringen. Vor seinem unerträglichen Gelächter. Diese Erinnerung tat mir noch immer unfassbar weh.
Mein Körper lag starr auf der Couch. Verkrampft rang ich nach Luft, während meine Gedanken in meinem Kopf herumwirbelten. Aber jetzt haben sie Clay in die Psychiatrie gebracht, dachte ich, und es ist fraglich, ob er da jemals wieder herauskommt. Bestimmt haben sie gemerkt, dass Banton ein Dämon geworden ist. Vielleicht behalten sie den irrsinnig kichernden Teufel einfach dort. Und womöglich werde ich meinen Mann aus diesem Grund nie wiedersehen. Das ist alles meine Schuld, wiederholte sich die quälende Anklage unaufhörlich in mir, fing an zu rotieren und raubte mir förmlich den Verstand.
„Sean? Alles klar mir dir? Was ist los?" fragte Louis Frédéric hörbar besorgt aus dem Smartphone. Mein Telefon lag in meiner Hand auf dem Sofa, deshalb konnte ich meinen Freund kaum verstehen. Es fiel mir schwer, das verhängnisvolle Gerät zurück an mein Ohr zu heben. Eigentlich wollte ich viel lieber auf der Stelle sterben. Ich war mir absolut nicht darüber im Klaren, wie ich jetzt weiterleben sollte. Stattdessen fragte ich mich verstört, ob es für mich oder für Clay oder für uns beide überhaupt noch irgendeine Zukunft gab. „Ist schon gut, Louis. Ich habe dich verstanden", hauchte ich tonlos in den Hörer. Herr von Ravenhorst seufzte schwer. Er kannte mich inzwischen gut genug, um vom Tonfall meiner Stimme alarmiert zu werden. „Ach, jetzt komm schon, Sean!" protestierte er unzufrieden. „Mach dir doch nicht so viele Sorgen um Clay! Unser komischer Künstler ist nun mal ein chaotisches Stehaufmännchen. Das wissen wir doch beide, nicht wahr, Valmont? Damit habe ich doch recht, oder?" wollte er mich beruhigen. Louis erreichte mich jedoch nicht.
„Banton ist in der Psychiatrie, sagst du? Im Christopherus-Krankenhaus?" erkundigte ich mich bemüht gelassen. Die Vermutung lag nahe, denn dieses Krankenhaus war das einzige in der alten Stadt. Louis Frédéric stöhnte genervt. „Ja, das habe ich gesagt. Und ja, er befindet sich anscheinend noch immer dort. Die haben ihn in der Nacht zwangsweise da eingeliefert und noch nicht wieder rausgelassen, soweit ich das weiß", leierte er gelangweilt herunter. Dem Adeligen war wohl klar, dass er mich ohnehin nicht davon abbringen konnte, mir entsetzliche Sorgen zu machen. Das war ja wohl auch der Grund gewesen, warum er mir diese Neuigkeiten über den Mann, den ich liebte, gar nicht erst hatte mitteilen wollen. Neben meinen Sorgen war es aber vor allem mein Schuldgefühl, was mir extrem zu schaffen machte. Jetzt noch tausendmal schlimmer als vorher. Der quälende Selbstvorwurf, dass scheiß Valmont allein an allem schuld war, wollte mich nicht mehr verlassen.
„Mach jetzt bloß nichts Unüberlegtes, Sean Valmont!" warnte mein ältester Freund mich am anderen Ende meines Smartphones mit magischer Voraussicht. Hysterisch lachend stieß ich Luft aus. „Was wäre denn für dich unüberlegt, Herr von Ravenhorst?" musste ich ihn spöttisch fragen. Tatendurstig richtete ich mich auf dem Sofa auf, schwang die Beine auf den Boden und setzte mich aufrecht hin. „Zum Beispiel sofort unerlaubt deine Arbeitsstelle zu verlassen und fliegenden Fußes zu deinem Geliebten ins Krankenhaus zu rasen", höhnte Louis Fédéric von Ravenhorst. Aber sein Spott hatte einen verdammt bitteren Beiklang, weil mein ältester Freund viel zu genau ahnte, was ich vorhatte. Für mich war das plötzlich gar keine Frage mehr. Sean Valmont hatte nicht den geringsten Zweifel. Seine Aufgabe lag deutlich vor ihm. Auf keinen Fall konnte ich Clay Banton noch länger allein lassen, schon gar nicht in dieser seltsamen geschlossenen Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses. Wer konnte denn schon abschätzen, was sie auf der Station Schlimmes mit ihren hilflosen Patienten anstellten? Ich war mir völlig sicher, dass mein kranker Mann mich momentan in seiner sicherlich unangenehmen und nicht selbst gewählten Notlage dringend brauchte. Zwar wusste ich nicht, wie ich ihm konkret da raushelfen konnte. Aber ich musste es mit all meiner verbliebenen Energie versuchen. Alles andere hätte meine Schuld Herrn Banton gegenüber auf nicht länger vertretbare Weise nur verschlimmert.
„Hör auf, Sean! Um Himmels Willen, mach das jetzt nicht!" flehte Louis Frédéric mich wahrhaftig verzweifelt an. Ich verdrehte die Augen und stand auf. „Du kannst nicht einfach aus der Schule verschwinden, Herr Professor! Denk doch vorher nur einmal nach! Denk an deine Studenten, die heute von dir noch etwas lernen wollen. Denk an deinen schwer verdienten Arbeitsvertrag. Du wirst bösen Ärger bekommen, wenn du einfach abhaust. Das muss dir doch klar sein!" „Ja, das ist mir absolut klar!" erwiderte ich grinsend. Auf einmal fühlte ich mich sonderbar gestärkt. Das Gefühl, unverhofft eine neue, wichtige Aufgabe erhalten zu haben, wärmte hinterhältig meine Seele. Ein neuer Plan für die kommenden Stunden erfüllte mich, der mir überaus sinnvoll erschien. Eine ganz andere Möglichkeit, meine Schuld an Clay Banton zu tilgen, hatte sich mir völlig unerwartet eröffnet. Ich weiß nicht, wie diese Dinge in einem verwirrten Gehirn verarbeitet werden, oder wie es zu solchen verhängnisvollen Ergebnissen von Überlegungen kommen kann. Wahrscheinlich war ich an diesem Dienstag Vormittag einfach nur dermaßen schockiert, dass ich nur noch instinktiv handeln konnte.
„Nein, das machst du jetzt nicht, Valmont! Diesen Unsinn lasse ich nicht zu!" rief Louis energisch durch den Hörer direkt in mein Ohr und legte abrupt auf. Verblüfft stand ich mitten im Raum und starrte mein Handy an. Ich brauchte noch eine Weile, um zu verstehen, was überhaupt gerade passiert war. Dass Louis unser Gespräch ohne Vorwarnung beendet hatte, begriff ich erst mit Verzögerung. Eine Minute später klopfte jemand laut an meine Bürotür. In der Erwartung, dass einer der Studenten mich sprechen wollte, was auch außerhalb meiner regulären Sprechzeiten leider pausenlos vorkam, drehte ich mich in Richtung des Geräuschs und wollte gerade „Herein" rufen, als die Tür auch schon aufgerissen wurde. Mit schnellen Schritten betrat Louis Frédéric von Ravenhorst das Büro von Professor Sean Valmont. Heftig, weil wütend, warf er die Tür hinter sich zu.
„Das – machst – du – jetzt – nicht, Val – mont!" wiederholte der aufgebrachte Adelige, jede Silbe einzeln betonend, blieb dicht vor mir stehen und fixierte mich strafend. Ich konnte nicht fassen, dass Ravenhorst sich dermaßen in meine persönlichen Angelegenheiten einmischte. Dass ihm diese Sache sogar so enorm wichtig war, um mich unangekündigt an meinem Arbeitsplatz aufzusuchen. Als würde es ihn irgendetwas angehen, was ich in Bezug auf Clay unternehmen wollte. „Bist du bescheuert?" fuhr ich ihn deshalb spontan wütend an. Er lächelte mitleidig, was mich wirklich auf die Palme brachte. „Nein, ich bin nur dein bester Freund, Sean Valmont", entgegnete er unbeeindruckt, „Und ich muss dich dringend von einer neuen großen Dummheit abhalten." Vor Empörung fehlten mir noch die Worte, als er schon weitersprach: „Mann, seit Stunden machst du nur noch Scheiße, Valmont! Du verzapfst einen Blödsinn nach dem anderen! Was ist denn eigentlich los mit dir? So kenne ich dich eigentlich gar nicht!" „Ich hab doch überhaupt nichts getan!" regte ich mich auf. Er schüttelte den Kopf. „Aber du willst schon wieder Blödsinn verzapfen. Du bist doch in Gedanken schon längst zu Banton gefahren, um ihn aus der Psychiatrie zu retten." Natürlich wollte ich das abstreiten, schon um meine Ehre zu retten, aber Louis ließ mich gar nicht zu Wort kommen. „Streite das jetzt nicht ab, Sean. Lüg mich bloß nicht an, hörst du?! Ich kenne dich viel zu gut, mein wahnsinnig dummer Freund. Du bist krankhaft besessen von diesem Typen, und wenn es um ihn geht, dann kannst du doch gar nicht mehr rational denken", knallte er mir gnadenlos vor den Kopf und in die sensible Seele hinein.
Hilflos stöhnend wich ich seinem stechenden Blick aus, drehte mich von der Gefahr weg und flüchtete hinter meinen Schreibtisch, wo ich mich hinsetzte. Das Handy legte ich auf die Tischplatte und schaute ihn unglücklich an. „Was soll ich denn tun, Louis?" fragte ich ziemlich kleinlaut. Jetzt, wo er mir meine spontane Aufgabe wieder weggenommen hatte, fühlte ich mich entsetzlich leer, sinnlos und deprimiert. Mir war klar, dass mein erwachsener Freund blöderweise recht hatte. Meine Überlegungen und Entschlüsse waren viel zu überstürzt und zu wenig durchdacht gewesen. Außerdem durfte ich meiner Arbeit wirklich nicht unerlaubt fernbleiben. Und so etwas Dummes tat ich doch normalerweise auch gar nicht. Ärgerlich rief ich mich selbst zur Ordnung. Noch drei Seminare. Danach hatte ich für heute frei und konnte mich immer noch um Clay Banton kümmern. Nur noch ein paar Stunden länger durchhalten, bläute ich mir verwirrt ein und versuchte, mich an dieser vagen Hoffnung festzuhalten. Aber das funktionierte nicht, denn es gab schlicht zu viele unbekannte Variablen.
„Komm schon, nun atme erst mal tief durch", wies Louis mich beruhigend an. Er kam um meinen Schreibtisch herum, stellte sich hinter meinen Stuhl und legte mir seine beiden Hände auf die verspannten Schultern. „Was machst du eigentlich hier, Louis? Wie zum Teufel bist du überhaupt hierhergekommen? Du betrittst die Kunsthochschule doch sonst nie!" erwähnte ich nebenbei, weil mich sein überraschendes Auftauchen echt wunderte. Ich erinnerte mich nicht, Herrn von Ravenhorst je in meinem Büro gesehen zu haben. „Tja, ich habe eben befürchtet, dass du schon wieder irgendwie durchdrehst, wenn ich dir das von Clay erzähle, mein Lieber", seufzte der Mann hinter mir. „Außerdem war ich sowieso gerade in der Nähe", setzte er leise hinzu. Zärtlich fing er damit an, mir die Schultern zu massieren. Seine warmen Finger fühlten sich enorm gut an. Darum protestierte ich nicht, obwohl ich ihn erneut beschissen arrogant fand. „Was heißt denn hier schon wieder?!" warf ich ihm nur halbherzig vor. „Oh, Sean! Soll das dein Ernst sein? Muss ich dir wirklich aufzählen, was du dir allein in den letzten Stunden alles für haarsträubende Dummheiten geleistet hast?" erwiderte Louis fassungslos. Seine rauen Daumen liebkosten zart meinen Nacken, wovon ich eine Gänsehaut bekam und meine Härchen sich aufstellten. Unterdrückt seufzte ich auf. Ich konnte ihn hinter mir nicht sehen, aber Louis war mir jetzt sehr nah, und das war irgendwie tröstlich.
„Wovon sprichst du?" fragte ich abgelenkt. Er atmete tief ein und murmelte betrübt: „Professor Valmont wollte sich vor Kurzem mit einer mutwillig zugefügten Überdosis Kokain selbst töten. Stundenlang hat er zu diesem Zweck allein in seinem Auto gesessen. Davor hat er im Koksrausch seinen wehrlosen Geliebten ziemlich brutal vergewaltigt. Und jetzt will er ernsthaft seine Arbeit schwänzen, nur um genau diesen Mann aus der geschlossenen Psychiatrie zu befreien." Die geflüsterten Wahrheiten stachen wie Nadeln auf mich ein. Erstarrt saß ich auf meinem Schreibtischstuhl und schloss besiegt die Augen. Louis hatte recht. Und das machte mir mehr zu schaffen, als ich auf die Schnelle verarbeiten konnte. Diese ganzen Ereignisse hörten sich alle so gar nicht nach mir an. Das war nicht der Sean Valmont, den ich glaubte zu kennen. So ein verrücktes, zweifellos extrem egoistisches Verhalten war mir im Grunde völlig fremd. Sofort versuchte ich, meinen Irrsinn mit der Droge Kokain zu erklären und gleichzeitig zu entschuldigen. Augenblicklich höre ich auf mit dem gefährlichen Scheiß, nahm ich mir aufs Neue entsetzt vor, Valmont wird kein verfluchtes hartes Gift mehr anrühren.
„Ist ja schon gut, Sean", wisperte Louis hinter mir, der spürte, wie sehr mich diese Gedanken verkrampften. „Jetzt hör bitte auf dir Vorwürfe zu machen. Du kannst es nicht mehr ändern, Sean, kapier das doch endlich. Es ist nun mal passiert. Scheiße, ja. Aber jetzt ist es vorbei und du musst nur noch nach vorne sehen", versuchte er mir zu helfen. Aber leider funktionierte das kein bisschen. „Da vorne ist nur nichts mehr!" jammerte ich unüberlegt los, „Da ist überhaupt nichts mehr, Louis. Er ist weg. Ich habe ihn garantiert längst verloren." Die plötzliche Erkenntnis knallte abermals unerwartet in meine schwer verwundete Seele hinein und trieb mir ungewollt nasse Tränen in die Augen. „Ach, Sean", seufzte Herr von Ravenhorst verständnislos, „Sei doch nicht immer so dramatisch." Es kränkte mich, dass der jüngste Spross einer Adelsfamilie mein Elend so wenig ernst nahm. Verbittert beschloss ich, ihm nicht noch mehr Schwäche zu zeigen. Hastig wischte ich mir mit den Fingern über die feuchten Augen.
„Ja, du hast recht, Louis. Ich zieh den Arbeitstag heute durch, und dann werde ich mal schauen, was ich für Clay tun kann", gab ich mich betont gefasst. Louis lachte leise hinter mir, was mich unglaublich ärgerte. Er kannte mich zu gut, um mir meinen vorgetäuschten Stimmungswechsel so leicht abzunehmen. „Diese Idee ist schon mal um Längen besser, als jetzt unerlaubt aus der Schule abzuhauen und womöglich niemandem was zu sagen. Das hattest du doch vor, nicht wahr?" spottete er und knuffte mich in den Nacken. Instinktiv hob ich die Schultern hoch.„Schwachsinn! So was Blödes würde ich nie tun!" knurrte ich ungehalten, obwohl ich ganz genau das vorgehabt hatte. In meiner spontan umfassenden Aufregung war mir gar nicht der Gedanke gekommen, vorher jemanden über mein Verschwinden aus der Kunsthochschule zu informieren. Schließlich hatte Clay oberste Priorität und alles andere schien völlig unwichtig zu sein. Aber jetzt war mir klar, dass es so einfach nicht war. Mein Leben funktionierte nicht so, wie zum Beispiel Bantons, der grundsätzlich vollkommen spontan und intuitiv agierte. Sean Valmont dagegen war erwachsen. Ich hatte wichtige Verpflichtungen, die ich zweifellos erfüllen musste. Tief drinnen war ich plötzlich froh, dass Louis mich von dieser erneuten Dummheit abgehalten hatte. Im schlimmsten Fall hätte ich durch mein unerlaubtes Fehlen am Arbeitsplatz sogar eine Abmahnung erhalten können.
„Ich muss jetzt zurück ins Seminar", teilte ich Louis mit, obwohl mir in Wahrheit noch Zeit blieb. Meine Pause war noch nicht vorbei. Aber ich konnte meinen Freund auf einmal nicht länger in meiner Nähe ertragen. Wie so oft schien Louis Frédéric von Ravenhorst mir auch an diesem Vormittag schrecklich überlegen zu sein. Das demütigte mich auf eine Art, die ich auf Dauer nur schwer hinnehmen konnte. „Du bist schon in Ordnung, Sean Valmont. So, wie du bist, ist das völlig okay, glaube mir. Du bist ein richtig toller Typ und hochintelligent. Du musst nur ein bisschen besser auf dich aufpassen, wenn es um Clay Banton geht", bemerkte der Kerl beiläufig. Aber mir war sofort klar, welches erschreckende Gewicht seine Sätze in Wahrheit hatten. Es fühlte sich an, als würden sie mich schlagartig erdrücken.
Louis' Finger massierten wieder sanft meinen Nacken, was ich erstaunlich intensiv spürte. Seine zärtliche Berührung fing an mich zu erregen. „Woher wusstest du eigentlich, dass ich um diese Zeit Pause habe und mich in meinem Büro aufhalte?" fragte ich Louis, um mich von meinen unwillkürlich aufsteigenden Gefühlen zwischen meinen Beinen abzulenken. „Das wusste ich nicht, Sean. Woher auch? Aber ich habe es mir gedacht. Denn immerhin hast du mich ja zurückgerufen. Also hattest du offenbar gerade frei", erklärte er leise. Seine Hände strichen ganz zart über meine nackte Haut, massierten mit sanftem Druck meine Muskeln, die Daumen streichelten sachte meinen Hals. „Was bedeutet das denn nur, Louis? Bitte erkläre mir das doch mal. Was soll das heißen, dass Clay in der letzten Nacht ziemlich herbe durchgedreht ist? Und woher weißt du das denn überhaupt?" sprach ich meine seit unserem Telefonat endlosen Gedankengänge ängstlich aus. Meine Stimme war nur ein heiseres Flüstern. Louis seufzte nochmal, hörte aber nicht damit auf, mich auf höchst angenehme Art anzufassen. „Ich habe meine Quellen, Sean. Das weißt du doch. Im Moment brodelt mal wieder die bunte Gerüchteküche über dein unvernünftiges Herzblatt. Es wird gemunkelt, dass Banton mit einem einzigen Mädchen bei sich zu Hause war, nachdem er andere Weiber, die mit ihm die Nacht verbringen wollten, seltsamerweise vor seiner Haustür wieder weggeschickt hat oder so was. Und in seiner Wohnung hat er anscheinend irgendwie die Kontrolle über sich verloren. Die Kleine hat voll Panik gekriegt und die Polizei verständigt..." „Die Polizei? Und von was für einem Mädchen sprichst du?" entfuhr es mir entsetzt, wobei meine Stimme sich vor Aufregung förmlich überschlug. Brennende Eifersucht machte sich in mir breit. Langsam bekam ich das Gefühl, nicht noch mehr ertragen zu können. Trotzdem musste ich unbedingt nachfragen. Wie in Trance.
Aber Louis ging nicht darauf ein, sondern wechselte das Thema. „Wenn du willst, dann kannst du dir deinen verrückten Liebsten heute ausführlich im Internet anschauen, Sean Valmont. Und ich spreche nicht von diesem fragwürdig freizügigen Blog über ihn, den wir gestern schon bewundert haben", schlug er spöttisch vor. „Was meinst du?" erkundigte ich mich vorsichtig in dunkler Vorahnung. Louis kicherte freudlos. „Dein Goldjunge wurde gestern von ziemlich vielen Leuten gefilmt und online gestellt. Wenn du Mister Banton erst bei McDonalds gesehen hast, wo er sich gestern Abend aufgehalten und ziemlich viel Aufsehen erregt hat, dann wundert es dich garantiert nicht mehr, dass er ein paar Stunden später endgültig durchgeknallt ist. Denn in dem Fastfoodrestaurant war er unübersehbar auch schon total abgefüllt mit irgendwelchem starken Zeugs", informierte er mich geringschätzig. Mein ständig zu gut informierter Freund stoppte seine angenehme Massage, was ich sofort bedauerte.
Andererseits wühlten mich diese erneut besorgniserregenden Informationen so extrem auf, dass ich schlagartig verwirrt war. Meine enttäuschten Gedanken tanzten wahllos in meinem Gehirn. Neue Aufnahmen von Clay im Internet? Im Internet? Ausgerechnet? Warum zur Hölle tat der Scheißkerl mir das an? Warum ließ Clay sich von Drogen berauscht in der Öffentlichkeit sehen und sogar filmen? Konnte er denn nicht endlich mal besser aufpassen? Ihm musste doch langsam klar sein, wie schädlich so etwas für ihn und auch für mich war. Für unsere gemeinsamen Auftritte. Das konnte doch alles zerstören, wenn Clay sich weiterhin öffentlich zum Gespött machte. Und warum nahm er irgendwelche Weiber mit nach Hause, nur um sie vor der Tür wieder wegzuschicken? Auf diese Art machte er sich bestimmt keine Freunde. Womöglich waren deswegen schon wieder massig fremde Leute wütend auf Clay und wollten ihm wehtun. Warum konnte der Mann denn nicht einfach mal keinen gefährlichen Blödsinn anstellen?
Viel zu lange war es totenstill in meinem Büro. Ich konnte meinen Puls in meinen Ohren hämmern hören. „Willst du dir das vielleicht mal ansehen, Sean?" fragte Louis zögerlich. Herr von Ravenhorst war sich offenbar nicht sicher, ob ich diese neuen bewegten Internetbilder von Clay überhaupt noch verkraften konnte. Sein Zögern machte mich aber nur noch neugieriger. Obwohl ich selbst wohl am meisten an meiner derzeitigen Aufnahmefähigkeit zweifelte, weil es inzwischen schlicht zu viele schlimme Neuigkeiten gewesen waren, mit denen ich irgendwie klarkommen musste, wollte ich mir die Aufnahmen von Banton dringend ansehen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich rang nach Luft, als ich kurzentschlossen wortlos meinen Computer hochfuhr. Louis Frédéric hatte mir in der letzten viertel Stunde schon so viel unfassbare Grausamkeiten vor den Kopf geknallt, dass ich nicht mehr abschätzen konnte, wie viel davon ich noch ertragen konnte, ohne womöglich das Bewusstsein oder auch meinen Verstand zu verlieren. Sean Valmont befand sich in einem seltsamen Zustand der psychischen Schwebe. Meine Seele versuchte, sich irgendwie zu schützen, während mein Verstand unermüdlich um Fassung und Haltung kämpfte. Auf keinen Fall wollte ich vor meinem ältesten Freund das Gesicht verlieren.
„Hast du dir das schon angeguckt?" fragte ich ihn, während wir warteten, dass der PC vollständig hochfuhr. „Ja, habe ich", antwortete er knapp. „Teilweise", schränkte er gleich darauf spöttisch ein, „Wer will sich diesen Scheiß schon vollständig ansehen?!" Wie kann Clay nur so verdammt unvernünftig sein, grübelte ich innerlich vor Wut kochend aufs Neue, wie kann Banton sich nur ausgerechnet dann öffentlich filmen lassen, wenn er nicht nüchtern ist. Das kann dem Kerl doch nur schaden, wenn alle Welt sich heute schon wieder über ihn lustig macht. Als wäre Jill Bennet's freizügiger Blog nicht schon schlimm genug, musste der verfluchte Idiot den ständig schadenfroh nach Skandalen lechzenden Menschen noch mehr Futter geben. Clay ist so entsetzlich gedankenlos, überlegte ich verärgert, merkte aber gleichzeitig erstaunt, dass ich ihn ja auch genau deswegen so sehr liebte. Ich liebte ihn wegen seiner fraglos unbedachten, kindlichen Eigenschaft, nicht jede seiner Handlungen zuallererst in Frage zu stellen, bevor er sie beging. Clay Bantons erfrischende, befreiende Unbekümmertheit und Spontanität war nur einer der Gründe, warum er mich so kinderleicht mit in seine chaotische Welt hatte ziehen können. Es ist so verflucht schön mit ihm, dachte ich voller brennender Sehnsucht, bei ihm scheint alles nur noch einfach zu sein. Clay Banton macht sich keinen einzigen unnötigen Gedanken.
Aber du siehst doch selbst, wohin ihn seine kindische Gedankenlosigkeit jetzt geführt hat, rief mein Verstand wütend dazwischen. Banton ist unfreiwillig in der geschlossenen Psychiatrie gelandet. Und vielleicht gehört er da sogar hin, kam mir ein verblüffend neuer Einfall. Möglicherweise sollte er einfach für eine lange Zeit da drin eingesperrt bleiben, grübelte ich mit verdutzt aufgerissenen Augen. Hinter den verschlossenen Türen kann Clay nämlich und endlich keinen Unsinn mehr anstellen. Er wird nicht mehr voller Hohn und Schadenfreude von fremden Leuten gefilmt. Kann nicht mehr mit irgendwelchen verdammten Weibern oder Kerlen herumhuren. Der Süchtige kann noch nicht mal mehr seine geliebten harten Drogen nehmen. Wenn der Abhängige sehr viel Glück hat, dann kann er dort im Laufe der Zeit sogar seine verflucht gefährliche Heroinsucht überwinden.
Auf einmal verstand ich gar nicht mehr, warum mir diese vernünftige Erkenntnis nicht schon viel früher gekommen war. Stattdessen hatte ich meinen drogensüchtigen Mann nur so schnell wie möglich aus dem Krankenhaus befreien wollen. Plötzlich war ich heilfroh, dass Louis Frédéric mich davon abgehalten hatte. Lächelnd drehte ich mich zu ihm um. Er stand noch immer hinter meinem Schreibtischstuhl und betrachtete mich aufmerksam. „Was geht in deinem wahnsinnig hübschen Kopf vor, Sean Valmont?" fragte er mich geradeheraus. Er spürte wohl, dass mir inzwischen unerwartet neue Einsichten gekommen waren. „Vielleicht ist Banton in der Psychiatrie gar nicht so schlecht aufgehoben", erwähnte ich betont gleichgültig. Als wäre das nur ein Gedanke von vielen, der keine besondere Bedeutung hatte. Louis grinste breit. „Ach! Was du nicht sagst, Sean! Stell dir mal vor, das habe ich auch schon gedacht!" Natürlich wusste er das schon längst, dass die geschlossene Psychiatrie für Clay Banton vielleicht auch eine Chance sein konnte, und es nervte mich extrem, dass Louis Frédéric so tat, als wäre mein Denken ein bisschen langsam.
Ärgerlich drehte ich mich um, nahm die Maus und klickte mich sofort auf die Internetseite mit den privaten Videos, die für jeden Hobbyfilmer auf der Welt offenstand. „Du musst nur seinen Namen eingeben. Dann wirst du mit neuen und alten Aufnahmen über Banton fast erschlagen", seufzte Louis hinter mir. Abermals legte er beide Hände auf meine Schultern und nahm seine behagliche Massage wieder auf. Zweifellos wollte er mich damit besänftigen, was mich in diesem Moment aber noch nervöser machte. Tatsächlich schlug mein Herz schneller, als ich feststellte, wie erstaunlich viele neue Einträge es auf Clay Bantons Namen im Internet gab. Mein innig geliebter Mensch war tatsächlich verwirrend ausführlich gefilmt und fotografiert worden. Der zugeknallte Dummkopf hatte sich blindlings filmen lassen, und zwar offenbar nur mehr oder weniger heimlich. Besonders viele Videos zeigten ihn am letzten Abend. Und die verdammten Hyänen hatten ihre Filmchen selbstverständlich direkt für jedermann sichtbar ins Internet gestellt. Ganz offensichtlich wurde im World Wide Web pausenlos kräftig über meinen Clay hergezogen. Die zahllosen Kommentare unter den Filmen, die ich neugierig und gleichzeitig ärgerlich überflog, machten sich fast einstimmig über meinen Mann lustig.
Denn fatalerweise war Herr Banton auf keiner der neuen Aufnahmen nüchtern. Ganz im Gegenteil. Clay war dermaßen zugeknallt, dass er sich kaum noch unter Kontrolle hatte. Unübersehbar war er betrunken, schien aber zusätzlich nicht wenig Heroin konsumiert zu haben. Der so gut wie besinnungslose Kerl torkelte, stolperte, lallte, lachte, kicherte und flirtete sich so lautstark durch die Bilder, dass es schon nach einer Minute schwer für mich war, das länger mit anzusehen. Trotzdem konnte ich meinen Blick nicht abwenden. Eine seltsame Faszination ging von Clay aus, die ich mir nicht erklären konnte. Meine Aufmerksamkeit wurde von seinen dunklen Augen gefesselt. Seinem wunderschönen Gesicht. Von seinem attraktiven Körper. Einfach von der Tatsache, dass es sich wahrhaftig um Clay Banton handelte, den ich da im Internet sah. Auf dem Computerbildschirm in meinem Büro. Es schien mir, als hätte ich meinen zauberhaften Mann seit Jahren nicht gesehen. Und meine Sehnsucht nach seiner Nähe war unendlich.
Mir war klar, dass gerade Bantons fraglos lächerlicher Zustand das schadenfrohe Interesse der fremden Menschen geweckt hatte, um ihn ausgiebig zu filmen und die Aufnahmen schnellstmöglich öffentlich zu teilen. Innerlich musste ich seufzend zugeben, dass mein Mann ohne Frage sehr unterhaltsam war. Aber je länger Louis und ich uns die teils sehr schlechten und verwackelten, aber für Clay leider allzu blamierenden Filme und Fotos anschauten, umso schwerer wurde mir das Herz. Banton tat mir neben all meiner Wut entsetzlich leid. Der dumme Typ war besoffen vom Alkohol und anderweitig zugeknallt, höchstwahrscheinlich mit Heroin. Aber trotz dieser unleugbaren Tatsache ging es ihm am vergangenen Abend nicht gut. In keinem einzigen Augenblick fühlte Clay Banton sich wohl. Absolut nicht. Ich kannte meinen Mann inzwischen wahrlich gut genug, um sogar auf den teils miserablen Filmaufnahmen zu bemerken, dass keiner der Witze, die er pausenlos lautstark abriss und keiner seiner charmanten Flirtversuche seine mega traurigen Augen erreichte. Clays dunkle, betäubte Augen blieben starre Spiegel seiner unvorstellbaren Depression und Wut. Innerlich war er noch immer der schwarze Teufel, in den er sich schon früher in Elizas Badezimmer plötzlich verwandelt hatte. Der zornige Dämon war unverändert lebendig in ihm.
Das war alles meine Schuld. Sean Valmont hatte zu viele schreckliche Fehler gemacht. Ich hatte ausgerechnet den einzigen Menschen zerstört, den ich mehr als mein eigenes Leben liebte. Und ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich seine zersprungene Seele jemals wieder reparieren konnte. Mein Hals schürte sich zu. Ich musste mich tatsächlich anstrengen, um nicht auf der Stelle verzweifelt loszuheulen. Ein mega entsetztes Schreien steckte in meiner Kehle fest.
Hilflos saß ich auf meinem Bürostuhl und spürte Louis' angenehme Nackenmassage. Mein Freund stand noch immer dicht hinter mir. Unverdrossen berührte er mich, während wir uns die ziemlich aktuellen Videos und Fotos ansahen. Verbissen zwang ich mich dazu, mich auf Louis' zärtliche Berührung zu konzentrieren, damit ich nicht vollständig durchdrehte. Aber meine Augen wurden von Clay Banton gefesselt. Reglos fixierte ich den großen Bildschirm auf meinem Schreibtisch. Mit irre hämmerndem Herzen schaute ich mir nach Luft ringend an, was ein offensichtlich extrem berauschter Banton am letzten Abend nach unserer gewalttätigen Stadtparkepisode ohne mein Wissen getrieben hatte. Ich sah meinen geliebten Mann torkelnd und laut lallend. Albern flirtend und über seine eigenen Füße stolpernd. Lachend und Grimassen schneidend. Autogramme gebend, wobei er kaum den Stift halten konnte. Clay befand sich bei McDonalds. In der Warteschlange vor den Kassen. Mit fremden Frauen an einem der Tische sitzend und ausgelassen mit ihnen speisend. Auf dem Weg über einen Parkplatz, wobei er offenbar sein dort abgestelltes Auto nicht fand.
Zusätzlich gab es zu meiner Überraschung sogar Aufnahmen von der Straße vor seinem Haus, wo ihn ebenfalls irgendjemand dreist gefilmt hatte. Anscheinend hatte eine der Frauen, die er offenbar bei McDonalds abgeschleppt hatte, ihn heimlich mit ihrem Handy aufgenommen. Zweifelsfrei hatte mein Mann die letzte Nacht, im Gegensatz zu mir, nicht alleine verbracht. Dem Zugeknallten hatte unser gemeinsames Erlebnis im Park nicht noch stundenlang nachgehangen. Ihn hatte es nicht um ein Haar wahnsinnig gemacht, so wie mich. Herr Banton hatte nicht ewig mit irgendwelchen abgrundtief bösen Gespenstern in seinem Kopf gekämpft, so wie ich es die ganze Nacht einsam hatte tun müssen. Clay Banton hatte nicht eine entsetzlich lange und quälende Zeit mit zahllosen konkreten Selbstmordplänen hinter sich. Sondern der Scheißkerl hatte sich lediglich sturzbesoffen mit irgendwelchen fremden Weibern in seiner Wohnung vergnügt.
Urplötzlich war ich extrem angepisst. Keine Sekunde länger konnte ich diese aussagekräftigen Videos und Fotos ertragen. Abrupt schaltete ich den Internetbrowser aus. In diesem Moment hatte ich längst vergessen, dass Louis mir erzählt hatte, dass Clay die fremden Frauen später wieder weggeschickt und nur eine einzige mit in seine Wohnung genommen hatte. Sean Valmont konnte nicht mehr denken. Seine Eifersucht und Wut brachten ihn beinahe um. Das ist echt zu viel, dröhnte es verzweifelt in meinem Schädel.
Louis Frédéric hinter meinem Stuhl lachte laut auf. Es amüsierte ihn, dass ich den Browser hastig und heftig, voller aufbrausendem Zorn abgeschaltet hatte. „Na, verstehst du es jetzt, Valmont? Kapierst du endlich, warum du nicht wie ein Idiot sofort zu ihm rennen und damit deine Arbeit riskieren sollst?" rief er provozierend, „Banton ist das gar nicht wert! Der verdammte Kerl wartet kein bisschen auf dich! Du hast doch gerade selbst gesehen, dass der Mann wegen deiner Vergewaltigung nicht halb so verletzt ist, wie du es dir schlechten Gewissens vorgestellt hast. Deine Selbstzerfleischung ist totaler Blödsinn, Sean Valmont! Deinem Typen geht das nämlich ganz hervorragend. Der hat sich direkt anschließend sofort wieder ausführlich mit den Weibern vergnügt. Alle deine liebeskranken Sorgen wegen diesem verfluchten Typen sind absolut sinnlos und unangebracht, Herr Professor!" Seine Hände schlossen sich fester um meine Muskeln, bis er mir schon fast wehtat. Unbehaglich zog ich die Schultern hoch. „Ja, du hast recht, Louis", gab ich kleinlaut zu.
Allerdings tobte in meinem verwirrten Schädel ein Krieg, in dem mein Gefühl hartnäckig gegen meinen Verstand ankämpfte. Das ist nicht wahr, flüsterte die unerschütterlich verliebte Stimme in meinem Kopf, Louis hat Clays Augen nicht gesehen, die abgrundtief schwarze Höhlen geworden sind. Louis kann Clays Augen gar nicht richtig deuten. Er kann den Teufel in ihm nicht erkennen. Aber ich kann das. Ich weiß ganz genau, was mit meinem sensiblen Mann los ist. Ich verstehe diese verdammten Filme. Clay hat für die scheiß Weiber nur Theater gespielt. Er hat das gestern Abend nur gemacht, um sich abzulenken. Er musste sich mit irgendwas ablenken. Weil er sonst nämlich bestimmt gestorben wäre. Ich habe Clay Banton kaputtgemacht. Sean Valmont hat diesen besonderen Menschen zweifellos auf dem Gewissen.
Siamak
„Ich habe Ihnen doch schon erklärt, dass ich Sie zuerst ein wenig besser kennenlernen muss, Herr Banton. Vorher kann ich Sie unmöglich nach Hause gehen lassen. Das kann ich in Ihrem Fall nicht verantworten. Erst einmal müssen wir gemeinsam den Ereignissen der letzten Nacht auf den Grund gehen. Verstehen Sie das?" betrieb Professor Maiwald geduldig seine einstudierte Deeskalation. Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß der Psychologe besonnen auf dem grauen Sessel und lächelte seinen widerspenstigen Patienten beruhigend an. Clay auf dem Sofa war dagegen ständig in nervöser Bewegung. Sein attraktiver Körper rutschte und hampelte sinnlos auf dem Polster herum. Es war nicht zu übersehen, wie extrem unwohl der junge Mann sich fühlte. „Nein, das verstehe ich nicht!" erwiderte er mit unverhülltem Widerwillen, „Es ist doch scheißegal, wer ich bin. Ich will doch nur nach Hause, verdammt!"
Das Lächeln des Professors veränderte sich nicht, während ich Mühe damit hatte, weiterhin gelassen zu erscheinen. Mein Herz klopfte aufgewühlt. Es ging mir nahe, wie unbehaglich und bedroht Clay sich in dieser Situation fühlte. Zu gerne wollte ich ihm irgendwie helfen, ihn vielleicht einfach tröstend in den Arm nehmen und ihn damit vor den Anforderungen des Professors beschützen. Aber das ging natürlich nicht. Auf gar keinen Fall durfte ich Herrn Banton jetzt berühren. Das hätte Professor Maiwald niemals gutgeheißen, geschweige denn auch nur annähernd verstanden. Darum saß ich nur angespannt auf meinem Sessel, beobachtete hilflos meinen schwierigen Patienten und wusste nichts zu sagen.
„Nein, es ist nicht egal, wer Sie sind, Herr Banton. Ganz im Gegenteil. Bei diesem Gespräch geht es sogar ausschließlich um Sie. Wie ich schon sagte, wir müssen gemeinsam herausfinden, was in der letzten Nacht mit Ihnen geschehen ist", erklärte der Oberarzt sanft, „Sie sind ja nicht ohne Grund hier eingeliefert worden." Seine Geduld schien unerschöpflich zu sein, wofür ich meinen höhergestellten Arbeitskollegen bewunderte. Insgeheim wünschte ich mir, auch so gelassen und besonnen bleiben zu können. Aber mein Herz hämmerte vor Nervosität. Pausenlos fürchtete ich irgendeine unerwartete Dummheit von dem Schwierigen.
Clay entwich ein frustriertes Fauchen. Sein Blick heftete sich auf das Handy des Professors, das unverändert zwischen uns auf dem niedrigen Tisch lag und jedes Wort aufzeichnete, das im Raum gesprochen wurde. „Wenn Sie einfach meine Fragen beantworten, so gut Sie dazu in der Lage sind, Herr Banton, dann werden wir diese Unterredung schneller hinter uns bringen können. Je besser Sie kooperieren, umso leichter kann ich zu einer Entscheidung gelangen", erklärte Fabian mit sanfter Stimme. Aufmerksam betrachtete er seinen Gesprächspartner. Clay Banton hatte ihm scheinbar gar nicht zugehört. Der Patient stellte seine hektischen Bewegungen langsam ein, weil er sich zunehmend auf das Handy fokussierte. Instinktiv ahnte ich nichts Gutes, als Clay sich auch schon ohne Vorwarnung frech das mobile Telefon schnappte. Er bewegte sich so überstürzt, griff so schnell nach dem Smartphone, als fürchtete er, gewaltsam daran gehindert zu werden. „Ich muss mal eben jemanden anrufen", informierte er Fabian und mich schroff, ohne uns dabei anzusehen. In wilder Hast tippte er irgendeine Nummer in das Gerät. „Clay, nicht doch! Das darfst du jetzt nicht! Leg das sofort wieder hin!" rief ich entsetzt. Augenblicklich wollte ich aufspringen und ihm das Telefon des Oberarztes wegnehmen. Aber zu meiner Überraschung hielt Fabian mich mit einer schnellen Handbewegung auf meinem Sessel zurück. Fragend guckte ich ihn an. Er schüttelte den Kopf. „Ist schon gut, Siamak. Lass ihn ruhig", entschied der Professor zu meiner absoluten Verblüffung. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er Clay ohne Bedenken sein Smartphone überlassen würde. Psychiatriepatienten durften eigentlich nicht ohne Aufsicht und vorherige Absprache telefonieren.
Clay hatte die eingegebene Nummer noch mehrmals gelöscht und verbessert, scheinbar war er sich nicht sicher, ob sie überhaupt stimmte. Nun saß er starr auf dem Sofa, das schwarze Gerät dicht an sein Ohr gekrallt, die Augen abwehrend geschlossen. Er konzentrierte sich ganz auf das, was er hörte. Offenbar wartete er auf eine Verbindung. Fabian und ich beobachteten unseren eigenmächtigen Patienten interessiert. Angespannt hielt ich den Atem an. Ich fragte mich irritiert, wen Clay auf einmal so dringend anrufen musste, und was er sich denn eigentlich von diesem rätselhaften Telefonat versprach. Plötzlich blaffte Clay im energischen Befehlston in den Hörer: „Du musst sofort herkommen und mich abholen. Sofort. Ich bin im Christopherus. Bring mir was zum Anziehen mit. Ich brauche Schuhe und eine Jacke und so was. Beeil dich. Bitte." Herr Banton beendete sein kurzes, unerlaubtes Telefongespräch mit einem schnellen Tastendruck. Vorsichtig legte er das Handy zurück auf den niedrigen Tisch. Fabian nahm es auf und überprüfte, ob das Gerät noch auf Aufnahme stand. Das tat es wohl, denn er legte sein Smartphone kommentarlos zurück auf die Tischplatte.
„Danke schön", bedankte Clay sich artig und schaute mich seltsam zufrieden an. Der junge Mann war jetzt glücklicherweise ruhiger als vorher. Das Telefonat hatte ihn offenbar besänftigt, auch wenn ich mir das nicht erklären konnte. Ging Clay denn wahrhaftig davon aus, dass er einfach hier von jemandem abgeholt werden konnte und dann gehen durfte? So dumm konnte er doch gar nicht sein! Oder? „Wen haben Sie angerufen? War es vielleicht die junge Frau, die sie bei ihrer Einlieferung begleitet hat?" erkundigte Fabian sich freundlich. Sein Blick lag nun wieder forschend auf seinem Patienten. Clay lehnte sich auf dem Sofa zurück und betrachtete ihn nachdenklich. „Nein. Es war ein Freund", antwortete er ausweichend. „Wird ihr Freund Sie abholen kommen?" fragte der Oberarzt sanft. „Hoffentlich", murmelte Clay, der sich anscheinend in diesem Punkt gar nicht sicher war. Zu gerne hätte ich gewusst, von wem er sich diese Hilfe versprach. „Nun, dann können wir uns ja jetzt noch ein bisschen unterhalten, während wir auf Ihren Freund warten. Nicht wahr, Herr Banton? Sind Sie damit einverstanden?" schlug Fabian behutsam vor, wobei er Clay nicht aus den Augen ließ. Der gewitzte Professor ließ seinen Patienten in dem Glauben, er dürfte sich tatsächlich problemlos von jemandem abholen lassen. Dieser mit Sicherheit wohlüberlegte Schachzug diente zweifelsfrei dazu, den aufgebrachten Widerspenstigen zu beruhigen.
Und erstaunlicherweise funktionierte das sogar. Nach seinem unerlaubten Telefonat war Clay Banton tatsächlich viel umgänglicher. Der naive Kerl hatte wahrlich keine Ahnung, wie es in der Psychiatrie zuging, die nicht ohne Grund geschlossen war. Er wusste nicht, welche strengen Regeln hier galten. Ich dagegen wusste nur zu gut, dass dieser unbekannte Freund von Clay noch nicht mal bis zu Herrn Banton vorgelassen werden würde, sollte er tatsächlich in nächster Zeit hier auftauchen. Das Personal würde den unangemeldeten und ungenehmigten Besucher stattdessen an der Eingangstür festhalten oder sogar gleich wieder wegschicken. Mit Sicherheit durfte Clays Freund die geschlossene Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses zu diesem Zeitpunkt nicht einmal betreten. Aber das verriet Fabian Maiwald seinem schwierigen Patienten natürlich nicht, denn dieser Umstand hätte Clay Banton unter Garantie enorm aufgeregt. Fabians vorausschauende Vorgehensweise war mir absolut verständlich.
Der Patient seufzte schwer und nickte dann. „Ja, okay", stimmte er zu unser aller Erleichterung endlich zu. Fabian lächelte aufmunternd. „Prima, Herr Banton. Das ist eine sehr kluge Entscheidung von Ihnen. Dann nehmen wir doch gleich nochmal Ihren interessanten Geburtsort auf. Sie sagten, dass Sie in Reykjavík geboren, aber anschließend nicht in der Hauptstadt von Island aufgewachsen sind?" Clay nickte gelangweilt. „Wo sind Sie stattdessen aufgewachsen?" wollte Fabian wissen. Clay nannte uns den Namen eines isländischen Ortes, den ich nicht mal hätte aussprechen können, geschweige denn schon mal von ihm gehört hatte. Fabian nickte allerdings, als würde er diesen Ort kennen, der Clay Bantons Heimat war. „Erzählen Sie mir bitte etwas über Ihre Familie. Haben Sie noch Geschwister? Was ist mit Ihren Eltern?" forschte der Oberarzt interessiert. Meine Ohren wurden von allein größer, weil mich diese Dinge tatsächlich sehr viel brennender interessierten, als ich mir erklären konnte. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, gar nicht genug über Clays Leben erfahren zu können. Ich wollte diesen besonderen Menschen dringend verstehen. Ich wollte begreifen, wie er zum gegenwärtigen Punkt in seinem Leben gelangt war, welchen Weg er schon hinter sich hatte.
Clay schloss für einen Augenblick die Augen, als müsste er für seine Antwort erst Kraft ansammeln. Dann schaute er uns seltsam entschlossen an. Seine Finger nahmen das nervöse Streicheln über den grauen Stoff des Sofas wieder auf. „Wir waren eine tolle Familie", berichtete Clay dem Professor und mir mit rührendem Stolz, „Wir sind alle halb. Halbe Schwestern und ein halber Bruder. Das ist interessant, weil wir alle anders aussehen. Uns gibt es in allen Farben und Größen. Wir sind blond, brünett, schwarz und rot. Mein Dad ist ein Künstler, ein magischer Naturgeist. Und meine Mum..." Er brach ab und holte tief Luft. Seine Hände fingen an zu zittern. „Meine Mutter ist da echt glücklich gewesen, glaube ich", sagte Clay mühsam. Erneut schloss er abwehrend die Augen. Seine Hände strichen jetzt über seine zitternden Oberschenkel, weil er sich selbst beruhigen musste. Offensichtlich wühlten diese Worte mit den dazugehörigen Erinnerungen ihn weit mehr auf, als er uns zeigen wollte.
Fabian warf mir einen vielsagenden Blick zu, den ich seufzend erwiderte. „Was ist dann passiert, Herr Banton? Sie sagten, Sie waren eine tolle Familie. War das später nicht mehr der Fall?" wandte der Oberarzt sich vorsichtig an den Patienten. Clay riss die Augen auf und starrte ihn an. Seine Brauen zogen sich verärgert zusammen. „Meine Eltern haben sich getrennt, als ich acht Jahre alt war. Das hat mich total traumatisiert. Das habe ich doch schon längst kapiert!" erklärte er mit einer eigensinnigen Härte, die dem Professor wohl begreiflich machen sollte, dass er sehr wohl wusste, was mit ihm los war. „Und nach der Scheidung ist Ihre Familie auseinandergebrochen?" forschte Fabian sanft nach. Clay schüttelte den Kopf. „Sie haben sich nicht scheiden lassen. Sie haben sich getrennt. Sie sind nicht verheiratet gewesen", konkretisierte er ungeduldig. „Was ist nach der Trennung passiert?" ließ Fabian sich nicht beirren. „Wir sind alle nach Kanada gezogen. Ohne meinen Dad", verriet Clay ihm mit einer angewiderten Grimasse, die deutlich machte, wie wenig ihm dieser Umzug verständlicherweise gefallen hatte.
Eine Weile war es still im Büro, während ich versuchte, das eben Gehörte richtig zu analysieren. Auch Fabian brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. „Bedeutet das, dass Ihre Mutter mit Ihren Halbschwestern und Ihnen nach Kanada gezogen ist und Ihren Vater auf Island zurückgelassen hat?" wollte er sichergehen, alles richtig zu verstehen. Clay seufzte und nickte. „Das bedeutet es", stimmte er zu. An diesem Punkt war mir schon klar, dass mein schwieriger Patient wahrhaftig in seinem kurzen Leben schon eine weite und komplizierte Reise mitgemacht hatte. Ich ahnte, dass Island und Kanada nicht seine einzigen Stationen gewesen waren, und dass seine Mutter offenbar eine sehr außergewöhnliche und zweifellos mutige Frau war, die es nicht sehr lange an einem Ort oder mit einem Mann aushalten konnte.
„Sag mal, Clay, wie viele Halbschwestern hast du denn eigentlich genau?" fragte ich ihn neugierig. Er lächelte mich an. Und ich schmolz augenblicklich dahin, weil sein Lächeln so zauberhaft war. Obwohl seine Augen dabei unbewegt blieben, war Bantons Lächeln sanft und freundlich. „Es sind vier, Siamak", verriet er mir leise. „Und haben die Mädchen einen anderen Vater?" fragte ich fassungslos, „Oder sind sie auch von..." „Nein, sie haben alle einen anderen Vater", unterbrach Clay mich heftig. „Willst du auch noch ihre Namen und ihr Alter wissen? Oder ihren Geburtsort? Das Land, in dem sie gezeugt wurden?" fragte er mich provozierend. Seine Unruhe stieg rapide an, denn die Befragung durch den Professor und mich gefiel ihm nicht. Clay fühlte sich von uns in die Enge getrieben, was ich ihm noch nicht mal verdenken konnte. Er musste sich der fachlichen Neugierde von Fabian und mir ja hilflos ausgeliefert fühlen. Andererseits diente unser Gespräch doch nur dazu, ihm zu helfen. Herr Maiwald und ich hatten ausschließlich die allerbesten Absichten mit ihm. Es stimmte mich traurig, dass mein schwieriger Patient das partout nicht einsehen wollte.
Banton ballte seine Hände zu Fäusten und schlug halbherzig auf das Sofa ein. „Also gut...", stöhnte er genervt, „Meine Schwestern sind alle in einem anderen Land geboren worden. Meine Mutter ist ständig in der Welt herumgereist und hat sich überall von irgendeinem Kerl ein Blag andrehen lassen. Aber ich bin der Letzte gewesen. Nach mir kam keiner mehr." Knurrend wich er unseren verdutzten Blicken aus. Er holte tief Luft und klopfte weiter nervös auf das Sofa, als wollte er eigentlich lieber etwas kaputtschlagen. „Ich weiß genau, wie komisch das ist. Es ist total asozial. Absolut krank. Aber ich kann es nicht ändern. So ist das eben mit meiner Mum", meinte Clay hilflos, als müsste er sich für den ungewöhnlichen Lebenswandel seiner Mutter entschuldigen.
„Das ist nicht Ihre Schuld gewesen, Clay", versicherte Fabian ihm tröstend. Zum ersten Mal hatte er Banton mit seinem Vornamen angesprochen. Das fiel auch dem Patienten auf. Sofort stellte er das Klopfen ein und fixierte den Professor argwöhnisch. „Die Trennung Ihrer Eltern war nicht Ihre Schuld, Clay. Sie waren zu diesem Zeitpunkt ein Kind von acht Jahren. Es kann gar nicht Ihre Schuld gewesen sein. Und auch für die Gewohnheiten Ihrer Mutter, die weder krank noch asozial sind, können Sie nichts", erklärte der Oberarzt ihm behutsam. Dieser freundliche Zuspruch verwirrte Clay enorm. „Nein... das ist nicht... ich habe nicht...", stotterte er unbeholfen und verstummte. Dem Professor und mir war auf der Stelle klar, dass Clay Banton sich sehr wohl die Schuld an der Trennung seiner Eltern gab, so wie es leider die meisten Kinder in ähnlichen Situationen tun. Und die Unbeständigkeit seiner Mutter in ihren sexuellen Beziehungen beschämte ihn, obwohl er wahrlich nichts dafür konnte.
„Wie ging Ihr Leben dann ohne Ihren Vater in Kanada weiter?" erkundigte der Psychologe sich wohlwollend, um Clay durch die plötzliche Verwirrung zu helfen. Der Patient brauche noch eine Minute, um seine Gedanken zu ordnen. Abermals nervös, fing er wieder an über das Sofa zu rutschen, denn eigentlich wollte er viel lieber aufstehen und weglaufen, das war mir bewusst. „In Kanada gab es einen anderen Mann. Bei dem haben wir gewohnt. Das war schon in Ordnung", meinte Clay gespielt gleichgültig. In Wahrheit war sein Leben wohl spätestens ab diesem Zeitpunkt mit Sicherheit keineswegs mehr in Ordnung für ihn gewesen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie ein Achtjähriger sich fühlen musste, den man seines Vaters beraubt und aus der gewohnten Umgebung herausgerissen hatte. „Was war für dich das Schlimmste in Kanada, Clay?" fragte ich ihn vorsichtig. Sein Blick wanderte geringschätzig zu mir. „Ich konnte kein scheiß Wort englisch!" zischte er verärgert. „Haben Sie nur isländisch gesprochen?" hakte der Professor nach. „Ich konnte isländisch und deutsch. Aber kein scheiß englisch!" fauchte Clay ungeduldig. „Woher konnten Sie deutsch?" wollte der Oberarzt verblüfft wissen. „Weil meine Mutter Deutsche ist", knurrte der Patient, als müssten wir das eigentlich wissen, „Zu Hause hat sie mit uns Kids immer nur deutsch gesprochen." „Also sind Sie und ihre Schwestern mehrsprachig aufgewachsen", stellte der Professor milde fest und Clay nickte erschlagen.
„Aber was wirklich das Beschissenste in Kanada war, Siamak", wandte er sich hämisch grinsend an mich, „Das war die verfickte kanadische Kälte!" Ich benötigte einen Augenblick, um Bantons offene, für mich unverständliche Feindseligkeit in seinen dunklen Augen zu verdauen. Warum war Clay so entsetzlich wütend auf mich? Was um Himmels Willen hatte ich ihm denn nur getan? Ich spürte den unterschwelligen Zorn, der tief in meinem Patienten wütete, und das betrübte mich unendlich. „Ach, hör auf, Clay!" winkte ich ungläubig ab, „Du bist in Island aufgewachsen! Die Insel im Norden ist nicht gerade für ihr warmes Klima bekannt. Du müsstest Kälte ja wohl von Klein auf gewöhnt sein." Clay lachte so spöttisch auf, dass ich mir unangenehm dumm vorkam. Prustend schüttelte er den Kopf und bedachte mich mit einer geringschätzigen Grimasse. Sein Körper bewegte sich jetzt heftig auf der Couch, er schwankte vor und zurück, zappelte mit den Armen und Beinen herum. Offenbar konnte er vor Nervosität schlicht nicht stillsitzen. „Du hast so was von keine Ahnung, Siamak!" jubelte Clay Banton amüsiert, „In Kanada ist es viel kälter als in Island. Wo wir damals wohnten, in der Provinz Alberta, in den scheiß Rocky Mountains, da ist es sogar verflucht viel kälter. Im Winter hat Baby-Banton sich regelmäßig seinen kleinen, dürren Arsch abgefroren." Clay fand seine spöttischen Ausführungen so lustig, dass er lauthals lachte und sich ausgelassen auf dem Sofa herumwand. Plötzlich ging es förmlich mit ihm durch. Ich vermutete, dass der arme Kerl innerlich so angespannt war, dass seine extreme Anspannung sich auf diesem Wege schlagartig Luft machen musste. Wenigstens ist er nicht aggressiv, versuchte ich seine deplatzierte Albernheit zu entschuldigen.
Hilflos warf ich Fabian auf dem Sessel neben mir einen Blick zu. Der Professor schaute mich vielsagend an, denn er analysierte das aufschlussreiche Verhalten des Patienten ohne Pause akribisch. Mit einiger Genugtuung glaubte ich festzustellen, dass Fabian Maiwald mittlerweile ein besonderes Interesse an meinem Patienten entwickelt hatte. Genau darauf hatte ich ja insgeheim gehofft. Der Oberarzt begriff langsam, dass Herr Banton kein gewöhnlicher Mensch war, und das er wahrhaftig eine ausgefallene Lebensgeschichte hatte. Letzteres hatte ich selbst noch nicht gewusst, aber es wunderte mich nicht so sehr, wie es vielleicht normal gewesen wäre. Wahrscheinlich hatte Doktor Tourani von Anfang an geahnt, dass hinter dem besonderen Mann auch eine einzigartige Geschichte steckte.
„Wie kamen Sie mit Ihrem neuen Vater zurecht?" wollte Fabian sanft wissen. Konzentriert lauschte er auf die Antwort. Clay verdrehte entrüstet die Augen. „Nein, Herr Professor, der böse fremde Mann hat den kleinen Banton nicht missbraucht!" leierte er albern und kicherte verschmitzt. „Das ist es doch, was Sie sofort vermuten, oder?" warf er Fabian provokant vor und schüttelte abfällig den Kopf. „Ich kann Sie beruhigen, Herr Professor. Der Mann in Kanada war ein richtig netter Typ", behauptete er, „Der hat mir sogar Englisch beigebracht." Fabian nickte milde und hob beschwichtigend die Hände. „Diese Vermutung lag tatsächlich nahe, Clay", gab er offen zu, woraufhin Clay lauthals johlte und die Augen verdrehte. „Das ist so ein beschissenes Psychologengewäsch!" konnte er sich nicht zurückhalten, „Diese verfickten Stereotypen gibt es in Wahrheit gar nicht! Das echte Leben spielt sich definitiv jenseits solcher Klischees ab!" Sein Lachen starb jählings. Übergangslos taxierte er Fabian und mich nur noch verärgert. Sein stechender Blick wanderte herausfordernd zwischen Professor Maiwald und mir hin und her. Man merkte ihm an, dass es ihm schwerfiel, ruhig auf dem Sofa zu sitzen, aber er bemühte sich jetzt, seinen widerwillig erregten Körper unter Kontrolle zu behalten. Clay stellte die Füße dicht nebeneinander auf den Boden und klemmte seine zitternden Finger unter die Oberschenkel. „Da haben Sie recht, Clay. Das Leben ist kein Klischee", stimmte Fabian gutmütig zu.
„Wie lange haben Sie in Kanada gelebt?" erkundigte er sich gleich darauf bedachtsam. „Nur vier Jahre. Dann haben sie sich getrennt", blaffte der Patient unverändert widerwillig und gestresst. Zischend holte er Luft und kläffte ungeduldig: „Danach wohnten wir in Australien. Bei einem anderen Mann. Das ging ein paar Jahre gut. Dann trennten sie sich wieder. Als ich fünfzehn war, kamen wir nach Deutschland. Ohne den Kerl. Und das war's dann auch schon. Kann ich jetzt bitte gehen?" Inständig huschte sein Blick ein paarmal von Fabian zu mir, blieb letztendlich bei mir hängen und brach mir damit fast das Herz. Schockiert erkannte ich die aufsteigende Panik tief in Clay Bantons Seele. Seine Augen flehten mich um Erlösung an. Der zutiefst verletzte Junge wollte über diese belastenden Dinge aus seiner Vergangenheit nicht sprechen. Es fiel ihm unglaublich schwer, das Gespräch mit dem Professor und mir überhaupt zu führen. Und je länger es andauerte, umso mehr schien seine intuitive Angst und das Unbehagen ihn zu überwältigen.
Wie so oft kompensierte Clay Banton seine Furcht mit Aggressivität. „Ich habe Ihnen jetzt alles erzählt, Herr Professor. Mehr gibt es da nicht. Ehrlich. Das ist doch sowieso alles total langweilig. Ich möchte jetzt dringend nach Hause gehen", betonte unser Patient verzweifelt. Verkrampft hockte er auf dem Sofa und bemühte sich, nicht allzu stark auf dem grauen Polster herumzuhampeln, was ihm aber mittlerweile kaum noch gelang. Seine Extremitäten bewegten sich wieder haltlos. Sein Leib schwankte vor und zurück. Er zitterte am ganzen Körper vor Anspannung. „Möchten Sie eventuell etwas trinken, Herr Banton?" fragte Fabian Maiwald ihn wohlüberlegt, während er den extrem aufgewühlten Patienten alarmiert im Auge behielt. Clay schüttelte den Kopf. „Nein, verdammt. Ich will jetzt nichts trinken. Ich will endlich hier raus. Ich will nach Hause", wiederholte er hörbar entnervt.
„Bitte bleiben Sie ruhig", bat Fabian sanft, „Es gibt für Sie keinen Grund zur Aufregung." Sein Lächeln sollte beruhigend wirken, hatte auf Clay jedoch in diesem Moment die gegenteilige Wirkung. Abrupt sprang der Verletzte auf. Irgendwie hatte ich das schon geahnt, darum war ich fast so schnell auf den Beinen wie er. „Setz dich sofort wieder hin, Clay!" fuhr ich ihn drohend an. Er taxierte mich feindselig, trat nervös auf der Stelle und wusste nicht wohin mit seinen langen Armen und Beinen. „Ich habe alles gesagt!" fauchte er aufsässig, „Ich will jetzt nicht länger reden! Langsam habe ich echt genug erzählt!" „Das müssen Sie schon mir überlassen, Clay, wann unsere Unterredung beendet ist", meldete Fabian sich betont verständnisvoll. Clay fuhr fauchend zu ihm hin. „Ich sag jetzt nichts mehr! Ich will das nicht länger..." „Möchten Sie lieber zurück in Ihr Zimmer gebracht werden, Clay? Sollen wir unser Gespräch vielleicht auf später verschieben?" erkundigte Fabian sich freundlich. Reglos, aber aufmerksam sah er sich an, wie der zornige Patient schockiert zusammenzuckte. „Nein... das ist nicht... ich will doch nicht...", stotterte Clay total verwirrt.
Sein Blick fiel absolut panisch auf mich. Grün-braune, faszinierend tiefgründige Augen flehten mich stumm um Rettung an. Im nächsten Moment starrte er gebannt die Tür an. Mir war völlig klar, dass Herr Banton mal wieder kurz davor war wegzulaufen. Das konnte ich auf keinen Fall zulassen. Spontan lief ich mit schnellen Schritten um den niedrigen Tisch herum und fasste Clay hastig am unverletzten rechten Oberarm, um ihn vorsichtshalber festzuhalten. Obwohl er versuchte mir auszuweichen, gelang mir das überraschend problemlos. „Beruhige dich bitte, Clay. Wir wollen dir doch gar nichts tun. Dir passiert doch hier nichts", redete ich liebevoll auf ihn ein. In diesem Moment wollte ich den verwirrten, aus irgendeinem Grund extrem verängstigten jungen Mann nur irgendwie beruhigen. Ich dachte nicht daran, wie meine unangebracht vertraulichen Bemühungen eventuell auf Professor Maiwald wirken konnten. „Bitte sei ganz ruhig", flüsterte ich sanft und streichelte mit dem Daumen zart über seinen nackten Oberarm, „Ich verspreche dir, dass dir nichts passieren wird." „Er stellt mir immer mehr beschissene Fragen!" beschwerte Clay sich rührend hilflos, „Ich will über diesen Scheiß nicht sprechen!" „Aber dieser Scheiß ist doch nun mal dein Leben, Clay. Professor Maiwald muss dir diese Fragen stellen, wenn er dich kennenlernen will", erklärte ich ihm geduldig. Meine Augen baten ihn voller Verständnis, nur noch ein wenig länger durchzuhalten.
„Genau so ist es, Herr Banton. Doktor Tourani hat vollkommen recht", meldete sich Fabian, der unverändert gefasst auf seinem Sessel saß und uns interessiert beobachtete, „Meine Fragen dienen einzig und allein dazu, Sie kennenzulernen und dadurch besser einschätzen zu können." Erschrocken ließ ich Clays Arm los und ging einen Schritt zurück. Plötzlich wurde mir bewusst, wie seltsam meine zärtliche Annäherung auf den Professor wirken musste. Clay stöhnte schwer. Ergeben schloss er die Augen und ließ sich zurück auf das Sofa fallen. Es tat mir weh, wie überaus resigniert er mit einem Mal wirkte. Als wäre seine Energie blitzartig verbraucht. Mir schien es, als hätte sämtliche Lebendigkeit oder innere Kraft ihn verlassen. „Hör mal, Clay", sprach ich ihn an und wartete, bis er zögernd die Augen öffnete und zu mir hoch sah. „Du hast doch gerade deinen Freund angerufen. Der wird bestimmt bald kommen und dich abholen, oder?" „Hoffentlich", seufzte Clay deprimiert, „Ich konnte ihm ja nur auf die blöde Mailbox quatschen." „Die wird er bestimmt bald abhören. Solange versuche doch bitte, dich auf unser Gespräch einzulassen. Nur bis dein Freund dich abholt. Das kann ja nicht mehr allzu lange dauern, nicht wahr?" Aufmunternd lächelte ich ihn an. Innerlich betete ich, ihn erreichen zu können.
Doktor Siamak Tourani setzte darauf, seinem schwierigen Patienten irgendeine Hoffnung anzubieten, an der sich der völlig haltlos Verlorene würde festhalten können. Natürlich wusste ich, dass Clays unbekannter Freund, um wen auch immer es sich dabei handelte, ohne vorherige Absprache mit dem Professor mit Sicherheit nicht zu Banton gelangen würde. Und auch die junge Frau, die Clay bei seiner nächtlichen Einlieferung begleitet hatte, würde nicht ohne Weiteres zu ihm vorgelassen werden. Dies hier war die geschlossene Abteilung, in der wir uns befanden. Hier galten andere, nicht ohne Grund ziemlich strenge Richtlinien. Niemand konnte einen Patienten der Psychiatrie ohne Rücksprache mit dem verantwortlichen Oberarzt erreichen. Es wunderte mich, dass Kim Flint, die ich in der Nacht in Clays Begleitung überaus anhänglich zu ihm erlebt hatte, nicht schon längst an der Eingangstür aufgetaucht war. Aber vielleicht hatten wir auch nur noch nichts davon erfahren.
Zum Glück schien Clay gar nicht bewusst zu sein, wo genau er sich gerade befand, und dass er hier nicht so einfach von irgendjemandem abgeholt werden konnte. Meine im Grunde völlig unsinnigen, wenn nicht sogar verlogenen Sätze hatten überraschenderweise eine beruhigende Wirkung auf Mister Banton, was mich unglaublich erleichterte. „Okay, ich versuch's", flüsterte er unglücklich und schaute mich so herzerweichend scheu an, dass ich ihn am liebsten sofort tröstend in den Arm nehmen wollte. Nur mühsam konnte ich mich davon abhalten. „Danke, Clay", wisperte ich bewegt und streichelte ihm zärtlich über den Kopf. Sanft fuhren meine Finger durch sein kurzes, verschwitztes, verstrubbeltes Haar, weil ich mich schlicht nicht zurückhalten konnte. Ich spürte die Wärme seiner Kopfhaut, die Härte seines Schädels, seine noch immer gut fühlbaren Beulen, die von heftigen Schlägen auf den Kopf herrührten, das Gefühl seiner weichen Haare zwischen meinen Fingern. Die eigentlich recht harmlose Berührung fuhr mir unerwartet heftig durch den Körper, sammelte sich zielstrebig an intimen Stellen, sodass ich verblüfft seufzend meine Hand zurückzog. Clay lächelte kläglich und zwinkerte mir auf eine dermaßen charmante Art zu, dass ich mich hilflos abwenden musste.
Maßlos verwirrt schlich ich zurück zu meinem Sessel und hoffte inständig, vor dem Professor kein auch nur irgendwie fragwürdiges Bild abgegeben zu haben. „Schön, Herr Banton. Dann machen wir also weiter", fing Fabian an, als wäre gar nichts passiert, „Erzählen Sie mir doch bitte noch ein bisschen über Ihre Zeit in Kanada. Wie war das für Sie als Kind, mit einem neuen Vater und in einer fremden Umgebung zurechtkommen zu müssen." Clay grinste spöttisch. Seine Augen blieben starr auf den Professor gerichtet. „Für mich als Kind war das schon okay", behauptete er, „Kinder sind erstaunlich anpassungsfähig. Mit der Zeit bin ich da richtig gut klargekommen." Der Oberarzt wiegte unzufrieden seinen Kopf. Zum ersten Mal zeigte er so etwas wie eine Gefühlsregung, was mich total überraschte. „Also glauben Sie nicht, dass dieser drastische Umzug und der Verlust Ihres Vaters in Ihrer Kinderseele eine Verletzung verursacht haben könnte?" fragte der Psychologe extrem vorsichtig.
Clay verzog gestresst das Gesicht und atmete schwer aus. „Ich sagte doch schon, dass die Trennung meiner Eltern mich traumatisiert hat. Das war... Ich... mochte meinen Dad... er war... ich... habe ihn total geliebt..." Clay geriet ins Stammeln und brach verwirrt ab. Tief atmete er durch, weil dieses Thema ihn fraglos extrem aufwühlte. Er hängt sehr an seinem Vater, verstand ich und musste schlucken, der kleine Junge war erst acht Jahre alt, als sein Vater ihm weggenommen wurde. Der isländische Mann musste ihm unvorstellbar viel bedeutet haben, denn Clay bezeichnete seinen Papa als magischen Naturgeist, um Himmels Willen! „Aber... Kinder sind erstaunlich stark. Die haben diesen seltsam grenzenlosen Optimismus. Kids schaffen das irgendwie. Kommen damit klar, wenn so eine Scheiße passiert", fuhr Clay mühsam fort. Sein Blick hing an dem Oberarzt ihm gegenüber. Der Professor betrachtete ihn nachdenklich nickend. „Das ist das Wunder der Jugend", setzte Clay unbeholfen grinsend hinzu. „Meinen Sie damit, dass Sie früher in Ihrer Kindheit damit klargekommen sind, aber jetzt, wo sie älter sind, schaffen Sie das nicht mehr?" hakte Fabian interessiert nach. Clay knurrte verärgert und schüttelte den Kopf. „Nein, verdammt. Das habe ich nicht gesagt", meinte er geringschätzig, „Es heißt nur, dass Kinder optimistisch sind und so was leichter wegstecken."
Seine Augen warnten Maiwald, jetzt bloß nicht nochmal nachzufragen. Zum Glück schien der Psychologe den Patienten zu verstehen. Ich war froh, als Fabian das Thema damit auf sich beruhen ließ, obwohl noch so viele Fragen offen waren. Denn bestimmt hatte mein Kollege, genau wie ich, das Gefühl, dass noch sehr viel mehr dahintersteckte. Höchstwahrscheinlich waren Banton nicht nur in Kanada noch schlimmere Dinge passiert, als nur die Trennung seiner Eltern. Der arme Kerl hat in seinem unsteten Leben bestimmt Vieles erlebt, wovon er uns niemals freiwillig etwas erzählen wird, glaubte ich erschüttert zu ahnen, als ich meinen spürbar aufgeregten Patienten gedankenverloren studierte. Ich erinnerte mich, dass Clay mir bei einer unserer Begegnungen in der Notaufnahme erzählt hatte, dass er schon als Kind von seinen Eltern zum Psychiater geschickt worden war. Zu gerne hätte ich die Gründe für die drastische Entscheidung seiner Eltern erfahren. Mich interessierte sehr, wie Clay als Kind die Gespräche mit dem Psychiater erlebt hatte. Aber es war mehr als offensichtlich, dass Herr Banton sich schon jetzt hart an seiner persönlichen Grenze befand. Es ging ihm nicht gut, absolut nicht. Darum hielt ich es für besser, dieses heikle, für ihn sicher extrem aufwühlende Thema nicht anzusprechen.
Clay hatte jetzt wieder große Mühe damit, still auf dem Sofa sitzenzubleiben. Pausenlos änderte er seine Position, schlug die Beine übereinander, löste sie wieder, verschränkte die Arme und legte die Hände im nächsten Moment auf seine Knie. Er klopfte nervös auf das Polster, machte Fäuste, öffnete sie wieder, strich über das Sofa, streckte seine Wirbelsäule, schwankte mit dem Oberkörper, drehte sich und bewegte ruhelos Arme und Beine. „Und nach nur vier Jahren in Kanada hat Ihre Mutter sich auch von dem kanadischen Mann getrennt?" sprach Fabian ihn behutsam an. Die abermals ansteigende Nervosität seines schwierigen Patienten entging ihm natürlich nicht, weil sie schlicht unübersehbar war. „Das sagte ich schon", knurrte Clay mit zusammengebissenen Zähnen. „Nach der Trennung zogen Sie bis nach Australien um?" vergewisserte der Oberarzt sich staunend. „Auch das habe ich schon gesagt", meinte Clay abweisend und warf mir einen neuen, hilfesuchenden Blick zu. Seine grün-braunen Augen waren dermaßen verzweifelt, dass mir ganz heiß wurde.
Kurzentschlossen stand ich auf. „Vielleicht sollten wir jetzt besser mal eine kleine Pause machen. Ich könnte etwas zu trinken vertragen", schlug ich bemüht fröhlich vor. Meine Augen baten meinen in Psychologie bewanderten Arbeitskollegen, auf jeden Fall auf meinen Vorschlag einzugehen. Fabian schaute mich erstaunt an. „Wir sind hier aber noch lange nicht fertig, Siamak", wandte er ein, wofür ich ihm am liebsten den Hals umgedreht hätte. Spürte er denn nicht, dass Clay nahe daran war die Kontrolle zu verlieren? War ihm nicht klar, dass unser Patient sich haarscharf an seiner emotionalen Grenze befand? Nein, Professor Maiwald schien davon wahrhaftig nichts zu merken. Er kannte Clay Banton eben nicht so gut wie ich. Für ihn war Clay noch immer nur ein weiterer Patient, dessen kompliziertes Innenleben es für ihn zu erforschen galt. Zweifellos war Banton jemand mit einer seltenen und sehr interessanten Lebensgeschichte. Aber ansonsten gab es für Fabian an Clay anscheinend noch nichts Außergewöhnliches.
„Wie alt waren Sie, als Sie mit Ihrer Mutter und Ihren Schwestern nach Australien kamen, Clay?" fragte er tatsächlich seelenruhig weiter. „Ich war zwölf. Das kann man doch ganz leicht ausrechnen", erwiderte Clay genervt und verdrehte nochmal die Augen. „Kann ich bitte was zu trinken haben?" fragte er drängend. „Lass uns eine kurze Pause machen, Fabian", schlug ich nochmal vor und versuchte, in meinen Blick auf den Professor die ganze Dringlichkeit dessen zu legen. Maiwald schaute mich eine Weile nachdenklich an. „Vielleicht hast du zwischendurch auch noch was anderes zu tun?" erinnerte ich ihn bedeutungsvoll. Auf keinen Fall durfte er jetzt die Befragung fortführen, denn Clay brauchte dringend eine Pause, das war mir absolut klar. Mein Patient war unterdessen so nervös, dass er kurz vor dem Overkill schien.
Irgendwas an meinem irre flehenden Blick schien zum Glück zu funktionieren, denn Fabian schaltete plötzlich sein Handy auf dem niedrigen Tisch aus, steckte es ein und stand auf. „Du hast recht, Siamak. Ich habe tatsächlich noch ein paar andere Aufgaben zu erledigen. Darum könnte ich mich jetzt eigentlich mal kurz kümmern. Du kannst ja derweil für Clay und dich etwas zu trinken besorgen. Wir treffen uns dann in spätestens zwanzig Minuten wieder hier, in Ordnung?" „Ja, gute Idee!" stimmte ich erleichtert zu. „Okay", wisperte Clay konfus, der nicht so schnell kapierte, was jetzt eigentlich konkret los war. Der Professor warf ihm noch einen aufmunternden Blick zu, dann verließ er langsam den Raum und machte leise die Tür hinter sich zu.
Plötzlich war ich mit Clay Banton allein im Zimmer des Professor Maiwald. Ich konnte es nicht fassen, dass der Psychologe uns ausgerechnet in seinem persönlichen Büro allein gelassen hatte. Fest hatte ich damit gerechnet, dass Fabian uns auf jeden Fall während der Pause nach draußen auf den Flur schicken und seinen privaten Raum mit all den vertraulichen Akten und Unterlagen sicherheitshalber abschließen würde. Offensichtlich kannte der Professor Clay Banton nicht. Oder er vertraute blind darauf, dass ich den jungen Mann genügend im Griff hatte. Aber da war ich mir leider gar nicht so sicher. Ich wusste nur eins: Selbstverständlich konnte ich jetzt nicht hinausgehen, um etwas zu trinken zu holen, und Clay in der Zwischenzeit hier in diesem Büro allein lassen. Dazu waren Bantons Ideen einfach viel zu impulsiv und schlicht unvorhersehbar. Mit Clay zusammen über die Gänge der Psychiatrie zu wandern, seinen Fluchtversuch zu riskieren und mit Sicherheit neues Aufsehen zu erregen, schien mir jedoch auch nicht sehr erstrebenswert zu sein.
„Fuck, Siamak!" stöhnte Clay entsetzt und stand abrupt vom Sofa auf. Sein instabiler Körper schwankte, er ruderte hektisch mit den Armen und fiel im nächsten Moment zurück auf das graue Polster. „Was soll dieser verfickte Scheiß bedeuten?" schrie mein Patient mich verständnislos an. Seine dunklen Augen durchbohrten mich böse und vorwurfsvoll. Hilflos stand ich vor meinem Sessel und hob besänftigend die Arme, weil mir nichts Besseres einfiel. „Beruhige dich bitte, Clay!" seufzte ich ungeduldig, „Professor Maiwald hat dir doch erklärt, dass er dich zuerst kennenlernen möchte, bevor er..." „Der wird mich nie hier rauslassen!" unterbrach Clay mich brüllend, als wäre er plötzlich von Sinnen, „Der Arsch will mich für immer hierbehalten! Der sucht ja nur noch einen Grund dafür!" Nochmal versuchte er aufzustehen, schaffte es schließlich und hielt sich taumelnd an der Lehne der Couch fest. „Das geht nicht, Siamak! Das halte ich nicht länger aus! Du musst mich sofort hier rausholen!" keuchte Clay panisch, ließ die Lehne los und machte einen hastigen Schritt Richtung Tür. Anscheinend wollte er vor mir und allem anderen weglaufen. Aber das konnte ich natürlich nicht zulassen.
Mit zwei eiligen Schritten war ich bei ihm und hielt ihn fest, indem ich kurzerhand meine Arme um seinen vor Aufregung zitternden Körper schloss. „Beruhige dich, Clay", wiederholte ich sanft, „Hör bitte auf durchzudrehen. Das ist doch Quatsch, was du da annimmst. So ist das doch gar nicht." „Lüg mich nicht an, Tourani!" schrie Clay zornig und wand sich unbehaglich in meiner engen Umklammerung. Ich spürte die feuchte Hitze, die von seinem wohlgeformten, extrem aufgewühlten und angespannten Leib ausging, konnte fühlen, wie seine starken Muskeln unter meinem T-Shirt arbeiteten. „Du musst mich sofort gehenlassen!" forderte Clay mich lautstark auf, „Ich bleibe nicht hier, verdammt!" „Beruhige dich! Dreh nicht durch!" forderte ich ihn abermals energisch auf, „Jetzt atme erst mal tief durch, Clay Banton!" Mein Patient versuchte noch eine Weile, sich aus meinen Armen zu befreien. Er zappelte, fauchte und fluchte. Aber Clay war unverändert geschwächt, darum war es für mich nicht allzu schwer, ihn trotzdem festzuhalten. Schließlich gab er es schwer atmend auf und guckte mich nur noch unglücklich an. Sein Brustkorb bewegte sich kräftig. Sein Herz schlug rasend schnell hinter seinen Rippen, das konnte ich genau fühlen. Der Mann war mir extrem nah. Ich spürte seinen heißen Atem in meinem Gesicht.
Die Woge der Erregung erfasste mich völlig unvorbereitet. Plötzlich wurde mir bewusst, wie erstaunlich wohl ich mich tatsächlich in Clay Bantons unmittelbarer Nähe fühlte. Wie sehr ich es in Wahrheit genoss, diesen besonderen Mann so nah bei mir zu haben, ihn so eng zu umarmen, dass ich seine Körperwärme spüren konnte. Verdammt, dachte ich erschlagen, ich muss ihn jetzt auf der Stelle loslassen! Aber ich konnte es einfach nicht. Ich brachte es nicht fertig. Ich wollte ihn im Gegenteil noch sehr viel intensiver fühlen. Was um Himmels Willen ist denn nur los mit mir?, überlegte ich verwirrt, das kann doch wirklich nicht wahr sein, Doktor Siamak Tourani!
„Du musst mich loslassen, Siam. Du musst dafür sorgen, dass ich endlich nach Hause gehen darf", quengelte Clay unzufrieden. Seine schöne Stimme war jetzt viel leiser, aber er sah unglücklich aus. In seinen sowieso schon geröteten Augen schwammen neue Tränen. „Ich kann das nicht länger ertragen", jammerte er hilflos. Tröstend drückte ich den warmen, angespannten Körper an mich, obwohl das fraglos das völlig falsche Vorgehen war. Aber ich konnte mich nicht dazu durchringen ihn wegzuschieben. Nur noch einen Augenblick, redete ich mir verbissen ein, nur noch ein paar Minuten Nähe. Das kann doch nicht so schlimm sein. Nun, in Wahrheit war es selbstverständlich schlimm, und das war mir auch bewusst. Es widersprach so ziemlich allem, wie ich als Arzt mit einem Patienten umgehen durfte. Aber dieser Mann fühlte sich einfach so unfassbar gut an!
„Beruhige dich, Clay", wiederholte ich sanft und wunderte mich, weil meine Stimme so atemlos klang, „Professor Maiwald stellt dir doch nur ein paar Fragen..." „Er stellt mir scheiß Fragen!" knurrte Clay aufsässig, „Ich will über diesen Mist nicht mit ihm reden. Das geht den alles einen verdammten Scheiß an." „Er muss dich aber kennenlernen, damit er dich richtig einschätzen kann. Und dafür ist es notwendig, dass du ihm etwas aus deinem Leben erzählst", erklärte ich geduldig. Tröstend lächelte ich ihn an, während meine Arme ihn weiterhin eng umschlungen hielten. Clay stand jetzt reglos in meiner Umarmung. Eine Weile guckte er mich nachdenklich an. Er berührte mich nicht. Seine Arme hingen bewegungslos herunter. Sein hübsches Gesicht war meinem auf einmal so erstaunlich nahe, dass ich die feinen Poren in seiner hellen, reinen Haut erkennen konnte, die wenigen, winzigen Leberflecken, die kurzen Stoppeln seines sprießenden Bartes, jede einzelne seiner dunklen Wimpern, was ich fasziniert zur Kenntnis nahm. Eine Träne mogelte sich aus seinem fantastisch grün-braun gesprenkelten Auge und lief langsam an seiner Wange hinab. „Siamak?" krächzte Clay Banton fragend. Vielleicht realisierte er erst jetzt, wie nah ich ihm tatsächlich gerade war. Mein Herz fing von allein damit an, schneller und kräftiger zu schlagen. Meine Brust schnürte sich zu. Ich rang nach Luft. „Bisher hast du das richtig toll gemacht, Clay. Du hast dich super gut verhalten, ehrlich! Das war genau richtig, was du getan hast. Du hast alle seine Fragen beantwortet, das hat dem Professor unter Garantie gefallen. Er interessiert sich nun mal brennend für dich und dein Leben. Ich verstehe ja, dass es dir schwerfällt, über deine Kindheit zu sprechen, aber..." „Du verstehst gar nichts!" unterbrach Clay mich unwirsch. Seine tiefgründigen Augen verengten sich, sodass noch ein paar inzwischen in den Augenwinkeln angesammelte Tränen über seine schönen Wangen liefen, völlig unbeachtet von Clay. Ich dagegen registrierte sie umso deutlicher. Jede einzelne.
Plötzlich konnte ich mich nicht zurückhalten. Es überkam mich so heftig, das ich machtlos war. Aus einem starken, inneren Impuls heraus beugte ich mich noch näher an sein fantastisches Gesicht und küsste ihm die Tränen von den Wangen. Das passierte schneller, als ich es begreifen konnte. Siamak handelte unentschuldbar impulsiv. Der Doktor konnte sich schlicht nicht bremsen. Auf einmal leckte ich zärtlich über seine erwärmte Haut. Gedankenlos. Mein Kopf war leer. Die sanfte, feuchte Berührung an meinen Lippen und der warme, salzige Geschmack auf meiner Zunge fuhren mir augenblicklich in meine Sexualorgane hinein. Allein die Gewissheit, dass ich Clay Bantons gut aussehendes Gesicht küsste, steigerte meine sexuelle Erregung auf eine Art, die ich niemals geahnt oder auch nur vermutet hätte. Das war ein gewaltiger, grell zuckender Blitz, der da in meinen ahnungslosen Körper einschlug. Wie aus heiterem Himmel. Völlig verdutzt stöhnte ich laut auf und wollte mich im nächsten Augenblick absolut schockiert zurückziehen. Aber Clay hielt mich hastig auf, indem er seine Arme energisch um mich schlang und mich mit seiner überraschend starken Muskelkraft daran hinderte, mich überstürzt von ihm zu lösen. „Nein, bleib doch bitte", flüsterte er hörbar angetan, „Das ist sehr schön, Siamak." Gott im verdammten Himmel, rotierten die alarmierten Gedanken in meinem Schädel los, was um alles in der Welt tue ich denn hier bloß? Womöglich ist Doktor Tourani plötzlich völlig verrückt geworden. Vielleicht sollten sie anstatt den Patienten Banton lieber mich selbst hier in der Psychiatrie behandeln.
„Nein, Clay... das geht doch nicht... das ist nicht...", stammelte ich maßlos verwirrt. Er lächelte gerührt, drückte mich nur noch näher an sich heran und küsste wahrhaftig meine Wange. „Doch, das geht sogar gut, Siamak. Das geht verflucht gut", meinte er erfreut und küsste mich gleich nochmal. Zärtlich fuhren seine weichen, vollen Lippen über mein Gesicht, liebkosten ausführlich meine Haut, küssten meine Wangen, streichelten sanft meine Lippen, mein Kinn, meinen Mundwinkel, meine Augenlider, die Stirn, dann wieder meine Lippen, wo er schließlich schüchtern mit seiner heißen, nassen Zunge um Einlass bat. Siamak Tourani war schlicht erstarrt und konnte sich keinen Millimeter mehr bewegen. Meine Arme hingen kraftlos herab, als würden sie nicht länger zu mir gehören. Eigentlich wollte ich ihn dringend wegstoßen. Ich musste diesen verhängnisvollen, bezaubernden jungen Mann wegschubsen. Ihn loswerden. Schnell.
Aber mir fehlte die Fähigkeit dazu. Ich fühlte Clay Bantons schüchterne Zärtlichkeiten eindeutig viel zu intensiv. Und sie gefielen mir auf eine Weise jenseits all meiner Vorstellungskraft. Innerhalb von Sekunden hatte ich eine ausgewachsene Erektion, was mich ehrlich überrumpelte. So etwas hatte ich noch nie erlebt, noch nicht mal mit meiner Frau Malina. Meine eigene körperliche Reaktion auf Bantons scheue Berührungen schlug mich dermaßen vor den Kopf, dass ich einfach nicht reagieren konnte. Mein studiertes, erfahrenes, vernünftiges Gehirn war schlagartig leer gefegt. Es gab nur noch diese mega starken, verblüffend neuartigen Gefühle in mir, die ich in dieser restlos überwältigenden Form nicht kannte. „Clay... nicht...", protestierte ich keuchend. Sein Lächeln schlug mich durchweg in seinen Bann. „Küss mich, Siamak", befahl er mir ganz leise und drückte seine warmen Lippen hartnäckig auf meine. Seine Zunge bat erneut um Einlass, also ergab ich mich ihm, obwohl ich das ohne Frage nicht tun durfte. Obwohl das allem widersprach, was ich als vielleicht gerade noch annehmbar erachtete.
Zum ersten Mal in meinem Leben küsste ich einen anderen Mann. Das geschah ausgerechnet und unvorhergesehen in dem Moment, als ich komplett erstarrt in Professor Fabian Maiwalds Büro in der geschlossenen Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses stand. Der fremde Mann umarmte meinen reglosen, verspannten Körper fest, während wir uns küssten. Und ich war überrascht, wie zärtlich er war, zurückhaltend, schüchtern, wie überaus liebevoll er mit seiner Zunge meine Mundhöhle erkundete. Wie zart und geduldig Clay mit meiner ratlosen Zunge spielte, die so schockiert war, dass sie sich nicht zu bewegen wusste. Clay Banton lächelte beruhigend, seine Augen leuchteten, er war gerührt über meine jähe Schockstarre. Liebevoll leckte er über meine reglosen, zum schweren Atmen leicht geöffneten Lippen, er saugte leicht an meinem zarten Fleisch, um gleich darauf abermals vorsichtig in mich einzutauchen. Sein ungewohnt behutsamer Zungenkuss verursachte mir eine heftige Gänsehaut, ließ unweigerlich meine sämtlichen Sinne schwinden.
Nie im Leben hatte ich erwartet, dass es mit einem anderen Mann dermaßen scheu und sanft zugehen konnte. In meinen seltenen Vorstellungen war Sex mit einem Mann immer hart und triebgesteuert gewesen, mit dem einzigen Ziel, seine drängenden Gelüste schnellstmöglich zu befriedigen. Und ja, diese heimlichen Fantasien hatten schon immer einen gewissen Reiz auf mich ausgeübt, auch wenn ich dem in der Realität niemals nachgegangen war. Aber das hier war vollkommen anders. Die gänzlich unerwarteten und beileibe unerhörten Zärtlichkeiten mit meinem schwierigen Patienten waren das genaue Gegenteil von gewalttätiger, rein körperlicher Trieberfüllung. Der besondere Mann behandelte seinen paralysierten Doktor mit einer dermaßen ehrfürchtigen Schüchternheit, dass mir allein davon schon ganz schwindelig wurde. Seine zarten Berührungen mit dem Gesicht und der Zunge waren nichts als ein vorsichtiges, behutsames Herantasten. Und doch waren sie so voller überschwänglicher, untrüglicher und bedingungsloser Zuneigung, ja, fast schon Liebe, dass ich innerhalb von Sekunden vollständig entflammt war.
Extrem nervös drückte ich die Oberschenkel zusammen. Meine Erektion fühlte sich in der Cargohose sehr prall an. Clay zog mich noch näher an sich heran, bis unsere Lenden sich berührten und er meinen erigierten Penis an seinem Unterleib deutlich fühlen musste. Seltsamerweise war mir das überhaupt nicht peinlich. Stattdessen musste ich mich anstrengen, um mich nicht gezielt gegen ihn zu pressen. Der sanfte Druck an diesem empfindsamen Organ ließ mich ungesteuert erschaudern. „Clay...", stöhnte ich hilflos, „Ich kann das nicht... darf das nicht..." „Ist schon gut, Siam", flüsterte er sanft, „Das geht schon in Ordnung, glaub mir." Ratlos schüttelte ich den Kopf. „Nein, Clay. Das geht absolut nicht in Ordnung", widersprach ich ächzend, brachte es aber trotz allem nicht fertig, den jungen Mann, der sich so unfassbar gut anfühlte, von mir wegzustoßen oder mich zumindest aus seiner engen Umarmung zu lösen. Mein Herz hämmerte schnell in meiner Brust. Ich war auf eine dermaßen überwältigende Art erregt, wie definitiv noch nie in meinem bisherigen Leben.
Clay hob nun zögernd einen Arm, während sich die Finger der anderen Hand hinten in die Gürtelschlaufen meiner Hose hakten, um mich festzuhalten. Allerdings konnte ich mich ohnehin nicht bewegen. Ich schaffte es nicht, mich seiner Faszination zu entziehen. Obwohl ich es eigentlich dringend wollte, gehorchte mein Körper mir einfach nicht mehr. Ruhig stand er vor mir. Unsere Leiber waren eng aneinandergeschmiegt. Seine fantastischen Augen erforschten interessiert mein Gesicht, das nur wenige Zentimeter von seinem entfernt war. Sein Lächeln war schlicht zum Anbeten, so viel entzückte Zuneigung drückte es aus. „Du bist schön, Doktor Tourani", flüsterte Clay liebenswürdig und streichelte sanft über meinen Kopf, „Du siehst so wahnsinnig gut aus, Siamak. Du gefällst mir so sehr, Herr Doktor." Seine langen Finger fuhren zärtlich durch mein Haar, ertasteten sachte meine Kopfhaut, kämmten behutsam durch die kurzen, schwarzen Strähnen. Herr Banton streichelte meinen Schädel genauso, wie ich es inzwischen auch schon oft bei ihm gemacht hatte, wenn ich ihn beruhigen und trösten wollte. Zu meiner absoluten Verwirrung war es aber nun plötzlich ich selbst, der Zuspruch und Beruhigung dringend nötig hatte. Clay Banton schien das zweifellos zu spüren. Mein schwieriger, impulsiver Patient spendete mir mit seiner Zärtlichkeit wahrhaftig Trost. Er wollte mich beruhigen, und so viel selbstlose Empathie hatte ich dem unbedachten, gedankenlosen Kerl niemals zugetraut. Von seiner unerwartet einfühlsamen Geste wurde ich völlig erschlagen.
Das ist so schrecklich falsch, wirbelten die aufgeschreckten Gedanken in meinem Kopf, das darf doch alles gar nicht zwischen uns passieren. Und erst recht nicht in Professor Maiwalds Büro. Ich bin ein Arzt in diesem Krankenhaus. Doktor Siamak Tourani arbeitet hier. Clay Banton ist lediglich mein Patient. Mein Patient. Mein Patient. So geht man als Arzt nicht mit Patienten um. Ich will meinen Arbeitsplatz nicht verlieren.
Aber meine quälenden Gedanken, die mein entsetzter Verstand mir unaufhaltsam schickte, wurden zunehmend von meinen starken Gefühlen überlagert, die sich mächtiger in mir breitmachten, als ich auf Dauer kompensieren konnte. Die ungewohnt starke sexuelle Erregung fokussierte sich autonom in meinem Schritt, drängte ungesteuert auf eine Steigerung der Stimulation und machte alles andere um mich herum seltsam unwirklich. „Clay... nicht doch...", seufzte ich viel zu genüsslich, als er sich gezielt an mich schmiegte. Seine Lenden pressten sich gegen meinen harten Schwanz, während seine Hand an meiner Hose von hinten dagegen drückte, was ich kaum verpacken konnte. Das Gefühl durchfuhr mich wie ein neuer, greller Blitzschlag. Es zuckte wiederholt quer durch meine Wirbelsäule. Direkt in meine Weichteile hinein, wo es in abertausend Farben explodierte. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Nicht mal ansatzweise. Diese leuchtende Intensität meiner Erregung war vollkommen neu für mich. Das Blitzen fühlte sich absolut überwältigend an, sodass ich hingerissen aufstöhnte, obwohl ich das ehrlich nicht wollte.
„Clay... was machst du nur...?" jammerte ich nach Luft ringend. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Als Antwort küsste er mich wieder, schob mir behutsam seine heiße, nasse, gelenkige Zunge zwischen die Lippen und faszinierte mich ein weiteres Mal mit seiner erstaunlich selbstlosen Sanftheit. Augenblicklich versanken wir gemeinsam in diesem zurückhaltend leidenschaftlichen Zungenkuss, der sich für mich wahrhaftig so anfühlte, als wäre es der erste Kuss in meinem Leben. Noch nie war ich auf so eine Art geküsst worden. Von niemandem. Banton küsste mich dermaßen unaufdringlich, mit so viel aufopferungsvollen Hingabe, dass mir schlagartig heiß wurde. Ich spürte seinen Kuss in meinem gesamten Leib, er explodierte pausenlos in meinem Gehirn, was mich irgendwie aus meiner schockierten Erstarrung hinauskatapultierte. Sämtliche Bedenken verblassten zunehmend.
Ziemlich bald konnte ich gar nicht mehr anders, als hastig meine Arme zu heben und den schlanken, attraktiven Körper gierig an mich zu drücken. Meine Hände waren an seinem Rücken, strichen fahrig über mein weiches T-Shirt, fühlten seine harten Schulterblätter, seine Wirbelsäule, streichelten grob die Nierengegend. Clay hatte eine Hand an meinem Hintern, wo er mich gezielt an sich drückte und mich damit wahnsinnig machte. Die Finger seiner anderen Hand streichelten verblüffend zart meinen Nacken, was mir pausenlos eine Gänsehaut verursachte. „Gott... Clay... wir müssen... sofort damit aufhören...", stöhnte ich konfus. Aber meine instinktiven Handlungen sprachen eine komplett gegensätzliche Sprache. Siamak Tourani konnte inzwischen gar nicht mehr genug von Clay Banton bekommen. Er verschlang seinen schwierigen Patienten förmlich mit seiner völlig unbekannten, unerwarteten und neu erwachten sexuellen Begierde. Der rote Alarm in seinem heillos berauschten Kopf war nur noch ein schwach warnendes Blinzeln. Dennoch ging er nicht vollständig aus. Zu keiner Zeit.
Clay leckte abermals über meine Unterlippe, küsste zart meinen Mundwinkel. „Du fühlst dich so gut an, Siam", seufzte er zufrieden und lächelte mich an. In seinem Blick lag eine sonderbare Anerkennung, die ich nicht recht zuordnen konnte. Vielleicht gefiel es ihm einfach, dass ich mich auf diese zweifellos gefährliche und verbotene körperliche Annäherung mit ihm überhaupt eingelassen hatte. „Wir müssen aufhören, Clay", stöhnte ich nochmal und erschauderte keuchend, „Professor Maiwald kann jeden Moment..." „Scheiß auf den scheiß Professor!" unterbrach Clay mich verärgert. Hastig brachte er mich mit einem weiteren Kuss zum Schweigen. Seine Hand fuhr nun fester über meinen Hintern, presste mich verlangend gegen seinen Unterleib, was nur schwer zu ertragen war, weil es mich so stark aufgeilte. Außerdem registrierte ich sehr deutlich, dass es in Clays Jeans mit der Zeit ebenfalls härter wurde, was er mit genussvoll geschlossenen Augen und einem zitternden Aufstöhnen unterstrich. „Das ist geil...", ließ er mich keuchend wissen, „Das fühlt sich sooo gut an..." Die spürbare Tatsache, dass Clay Banton direkt an meinem Körper eine Erektion bekam, steigerte meine eigene Erregung in nie gekannte Höhen. Das beängstigende Gefühl, jederzeit vollständig die Kontrolle über mich verlieren zu können, machte sich immer stärker in mir breit. Verdammt, dachte ich panisch, wenn wir doch bloß woanders wären! Wenn wir doch wenigstens nicht in diesem Büro stehen würden!
Aber wir befanden uns nun mal in Professor Maiwalds Arbeitszimmer. Das allein war schon ein ausreichender Grund, warum ich auf gar keinen Fall zulassen durfte, dass die ohnehin völlig unakzeptable Sache zwischen Clay und mir eskalierte. Aber noch immer war ich einfach nicht in der Lage dazu, mich seinem magischen Zauber zu entziehen. Zu stark und neu waren die Gefühle, die der junge Mann in mir geweckt hatte. Viel zu fasziniert war ich von der erstaunlichen Tatsache, dass ich mich noch nie in meinem Leben von jemandem dermaßen bedingungslos geliebt gefühlt hatte.
„Siamak, hör mal...", flüsterte Clay atemlos und blinzelte mich verschmitzt an, „Ich mag dich so sehr... Herr Doktor, du... bist so wahnsinnig schön... fühlst dich geil an, und... bitte... küss mich doch mal... bitte... ja? Tust du das bitte...?" Er legte den Kopf ein wenig schief und betrachtete mich aufmerksam. Sein Atem ging schwer, denn er war unverkennbar erregt. Sein Herz klopfte schnell hinter seinen Rippen. Sein wohlgeformter, durchtrainierter Körper zitterte in meinen Armen. Sein hübsches Gesicht war meinem unverändert nah, sodass seine zarte Attraktivität mich gänzlich einnahm. Mir wurde bewusst, dass ich mich zwar in den letzten Minuten schon mehrmals von ihm hatte küssen lassen, das ich aber dabei in keiner Weise selbst aktiv geworden war. Die ganze Situation hatte mich zu sehr überrumpelt, sodass ich gänzlich erstarrt war. Meine Zunge hatte tatsächlich nur völlig reglos seine liebevollen Küsse empfangen. Meine Erstarrung war Clay nicht entgangen, und seine schüchterne Bitte rührte mich auf eine Art, die mich schlagartig in meiner Zuneigung zu ihm nahezu auflöste.
„Ach, Clay...", seufzte ich hilflos, beugte mich spontan ein wenig vor und küsste ihn auf den Mund. Siamak Tourani konnte einfach nicht anders, war nicht mehr dazu fähig, sich irgendwie zu bremsen. Clay Banton und ich küssten uns zum ersten Mal gegenseitig, was eine weitere nagelneue Erfahrung für mich wurde. Meine Zunge spielte förmlich von allein so kokett und fordernd mit seiner herum, wie ich es definitiv noch nie bei irgendjemandem getan hatte. Es verblüffte mich, wie sehr es mir gefiel, auf diese eigennützige Weise zu küssen. Als wäre es mein gutes Recht, mich in dem fremden Mund sofort wie zu Hause zu fühlen. Er reagierte auf mich, hielt sich selbst aber auf eine so scheue Weise zurück, die mich absolut faszinierte. Dieser überraschend intensive Kuss war dazu in der Lage, meine bekannte Welt komplett aus den Angeln zu heben. Und das tat er auch, überrannte mich förmlich, schaltete meinen Verstand aus und fokussierte mich auf die Wärme und Nässe in Bantons Mundhöhle, die Schlüpfrigkeit seiner heißen, harten Zunge, die Weichheit seines Zahnfleisches und der Innenseiten seiner Wangen, die gegensätzliche Härte und Gleichmäßigkeit seiner gesunden Zähne. All das nahm ich beim Küssen tatsächlich zum ersten Mal wahr, und darum war dieser Kuss vollkommen anders als alles, was ich bisher kannte oder schon mal erlebt hatte.
Meine Augen klappten autonom zu, mein Körper konzentrierte sich eigenständig auf die fantastische Wohltat, die dieser unbekannte Mann mir mit seiner Nähe und Zuneigung schenkte. Mit seinem attraktiven Körper, der so dicht an meinem stand, dass ich ihn vollständig erfühlen konnte. Deutlich nahm ich seinen erigierten Penis in seiner Jeans wahr, der sich auf extrem geile Art langsam und rhythmisch gegen meinen Unterleib zu pressen begann und damit auch mein empfängliches Geschlechtsorgan stimulierte. Kochend heiße Schauder erfassten mich, ließen mich ungesteuert erzittern und aufstöhnen. Absolut widerstrebend zog ich mich von diesem wahnsinnigen Kuss zurück, der hinterhältig damit anfing mich zu töten.
„Clay... verdammt...", stöhnte ich erschlagen, öffnete mühsam die Augen und schaute ihn ratlos an. Sein Mund mit den vollen, roten Lippen war leicht geöffnet. Er atmete schwer, seine weißen Zähne blitzten hervor. Clay Banton lächelte unverändert liebevoll. Seine Augen studierten sichtbar hingerissen meine Gesichtszüge. „Das ist schön, nicht wahr... Siamak? Das fühlt sich geil an... oder?" stammelte er zwischen tiefen Atemzügen. Offenbar hatte unser überraschend intensiver Kuss ihm genauso gut gefallen wie mir. Aus irgendeinem Grund kämpfte diese Erkenntnis plötzlich gegen meine umfassende Faszination an, weil ich schlagartig das Gefühl hatte, dass ich mich nicht mit Clay Banton gleichstellen durfte. Dieser junge, impulsive Mensch war mein Patient. Ich war noch immer sein behandelnder Arzt und sollte daher zu jeder Zeit über ihm stehen. Emotionalen Abstand zu ihm wahren. Irgendwie zumindest. Er musste doch Respekt vor mir haben. Jeder Verletzte sollte das, den ich behandelte. Doktor Siamak Tourani durfte sich nicht mit seinem Patienten auf eine Stufe stellen. Im Moment fühlte ich mich meinen eigenen körperlichen Gelüsten auf eine haarscharf übermannende Weise ausgeliefert. So etwas kannte ich nicht. Und es gefiel mir immer weniger. Ich wollte nicht so schwach sein. Und ich wollte nicht meinen Arbeitsplatz und mein Ansehen als Arzt im Krankenhaus verlieren, nur weil mein schwieriger Patient mich auf diese unerwartete Art vollständig und unweigerlich überwältigen konnte.
Der rote Alarm in meinem verwirrten Schädel wurde lauter und greller. Das beunruhigte mich immens. Die ganze Situation schien mir mit einem Mal vollkommen falsch zu sein. Nicht in Ordnung. Verhängnisvoll verkehrt. Unwillkürlich verkrampfte sich mein extrem erregter Leib. Meine Arme schlossen sich ungewollt fester um den Mann vor mir, als wollte ich ihn plötzlich erdrücken oder vielleicht sogar auslöschen. Irgendwie. Zu meiner Verwunderung spürte Herr Banton meine intuitiv innerliche wie äußerliche Veränderung augenblicklich. Es verblüffte mich, wie gut mein vermeintlich gedankenloser Patient mich mittlerweile einschätzen konnte.
Entsetzt riss er die Augen auf und schüttelte abwehrend den Kopf. „Nein... bitte... Siamak... hör jetzt nicht auf!" flehte er verzweifelt, noch bevor ich auch nur irgendwas in dieser Richtung angedeutet hatte. Verdutzt löste ich meine verkrampften Hände von seinem Rücken und ließ die Arme sinken. Dafür musste ich meinen alarmierend stark geschwächten, aber mit einem Mal fest entschlossenen Verstand aktivieren. Clays Kopfschütteln wurde heftiger. Er wollte mich partout nicht loslassen, sondern presste mich weiterhin liebebedürftig an sich. „Nein, nicht doch... Siamak... verdammt nochmal... du kannst doch jetzt nicht... bitte nicht...", protestierte der arme Kerl ärgerlich, erschauderte stöhnend am ganzen Körper und schnappte panisch nach Luft. Es tat mir unendlich leid, was ich dem mir anvertrauten Menschen nun schon wieder antun musste. Aber es ging nicht anders. War zwingend notwendig. Eine weitere Möglichkeit gab es für mich in dieser Situation nicht, so sehr mich das auch insgeheim frustrierte. Für Clay Banton und Siamak Tourani existierten keine Alternativen. So sehr mein eigener Körper mit all seinen überwältigend stark erwachten Bedürfnissen sich auch dagegen aufzulehnen versuchte. „Bitte lass mich los, Clay", bat ich ihn mit extra sanfter Stimme. Es war erschreckend schwer für mich, mein Herzrasen und meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen, meinen von sexueller Erregung aufgeputschten Körper wieder herunterzufahren. Definitiv war mir so etwas noch niemals dermaßen schwergefallen.
Aber gleichzeitig war ich auch stolz auf mich, weil meine erwachsene Vernunft eindeutig über meine animalischen Triebe siegte. Das fühlte sich gut an, fühlte sich richtig und beruhigend an. Tilgte meine vorherige, beinahe unverzeihliche Dummheit. Es schien mir ein extrem schwierig verdienter Sieg zu sein. Obwohl ich es tief drinnen mehr als alles andere tief bedauerte, diesen wunderbaren, berauschenden Körperkontakt mit meinem faszinierendsten Patienten nicht fortführen zu können.
Clay hatte mich unverändert fest umarmt und taxierte mich fassungslos. Seine schön geschwungenen Brauen waren frustriert zusammengezogen. Sein Atem ging schwer, seine harten Rippen drückten sich beim tiefen Luftholen gegen meine Brust. Seine Augen flehten mich an, mich jetzt nicht plötzlich von ihm zurückzuziehen. „Bitte lass mich los", wiederholte ich vorsichtig. In meinen seltsam von zu starken Gefühlen verschwommenen Blick legte ich meine Hoffnung auf sein Verständnis und seine Einsicht. Obwohl mir tief drinnen absolut klar war, dass ich von Herrn Banton nichts dergleichen erwarten durfte. Nervös versuchte ich, mich einen Schritt rückwärts von ihm zu entfernen, um die stark verhärteten Weichteile in meiner Cargohose irgendwie zurechtrücken zu können. Aber der aufgeputschte Mann presste hartnäckig seinen gleichfalls erwachten Unterleib gegen meinen und ließ mir daher keine Möglichkeit, mit meiner Hand an diese Stelle meines Körpers zu gelangen. Liebend gerne hätte ich die unfassbar wohltuende Stimulation verstärkt, anstatt sie an diesem schon weit fortgeschrittenen Punkt schlagartig abzubrechen. Mich als funktionsfähigen Mann kostete es wahrhaftig all meine Kraft, meine auf nie gekannte oder auch nur vage geahnte Weise erwachte Sexualität vollständig unter meine Gewalt zu bekommen.
„Das kannst du nicht machen... Siamak... du kannst mich doch jetzt nicht eiskalt...", protestierte Clay entgeistert. Seine Arme schlossen sich noch fester um meinen inzwischen widerwillig angespannten Körper. Sein Gesicht war meinem so nahe, dass ich seinen heißen Atem auf meiner Haut spürte. Mit wildem Trotz küsste der junge Mann heftig und schnell nochmal meine Wangen, meine Stirn, meine Nase, meinen Mundwinkel und meine Lippen. „Das meinst du doch nicht ernst... oder?... das du mich jetzt plötzlich nicht mehr willst...", fragte Clay rührend naiv. Gott, und wie ich ihn wollte! Ich wollte ihn mit jeder Faser meiner Existenz. Aber mein Verstand sprach dagegen, meine Stellung, die ganze verdammte Situation schrie danach, auf der Stelle geändert zu werden. Auch wenn mich diese fraglos vernünftige und daher einzig mögliche Entscheidung innerlich zerriss. Clay fixierte mich ungläubig. Deutlich konnte ich sein aufgebrachtes Herz in seiner Brust spüren, das hart und schnell von außen gegen meine Rippen pochte, weil er mir so nah war, während mein eigener Puls sich nur zögernd normalisierte. Clays Finger fuhren an meinem Rücken herunter, bis er überraschend energisch mit beiden Händen meinen Hintern packte und mich daran ruckartig gegen sich presste. Seine Bewegung war so brutal und zielgerichtet, dass der plötzlich enorm starke Druck gegen meinen Penis mir wehtat.
Unwillkürlich stöhnte ich erschrocken auf. Mein Gesicht verzog sich gequält. Meine Hände schnellten instinktiv nach oben und krallten sich in Clays muskulöse Schultern, um ihn irgendwie aufzuhalten, ihn abrupt wegzuschubsen, den unerwarteten Schmerz schnellstmöglich abzuwehren. Zu meiner Verblüffung ließ Banton sich jedoch von mir nicht wegstoßen, sondern blieb stur felsenfest stehen. Seine verkrallten Finger an meinem Arsch lockerten sich kein bisschen, er hielt den unangenehmen Druck gegen unsere Unterleibe aufrecht. Es irritierte mich, woher mein Patient auf einmal die Kraft dazu nahm, sich mir dermaßen erfolgreich und scheinbar mühelos entgegenzustemmen. Schließlich hatte ich den kranken, schwer verletzten Rauschgiftsüchtigen doch in den letzten Stunden nur enorm geschwächt erlebt. Jetzt war von seiner Gebrechlichkeit anscheinend schlagartig nichts mehr übrig. Herr Banton schien vor Energie nur so zu strotzen. Vielleicht verlieh seine zweifellos durch meine Schuld aufgeloderte Wut ihm diese ungeahnte Kraft. Sein tosender Zorn veranlasste ihn wohl auch dazu, uns beiden mit einem boshaften Grinsen diesen intimen Schmerz zuzufügen. Mein überhitzter Patient schien nämlich das Gleiche wie ich zu fühlen, die jäh brutale Quetschung seines Gliedes tat ihm ebenfalls weh. Jedoch hatte er offenbar genau das beabsichtigt, denn er stöhnte lautstark in einer seltsam beunruhigenden Mischung aus heftigem Schmerz und rasender Euphorie.
„Küss mich... Siamak... küss mich bitte... es ist so geil... wenn du mich küsst...", rief er nach Luft ringend und fixierte mich mit wirrem Blick. Sein Körper zitterte angespannt. Im nächsten Moment presste er seine gierigen Lippen schon auf meine. Energisch drängte seine flatternde Zunge in meinen Mund hinein. Damit überrumpelte er mich. Ich war nicht schnell genug, um ihn abzuwehren, blieb jedoch völlig passiv. Doktor Siamak Tourani war schockiert und fassungslos. Der Psychiatriepatient Banton wollte mich tatsächlich mit all seiner wütenden Kraft dazu zwingen, unseren völlig unangebrachten Körperkontakt fortzuführen. Mit seiner stürmischen Brutalität erreichte er bei mir allerdings nur das Gegenteil. Meine sexuelle Erregung verflüchtigte sich zusehends und machte einem schmerzerfüllten Unbehagen platz. Verdammter Mist, dachte ich entsetzt, ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen!
Aber die Katastrophe war nun mal passiert. Es war zu spät. Jetzt konnte ich nur noch versuchen, den außer Kontrolle geratenen Mann irgendwie zu bändigen. Und vor allem musste ich versuchen ihn zu beschwichtigen. Langsam drehte ich meinen Kopf von ihm weg, beendete damit seinen stürmischen Kuss und verstärkte meinen Druck gegen seine Schultern, um mich von ihm zu lösen. „Hör bitte auf, Clay. Lass mich bitte los, okay?" bat ich ihn abermals mit ruhiger Stimme. Vorsichtig sah ich ihm in die dunklen Augen und stellte erschrocken fest, dass sie vor Leidenschaft und Wut loderten. Clay Banton tat mir unverändert weh, weil er den Druck gegen meine Geschlechtsorgane nicht lockerte. Jetzt krallten sich seine Finger sofort wieder in meinen Hintern, um mich brutal an sich zu pressen. „Hör auf!" stöhnte ich gequält, „Lass das bitte sein! Du tust mir weh, Clay!" Unbehaglich wand ich mich in seiner viel zu engen Umklammerung, in dem instinktiven Bemühen, irgendwie den Schmerz zu verringern. Im Grunde wunderte es mich gar nicht so sehr, dass Clay das Pressen seines Schwanzes gegen meine Lenden genoss, denn ich hatte Ähnliches ja schon mit ihm erlebt. Herr Banton konnte sich an körperlichem Schmerz definitiv sexuell erregen.
Unbeirrt hielt er den Druck aufrecht, ja verstärkte ihn sogar noch rhythmisch. Clay fing an mit seinem Unterleib heftig nach vorne zu stoßen, als würde er angezogen kopulieren. „Das ist geil, oder?" wollte er hämisch grinsend wissen, „Das fühlt sich geil an, oder? Siamak?" Zunehmend verärgert schüttelte ich den Kopf. „Nein, Clay, ich finde das überhaupt nicht geil. Bitte hör jetzt sofort auf damit. Ich möchte das nicht, hörst du mich?" Meine Stimme war lauter geworden, als ich eigentlich wollte. Frustriert stöhnte er auf, hielt aber in seinen brutalen Bewegungen nicht inne, bis ich es einfach nicht mehr aushielt. „Du tust mir weh, verdammt!" schrie ich ihn an und wollte ihn mit einem heftigen Stoß gegen seine Schultern wegschubsen. Leider war er darauf gefasst und stemmte sich mir widerborstig entgegen. Es gelang mir einfach nicht ihn wegzuschieben oder mich aus seiner Umklammerung zu befreien, so sehr ich es auch versuchte. Zumindest schaffte ich es irgendwie, meinen schmerzempfindlichen Unterleib von seinen brutalen Stößen ein wenig wegzudrehen, worüber ich sehr froh war. Clay rieb und stieß sich nun heftig an meinem Oberschenkel.
Meine Erektion hatte sich inzwischen komplett verabschiedet, Clays jedoch keinesfalls. Gezielt stimulierte er sich an mir, während er mich wollüstig knurrend taxierte. Merkwürdigerweise schien es ihn sogar noch stärker zu erregen, je mehr ich mich gegen ihn zur Wehr setzte. Clay fand grimmigen Gefallen an meinem Widerstand. Das konnte ich natürlich auf keinen Fall zulassen, wusste jedoch nicht, wie ich mich ihm am besten verständlich machen konnte. Nach der zwar nur kurzen, aber extremen Phase der sexuellen Erregung fühlte ich mich jetzt unangenehm unbefriedigt und körperlich sehr unwohl. Ich fürchte, dass dieser missliche Zustand mein angespanntes Nervenkostüm zusätzlich strapazierte.
Noch ehe ich mich versah, fing ich damit an, mich mit Clay zu balgen. Doktor und Patient rangelten in Professor Maiwalds Büro miteinander. In dem engen Zwischenraum von Tisch und Sofa bewegten sich unsere Körper wütend gegeneinander. Das geschah so übergangslos, fast unbemerkt, dass ich gar nicht richtig darüber nachdenken oder darauf reagieren, geschweige denn es irgendwie verhindern konnte. Mit der Zeit entwickelte sich aus unserer angefressenen Rangelei automatisch ein zorniger Kampf, in dem ich mit allen möglichen Bewegungen und Verrenkungen, ja sogar mit leichten und auch festeren Schlägen versuchte ihn loszuwerden. Aber Clay hielt mich nur umso hartnäckiger, brutaler und kräftiger fest. Der kindliche Trotzkopf in dem starken Mann wollte nicht nachgeben. Er konnte einfach nicht einsehen, dass ich unsere Intimität beenden musste. Banton fauchte laut und knurrte mich an. Seine dunklen Augen schossen Giftpfeile auf mich. Aber obwohl ich ihm zu meiner Schande so manchen harten Stoß verpasste, schlug er mich nicht ein einziges Mal. Seine Finger krallten sich stattdessen in den Stoff von meinem Flanellhemd. Er zerrte so brutal daran, bis es fast zerriss und ich vorsichtshalber nachgeben musste. Auf keinen Fall wollte ich im Krankenhaus mit zerrissener Kleidung gesehen werden. „Hör auf, Clay! Lass das sein! Beruhige dich doch! Lass mich los! Du tust mir weh!" beschwerte ich mich wütend und atemlos. Der schlagartig emotional explodierte, junge und starke, leidenschaftlich entflammte Mann fixierte mich böse und stieß ein fassungsloses Fauchen aus. „Du tust mir auch weh, Doktor Siamak! Ständig tust du mir weh!" beschwerte er sich bitter, „So kannst du mich nicht behandeln, du Arsch!"
Plötzlich ließ er mich los und schubste mich abrupt angewidert von sich weg. Haltlos taumelte ich rückwärts durch das Zimmer und brauchte einen Moment, um mein Gleichgewicht zurückzuerlangen. Zum Glück fiel ich nicht in das Bücherregal oder verwüstete beim Stolpern noch Professor Maiwalds Büro. Das hätte mir in all der Misere auch noch gefehlt, dass Clay oder ich Fabians Sachen beschädigt hätten. Aber es gelang mir ohne Zwischenfälle, Bantos unerwartet zornigen, heftigen Stoß abzufangen. Schließlich stand ich zwei Meter von meinem Patienten entfernt und guckte ihn unglücklich an. „Es tut mir leid, Clay. Ich wollte dich nicht kränken", versuchte ich ihn zu beruhigen, erntete aber nur ein weiteres spöttisches Fauchen. „Andauernd fasst du mich an, nur um im nächsten Moment wieder damit aufzuhören. Du kannst mich nicht immer nur zu deinem scheiß Vergnügen anfassen!" warf Clay mir lauthals vor. Seine schöne Stimme bebte vor Wut, aber ich hörte seine gewaltige Kränkung, und sie riss mir fast das Herz heraus. Er hat ja recht, begriff ich erschüttert, irgendwie hat Clay Banton leider total recht damit. Auch wenn ich es niemals böse gemeint habe, so habe ich ihn mit meinem unüberlegten Verhalten doch zu oft vor den Kopf gestoßen. Und selbstverständlich hätte ich meinen Patienten niemals auf diese intime Weise anfassen dürfen. Kein einziges Mal.
„Nein, Clay", erwiderte ich sanft, „Du verstehst das völlig falsch. Ich habe das nicht so gemeint. Ich wollte dich doch nur trösten und beruhigen." „Scheiß drauf!" schrie er aggressiv los, sodass ich verschreckt zusammenzuckte, „Du hast mich geküsst und gestreichelt, verdammt!" In einer wirren, zornigen Bewegung drehte er sich herum und schlug mit der Faust gleich mehrmals kräftig auf das graue Polster des Sofas ein. „Du kannst mich nicht streicheln, nur weil du mich fucking beruhigen willst. So funktioniert das nicht, Tourani!" keuchte er aufgebracht und schlug weiter wütend auf die Couch ein. Hilflos und schuldbewusst stand ich dort und beobachtete ihn. Ich registrierte die Geschmeidigkeit und Kraft seiner Bewegungen, die erstaunliche Härte, mit der seine Fäuste auf den Stoff trafen, den unbändigen Zorn in seinen blitzenden Augen, der doch nur seine abgrundtiefe Traurigkeit überdecken sollte. Mir wurde mein Herz schwer, und ich bekam das drängende Bedürfnis, sofort zu ihm hinzueilen und ihn in den Arm zu nehmen, um ihn vor all diesen ungerechten Grausamkeiten der Welt zu beschützen. Aber genau das hatte er mir ja vorgeworfen. Ich fasste ihn aus den falschen Gründen an und hörte dann plötzlich wieder damit auf. Und zweifellos hatte er recht. Siamak durfte sich diesem Mann nie wieder auf nur irgendeine fragwürdige Art körperlich nähern. Ab sofort würde ich nur noch sein behandelnder Doktor sein.
Das tat mir sehr viel stärker weh, als ich begreifen konnte, und ich hatte auch insgeheim keine Ahnung, ob ich das überhaupt auf Dauer schaffen konnte. Ob ich ihm in Wahrheit für immer widerstehen konnte. Denn Clay Banton war einfach ein extrem faszinierender Anblick. Sein starker, junger Körper bewegte sich mit einer überraschenden Anmut, die mich vollkommen paralysierte. Das Spiel seiner kräftigen Rücken- und Armmuskeln, die Fäuste, die in wilder Verzweiflung auf das Sofa einprügelten, als könnte er damit irgendwas ändern. Mir war klar, dass Clay gerade seinen umfassenden Frust abreagierte. Ich verstand auch, dass meine selbstsüchtige Dummheit diese negative Emotion in ihm verursacht hatte. Er war schlicht nicht in der Lage dazu, anders mit seiner großen Frustration umzugehen. „Das tut mir leid, Clay. Ich wollte dir niemals wehtun. Ganz bestimmt nicht", erklärte ich ihm leise und seufzte traurig.
Ratlos stand ich in diesem Raum und dachte daran, dass der Professor mit Sicherheit bald zurückkommen würde. Fabian Maiwald wollte unter Garantie das enorm wichtige Gespräch mit Clay fortführen. Bestimmt ging er davon aus, dass Clay unterdessen bereit dazu wäre. Aber anstatt unseren sensiblen Patienten darauf vorzubereiten und ihn zu beruhigen, hatte ich ihn nur noch um Längen stärker aufgeregt. Es war gut möglich, dass Clay sich in seinem derzeitigen, unbändigen Zorn jeglicher Befragung durch den Professor komplett verweigern würde. Ich fühlte mich schuldig und verstand nicht, warum mir mit Banton andauernd diese gravierenden und unverzeihlichen Fehler unterliefen. Doktor Siamak Tourani konnte nicht begreifen, warum er sich mit seinem schwierigen Patienten so wenig professionell verhielt.
Clay
Mächtig angepisst prügelte ich auf irgendwas ein, das nur zufällig ein hässliches Sofa in einem ebenso hässlichen Büro in der geschlossenen Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses war. Mir war völlig klar, wie bedenklich aggressiv mein Verhalten war. Trotzdem gelang es mir nicht, mich zu beherrschen. Denn Siamak Tourani trieb mich an diesem Vormittag Schritt für Schritt in den Wahnsinn. Zuerst schleppte der anziehend orientalische Arzt diesen arroganten Professor an, Maiwald mit Namen, der mich in seinem Arbeitszimmer engagiert und pseudo-interessiert stückchenweise auseinandernahm. Der unverschämte Kerl stellte mir zu viele neugierige Fragen über meine Vergangenheit, zwang mich dazu, über persönliche Dinge zu reden, über die ich nicht reden wollte. Damit fütterte der fremde Mann genüsslich den großen Zorn in mir, den ich inzwischen fast nicht mehr kontrollieren konnte.
Kaum hatte der aufdringliche Professor sein Büro verlassen, da fasste der geile Doktor mich auch schon an. Siamak berührte mich auf eine Art, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ich dachte wirklich, die Welt würde sich auf einmal verkehrt herumdrehen, so intensiv wurde dieser Körperkontakt mit dem Studierten, so dermaßen geil und berauschend, dass ich innerhalb von Sekunden völlig wegdriftete. Aber zu früh gefreut. Natürlich küsste und streichelte Tourani mich nur, damit er mich zehn Minuten später wieder empört von sich wegschieben konnte. So einen gemeinen Mist hatte Siamak schon ein paarmal mit mir abgezogen. Doch diesmal war ich deswegen so richtig angefressen. Weil seine seltsamen Zärtlichkeiten, die er ab und zu verwirrend liebevoll auf meinem höchst empfänglichen Körper verteilte, die mit Abstand sexuellsten gewesen waren. Ich hatte genau gespürt, wie gigantisch unser sanfter Kontakt ihn angetörnt hatte. Wie stark er auf meine behutsamen Küsse abgefahren war. Wie bedingungslos er sich zeitweise auf mich eingelassen hatte und in unseren vorsichtig herantastenden Berührungen versunken war. Zweifelsfrei wurde der Kerl von mir enorm aufgegeilt. Das hatte ich dem zwiespältigen Mann eindeutig angemerkt. Seine ganze verdammte Existenz signalisierte mir das. Längst nicht nur der ausgeprägte Ständer in seiner Hose.
Aber von jetzt auf gleich hatte der unfaire Typ wieder aufgehört, mich zu berühren. Er hatte sich meiner flehenden Umarmung energisch entzogen. Hatte mich sogar geschlagen, um mich loszuwerden. Der nervig gehemmte Doktor Tourani behandelte mich mal wieder so, als wäre ich nichts als eine empfindungslose Maschine, die der Akademiker ganz nach Belieben ein und wieder ausschalten durfte. Fuck! In diesem Punkt irrte der Mann sich auf ganzer Linie. Ich war alles andere als gefühllos. Obwohl das mein Leben enorm vereinfacht hätte. Aber meine Empfindungen waren jedes Mal gewaltig. Und der Doktor hatte sie allesamt blitzschnell in mir geweckt.
Dieser Vorfall hatte mich total überrascht, echt verwirrt und zum Schluss extrem wütend gemacht. Ich fühlte mich von Siamak auf mieseste Weise benutzt und fies verraten. Überhaupt ging mir die ganze ätzende Situation, die schon entschieden zu lange andauerte, wahnsinnig auf die Nerven. Der listige Affe pochte hartnäckig in meinem Hinterkopf. Böse, diffuse Erinnerungen stachen pausenlos auf mich ein. Zum Verrecken wollte ich keine beschissenen Fragen mehr beantworten. Wollte nicht noch länger von wildfremden, viel zu neugierigen Menschen auf Herz und Nieren und meine schwarze Seele hin überprüft und analysiert werden. Das war total uncool! Gefiel mir kein bisschen, der verflucht lästige Scheiß! Die quälende Ungewissheit, wann oder ob ich überhaupt je nach Hause gehen durfte, wollte mich schlicht verzweifeln lassen.
Meine Fäuste hämmerten wahllos auf den grauen Stoff des Sofas ein, fühlten die harten, runden Sprungfedern aus Metall unter dem Grau, an denen ich mir beim Schlagen wehtat. Aber ich musste diesen Schmerz jetzt fühlen. Ich wollte ihn fühlen. Denn es bestand die Gefahr, dass ich sonst jeden Moment komplett durchdrehen würde. Mein von zu vielen verlorenen Prügeleien verletzter und enorm geschwächter Körper war von meinem entzückenden, behandelnden Doktor sexuell erregt worden. Mein Gehirn lief Amok. Hatte pausenlos geile Bilder vor Augen. Siamaks wunderschönes Gesicht so nah vor meinem, dass ich jede einzelne seiner Bartstoppeln sehen konnte. Seine weichen, roten, vollen Lippen. Seine heiße Zunge in meinem Mund, so erstaunlich gierig verlangend, die ich noch immer spüren konnte. Mit wie viel verblüffender Begierde er mich angesehen hatte, während sein steifer Schwanz sich wollüstig gegen mich presste. Die verflucht erregenden, unwillkürlichen Geräusche, die er von sich gegeben hatte. Wie sphärisch entflammt für mich dieser sonst so seriöse, kontrollierte und um professionellen Abstand zu mir bemühte Kerl urplötzlich gewesen war. So eine Reaktion auf mich hatte ich bei Siamak Tourani niemals für möglich gehalten. Die letzten zehn Minuten in seinen starken Armen hatten mich vollkommen überwältigt. Von mir aus hätte das liebend gerne noch lange so weitergehen können. Vor fünf Minuten hätte dieser Mann wirklich alles mit mir machen dürfen. Ich war für jede sexuelle Untat bereit gewesen.
Aber jetzt war ich nur noch mega enttäuscht und tierisch sauer. Denn von jetzt auf gleich tat der gemeine Kerl plötzlich wieder so, als hätten unsere Zärtlichkeiten gar nichts zu bedeuten. Herr Tourani gab mir das miese Gefühl, als wäre unsere unfassbare Nähe für ihn nur ein bedauernswerter Fehler gewesen. Als bereute er es schon jetzt, mich überhaupt nur berührt zu haben. Verdammte Scheiße! Was stimmte nicht mit diesem sonderbaren Arzt? Warum tat er mir das wiederholt an? Und was wollte der Typ überhaupt von mir, um Himmels Willen? Warum zum Teufel durfte ich denn nicht langsam mal nach Hause gehen? Die verhängnisvolle letzte Nacht und all die Katastrophen der vergangenen Tage hatte ich emotional längst abgehakt. Nie wieder wollte ich daran auch nur denken. So, wie ich mein ganzes bisheriges Leben viel lieber komplett vergessen hätte. Ich konnte daran doch sowieso nichts mehr ändern. Passiert war eben passiert. Jedes Wort über die noch immer schmerzende Vergangenheit war nichts als eine extrem stressige Zeitverschwendung. Warum kapierten diese verfickten Psychologen und Professoren und Doktoren das denn nicht endlich mal?
Böse knurrte ich den unverändert ansehnlichen Siamak Tourani an, der verschreckt und alarmiert zwei Meter von mir entfernt vor diesem hässlichen Bücherregal stand und mich konzentriert im Auge behielt. Der Typ war sichtbar auf dem Sprung, jederzeit bereit einzugreifen, sollte ich eine falsche Bewegung machen. In einem Anfall von unbändigem Zorn hatte ich ihn von mir weggestoßen. Aber jetzt wollte ich eigentlich nur noch, dass er sofort wieder zu mir zurückkam und mich in den Arm nahm, wollte dringend nochmal von ihm geküsst werden. Ich sehnte mich wie verrückt nach seinen weichen Lippen, seiner Zunge in meinem Mund, seiner harten Erektion an meinen Lenden. Ich war geil und hart und hatte keine Ahnung, was um alles in der Welt ich jetzt tun sollte. Also prügelte ich wahllos auf das scheiß Sofa ein, weil mir schlicht nichts Besseres einfiel, um die unangenehm mächtig gestauten Emotionen in mir abzubauen.
„Nicht doch, Clay. Lass das doch. Beruhige dich bitte", seufzte Siamak ununterbrochen vor sich hin, „Es tut mir leid, hörst du? Ich hätte das nicht tun sollen." Seine fantastisch dunklen Augen blickten mich traurig an, hilflos um Verzeihung flehend, als wäre ihm die Schwere seines Vergehens sehr wohl bewusst. Plötzlich tat der arme Kerl mir fast ein bisschen leid in seiner offensichtlichen Ratlosigkeit. Es hat ihn wahrhaftig übermannt, verstand ich innerlich schadenfroh grinsend, irgendwie habe ich es geschafft, Doktor Siamak Tourani restlos zu überwältigen. Der Gedanke gefiel mir. Meine unverhofft beachtliche Wirkung auf den attraktiven Mann machte mich stolz. Andererseits war ich vom Doktor in den letzten Minuten zu stark erregt worden, um mich selbst so schnell in den Griff bekommen zu können, wie er es scheinbar frustrierend problemlos hinbekam. Meine Erektion pochte drängend in der von Siamak geliehenen Unterhose. Am liebsten wollte ich sofort meinen Schwanz rausholen und mir vor seinen Augen einen abwichsen. Aber mir war klar, dass ich das nicht tun durfte. Wichsen war nicht drin, denn das würde ohne Frage total krank rüberkommen. Erst heute Morgen hatten er und der Professor mich um ein Haar beim Orgasmus mit Eliza erwischt. Der prüde Arzt würde mich unter Garantie für verrückt erklären, sollte ich jetzt anfangen an mir rumzuspielen. Das Büro des Professors war dafür sowieso denkbar ungeeignet.
Also prügelte ich weiter wie ein Geisteskranker auf das blöde Sofa ein, obwohl es meinen Händen wehtat und es verdammt mühsam war, auf Dauer die nötige Kraft aufzubringen. Ich musste mich aber dringend abreagieren, denn sonst wäre ich womöglich explodiert. Vielleicht hätte ich angefangen zu schreien. Oder ich wäre gierig über den verflucht scharfen Mann hergefallen, der mich pausenlos besorgt beobachtete. „Beruhige dich bitte, Clay!" mahnte Siamak und kam zögerlich einen Schritt näher, „Jetzt hör doch bitte auf damit. Du beschädigst nur das Sofa, wenn du so weitermachst. Das bringt dir doch gar nichts. Professor Maiwald kommt jeden Moment zurück. Was soll der denn von dir denken, wenn du hier so einen Terz machst? Du solltest dich lieber schon mal gedanklich auf die wichtigen Fragen des Professors vorbereiten, hörst du mich?" Fast hätte ich hysterisch laut aufgelacht, weil Siamak anscheinend ernsthaft davon ausging, dass ich in diesem Krankenhaus nochmal irgendein Gespräch führen würde. Dass ich weiterhin brav die dreiste Neugier des Professors befriedigen würde. In diesem Moment war ich fest entschlossen, nichts dergleichen zu tun. Wütend nahm ich mir vor, mich in dieser Psychiatrie jeder weiteren unsinnigen Behandlung komplett zu verweigern. Dummer Doktor Tourani begriff das einfach nicht.
Aber gerade als ich dem hinterhältigen, ahnungslosen Arzt die passende Antwort geben wollte, ging plötzlich die Bürotür auf. Der nervige Professor Maiwald kam tatsächlich zurück. Erschrocken hielt ich in meinem nächsten Schlag inne, weil mir plötzlich einfiel, dass der verantwortliche Oberarzt meine aggressive Prügelei vielleicht gegen mich verwenden konnte. Womöglich würde er mir Vandalismus vorwerfen. Mich als total gefährlich einstufen. Darauf hatte ich keine Lust. Mir war klar, dass ich einen möglichst guten Eindruck auf den Psychologen machen musste, damit er mich endlich aus dem Gefängnis für Verrückte entließ. Der Typ lächelte mich freundlich an und in dieser Sekunde begriff ich, dass ich mich seiner Befragung auf Dauer ohnehin nicht würde verweigern können. Diese frustrierende Erkenntnis war ein herber Schlag für mich. Es fiel mir schwer, mich damit abzufinden, dass ich für die Doktoren noch länger funktionieren musste. Mein Herz schlug schnell von der Anstrengung, vor rasender Wut, und weil ich mich fast unverändert erregt fühlte. Erschöpft brach ich auf dem Sofa zusammen, ließ mich ächzend auf das graue Polster fallen. Ich war so was von angepisst.
„Geht es Ihnen mittlerweile wieder besser, Herr Banton?" erkundigte der Professor sich mit seiner einstudierten Freundlichkeit. Fragend schaute er zwischen Siamak und mir hin und her. „Habt ihr euch noch nichts zu trinken geholt?" wollte er im nächsten Moment erstaunt wissen. Am liebsten wollte ich ihm erzählen, was in den letzten zehn Minuten zwischen dem geilen Doktor und mir passiert war, wollte Maiwald von Siamaks Küssen berichten, weil ich echt ein Bedürfnis nach Rache verspürte. Aber ich wollte Tourani nicht in Schwierigkeiten bringen. Darum hielt ich die Klappe, schloss die Augen und atmete tief durch. „Clay ist leider noch immer sehr aufgeregt. Ich wollte ihn in deinem Büro lieber nicht allein lassen. Aber ich habe tatsächlich großen Durst. Und Clay könnte auch dringend etwas zu trinken vertragen. Möchtest du auch was, Fabian?" hörte ich Siamaks schöne Stimme auf seinen Kollegen einreden. Der scharfe Kerl klang so dermaßen nervös, dass ich mir ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen konnte. „Ja, okay, dann hole uns doch bitte drei Wasser, Siamak", stimmte Professor Maiwald zu, der offenbar mit Vornamen Fabian hieß. Ich öffnete die Augen und sah gerade noch, wie Siamak den Raum verließ und die Tür hinter sich zumachte.
Plötzlich war ich mit diesem unbekannten Professor allein in seinem Büro, was mich sofort nervös machte. Unruhig fing ich damit an über das Sofa zu rutschen. Meine Arme und Beine bewegten sich wahllos, weil mein von Geilheit und Adrenalin aufgeputschter Körper schlicht nicht ruhig sitzen bleiben wollte. Der Oberarzt lächelte mich freundlich an und ging langsam zu seinem Sessel, auf dem er schon die ganze Zeit gesessen hatte. Auch jetzt nahm er nochmal da platz und legte sein Handy auf den niedrigen Tisch zwischen uns. Die Tonaufnahme war wieder eingeschaltet. Aus irgendeinem Grund nahm der Kerl alles auf, was ich ihm sagte, was ich einerseits enorm stressig fand, weil es mich an Verhöre bei der Polizei erinnerte. Andererseits war es mir aber auch schnurz, denn ich hatte echt andere Sorgen.
„Wie lange kennen Sie Doktor Siamak Tourani schon?" erkundigte der Professor sich sanft bei mir. Seine blauen Augen lagen erneut auf diese tiefenanalysierende Art auf mir, wie gnadenlose Röntgenstrahlen durch meine Seele. Sein forschender Blick ließ mich nicht eine Sekunde lang los. Das steigerte meine Nervosität gewaltig. „Ähm... wir... kennen uns aus der Notaufnahme...", stotterte ich verwirrt, weil mir nicht klar war, was diese Frage bedeuten sollte. „Aus welchem Grund haben Sie die Notaufnahme in Anspruch genommen?" wollte Maiwald ruhig wissen. Sein freundliches Gesicht veränderte sich kaum, die Augen blickten immer gleich aufmerksam. Seine sanfte Miene schien nichts als eine gründlich einstudierte, routinierte Maske zu sein. „Steht das nicht in meiner Akte?" fragte ich ihn leicht ungehalten. Die ganze Zeit gab der fremde Mann mir das Gefühl, mich auf Umwegen behutsam in eine Falle locken zu wollen. Das ging mir tierisch auf die Eier. Außerdem hatte ich noch immer einen Ständer in der Hose, der beim Sitzen unangenehm drückte. Mein Herz schlug zu schnell, ich war erschöpft und gleichzeitig total aufgeregt.
„Ich möchte es gerne von Ihnen hören, Clay", erwiderte der Professor verständnisvoll. „Ja... ähm... ich bin verprügelt worden...", berichtete ich ihm widerstrebend und bereute es im gleichen Moment, weil sich bei der Erinnerung prompt alles in mir zusammenzog. Davon hätte ich jetzt wirklich nicht anfangen sollen, das ist doch schon ewig her, dachte ich ärgerlich. „Sind Sie schwer verletzt worden?" forschte Fabian ruhig. „Mann, ich war gerade total nackt! Sie haben doch genau gesehen, wie schwer ich verletzt worden bin!" blaffte ich ihn spontan verständnislos an. Zwei Sekunden später biss ich mir erschrocken auf die Lippen, weil mir einfiel, dass aggressiv zu werden wohl keine so gute Idee war. Maiwald reagierte mit einem freundlichen Nicken. „Was war der Grund für diese Prügelei?" wollte er wissen, ohne auf meinen wütenden Hinweis einzugehen. „Ich hab eine fremde Frau angebaggert und ihr Typ fand das gar nicht witzig!" erklärte ich ihm hämisch grinsend. Zufällig war das sogar die Wahrheit, registrierte ich verdutzt. Nochmal nickte Maiwald bedächtig. Das machte der immer. Es war seine erlernte Standardreaktion auf alles. Seine Augen erforschten mich konzentriert, registrierten jede meiner nervösen Bewegungen. Darum klemmte ich meine zitternden Finger unter die Oberschenkel und zwang mich dazu, ruhiger sitzen zu bleiben, was mir extrem schwerfiel.
„Hat Doktor Tourani sich gut um Sie gekümmert?" war die nächste rätselhafte Frage des Oberarztes. „Er hat mich perfekt zusammengenäht", informierte ich den neugierigen Kerl. Spontan zeigte ich ihm die Naht an meinem linken Oberarm, die ein Stückchen unter dem Ärmel des T-Shirts, das Siamak mir geliehen hatte, auf der nackten Haut offen sichtbar war. „Sehen Sie die engen, regelmäßigen Stiche? Siamak hat das genäht. Der kann das ganz hervorragend", betonte ich, während ich ihm die Naht vorführte. „Und es gibt noch eine, die ist noch viel länger", konnte ich mich plötzlich nicht zurückhalten, weil ich das Gefühl hatte, die unbestreitbare fachliche Kompetenz von Doktor Tourani vor dem misstrauischen Oberarzt dringend beweisen zu müssen. Ich dachte, dass ich Siamak damit bestimmt einen großen Gefallen tat, wenn ich diesem Professor demonstrierte, wie gut und professionell der orientalische Doktor sich um meine Verletzungen gekümmert hatte.
Ohne zu überlegen stand ich vom Sofa auf und öffnete die Jeans, die Siamak gehörte. Hastig knöpfte ich sie auf und ließ sie ein Stück herunter, um Maiwald die lange Naht an meinem rechten Oberschenkel zu zeigen. Meine bisher eingeklemmte Erektion fiel mir schwer in die Unterhose, als ich sie unbedacht befreite. Das war mir peinlich, darum hielt ich schnell meine Hand drüber und konzentrierte mich hektisch auf die Naht, die der Oberarzt sich ansehen sollte. „Sehen Sie das? Können Sie sehen, wie perfekt Siamak mich genäht hat?" fragte ich verzweifelt, weil ich nicht daran gedacht hatte, dass ich dem Kerl auf dem Sessel mir gegenüber auch noch meine sichtbare sexuelle Erregung zeigte, indem ich meine Jeans herunterließ. „Können Sie das sehen, Herr Professor? Sehen Sie, wie gleichmäßig Siamaks Stiche geworden sind?" fragte ich wirr und strich mit meinen Fingern demonstrierend über den eng gestochenen schwarzen Faden an meinem Schenkel, der ziemlich tief in meinem Fleisch steckte. Ich hatte das vage Gefühl, das gerade irgendwas falsch lief, kam aber nicht dahinter, was jetzt eigentlich konkret los war.
In diesem Moment kam Doktor Tourani ahnungslos zurück ins Büro. Der Orientale hatte drei kleine Plastikflaschen Mineralwasser im Arm, die er prompt schockiert fallen ließ, als er mich vor dem Sofa stehend mit heruntergelassener Jeans entdeckte. „Himmel, Clay, was machst du denn da bloß!? Was soll denn der Unsinn?! Zieh dich sofort wieder an!" fuhr er mich ärgerlich an. Hektisch kam er zwei Schritte auf mich zu, als wollte er mir am liebsten auf der Stelle höchstpersönlich die Hose wieder hochziehen. „Nein... das ist nicht... ich... habe nur...", stotterte ich konfus und zog die Jeans eilig wieder hoch. „Ist schon gut, Siamak! Clay hat mir deine perfekt gestochenen Nähte gezeigt!" meldete Maiwald sich von seinem Sessel her. Die bislang ausnahmslos gleich behutsam klingende Stimme des Oberarztes hörte sich plötzlich dermaßen ungewohnt amüsiert an, dass Siamak und ich ihn sofort verblüfft anstarrten. Tatsächlich, der seriöse Herr Professor musste sich unübersehbar ein Lachen verkneifen. Seine überraschende Gefühlsregung machte mir den Mann sofort sympathischer und veranlasste mich zu einem erleichterten Grinsen, während ich die Jeans hochzog und mühsam über dem Ständer wieder zuknöpfte.
„Doktor Tourani hat mich super wieder zusammengeflickt", versicherte ich dem belustigten Psychologen zufrieden, „Siamak kümmert sich immer sehr gut um mich. Jedes Mal." „Nicht wahr, Siamak?" wandte ich mich vielsagend an den mega scharfen Kerl in der Cargo und dem karierten Flanellhemd. Der Süße guckte mich verunsichert an. Er war leicht alarmiert, der Dummkopf, fürchtete wohl, dass ich ihn irgendwie kompromittieren könnte. Ich zeigte ihm meine Zähne und riss ihm mit meinen Augen wollüstig die Klamotten vom Leib. Daraufhin wandte der feige Doktor sofort den Blick ab. Überstürzt hob er die Flaschen vom Boden auf und beeilte sich zu seinem Sessel zu kommen, wo er sich hinsetzte und das Wasser auf dem Tisch abstellte. Müde und enttäuscht fiel ich zurück auf meine Couch. Es war total ätzend, dass Tourani abermals so tat, als wäre zwischen uns nie etwas passiert. Seine vorgetäuschte Seriosität gegenüber diesem angeblich lebenswichtigen Professor frustrierte mich unglaublich. Ich war noch immer geil, sehnte mich erbärmlich nach Körperkontakt und mein empfindlicher Penis drückte in der Jeans. Wütend hampelte ich aufs Neue auf dem Polster herum, weil mir einfach nichts Besseres einfiel, um meine ungenutzten Energien und Emotionen abzubauen.
„Worüber habt ihr denn gerade gesprochen, Clay und du?" erkundigte Siamak Tourani sich bei Fabian Maiwald. Die beiden Fachleute befanden sich jetzt wieder mir gegenüber, auf der anderen Seite des niedrigen Tisches, auf dem die drei Flaschen standen und das Handy lag. Beide Männer fuhren unerschütterlich damit fort, mich unentwegt in ihren aufmerksam prüfenden Augen zu behalten. „Ich habe Clay gefragt, wie lange er dich schon kennt. Und ob du dich in der Notaufnahme gut um ihn gekümmert hättest. Daraufhin hat er mir die Nähte an seinem Körper gezeigt", lächelte Professor Maiwald seinen Kollegen milde an, der sofort die Augen aufriss und ihn entsetzt musterte. Siamak zog instinktiv die Schultern hoch und warf mir einen gehetzten Blick zu. Fast wollte ich schreien, weil der Typ so eindeutig Angst davor hatte, dass ich ihm in Bezug auf seine körperliche Annäherung irgendwelche Schwierigkeiten machen könnte. Mann, ey! Das hatte ich doch gar nicht vor! Für was für einen miesen Arsch hielt der scharfe Doktor mich eigentlich? Sein Misstrauen und seine unerwartet schlechte Meinung von mir kränkte mich sehr viel stärker, als ich verarbeiten konnte. Das ärgerte mich wiederum, sodass ich unwillkürlich noch viel heftiger herumhampelte, wahllos Arme und Beine bewegte und mit dem Oberkörper vor und zurück schaukelte, weil mich die Bewegung irgendwie beruhigte. „Ich habe dir vorhin doch schon erzählt, Fabian, dass ich Clay erst seit zwei Tagen kenne. Wir sind uns bisher erst dreimal begegnet. Heute Morgen ist es das vierte Mal, dass wir aufeinander treffen", zählte Siamak bedeutungsvoll auf. Maiwald hob beschwichtigend die Arme und nickte zustimmend. „Ja, ich weiß. Ich wollte nur mal hören, was Clay dazu zu sagen hat", erläuterte er. Diese Antwort schien Siamak nicht zu behagen.
Allerdings interessierte mich das bei Weitem nicht genug, um dem Geplänkel länger zu folgen. Meine Gedanken schweiften ab. Deprimiert schaute ich das Smartphone des Professors an und fragte mich, ob Sean mich wohl tatsächlich hier abholen würde. Ob er das noch für mich tun würde, nachdem, was gestern zwischen uns passiert war. Ich grübelte, wann Valmont wohl endlich seine scheiß Mailbox abhören und wie lange er dann noch brauchen würde, um mich aus diesem bedrohlichen Käfig zu befreien. Der mega gut aussehende Vergewaltiger war der einzige gewesen, den ich darum hatte bitten können. Der einzige, von dem ich diesen Freundschaftsdienst erwarten konnte. Mister Sean Valmont war nämlich ganz genau einer von zwei Menschen, die ich in dieser frustrierenden Situation um Hilfe bitten konnte. Mein Schmetterling hatte leider keine Zeit dazu. Liz musste im Krankenhaus arbeiten und konnte sich daher vorerst nicht weiter um mich kümmern. Das sah ich ein. Aber Valmont hatte bestimmt Zeit oder würde sie sich nehmen. Der würde das für mich tun. Sean liebte mich bedingungslos und würde alles für mich tun. Auch jetzt noch. Auch das. Hoffte ich zumindest aus tiefster verstörter Seele. Mich abzuholen war der letzte Gefallen, den ich von Sean Valmont erwartete. Danach würde ich für immer aus dieser gefährlichen Stadt verschwinden. Der dunkelste Dämon war aufs Neue in meinem Kopf explodiert. Ein schlimmeres und eindeutigeres Zeichen kannte ich nicht. Das war die ultimative Aufforderung. Definitiv war es Zeit für mich zu gehen.
„Herr Banton?" rief Professor Maiwald fragend. Gedankenversunken hob ich den Blick. Er lächelte und deutete einladend auf den Tisch. „Bedienen Sie sich bitte, Clay! Sie dürfen sich gerne ein Wasser nehmen", bot er mir freundlich an. Das musste der Typ mir nicht zweimal sagen, denn ich hatte tatsächlich Durst. Also beugte ich mich vor und nahm mir eine Flasche, die ich aufschraubte und an den Hals setzte. Die Herren Doktoren nahmen sich auch jeder eine und gleich auch einen kleinen Schluck. Dann stellten sie die Flaschen wieder zurück auf den Tisch, während ich noch mit dem gierigen Trinken beschäftigt war. „Sind Sie jetzt bereit dazu, mit unserem Gespräch fortzufahren, Herr Banton?" erkundigte Maiwald sich vorsichtig. Seine blauen Augen durchbohrten mich freundlich. Entsetzt zog sich alles in mir zusammen. Prompt verschluckte ich mich an dem viel zu warmen Getränk. Hustend schüttelte ich den Kopf und wischte mir über den Mund. „Nein... das... muss das denn unbedingt sein?" stotterte ich verzweifelt. Tief drinnen war mir klar, dass es kein Entrinnen für mich gab, aber verdammt, ich hatte ehrlich keinen Bock mehr, noch länger so verflucht tief im Dreck zu wühlen. „Wie ich schon sagte, Clay, wir können unser Gespräch auch verschieben", meinte Fabian gutmütig. Der routinierte Kerl ließ sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, das hatte ich schon ganz am Anfang kapiert. Siamak dagegen blieb längst nicht so gelassen. Er guckte mich flehend an. Seine dunklen Augen baten mich ununterbrochen, mich doch bitte zusammenzureißen und mich auf das viel zu persönliche Verhör einzulassen. Der stellte sich das so leicht vor, der attraktive Herr Doktor. Er hatte keine Ahnung, was für ein Kampf das für mich war.
„Was bedeutet verschieben?" fragte ich entnervt. „Das bedeutet, dass ich Sie jetzt zurück auf ihr Zimmer bringen lasse, wo Sie sich ausruhen können, und wir später weitersprechen. Wir können uns unterhalten, wann immer Sie sich dazu in der Lage fühlen, Herr Banton", erklärte Fabian mir mit unerschütterlicher Geduld. Meine Fußnägel rollten sich auf bei dem Gedanken, dass ich schon wieder in diesen deprimierenden Kellerraum eingesperrt werden sollte, wo ich dann unter Garantie nochmal stundenlang warten durfte. Von wegen, wann ich mich dazu in der Lage fühlte! Als ob der vielbeschäftigte Herr Professor sofort auf der Matte stehen würde, wenn ich vielleicht irgendwann mal mit den Fingern schnippte. Maiwald war als verantwortlicher Oberarzt dieser Station doch auf keinen Fall jederzeit für mich abrufbereit. Abgesehen davon würde ich sowieso niemals in der Lage dazu sein, dieses extrem gefährliche Gespräch unbeschadet zu überstehen. Der große Zorn fing unweigerlich damit an, verstärkt in mir zu wüten, weil ich in diese verflucht bedrohliche Falle geraten war, aus der es keinen Ausweg zu geben schien. Das war alles eine einzige große Scheiße! Meine Erektion fiel frustriert in sich zusammen. Wie ein Luftballon, dem man die Luft herausgelassen hatte. Das fühlte sich absolut beschissen an, total aufgegeilt und unbefriedigt.
„Keine Angst, Clay. Ich helfe dir doch. Wir helfen dir beide, Professor Maiwald und ich. Du hast hier nichts zu befürchten", flüsterte Siamak flehend. Lautlos beschwor er mich, jetzt einfach ins kalte Wasser zu springen. Nur mühsam widerstand ich dem plötzlich drängenden Impuls, Tourani zornig die halbleere Plastikflasche ins Gesicht zu schleudern. Mit böse zitternden Fingern schraubte ich das Teil zu und stellte es zurück auf den Tisch. Dann schloss ich die Augen und rieb mir mit beiden Händen heftig über die Lider und das Gesicht. Ein paarmal atmete ich tief durch, um mich irgendwie in den Griff zu bekommen. Mein Herz überschlug sich fast vor Wut und Widerwillen. „Bis hierher haben Sie unsere Unterhaltung doch sehr gut bewältigt, Clay. Seien Sie mutig! Wagen Sie das ruhig! Springen Sie über Ihren Schatten! Trauen Sie sich etwas zu! Sie werden überrascht sein, was am Ende dabei herauskommt", musste der seltsame Professor auch noch seinen Psychologensenf dazugeben. Extrem angefressen, weil meine Feinde mir in Wahrheit gar keine Wahl ließen, riss ich die Augen wieder auf. „Na gut", blaffte ich viel zu bösartig. Im nächsten Moment biss ich mir verschreckt auf die Lippen, weil ich ja nicht aggressiv werden durfte.
Siamak atmete erleichtert auf und lächelte zufrieden. Fabian Maiwald ließ sich wie immer nichts anmerken, nickte nur bestätigend. „Sehr gut, Clay!" lobte er mich freundlich, wofür ich ihm am liebsten die Fresse poliert hätte. „Dann machen wir doch am besten mit Australien weiter, wo wir ja vorhin stehengeblieben sind. Mit zwölf sind Sie also nach vier Jahren in Kanada mit Ihrer Mutter und Ihren Schwestern nach Australien umgezogen, nachdem Ihre Mutter sich von Ihrem kanadischen Lebensgefährten getrennt hatte. Ist das soweit richtig?" legte der Psychologe auch schon los. Der Mann war richtig geil auf dieses Interview mit mir. Wahrscheinlich wollte er nicht noch mehr Zeit verlieren. Mega gestresst nickte ich. Mein Puls schlug entschieden zu hart und schnell. Vor Zorn und Nervosität hatte ich Mühe damit, ruhig und regelmäßig zu atmen. Mein angespannter Körper rutschte ungesteuert in ständig abwehrenden Bewegungen über das verdammte Sofa. Ohne Ende alarmiert zu sein war total anstrengend und ging mir selbst mächtig auf die Nerven. Aber ich konnte das einfach nicht stoppen. „Wie war das für Sie, Clay, dieser erneute Umzug in ein fremdes Land? Die zweite Umstellung auf einen anderen Vater? Bitte erzählen Sie mir etwas über Ihre Zeit in Australien", forderte Maiwald mich sanft auf. Beide Männer beobachteten mich aufmerksam. Unter ihrem pausenlos interessiert forschenden Blick drehte ich beinahe durch, denn ich fühlte mich diesen fremden Menschen restlos ausgeliefert. Panisch wich ich ihren stechenden Augen aus und fixierte den Fußboden, um in diesem anthrazitfarbenen Teppichboden irgendeine Ruhe zu finden, die es da gar nicht gab. Verbissen versuchte ich mir einzureden, dass Valmont bald kommen und mich erlösen würde. Klappte aber nicht. Trotz all meiner instinktiven Abwehrmaßnahmen kamen in meinem Kopf unwillkürlich die alten Bilder hoch, die ich ehrlich nicht mehr sehen wollte.
Die unglaubliche Hitze war das erste, was mir entgegenschlug, als wir aus dem klimatisierten Kingsford Smith International Airport hinaus in die gleißende Sonne Australiens traten. Aus den winterlichen Temperaturen im meistens zweistelligen Minusbereich geriet ich ohne Vorwarnung direkt in einen Sommer mit über dreißig Grad, den ich mir niemals hätte vorstellen können. Das zweite, was mir erschrocken klar wurde, als der wildfremde Mann aus seinem Auto stieg und freudestrahlend auf uns zukam, war, dass ich diesmal eindeutig die Arschkarte gezogen hatte. Entsetzt registrierte ich, dass es ein Wagen der New South Wales Police Force war, aus dem der große, breite Kerl herausgekommen war. Augenblicklich begriff ich, dass mir jede Menge Ärger bevorstand. Tatsächlich war mein neuer Vater ein Polizeibeamter, der sich ausgerechnet auf Jugendkriminalität spezialisiert hatte. Der Fremde hatte sich extra zwei Wochen Urlaub genommen, um mit uns „zum Kennenlernen" die erste Zeit intensiv gemeinsam verbringen zu können. Schon die allererste Autofahrt in seinem Dienstwagen vom Flughafen zu seinem Haus war mir mehr als zuwider. Weil es in Kanada ausnahmslos überaus miese Gründe für mich gehabt hatte, mich in einem Polizeiauto zu befinden. Außerdem war der Flug hierher viel länger gewesen als erwartet. Fatalerweise war es mir im Flugzeug nicht gelungen, irgendwie an Alkohol heranzukommen. Ich hatte zu lange nichts getrunken und fühlte mich deshalb extrem unwohl. Meine kleinen Finger zitterten wie blöde. Seltsame Wahrnehmungen verwirrten mein Gehirn. Aus diesem Grund nahm ich die unfassbare Größe der Stadt, durch die wir fuhren, zuerst kaum wahr. Sydney war mit Abstand die lauteste und gewaltigste Menschen-, Gebäude- und Fahrzeugansammlung, die ich bis dahin je zu Gesicht bekommen hatte, und alle Autos fuhren auf der falschen Seite. Wenigstens sprachen die Menschen eine mir mittlerweile bekannte Sprache, wenn auch mit ungewohntem Akzent, worüber ich froh war.
Dafür tat sich jedoch schnell ein anderes Problem auf. In unserem neuen Haushalt befanden sich keinerlei alkoholische Getränke. Aber ich brauchte dieses Zeug nun mal, um relativ normal zu funktionieren. Meine vorrangige Gewohnheit, die Droge aufzutreiben und sie regelmäßig zu konsumieren, ohne das jemand aus meiner Familie davon etwas mitbekam, nahm mich die ersten Tage voll und ganz in Anspruch. In der fremden Umgebung und in meinem Alter war das gar nicht so leicht, aber diesbezüglich war ich im Laufe der Jahre sehr erfindungsreich geworden. Nur einem Menschen konnte ich von Anfang an nichts vormachen. Es dauerte wohl keine Woche, bis der fremde Mann meinen Zustand richtig analysiert hatte. Schon zu Beginn der zweiten gemeinsamen Woche sprach er das Problem vor der ganzen Familie an. „Ich fürchte dein Sohn ist ein kleiner, viel zu junger und ziemlich wütender Alkoholiker", informierte er meine ahnungslose Mutter ernst, „Wir müssen da dringend einschreiten." Nie werde ich den Blick meiner Mum vergessen, der mich daraufhin traf. Die Enttäuschung und Kränkung in ihren Augen zwang mich damals beinahe in die Knie. Auch meine Schwestern starrten mich alle drei so besorgt-überrascht an. Als wäre ich plötzlich ein Fremder für sie, was ich kaum ertragen konnte.
Obwohl ich verzweifelt alles abstritt, glaubte meine Mum diesem fremden Kerl natürlich auf Anhieb. Sie stimmte zu, mich schnellstmöglich professionell behandeln zu lassen. Noch bevor ich in einer Schule angemeldet wurde, lernte ich eine australische Psychiatrie für Jugendliche mit Suchtproblematik von Innen kennen. Mit meinen gerade erst zwölf Jahren gehörte ich in der Institution zu den jüngsten Patienten. Der Umgangston unter den Jugendlichen war rau, laut und sehr gewalttätig. Es war schwer für mich, mich zu behaupten, weil ich unverändert klein, schwach, dünn und blass war und einen komischen Akzent sprach. Sie schubsten mich herum wie ein Spielzeug, belästigten und verprügelten mich nach Belieben. Die Psychologen regten sich mächtig darüber auf, dass ich noch so jung war. Sie warfen mir vor, dass ich in meinem Alter ja noch gar keinen Grund haben konnte, um Alkohol zu trinken. Ich sollte doch lieber mal an meine armen Eltern denken und ihnen nicht länger so einen großen Kummer machen. Um mich davon zu überzeugen, wie gut ich es zu Hause doch eigentlich hatte, sperrten sie mich gerne in eine kleine, dunkle Kammer oder fixierten mich auf irgendeinem Bett. Körperlich war ich nach den vier Wochen in der Klinik entgiftet. Psychisch würde ich es nie sein.
„Der zweite Umzug war okay, viel entspannter als der erste", versicherte ich Professor Maiwald und zwang mich dazu, ihn lächelnd anzusehen, „Australien war cool. Ich... kannte das ja jetzt schon... das lange Fliegen und alles... das war aufregend..." „Sind Sie mit dem neuen Lebensgefährten Ihrer Mutter gut zurechtgekommen?" wollte er natürlich wissen. Sein professionelles Gesicht verriet keine Regung. Der Kerl blieb gleichbleibend behutsam, freundlich und interessiert. Aber ich hatte pausenlos das Gefühl, dass dieser irgendwie misstrauische Psychologe mir sowieso nichts von dem, was ich ihm erzählte, restlos glaubte. Das stresste mich enorm. „Der Typ war in Ordnung", behauptete ich und schluckte unbehaglich. Hilflos ließ ich meinen Blick durch das Büro schweifen, während mein höchst alarmierter Körper nicht damit aufhören wollte, sich auf dem Sofa sitzend zu bewegen. „Was war für dich das Schlimmste in Australien, Clay?" stellte mir Siamak vorsichtig die exakt gleiche Frage, die ihm vorher auch schon für Kanada eingefallen war. Meine Augen schnellten zu seinem ansehnlichen Gesicht und spießten ihn ärgerlich auf. „Die Sommer in Sydney waren viel zu heiß!" informierte ich den Doktor grinsend, „Ich bin aus dem Schwitzen gar nicht mehr rausgekommen. Ständig war meine Kleidung durchgeschwitzt und ich hatte pausenlos Durst. Das ging uns allen so. Meiner ganzen Familie. Wir brauchten alle eine neue Garderobe, weil wir so dünne Sommerklamotten gar nicht besaßen. Die waren vorher nie notwendig gewesen."
Wir wohnten in einem Steinhaus im Council Sutherland Shire am südlichen Rand von Sydney. Das Haus war im Vergleich zu unserer winzigen Wohnung in Kanada zwar eine Verbesserung, aber ich empfand mein neues Zuhause trotzdem als unerträglich beengt. Meine Schwestern und ich bekamen den kleineren Raum in der ersten Etage zugewiesen, in dem nur zwei Betten Platz hatten, eins für mich, das andere für meine drei Schwestern. Schon in der vierten Nacht, als er plötzlich unerwartet ins Zimmer stürmte, erwischte mein neuer Vater mich mit zwei meiner Schwestern beim ziemlich innigen Körperkontakt. Damit fand er anscheinend seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Der blöde Idiot war absolut schockiert darüber, was er da zu sehen bekam. Sofort meldete er bei meiner Mutter todernst gemeinte Bedenken an, die mir völlig unsinnig erschienen. Ich war es gewohnt und liebte es, mit den Mädchen in einem Bett zu schlafen. Aus schlichtem Platz- und Bettenmangel war es bei uns schon in Island so üblich gewesen. Der Kerl quatschte meine verwirrte Mutter allerdings voll damit, von wegen, ich wäre kein Kind mehr, sexuell total frühreif und hätte im Bett meiner Schwestern nichts verloren.
Wann immer mein dritter Vater mich in den folgenden Jahren im falschen Bett erwischte, was ziemlich oft der Fall war, machte er mich total zur Sau. Der Polizeibeamte fand im Laufe der Zeit auch noch viele andere Gründe, warum ich ihn immerzu wütend machte. In seinen Augen war ich total verzogen, aggressiv, aufsässig, verlogen, schlampig, sexsüchtig und faul. Auch mein nach dem Klinikaufenthalt von mir bald uneingeschränkt fortgeführter Drogenkonsum gefiel ihm selbstverständlich überhaupt nicht. Wenn der Kerl richtig sauer war, dann beschimpfte und demütigte er mich enorm. Manchmal rutschte ihm im aufbrausenden Zorn auch die Hand aus. Einmal, als ich mit ihm alleine zu Hause war, schlug er mich quer durch den Flur an die Wand, bis ich nur noch Sterne sah. Meiner Mutter erzählte er später, meine sichtbaren Verletzungen stammten von einer Schulhofprügelei, in die ich wieder einmal durch meine eigene Schuld geraten wäre. Meine Mum glaubte dem jähzornigen Australier jedes Wort. Es spielte nie eine Rolle, was ich dazu zu sagen hatte.
Siamak musterte mich so besorgt und zweifelnd, dass mir vor Nervosität ganz heiß wurde. Fahrig wischte ich mir mit den Fingern über die feuchte Stirn. Ich bekam das bedrohliche Gefühl, dass dem viel zu neugierigen Doktor Tourani noch jede Menge höchst unangenehmer Fragen auf der Zunge lagen, die ich bestimmt nicht hören, geschweige denn beantworten wollte. Um seiner rätselhaften Wissbegier zuvorzukommen, holte ich schnell Luft. „Australien war richtig interessant", erzählte ich hastig und guckte lächelnd zwischen Maiwald und Tourani hin und her, „Ich habe da viele seltsame Tiere gesehen, Kängurus, Koalabären, Wombats und so was. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich in einem Meer schwimmen gewesen. Diese hohen Wellen waren ganz schön ungewohnt für mich. In Australien habe ich sogar das Surfen gelernt, mehr oder weniger." Mein Lachen klang blöderweise ein bisschen gezwungen. Überstürzt fuhr ich fort: „In Alberta in Kanada gab es nur die Rocky Mountains und eiskalte Seen. In Island sind wir nie im Nordmeer geschwommen, das war auch viel zu kalt, da hatten wir in unserem Ort nur ein Hallenbad dafür. Aber in Australien war das ganz normal. Alle Kids sind im Südpazifik schwimmen und surfen gewesen." „Sind Sie in der Schule gut zurechtgekommen? Haben Sie Freunde gefunden?" fragte Fabian sanft. Seine blauen Augen blickten mich unverändert forschend an. Ich nickte lächelnd. „Die Schule war toll, die haben mir da alle total geholfen. Das Lernen hat Spaß gemacht. Ich habe jede Menge neuer Freunde kennengelernt. Wir waren eine richtig nette Clique."
Das Schulsystem in Australien gilt als eines der besten der Welt, sein Standard ist extrem hoch. Mit meinen zwölf Jahren befand ich mich an der Grenze zum High School Alter. Die Schuluniformen waren gewöhnungsbedürftig und meine Bildung war mangelhaft. Tatsächlich wusste ich in vielen Fächern so gut wie nichts, daher steckten sie mich nach einigen Wochen zurück in die Primary School. Genau wie in Island und Kanada, dauerte jeder Schultag bis spät in den Nachmittag. Die australischen Kids waren cool und halfen mir, wo sie konnten. Allerdings wohnten sie ausnahmslos zu weit entfernt, sodass sich unsere Kontakte auf die Schule beschränkten. Auch die Lehrer und Pädagogen bemühten sich auffallend um den verstörten, schmächtigen Isländer aus Kanada. Sie forschten so lange geduldig nach meinen Interessen, bis ich sie ihnen verriet. In der australischen Schule durfte ich das Gitarrespielen und Zeichnen in besonderen Kursen lernen, von denen unzählige angeboten wurden. Jeder Schüler wurde dort persönlich gefördert, sodass ich meine Bildungsdefizite recht bald aufarbeiten konnte und nach einem Jahr problemlos auf die High School wechselte. Es gab keine Noten, nur Beurteilungen, was mir sehr entgegenkam. Der intensive Sportunterricht half mir dabei, meine unverändert kochenden Aggressionen abzubauen und meine Muskeln zu stärken. Im Mannschaftssport der High School war ich mit der Zeit richtig integriert und auch engagiert.
In Australien hätte eigentlich alles gut sein können. Aber zwei Dinge verhinderten das: Zum einen lauerte zu Hause ein jähzorniger Polizeibeamter auf mich, der mich auf vielerlei Arten einschüchterte und verletzte. Zum anderen kam ich in die Pubertät, die mich psychisch und körperlich kräftig durcheinander schüttelte. Eines Morgens wachte ich mit vollgewichster Unterhose auf. Bevor ich die peinliche Sauerei unauffällig verschwinden lassen konnte, hatten meine Schwestern es schon gesehen und verspotteten mich lauthals. Die ganze Familie amüsierte sich tagelang köstlich über meine Geschlechtsreife, was mich ehrlich wütend machte. Mein australischer Vater drohte mir damit, mich restlos fertigzumachen, sollte ich es wagen eine meiner Schwestern zu schwängern. In seinem Verständnis war ich jetzt noch sehr viel krimineller, gefährlicher und aufsässiger als vorher. Seine Arbeit hatte ihn gelehrt, männlichen Jugendlichen auf gar keinen Fall zu vertrauen, weil sie seiner Erfahrung nach alle aggressiv und gesetzeswidrig waren. Inzwischen hielt ich es zu Hause kaum noch aus. Zwangsläufig fing ich wieder damit an, in meiner Freizeit ruhelos durch die Umgebung zu wandern, wo ich im Laufe der Zeit ein paar Leute kennenlernte, die um einige Jahre älter waren als ich. Die Jungs und Mädels hatten die High School schon hinter sich gebracht, hingen jeden Tag in der Stadt herum und waren mächtig scharf auf Abenteuer jeder Art. Instinktiv suchte ich nach Ablenkung und fand sie erneut in flüchtigen Beziehungen, Alkohol und verschiedenen Drogen. Meine Gedanken waren wirr. Ich fühlte mich entsetzlich einsam und unverstanden. Von da an ging es eigentlich stetig bergab mit mir. Mein Absturz war nur noch eine Frage der Zeit.
Es gefiel mir gar nicht, mich an mein Leben in Australien erinnern zu müssen. Ich wollte diese vergangenen Szenen auf keinen Fall in meinem Kopf haben. Aber selbstverständlich tauchten sie alle unweigerlich auf. Wie der fremde, uniformierte Mann, den meine Mutter liebte, mich während seines Dienstes sturzbesoffen vom Bürgersteig einsammelte, in seinen Polizeiwagen verfrachtete und in die Ausnüchterungszelle auf seiner Wache sperrte. Wie er später zu Hause den Familienrat einberief und triumphierend betonte, er hätte das ja schon von Anfang an gewusst, wie kriminell und verdorben ich wäre. Wie entsetzt, enttäuscht und kapitulierend meine Mum mich daraufhin ansah. Die Traurigkeit in ihren Augen, wenn ich von Drogen zugeknallt und halb besinnungslos nach Hause kam. Wie meine Schwestern sich beharrlich über mich und meinen pubertierenden Körper lustig machten und auf mich einredeten, ich sollte doch bitte nicht pausenlos die kleine Dramaqueen spielen. Sie kämen mit den Gegebenheiten ja schließlich auch gut zurecht.
Nun, ich schaffte das nicht. Ich war eben anders. Ich gehörte nicht dazu. Mit mir stimmte irgendwas nicht. Mein eigener Körper mit seinen beängstigenden Veränderungen, meine seltsam drängenden, neuen Gelüste und die Situation zu Hause belasteten mich so stark, dass ich anfing die Schule zu schwänzen, weil ich lieber mit den Kumpels abhängen und Alkohol trinken wollte. Auch ging ich öfter mal betrunken oder bekifft in den Unterricht, was allerdings jedes Mal für Aufsehen sorgte. Die Lehrer kontaktierten ziemlich bald meine Mutter, die daraufhin ihren Lebensabschnittsgefährten um Hilfe bat, weil der ja schließlich Experte für Jugendkriminalität war. Der australische Polizist wollte mir aber gar nicht wirklich helfen. In seinen Augen war ich sowieso ein hoffnungsloser Fall. Seine Meinung über mich war gefasst. In naher Zukunft sah er mich unvermeidbar im Gefängnis oder auf dem Friedhof. Das war wohl der Grund, warum meine Mum und der fremde Mann sich immer öfter in die Haare gerieten. Sie fingen an zu streiten, hatten unterschiedliche Meinungen darüber, wie am besten mit mir zu verfahren wäre. Der Typ wollte mich in irgendeine Anstalt abschieben. Meine Mutter wollte das aber nicht. Die Streitereien nahmen zu. Das Ende meines Aufenthalts in Australien rückte schnell näher.
Meine Arme und Beine bewegten sich so heftig, dass ich kaum noch auf dem Sofa sitzen bleiben konnte. Mein Drang aufzustehen und wegzulaufen wurde existenziell. Nur mit größter Mühe hielt ich mich davon ab. Doktor Siamak Tourani und Professor Fabian Maiwald saßen regungslos auf ihren zwei Sesseln und behielten mich konzentriert im Auge. Den studierten Männern entging keine meiner geringsten Zuckungen. Mittlerweile machte mich das völlig verrückt. „Wir lebten ja nur drei Jahre in Australien", erklärte ich hektisch und machte eine wegwerfende Handbewegung, „Die gingen viel zu schnell vorbei." „Nach drei Jahren hat Ihre Mutter sich von dem australischen Mann getrennt und mit Ihnen und Ihren Schwestern sofort wieder das Land verlassen?" fragte der Professor verwundert. Ich nickte. „Ja, meine Mum hatte die Schnauze voll. Sie wollte zurück nach Hause. Deshalb sind wir nach Deutschland gekommen." Fahrig strich ich mit meinen Fingern über den glatten Stoff des Sofas, um mich von den quälenden Blitzlichtern abzulenken, die penetrant in meinem Schädel aufflackerten. Meine nackten Füße waren eiskalt und wollten nicht ruhig auf dem rauen Boden stehenbleiben. Mein Oberkörper schwankte immerzu vor und zurück, vor und zurück, vor und zurück, während ich mich mühevoll auf meine lästigen Gesprächspartner fokussierte.
Siamak schüttelte fassungslos den Kopf. Er betrachtete mich mit dieser total besorgten und mitfühlenden Miene, die mir so gar nicht an ihm gefiel. Ich wollte dem Mann nicht leidtun. Niemandem. Ich wollte nicht so erbärmlich sein. Und verdammt, ich hatte den beiden Kerlen doch auch nichts erzählt, was Siamaks mitleidenden Blick auch nur ansatzweise gerechtfertigt hätte. Ich konnte mir den traurig-entsetzten Ausdruck in Touranis Augen nicht erklären. Das deutlich spürbar gigantische Mitgefühl des heißen Doktors machte mich richtig sauer. Mein Herz schlug unverändert zu schnell, das Blut rauschte mir in den Ohren, meine Brust war beklemmend eng. Krampfhaft rang ich nach Luft. Ich wollte dringend etwas trinken, wusste aber nicht, ob ich mit meinen verstärkt zitternden Fingern die Flasche noch aufdrehen konnte. Also ließ ich das lieber bleiben, verschränkte stattdessen die Arme vor meiner Brust, schlug die Beine fest übereinander und lehnte mich auf dem Sofa weit zurück. Mit dieser krampfhaft verspannten Körperhaltung bekam ich meine zitternden, rotierenden Muskeln halbwegs unter Kontrolle.
„Das war nicht so schlimm", wandte ich mich beherrscht an Siamak und schaute ihn flehend an, „Warum denkst du das? Warum glaubst du denn, dass meine Kindheit total schlimm war? Das war sie nicht, Siamak. Das ist nicht wahr." Tourani riss überrascht die Augen auf und guckte dermaßen zweifelnd, dass ich ihn am liebsten geschlagen hätte. Die Traurigkeit und das große Mitgefühl in seinen dunkelbraunen Augen wurden zu meinem Verdruss nicht weniger. Sie steigerten sich höchstens noch. Der Doktor seufzte schwer. „Aber Clay, hör mal, du hast doch nun mal als Kind leider wirklich jede Menge durchmachen müssen", erwähnte er vorsichtig. Spöttisch blies ich Luft aus. „Was meinst du damit, Siamak? Was zur Hölle musste ich denn schon durchmachen?" Grimmig grinsend fixierte ich ihn, während ich meine Körperteile verkrampft gegeneinander und meinen Rücken starr gegen die Lehne gepresst hielt. Der attraktive Mann ließ noch einen Seufzer hören. „Naja, die Trennung deiner Eltern zum Beispiel, den Verlust deines Vaters und..." „Na und!?" unterbrach ich ihn wütend, „Das ist doch ganz normal. Das passiert doch andauernd, dass Eltern sich trennen und so. Natürlich hat mich das traumatisiert, aber da bin ich doch schon lange drüber weg. Das geht doch vielen Kindern so. Die werden auch nicht alle verrückt davon."
„Niemand hat behauptet, dass Sie verrückt sind, Herr Banton!" mischte der Professor sich sanft betonend ein. Aufgebracht schnellte mein Blick zu ihm. „Und was soll ich dann hier, Herr Professor? Warum halten Sie mich überhaupt hier fest, wenn Sie nicht denken, dass ich verrückt bin?" knurrte ich fassungslos. Siamak stöhnte leise und schüttelte traurig den Kopf. Ich bemühte mich, ihn nicht zu beachten, weil mir bewusst war, dass der andere Mann hier das Sagen hatte. Professor Maiwald allein entschied, ob ich nach Hause gehen durfte oder nicht. So wenig mir das auch gefiel. Fabian betrachtete mich eine Weile nachdenklich. Dann atmete er tief ein. „Ich kann Ihnen gerne erklären, warum Sie hier sind, Herr Banton", bot er vorsichtig an und beobachtete mich abschätzend.
Schlagartig wurde mir so schlecht, dass ich voll und ganz damit beschäftigt war, nicht eruptiv über den Tisch, die Wasserflaschen und sein Handy zu kotzen. Aus diesem Grund konnte ich die plötzliche Gefahr nicht abwenden und den Psychologen auch nicht aufhalten. Obwohl ich das augenblicklich wollte. Dringend. Ich wollte dem Kerl unbedingt das Maul stopfen. Sofort. Schnell. Den verdammten Arzt am Weitersprechen hindern. Irgendwie. Aber es war zu spät, denn der ahnungslose Mann fing schon an zu reden.
„Sie sind aus einem sehr gewichtigen Grund hier, Clay. Sie befinden sich momentan in der geschlossenen Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses, Herr Banton, weil Sie in der letzten Nacht vollkommen außer Kontrolle geraten sind. Sie hatten ihre eigene Identität gänzlich verloren. Sie haben weder ihre besorgte Freundin noch ihren behandelnden Arzt erkannt. Auch ihre Umgebung konnten Sie nicht mehr identifizieren. Sie waren solcherart aggressiv, dass Sie wie wild um sich geschlagen und nicht nur Siamak beschimpft und bespuckt haben", schlug der verfluchte Professor mir mit gleichbleibend ruhiger, verständnisvoller Stimme gigantisch um die Ohren, „Es waren drei Polizeibeamte und Handschellen nötig, um Sie gegen Ihren Willen aus ihrer Wohnung in die Notaufnahme des Krankenhauses zu befördern. Sie waren eindeutig eine Gefahr für sich selbst und andere Menschen, Clay. Doktor Tourani hatte keine andere Möglichkeit, als Sie mit überaus starken Medikamenten ruhigzustellen und Sie in die Psychiatrie zu überweisen."
Mit jedem neuen Satz verknotete mein Magen sich enger, mein Brustkorb kollabierte stärker. Entsetzt starrte ich den fiesen Kerl an, der mit diesen wahrscheinlichen Wahrheiten gnadenlos auf mich einprügelte. Panisch rang ich nach Luft. Maiwalds blaue Augen forschten verstärkt konzentriert nach meiner Reaktion. Ich konnte ihm keine liefern. Denn ich war vollends damit beschäftigt, nicht zu kotzen oder in Ohnmacht zu fallen. Nach dieser für mich niederschmetternden Offenbarung war es tosend still in seinem Büro. Die verschwommenen Erinnerungen, die die detaillierte Erklärung des Oberarztes unwillkürlich in mir aufgescheucht hatte, wirbelten wie bekloppt in meinem verwirrten Hirn herum. Mir wurde richtig schwindelig davon. Es fühlte sich an, als würde ich jeden Moment das Bewusstsein verlieren.
„Nein... das ist nicht... ich habe nicht...", stotterte ich schließlich ratlos. Mein Blick richtete sich instinktiv hilfesuchend auf den gut aussehenden Doktor. „Das war ja nicht deine Schuld, Clay", betonte Siamak eilig, dessen Miene sich langsam von stark mitleidend zu höchst alarmiert wandelte, „Wir vermuten, dass ein verborgenes Traumata dieses heftige Gewitter in deinem Gehirn verursacht hat. Aber so etwas ist gut behandelbar, Clay. Wir sind ja jetzt hier, um dir zu helfen und der Ursache auf den Grund zu gehen." Ächzend presste ich mir die Fäuste in den schmerzenden Magen und zwang mich zum Weiteratmen. „Hatten Sie solche psychischen Ausfälle schon öfter, Herr Banton?" erkundigte Fabian sich teilnahmsvoll. „Nein... ich... weiß nicht...", krächzte ich abwehrend, ohne den wissbegierigen Professor ansehen zu können. Mein Blick hing verbissen an Siam fest. Der Doktor fesselte mich, denn meine Augen wollten sich nicht sattsehen an ihm. An seinem wunderschönen Gesicht, den warmen Augen, den dichten Brauen, der kantigen Nase, dem ausgeprägten Kinn und den vollen Lippen. An seiner samtweichen, faszinierend getönten, olivfarbenen Haut. Mit ganzer Seele wünschte ich mir, der orientalische Mann würde auf der Stelle zu mir auf das Sofa kommen und mich in den Arm nehmen. Ich wollte ihn dringend küssen. Ihm mit aller Gewalt das Hirn rausvögeln. Sofort.
Siamak erwiderte meinen gebannten Blick verstärkt besorgt. Hilf mir, flehte ich den Doktor stumm an, mach irgendwas, sorge dafür, dass das endlich aufhört! Aber der unwissende Kerl verstand mich nicht, denn er zeigte keine Gnade. „Ein möglicher Grund für deine Probleme könnte deine extrem unstete Lebensgeschichte sein, Clay. Deine Mutter konnte dir keine Sicherheit bieten. Es gab in deiner Kindheit nichts, an dem du dich hättest orientieren oder festhalten können..." „Meine Mum hat mich geliebt!" unterbrach ich ihn ärgerlich, weil ich es nicht ertragen konnte, wenn jemand schlecht über meine Mutter sprach. „Das bezweifelt ja niemand", meinte Siamak ruhig und hob hilflos die Hände, „Aber sie hat dich von einem Land ins andere und von einem Ersatzvater zum nächsten mitgeschleppt, Clay. So etwas ist für ein Kind nur schwer nachzuvollziehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das ohne Schwierigkeiten..." „So schlimm war das doch gar nicht!" fuhr ich entnervt dazwischen, „Warum denkst du das? Warum gehst du davon aus, dass meine Kindheit mich... beschädigt hat?"
Plötzlich konnte ich Touranis empathisch-tiefgründigen Blick nicht länger ertragen. Mega alarmiert sah ich mich mit verschreckten Augen im Büro um, ob sich da vielleicht inzwischen irgendein Ausweg für mich aufgetan hatte. Aber da war gar nichts. Das selbe hässliche Zimmer, in dem ich mich immer eingesperrter fühlte, je länger ich es ansehen musste. Die Situation wurde zunehmend unerträglicher für mich. Je länger die beiden Ärzte mich dazu zwangen, genau in ihrem bequemen Blickfeld zu sitzen und mit ihnen über mein Leben zu reden, über das ich definitiv mit niemandem reden wollte. „Wir halten dich doch nicht für beschädigt, Clay!" stöhnte Siamak kopfschüttelnd, weil völlig verständnislos. Böse fauchte ich ihn an.
„Was ist Ihr liebstes Kindheitserlebnis, Herr Banton? Woran erinnern Sie sich besonders gerne?" griff der Professor wohlüberlegt ein. Sofort kamen mir massig Bilder aus Island in den Sinn. Die wundervollen Zeiten mit meinem Dad. Wie wir zusammen mit den Ponys über die Insel stromerten und er mir all diese verwunschenen Plätze zeigte und spannende Geschichten dazu erzählte. Oder wie er mir in seiner Werkstatt den Umgang mit Ton und anderen Materialien näherbrachte, aus denen er die schönsten Skulpturen formen konnte. „Weiß nicht... gar nix...", schmetterte ich den Psychologen genervt ab und warf ihm einen strafenden Blick zu. Mit Sicherheit würde ich dem fremden Mann keine Stories über Island oder meinen Dad erzählen. Diese zu meinem Schrecken schon verblassenden Erinnerungen gehörten nämlich nur mir allein. Sie waren für mich dermaßen wertvoll, dass ich sie mit keiner Menschenseele teilen wollte. Das nie endende Gefühl, irgendwann alles aus dieser Zeit meines Lebens restlos zu vergessen, machte mir eine Heidenangst.
„Und was, würden Sie sagen, war das Unangenehmste in ihrer Kindheit?" ließ Fabian Maiwald zum Verrecken nicht locker. Der Schweiß brach mir schon wieder aus, sodass ich mir heftig mit den Händen über das Gesicht und die Augen wischte. Es fiel mir schwer, meine mühsam verkrampfte Körperhaltung mit verschränkten Armen und übereinandergeschlagenen Beinen noch länger beizubehalten. Meine hart verspannten Muskeln zitterten und schmerzten. Also fing ich abermals damit an, unruhig auf dem Sofa herumzuzappeln, ohne es selbst richtig zu merken. „Meine Kindheit war nicht so schlimm!" betonte ich verzweifelt und hatte dabei das frustrierende Gefühl, sowieso die ganze Zeit nur gegen eine Wand zu reden, „Warum denken Sie das? Warum glauben Sie denn, dass mein Leben für mich wer weiß wie fürchterlich gewesen wäre? Das war es doch gar nicht! So etwas habe ich nie angedeutet!"
Mit plötzlich rasend schnell wachsendem Zorn taxierten meine brennenden Augen meine gefährlichen Gegner. Ich hatte endgültig die Schnauze voll davon, dass die beiden Kerle, die ich kaum kannte, frech in meiner Kindheit herumstocherten wie in einem Wespennest. Fabian nickte verständnisvoll. In einer beschwichtigenden Geste hob er seine Hände. „Ist schon gut, Herr Banton, alles ist okay. Es ist alles in Ordnung. Bitte bleiben Sie ruhig. Es gibt für Sie keinen Grund zur Aufregung, Clay. Wir müssen über dieses Thema nicht sprechen, wenn Sie das nicht möchten." „Nein, das will ich nicht!" zischte ich aufgebracht, „Ich will nicht, dass Sie denken, dass mein Leben ein einziger großer Scheißehaufen gewesen ist! Das war es nämlich nicht!" „Natürlich war es das nicht!" gab der Professor mir sofort recht. „Wir waren eine gute Familie!" erklärte ich energisch, „Wir haben uns total geliebt. Wir haben immer zusammengehalten, meine Mutter, meine Schwestern und ich!" „Das ist schön, Clay", lächelte Maiwald sanft. Ich war mir sicher, dass der nervige Psychologe mir sowieso kein Wort glaubte. Der Typ hatte seine fachliche Meinung über mich doch schon längst gefasst. Es war ganz egal, was ich ihm noch erzählen würde. Diese Erkenntnis stresste mich enorm. Fütterte die brodelnde Wut in mir. Ruhelos rutschte ich über das Sofa, wischte mir mit den Händen sinnlos durchs Gesicht und trat mit den kalten, nackten Füßen auf dem Teppichboden herum.
Eine Weile war es still im Büro. Nur mein Luftholen war zu hören. Die beiden gestiegen aufmerksamen Menschen beobachteten schweigend meine Hampelei, bis ich mir damit total blöd vorkam und mich zum Aufhören zwang. Angespannt saß ich dort und konzentrierte mich darauf, meine Arme und Beine bei mir zu behalten. Meine Finger krampften sich um den vorderen Rand der Sitzfläche, während ich meine Knie so fest gegeneinander presste, dass es wehtat. Mein Atem ging schwer, die ständig angespannten Bewegungen und das alarmiert sein waren mit der Zeit total anstrengend. Langsam fühlte ich mich so ausgepowert wie nach einem Marathonlauf. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie lange ich die extrem aufreibende Situation noch durchhalten konnte. Wie lange ich noch auf der Hut sein konnte. Wie lange ich noch aufmerksam genug sein konnte. Es fühlte sich an, als würden meine ohnehin schon beunruhigend geringen Kräfte rapide schwinden. Vielleicht würde ich bald einfach tot auf dem Sofa zusammenbrechen. Der Gedanke hatte etwas seltsam Beruhigendes an sich. Zu sterben erschien mir plötzlich ein ziemlich verlockender Ausweg zu sein.
„Deine Mutter war egoistisch, Clay. Sie hat sich vorrangig um ihr eigenes Leben gekümmert und weniger um das ihrer Kinder", durchbrach Siamak vorsichtig die Stille. Als ich ihn aufgeregt taxierte, nickte er nachdenklich. „Für eine verantwortungsvolle Mutter hat sie mit euch entschieden zu impulsiv gelebt. Sie ist bedingungslos ihren persönlichen Bedürfnissen gefolgt. Es war ihr egal, was sie ihren Kindern damit..." „Sie hat uns geliebt!" schrie ich wütend dazwischen und tötete den unverschämten Doktor mit einem Blick, „Sie hat sich immer Sorgen um mich gemacht!" „Hatte Ihre Mutter denn einen Grund dafür, sich immer Sorgen um Sie zu machen, Herr Banton?" hakte der interessierte Professor sofort aufhorchend nach. Verwirrt flogen meine Augen zu dem anderen Kerl, wo ich abermals diesem prüfenden Blick begegnete, diesem unverhüllten Interesse, den extrem aufmerksamen, blauen Augen, die gelassen und routiniert bis in den hintersten Winkel meiner Seele sehen konnten und denen nichts zu entgehen schien. „Was? Nein! Das ist nicht... so meine ich das nicht... ich habe nicht...", geriet ich ins Stottern und brach entnervt ab. Scharf und geräuschvoll atmete ich ein und sah den Oberarzt anklagend an. „Mann, Herr Professor, alle Mütter machen sich Sorgen! Das hat doch gar nichts zu bedeuten!" stellte ich ärgerlich klar.
Das seit meinem frühmorgendlichen Erwachen im Worst-Case-Szenario nie mehr endende Gefühl, unerwartet in eine gefährliche, extrem hinterhältige Falle geraten zu sein, explodierte förmlich in mir. Die unsichtbare Schlinge um meinem Hals wurde enger. Ich bekam keine Luft mehr. Schockiert wich ich den ruhig durchleuchtenden Augen des Professors aus und fing stattdessen damit an, stumm die Bücher in dem hässlichen Regal zu zählen. Ich musste mich zwingend an irgendwas festhalten, um nicht auf der Stelle aufzuspringen und so schnell und weit wie möglich wegzulaufen. Während ich in meinem wirren Kopf immerzu zählte und mich verzählte und wieder von vorne anfing, herrschte nochmal eine bedrückende Stille im Büro. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie die beiden wissbegierigen Ärzte sich gegenseitig bedeutungsvolle Blicke zuwarfen. Die verdammten, verschlagenen Kerle verständigten sich ohne Worte. Am liebsten wollte ich sofort über den Tisch hechten und beide verprügeln dafür, dass sie mir das hier antaten. Mich pausenlos und gnadenlos in eine Vergangenheit drängten, mit der ich eigentlich schon sehr lange abgeschlossen hatte. Mir dieses ätzende, unerträglich schmerzende Gespräch aufzwangen. Ich war mir sicher, dass Doktor Siamak Tourani und Professor Fabian Maiwald insgeheim irgendwas extrem Unerfreuliches und Gemeines gegen mich ausheckten. Die Typen führten etwas Gefährliches im Schilde. Sie wollten mich mit sanftem, freundlichem Gesicht fertigmachen.
Plötzlich stieg ein so exorbitanter Schrei in meiner Kehle hoch, wie ich ihn höchstwahrscheinlich noch nie in meinem Leben geschrien hatte. Der stetig wachsende große Zorn bündelte autonom diesen Schrei in mir, der mit aller Gewalt aus mir heraus drängte. Ich musste ehrlich anfangen zu schreien, sofort, und würde dann sicherlich nie wieder damit aufhören. Panisch riss ich die Augen auf, atmete tief ein und hielt die Luft an. Ich wandte mich vom Bücherregal ab, zog stattdessen den Kopf ein und spannte abwehrend sämtliche Muskeln an. Die Arme verknotete ich vor der Brust und presste die Knie gegeneinander. Nur mit letzter Kraft konnte ich das übermächtige Losschreien verhindern.
„Was vermuten Sie, Herr Banton, was war der Grund dafür, dass Ihre Mutter sich jedes Mal schon nach einigen Jahren von ihren Partnern getrennt hat?" nahm der beschissen hartnäckige Professor Maiwald sein Verhör nach einiger Zeit wieder auf. Unverändert interessiert, behutsam und freundlich lag sein Blick ausschließlich auf mir. In diesem Moment war ich sehr kurz davor, den verantwortlichen Oberarzt lauthals anzubrüllen: Ich war das! Ich allein war der Grund! Nur wegen mir haben sie sich immerzu gestritten! Jedes einzige verdammte Mal! Aber nach ein paar konfusen Sekunden begriff ich, dass der engagierte Psychologe exakt auf diese Antwort wartete. Es war so lächerlich eindeutig, dass Fabian von mir hören wollte, welche großen, belastenden Schuldgefühle mich schon mein Leben lang plagten. Und dann würde der Fachmann mir selbstverständlich mit seiner sanften, verständnisvollen Stimme versichern, dass die Trennung meiner Mum von ihren diversen Kerlen auf gar keinen Fall meine Schuld gewesen sein konnte. Die gründlich einstudierten Absichten des Professors waren mir noch nie so klar gewesen wie in diesem Augenblick. Darum tat ich ihm den Gefallen nicht.
„Keine Ahnung...", antwortete ich gespielt gleichgültig, „Die haben sich wohl einfach auseinandergelebt." „Fühlst du dich deswegen schuldig, Clay?" fragte Siamak leise, dessen attraktives Gesicht noch immer entschieden zu besorgt aussah. Spöttisch blickte ich ihn an.„Möchtest du das gerne hören, Siamak?" stellte ich ihm höhnisch grinsend als Gegenfrage, „Willst du jetzt von mir hören, wie schrecklich schuldig ich mich fühle?" Der Doktor schüttelte den Kopf. „Nein, Clay, ich möchte nur die Wahrheit von dir hören, sonst gar nichts", erklärte er mir betrübt. Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief durch. Dann schaute ich ihn wieder an und sagte: „Ich fühle mich deshalb nicht schuldig. Warum auch? Das ist doch ganz normal, dass Beziehungen auseinandergehen. Das passiert doch andauernd. Daran gibt es doch nichts Rätselhaftes."
Professor Maiwald nickte wieder lieb und freundlich. Siam guckte deprimiert. Ich hatte nicht den Eindruck, als hätten meine Worte die beiden Männer überzeugt. Das schürte meinen großen Zorn enorm, sodass ich mich plötzlich nicht länger beherrschen konnte. „Warum denkt ihr das denn? Warum denkt ihr die ganze Zeit, dass mein Leben total entsetzlich war und ich deshalb in Schuldgefühlen ertrinke? Das stimmt doch gar nicht! Das habe ich doch gar nicht gesagt!" brach mein gesammelter Frust abrupt aus mir heraus. Meine Stimme war zu laut und schrill. Ich war viel zu aggressiv, und das war mir auch bewusst. Aber ich konnte mich nicht länger zurückhalten. Die offenbar vorgefasste Meinung der Herren Doktoren machte mich nämlich schlagartig stinksauer.
Siamak zuckte verschreckt zusammen, stöhnte „Clay, nicht doch!" und hob intuitiv beschwichtigend seine schönen Hände. Fabian reagierte mit unveränderter Gelassenheit. „Warum glauben Sie, dass wir das denken, Herr Banton?" erkundigte er sich mit Bedacht. „So ist das gar nicht!" schrie ich unbeirrt weiter, weil ich ihm gar nicht zuhörte, „Ich hatte ein gutes Leben, verdammt! Das war alles völlig normal! Ich bin nicht so ein erbärmlich kranker Idiot mit wer weiß wie traumatischer Kindheit! Ich will nicht, dass ihr das von mir denkt, verflucht nochmal!" „Clay! Beruhige dich bitte!" mahnte Siamak besorgt. „Ihr Leben ist nicht völlig normal verlaufen, Herr Banton", wandte Fabian behutsam ein, aber ich hörte den Mann nicht mal. „Ich will nicht, dass Sie das denken!" schrie ich wütend, „Ich will nicht, dass Sie denken, ich wäre ein angeknackster Psychopath!" Siamak stöhnte entsetzt auf, rieb sich müde über die Augen und schüttelte hilflos den Kopf. Verbissen verbot ich mir, mich deswegen auch nur irgendwie verunsichert zu fühlen. „Erstens denkt das keiner von uns über Sie, Herr Banton", erwiderte der Professor verständnisvoll, „Und zweitens können Sie gar nicht wissen, was wir denken, Clay." „Aber ich spüre das doch!" brüllte ich ungeduldig, „Sie haben ihre Meinung über mich doch schon längst gefasst! Sie wollen mich hierbehalten, Maiwald! Mir irgendwelche Scheiße anhängen, damit ich hierbleiben muss!" Mein Blick tötete den bedrohlichen Kerl auf viele brutale Arten. Mein Herz hämmerte wie wild hinter meinen Rippen. Aufgeregt schnappte ich nach Luft, während meine zornigen Augen den Oberarzt mindestens vierteilten.
Alarmiert sprang Siamak auf die Beine, was mich echt erschreckte. Seine braunen Augen fixierten mich streng. „Hör sofort auf damit, Clay! Beruhige dich doch! Reiß dich bitte zusammen!" verlangte er ungehalten. „Nein, ich will nicht, dass er so von mir denkt! Das ertrage ich nicht!" entgegnete ich widerspenstig und stand ebenfalls auf, um mit dem heißen Doktor auf gleicher Höhe zu sein. Mein Arm streckte sich, mein Finger zeigte direkt auf Professor Maiwald. „Der will mir Schuldgefühle einreden! Er will hören, wie schuldig ich mich fühle, damit er mir das dann wieder ausreden kann! Das ist so ein Psychologenscheiß!" Während diese impulsiven Sätze aus mir herausplatzten, kamen sie mir auf einmal selbst unsinnig und wirr vor. Schlagartig wusste ich gar nicht mehr, was ich diesem seltsamen Professor eigentlich konkret vorwerfen wollte. Völlig verwirrt stand ich vor dem Sofa, blickte panisch von einem Arzt zum anderen, atmete krampfhaft ein und aus und wusste nicht weiter. Mein widerwillig angespannter Körper zitterte wie Espenlaub. Von der pausenlos wütenden Anspannung tat mir langsam schon alles weh.
„Beruhige dich bitte, Clay!" wiederholte Siamak mühsam beherrscht, „Zügel deine unsinnige Wut. Es bringt dir überhaupt nichts, wenn du jetzt aggressiv wirst. Ganz im Gegenteil, Herr Banton." „Woher kommt Ihr spezieller Eindruck von mir?" interessierte Fabian scheinbar brennend, der sich zu meinem gigantischen Frust noch nicht mal durch mein wütendes Geschrei und meine Vorwürfe aus der Ruhe bringen ließ. Böse knurrte ich den unbeeindruckten Kerl an und antwortete nicht. „Setz dich bitte wieder hin, Clay Banton!" verlangte Doktor Tourani entnervt. Sein brennender Blick beschwor mich, mich auf der Stelle wieder einzukriegen, mich brav hinzusetzen und gefälligst still und umgänglich zu sein. Aber ich hatte die Schnauze voll und keine Lust mehr auf ihn zu hören. Schon viel zu lange hatte ich nur dem geilen Doktor zuliebe sein scheiß Spielchen mitgespielt. Irgendwann musste mal Schluss sein, und ich fand, genau jetzt war ein verflucht guter Zeitpunkt. Keine Ahnung, warum meine stundenlang krampfhaft aufrechterhaltene Selbstkontrolle gerade an diesem Punkt zusammenbrach.
„Der soll sofort aufhören mich zu analysieren! Der will mir psychische Krankheiten andichten! Der erfindet was, um mich zwangsweise hierbehalten zu können! Aber das will ich nicht! Ich bin kein scheiß Psychopath!" beschwerte ich mich atemlos. Bei dem Gedanken daran, was dieser zwielichtige Typ vielleicht noch mit mir vorhatte, wurde ich nahezu hysterisch. Mein ausgestreckter Finger zeigte weiterhin auf den Professor, der ruhig auf seinem Sessel saß und mein zorniges Schauspiel gelassen beobachtete. „Wie kommen Sie darauf, Herr Banton? Warum glauben Sie, dass ich Ihnen etwas andichten will? Haben Sie so eine Behandlung schon einmal erlebt? Ist ein Psychiater so mit Ihnen umgegangen? Haben Sie eventuell schon derart negative Psychiatrieerfahrungen gesammelt, Clay?" fragte der Psychologe verstärkt interessiert.
Restlos schockiert starrte ich den Kerl an. Dass Professor Fabian Maiwald ausgerechnet auf diesen einen Gedanken gekommen war, traf mich unerwartet viel härter, als ich verpacken konnte. Es ärgerte, frustrierte und stresste mich gigantisch, dass ich ausgerechnet dem Verantwortlichen, der über meine Entlassung entscheiden durfte, anscheinend unabsichtlich durch irgendwas einen Hinweis auf meine durchweg miserablen Erfahrungen mit Psychologen gegeben hatte. Ich konnte mir das nicht erklären, war mir keiner begangenen Fehler bewusst. Aber ich wusste genau, dass das riesengroßer Mist war. Das warf kein gutes Licht auf mich. Das suggerierte dem Mann, dass ich schon mal in psychiatrischer Behandlung gewesen war. Fabians Verstehen ließ sämtliche Alarmsirenen in mir hellrot aufleuchten. Die Schlinge um meinem Hals wurde abrupt zugezogen. Ich drohte zu ersticken.
„Hören Sie auf!" schnauzte ich den Oberarzt impulsiv an, „Lassen Sie mich in Ruhe!" Ich weiß nicht, was genau mit mir passierte. Mein Gehirn drehte wohl irgendwie durch, schickte mir beängstigende Visionen und die alte neue Befürchtung, nie wieder aus der Psychiatrie entlassen zu werden. „Hör du damit auf, Clay!" schrie Siamak jetzt auch, „Reiß dich sofort zusammen, Freundchen!" Wenn mein Blick ihn hätte töten können, dann wäre der ansehnliche Doktor Tourani in diesem Augenblick wohl tot umgefallen. Stattdessen kam der geile Mann zwei Schritte um den Tisch herum auf mich zu. Bestimmt wollte er mich mal wieder irgendwie beruhigen, mich wahrscheinlich anfassen, was ich momentan so gar nicht ertragen konnte. Angepisst und absolut kampfbereit trat ich ihm einen Schritt entgegen, als urplötzlich die Tür aufging. Zwei große, breite Pfleger erschienen im Türrahmen, die mir sonderbar bekannt vorkamen. Vielleicht hatten die Typen mein lautes, aggressives Gebrüll bis draußen auf den Flur gehört und waren davon alarmiert und hereingelockt worden. Das nervte mich total.
„Ist hier alles in Ordnung, Herr Professor?" wandten die in weiß gekleideten Kerle sich direkt an den noch immer sitzenden Oberarzt, der daraufhin bedächtig sein Handy ausschaltete und einsteckte. Langsam stand Fabian Maiwald auf, schüttelte ruhig mit dem Kopf und sagte sanft: „Nein, leider nicht." Sein unverändert freundlicher Blick richtete sich auf mich. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir unser Gespräch an diesem Punkt unterbrechen, Herr Banton. Wir machen dann später damit weiter, wenn es Ihnen wieder besser geht", beschloss er fast liebevoll zu meinem absoluten Entsetzen. Augenblicklich schüttelte ich energisch den Kopf. „Nein! Auf gar keinen Fall! Ich will nicht später damit weitermachen! Ich will überhaupt nicht damit weitermachen!" erklärte ich ihm lautstark und starrte ihn beschwörend an. Aber der sture Arsch gab den beiden Pflegern an der Tür nur irgendein geheimes Zeichen, sodass beide tatendurstig auf mich zukamen. Das verwirrte mich und machte mich so wütend, dass ich instinktiv abwehrend die Fäuste hob. „Nein! Was soll das? Was ist hier los? Fasst mich ja nicht an!" krächzte ich konfus, als die beiden frustrierend starken Typen mich auch schon gepackt hatten. Bevor ich ihnen eine verpassen konnte, hatten sie mir schon mit routiniert geübten Handgriffen die Arme auf dem Rücken verdreht. Sie machten das so gewaltsam, dass ich unweigerlich vor Schmerz und Frust aufstöhnte.
„Sie werden jetzt zurück in ihr Zimmer gebracht, Herr Banton. Dort können Sie sich eine Weile ausruhen und Ihre Gedanken ordnen. Wenn Sie sich beruhigt haben, dann werden wir uns weiter unterhalten, Clay", erklärte Fabian mir sanft und lächelte freundlich. Zornig spuckte ich in seine Richtung, bevor ich mich bremsen konnte. Eigentlich wollte ich ihn schlagen, aber meine Arme waren dermaßen verdreht, dass ich sie nicht benutzen konnte. Die beiden Pfleger nahmen mich rigoros in ihre Mitte und schleiften mich gnadenlos aus dem Büro hinaus. Meine Gegenwehr war stark, aber längst nicht stark genug. Deprimiert musste ich einsehen, dass ich nicht die geringste Chance gegen die zwei muskulösen Kerle hatte. „Siamak! Bitte nicht!" brüllte ich verzweifelt und reckte den Hals, um ihn sehen zu können. Ging aber nicht mehr. Wir waren schon auf dem Flur, und Doktor Tourani war im Büro des Professors zurückgeblieben.
Sean
„Bitte warten Sie hier. Gleich wird jemand kommen, der sich mit Ihnen unterhalten wird", wies die Krankenschwester mich freundlich lächelnd an. „Okay", stimmte ich ein bisschen verwirrt zu. Es schockierte mich, als die Schwester hinausging und wahrhaftig die Tür hinter sich abschloss. Gott im Himmel, wo war ich denn hier bloß gelandet? Das alles erinnerte mich stark an das Gefängnis, in dem ich Clay vor einigen Jahren während seiner Untersuchungshaft mal besucht hatte. Dabei handelte es sich hier doch angeblich um ein Krankenhaus. Am Eingang war mir meine Tasche und mein Ausweis abgenommen worden, ich war in dieses Wartezimmer gebracht und jetzt allein gelassen und eingesperrt worden. Keine Spur von Clay. Offensichtlich durfte der neue Patient nicht so einfach von jemandem besucht werden. Inzwischen zweifelte ich sogar stark daran, dass ich meinen Mann überhaupt aus dieser Station befreien konnte. Bestimmt durfte ich ihn gar nicht mitnehmen. Womöglich würde ich ihn nicht mal zu Gesicht bekommen. Wenn es stimmte, was Louis mir über die letzte Nacht erzählt hatte, dann würden die Ärzte Clay Banton wohl hierbehalten, ihn vielleicht sogar unter Verschluss halten, weil er unberechenbar und gefährlich war.
Seufzend nahm ich mein Handy, stöpselte die Kopfhörer in meine Ohren und spielte zum tausendsten Mal die Mailboxnachricht ab, die Clay mir heute Vormittag um 11:38 Uhr von einer unbekannten Nummer aus auf meinem Smartphone hinterlassen hatte: Du musst sofort herkommen und mich abholen. Sofort. Ich bin im Christopherus. Bring mir was zum Anziehen mit. Ich brauche Schuhe und eine Jacke und so was. Beeil dich. Bitte. Gebannt lauschte ich der mir vertrauten, wohlklingenden Stimme. Ich liebte seine Stimme über alles, hätte sie mir pausenlos anhören können. Auf der Aufnahme hörte mein Mann sich jedoch beunruhigend panisch und gehetzt an. Clay sprach leise und sehr schnell. Hastig bellte er mir seine knappe Anweisung entgegen und duldete hörbar keinen Widerspruch.
Lächelnd stellte ich mir vor, wie Banton sich hier im Krankenhaus heimlich ein offensichtlich fremdes Handy organisiert und in wilder Hast meine Nummer eingetippt hatte. Er hatte meine Nummer gewählt. Bestimmt keine andere. Nur meine. Von mir versprach er sich diese fragwürdige Hilfe. Es wunderte mich, dass er meine Handynummer anscheinend auswendig kannte, denn sie war in diesem unbekannten Telefon unter Garantie nicht eingespeichert gewesen. Anscheinend saß ihm beim Telefonieren jemand im Nacken, oder er hatte Angst, vorzeitig an seinem für ihn wohl lebenswichtigen Telefonat gehindert zu werden. Mein dummer Mann war in arger Bedrängnis und ging davon aus, dass ich ihn irgendwie aus der Psychiatrie befreien würde.
Aber ich war vernünftig gewesen. Hatte erwachsen und besonnen reagiert. Obwohl ich seine Nachricht schon in der Pause nach meinem vierten Seminar abgehört hatte, hatte ich mich zusammengerissen. Ich hatte meinen erneut starken Impuls, sofort zu ihm zu eilen, erfolgreich unterdrückt. Nein, Sean Valmont hatte brav seinen anstrengenden Arbeitstag hinter sich gebracht und war erst danach zum Krankenhaus gefahren. Vorher hatte ich ihm von zu Hause noch einige meiner Sachen eingepackt und hierher mitgebracht. Am Eingang hatten sie mir die Tasche sofort abgenommen, um sie gründlich zu durchsuchen, war mir erklärt worden. Ein Pfleger hatte eine unangenehm intime Leibesvisitation bei mir vorgenommen, um nach versteckten Drogen oder Waffen zu suchen. Fuck, seit ich auf diese seltsame Klingel am Eingang gedrückt und die Krankenschwester mir geöffnet hatte, war tatsächlich alles genau wie im Knast abgelaufen.
Und jetzt sollte ich also in diesem Zimmer warten, bis jemand kam, der mit mir reden wollte. Mein Herz schlug hart vor Nervosität. Ich war mir nicht sicher, ob ich es würde ertragen können, meinem Mann in seinem unbekannten Zustand zu begegnen. Was hatte Louis gesagt? Clay hatte LSD geschluckt oder zu viel gesoffen? Er war völlig durchgedreht? Sie hatten ihn zwangsweise hier eingeliefert. Womöglich war Banton noch immer außer Kontrolle. Außerdem war der Status quo zwischen uns vollkommen ungeklärt. Das letzte Mal hatte ich meinen Mann am vorherigen Abend gesehen, in einem Stadtpark, in dem ich ihn kurz zuvor ziemlich brutal vergewaltigt hatte. Clay hatte auf diesem zugeschneiten Schotterweg vor mir gestanden und war ein dämonisch lachender Teufel gewesen, ein böse kichernder Fremder, dem ich noch nie vorher begegnet gewesen war. Dieses unbekannte Wesen hatte mir eine dermaßen große Angst gemacht, dass ich vor ihm davongelaufen war.
Aber nun hatte er mich überraschend angerufen und um Hilfe gebeten. Er hatte mich angerufen. Bedeutete das nicht, dass er mir inzwischen verziehen hatte? Ich kannte Clay Banton verdammt gut. Der erstaunliche Mann war dazu fähig, Gemeinheiten gegen ihn zu verzeihen. Er konnte alles verzeihen, hakte es einfach ab und machte mit dem nächsten weiter. Jedoch erschien mir meine Vergewaltigung entschieden zu schlimm zu sein, damit Clay sie einfach so vergessen konnte. Ich selbst würde mir meine unbeherrschte Gewalttat jedenfalls niemals vergeben. Ich hatte keine Ahnung, ob ich meinem geliebten Mann nach dieser entsetzlichen Sache überhaupt nochmal in die Augen blicken konnte. Meine quälende Selbstanklage hatte seit meinem sphärischen Orgasmus in diesem Gebüsch nie wieder aufgehört.
Plötzlich wurde von außen die Tür aufgeschlossen. Hastig zog ich mir die Kopfhörer aus den Ohren und steckte das Handy zurück in die Lederjacke, als auch schon die Krankenschwester hereinkam, die mich hier eingeschlossen hatte. In ihrer Begleitung befand sich ein ziemlich junges, sehr dünnes Mädchen, das mir vage bekannt vorkam. Mir wollte aber im ersten Moment nicht einfallen, wo ich die Rothaarige schon mal gesehen hatte. „Bitte warten Sie hier, Frau Flint. Es kommt gleich jemand, der sich mit Ihnen unterhalten wird", bekam die Kleine von der Schwester die gleiche Anweisung wie vorher ich. Die Krankenschwester lächelte auch das Mädchen an, ging hinaus und schloss ein weiteres Mal die Tür ab. Das bedrohliche Gefühl, in diesem kleinen Raum auf unbestimmte Zeit eingesperrt zu werden, zerrte plötzlich überraschend stark an meinen Nerven. Ich musste den plötzlichen Impuls unterdrücken, panisch aufzuspringen und wie wild an die Tür zu klopfen, damit diese Krankenschwester mich auf der Stelle wieder hinausließ.
„Hallo", grüßte das Mädchen leise, wich schüchtern meinem Blick aus und setzte sich hastig auf einen der acht Plastikstühle, die entlang der vier Wände des Zimmers im Kreis angeordnet waren. Es fiel auf, dass sie drei Stühle zwischen uns Platz ließ, weil sie nicht direkt neben mir, ja, noch nicht mal in meiner Nähe sitzen wollte. „Hallo", erwiderte ich und betrachtete sie nachdenklich. Ich kannte diese Frau, wusste aber nicht woher. „Willst du auch jemanden besuchen?" fragte ich nicht sehr intelligent, weil das ja eigentlich offensichtlich war. Sie nickte nur, ohne mich anzusehen. Überhaupt vermied sie jeglichen Blickkontakt mir mir. Offenbar war sie gehemmt, nicht sehr gesprächig oder hatte keine Lust auf Konversation. Mein Interesse war nicht stark genug, um da irgendwie nochmal nachzuhaken. Dieses Mädchen war mir egal, denn ich wollte nur Clay Banton sehen, ihn vielleicht mitnehmen und sonst gar nichts. Also ließ ich sie in Ruhe und wir saßen eine viel zu lange Zeit einfach so schweigend dort. Zwei ratlose Besucher, unfreiwillig eingesperrt in der geschlossenen Psychiatrie.
Ich stöpselte meine Kopfhörer wieder rein und hörte klassische Musik, um mich zu beruhigen. Aber es nützte nicht viel, denn ich war tierisch nervös. In meinem Kopf versuchte ich, mich auf die unvorhersehbare Begegnung mit Clay vorzubereiten. Das war schwierig, weil ich keine Ahnung hatte, wie es ihm ging, in welchem Zustand er sein würde und wie die Sache zwischen uns stand. Die Situation wurde unangenehmer, je länger die sinnlose Wartezeit andauerte. Meine Nervosität stieg und das Schweigen mit dieser seltsamen Frau in einem Zimmer war ätzend.
Später war ich nahe daran aufzugeben und entnervt nach Hause zu fahren, als die Tür endlich wieder aufgeschlossen wurde. Erleichtert sah ich auf und erwartete die bekannte Krankenschwester. Aber es war ein gut aussehender Typ in Cargo und Flanellhemd, der mit selbstbewusstem Schritt hereinkam. Die Hand grüßend ausgestreckt, kam er sofort lächelnd auf mich zu. „Guten Tag! Ich bin Doktor Tourani", stellte er sich vor und schüttelte meine Hand mit kräftigem Druck. „Hallo. Sean Valmont", grüßte ich den Kerl ein bisschen überfahren und fragte mich sofort, wo ich diesen ungewöhnlichen Namen schon mal gehört hatte. Er ließ mich schon wieder los und wandte sich an das Mädchen, derweil konnte ich unauffällig meine Kopfhörer verschwinden lassen und das Handy ausschalten. „Hallo, Frau Flint", sagte er, weil er den Namen der Frau offenbar schon kannte.
„Wie geht es ihm?" fragte Frau Flint sofort aufgeregt und stand tatendurstig auf. Doktor Tourani hob beschwichtigend die Hände und schüttelte lächelnd den Kopf. „Immer mit der Ruhe, Kim. Bitte setzen Sie sich wieder hin", wies er sie sanft an. Sie gehorchte sichtbar nur ungern, denn sie war echt nervös und ungeduldig. „Wie geht es ihm denn?" wiederholte sie drängend, während sie sich wieder hinsetzte. Der Typ nahm auf dem Stuhl neben ihr Platz und wandte sich ihr zu. Er war jetzt zwei Stühle von mir entfernt. Interessiert beobachtete ich die beiden Menschen, während ich immerzu überlegte, wo ich diese dünne Frau gesehen und den Namen des Doktors schon mal gehört hatte. „Es geht ihm gut", beruhigte der Doktor das aufgeregte Mädchen behutsam, „Alles ist in Ordnung, Kim." „Was hat er gesagt? Hat er nach mir gefragt? Erinnert er sich?" prasselten die Fragen auf den armen Mann ein, sodass ich mir ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen konnte. „Es ist alles in Ordnung mit ihm, Kim", wiederholte Tourani geduldig, „Clay geht es den Umständen entsprechend gut."
Schlagartig verschwand das Grinsen aus meinem Gesicht, als ich begriff, dass die beiden wahrhaftig über meinen Mann sprachen. Was zur Hölle hatte dieses Mädchen mit Banton zu schaffen? Eifersucht und Wut kamen unwillkürlich in mir hoch, als ich verstand, dass das Weib hier war, um ausgerechnet Clay zu besuchen. „Was ist mit Clay?" platzte es verärgert aus mir heraus. Tourani drehte sich langsam zu mir um. Kim Flint schloss unbehaglich die Augen.
In diesem Moment fiel mir blitzartig ein, wo ich das verdammte Weib schon gesehen hatte. Plötzlich sah ich ihre hämisch grinsende Visage direkt vor mir. Bei unserer ersten Begegnung hatten Kim Flints grüne Augen böse und rachsüchtig im Scheinwerferlicht gefunkelt, sie war voller gehässiger Befriedigung gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Frau direkt unten vor der Bühne gestanden und spöttisch zu mir hochgeschaut. Dieser blöde Psychopath wollte mich vergewaltigen. Der ist gefährlich und total krank. Exakt das war ihr Wortlaut gewesen. Mit diesen gemeinen Sätzen hatte das kleine Mädchen sich lauthals über Clay beschwert. Das war im Grenzland-Theater gewesen, vor wenigen Tagen. Und später hatte ich mir diese Szene tausendmal im Internet angeschaut. Kim Flint war die fiese Frau, die zusammen mit ihrem Freund durch gezielte Würfe mit Deko-Steinen auf Banton meine enorm wichtige Samstagabendvorstellung zerstört hatte. Sie hatte Clay öffentlich der Vergewaltigung bezichtigt, hatte ihn als gefährlichen, kranken Psychopathen bezeichnet. Ja, sie war sogar die Furie, die ihn später in dieser Nacht mit einigen Freunden brutal zusammengeschlagen hatte.
„Du warst das!" schrie ich erzürnt und zeigte anklagend auf die Verbrecherin. Impulsiv sprang ich auf und machte zwei aggressive Schritte auf das verdammte Weib zu. Doktor Tourani zuckte verschreckt zusammen und starrte mich alarmiert an. „Was ist denn los, Herr Valmont?" erkundigte er sich verstört. „Sie war das!" wiederholte ich zornig, zeigte auf Kim und tötete das sichtbar ängstliche Mädchen mit meinem Blick. Zögernd öffnete sie ihre auffallend grünen Augen und schüttelte verschüchtert den Kopf. Wenn die blöde Kuh das jetzt abstreitet, dann hau ich der eine rein, nahm ich mir angepisst vor. „Nein...Sean... das ist schon gut... ich habe mich bei Clay entschuldigt... er hat mir verziehen...", stotterte sie erschrocken. „Du hast dich aber noch nicht bei mir entschuldigt!" knurrte ich wütend.
Irgendwas an ihrer Aussage ging mir unerwartet nahe, weil ich daran erinnert wurde, dass auch ich einen mehr als guten Grund hatte, um mich bei Clay Banton entschuldigen zu müssen. Ich hatte das heute Morgen in einer unüberlegten, dummen SMS getan, die mein Mann wohl zum Glück noch gar nicht gelesen hatte. Meine flüchtige SMS an Clay war unverzeihlich, ein weiterer schwerer Fehler gewesen. Ich musste ihm dabei ins Gesicht sehen, wenn ich ihn um Verzeihung für etwas bat, das man eigentlich gar nicht vergeben konnte. Mindestens das war ich ihm aber schuldig. Und Kim Flint behauptete jetzt, dass Clay ihr schon längst verziehen hätte. Das konnte ich im Moment nicht nachprüfen, und das ärgerte mich.
„Hör doch auf! Du hast ihn zusammenschlagen lassen!" blaffte ich die kleinlaute Frau an, weil ich mich nicht besser im Griff hatte. Touranis dunkle Augen wurden vor Überraschung ganz groß, als er verwirrt zwischen Kim und mir hin und her blickte. „Was höre ich da? Ist das wahr? Sie haben etwas damit zu tun, dass Clay so schwer verletzt worden ist?" erkundigte er sich fassungslos bei der Schuldigen. Das kleine Mädchen wurde sichtbar immer kleiner. Unbehaglich sank sie auf ihrem Plastikstuhl zusammen und fixierte den dunkelgrauen Fußboden. „Das ist doch lange geklärt", beteuerte sie schüchtern, „Ich habe das ausführlich mit Clay besprochen." „Das kann man aber nicht so einfach klären, Frau Flint!" meinte der Doktor entgeistert, „Sie haben den jungen Mann total schwer verletzt! Ich musste seine tiefen Schnittwunden mit sehr vielen Stichen nähen! Um ein Haar wäre er daran verblutet! Sein ganzer Körper ist voller Hämatome, um Himmels Willen! Sie haben ihn so heftig mit einem Seil gewürgt und seine Hände so eng gefesselt, dass sichtbare Male zurückgeblieben sind!"
Während er uns empört Bantons Wunden einzeln aufzählte, sah er Kim mit so einer unverhohlenen Verachtung an, dass mir das Mädchen beinahe leid tat. Natürlich war es entsetzlich, was sie Clay und auch mir im Theater angetan hatte. Aber da war ja noch diese unselige Episode im Stadtpark gestern Abend, an der ich selbst schuld und die mindestens genauso verachtenswert war. Darum piesackte mich das vage Gefühl, dass ich diese blöde Kuh eigentlich nicht für ihre Taten verabscheuen durfte. Zuerst musste ich mir selbst ins Gesicht sehen können.
„Also das glaube ich jetzt nicht, Kim!" regte Tourani sich völlig von der Rolle auf, „Sie erzählen mir, dass Sie Clays feste Freundin sind und sich große Sorgen um ihn machen, obwohl Sie ihn erst wenige Tage zuvor gemeinsam mit Ihren Freunden brutal verprügelt und lebensgefährlich verletzt haben? Was ist denn das für ein entsetzliches Verhalten?" „Es tut mir leid", seufzte Flint leise, „Ich habe mich falsch verhalten." „Sie haben sich kriminell verhalten!" verbesserte Tourani sie aufgebracht. „Kim hat mit ihrem Freund Steine auf Clay geworfen, während er mit mir auf der Bühne stand!" informierte ich den Doktor zornig, „Das war mitten in der Vorstellung! Sie hat unseren Auftritt total kaputtgemacht!" Der Mann guckte mich verblüfft an. „Auf der Bühne? Was für eine Vorstellung?" erkundigte er sich völlig verwirrt. „Und sie ist mit Sicherheit nicht Clays feste Freundin! Auf gar keinen Fall! Die lügt doch! Die hat einen ganz anderen Freund!" setzte ich energisch hinzu, ohne auf seine Fragen einzugehen.
Aufgebracht stand ich vor dem Mädchen, rang nach Luft und tötete sie mit meinen Augen. Mein Herz schlug schnell vor Wut. Sie sah noch immer schuldbewusst zu Boden. Es war mir ein Rätsel, warum die Frau überhaupt hier war, wie sie auf die absurde Idee gekommen war, meinen Mann im Krankenhaus zu besuchen, nachdem sie ihn doch wiederholt wie Dreck behandelt hatte. Andererseits hatte das Mädchen vielleicht genau wie ich nur ein schlechtes Gewissen und wollte irgendwas wieder gutmachen. Eine Weile war es unangenehm still im Wartezimmer, während der Arzt nachdenklich die beiden sonderbaren Besucher musterte. Ich hatte das Gefühl, jeden Moment sehr laut schreien zu müssen.
„Also jetzt beruhigen wir uns alle erst einmal", beschloss Doktor Tourani schließlich seufzend und hob in einer beschwichtigenden Geste seine Hände, „Bitte setzen Sie sich wieder hin, Herr Valmont. Wir sind ja jetzt hier, um über Clay zu sprechen. Ihm sollte unser Interesse gelten. Auch wenn ich das, was ich gerade erfahren habe, ehrlich kaum fassen kann. Diese Vorfälle sind einfach ungeheuerlich." Widerwillig ging ich zurück zu meinem Stuhl und ließ mich darauf nieder. Es nervte mich enorm, dass diese ätzende Olle hier aufgetaucht war, die ich schon seit dem Samstagabend im Theater abgrundtief hasste. Es fiel mir schwer, das gewalttätige Mädchen tatenlos in meiner Nähe zu tolerieren. Außerdem wollte ich endlich zu Banton. Ich wollte meinen geschundenen Mann wider meiner mahnenden Vernunft dringend aus dieser verschlossenen Psychiatrie befreien und ihn mitnehmen, weil mir der frustrierende Ort zunehmend unerträglich erschien.
„Also, Frau Flint, nur noch so viel: Das wird auf jeden Fall ein Nachspiel haben, was Sie mit Clay angestellt haben. Ich habe das brutale Verbrechen schon Samstagnacht zur Anzeige gebracht. Und ich werde auch nicht zögern, damit Sie persönlich dafür zur Verantwortung gezogen werden", erklärte der engagierte Doktor dem eingeschüchterten Kind mit ruhiger Stimme. Die Kleine mit den langen, dunkelroten Haaren und den grünen Augen schreckte auf. Entsetzt starrte sie den Mann an. „Wie bitte? Sie haben mich angezeigt, Doktor Tourani?" platzte es erschrocken aus ihr heraus. Er nickte sehr ernst. „Selbstverständlich habe ich das Verbrechen zur Anzeige gebracht, Kim. Allerdings wusste ich ja bis vor einer Minute noch nicht, dass Sie dahinterstecken. Von daher konnte ich auch Ihren Namen noch nicht nennen, aber..." „Bitte nicht!" jammerte Kim verzweifelt los, „Ich habe das doch schon lange geklärt! Clay hat mir doch sofort verziehen, als ich mich bei ihm entschuldigt habe!" „Das ändert nichts, Frau Flint", blieb der Doktor unerbittlich, „Es ist meine ärztliche Pflicht, derart schwere Körperverletzungen anzuzeigen." „Oh nein!" entfuhr es der Frau schockiert. Hilflos schaute sie vom Arzt zu mir. „Das hätten Sie sich früher überlegen sollen, ob Sie einem Menschen so etwas antun dürfen", bemerkte der taffe Kerl ungerührt.
Ich fühlte mich extrem unwohl. Wenn der Typ erfährt, dass ich Clay vergewaltigt habe, dann wird er nicht eine Sekunde zögern auch mich anzuzeigen, verstand ich alarmiert. Das darf dieser pflichteifrige Doktor mit dem anziehend orientalischen Gesicht auf gar keinen Fall erfahren, dass ich gestern Abend in einem kahlen Gebüsch im Stadtpark brutal über Clay Banton hergefallen bin, weil ich randvoll mit Kokain war und mich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Zum Glück weiß Kim nichts davon, die würde mich doch sofort fertigmachen, grübelte ich verunsichert.
„Ich glaube, dass genau dieser Punkt Clays schwieriges Problem ist", fing der Arzt nach einiger Zeit des unbehaglichen Schweigens zaghaft an zu sprechen, „Ich finde es höchst problematisch, dass Clay diese schrecklichen Dinge, die ihm offenbar entschieden zu oft angetan werden, so erstaunlich schnell verzeiht. Im Laufe seines Lebens scheint dem jungen Mann schon sehr viel Unaussprechliches angetan worden zu sein. Herr Banton geht darüber hinweg und verdrängt damit alle seine Traumata. In Wahrheit hängen sie ihm aber noch nach. Clay vergräbt seine unzähligen traumatischen Erlebnisse lediglich tief in sich. Er tut nichts, um sie auch nur ansatzweise zu verstehen und zu verarbeiten." Doktor Tourani machte eine kurze Pause und seufzte schwer. „Es ist gar kein Wunder, dass Herr Banton im Laufe seines Lebens auf diese Weise eine riesige Menge Probleme in seiner Seele angehäuft hat, die ihn in der letzten Nacht höchstwahrscheinlich allesamt schlagartig überwältigt haben." „Wie können wir Clay denn am besten helfen?" wollte Kim sofort besorgt wissen, die spürbar froh darüber war, dass der Doktor sich einem anderen Thema als ihrem Verbrechen zugewandt hatte. „Sie helfen Clay mit Sicherheit nicht, indem Sie ihn mit harten Steinen bewerfen und brutal zusammenschlagen, Frau Flint", erwiderte der Arzt verärgert und schaute sie vorwurfsvoll an. „Es tut mir so leid", jammerte das Mädchen aufs Neue zerknirscht. Nochmal sackte sie schuldbewusst auf ihrem Stuhl zusammen und sah hilflos zu Boden.
Eine weitere Weile war es belastend still in dem kleinen Wartezimmer. Es gab keine Fenster in diesem Raum, nur grelles Neonlicht. Das verstärkte mein bedrohliches Gefühl des Eingeschlossenseins und machte mich zunehmend nervös. Mein Herz klopfte schnell vor Aufregung. Ich hatte keine Lust, mir noch mehr sinnlose Erklärungsversuche von diesem Arzt in ziviler Kleidung anzuhören. Oder die fremde Frau zu ertragen, die sich dreist anmaßte, die feste Freundin meines Mannes zu sein. Den Gedanken, dass Clay für dieses verflucht gefährliche Mädchen eventuell sogar irgendetwas empfand, fand ich unerträglich. Dass er ihr angeblich schon verziehen hatte, wann immer das auch gewesen sein sollte, wurmte mich gewaltig.
„Sie dürfen Kim nicht zu ihm lassen!" platzte es zornig aus mir heraus, „Die hat Clay geschlagen und beklaut! Die hat gar kein Recht dazu, ihn zu sehen!" Beschwörend taxierte ich den gut aussehenden Doktor Tourani, der meinen flehenden Blick verdutzt forschend erwiderte. Irgendwie versank ich unbemerkt in seinen dunkelbraunen, erstaunlich tiefgründigen Augen, und auf einmal begriff ich, dass der Mann vor mir genau dieser Arzt war, von dem Clay mir vor wenigen Tagen in meinem Zimmer begeistert vorgeschwärmt hatte. Doktor Siamak Tourani, hatte Clay mir mit strahlenden Augen und butterweicher Stimme erzählt, wäre der geilste und aufregendste Kerl, dem er seit langer Zeit begegnet wäre. Der Typ würde mir auch gefallen, war Banton sich völlig sicher gewesen. Im Stillen musste ich meinem Mann recht geben. Dieser junge Arzt hatte unbestreitbar etwas, das mich unerwartet direkt an meinen niederen Instinkten packte. Je länger ich ihn betrachtete, seine unbestreitbare Attraktivität registrierte, desto stärker törnte er mich unweigerlich an. Siamak Tourani sah tatsächlich faszinierend aus mit seinem orientalischen Gesicht und dem unübersehbar durchtrainierten, schlanken Körperbau.
„Behalten Sie bitte Ruhe, Herr Valmont", forderte er mich beschwichtigend auf. „Aber ich habe doch recht!" erwiderte ich ungeduldig, „Flint ist es gar nicht wert, dass sie Clay überhaupt nochmal sehen darf!" „Hey! Hör auf damit, Sean! Sag so was nicht! Das entscheidest ja wohl nicht du, Valmont!" beschwerte Kimmi sich. An dem Doktor vorbei glotzte sie mich verärgert an. „Das versteht sich ja wohl von selbst", entgegnete ich angefressen. „Du kannst jetzt eigentlich mal sofort nach Hause gehen, Flint!" forderte ich sie energisch auf. Empört schnappte das Mädchen nach Luft. „Was? Ich geh garantiert nicht nach Hause, bevor ich ihn gesehen habe. Ich war es schließlich, die Clay hierher gebracht hat, damit ihm geholfen werden kann. Und jetzt habe ich auch ein Recht darauf, zu erfahren..." „Fuck, du warst das?!" fuhr ich sie entgeistert an, „Du hast dafür gesorgt, dass er hier gegen seinen Willen eingesperrt wird?" „Ja genau, weil ich gar keine andere Wahl mehr hatte. Du hättest Clay letzte Nacht mal erleben sollen. Du hättest ihn nicht wiedererkannt. Ich will mir gar nicht vorstellen, was du an meiner Stelle getan hättest. Du wärst wahrscheinlich nur schreiend vor ihm weggelaufen, Valmont!" blaffte Kim jetzt auch hörbar wütend. „Du verlogene Schlampe!" konnte ich mich nicht beherrschen, „Du willst ihn wohl immer noch mehr fertigmachen, was? Es hat dir noch nicht gereicht ihn halb tot zu schlagen und mit scharfen Messern zu zerschneiden!" „Ich bin keine Schlampe!" protestierte sie lautstark, „Ich habe Clay total lieb! Und er liebt mich auch! Wir haben uns gestern Abend super verstanden, bevor das passiert ist! Wir haben zusammen geduscht! Clay ist sehr zärtlich zu mir gewesen!"
Verdammt! Das war nun wirklich extrem viel mehr Information, als ich jemals bekommen wollte. Ein verflucht harter Schlag in meine Magengrube war das. Absolut unerwartet. Instinktiv schloss ich abwehrend die Augen und atmete tief ein.
„Beruhigt euch, ihr beiden! Aber bitte sofort!" schaltete Siamak, der zwischen uns auf seinem Stuhl saß, sich hörbar ungeduldig ein, „Jetzt benehmt euch doch um Himmels Willen nicht wie zwei verknallte Teenager! Ihr seid doch wohl beide schon erwachsen, oder irre ich mich da? Frau Flint? Herr Valmont?" Tourani hatte blöderweise recht, darum öffnete ich die Augen und nickte ihm leicht zu. Kim verkniff sich sichtbar eine weitere Erwiderung und guckte mich nur noch zornig an. Der Doktor schaute bedeutungsvoll von ihr zu mir und wieder zurück. Sein attraktiver Kopf drehte sich ein paarmal hin und her, bis er sicher sein konnte, dass wir uns tatsächlich beruhigt hatten.
„So, bevor wir weiter über Clay reden, möchte ich jetzt wirklich erst mal ganz genau wissen, in welchem Verhältnis Sie überhaupt zu meinem Patienten stehen. Offensichtlich sind Sie ja nicht ehrlich zu mir gewesen, Kim", wandte er sich erneut anklagend an das rothaarige Mädchen. Sie schüttelte den Kopf. „Doch, Doktor Tourani, ich war immer ehrlich zu Ihnen", widersprach sie trotzig, „Es ist alles die Wahrheit gewesen, was ich Ihnen über Clay erzählt habe." „Aber Sie sind doch gar nicht seine feste Freundin", wandte Siamak seufzend ein. „Doch, das bin ich", beharrte Kim stur, warf mir einen tödlichen Blick zu und behauptete triumphierend: „Mit meinem vorherigen Freund habe ich längst Schluss gemacht." Ein irre spöttisches Lachen platzte aus mir heraus, das zwischen Belustigung, Kränkung und brodelnder Wut schwankte. „So ein Scheiß!" blaffte ich verständnislos, „Niemals bist du Bantons Freundin! Du spinnst doch total! Das denkst du dir doch nur aus, Mädchen!" „Doch, das bin ich", gab sie nicht nach, „Wir sind total verliebt, er und ich." „Schwachsinn!" keifte ich ein wenig zu schrill, „Was sagt denn Clay dazu? Weiß der überhaupt was davon?"
„Hört jetzt damit auf, verdammt nochmal!" donnerte der hörbar entnervte Doktor plötzlich los, sodass Kim und ich verschreckt zusammenzuckten. „Ich möchte jetzt kein Wort mehr darüber hören", verlangte der Arzt streng, „Das ist doch hier kein Schulhof, um Himmels Willen!" Für einen Moment schloss er erschöpft die Augen und atmete tief durch. Ich fragte mich, wie lange dieser attraktive Mensch wohl schon auf den Beinen war. Als seine schönen Augen wieder aufgingen, hatte der geile Typ sich gefasst. „Wir sind hier, um über Clay Banton zu sprechen. Das sollten wir nicht vergessen. Es interessiert mich jetzt erst mal nicht, wer zur Zeit mit wem zusammen ist oder nicht." „Aber Sie wollten doch wissen, in welcher Beziehung wir zu Clay stehen, Herr Doktor", wandte Kim kleinlaut ein, „Und ich bin auf jeden Fall seine feste Freundin." Nochmal blies ich voller Hohn und Zorn lautstark Luft aus und schüttelte fassungslos den Kopf. Die blöde Kuh hatte sie doch nicht mehr alle! Zweifellos war die kleine Rothaarige vollkommen durchgeknallt!
„Und woraus definiert sich Ihr Verhältnis zu Herrn Banton?" wandte Siamak sich seufzend an mich. Mein Blick richtete sich langsam auf den Mann neben mir. Unwillkürlich wurde ich abermals von seinen brauen Augen paralysiert, den dichten, dunklen Augenbrauen, dem kantig geschnittenen Gesicht, den verwegenen Bartstoppeln, der olivfarbenen Haut, die samtweich aussah. Der fremde Kerl strahlte eine erregend herbe, orientalische Männlichkeit aus, die mich unwillkürlich magisch anzog. Ich wurde von seinem Anblick unbemerkt total gebannt und konnte darum nicht sofort antworten.
Nach ein paar seltsamen, stillen Minuten übernahm die vorlaute Kim Flint das für mich. „Sean Valmont spielt nur Theater mit Clay Banton. Sean ist der Erfinder von dieser komischen Off-Performance Psychotic Kühlschrank. Die arbeiten auf der Bühne zusammen. Sonst haben die gar nichts miteinander zu tun", mischte das Weib sich frech ein, die wahrlich keine Ahnung hatte, wovon sie da überhaupt sprach. Ihre Dreistigkeit löste mich augenblicklich aus dem Bann des Doktors. „Halt einfach dein Maul, wenn du nichts weißt, Flint!" konnte ich mich nicht zurückhalten sie anzufauchen. „Ganz ruhig, Leute!" stöhnte Siamak gestresst und hob abermals hilflos seine Hände. Mir fiel auf, wie schlank und wohlgeformt seine langen Finger waren. Was für gut gepflegte Fingernägel dieser Doktor hatte. Langsam verstand ich immer besser, warum Clay von dem studierten Akademiker so fasziniert gewesen war.
Allerdings hatte Banton mir auch erzählt, dass er Tourani in der Notaufnahme des Krankenhauses kennengelernt hatte, wo Siamak als Notfallarzt arbeitete. Fraglos hatte der Doktor den Schwerverletzten professionell behandelt. Aber den selben Arzt nun weitab seines üblichen Arbeitsplatzes in der geschlossenen Psychiatrie anzutreffen, fand ich merkwürdig. Ich fragte mich, was der geile Kerl überhaupt an diesem Ort zu suchen hatte, warum ausgerechnet er es war, mit dem Kim und ich über den nagelneuen Psychiatriepatienten reden sollten.
„Wieso denn, Sean Valmont? Ich habe doch recht. Du spielst doch mit Clay Theater. Er ist doch dein psychotischer Kühlschrank, nicht wahr?" meinte Kim unbeeindruckt und blinzelte mich spöttisch an. „Ich kenne ihn schon weitaus länger als du", erwiderte ich geringschätzig und bedachte sie mit einem langen, vielsagenden Blick, der sie unmissverständlich zum Schweigen aufforderte. Verblüfft betrachtete ich sie, als das Mädchen daraufhin tatsächlich die Klappe hielt. Kim Flint war unbestreitbar recht hübsch, aber erst allerhöchstens zwanzig Jahre alt. Ich fand es unerklärlich, wie Clay sich auch nur irgendwie auf dieses extrem nervige Kind hatte einlassen können. Das ärgerte mich und war mir definitiv zu hoch.
Mir fiel auf, dass Siamak mich schon seit einigen Minuten seltsam nachdenklich musterte. Nach einer Weile verunsicherte mich das. „Ist irgendwas, Herr Doktor?" musste ich ihn einfach fragen. Irritiert schaute ich an mir hinab, ob da irgendwas nicht stimmte, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. „Sie kommen mir so bekannt vor, Herr Valmont. Auch Ihr französischer Name sagt mir etwas. Ich überlege schon die ganze Zeit, woher ich Sie kenne", bemerkte der neugierige Typ interessiert. Diese Aussage verknotete mir sofort sämtliche Eingeweide. Dringend wollte ich ihn aufhalten. Aber bevor ich es verhindern konnte, ging dem gut informierten Mann auch schon sichtbar ein Licht auf. „Ich glaube, jetzt weiß ich es. Sie sind doch der bekannte Erbe der Valmont-Baumaschinen, nicht wahr?" Seufzend musste ich nicken, weil ich ihn nicht anlügen wollte. Obwohl mir dieses unerwartete Erkennen ziemlich auf den Senkel ging. Es stresste mich jedes Mal, wenn jemand mit den uralten Geschichten anfing, mit denen ich nichts mehr zu tun haben wollte.
„Ihr übertrieben geschäftstüchtiger Vater hat Sie doch vor einigen Jahren wegen Ihrer Homosexualität enterbt, oder? Ich erinnere mich noch gut, was für ein entsetzlicher Wirbel deswegen gemacht wurde, wie groß die allgemeine Aufregung war und wie daneben ich das fand", ging Doktor Siamak Tourani entschieden zu weit. Bevor ich ihm die passende Antwort geben konnte, mischte Frau Flint sich schon ein. „Was höre ich da? Du bist homosexuell, Valmont? Und dein Vater hat dich deswegen enterbt? Sag mal, in welchem Universum lebt der denn?" höhnte sie amüsiert. Angefressen schüttelte ich den Kopf. „Nein, er hat mich nicht deswegen enterbt. Ich bin überhaupt nicht enterbt worden", stellte ich widerwillig richtig. „So stand das aber damals in allen Zeitungen...", erwähnte Siamak vorsichtig, „Das muss ja eine extrem schlimme Zeit für Sie gewesen sein, Herr Valmont. Ihr unfreiwilliges Outing und der hässliche Streit innerhalb Ihrer Familie..." „Das ist schon lange her", wehrte ich ihn verärgert ab, taxierte ihn vielsagend und schüttelte den Kopf. Der Idiot sollte merken, dass ich darüber jetzt nicht sprechen wollte. Shit, es ging hier ja wohl nicht um mich, sondern um den Durchgeknallten aus Island.
Aber es war längst zu spät. Kleine Kimmi ging schon hellauf begeistert auf das gänzlich unwillkommene Thema ein. „Stimmt das echt, Valmont? Du bist ehrlich homosexuell? Also sind die ständigen Gerüchte über dich doch die Wahrheit!" Ihre grünen Augen funkelten provozierend, als sie mich hämisch grinsend fixierte. „Mann, Kim", winkte ich geringschätzig ab, „Du bist echt nicht auf dem neuesten Stand, Kleine. Du hinkst ja so was von hinterher. Die Wahrheit ist, dass ich schon seit Ewigkeiten offen schwul lebe!" Das rothaarige Mädchen riss überrascht die Augen auf und blies spöttisch Luft aus. „Och, kleiner Sean Valmont, das tut mir aber leid für dich. Da hast du ja gar keine Chance bei Clay Banton. Der ist nämlich nicht die Bohne schwul, weißt du, der steht nur auf solche wie mich. Dagegen kannst du gar nichts tun. Da kannst du dich so doll anstrengen wie du willst", spottete sie lauthals voller Sarkasmus. „Shit, du hast noch nicht mal einen Hauch von einem Plan, Flint!" zischte ich das stichelnde Weib böse an, als Siamak zum zweiten Mal unerwartet aufsprang und damit Kim und mich abrupt zum Schweigen brachte.
Der attraktive Doktor in zivil drehte sich in einer enorm erregend anmutigen Bewegung zu uns um und fixierte uns strafend. „So, das reicht mir jetzt endgültig, Leute! Wenn ihr nicht augenblicklich damit aufhört, euch gegenseitig an die Kehle zu springen, dann wird heute keiner von euch beiden Clay zu Gesicht bekommen. Dann schicke ich euch jetzt auf der Stelle nach Hause. Ich habe ehrlich keine Zeit für eure kindischen und lächerlichen Kabbeleien!" Seine wohlklingend dunkle Stimme war streng. Offensichtlich war der Mann mit seiner Geduld am Ende. Leider hatte er mit seinem Vorwurf vollkommen recht. Sofort schämte ich mich dafür, mich mit dem fremden Weibsbild überhaupt auf so ein dummes Wortgefecht eingelassen zu haben. Schließlich war ich erwachsen und lediglich hierhergekommen, um Clay Banton zu helfen. Aus keinem anderen Grund saß ich in dem trostlosen Wartezimmer der geschlossenen Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses.
„Sie haben natürlich recht, Doktor Tourani. Bitte entschuldigen Sie", lächelte ich den gut aussehenden Kerl schuldbewusst an, der mein Lächeln sofort erleichtert erwiderte. „Ist schon gut, Herr Valmont. Aber jetzt verraten Sie mir doch bitte, warum genau Sie meinen Patienten sehen wollen", forderte er mich freundlich auf. Damit diente ich ihm gerne, denn ich hatte einen verflucht guten Grund, um hier zu sein. Ich war mir sicher, dass mein Warum sogar ein um Längen besseres war als das der ätzenden Kimmi. „Clay hat mich heute gegen Mittag angerufen und mich gebeten, ihn in der Psychiatrie abzuholen", erzählte ich dem Doktor wahrheitsgemäß, als Kim auch schon hörbar nach Luft schnappte. „Was? Dich? Clay soll dich angerufen haben? Niemals! Das denkst du dir doch nur aus, Valmont! Warum sollte er dich anrufen, wo ich es doch war, mit der er die Nacht verbracht hat und die ihn hierher..." „Es reicht jetzt, Frau Flint!" fuhr Siamak sie ungeduldig an, „Bitte zügeln Sie sich endlich! Sonst dürfen Sie gerne nach Hause gehen!" Das Mädchen schüttelte entsetzt den Kopf. „Nein, ich gehe mit Sicherheit nicht nach Hause, bevor ich Clay gesehen habe! Sie haben mir versprochen, dass ich ihn heute besuchen darf, Doktor Tourani!" betonte sie aufmüpfig. Siamak seufzte. „Wenn Sie sich nicht besser im Griff haben, Frau Flint, dann werde ich Sie ganz bestimmt nicht zu Clay lassen. Aus dem einfachen Grund, weil ich dann davon ausgehen muss, dass Ihr Besuch meinem Patienten nicht guttun wird", erklärte er ihr ruhig. Daraufhin sah das verwirrte Kleinkind den tadelnden Doktor nur noch verstört an.
Endlich war sie still. Ich wünschte mir dringend, dass Siamak das verfluchte Weib einfach wegschicken würde. Sofort. Die Olle war total überflüssig. Die Vorstellung, dass Kim Flint die letzte Nacht mit Clay Banton verbracht und gemeinsam mit ihm zärtlich geduscht hatte, riss mir die Seele heraus. Es kränkte mich enorm, dass Clay überhaupt irgendetwas mit dieser strohdummen Frau zu tun hatte. Außerdem hasste ich die Fotze unverändert brennend für ihre diversen Untaten. „Das gilt auch für Sie, Herr Valmont", sprach der Arzt mich mahnend an. Dass der Typ mich wahrhaftig mit dem kleinen Mädchen auf eine Stufe stellte, konnte ich nicht akzeptieren.
„Arbeiten Sie nicht normalerweise in der Notaufnahme, Doktor Tourani? Wie kommt es überhaupt, dass Sie hier in der Psychiatrie eine Befugnis haben?" erkundigte ich mich misstrauisch bei dem sonderbaren Orientalen, der beileibe so tat, als dürfte nur er allein entscheiden, wer zum unberechenbaren Patienten vorgelassen wurde und wer nicht. Das nahm ich ihm nicht ab, denn Clay hatte mir etwas anderes über diesen geilen Kerl erzählt. Clay zufolge war Siamak der Notfallarzt, der ihn zusammengenäht hatte. Ohne Frage hatte er Bantons schwere Verletzungen professionell versorgt. Es war jedoch ungewöhnlich, einen Verantwortlichen des nächtlichen Bereitschaftsdienstes in der Notaufnahme plötzlich in einer Psychiatrie anzutreffen. Zusätzlich trug der Mann keine ärztliche Dienstkleidung, sondern lediglich eine braune Cargohose und ein blau-kariertes Flanellhemd.
Zu meiner Überraschung geriet Siamak sichtbar in Erklärungsnot, was mich sogleich noch misstrauischer machte. „In Wahrheit haben Sie hier gar nichts zu bestimmen, nicht wahr, Tourani?" konnte ich mich nicht zurückhalten, als er nicht sofort antwortete, sondern stattdessen meinen prüfenden Augen unbehaglich auswich. Sein feurig dunkler Blick schnellte verärgert zu mir zurück. Impulsiv wollte er etwas sagen, wurde aber auf einmal von meinen hellblauen Augen abgelenkt und erstarrte verdutzt. So eine Reaktion auf meine auffällige Augenfarbe kannte ich, weil es vielen Menschen passierte, und meistens amüsierte es mich. Auch jetzt musste ich darüber grinsen, wie eindeutig fasziniert der seriöse Herr Doktor mich anstarrte, wie gebannt er das ungewöhnliche Blau meiner Augen registrierte, bevor er sich einen Augenblick später plötzlich zusammenriss.
„Sie können mir ruhig glauben, Herr Valmont, dass ich vom verantwortlichen Oberarzt dieser Station die Befugnis erhalten habe, mir Clay Bantons potentielle Besucher vorher genau anzusehen und sie gegebenenfalls auch auszuwählen", informierte er mich mit leicht beleidigtem Unterton. Charmant lächelte ich den zweifellos ungewollt witzigen Typen an. „Aber Sie sind nicht der Verantwortliche hier, nicht wahr, Siamak? Normalerweise arbeiten Sie in der Notaufnahme des Christopherus. Was haben Sie überhaupt mit Clay zu tun?" neckte ich ihn ein wenig, weil der Mann mich amüsierte und dieser ungeklärte Punkt mich ehrlich interessierte. Zu meinem Erstaunen konnte ich mir ansehen, wie Doktor Tourani vor Verlegenheit so gut wie rot wurde. Er versuchte jedoch hastig, sich nichts anmerken zu lassen, um seine Seriosität und Professionalität zu wahren. „Der Patient Banton wurde heute Nacht zwangsweise zu mir in die Notaufnahme gebracht. Zu diesem Zeitpunkt war der junge Mann in einem Zustand, den ich jetzt nicht näher beschreiben möchte. Ich habe meine persönlichen Gründe, warum ich seinen besonderen Fall weiter mitverfolge, Herr Valmont. Das braucht sie aber gar nicht zu interessieren", erklärte er mir gefasst. Ich nickte, lächelte verständig und fragte mich insgeheim, ob dieser geile Kerl vielleicht ein Auge auf meinen Mann geworfen hatte, was ich ziemlich erheiternd fand. Denn immerhin war Siamak ja Clays behandelnder Arzt, dem es unter Garantie streng verboten war, seinem Patienten nachzustellen.
„Wann dürfen wir denn endlich zu Clay?" meldete Kim Flint sich zaghaft. Das kleine Mädchen hatte die ganze Zeit schweigend zugehört, aber inzwischen war sie spürbar ungeduldig. Siamak und ich schauten sie gemeinschaftlich an. „Das geht nicht so einfach, Kim...", fing der Doktor zögernd an, als sie ihn auch schon unterbrach: „Warum denn nicht? Was soll denn daran schwierig sein? Sie haben mir doch versprochen, dass ich ihn heute wiedersehen darf. Ich habe ihn hierher gebracht, vergessen Sie das bitte nicht." „Du hast ihn hierher gebracht", wiederholte ich verärgert und taxierte das Weib verächtlich, „Warum zur Hölle hast du das gemacht, Flint?" „Sie hatte keine andere Wahl", kam Tourani ihr überraschend zu Hilfe, „Sie musste einen Krankenwagen anfordern, weil Clay in einem derart kritischen Zustand war, dass ihr keine andere Möglichkeit mehr blieb. Kim hat sehr besonnen und vernünftig reagiert." „Von welchem Zustand genau sprechen Sie denn, verdammt?" forschte ich entnervt nach. Aber der junge Arzt wich meinem Blick aus und schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Ich darf und ich werde Ihnen nichts Genaues über Clay Bantons Krankheiten verraten, Herr Valmont." „Aber ihr sagen Sie alles, oder wie?" knurrte ich entgeistert und zeigte auf das Miststück, das mich triumphierend angrinste. Siamak schüttelte nochmal den Kopf. „Kim war nun mal zufällig dabei, als das mit Clay passiert ist. Sie hat ihn letzte Nacht persönlich erlebt. Aber auch Frau Flint wird von mir nichts erfahren, was unter meine ärztliche Schweigepflicht fällt. Da müssen Sie schon mit dem verantwortlichen Oberarzt Professor Maiwald sprechen", informierte er mich.
Es passte mir gar nicht, dass die Furie mehr über Clays rätselhaften Absturz wusste als ich, dass ausgerechnet das gefährliche, gewalttätige Kind es gewesen war, das die letzte Nacht in zärtlicher Zweisamkeit mit Banton erlebt hatte. Daran musste ich verdammt hart schlucken, zwang mich aber dazu, ganz ruhig zu bleiben. „Woran entscheidet sich denn konkret, wer zu dem Patienten vorgelassen wird und wer nicht?" fragte ich nur ein bisschen spöttisch. Der attraktive Doktor Tourani betrachtete mich noch eine Weile, und offensichtlich gefiel ihm mit fortlaufender Zeit besser, was er sah. Das schmeichelte mir, sein offen faszinierter Blick, das zweifelsfrei große Gefallen in seinen dunklen Augen.
„Zuallererst werde ich mal Clay selbst fragen, ob er einem Besuch von Ihnen beiden zustimmt. Falls mein Patient Sie nicht sehen möchte, dann werde ich Sie auch nicht zu ihm lassen", meinte er freundlich. „Mann, er hat mich flehend hergerufen! Er will mich auf jeden Fall sehen!" betonte ich kopfschüttelnd. „Trotzdem werde ich ihn vorher fragen", beharrte Doktor Tourani entschlossen. „Und ich?" wollte Kim nervös wissen, „Clay ist mit mir zuletzt zusammengewesen. Ich habe das alles hautnah miterlebt. Falls er sich nicht erinnert, kann ich ihm erklären, was gestern noch alles passiert ist. Allein aus diesem Grund will er mich unter Garantie dringend sehen!" behauptete das Weib ernsthaft und blickte den Arzt beschwörend an.
Über so viel Blödheit musste ich echt lachen, obwohl mir gleichzeitig irgendwie zum Heulen zumute war. Allerdings glaubte ich mit absoluter Sicherheit zu wissen, dass Clay Banton diese Kim Flint bestimmt niemals wiedersehen wollte. Die brutale Frau hatte den Mann aus Island mit Steinen beworfen und ihn übelst misshandelt. Es war völlig egal, was Clay ihr vielleicht über seine angebliche Vergebung vorgeschwindelt hatte, um sie loszuwerden. Für mich stand außer Frage, dass Banton Flint abgrundtief hasste und das rothaarige Mädchen mit den auffallend grünen Augen nie wieder auch nur in seiner Nähe dulden würde. Naja, zumindest hoffte ich das mit ganzer eifersüchtiger Seele.
Fragend schauten die Besucher der Psychiatrie den temporären Entscheidungsträger an und hofften darauf, endlich zum Objekt ihrer Begierde vorgelassen zu werden. Aber Siamak war unschlüssig und ließ uns noch eine Weile zappeln, während er sichtbar angestrengt überlegte. „Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie beide sich benehmen können und sich nicht wieder gegenseitig an die Kehle springen, wenn ich Sie jetzt hier im Wartezimmer allein lasse? Frau Flint? Herr Valmont?" fragte er schließlich unzufrieden. „Wo gehen Sie denn hin, Doktor Tourani?" wollte Kim sofort erschrocken wissen. Die Aussicht, nochmal zusammen mit mir in diesen kleinen Raum eingeschlossen zu werden, behagte ihr offensichtlich nicht, jetzt, da ich wusste wer sie war. Darüber musste ich grinsen, obwohl ich selbst auch keine Lust darauf hatte, mich noch länger mit dem stressigen Miststück auseinandersetzen zu müssen. „Ich gehe jetzt zu Clay und frage ihn ganz direkt, ob er Ihrem Besuch zustimmt", meinte Siamak gelassen und drehte sich tatendurstig zur Tür um. „Wie lange wird das dauern?" fragte Frau Flint zaghaft. Tourani wandte sich ihr wieder zu. „Das dauert nicht allzu lange, Frau Flint. Sie können sich derweil genau überlegen, wie sie meinem Patienten begegnen wollen. Und bitte bedenken Sie dabei, dass Sie ihm möglichst nicht noch mehr schaden sollten." Der verärgerte Vorwurf in seiner Stimme war unüberhörbar, darum sackte Flint nochmal reumütig in sich zusammen. Mein Grinsen wurde breiter. Es gefiel mir, wie wütend der attraktive Doktor über die unverzeihliche Gewalttätigkeit des Mädchens gegenüber seinem Patienten war. „Sie werden schon sehen, dass Clay sehnsüchtig auf mich wartet", bemerkte ich spöttisch, weil ich mir dessen völlig sicher war. Siamak warf mir einen Blick zu. „Warten wir ab, was Clay dazu sagt", erwiderte er ruhig, drehte sich um und verließ schnellen Schrittes das Wartezimmer. Zu meinem Frust schloss er die Tür tatsächlich hinter sich ab.
Siamak
Auf meinem Weg in den Keller spürte ich die große Erschöpfung, die der tagelange Dauerdienst in der Notaufnahme und das anstrengende Gespräch mit Clay bei mir verursacht hatten. Normalerweise wäre ich jetzt schon seit Stunden zu Hause in meinem Bett und würde mich gründlich ausschlafen, dachte ich müde, als ich langsam die Treppe hinunterging. Aber die naheliegende Frage, was ich denn dann eigentlich konkret hier wollte, erlaubte ich mir nicht. Noch immer erschien es mir eine lohnende und lebenswichtige Aufgabe zu sein, mich um den Patienten Clay Banton zu kümmern, der meine Hilfe mehr als dringend benötigte, auch wenn er das leider nicht einsehen wollte.
Meine neu gewonnenen Erkenntnisse über Kim Flint verstörten mich mehr, als ich mir eingestehen wollte. Es war mir ein unverständliches Rätsel, warum Clay sich offenbar ausgerechnet mit dem Mädchen angefreundet hatte, die ihm zusammen mit Freunden diese schweren, lebensbedrohlichen Verletzungen zugefügt hatte. Auch mit dem zweiten Besucher an diesem späten Nachmittag konnte ich nicht allzu viel anfangen. Herr Valmont behauptete, dass er der Adressat von Clays unerlaubtem Telefongespräch wäre, und das musste ich ihm wohl glauben. Trotzdem gefiel es mir ganz und gar nicht, dass ich meinen schwierigen Patienten höchstwahrscheinlich früher oder später in die Obhut dieses blonden, blauäugigen Mannes geben musste, der mir nicht sehr verantwortungsvoll erschien. Sean Valmont hatte sich mit Kim Flint um Clay Banton gestritten, als wären sie beide verliebte Teenager, was ich absolut daneben fand. Die wahren Motive dieser Anwärter auf Bantons Gesellschaft lagen mir im Dunkeln, schienen mir aber alles andere als hilfreich für Clay zu sein.
Es machte mir Sorgen, dass der verantwortliche Oberarzt Fabian Maiwald einer baldigen Entlassung von Clay nicht widersprochen hatte, als wir uns darüber unterhalten hatten, nachdem Clay aus Maiwalds Büro zurück in sein Kellerzimmer gebracht worden war. Herr Banton ist sehr verstört, aber nicht gefährlich, hatte Fabian gemeint, er ist fraglos im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, und er ist ein rechtlich erwachsener Mann. Daher habe ich gar keine Handhabe und auch keinen Grund, ihn gegen seinen Willen noch länger hierzubehalten. Du musst doch einsehen, Siamak, dass eine längerfristige Psychotherapie ohne seine Einwilligung sowieso keinen Sinn hätte. Die Erfolgsaussichten würden gegen Null tendieren, wenn der Patient nicht mitarbeiten will. Und das will er nicht, dass ist uns doch beiden klar. Banton wird heute auch kein vernünftiges Gespräch mehr mit mir führen, das weißt du so gut wie ich. Wir sind auf der Station sowieso restlos überfüllt und haben überhaupt keinen Platz für diesen zornigen jungen Mann. Behalte deinen Patienten noch bis zum Abend hier, wenn du unbedingt willst, Siamak. Aber spätestens heute Abend werde ich ihn entlassen müssen, hatte Professor Maiwald noch hinzugefügt.
Es betrübte mich unendlich, dass meine Bemühungen so wenig Erfolg gehabt hatten. Die Einzelheiten, die ich während des mühsamen Gesprächs über Clays Leben und seine Kindheit erfahren hatte, machten mich traurig. Für mich stand einfach außer Frage, dass Clay dringend professionelle Hilfe benötigte, jetzt noch sehr viel eindeutiger als vorher. Aber ich hatte keine Idee mehr, wie ich das noch anstellen sollte, nachdem Professor Maiwald ihn entlassen wollte und er selbst sich jeder Behandlung verweigerte.
Seufzend klopfte ich an die Tür zum Krankenzimmer und trat sofort ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Clay war nach seinem unsinnigen Wutanfall während unseres Gesprächs hierher zurückgebracht worden. Noch einmal war der aufgebrachte junge Mann dermaßen aggressiv geworden, dass die Pfleger nach der einfachsten Methode gegriffen hatten, um den widerspenstigen Patienten zu bändigen. Mit der Hilfe eines Assistenzarztes hatten sie Clay mit einer starken Beruhigungsspritze schachmatt gesetzt und zwangsweise schlafen gelegt. Mittlerweile dürfte er aber wieder wach sein, überlegte ich, als ich in den deprimierenden Raum eintrat.
Tatsächlich war Herr Banton wach. Er saß auf dem alten Bett und schaute mir mit betäubten, halb geschlossenen Augen entgegen. Verdammt nochmal, registrierte ich sofort verärgert, sie haben ihn mit ihren heftigen Medikamenten wahrhaftig total zugedoped.
„Siamak", lallte Clay leise, lächelte erfreut und rutschte langsam vom Bett herunter. Seine Beine knickten ein, sodass er sich auf die Matratze stützen musste, um nicht hinzufallen. „Das geht nicht, Siamak...", beschwerte mein Patient sich mit schleppender Stimme, „Ich kann jetzt nicht noch länger..." „Ist schon gut, Clay", unterbrach ich ihn und ging auf ihn zu. Mein Impuls war, ihn sofort tröstend in die Arme zu nehmen, aber ich riss mich zusammen. Direkt vor ihm blieb ich stehen und betrachtete ihn abschätzend. Clay erwiderte meinen prüfenden Blick mit verschwommenen Augen. Der Funken Leben, der vielleicht noch in ihm vorhanden war, flackerte höchstens schwach vor sich hin. Innerlich war mein Patient so gut wie tot, und das war sehr viel schlimmer für mich, als ich ertragen wollte. Das geht so nicht, beschloss ich erschüttert, ich darf ihn nicht noch länger hierbehalten. Ich kann ihn nicht dazu zwingen, sich auf eine Behandlung einzulassen, so wenig mir das auch gefällt. Clay Banton geht hier drin kaputt. Mein schwieriger Patient wird einfach vor meinen Augen wegsterben. Das ist leider alles, was ich damit erreichen würde, wenn ich ihn noch länger hier in der Psychiatrie einsperre. Er hat schon jetzt fast aufgeben, spürte ich entsetzt.
„Du siehst so schön aus", flüsterte Clay liebenswürdig und streckte wie in Zeitlupe die Hand nach mir aus, um mein Gesicht zu berühren, „Ich möchte dich so gerne anfassen, Siamak." Mein Herz wurde schwer, als ich nach seiner Hand griff, um sie aufzuhalten. Ich nahm seine kraftlosen Finger in meine beiden Hände und streichelte beruhigend über seinen Handrücken, während ich ihn unentwegt ansah. „Du hast zwei Besucher, Clay", eröffnete ich ihm vorsichtig. Er reagierte nicht, weil er vom Anblick meines Gesichts gefesselt war. Herr Banton war mit seinen Gedanken ganz woanders. „Ich habe das falsch gemacht mit dem Professor, nicht wahr?" wisperte er schuldbewusst, als hätte er mich gar nicht gehört, „Ich weiß schon, dass ich blöden Mist gebaut habe, Siamak. Es tut mir so leid. Ich hätte nicht wütend werden dürfen, nicht wahr? Aber ich konnte nicht..." „Ist schon gut, Clay", wiederholte ich gerührt, „Mach dir darüber bitte keine Sorgen mehr." Clay betrachtete mich erstaunt, sichtbar verwirrt. Einen Moment lang war es ganz still.
„Darf ich dich bitte anfassen, Siamak Tourani, ja?" fragte mein Patient schüchtern und lächelte zum Niederknien. Er nahm die andere Hand, mit der er sich auf dem Bett abstützte, und streckte sie zielstrebig nach meinem Gesicht aus. Obwohl er das sehr langsam tat, hielt ich ihn diesmal nicht auf. Ich konnte es nicht. Banton streichelte sanft, fasziniert über meine Visage, meine Augenbrauen, meine Wangen, zart über meine Lippen und meine Nase, und ich genoss das sehr viel mehr, als gut für mich war. Mein Griff um seine linke Hand zwischen uns wurde unwillkürlich stärker. Mein Herzschlag beschleunigte sich. „Himmel, du bist so wunderschön, Siamak. Ich möchte dich so gerne küssen", flüsterte Clay hingerissen und erschauderte. „Clay... nicht...", seufzte ich widerstrebend. Mein Kopf zuckte autonom vor ihm zurück, woraufhin er seine Hand sofort sinken ließ. Verunsichert betrachtete er mich. Mein Patient sah müde und gequält aus.
„Es tut mir so leid, dass ich das versaut habe, Siamak", beteuerte er leise, „Ich weiß doch, wie wichtig das für dich war, der Professor und alles. Das hast du mir doch gesagt." Seine grün-braunen Augen baten mich flehend um Verzeihung, so eindringlich, dass ich stöhnend den Blick abwenden musste, weil sich alles in mir zusammenzog. „Das tut mir leid", wiederholte er verzweifelt, „Ich habe das ehrlich versucht. Aber ich habe das nicht hingekriegt, Siamak. Das war alles viel zu... schwierig für mich." „Ist schon gut, Clay", beruhigte ich ihn zum dritten Mal. Meine rechte Hand ließ seine Hand los und war schneller an seinem Kopf, als ich darüber nachdenken konnte. Meine Finger fuhren zärtlich über seinen runden Schädel, sanft durch sein verstrubbeltes Haar, erfühlten ein weiteres Mal erschüttert die großen Beulen an seiner Kopfhaut.
Clay schloss die Augen und neigte seinen Kopf meiner streichelnden Hand entgegen. „Verzeih mir bitte, Siamak", flüsterte er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Er schwankte mit geschlossenen Augen, darum ließ ich seine Hand ganz los und fasste ihn stattdessen an der Taille, um ihn zu stützen. „Du hast das gut gemacht, Clay. Du hast dir ehrlich Mühe gegeben, und das weiß ich zu schätzen", versicherte ich ihm, während ich mir seinen fantastischen Anblick genau einprägte, die hübsch geschwungenen Brauen, die langen Wimpern, die gerade Nase, die vollen Lippen. Die dunklen Stoppeln in seinem Gesicht, die zarte, erstaunlich helle Haut. Mir war klar, dass ich ihn bald gehen lassen musste, und das brach mir das Herz. Traurig musste ich schlucken. „Ich weiß, dass du dein Bestes versucht hast, Herr Banton", sagte ich mit rauer Kehle. „Das habe ich!" beteuerte er und riss die Augen wieder auf, „Ich habe das versucht, Siamak. Ich habe doch alle seine Fragen beantwortet, oder?" Lächelnd nickte ich. „Ja, du hast alle Fragen beantwortet, Clay. Aber zum Schluss bist du plötzlich doch wütend geworden, nicht wahr?"
Ich zog meine Hand von seinem Kopf und betrachtete ihn aufmerksam. Er seufzte und schüttelte sich unbehaglich. „Warum denn nur, Clay?" platzte es verständnislos aus mir heraus, „Warum bist du so entsetzlich wütend geworden? Ich hatte den Eindruck, dass alles ganz gut lief. Natürlich habe ich gemerkt, wie schwer dir unser Gespräch mit Professor Maiwald gefallen ist. Aber du warst doch richtig tapfer und hast dich da durchgekämpft. Was hat dir denn zum Schluss nicht gepasst?" „Er war das!" erwiderte Clay eine Spur zu laut, „Der scheiß Professor! Er hat mich total sauer gemacht. Er wollte mir was anhängen. Er hat in meiner Kindheit einen Grund gesucht, um mich fertigzumachen." „So ein Unsinn!" stöhnte ich kopfschüttelnd, „Niemand will dich hier fertigmachen. Ganz im Gegenteil, Herr Banton. Wir sind alle nur hier, weil wir dir helfen wollen. Warum verstehst du das nicht endlich, um Himmels Willen?!"
In seinem von zu starken Medikamenten getrübten Blick blitzte etwas auf, das zwischen Verunsicherung und Trotz lag. „Nein, das verstehe ich nicht, Siamak. Was soll das für eine Hilfe sein, wenn der Kerl mich mit meiner scheiß Vergangenheit quält? Das ist doch alles schon ewig her!" entgegnete Clay widerspenstig. Tief atmete ich ein, um ruhig zu bleiben. „Das hat Professor Maiwald doch nicht getan, um dich zu quälen. Du hast eine sehr bewegte Vergangenheit, Clay Banton. In deiner Kindheit wurdest du von einem Land zum nächsten und von einem fremden Vater zum anderen gezerrt. So etwas kann kein Kind so einfach verarbeiten. Schon gar nicht, wenn es damit allein gelassen wird", versuchte ich ihm geduldig zu erklären. Aber mein schwieriger Patient schüttelte unwillig den hübschen Kopf. „Der hat mir doch sowieso kein Wort geglaubt. Das habe ich doch genau gemerkt. Wann immer ich ihm erzählt habe, dass das nicht so schlimm war, wusste der Professor das sowieso besser und hat gedacht, ich hätte wer weiß wie darunter gelitten", erklärte er mir ein bisschen wirr, „Das hat mich total genervt." Ich verstand, was Clay mir damit sagen wollte. Und ich fand seine Beschwerde noch nicht mal gegenstandslos. Fabian Maiwald und auch ich gingen zweifellos beide davon aus, dass unser Patient durch die Ereignisse in seiner Kindheit und Jugend psychischen Schaden genommen hatte.
Eine Weile war es still im fensterlosen Kellerraum der geschlossenen Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses. Clay und ich sahen uns reglos an. In seinen trüben Augen entdeckte ich soviel versteckte Verzweiflung, dass mir das Herz schwer wurde. Meine nächsten Worte überlegte ich mir gründlich. „In Wahrheit ist das alles auch für dich nicht nicht so schlimm gewesen, nicht wahr, Clay Banton?" tastete ich mich vorsichtig an ihn heran und behielt ihn konzentriert im Auge. „Bitte sei ehrlich zu mir", setzte ich noch bedachtsam hinzu. Clay fixierte mich misstrauisch. Seine schönen Augen verengten sich. „Hör auf damit", protestierte er, „Fang du nicht auch noch so an, Tourani." Auch wenn es mir schwerfiel musste ich einsehen, dass Clay Banton für dieses enorm wichtige Gespräch noch nicht bereit war. Ich wusste nicht, ob er sich jemals darauf einlassen würde. Obwohl es in meinen Augen von entscheidender Wichtigkeit für den verstörten jungen Mann war, sich mit seiner überaus problematischen Vergangenheit auseinanderzusetzen.
„Ach, komm schon, Clay. Ich weiß, dass dein Leben spätestens seit der Trennung deiner Eltern extrem schwierig für dich war. Das kannst du gar nicht abstreiten, weil es einfach eine Tatsache ist", konnte ich mich vor Ungeduld nicht beherrschen, obwohl es ein Fehler war, der mich keinen Schritt weiterbrachte. „Hör sofort auf!" zischte Clay warnend, „Das kannst du gar nicht wissen, Herr Doktor. Niemand kann das wissen, verflucht." Dickköpfig machte er einen Schritt rückwärts von mir weg und stieß mit dem Hintern hart gegen sein Bett. Clay entzog sich bewusst meinem Einflussbereich. Dabei rutschte meine Hand von seinem Körper. Er taumelte und musste sich an dem Gestell hinter sich festhalten. „Ihr scheiß Ärzte denkt doch immer, dass ihr schon alles über mich wisst! Dabei wisst ihr gar nichts! Ihr seid nämlich nie dabei gewesen!" blaffte Clay mich zornig an. Seine blitzenden Augen drohten mir mit irgendwas, was ich nicht genau abschätzen konnte. Daher beschloss ich schweren Herzens, das Thema auf sich beruhen zu lassen.
„Bitte bleib ruhig, Clay. Reg dich bitte nicht auf, okay?" bat ich ihn sanft. Sein Atem ging schwer, weil er sich über meine Worte sehr geärgert hatte. Zitternd stand der gequälte Mensch vor mir und taxierte mich erregt. „Mein Leben hat mich nicht kaputtgemacht, Tourani. Ich bin nicht kaputt. Ich will nicht so schwach sein, wie ihr mich gerne haben würdet. Es ist mir egal, was der scheiß Professor von mir denkt. Der Arsch weiß doch sowieso alles besser, steckt mich in irgendeine kranke Schublade rein, die in sein Psychologenlehrbuch passt", ereiferte Banton sich erzürnt. Sicherlich ungewollt gab der zornige junge Mann mir damit erneut einen deutlichen Hinweis auf seine offenbar extrem schlechten Erfahrungen mit Psychotherapien, Psychologen oder Psychiatern. „Clay, ich halte dich nicht für schwach. Für mich bist du sogar einer der stärksten Menschen, die ich je kennengelernt habe", versicherte ich ihm betont beschwichtigend.
Inzwischen kannte ich Herrn Banton gut genug, um zu wissen, dass ihm das gefallen würde. Es erwärmte mich von Innen zu erleben, wie augenblicklich seine zornigen Augen sich erhellten, wie baff-erfreut er mich ansah. Dieser besondere Mensch ist so einfach zu durchschauen, dachte ich fasziniert. „Ich bin einer der stärksten Menschen, die du je kennengelernt hast?" wiederholte er, um sich zu vergewissern. Ich nickte und ging einen Schritt auf ihn zu. „Natürlich bist du stark, Clay. Du bist sogar außergewöhnlich stark. Schon in sehr jungen Jahren bist du mit Erlebnissen konfrontiert worden, die niemand so leicht verarbeiten könnte. Aber du hast deine unglaubliche innere Stärke und Energie dabei nicht eingebüßt. Du bist wahrlich ein Kämpfer, Clay Banton", versicherte ich ihm voller Zuneigung. Seine grün-braunen Augen wurden noch heller, als er mich zufrieden musterte. Jedoch blieb die Intensität seiner sichtbaren Freude aufgrund seiner viel zu starken medikamentösen Betäubung weit hinter seinem sonst manchmal hell aufstrahlenden Glück zurück.
Ich stand jetzt direkt vor ihm, während er stehend mit dem Hintern an seinem Bett lehnte, deshalb brauchte er nur die Hände zu heben, um meine Taille umfassen zu können. Das tat er und zog mich näher an sich heran, so schnell, das ich es nicht verhindern konnte, wollte. „Das gefällt dir gut, was, Tourani?" neckte Clay mich grinsend, „Du findest das total geil. Wie stark ich bin. Das beeindruckt dich richtig, oder? So was hast du vorher noch nie erlebt, nicht wahr?" Seine langen Finger waren an meinen Nieren und fuhren zärtlich über dem Flanellhemd auf meinem Körper auf und ab. „Ja, das gefällt mir sehr an dir, Clay. Du steckst voller Energie und Lebensfreude", gab ich lächelnd zu. Seine Berührung spürte ich viel intensiver, als mir lieb war. Sie verursachte mir eine wohlige Gänsehaut und ließ in meinem Kopf sämtliche Alarmsirenen schrillen.
„Du gefällst mir auch sehr gut, Siam", meinte Clay lieb und legte auf charmante Weise den Kopf schief, „Ich habe noch nie jemanden wie dich getroffen, Herr Doktor. Du faszinierst mich total." Seine Augen zwinkerten flirtend und sein Lächeln schien nicht von dieser Welt zu sein. Für eine Weile wurde ich unweigerlich von seiner unfassbaren Liebenswürdigkeit paralysiert, von den winzigen braunen Sprenkeln in seinen grünen Augen, den starken, aufrichtigen Emotionen, die spürbar in seinem Blick steckten. Während wir uns mit wachsender Intensität ansahen, Clay immer begehrlicher meine Taille streichelte und die Zeit vollständig zum Erliegen kam, beschlich mich schleichend das bedrohliche Gefühl, mich auf einem völlig falschen Weg zu befinden. Dies hier war eine bekannte Sackgasse, in die ich mit Clay Banton anscheinend immer häufiger geriet. Alles in mir drängte noch näher an meinen Patienten heran, wollte noch sehr viel mehr Berührungen von ihm, während mein aufgeschreckter Verstand lauter an meine verwirrte Seele klopfte.
„Ich möchte dich gerne jetzt küssen, Siamak", wisperte Clay atemlos, „Darf ich dich bitte, bitte küssen, Herr Doktor?" Seine scheu hervorgebrachte Bitte riss mich abrupt aus meiner Paralyse. Energisch schüttelte ich den Kopf und machte überstürzt einen Schritt zurück, sodass seine Hände von meiner Taille abrutschten. „Du hast zwei Besucher, Clay", informierte ich ihn zum zweiten Mal, diesmal mit klopfendem Herzen, und atmete tief durch, um mich zu beruhigen. Clay knurrte enttäuscht und taxierte mich vorwurfsvoll. Natürlich gefiel es ihm überhaupt nicht, dass ich mich ihm entzogen hatte. „Hör mal, ich will nach Hause", seufzte er verstimmt, „Ich will in diesem verfluchten scheiß Verlies nicht besucht werden. Ich will endlich hier raus." Seine schöne Stimme war verstörend resigniert. Mein Patient glaubte nicht mehr daran, jemals aus der Psychiatrie entlassen zu werden. Das berührte mich stärker, als gut für mich war.
Im nächsten Moment riss Clay verblüfft die Augen auf, weil ihm etwas eingefallen war. „Ist es Sean?" fragte er plötzlich aufgeregt, „Ist Valmont gekommen? Ist er hier? Holt er mich ab?" Seine Augen drängten nervös nach meiner Antwort. Banton hat während unseres Gesprächs mit Professor Maiwald tatsächlich unerlaubt diesen Sean Valmont angerufen, registrierte ich verärgert. Zwar hatte ich die Behauptung des blonden jungen Mannes im Wartezimmer nicht angezweifelt, aber der Gedanke gefiel mir nicht, meinen schwierigen Patienten in die Obhut von Herrn Valmont entlassen zu müssen. Ich kannte den Kerl mit den auffallend hellblauen Augen zwar nicht persönlich, hatte aber schon einiges über ihn gehört und er schien mir wenig vertrauenswürdig zu sein. Sean Valmont war der alleinige Erbe eines riesigen Vermögens und vor einigen Jahren nicht nur wegen seiner Homosexualität Gegenstand der wildesten öffentlichen Spekulationen gewesen. Die Valmont-Baumaschinen waren berühmt und wurden meines Wissens nach weltweit exportiert. Seans Bild und das seiner steinreichen Familie hatte so einige Male sämtliche Titelbilder der Zeitungen und Klatschzeitschriften gefüllt, die Belange der Firma tauchten noch immer regelmäßig in der Presse auf. Dieser zweifelhafte Umgang schien mir für Clay Banton, der fraglos eine besondere Aufmerksamkeit für sich allein benötigte, nicht sehr hilfreich zu sein.
„Wer ist Sean Valmont für dich?" fragte ich Clay ganz direkt und wartete interessiert auf seine Antwort. Ich stand jetzt gut einen Meter von ihm entfernt. Er lehnte noch immer am Bett und hätte mich selbst mit ausgestreckten Armen nicht mehr berühren können. „Ist er es? Ist es Sean? Holt er mich ab?" verlangte Clay ungeduldig zu erfahren, ohne meine Frage zu beachten. „Was willst du denn von dem, Clay", forschte ich ärgerlich, „Warum hast du ausgerechnet diesen Mann angerufen? Ist der wirklich ein Freund von dir oder was?"
Clay zog verdutzt die Augenbrauen zusammen und betrachtete mich eine Weile schmunzelnd. „Bist du etwa eifersüchtig, Siamak Tourani?" wollte er amüsiert wissen. Ungehalten schüttelte ich den Kopf. „Hätte ich denn Grund dazu?" rutschte mir unbedacht heraus. Clays Grinsen wurde noch breiter, er war wirklich überrascht. „Keine Ahnung, Siam. Sag du es mir", neckte er mich flirtend, stieß sich vom Bett ab und machte einen Schritt auf mich zu. Offenbar wollte er mir wieder näherkommen, denn er streckte begehrlich die Hand nach mir aus. Aber das durfte ich natürlich nicht zulassen, darum ging ich rückwärts von ihm weg. „Keine Spielchen mehr, Clay!" mahnte ich ihn verstimmt. Banton registrierte mein Zurückweichen, ließ seinen Arm sinken und blieb seufzend stehen. Leicht schwankend stand er mitten im Raum und betrachtete mich mit einer Mischung aus Amüsement, Enttäuschung und aufkommender Wut.
„Wir ficken ab und zu", behauptete er plötzlich hart in der eindeutigen Absicht, mich mit seiner brutalen Obszönität zu provozieren. „Was?" entfuhr es mir tatsächlich schockiert. Clay grinste zweideutig und böse. „Sean und ich. Wir ficken ab und zu", wiederholte er langsam und genüsslich, griente grimmig und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Verwirrt sah ich ihn an und brauchte noch einen langen Moment, um diese unerwartete Aussage zu verdauen. „Stimmt es, dass ihr zusammen Theater spielt?" erkundigte ich mich vorsichtig. Clay Bantons kindische Provokation ließ ich dabei bewusst außer Acht. Mein dummer Patient war schon wieder sichtbar enttäuscht, weil seine Frivolität bei mir nicht die von ihm gewünschte Wirkung zeigte und ich nicht auf seine pubertären Spielchen einging. „Woher hast du das?" fragte er gelangweilt, drehte sich herum und ging zurück zu dem Bett, weil das freie Stehen im Raum ihn auf Dauer zu sehr anstrengte.
Clay lehnte sich mit dem Hintern gegen die Matratze und schaute mich unzufrieden an. „Ich habe das von deiner zweiten Besucherin erfahren, Clay. Deine beiden Freunde sitzen im Wartezimmer und warten darauf, dass sie endlich zu dir gelassen werden", erzählte ich ihm freundlich. „Schick sie wieder weg!" knurrte Clay plötzlich angepisst, „Ich will niemanden sehen!" Er fragte nicht mal, wer die zweite Besucherin war. Offenbar interessierte ihn das gar nicht. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, darum blickte ich ihn überrascht an. „Willst du das wirklich?" erkundigte ich mich irritiert. Er stieß ein höhnisches Lachen aus. „Ja, das will ich wirklich, Siamak. Was soll das schon bringen, wenn die hier reinkommen. Das hier ist die verfickte geschlossene Psychiatrie, verflucht nochmal. Dieses Zimmer ist das Allerletzte. Ich will nicht von denen beglotzt werden wie ein krankes Tier im Zoo." Müde schloss er die Augen und atmete tief ein.
Beunruhigt über seine Resignation betrachtete ich meinen Patienten und ging zögerlich einen Schritt auf ihn zu. Er spürte meine Bewegung und riss erwartungsvoll die Augen auf. „Aber Clay, hör doch mal. Es ist Sean Valmont, der dich abholen will. Er ist dein Freund. Du hast ihn doch heute Mittag angerufen, damit er dich hier abholt", bemerkte ich verständnislos. Nochmal blies Clay in einer Mischung aus Spott und Wut Luft aus. „Für wie blöd hältst du mich denn, Tourani? Denkst du denn, ich wüsste nicht, dass ich sowieso nicht gehen darf? Es ist ganz egal, ob Valmont gekommen ist, um mich abzuholen. Der Professor wird das sowieso nicht erlauben, dass ich hier weggehe", erklärte Clay Banton mir mit erstaunlicher Intuition. „Warum hast du Sean denn dann überhaupt angerufen, wenn du das weißt, Clay?" fragte ich ihn verdutzt. Sein hübsches, erschöpftes Gesicht verzog sich zu einer gequälten Grimasse. „Zu dem Zeitpunkt wusste ich das noch nicht. Da habe ich noch geglaubt, dass der Professor fair sein würde und ich eine reelle Chance hätte hier rauszukommen." Er stöhnte verzweifelt auf und holte tief Luft. „Aber jetzt ist das anders. Jetzt habe ich begriffen, dass Maiwald mich hier verrecken lassen will."
Seine Aussage traf mich härter, als ich so schnell verarbeiten konnte. Mein Patient hatte wahrhaftig aufgegeben, und das war für mich enorm schwer zu ertragen. Deshalb konnte ich ihn nicht länger in dem Glauben lassen, in dem er seine ganze Energie verloren zu haben schien. „Fabian lässt dich nicht hier verrecken, Clay", beteuerte ich meinem Patienten betrübt und ging noch näher auf ihn zu. Noch einmal blieb ich dicht vor ihm stehen, streckte meine Hand nach ihm aus und streichelte voller Zuneigung über seinen Kopf, bevor ich mich davon abhalten konnte. Clay ließ sich das sichtbar gerne gefallen. Er fixierte mich misstrauisch. „Was willst du mir damit sagen, Tourani?" wollte er verwirrt wissen. „Professor Maiwald kann dich nicht gegen deinen Willen hierbehalten, Clay. Und ich möchte das auch nicht tun", flunkerte ich ihn ein bisschen an, weil ich ihn in der Tat sehr viel lieber zu seiner Behandlung und möglichen Genesung gezwungen hätte. Ich hatte große Angst davor, ihn zurück in sein mit harten Drogen verseuchtes und entschieden zu gewalttätiges Leben zu entlassen. Mein Gefühl sagte mir, dass Clay Banton seine extrem ungesunde und gefährliche Lebensweise nicht mehr sehr lange relativ schadlos überstehen würde. Aber andererseits war mir auch klar, dass ich einen erwachsenen Menschen nicht zu etwas zwingen konnte, was er selbst rigoros ablehnte.
Es deprimierte mich, wie augenblicklich seine Augen erstrahlten, als ihm mit beträchtlicher Verzögerung endlich dämmerte, was genau ich ihm gerade mitgeteilt hatte. „Er kann mich nicht gegen meinen Willen hierbehalten? Meinst du das ernst?" fuhr es schockiert aus Clay heraus. Aufgeregt schnappte er nach Luft und fixierte mich verwirrt. „Was heißt das? Was soll das bedeuten, Siamak?" drängte er hypernervös nach einer Erklärung. Er hob den Arm und umfasste abermals meine Taille, um mich noch näher zu sich hinzuziehen. Seine Augen erforschten ruhelos mein Gesicht auf der Suche nach der erlösenden Antwort. Ich lächelte traurig und streichelte sanft durch sein Haar, denn es rührte mich, wie hilflos er seine gesamten verbliebenen Hoffnungen auf meine Gestalt projizierte. Seine rechte Hand an meiner Taille knetete nervös mein Fleisch, während er die Finger seiner linken Hand in den Rand der dünnen Matratze bohrte. „Tourani, verdammt!" forderte er mich ungeduldig zum Sprechen auf.
Es widerstrebte mir, weil ich ihn dringend bei mir behalten wollte, unverändert etwas für ihn tun wollte, irgendwas, das ihm helfen würde. Aber ich hatte keine Wahl mehr. Ich musste meinem schwierigen Patienten die Wahrheit sagen. „Professor Maiwald hat dich entlassen, Clay. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass du bei klarem Verstand und nicht gefährlich bist." „Verdammte Scheiße!" fuhr es fassungslos aus Clay heraus, „Warum hat der Arsch das denn nicht schon vor Stunden gesagt? Warum lässt er mich ewig lange hier vermodern, wenn ich gehen darf? Dein scheiß Professor ist gar nicht wiedergekommen! Er hat mich einfach hier allein gelassen! Obwohl er verlangt hat, ich müsste noch viel länger mit ihm reden! Warum behandelt der mich so? Was ist das für ein verfluchter Mist, Siamak?" Völlig aufgelöst studierte Clay mich und verdrehte angewidert seine Augen.
Aber eigentlich erwartete er gar keine Antwort mehr, denn das höchst erfreute Kind war augenblicklich in Gedanken zu Hause. Unerwartet stieß er sich vom Bett ab, sodass er gegen meinen Körper stieß, den er frech umarmte. Clay Banton drückte mir schneller einen Kuss auf den Mundwinkel, als ich reagieren konnte. Sein Gesicht strahlte hinter seiner Müdigkeit, seine Augen blitzten voller Tatendrang. Es beeindruckte mich, wie der junge Mann aus Island innerhalb von Sekunden seine letzten Energiereserven bündeln konnte. „Ich werde jetzt gehen, Siamak. Wann darf ich gehen? Kann ich jetzt gehen?" fragte er allen Ernstes und überschlug sich dabei fast vor Aufregung. Seine weichen Lippen küssten pausenlos flüchtig mein Gesicht. Und ich genoss das viel zu sehr, um mich ihm zu entziehen oder ihn daran zu hindern.
„Nein, Clay, warte doch mal", kicherte ich amüsiert, obwohl mir in Wahrheit tief drinnen zum heftigen Weinen zumute war, „Sieh dich doch mal an, Clay. Du hast gar keine Schuhe an, keine Jacke, du kannst nicht so einfach hinaus in die Kälte gehen. Warte doch erst mal ab. Dein Freund ist ja hier, um dich abzuholen. Sean Valmont hat scheinbar ein paar Sachen für dich mitgebracht, wie du es am Telefon von ihm verlangt hast. Ich wurde darüber informiert, dass dein Besucher eine Tasche dabei hat. Da ist bestimmt Kleidung für dich drin, Clay. Ich werde Sean herholen, damit du dich anziehen kannst. Und dann darfst du mit ihm zusammen gehen, okay? Es ist besser, wenn dein Freund noch ein bisschen auf dich aufpasst. Du solltest in der nächsten Zeit nicht alleine sein. Findest du nicht auch, Clay Banton?" redete ich mit enger Kehle auf ihn ein, während er mich immerzu küsste, mich mit beiden Händen an sich drückte und mich freudig erregt anstrahlte.
„Ja, du hast recht, Siam, ich werde kräftig mit Valmont ficken", kicherte Clay albern, verdrehte spöttisch die Augen und blinzelte mich provozierend an. „Clay!" stöhnte ich, erschlagen von seinem unwiderstehlichen Charme, und konnte mich schlicht nicht aufhalten. Meine Arme schlossen sich ganz von selbst um seinen verletzten, muskulösen Körper und zogen den jungen Mann zu mir hin. Erneut standen wir eng aneinandergepresst in diesem sterilen Krankenzimmer im Keller der Psychiatrie und schauten uns intensiv an. Clay hörte nicht damit auf, mein Gesicht mit flüchtigen Küsschen zu bedecken. Seine Hände streichelten sanft über meinen Rücken. Wahrscheinlich blieb die Zeit ein weiteres Mal einfach stehen.
„Ich hab gedacht ich sterbe hier", flüsterte Clay plötzlich mit einer erschreckenden Ernsthaftigkeit in seiner wundervollen Stimme und in seinen Augen, „Ich bin hier ehrlich fast gestorben, Siamak." Sein Hinweis traf mich härter als erwartet. Vor Entsetzen zog sich alles in mir zusammen, weil mir auf der Stelle bewusst war, wie recht er damit hatte. „Es tut mir leid", versicherte ich ihm erschüttert, „Ich wollte dir nur helfen, Clay. Ich habe das gut gemeint. Ich habe bestimmt nicht gewollt, dass es dir hier auf der Station so schlecht geht." Mein Seufzen war abgrundtief, voller verzweifelter Resignation. „Ich möchte dir noch immer sehr gerne helfen, Clay Banton", bekräftigte ich deprimiert. Mein schwieriger Patient lächelte auf seine magische Weise. „Ja, ich weiß", gab er zu, „Ich weiß, dass du mir nur helfen willst." „Warum lässt du das denn dann nicht zu?" fragte ich ihn spontan mit hämmerndem Herzen, weil ich das wirklich nicht verstehen konnte. Clay küsste abermals meine Wange, meine Lippen. Dann schaute er mich vergnügt an. „Weil ich sowieso ein hoffnungsloser Fall bin", erklärte er leichthin, „Weil du dir an mir die Zähne ausbeißen würdest, Doktor Siamak Tourani. Du hättest keine Chance."
Kim
Der auffallend attraktive Mann ging wütend auf mich los, kaum das Doktor Tourani das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich abgeschlossen hatte. Augenblicklich stand Valmont von seinem Plastikstuhl auf und kam energisch zwei Schritte auf mich zu. „Was soll das, Flint? Was zur Hölle machst du denn? Was für eine Scheiße ziehst du hier ab? Warum erzählst du diese beschissenen Lügenmärchen? Was willst du denn noch von Clay? Hast du Clay denn immer noch nicht genug gequält und verletzt, du Fotze? Willst du etwa nie wieder damit aufhören, dich an ihm zu rächen?" prasselten die zornigen Wörter wie Peitschenhiebe auf mich ein. Enorm aufgebracht schnappte der ansehnliche Kerl nach Luft. Die dunkle, überraschend wohlklingende Stimme drang unerwartet tief in mein Innerstes vor. Unfassbar hellblaue Augen durchbohrten mich auf der Suche nach der ultimativen Wahrheit. „Erkläre mir das jetzt, Flint! Erzähle mir alles, von Anfang an! Und wage es ja nicht mich anzulügen!" setzte Sean warnend hinzu. Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete er auf mich, als wollte er mich mit seinem Finger aufspießen.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Mein Atem ging schwer, als ich ihn eingeschüchtert betrachtete. Dieser fremde Mann sah so unglaublich gut aus, dass ich von seinem Anblick völlig hingerissen war, obwohl ich das gar nicht wollte. Sein unter seiner engen, perfekt sitzenden, schwarzen Markenkleidung schlanker, sichtbar durchtrainierter und wohlproportionierter Körper mit den starken Armen und den langen, kräftigen Beinen. Dieses wahnsinnig hübsche Gesicht mit den kurzen, exakt geschnittenen, blonden Haaren und den irrsinnig blauen Augen. Sean Valmont sah so verflixt fantastisch aus, dass man gar nicht anders konnte, als ihn einfach nur beeindruckt anzustarren. Gleichzeitig war mir aber auch bewusst, dass seine tosende Wut absolut berechtigt war und ich seiner Anklage nicht würde entkommen können. Dummerweise waren er und ich gemeinsam in diesen kleinen Raum eingesperrt worden. Bis der Doktor zurückkam und uns endlich zu Clay vorließ, konnte es noch eine Weile dauern. In dieser Situation gab es keinen Ausweg für mich. Den großen, starken Mann aus dem Theater drängte es unmissverständlich nach Antworten. Darum musste ich ihm jetzt tatsächlich alles erzählen, was ich bisher mit Clay Banton erlebt hatte. Zweifellos hatte Valmont ein Recht darauf zu erfahren, welche Kette von seltsamen Ereignissen zu diesem unseligen Augenblick geführt hatten.
Trotzdem wäre ich dieser unangenehmen Aussprache liebend gerne entkommen, denn sein fast ungebremst aufbrausender Zorn und der unverhüllte Abscheu in seinen blitzenden Augen machten mir große Angst. Es ärgerte mich, wie böse er mich beschimpfte. Außerdem waren mir meine intimen und persönlichen Erlebnisse mit Clay Banton so kostbar, dass ich sie eigentlich niemandem auf die Nase binden wollte. Ich hatte das Gefühl, dass unsere gemeinsame Zeit nur Clay und mir gehörte und niemandem sonst. Wenn ich vorher auch nur ansatzweise geahnt hätte, wen ich dort zufällig treffen würde, dann hätte ich um das Wartezimmer der geschlossenen Psychiatrie mit Sicherheit einen riesengroßen Bogen gemacht. Meinen mittlerweile überfälligen Besuch bei Clay, zu dem mich meine übermächtigen Sorgen um ihn schon den ganzen Tag lang heftig gedrängt hatten, hätte ich auf einen gänzlich anderen Zeitpunkt verschoben. Selbstverständlich wäre ich dem leider völlig zu recht mega angepissten und einschüchternd selbstbewussten Mann viel lieber aus dem Weg gegangen.
Aber als diese Krankenschwester mich in den Wartebereich führte und die Tür hinter sich abschloss, als ich mich im nächsten Moment umdrehte und den einzigen anderen Besucher im Zimmer auf Anhieb erkannte, da war es auch schon zu spät. Ich konnte nicht mehr hinaus. Ein Umkehren oder Ausweichen war nicht mehr möglich, ohne verständnisloses Aufsehen zu erregen. Auf der Stelle war mir klar, dass dieses ungewollte Zusammentreffen mit dem Erfinder von Psychotic Kühlschrank gigantischen Ärger für mich bedeutete. Immerhin hatte ich im Grenzland-Theater seine Samstagabendvorstellung zerstört. Zu gut erinnerte ich mich an Valmonts Fassungslosigkeit und seine blitzende Wut, nachdem Clay durch die Steine K.O. gegangen war. Nicht nur darum hatte ich noch immer ein ziemlich schlechtes Gewissen.
Schon seit ich mich auf einen der Stühle im Wartezimmer gesetzt hatte, raste mein Puls vor Nervosität und hatte sich seither nicht wieder beruhigt. Mir war schlecht und ich konnte kaum noch atmen. Aber zu meiner Irritation schien Sean Valmont mich zunächst gar nicht zu erkennen. Erst im Laufe des Gesprächs mit Doktor Tourani fiel ihm blöderweise ein, wer da neben ihm saß. Solange der Arzt mit uns im Raum war, hielt Valmont sich halbwegs zurück, obwohl er stinksauer war und mich ständig verbal angriff. Aber kaum hatte Tourani das Wartezimmer verlassen, explodierte der Typ auch schon. Dass ich ihm nicht sofort antworten konnte, weil sich vor Schreck meine Kehle zusammenzog, machte die Sache nicht besser. Seine Wut auf mich steigerte sich rasend schnell. Seine wohlklingende Stimme wurde noch um einiges schärfer und lauter. Sean sah so aus, als müsste er sich selbst mühsam davon abhalten mich zu schlagen, was mir eine Heidenangst machte.
„Nun rede schon mit mir, Kim Flint! Was zur Hölle ziehst du hier für eine Show ab? Was ist das für ein neues scheiß Spiel von dir, hä? Erkläre mir das gefälligst! Warum bist du wirklich hier? Was zum Teufel willst du noch von Clay? Willst du ihn noch mehr verletzen? Warum erzählst du Tourani so eine gottverdammte Scheiße? Was führst du im Schilde, du brutales Luder, hä?" fuhr der erwachsene Mann mich gehässig an. „Und lüge mich bloß nicht an, Flint!" wiederholte er bedrohlich, „Wage es ja nicht mich anzulügen, kapiert?!" Herr Vamont war unübersehbar sauer, misstrauisch und randvoll mit Ungeduld. Seine Augen und seine ganze beeindruckende Erscheinung verlangten auf der Stelle eine Erklärung von mir, die der uneingeschränkten Wahrheit entsprach. „Nein... Sean... hör doch mal... das ist alles ganz anders, als du denkst...", stotterte ich mächtig eingeschüchtert mit zugeschnürter Kehle. Ohne die schlichtende Anwesenheit des Doktors fühlte ich mich Clays Theaterfreund schutzlos ausgeliefert. Obwohl auch Doktor Tourani mich mit seiner Ankündigung mich anzuzeigen ehrlich schockiert hatte. Jedoch erschien Sean Valmont mir momentan noch sehr viel bedrohlicher zu sein als eine gerichtliche Anklage wegen Körperverletzung.
Clay Banton bedeutet ihm unglaublich viel, vermutete ich verwirrt und ängstlich, sonst würde Sean sich bestimmt nicht dermaßen aufregen. Der arrogante Typ blies höhnisch Luft aus. Seine blauen Augen blitzten kampfbereit. Wahrhaftig, der Mann war förmlich richtig scharf auf diese Auseinandersetzung mit mir. „Woher willst du wissen, was ich denke, Frau Flint?" höhnte er voller Spott. „Clay ist schon lange nicht mehr wütend auf mich!" versicherte ich ihm verzweifelt. Er taxierte mich ungläubig. „Eigentlich ist Clay nie wütend auf mich gewesen", setzte ich nach einer kurzen Pause nachdenklich hinzu. Prompt erinnerte ich mich an meine zweite Begegnung mit Clay Banton in seiner Wohnung, am Tag nach unserem nächtlichen Überfall auf ihn. Ich wusste noch genau, wie überrascht und gerührt ich gewesen war, weil Clay mir gegenüber fast keine Aggressionen gezeigt hatte. Im Gegenteil, der süße Kerl war einnehmend freundlich, sanft und später sehr zärtlich mit mir umgegangen. Er hatte mir viel über seine Familie erzählt und echt sexy isländisch für mich gesprochen. Letztendlich war Clay sogar total hemmungslos auf mich abgefahren. Schon am gleichen Abend hatten wir mehrmals richtig berauschenden Sex gehabt. Noch immer erstaunte es mich maßlos, wie schnell und leicht dieser besondere Mensch mir meine Grausamkeiten hatte vergeben können.
„Clay hat mir schon längst verziehen!" bekräftigte ich dem zornigen Mann, der sich selbstbewusst dicht vor mir aufgebaut hatte. Scheu zwang ich mich dazu, Sean Valmont in die überwältigend hellblauen Augen zu sehen. Unweigerlich wurde ich paralysiert, denn ich stellte überrascht fest, dass mitten aus diesem ungewöhnlich strahlenden Blau seine großen, runden, pechschwarzen Pupillen auf fesselnde Art herausstachen. So einen intensiven Kontrast von Blau und Schwarz hatte ich in einem menschlichen Auge noch nie gesehen.
Sean bemerkte meine ungewollte Faszination. Ein Grinsen erschien auf dem fraglos perfekten Gesicht, das irgendwo zwischen Amüsement und Fassungslosigkeit lag. „Du denkst, Clay hat dir schon längst verziehen? Meinst du das etwa ernst, Flint?" wiederholte er langsam. „Ja, das stimmt ehrlich, Valmont!" war ich mir völlig sicher, „Clay hat das doch schon lange..." Ein heftiges, eindeutig geringschätziges Schnaufen von Sean ließ mich abrupt verstummen. Verunsichert schaute ich ihn an. Seine Augen durchbohrten mich voller Abscheu. „Gott, Mädchen, du bist ja total gestört!" zischte der attraktive Mann entgeistert. Er fixierte mich starr und holte tief Luft. „Wie kannst du so etwas denken, verdammt? Wie kannst du auch nur vage annehmen, dass Clay dir irgendwas verziehen hätte?" Valmonts hochnäsige Worte weckten Widerstand in mir. „Er hat es mir deutlich gesagt! Sogar mehrmals!" erklärte ich energisch und ärgerte mich, als Sean sofort in ein hämisches Gelächter ausbrach. „Er hat es dir gesagt!" spottete der blonde Kerl, als wäre ich für ihn die dümmste Person auf der ganzen Welt.
Verärgert betrachtete ich ihn und wagte nichts zu erwidern. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun oder sagen sollte, um meine Lage zu verbessern. Der beeindruckende Typ stand direkt vor mir, während ich zusammengekauert auf meinem viel zu harten, unbequemen Plastikstuhl saß und schüchtern zu ihm aufblickte. Sean Valmonts unumstößliches Selbstbewusstsein erfüllte förmlich das ganze kleine Wartezimmer. Die fehlenden Fenster des beengten Raumes verstärkten seine beachtliche Präsenz noch. Ich war ihm hilflos ausgeliefert. Dieser fremde Kerl wusste ganz genau, was er wollte, und selbstverständlich würde er es kriegen. Schließlich bekam er ja immer ganz genau das, was er wollte. Der Typ war sich seiner Erscheinung und Stärke vollkommen bewusst. Keiner würde je an ihm vorbeikommen. Niemand hätte diesen schlicht wunderschönen Menschen jemals übersehen können. Mister Sean Valmont stellte so dermaßen ein Idealbild von einem erwachsenen Mann dar, dass ich mich plötzlich verwirrt fragte, ob er wohl überall an seinem Körper so fehlerlos aussah. Sein offen zur Schau getragenes, exorbitantes Ego imponierte mir. Obwohl ich das gar nicht wollte, wurde ich von seinem Anblick und seiner starken Energie total gefesselt.
Neugierig wanderten meine Augen über seinen perfekten Leib, ohne dass es mir richtig bewusst wurde. Sean Valmont trug eine bestimmt sehr teure, schwarze Lederjacke, die ihm hervorragend stand und seine ohnehin breiten Schultern vorteilhaft betonte. In einer einzigen, eleganten Bewegung zog er den langen Reißverschluss der Jacke auf. Er fuhr sich nervös mit den Fingern über das Gesicht, als wäre ihm plötzlich zu heiß. „Mann, Flint, du hast ihn mit harten Steinen beworfen, als er nackt auf der Bühne stand! Es war unsere verdammte Samstagabendvorstellung! Das ist die wichtigste der ganzen Woche! Clay wollte gerade seinen Monolog anfangen! Alle Augen waren auf ihn gerichtet! Er stand genau im Mittelpunkt, wo er sich am wohlsten fühlt! Du hast ihm seine zehn Minuten Ruhm geklaut und alles kaputtgemacht! Die bedeuten ihm wirklich was! Aber du hast ihn total erniedrigt mit den scheiß Steinen und deinen fiesen Beschimpfungen! Das war echt das Letzte, Frau, dass du Clay ausgerechnet in diesem Moment angegriffen hast! Du hast keine Ahnung, wie wehrlos er da oben auf der Bühne ist!" klagte Valmont mich in einem impulsiven Redeschwall wütend an. Seine blauen Augen töteten mich auf viele schmerzhafte Arten. Aufgebracht schnappte er nach Luft.
Zweifellos hatte der schwule Schauspieler völlig recht. Dabei spielte es keine Rolle, dass ich genaugenommen nicht selbst die beiden Deko-Steine geworfen hatte, sondern mein Freund Ben, denn schließlich hatte ich Ben ja dazu angestiftet. Meine Schuld war unbestritten. Ich wollte Sean auch gar nicht widersprechen. Im Gegenteil, ich hätte seiner Anklage sicherlich auf ganzer Linie zugestimmt. Aber ich war gerade restlos von seinem attraktiven Körper gebannt und reagierte nicht auf seine berechtigten Worte. Meine Augen fuhren wie von allein, nahezu gierig über seine fraglos faszinierende Gestalt. Noch niemals hatte ich Sean Valmont so aus der Nähe richtig angesehen oder mich auch nur vage für ihn interessiert. Aber jetzt drängte der Typ sich mir ja förmlich auf, indem er geradewegs vor mir stand. Definitiv hatte ich noch nie einen so schönen Mann gesehen. Unter seiner feschen Lederjacke hatte er ein eng anliegendes, schwarzes Sweatshirt an, unter dem ich bei genauem Hinsehen wahrhaftig seine starken Brust- und Bauchmuskeln erahnen konnte, was ich verblüfft feststellte. Seine klare, sehr angenehme, weil offenbar gut geschulte Stimme drang laut und ungehindert in meine Gehörgänge. Dennoch nahm ich seine Beschwerden nur am Rande wahr.
„Und als wären die Steine allein noch nicht Bestrafung genug, hast du Clay mit deinen scheiß Freunden auch noch mega brutal zusammengeschlagen! Fick dich, Flint, ihr wart fünf gegen einen! Unfairer geht es ja wohl gar nicht! Clay ist total übersät mit Blutergüssen! Er hat rote Striemen am Hals und beiden Handgelenken! Er hat Albträume davon! Meinst du etwa, so was steckt der so einfach weg? Denkst du, das würde ihm nicht wehtun? Glaubst du ernsthaft, das kann der so schnell vergeben? Einfach so? Ihr habt ihn mit scharfen Messern geschnitten, verdammte Scheiße! Er wurde von euch mit einem scheiß Seil gewürgt! Clay wäre daran fast gestorben, du verfluchtes Weib! Ist dir das überhaupt klar? Kapierst du das auch nur annähernd, scheiß Bitch?" fauchte Sean lautstark. Der zornige Typ sprach sich in Rage, seine hörbar trainierte Stimme überschlug sich beinahe vor aufkochender Wut.
Seine anklagenden Sätze waren ausnahmslos die Wahrheit, die mir unverändert schwer zu schaffen machte. Nicht mal seine zahlreichen Flüche und Schimpfwörter durfte ich ihm übelnehmen, obwohl sie mich nervten. Aber meine Aufmerksamkeit lag noch immer paralysiert auf seinem durchtrainierten Körper. Ich starrte den Kerl derart akribisch an, als würde mein Leben davon abhängen. Wahrscheinlich wollte ich mich damit verbissen von seinem aggressiven, verbalen Angriff ablenken, dem ich nichts entgegensetzen konnte, der mich enorm einschüchterte und mich innerlich viel zu stark berührte. Hätte ich das alles richtig an mich herangelassen, dann wäre ich wohl auf der Stelle in haltlose Tränen ausgebrochen und hätte unter Garantie nie wieder mit dem Heulen aufgehört.
Aber stattdessen konzentrierte ich mich krampfhaft auf Sean Valmonts bemerkenswert ansehnliche Gestalt. Der völlig zu recht mega angepisste Mann trug eine hautenge, sexy tief sitzende, pechschwarze Jeans, die seine langen, schlanken und muskulösen Beine hervorragend zur Geltung brachte. Seine Füße zierten glänzend schwarze, halbhohe Lederstiefel. Wissbegierig fragte ich mich, warum Sean sich für seinen Besuch in der Psychiatrie eines Krankenhauses wohl ausgerechnet komplett in schwarz gekleidet hatte. Irritiert überlegte ich, ob seine seltsame Kleiderwahl vielleicht etwas mit seinem momentanen Gemütszustand zu tun hatte. Verdutzt grübelte ich darüber nach, ob Sean Valmonts zweifellos sensible Seele eventuell in Wahrheit tieftraurig über Clays Schicksal war. Der Gedanke gefiel mir. Seans äußerst heftige Reaktion auf mich und die vergangenen Ereignisse verriet mir eindeutig, dass der Mann alles andere als gleichgültig oder hart gesotten war. Jedoch musste ich zugeben, dass ihm abgesehen davon die Farbe Schwarz ganz hervorragend stand. Sie gab dem Typen einen gefährlichen und anregend verwegenen Touch. Zusätzlich bildete das viele Schwarz einen interessanten Kontrast zu seinem blonden Haar, der hellen Haut und den erstaunlich hellblauen Augen.
„Hörst du mir überhaupt zu, Flint?" beschwerte er sich spürbar angefressen. Alarmiert kam er noch einen Schritt näher und taxierte mich argwöhnisch. Bei dieser Bewegung blieb mein faszinierter Blick irgendwie auf seinem Schritt hängen. Seine von der Jeans verhüllten Sexualorgane befanden sich nun geradewegs in meinem Blickfeld. Die durch die eng geschnittene Baumwolle eindeutige Ausbuchtung war zufällig auf meiner Augenhöhe. Konzentriert studierte ich die höchst interessanten Umrisse zwischen den aufregend langen, sichtbar trainierten Beinen, ohne dass es mir selbst richtig bewusst wurde. Mein verwirrter Kopf spekulierte autonom über die Größe und Form seines Gliedes. Ich versuchte wahrhaftig abzuschätzen, ob Sean Valmonts Geschlechtsorgane wohl ganz genauso perfekt und formschön waren, wie der restliche, im höchsten Maße ansehnliche Mensch.
Sean registrierte meinen indiskreten Blick auf seine Weichteile mit einiger Irritation. Aber das nahm ich nur am Rande wahr. Vielleicht wollte ich es auch einfach ignorieren. Eine Weile war es seltsam still in dem kleinen Wartezimmer der geschlossenen Psychiatrie. Relativ ruhig stand er vor mir und ließ mich glotzen. Nur sein schweres Atmen und die ungeduldig zuckenden Finger verrieten seine Nervosität. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich innerlich kräftig sabbernd tatsächlich ausgiebig glotzte.
„Sag mal, was genau siehst du dir da an, Kim?" fragte Sean mich schließlich geradeheraus, dessen Geduld jäh endete. Seine schneidende Stimme durchbrach die Stille urplötzlich. Merkwürdigerweise drang dieser Satz direkt bis zu mir durch. Peinlich ertappt fuhr ich hoch und schaute völlig konfus in das wunderschöne Gesicht. Im nächsten Moment spürte ich auch schon, wie ich höchstwahrscheinlich dunkelrot wurde, denn meine Wangen wurden schrecklich heiß. „Hast du mir gerade ernsthaft auf den Schwanz gestarrt, Weib?" verlangte Valmont überdeutlich zu wissen. Sein Tonfall war scharf wie ein geschliffenes Schwert. Er bemühte sich, sich nichts dergleichen anmerken zu lassen. Trotzdem konnte ich seine gut versteckte Belustigung deutlich heraushören. Seine tollen Augen musterten mich mit neu erwachtem Interesse, was mich sofort unglaublich erleichterte. „Ja... tut mir leid, Sean... du... faszinierst mich... total...", stammelte ich ehrlich bestürzt, weil mir in diesem Moment nichts als die pure Wahrheit einfiel. „Was ist kaputt? Mein Schwanz fasziniert dich?" hakte er entgeistert nach und taxierte mich fassungslos. Hastig schüttelte ich den Kopf und stotterte: „Nein... nicht nur dein... alles an dir... irgendwie..." Selten war mir etwas noch peinlicher gewesen. Der Mann traute offenbar seinen Augen und Ohren nicht, denn mit einem Mal wirkte er völlig ratlos. „Du killst mich, Kim Flint", stöhnte er angewidert, „Du nimmst mich überhaupt nicht ernst. Shit, du hörst mir nicht mal zu, verdammt!"
Müde rieb er sich mit den bebenden Fingern über die Augen. Taumelnd machte er ein paar Schritte zur Seite, als würden seine kräftigen Beine ihn plötzlich nicht mehr tragen. Ächzend ließ der Typ sich auf einen Stuhl in meiner Nähe fallen. Zwischen uns blieb nur ein einziger Platz frei. „Tut mir so leid, Sean Valmont! Alles tut mir ganz entsetzlich leid, ehrlich! Bitte verzeih mir! Bitte, bitte verzeih mir doch!" beschwor ich ihn verzweifelt. Plötzlich war ich mir nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte. Auch der Kerl schien seltsam verwirrt zu sein. Mein irrationales Verhalten überforderte ihn anscheinend. Ich wusste selbst nicht, was eigentlich konkret mit mir los war. „Du hast Clay wie Dreck behandelt. Du hast ihn total fertiggemacht Aber jetzt erzählst du plötzlich, du wärst seine feste Freundin. Statt mir endlich mal was zu erklären, starrst du mir nur wie bescheuert auf den Schwanz. Was ist das für ein verfickter Scheiß, Flint? Was zur Hölle stimmt nicht mit dir, Frau?" murmelte Sean fassungslos und warf mir einen vernichtenden Blick zu.
Ich konnte es nicht hinnehmen, dass der Typ meine ehrlich gemeinte Entschuldigung einfach überhörte, darum wiederholte ich sie flehentlich. „Hör mal, Sean, es tut mir leid, okay? Ich war gerade nur eben kurz abgelenkt, aber... ich habe dir genau zugehört! Und du hast recht mit jedem Wort! Ich habe Clay schlecht behandelt...", fing ich hilflos an, als der Kerl mich auch schon zornentbrannt unterbrach: „Schlecht behandelt? Mann, halt doch die Fresse, Flint! Hörst du dir mal selber zu? Fuck, du hast Clay um ein Haar getötet! Du hast ihm öffentlich vorgeworfen, dass er dich vergewaltigen wollte und ihn als gefährlichen, kranken Psychopathen bezeichnet! Du hast Clay mit Steinen beworfen, brutal zerschnitten und restlos zusammengeknüppelt! Und was tust du jetzt? Auf einmal machst du dir angeblich große Sorgen um ihn und willst ihn unbedingt hier besuchen? Du lügst dem Doktor und mir sogar vor, du wärst seine feste Freundin und dass Clay dir schon lange vergeben und dich wer weiß wie lieb hätte? So ein absoluter Schwachsinn! Sag mal, merkst du selbst gar nicht, wie astronomisch bekloppt das ist? Das ist total krank, Kim Flint!" Seine klare Stimme und seine drohenden Augen verurteilten mich als gefährlich geistesgestörte Irre. „Es tut mir ehrlich leid!" stöhnte ich hilflos. Aber Sean verzog nur angewidert das Gesicht und sah verstärkt so aus, als wollte er mich für meine Dreistigkeit liebend gerne kräftig verprügeln.
Die beängstigend angespannte Situation im Wartezimmer drohte endgültig außer Kontrolle zu geraten. In meinem Kopf gingen abrupt alle Alarmsirenen an. Jetzt muss ich es ihm endlich erklären, begriff ich panisch, ich darf nicht noch länger zögern. Sean kann das nicht verstehen, wenn ich ihm nicht ganz genau erzähle, was ich zwischenzeitlich mit Banton erlebt habe. Mit Clay und mir ist doch alles völlig anders als Valmont denkt. Mühsam riss ich mich zusammen und zwang mich hektisch dazu, meine haltlos verwirrten Gedanken zu ordnen. Allerdings war das schwierig, denn der attraktive Mann neben mir schüchterte mich unverändert enorm ein. „Sean...bitte... ich weiß nicht, was ich...", klagte ich scheu. Abermals unterbrach er mich voller Ungeduld: „Was hast du überhaupt mit Banton zu tun, verfluchtes Weib? Warum hast du die Steine geworfen, hä? Was soll das mit deiner beschissenen Vergewaltigung? Fang doch einfach mal ganz am Anfang an, Frau Flint!" Arrogant lehnte er sich auf dem Stuhl zurück, streckte die langen Beine aus und betrachtete mich geringschätzig. Unruhig fuhren seine Hände die Taschen seiner Lederjacke ab, als würde er nach seinen Zigaretten suchen. Dabei war das Rauchen im Krankenhaus sowieso streng verboten, und das wusste der nervöse Kerl bestimmt auch.
Allerdings hätte ich eine Zigarette zur Beruhigung ebenfalls sehr gut gebrauchen können. Noch immer hämmerte mein Herz zu schnell. Ich war tierisch nervös und hatte Mühe, meine Gedanken richtig zu sortieren. Schon der erste Satz meiner Erklärung bereitete mir große Schwierigkeiten. Ich schreckte davor zurück, Valmont etwas über Heroin zu erzählen, denn ich fürchtete seine empörte und verständnislose Reaktion, mit der ich felsenfest rechnete. Gleichzeitig hatte ich aber auch viel zu große Furcht davor ihn anzulügen. Denn das hätte der zornige Mann mir mit Sicherheit enorm übelgenommen. Immerhin hatte er mich zweimal deutlich genug gewarnt. Trotz allem musste ich jetzt eine Entscheidung treffen, denn an diesem Punkt gab es für mich endgültig kein Zurück mehr. Das war mir sonnenklar. Also holte ich tief Luft und gab mir einen Ruck.
„Ursprünglich kannte ich Clay nur als angeblich zuverlässigen Dealer. Am Freitag habe ich ihn auf dem Campus angesprochen, damit er mir Heroin verkauft. Das hat er getan und dann sind wir in seine Wohnung gefahren, um das Heroin zu nehmen. Zuerst war alles okay. Aber später wurde Clay dann plötzlich zudringlich", entschied ich mich sicherheitshalber für die Wahrheit. Ich sprach ziemlich hastig, denn diese Erinnerung war schmerzhaft. Der umwerfend gut aussehende Sean Valmont hörte mir erstaunlich aufmerksam zu. Er hatte mich fixiert und ließ mich nicht eine Sekunde lang aus den Augen. „Was bedeutet das, Clay wurde zudringlich?" hakte er zweifelnd nach. Wow, der komische Typ ist ja nicht im Geringsten überrascht, dass sein Freund mit Heroin dealt, registrierte ich verblüfft. Damit hatte ich bestimmt nicht gerechnet. Es wunderte den blonden Schauspieler auch nicht, dass ich mit Clay gemeinsam Heroin genommen hatte. Sofort fragte ich mich misstrauisch, ob der schwule Theaterregisseur womöglich auch irgendwas mit harten Drogen zu tun hatte, obwohl er doch irgendwie immer so wirkte, als würde er meilenweit über solchen Dingen stehen.
„Clay Banton wollte mich in seiner Wohnung mit Gewalt zum Sex zwingen. Er ist äußerst brutal über mich hergefallen", sagte ich tonlos. Seans wundervolle Augen verengten sich ärgerlich. „Du denkst, Clay wollte dich ernsthaft vergewaltigen?" fragte er lauernd. Traurig nickte ich. „Ja, Sean. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich das. Der Kerl hat mich mit Gewalt angegriffen. Er ist viel stärker als ich. Ich hatte große Angst vor ihm", berichtete ich betrübt. „Und jetzt denkst du das nicht mehr?" horchte Sean verwirrt nach. Ich hatte beschlossen, ganz ehrlich zu dem Mann zu sein. Darum schüttelte ich den Kopf. „Nein, jetzt kann ich mir das nicht mehr vorstellen", lenkte ich leise ein. Sean blies wütend Luft aus. „Du hast Clay aber vor allen Leuten angeklagt! Du hast ihn übelst beschimpft und damit unsere wichtigste Aufführung kaputtgemacht!" knurrte er mit zu meiner Erleichterung jetzt halbwegs kontrolliertem Zorn. Ich seufzte und nickte. „Ja, das habe ich. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich im Recht. Clay Banton hatte mir Angst gemacht und mich gewaltsam angegriffen. Was hätte ich schon anderes denken sollen, Sean? Ich kannte Clay doch noch gar nicht", versuchte ich mich zu rechtfertigen. Nochmal blies er spöttisch Luft aus. „Dann hättest du vielleicht gar nicht erst mit einem fremden Dealer in seine Wohnung fahren sollen!" warf er mir verächtlich vor. Ich nickte kleinlaut. „Ja, du hast natürlich recht. Das war ein grober Fehler von mir. Es tut mir so leid", seufzte ich deprimiert.
Sean betrachtete mich nachdenklich. „Was soll das überhaupt heißen, Clay ist über dich hergefallen? Also hat er dich nicht vergewaltigt, oder wie?" „Nein, zum Glück konnte ich ihn vorher stoppen", gab ich geknickt zu. Die hellblauen Augen wurden noch enger. Argwöhnisch musterte Valmont mich. „Du konntest ihn vorher stoppen?" wiederholte er verständnislos, „Wie hast du das denn angestellt, Frau? Clay ist doch so viel stärker als du, nicht wahr?!" „Ich habe ihn so richtig kräftig in die Hoden getreten", erklärte ich nicht ohne Stolz. Mit einiger Belustigung konnte ich mir ansehen, wie der große Kerl neben mir mit jäh gequälter Miene erschrocken zusammenzuckte und unwillkürlich schützend seine Hände im Schoß verschränkte. Offenbar kannte Sean Valmont diesen intimen Schmerz auch und hatte nicht die geringste Lust, ihn noch einmal zu spüren zu kriegen. Verstört setzte er sich auf und zog seine Beine heran. Seine schönen Augen schossen tödliche Giftpfeile auf mich ab. „Verstehe ich das richtig? Du hattest Banton also schon in seiner Wohnung bestraft, nicht wahr, Kim? Warum dann noch die beschissenen Steine und die unfairen Beschimpfungen? Deine Aktion im Theater war dann ja wohl total unnötig! Damit hast du schließlich nicht nur Clay bestraft! Für mich war das genauso ätzend, glaub mir! Und im Grunde hatte Clay dir ja noch nicht mal was getan!" regte der Typ sich lautstark auf. Beleidigt schüttelte ich den Kopf. „Nein, Sean, es stimmt nicht, dass Clay mir gar nichts getan hatte! Er hatte mich gedemütigt und mir mit seiner Brutalität große Angst gemacht. Das konnte ich nicht so einfach hinnehmen. Ich musste mich an ihm rächen", verteidigte ich mich vehement. Meine Augen flehten Valmont um Verständnis an.
Daraufhin war es einige Zeit still. Sean studierte mich mit unzufrieden zusammengezogenen Brauen. „Also gut, Kim. Dann erkläre mir doch jetzt bitte mal, was deine grottenschlechte Meinung von Clay so drastisch geändert hat?" forderte er mich dann plötzlich auf, „Das ist ja wohl offensichtlich nicht sofort passiert, denn du musstest ihn ja vorher auch noch zusammenschlagen lassen!" Valmonts eigentlich sehr angenehme Stimme war wieder messerscharf, die riesige Schuldzuweisung unüberhörbar. Vor Unwohlsein verkrampften sich meine Innereien. An diese Episode dachte ich noch viel weniger gern. Die dazugehörigen Bilder in meinem Kopf schmerzten mich unverändert stark. Es fiel mir mega schwer, über meine brutale, nächtliche Rache in der abgelegenen Gasse zu sprechen.
„Das hatte ich ja gar nicht vor, Sean", jammerte ich deprimiert. „Ich wollte Clay doch nicht zusammenschlagen! Nach der Aktion im Theater ging ich davon aus, dass er hinlänglich genug bestraft wäre. Aber noch am gleichen Abend haben wir den frechen Kerl zufällig im Old Daddy wiedergesehen. Nur kurze Zeit später war er so unfassbar fröhlich. Banton hat sich total unbeschwert amüsiert. Als wäre im Theater gar nichts passiert! Als hätte es meine Steine nie gegeben! Er schien schon alles vergessen zu haben. Das konnte ich nicht ertragen", erklärte ich leise. Der Blonde schnaufte abfällig. Angeekelt verdrehte er seine tollen Augen. „Du lässt jemanden halb tot prügeln, nur weil er sich amüsiert?" entfuhr es Sean fassungslos. Nochmal musste ich nicken, so sehr mir das auch innerlich leid tat. Mein Blick bat Mister Valmont flehend um Verzeihung. „Versetze dich bitte mal in meine Lage, Sean. Der Typ hatte mich erst wenige Stunden zuvor verletzt, mich total gekränkt, brutal gedemütigt und mir riesengroße Angst gemacht. Und plötzlich sehe ich ihn in diesem Club. Wo er charmant und glücklich mit irgendwelchen Weibern flirtet und völlig unbeschwert tanzt und all so was. Meine Rache hatte rein gar nichts bei ihm bewirkt. Das hat mir einen echten Stich versetzt. Das konnte ich dem Kerl doch nicht so einfach durchgehen lassen."
Stumm bittend blickte ich Valmont an. Zu meiner grenzenlosen Überraschung flackerte in den hellblauen Augen unvermutet so etwas wie... Verständnis? auf, was mich völlig unvorbereitet traf. Tatsächlich ließ der gut aussehende Mann meine Erklärung diesmal gelten und fragte nicht nochmal nach. Von diesem Entgegenkommen total überfahren überlegte ich, ob Sean sich wohl wahrhaftig in meine Lage hineinversetzen konnte. War Vamont womöglich auch schon mal von Clay Banton gekränkt oder verletzt worden? War er schon einmal dermaßen wütend auf seinen Freund gewesen, dass er ihm nur noch wehtun wollte? Diese Möglichkeit verwirrte mich ungemein. Nach ein paar eindeutigen Sekunden war der Anflug von Verständnis in Seans Augen jedoch wieder verschwunden, beiseite geschoben von seiner lodernden Wut. Unruhig verschränkte er die Finger in seinem Schoß und streckte die langen Beine wieder aus. Nervös wand er sich auf seinem unbequemen Plastikstuhl. Er holte Luft und taxierte mich.
„Na gut, Flint. Diesen Teil habe ich jetzt kapiert. Obwohl ich deine unfairen Aktionen noch immer total Scheiße finde. Das ist unverzeihlich, hörst du?! Und du kannst mal davon ausgehen, dass ich dir das auch nicht einfach so durchgehen lasse", knurrte er unversöhnlich. Seine böse Drohung alarmierte mich. Wollte dieser verdammte Kerl mich etwa auch persönlich anzeigen, so wie der Doktor es vorhin blöderweise auch schon angekündigt hatte? Fassungslos starrte ich Sean an. Ich war dermaßen schockiert, dass mir so schnell keine passende Erwiderung einfiel. Bevor ich auf diese neuerliche Bedrohung reagieren konnte, quatschte Valmont schon weiter: „Aber was zur Hölle hat deine scheiß Meinung so drastisch geändert, Weib? Warum erzählst du jetzt auf einmal, du wärst seine Freundin und er würde dich lieben? Fuck, du weißt doch genauso gut wie ich, dass das nicht wahr ist!" „Doch, es ist wahr!" heulte ich verzweifelt auf. „Schwachsinn, Flint!" zischte Sean bösartig. Energisch richtete er sich auf seinem Stuhl auf, zog die Beine heran und hampelte nervös mit den Händen herum, als würde er liebend gerne auf irgendwas einschlagen. „Shit, hör endlich auf so einen verfluchten Müll zu erzählen, blöde Kuh! Clay hat dir gar nichts verziehen! Und er würde dich niemals als seine Freundin haben wollen, nach all dem Scheiß, den du mit ihm gemacht hast!" schrie der Mann mich unerbittlich an.
Langsam machte Valmont mich richtig wütend. Zu gerne hätte ich den unverschämten Kerl auch mal angebrüllt. Aber ich hielt mich davon ab, weil ich ihn auf keinen Fall noch zorniger machen wollte. Unverändert fand ich diesen höchst attraktiven und mega selbstbewussten Menschen extrem einschüchternd.
„Hör mir bitte zu, Sean. Meine zweite Rache an Clay auf dieser Straße ist leider irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Meine Freunde haben sich da blöderweise in etwas hineingesteigert. Das konnte ich nicht vorhersehen und habe es auch niemals geplant. Ich wollte nicht, dass sie so weit gehen. Sie sollten Clay nie mit Messern verletzen oder würgen", bemühte ich mich klarzustellen. „Ach, echt?" höhnte Sean mit blitzenden Augen, „Das lässt sich ja jetzt kinderleicht behaupten, Kimmi!" Er glaubte mir kein Wort, aber ich zwang mich darüber hinwegzusehen. „Nein, das stimmt ehrlich! Ich wollte das alles nicht! Am Morgen danach hatte ich ein total schlechtes Gewissen, Sean! Das hat mich echt gequält und mir keine Ruhe mehr gelassen. Ich habe mir die schlimmsten Vorwürfe gemacht. Ständig musste ich an Clay denken und habe mir Sorgen um ihn gemacht, weil ich ja nicht wusste, ob er..." Valmonts lauthals spöttisches Gelächter brachte mich kurz aus dem Konzept. Einen Augenblick später ignorierte ich es verbissen. „Ich musste mich unbedingt persönlich davon überzeugen, ob es Clay gut geht. Und natürlich wollte ich ihm auch seine Sachen zurückgeben, denn ich hatte niemals vor ihm etwas zu stehlen..." „Shit, Kimmi! Du checkst es einfach nicht, was? Du kannst es einfach nicht kapieren! Es geht Clay Banton nicht gut! Seit deiner beschissenen Rache geht es ihm total scheiße! Fuck, ihr hättet ihn um ein Haar totgeschlagen! Was denkst du eigentlich, wie es ihm nach so etwas gehen soll, hä?" knurrte Sean entgeistert.
Im nächsten Moment sah er mich verdutzt an. „Du wolltest ihm seine Sachen zurückgeben?" fragte er erstaunt. Eifrig nickte ich, froh über Sean Valmonts Interesse an diesem Teil meines Berichts. „Ja selbstverständlich! Ich bin doch kein Dieb!" bekräftigte ich schuldbewusst. „Du hast ihm sein geklautes Feuerzeug und sein Handy schon am Sonntag zurückgebracht?" erkundigte der Regisseur sich lauernd. Nochmal nickte ich. „Ja, klar. Ich bin direkt am Sonntagabend zu ihm gefahren und habe ihm alles zurückgegeben", versicherte ich dem blonden Mann, der mich jetzt fassungslos anstarrte. Das irritierte mich, aber ich beschloss, auch diese seltsame Reaktion lieber zu übergehen. „Bitte hör doch mal, Sean. Ich bin am Sonntag zu Clay gefahren, um mich persönlich bei ihm zu entschuldigen. Ich wollte ihm direkt in die Augen sehen und ihn mit ganzer Seele um Verzeihung bitten, verstehst du das?" erklärte ich traurig. Valmont kniff ungläubig die Augen zusammen. Er schüttelte nachdenklich den Kopf, sagte jedoch nichts. Also erzählte ich schnell weiter.
„Das war ganz merkwürdig, Sean. Am Sonntag in Clays Wohnung ist etwas passiert, mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte. Ich habe seinen verständlichen Zorn erwartet. Oder dass er mich wütend ignorieren würde. Du, ich war ehrlich bereit, mich dem zu stellen. Clay hat in meinen Augen alles Recht der Welt dazu mich zu hassen. Aber Mensch, Sean, Clay Banton war gar nicht wütend auf mich! Er hat mir sofort verziehen, ehrlich! Wir haben uns ausgesprochen und uns total super verstanden! Clay hat isländisch für mich geredet. Er hat mir von seinem isländischen Wikinger-Vater erzählt. Und später haben wir sogar miteinander..." Beschämt brach ich ab und wurde gefühlt mal wieder dunkelrot. Das Bild von einem masturbierenden Clay spukte unwillkürlich in meinem Kopf. Wie der süße Kerl auf seinem Sofa gesessen und sich selbst angefasst hatte, während ich für ihn nur einen stümperhaften Striptease hingelegt hatte. An diesem erstaunlichen Abend hatte sich Herr Banton total überraschend als unersättlich entpuppt. Mehrmals hatte er mich dermaßen ungestüm von hinten genommen, dass er jedes Mal schon nach wenigen Minuten heftig in sein Kondom gekommen war. Noch in der Erinnerung daran musste ich gerührt lächeln. Aber in diesem Moment war es mir plötzlich extrem peinlich, dem fremden, erwachsenen Mann neben mir auch noch Details über meine mega geilen Sexabenteuer mit dem halben Wikinger zu verraten. Ich war mir nicht sicher, ob ich diese delikaten und sehr privaten Wörter überhaupt über die Lippen bringen konnte. Hilflos verlegen sah ich ihn vorsichtig an.
Aber zu meiner Verwirrung war Sean von etwas ganz anderem aufgeschreckt worden. „Wie bitte? What the hell, Weib? Clay hat isländisch für dich gesprochen? Er soll dir etwas über seinen Vater verraten haben? Fuck, was soll das, verflucht? Was zur Hölle ziehst du hier ab, Hexe? Was ist das für ein scheiß Spiel von dir? Willst du mich etwa total verarschen, Kim Flint?" Entgeistert starrte der Mann mich an, als hätte ich in seinen Augen völlig den Verstand verloren. Diese übertrieben feindselige Reaktion konnte ich mir beim besten Willen nicht erklären. Mit den erneuten Provokationen und seinen pausenlosen Beleidigungen machte der unfreundliche Typ mich langsam aber sicher richtig sauer. Offensichtlich wollte er mir meine gut gemeinte Erklärung nicht glauben, obwohl doch jeder Satz die reine Wahrheit war. Ich schluckte unbehaglich und wich seinem irre tödlichen Blick aus.
„Jedenfalls haben Clay und ich uns Sonntagnacht als sehr gute und intime Freunde getrennt", erzählte ich hastig weiter, erleichtert darüber, dass ich nicht hatte ins Detail gehen müssen. „Am nächsten Tag in der Uni habe ich dann von diesem schrecklichen Blog gehört. Der ganze Campus sprach von nichts anderem mehr. Das war gestern, am Montag. Kennst du den fürchterlichen Bericht auch, Sean? Diesen unverschämten Internet-Blog, in dem Clay von dieser ätzenden Jill Bennet nackt präsentiert und total gedemütigt wird?" Krampfhaft lächelte ich den wütenden Kerl an, der mich noch immer fassungslos musterte. Seine hellblauen Augen spießten mich förmlich auf. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich war darum bemüht, die angespannte Situation zu besänftigen und die gemeinen Unfreundlichkeiten meines aufgebrachten Gesprächspartners zu überhören. Leider wollte Herr Valmont das aber gar nicht. Der Mann war auf Hundertachtzig. „Jetzt lenke nicht ab, verflucht!" donnerte er los, sodass ich erschrocken zusammenzuckte. „Was ist mit dir los, Frau? Was zum Teufel stimmt nicht mit dir? Was ist dein Problem, hä? Warum erzählst du mir solche scheiß Lügen? Denkst du allen Ernstes, ich würde dir das abkaufen?" zischte der Blonde mit vor Aufregung schriller Stimme.
Beschwichtigend hob ich meine Hände, weil mir vor Angst nichts Besseres einfiel. Mein Puls raste nahezu, ich hatte Mühe ruhig zu bleiben. „Ich habe dich gewarnt, Kim!" meinte Sean drohend und wiederholte es gleich nochmal: „Ich habe dich gewarnt mich anzulügen!" „Aber ich lüge dich doch nicht an, Sean!" beteuerte ich eingeschüchtert. Seinem vernichtenden Blick hielt ich nur mühevoll stand. „Ich kapier dich nicht, Kim Flint!" beschwerte der Schauspieler sich lauthals. Forschend studierte er mein Gesicht, als könnte er dort Antworten finden. Seine Hände fuhren ziellos durch die Luft, die langen Finger streckten und krümmten sich hektisch. Noch immer wollte er scheinbar gerne auf etwas einschlagen, hielt sich jedoch zum Glück davon ab. „Bitte, Sean... ich lüge ehrlich nicht... ich sage dir die Wahrheit... bitte glaube mir doch...", seufzte ich mutlos. Ungeduldig rang er nach Luft. „Hör um Himmels Willen auf damit, Kim! Clay Banton spricht kein scheiß isländisch! Niemals! Zu Niemandem! Clay Banton erzählt nichts über seine Familie! Nie! Über seine Vergangenheit redet er einfach nicht. Und schon gar nicht mit jemandem, den er gar nicht kennt und der ihn obendrein brutal verprügelt und angegriffen hat. So einen Mist kannst du mir nicht erzählen, Flint, dafür kenne ich Clay viel zu verdammt gut! Warum denkst du dir so einen Blödsinn aus? Was hast du denn davon, Herrgott? Was bringt dir das, verflucht?" wollte der Blonde entgeistert wissen. Der ausgewachsene Kerl war restlos von der Rolle.
Verwirrt erwiderte ich seinen fragenden, verständnislosen Blick. Mit der Zeit entdeckte ich in Sean Valmonts hellblauen Augen etwas, das mich abermals unvorbereitet traf. Hinter all seiner stürmischen Wut und dem Unglauben war da tatsächlich ein Hauch von... Kränkung? Zweifel? Traurigkeit? Himmel, er weiß nicht genau, ob er mir glauben soll, registrierte ich verblüfft. In Wahrheit habe ich einen leichten Zweifel in ihm gesät. Erstaunt verstand ich, dass Clays Vertraulichkeiten mir gegenüber seinen Freund Sean Valmont enorm schwer verletzten. Vermutlich hatte Clay für Sean noch nie isländisch gesprochen oder ihm von seinem Vater erzählt. Dieser Fakt wunderte mich nicht, denn schließlich waren die beiden Männer ja auch nur Arbeitskollegen. Was mich jedoch extrem verblüffte war das Begreifen, wie überraschend hart Valmont an meinen Worten zu knabbern hatte. Er empfindet etwas für Clay, das weit über Freundschaft hinausgeht, glaubte ich zu verstehen. Sean Valmont ist wahrhaftig in Clay Banton verliebt! Es verletzt ihn, wie zutraulich Clay zu mir war! Diese unerwartete Vermutung brachte mich für eine Weile völlig aus dem Konzept.
Nochmal war es ganz leise, während ich über meine neuen Erkenntnisse nachgrübelte und der attraktive Erbe der Valmont-Baumaschinen und ich uns gegenseitig lauernd studierten. Der hübsche Kerl wurde zunehmend nervöser. Sein wohlgeformter Leib bewegte sich ruhelos auf seinem Stuhl. Ich dagegen wurde mit der Zeit immer ruhiger, denn mir dämmerte, dass der Mann neben mir in Wahrheit tatsächlich sehr sensibel war. Und dass ihm das Thema Clay Banton viel stärker an die Nieren ging, als er mir zeigen wollte. Von diesen Einsichten stark gerührt, lächelte ich den Typen vorsichtig an. Sean registrierte mein Lächeln mit einiger Irritation.
„Du bist doch total krank, Kim Flint!" unterbrach er verächtlich die Stille und wich angewidert stöhnend meinem Blick aus, „Du hast sie doch nicht mehr alle! Dich sollten sie hier in der Psychiatrie einsperren!" Erleichtert spürte ich, dass er mich jetzt, wo ich ahnte was er für Clay empfand, nur noch halb so stark einschüchterte. Der zornige Mann tat mir sogar ein bisschen leid, weil er schwul war und bei Clay sowieso keine Chancen hatte. Beim Ringen um Bantons Liebe konnte Sean gegen mich nur verlieren. Mit neu erwachtem Selbstbewusstsein beschloss ich, abermals über seine unfreundlichen Kommentare hinwegzusehen und einfach weiter zu erzählen.
„Ich habe mir Sorgen gemacht, wie es Clay mit diesem gemeinen Blog geht", fing ich betont locker an, als der heimlich verliebte Kerl mich auch schon unterbrach. „Es geht ihm beschissen, Kim! Seit du ihn vermöbelt hast geht es ihm absolut beschissen! Kapier das doch endlich mal!" fuhr er mich unvermindert zornig an. Mein Lächeln veränderte sich nicht. „Mann, Sean, die ganze Uni hat nur noch über Banton und seinen nackten Körper gesprochen. Ich musste einfach nachsehen, wie es ihm damit geht. Außerdem hatte er einige SMS und Anrufe von mir nicht beantwortet. Also bin ich nochmal hinaus zu seinem Haus gefahren. Aber Clay war leider nicht dort. Ich musste eine ziemlich lange Zeit draußen in der Kälte auf ihn warten", berichtete ich entgegenkommend.
Sean musterte mich irritiert und atmete tief durch, als wollte er sich endlich beruhigen. Scheinbar verstand er, dass ich jetzt bald zur rätselhaften Ursache von Clay Bantons dramatischer Zwangseinweisung in die Psychiatrie kommen würde. Dieser Punkt interessierte Valmont zweifellos brennend. Daher wurde er merkbar ruhiger und konzentrierte sich auf meine Worte. Lächelnd schaute ich in das perfekt geschnittene Männergesicht mit den umwerfenden Augen. Mein Herz schlug wieder schneller, weil ich blitzschnell entscheiden musste, was ich dem Typen gefahrlos erzählen konnte und was nicht. Falls der schwule Sean Valmont tatsächlich in Clay Banton verliebt war, dann wollte er mit Sicherheit nichts über den innigen Sex unter der Dusche hören, den Clay und ich lange Zeit sehr genossen hatten. Aber egal, beschloss ich kurzerhand grimmig, der aggressive Alleinerbe wollte ja unbedingt die Wahrheit hören. Also bekam er sie auch von mir. Schonungslos.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass der eindeutig zunehmende Schmerz, der in Sean Valmonts hellblauen Augen auftauchte, mir definitiv eine gehässige Art von Befriedigung verschaffte. Der große Mann war richtig fies zu mir gewesen. Er hatte mich übel beschimpft und wiederholt bedroht. Jetzt konnte ich es ihm heimzahlen. Dabei verwirrte es mich nur am Rande, dass der misstrauische Kerl meine Beschreibungen diesmal nicht mehr anzuzweifeln schien.
„Schließlich kam Clay gestern Abend doch noch nach Hause und hat mich sofort mit in seine Wohnung genommen. Wir haben wieder zusammen Heroin geraucht. Danach haben wir sehr lange gemeinsam geduscht. Das war wundervoll. Ich habe Clays verletzten Körper zärtlich gewaschen. Und wir hatten echt berauschenden Sex unter der Dusche", erzählte ich frei heraus und genoss die brennende Eifersucht, die unverzüglich in den glühenden Augen meines Gegenüber aufblitzte. „Kennst du Clays super tolle Luxusdusche, Sean?" erkundigte ich mich betont harmlos. Der schöne Mann ließ mich nicht eine Sekunde aus den Augen. Sein Blick loderte wie Feuer. „Ja, die kenne ich", knurrte er mühsam beherrscht. „So eine ungewöhnlich angenehme Dusche hatte ich vorher noch nie erlebt. Das ist absolut fantastisch da drunter", schwärmte ich, „Das herrlich weiche und warme Wasser kommt wahrhaftig von allen Seiten auf einen..." „Was ist dann passiert?" unterbrach Valmont mich scharf, „Warum musstest du Clay unbedingt gegen seinen Willen ins Krankenhaus bringen? War der Sex mit ihm vielleicht doch nicht so berauschend, hä?" Bevor ich darauf antworten konnte, sprach er schon weiter: „Ich verstehe dich nicht, Weib! Du hast Banton vorgeworfen, dass er dich brutal vergewaltigen wollte. Aber nur einen Tag später lässt du dich freiwillig von ihm vögeln? Findest du das normal, oder was?!" Ich lächelte nur versonnen und überging auch diese Provokation, obwohl sie mir insgeheim wehtat.
„Hör mal zu, Sean Valmont. Ich erzähle dir jetzt einfach wie es war, so wie ich es erlebt habe. Ich sag dir ehrlich die Wahrheit, okay?" erwähnte ich sanft, „Ich hatte mich ausführlich mit Clay versöhnt. Wir hatten uns gründlich ausgesprochen und alles war super zärtlich zwischen uns. Wir haben uns total geliebt. Gestern Abend schien mit Clay noch alles wunderbar in Ordnung zu sein, aber..." „Was ist dann passiert? Mann, Flint, jetzt erzähl endlich, verfluchte Scheiße! Warum ist Clay plötzlich total durchgedreht? Was hast du mit ihm gemacht? Habt ihr LSD geschluckt? Habt ihr zu viel gesoffen? Warum ist er jetzt hier? Fuck, mehr will ich doch gar nicht wissen!" unterbrach der unglücklich Verliebte mich fauchend. Mit einer ruppigen Handbewegung forderte er mich drängend zum Weitersprechen auf. Beeindruckt sah ich mir seine sorgfältig manikürten Fingernägel an. Dieser im höchsten Maße ansehnliche Mensch war auch noch einnehmend gut gepflegt. Auf irgendeine Art fühlte ich mich wahrhaftig zu ihm hingezogen.
Aber Sean Valmonts unbestrittene Attraktivität war jetzt nebensächlich. Mein Puls beschleunigte sich erneut. Denn das, was ich ihm jetzt erzählen musste, war mehr als schwierig und unangenehm. Genaugenommen war es sogar das Schlimmste, was ich jemals erlebt hatte. Meine Eingeweide verkrampften sich unbehaglich. Noch in der Erinnerung stellten sich mir vor Entsetzen sämtliche Härchen auf. Sean durchbohrte mich abermals mit seiner außergewöhnlich fesselnden Augenfarbe. Nervös wich ich seinem Blick aus und atmete ein paarmal tief durch.
„Also...das war so... ich... Clay und ich hatten total zärtlichen Sex in seiner Dusche... ich... habe ihm ausführlich einen geblasen...", berichtete ich stockend und wurde selbstverständlich vor Scham knallrot dabei. Sean stieß ein Schnaufen aus, das irgendwo zwischen Spott, Eifersucht und Wut lag, verkniff sich aber eine weitere hämische Bemerkung. Stattdessen machte er noch eine ungeduldig auffordernde Handbewegung. „Das war wundervoll unter dieser Luxus-Dusche, Sean! Clay und ich waren eng zusammen. Alles war okay, wir haben uns fantastisch verstanden. Ich hätte nie gedacht, dass mit Clay etwas nicht stimmen würde. Aber dann... während meines Blowjobs ist irgendwas mit ihm passiert..." Konzentriert versuchte ich, mich genau an diesen verhängnisvollen Zeitpunkt zu erinnern, der alles auf so unvorhersehbare und schreckliche Art geändert hatte. Verwirrt musste ich mir eingestehen, dass ich Clay Bantons innerliche, drastische Veränderung wohl erst mit ziemlicher Verspätung richtig bemerkt hatte. Sein hübscher Schwanz hatte mich zu sehr abgelenkt. Es war für mich schlicht viel zu aufregend gewesen, dem tollen Kerl einen zu blasen, den charmanten, liebevollen Wikinger in meiner Hand und in meinem Mund zu wissen und seine unmittelbaren, extrem geilen Reaktionen auf meine Zärtlichkeiten mitzuerleben. Außerdem hatte ich mir schlicht niemals vorstellen können, dass so etwas überhaupt möglich war. Ich wusste noch immer nicht, was das eigentlich konkret war, das Clay hatte durchleiden müssen.
Gedankenversunken erinnerte ich mich an die höchst intime Szene in dem marmornen Badezimmer, mitten in den herrlichen Wasserstrahlen der wunderschönen, warmen und überraschend wohltuenden Dusche. Wie erstaunlich nah der halbe Isländer und ich uns in der Kabine gekommen waren. Wie hilflos wütend Clay geworden war, als ich beim Waschen die teils seltsamen Verletzungen an seinem attraktiven, nackten Körper bemerkt hatte. Wie euphorisch er sich nach anfänglichem Zögern auf meinen Blowjob eingelassen hatte. Alles schien gut zu sein. Aber kurz vor seinem Orgasmus hatte er mich dann plötzlich ohne Grund zornig angeschrien, dass ich seinen Samen gefälligst herunterschlucken sollte. Er hatte mir fast die Haare ausgerissen. Was um alles in der Welt war nur mit diesem besonderen Menschen passiert? Und wie ging es ihm jetzt? Wann würde ich ihn endlich wiedersehen? Wie lange dauerte das denn eigentlich noch, bis Doktor Tourani zurückkam und ich zu Clay durfte?
Schlagartig extrem ungeduldig, warf ich einen Blick zur verschlossenen Tür. Mit einem Mal hatte ich das bedrohliche Gefühl, es nicht mehr viel länger in diesem engen Wartezimmer aushalten zu können. Sean Valmont, der einzige andere Besucher in dem kleinen, fensterlosen Raum, beobachtete mich misstrauisch. „Was genau ist während deines beschissenen Blowjobs mit Clay passiert? Sprich weiter, Frau, um Himmels Willen!" fauchte er nach kurzer Zeit entnervt. Natürlich passte es ihm nicht, dass ich mittendrin verstummt war. Abgelenkt schaute ich den wütenden Kerl an. Plötzlich hatte ich gar keine Lust mehr, mit ihm über diese unerfreuliche Episode zu reden. Die hässlichen Bilder in meinem Kopf quälten mich. Ich dachte wahrlich nicht gerne an das zurück, was in der letzten Nacht Schlimmes mit meinem Mann geschehen war. Und ich wollte auch nicht länger davon erzählen. Verstört presste ich die Lippen aufeinander.
Sean musterte mich eine Weile fassungslos. „Hör mal zu, Kimmi! Du kannst mir ruhig verraten, wenn Clay gestern Abend LSD geschluckt hat. Du hast doch schon zugegeben, dass du shore von ihm gekauft und mit ihm geraucht hast. Jetzt scheu dich gefälligst auch nicht, mir von den miesen LSD-Trips und den unglaublichen Mengen an Alk zu berichten, die ihr beiden gestern in inniger Eintracht in seiner Wohnung konsumiert habt", höhnte Sean verächtlich in meine sorgenvollen Gedanken hinein. Es ärgerte mich, wie hochnäsig der arrogante Typ mich wiederholt Kimmi nannte. Andererseits war diese Bezeichnung neben seinen gemeinen Bezeichnungen für mich zweifelsfrei die harmloseste.
Hastig riss ich mich zusammen und schüttelte den Kopf. „Nein, Valmont. Wir haben kein LSD genommen. Ich nehme kein LSD. Und Clay auch nicht. Das ist nicht der Grund, warum er..." „Ach komm schon, hör doch auf! Er hat einen schlechten Trip erwischt und ist total ausgeflippt!" beharrte Sean und quittierte mein heftiges Kopfschütteln mit einem enorm zornigen Stöhnen. „Du weißt ja gar nicht, was er vorher schon alles geschluckt hatte!" knurrte der Mann so energisch, als wollte er sich dringend an dieser Begründung festhalten, „LSD wirkt erst nach Stunden, Flint! Clay kann es also schon viel früher genommen haben, ohne dass du dabei warst. Man kann nie abschätzen, wann dieses scheiß Zeug anfängt zu wirken..." „Nein, das glaube ich nicht!" rief ich ärgerlich dazwischen, „Clay nimmt so etwas doch gar nicht. Das hätte er mir unter Garantie erzählt, wenn er..." Sean Valmonts hysterisches, definitiv höchst verzweifeltes Gelächter brachte mich irritiert zum Schweigen. Dieser gut aussehende Kerl strapazierte meine ohnehin inzwischen angegriffene Geduld auf eine Weise, die mich immer stärker auf die Palme brachte. „Du weißt gar nichts über Clay Banton, Kleine!" höhnte er lautstark, „Du hast ja so was von keine Ahnung!" Sein vernichtender Blick stempelte mich als unwissendes und strohdummes kleines Mädchen ab.
Sean
Das verdammte Weib killte mich, weil sie mir jede Menge Scheiß erzählte, aber nichts von dem, was ich dringend erfahren wollte. Es interessierte mich nicht, was sie angeblich alles Intimes mit Clay erlebt hatte, ob er ihr verziehen hatte oder ob er sie abgöttisch liebte. Das alles war sowieso gelogen, nichts als schwärmerische Mädchenfantasien. Ich wollte nur wissen, was genau in der letzten Nacht mit Clay Banton passiert war. Ich wollte verstehen, was diese Furie dazu veranlasst hatte, meinen wehrlosen Mann in diese fürchterliche geschlossene Psychiatrie einsperren zu lassen. Aber von Frau Flint kam gar nichts, keine nützlichen Informationen, nur irgendwelcher Mist, den sie sich in ihrem Kindergartengehirn ausdachte. Und ich musste mich ehrlich zurückhalten, um nicht wutentbrannt auf die unfassbar verlogene Kleine einzuprügeln.
Als ich endgültig das quälende Gefühl bekam, es nicht eine Minute länger mit der blöden, lügenden Fotze in diesem trostlosen, verschlossenen Raum ertragen zu können, wurde plötzlich von Außen aufgeschlossen. Sofort sprang ich erleichtert von meinem Sitz und heftete meinen Blick hoffnungsvoll auf die Tür. Unmöglich konnte ich noch länger auf diesem scheiß harten Kunststoffstuhl sitzen bleiben. Mein Hintern tat mir schon total weh. Die rothaarige Frau tötete meine letzten, ohnehin längst übermäßig strapazierten Nerven.
Zum Glück war es der fesche Doktor Tourani, der nun mit gewohnt energischem Schritt das kleine Wartezimmer betrat. „Was hat Clay gesagt? Kann ich jetzt endlich zu ihm?" bedrängte ich den Arzt in zivil ungeduldig. Mein Herz schlug schnell. Meine Finger zitterten im scheinbar nie endenden Adrenalinrausch. Ich war enorm nervös und von dem Weib mächtig aufgeregt worden. Die dumme Kuh hatte mir wahrhaftig hämisch auf den Schwanz gestarrt, anstatt mir einfach die Wahrheit zu sagen. Nicht nur deshalb zweifelte ich ernsthaft an ihrem Verstand. Kim Flint war zwar noch sehr jung, aber zweifellos vollkommen verrückt. Mittlerweile war ich mir da so gut wie sicher.
„Ja, das geht in Ordnung. Wir können gleich gemeinsam zu Clay gehen. Aber vorher möchte ich noch kurz mit Ihnen allein sprechen, Herr Valmont", eröffnete der Doktor mir zu meiner grenzenlosen Freude, die mir prompt ein erleichtertes Lächeln ins Gesicht zauberte. Im nächsten Moment wandte er sich an Flint. „Auch gegen Ihren Besuch hat Clay offenbar nichts einzuwenden, Kim. Aber bitte warten Sie noch einen Moment hier. Wir kommen gleich zurück und holen Sie ab. Dann werde ich Sie beide zu dem Patienten bringen." Die Lügnerin sah nicht glücklich aus. „Was? Warum denn? Was bedeutet das, Doktor Tourani? Warum wollen Sie denn allein mit Sean sprechen?" muckte sie natürlich auf. Der Orientalische hob beschwichtigend seine schönen Hände. „Sie müssen einsehen, dass ich Clay nicht in Ihre Obhut entlassen kann, Kim. Der junge Mann ist sehr krank. Und Sie sind definitiv viel zu unerfahren für eine derart unvorhersehbare Verantwortung. Darum werde ich Herrn Valmont diese schwierige Aufgabe erteilen. Aber natürlich nur, wenn er damit einverstanden ist." Ein seltsam flehend fragender Blick zu mir aus aufregend dunkelbraunen Augen. Mein Herz raste los und ich nickte viel zu heftig. Ich konnte es kaum glauben, dass ich meinen geliebten Mann tatsächlich gleich mitnehmen durfte. Noch vorhin hatte doch rein gar nichts darauf hingedeutet. Im Gegenteil, es war ja noch nicht einmal sicher gewesen, ob Tourani uns überhaupt zu seinem Patienten vorlassen würde, über den er offenbar außergewöhnlich engagiert wachte. Und jetzt kündigte der heiße Doktor plötzlich an, dass ich Clay mit nach Hause nehmen durfte. Diese unerwartete Neuigkeit kam so überraschend, dass ich im ersten Moment glaubte, meinem Glück nicht trauen zu dürfen.
„Das ist unfair!" beschwerte Kimmi sich beleidigt, „Ich habe ihn hierher gebracht! Ich allein habe dafür gesorgt, dass Clay noch rechtzeitig geholfen werden konnte!" Siamak nickte bedächtig und meinte: „Ja, das ist wahr, das haben Sie getan, Frau Flint. Und das war auch gut so. Aber Sie sind kaum dem Teenageralter entwachsen. Sie können unmöglich eine so große Belastung tragen. Außerdem haben Sie Clay erst vor wenigen Tagen beträchtlichen Schaden zugefügt. Schon allein deshalb werde ich meinen Patienten auf gar keinen Fall in Ihre Obhut übergeben." „Kim erzählt mir noch nicht mal, was letzte Nacht mit Clay passiert ist", berichtete ich Tourani angefressen, „Die quatscht mich nur dauernd mit ihren dreisten Lügen voll!" Mein Blick tötete Frau Flint, die daraufhin entsetzt nach Luft schnappte und ebenfalls energisch aufstand. „Was? Ich habe dich nie angelogen, Valmont! Wie oft soll ich dir das denn noch sagen? Jedes Wort von mir ist die reine Wahrheit! Ich war doch noch gar nicht fertig mit meinem Bericht! Ich wollte dir doch gerade erst erzählen, was Clay..." „Sie war mit Banton zusammen unter seiner sündhaft teuren, marmornen Luxus-Dusche", eröffnete ich Siamak in der vollen Absicht, das dumme Weib zum Schweigen zu bringen und sie ordentlich zu blamieren, „Kim hat Clay unter den vielen warmen Wasserstrahlen ganz genüsslich einen geblasen. Zuerst war er hellauf begeistert von ihrem magischen Lippendienst. Aber dann ist angeblich irgendwas mit ihm passiert." Spöttisch warf ich der kleinen, viel zu dünnen Frau einen Blick zu und stellte amüsiert fest, dass sie mich mit ihren grünen Augen erschrocken und wütend mindestens vierteilte. Außerdem war das verklemmte Mädel schon wieder dunkelrot im Gesicht, weil ihr wohl Sex im Allgemeinen schrecklich peinlich war. „Mehr erzählt sie mir nicht. Immer nur diesen Scheiß. Die spinnt doch total. Das denkt die sich doch nur aus", ignorierte ich Kimmis lächerlich kindische Wut. „Zügeln Sie sich bitte, Herr Valmont", seufzte Siamak sichtbar unzufrieden. „Ich war doch noch gar nicht fertig", jammerte Kim eingeschnappt. „Ach? Willst du jetzt vielleicht doch endlich mal die Wahrheit sagen?" provozierte ich das rothaarige Mädchen und freute mich diebisch, weil ich genau spürte, dass ich sie mit meiner beeindruckenden Präsenz und Stärke enorm einschüchtern konnte. Außerdem konnte die Kleine ihre Faszination für meinen durchtrainierten Körper und meine blauen Augen kein bisschen verbergen.
Flint machte einen pseudo-selbstbewussten Schritt auf den Doktor und mich zu. „Valmont denkt beharrlich, dass Banton gestern LSD genommen hätte. Er geht davon aus, dass diese Droge der Grund für Clays Anfall war. Aber das stimmt nicht. Clay hat dieses Zeug nicht genommen. Nicht wahr, Herr Doktor? Das haben Sie doch sicher inzwischen auch festgestellt, oder?" setzte sie alle ihre Hoffnungen auf das tüchtige Labor des Christopherus-Krankenhauses. Dummerweise nickte Siamak und gab ihr recht. „Ja, das wurde natürlich gründlich überprüft. Wie Sie wissen, habe ich Clay gleich in der Nacht Blut abgenommen. Seine Blutprobe ist auf alle uns bekannten Drogen hin untersucht worden. Dabei konnte kein LSD oder ähnliches halluzinogenes Rauschgift festgestellt werden", bestätigte der Arzt zu meiner Irritation, was Kim prompt ein triumphierendes Schnaufen entlockte. „Siehst du, Valmont! Kein LSD!" musste sie natürlich siegesbewusst frohlocken. Ich knurrte nur verachtend. Mittlerweile hatte ich so gar keinen Bock mehr auf die doofe Olle oder darauf, noch mehr Zeit sinnlos zu verschwenden. Ich wollte mir nur noch so schnell wie möglich Clay schnappen und auf der Stelle mit ihm nach Hause fahren. Definitiv hatte ich mich lange genug an diesem deprimierenden Ort aufgehalten.
„Dann erzählen Sie mir doch bitte nochmal aus ihrer Sicht, was gestern Abend konkret mit Herrn Banton passiert ist, als Sie mit ihm in seiner Dusche... ähm... recht intim waren...", forderte Siamak Frau Flint stockend auf und betrachtete die Besucherin interessiert. Das Weib warf mir noch einen vernichtenden Blick zu. Ihre Augen blitzten vor Wut. Offensichtlich war es ihr extrem peinlich, dass ich diese fragwürdige Duschszene vor dem Doktor erwähnt hatte. Zweifelsfrei nahm das Kind mir das mächtig übel. Genau diese Reaktion hatte ich ja beabsichtigt, darum lächelte ich das Mädchen zufrieden an. Alle im Raum wussten, dass Flint aus dieser Situation nicht mehr herauskommen würde, ohne mit der Sprache rausrücken zu müssen. Für sie gab es kein Zurück, denn Siamak und ich taxierten sie stumm und erwarteten unerbittlich ihre Erklärung. Trotzdem druckste sie noch ein bisschen herum.
Kimmis spürbar gigantische Scham und flammend rote Gesichtsfarbe waren auf irgendeine Art süß, musste ich nach ein paar Minuten der Stille widerstrebend zugeben. Kim Flint war zwar restlos durchgeknallt und log so dreist, dass sich die Balken bogen. Aber trotzdem hatte das kleine Mädchen auch etwas an sich, was mich seltsam rührte und interessierte. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, was genau das sein sollte. Schon allein ihre freche Behauptung, Clay Bantons feste Freundin zu sein, machte mir einen auch nur halbwegs freundlichen Umgang mit dem bekloppten Weib völlig unmöglich.
„Wann haben sie denn gemerkt, dass mit Clay etwas nicht stimmte? War das auch in der Dusche?" versuchte Siamak ihr schließlich behutsam auf die Sprünge zu helfen, weil sie zu lange schwieg und spürbar große Schwierigkeiten mit dem Anfang ihrer neuen Lügenstory hatte. Jetzt nickte das Kind betrübt und flüsterte fast: „Ja, Herr Doktor, so war das. Es war schrecklich. In der Dusche fing es an. Ich habe Ihnen ja schon gestern gesagt, dass ich befürchte, dass Clay sexuell missbraucht worden ist. Meine... Zärtlichkeiten haben ihn mit der Zeit völlig aus der Bahn geworfen. Bis er mich irgendwann nicht mal mehr erkannt hat. Es war, als würde er etwas ganz anderes sehen. Oder jemand anderen. Seine wirren Augen haben mir verraten, dass Clay panische Angst hatte. Und vor lauter Panik wurde er dann aggressiv. Sie haben das ja hier im Krankenhaus auch erlebt, wie unglaublich wütend Clay auf seine Umgebung reagiert hat. Er hat sich so entsetzlich bedroht gefühlt. Ich glaube, dass er in der Dusche an etwas sehr Schlimmes erinnert wurde, das er schon mal erlebt..." „So ein Schwachsinn!" konnte ich mich nicht länger zurückhalten, die Furie zu unterbrechen, denn ich wusste es definitiv besser als sie. „Clay Banton wurde niemals missbraucht!" stellte ich ärgerlich klar. „Woher wissen Sie das denn so genau, Herr Valmont?" erkundigte Siamak sich erstaunt. Sein ansprechend orientalisches Gesicht studierte mich aufmerksam. Selbstbewusst grinste ich ihn an. „Mann, was denken Sie denn? Ich habe schon oft mit Clay darüber gesprochen. Wir können nämlich über alles reden. Und er wurde garantiert noch nie sexuell missbraucht."
Das war übertrieben, denn in Wahrheit war Clay leider nicht sehr gesprächig, wenn man ihn nach Erlebnissen aus seiner Vergangenheit fragte. Allerdings hatten wir gerade diesen einen Punkt schon einmal gemeinsam abgehakt. Ich erinnerte mich, dass Clay meinen vorsichtigen Verdacht damals total empört weit von sich gewiesen hatte. Der Doktor guckte allerdings derart zweifelnd, dass ich verärgert hinzufügte: „Das hat er vehement abgestritten, okay?!" Tourani nickte nachdenklich, wirkte zu meinem Verdruss aber keineswegs überzeugt. „Also haben Sie ebenfalls schon einmal Vermutungen in dieser Richtung aufgestellt, Herr Valmont? Oder wie kam es, dass Sie mit Clay ausgerechnet über dieses Thema gesprochen haben?" musste er auch noch nervtötend nachhaken. Tatsächlich hatte ich mir im Laufe meiner turbulenten Freundschaft mit Clay Banton schon entschieden zu viele besorgte Gedanken über seine womöglich dunkle Vergangenheit gemacht. Aber in diesem Moment hatte ich keine Lust, mit dem fremden Mann darüber zu sprechen. Schon gar nicht in Anwesenheit der ätzenden Frau.
„Mann, ich kenne Banton schon seit etlichen Jahren! Inzwischen haben wir über alles Mögliche geredet. Und irgendwie kamen wir eben auch mal darauf zu sprechen", erklärte ich abwehrend. Missgelaunt signalisierte ich Siamak, dass ich dieses Thema hier und jetzt auf keinen Fall vertiefen wollte. Zum Glück verstand der Gute mich und nickte zögerlich. Fragend wandte er sich wieder an die Frau, die daraufhin zu sprechen anfing. „Es wurde richtig schlimm, Herr Doktor. Clay hat innerhalb von Minuten jeden Bezug zur Realität verloren. Die ganze Zeit hat er geschrien, dass man ihn in Ruhe lassen sollte und dass man ihm nicht wehtun dürfte. Er flüchtete aus der Dusche und irrte ziellos in seiner Wohnung herum. Aber er konnte sich in den Räumen nicht orientieren, als würde er sie gar nicht kennen. Clay hat tatsächlich akribisch die Wände abgetastet, als würde er verzweifelt einen Ausgang suchen. Zwischendurch wurde es anscheinend etwas besser, denn er hat sich im Schlafzimmer etwas angezogen und sich aus der Küche eine Flasche Whiskey geholt, die er dann viel zu schnell und ganz alleine leer getrunken hat. Nichts konnte ihn davon abhalten. Clay war gar nicht mehr ansprechbar. Er hat nur pausenlos geschrien, gedroht und geflucht. Der arme Kerl war vollkommen von Sinnen und die meiste Zeit sehr aggressiv. Manchmal kauerte er aber auch still weinend in einer Ecke und hat Unverständliches vor sich hin gemurmelt. Ich habe ehrlich versucht ihn zu trösten. Irgendwie wollte ich zu ihm durchdringen. Aber das war gar nicht mehr möglich. Ich habe das nicht geschafft, Doktor Tourani. Clay hat mich nicht richtig wahrgenommen. Ich glaube, er hat etwas anderes gesehen. Er war ganz woanders. Als er dann zum Schluss auch noch damit anfing, zornentbrannt seine eigene Wohnungseinrichtung zu zertrümmern, da habe ich panisch einen Krankenwagen für ihn gerufen. Ich hatte Angst um ihn und wusste nicht, was ich sonst tun sollte!" berichtete die kleine Kim Flint spürbar verzweifelt. Offenkundig machte ihr allein die krasse Erinnerung noch immer große Angst und verursachte dem Mädchen seelische Schmerzen.
Auch mich berührten ihre beunruhigend ernsten und eindringlichen Worte sehr viel tiefer, als ich erwartet hatte. Auf so etwas war ich nicht vorbereitet. Unwillkürlich stellte ich mir Clay in dem von der Frau beschriebenen Szenario vor und glaubte gleichzeitig, diese verstörenden Bilder nicht ertragen zu können. Mein Bedürfnis, so schnell wie möglich zu Banton zu gelangen und ihn liebevoll in meine Arme zu schließen, wurde existenziell. Obwohl ich dem Mädel eigentlich auf ganzer Linie misstraute, so fiel es mir doch aus irgendeinem Grund auf einmal schwer ihr nicht zu glauben. Andererseits verachtete ich mich sofort selbst für meine Leichtgläubigkeit und dafür, dass ich mich von dem verrückten Weib so sehr schockieren ließ.
Der gut aussehende Mann in dem Flanellhemd sah sie milde lächelnd an. „Ja, ich weiß wovon Sie sprechen, Frau Flint. Ich habe Clay ja letzte Nacht in der Notaufnahme selbst in diesem Zustand erlebt. Danke, dass Sie sich für uns noch einmal an ihr schockierendes Erlebnis erinnert haben. Aber jetzt wollen wir Clay lieber nicht noch länger warten lassen. Er ist einverstanden Sie beide zu sehen. Aber, wie schon gesagt, zuallererst möchte ich noch kurz mit Herrn Valmont unter vier Augen sprechen. Das dauert höchstens fünf Minuten, Kim. Bitte warten Sie derweil hier", meinte der Doktor friedlich gestimmt. Im nächsten Moment legte der Typ mir wahrhaftig seine Hand auf den Rücken, um mich mit sanftem Druck aus dem Raum zu schieben. Ich mochte seine Berührung nicht besonders, ließ ihn aber vorsichtshalber gewähren und wehrte mich nicht. Unter keinen Umständen wollte ich riskieren, dass der Entscheidungsträger es sich womöglich plötzlich anders überlegte, mich nicht zu Clay ließ oder meinen sehnsüchtig vermissten Mann eventuell doch nicht in meine Obhut übergeben wollte.
Gemeinsam mit dem scharfen Orientalen konnte ich endlich das frustrierende Wartezimmer verlassen. Neben ihm trat ich hinaus auf den Flur der Psychiatrie und atmete erst mal befreit durch. Hier draußen war niemand zu sehen. Der Doktor schloss die Tür hinter uns und ging ein paar Schritte den Flur entlang. Dann blieb er stehen und schaute mich an. „Wann kriege ich denn endlich meine Tasche zurück?" fragte ich den Arzt ungehalten. Es gefiel mir ganz und gar nicht, dass fremde Leute in meinen Sachen herumwühlten, aus welchem Grund auch immer. Siamak lächelte vage amüsiert. „Ihre Tasche können wir gleich auf dem Weg zu Clay abholen, Sean", informierte er mich freundlich, „Aber das ist nicht der Grund, warum ich dringend mit Ihnen sprechen möchte..."
Der Typ machte eine kurze Pause und seufzte. Sein dunkler Blick wurde unzufrieden, irgendwie argwöhnisch. Als würde der Kerl mir nicht recht trauen, was mich total ärgerte. Schließlich seufzte er nochmal und fragte: „Sagen Sie mal, Sean, haben Sie sich das auch gut überlegt? Sind Sie sich überhaupt richtig im Klaren darüber, welch große Verantwortung das für Sie bedeutet, wenn Sie Herrn Banton gleich direkt von hier aus mitnehmen? Niemand kann vorhersehen, was in der nächsten Zeit mit Clay passieren wird. Keiner hier kann Ihnen mit Sicherheit sagen, auf welche Weise der junge Mann in den nächsten Stunden reagieren wird. Leider kann es jederzeit passieren, dass er nochmal in seine Wahnvorstellungen abrutscht. Ist Ihnen das richtig bewusst? Sind Sie ehrlich bereit dazu, diese riskante Aufgabe zu übernehmen, Herr Valmont? Auf keinen Fall dürfen Sie den Patienten in der nächsten Zeit allein lassen, verstehen Sie? Kann ich mich auf Sie verlassen, Sean, dass Sie Clay sorgfältig im Auge behalten und gut auf ihn aufpassen?"
Verdutzt schaute ich in das hübsche, orientalische Gesicht. Die riesige Angst um Clay Banton, die in den Worten des Doktors mitschwang und deutlich in seinen flehenden Augen zu lesen war, erstaunte mich zutiefst. Ich glaubte herauszuhören, dass dieser fremde Mann sich ehrlich sehr große Sorgen um seinen Patienten machte und ihn auf jeden Fall sicher betreut wissen wollte. Siamaks erstaunlich starke Emotionen, die er offenbar für Banton übrig hatte, rührten mich, weil sie zweifellos weit über das hinausgingen, was ein Arzt normalerweise für seinen Patienten fühlen sollte.
Aber sein unüberhörbares, offenes Misstrauen mir gegenüber machte mich echt sauer. Darum blies ich spöttisch Luft aus und fixierte ihn vorwurfsvoll. „Hey, da zweifeln Sie echt an dem Falschen, Herr Doktor! Sie haben ja keine Ahnung, was ich mit dem Kerl schon alles erlebt habe! Ich kenne Clay Banton schließlich schon seit etlichen Jahren. Ihr Patient ist hochgradig heroinabhängig, Mann! Das haben Sie doch mittlerweile bestimmt auch schon festgestellt, oder?" „Ja, leider...", gab Tourani sofort traurig zu. „Na also!" trumpfte ich auf, „Dann können Sie sich mit Sicherheit sehr gut vorstellen, was ich diesbezüglich schon alles mit ihm mitmachen musste. Wenn Clay so richtig schlimm auf Entzug ist, und das ist er mit schöner Regelmäßigkeit, dann ist er auch nicht mehr sehr weit von Wahnvorstellungen entfernt, das können Sie mir ruhig glauben, Siamak." Der Doktor nickte beunruhigend deprimiert, darum setzte ich hinzu: „Aber ich kenne mich inzwischen hervorragend damit aus, Siamak. Ich weiß ganz genau, wie ich mit Clay umgehen muss. Sie können davon ausgehen, dass ich ihn nicht eine Sekunde aus den Augen lassen werde, wenn ich ihn gleich mitnehme."
Mein Herz machte einen freudigen Hüpfer, als mir blitzartig richtig bewusst wurde, dass ich meinen innigst geliebten Mann tatsächlich gleich wiedersehen und sogar problemlos mit nach Hause nehmen durfte.Über Clays rätselhafte Verfassung oder seine momentan völlig ungeklärte Meinung von mir machte ich mir in diesem Augenblick seltsamerweise gar keine Gedanken mehr. Ich wollte nur noch zu ihm und ihn fest in meine Arme schließen. Fuck, ich vermisste ihn doch schon viel zu lange! Ich hatte ihn doch viel zu lange nicht gesehen! Dringend musste ich ihm jetzt ganz nah sein und nichts hätte mich noch davon abhalten können, auf der Stelle zu ihm zu eilen.
Zum Glück gab Tourani sich mit meiner Erklärung zufrieden. Scheinbar glaubte er mir, auch wenn es ihm anscheinend schwerfiel mir zu vertrauen. Ich konnte mir nicht erklären, warum der Kerl mich als so wenig vertrauenswürdig einstufte, wollte aber nicht länger darüber nachdenken. Der attraktive Flanellhemdträger nickte seufzend und beschloss: „Also gut, Sean Valmont, dann machen wir das so. Sie müssen bitte höchst behutsam mit Clay Banton umgehen, okay? Der junge Mann ist ziemlich verwirrt, sensibel und extrem labil. Was er am meisten braucht ist sehr viel Geduld und Verständnis. Versprechen Sie mir das?" Dunkelbraune Augen flehten mich engagiert an, was mich zum Schmunzeln brachte. Dieser seltsame Doktor riss sich für den Isländer wahrhaftig sämtliche Beine aus, was durchaus ungewöhnlich war. „Selbstverständlich, Herr Doktor", versicherte ich ihm amüsiert. Tourani blieb ernst. „Clay hat in seinem Leben leider schon unvorstellbar Schlimmes durchgemacht. Und ich fürchte die Stunden, die er hier in der Psychiatrie erlebt hat, gehören für ihn auch nicht gerade zu den angenehmsten. Bitte geben Sie gut auf ihn Acht und halten Sie ihn nach Möglichkeit von jeglicher Gewalt und harten Drogen fern, Sean. Und wenn irgendwas passiert, wenn er sich merkwürdig verhält, dann bringen Sie Clay sofort hierher zurück, ja? Nur hier in der geschlossenen Psychiatrie kann er restlos sicher betreut werden und seine Heroinsucht überwinden. Kann ich mich auf Sie verlassen, Herr Valmont?" „Selbstverständlich", wiederholte ich lächelnd und dachte entnervt, dass es nun aber langsam mal genug war. Erfreulicherweise fand der Notfallarzt das wohl auch, denn er ging zurück zur Tür des Wartezimmers, öffnete sie und streckte seinen Kopf hinein. „Frau Flint? Kommen Sie dann bitte mit?" winkte er die Frau heraus, auf die ich liebend gerne komplett verzichtet hätte. Aber ich beschloss zwangsläufig, ihre Anwesenheit hinzunehmen, weil ich ja ohnehin nichts dagegen unternehmen konnte.
Zu Dritt wanderten wir schließlich über ein paar sterile, lange Flure, vorbei an Pflegepersonal und einigen seltsamen Patienten, wobei der Doktor vermutlich einen kleinen Umweg machte, um mir meine Tasche zurückzuholen. In einem der unzähligen Zimmer konnte ich meine Sporttasche von einer lächelnden Krankenschwester in Empfang nehmen. Offenbar hatten sie meine Sachen gründlich durchsucht und letzten Endes für unbedenklich befunden. Das war so verdammt lächerlich! Was sollte an einem Paar Turnschuhe, einem alten T-Shirt, einer durchlöcherten Jeans und einer Sweatjacke schon gefährlich sein? Wenn ich nicht so sauer über den Eingriff in meine Privatsphäre gewesen wäre, dann hätte ich darüber laut lachen können.
Aber selbst mein Zorn hielt sich mittlerweile in Grenzen, denn mir war klar, dass ich mit jedem Schritt Clay Banton näherkam. Diese Tatsache steigerte meine Nervosität und meine Euphorie enorm. Plötzlich war es mir scheißegal, was denn nun in Wahrheit in seiner Dusche oder sonst wo mit ihm passiert sein mochte. Kim Flint würde sowieso nie damit aufhören mich anlügen, dessen war ich mir sicher. Aber drauf geschissen! Hauptsache, Clay ist jetzt okay, beschloss ich mit grimmiger Energie. Alles Weitere würde sich zeigen. Bald würde mein einziger Mann wieder da sein, wo er hingehörte, nämlich bei mir. Clay würde mir gehören. Mir allein. Ich wollte ihn mit meiner grenzenlosen Liebe überschütten. Meinen Liebsten vollständig in meiner innigen Zuneigung baden. Schlagartig war mir nur noch wichtig, Herrn Banton so schnell wie möglich wiederzusehen. Jeden anderen, zweifellos berechtigten und eventuell sogar enorm beunruhigenden Gedanken verdrängte ich auf dem frustrierend langen Weg durch die geschlossene Station recht erfolgreich.
Eilig lief ich neben dem mega ansehnlichen Siamak Tourani her, der zu meiner Irritation nach den vielen endlosen Fluren mit schnellen, selbstbewussten Schritten eine Treppe in den Keller hinunterstieg. Meine Tasche hielt ich nah an meinen Körper gepresst, als wäre sie mein Schutzschild. Das verrückte Weib rannte die ganze Strecke keuchend hinter uns her. Mit ihren viel zu dünnen und kurzen Beinen schaffte sie es kaum, mit uns großen Männern schrittzuhalten, was mich ziemlich gehässig freute. Die widerwärtig brutale Verbrecherin Kim Flint hatte ich endgültig als gefährlich gestörte Irre abgetan. Nie wieder wollte ich mit diesem Menschen etwas zu tun haben und nahm mir vor, die blöde Kuh ab sofort komplett zu ignorieren. Es befriedigte mich enorm, dass Doktor Tourani mich als zukünftigen Betreuer für seinen Patienten ausgewählt hatte. Aus irgendeinem Grund hatte Siamak das zwar nicht gerne getan, aber zwischen Kim und mir war ich zweifelsfrei die weitaus bessere Wahl. Das hatte der sonderbare Kerl wohl zum Glück auch kapiert. Natürlich würde ich mich umfassend um den halben Isländer kümmern. Nichts anderes wollte ich in diesem Moment noch tun, auch wenn mir sonnenklar war, dass ich ihn wahrscheinlich niemals von harten Drogen würde fernhalten können.
Zu Dritt liefen wir einen langen, menschenleeren und mit grellen Neonröhren erhellten Kellergang entlang, bis Tourani schließlich vor einer der vielen Türen stehenblieb. „Bitte reißen Sie sich zusammen, Kim Flint und Sean Valmont, verstanden? Ich möchte da drinnen auf gar keinen Fall irgendwelche dummen Streitereien zwischen Ihnen beiden erleben. Denken Sie bitte daran, dass wir Clay unter keinen Umständen noch mehr aufregen sollten. Der arme Kerl hat allein in den letzten Stunden fürwahr genug mitgemacht, das können Sie mir glauben. Clay sollte ab sofort unsere ungeteilte Aufmerksamkeit gelten. Also vergessen Sie bitte Ihre kindischen Meinungsverschiedenheiten spätestens jetzt und hier. Kann ich mich auf Sie beide verlassen? Werden Sie sich im Krankenzimmer entsprechend benehmen?" erforschte er uns hörbar angespannt. Abwechselnd musterte er die Frau und mich mit strengen, dunkelbraunen Augen. Seine breiten, dichten Augenbrauen waren unzufrieden zusammengezogen. Der Typ wirkte alarmiert, als würde er von uns das Schlimmste erwarten. Am liebsten hätte ich ihn laut ausgelacht. „Ja, das ist doch selbstverständlich, Doktor Tourani", erklärte Frau Flint artig. Ich warf ihr einen spöttischen Blick zu, den sie sichtbar angefressen erwiderte. Plötzlich fühlte ich mich nur noch glücklich. Unerwartet erfasste mich so ein starkes, vollkommen irrationales Gefühl, als hätte ich die Furie Flint besiegt. Als hätte ich auf einmal die ganze Welt besiegt und alles würde endlich wieder gut werden. Bei näherer Betrachtung war mein voreiliges Glücksgefühl allerdings völlig gegenstandslos.
Im nächsten Moment öffnete Doktor Siamak Tourani vorsichtig die Tür zu Clay Bantons Domizil im Keller der geschlossenen Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses. In diesen Sekunden tobte ein heftiger Wirbelsturm aus Emotionen in mir, eine stürmische Mischung aus umfassendem Glück und ratloser Nervosität. Meine Beine drohten nachzugeben. Meine Finger zitterten, mein Herz hämmerte schnell, als ich direkt neben dem Doktor ungeduldig den merkwürdigen Raum betrat und mich hektisch darin umsah. Im nächsten Augenblick war ich schockiert. Mit einem Blick hatte ich erfasst, dass dies hier de facto schon seit Jahren kein Ort mehr war, in den man noch Patienten einquartierte.
Das sogenannte Krankenzimmer war schrecklich antiquiert und erinnerte mich sofort an Horrorfilme über Irrenhäuser der 20er oder 30er Jahre. Hier hatte man früher mal potentiell verrückte oder gefährliche Menschen eingesperrt und bestimmt auch gefoltert, um fragwürdige Experimente an ihnen vorzunehmen und sie ansonsten vor dem Rest der Welt zu verstecken. Clay Banton hatte an diesem Ort definitiv nichts verloren. Ich fand es unverschämt, ja nahezu kriminell, dass mein Mann von den Verantwortlichen der Psychiatrie in so ein unakzeptables Zimmer abgeschoben und dann darin alleingelassen worden war. Von wegen, nur hier würde er restlos sicher betreut werden. Clay wurde hier völlig unbeachtet eingesperrt, und sonst geschah gar nichts, davon war ich überzeugt. Der maßlos deprimierende Raum war ringsum mit sterilen, hellgrünen Kacheln ausgekleidet. Außer einem rostigen Bettgestell mit daran befestigten Fixierungsgurten, auf dem eine mit einem alten, rissigen Gummilaken überzogene, dünne Matratze lag und einem hässlichen Spind an der gegenüberliegenden Wand war er vollkommen unmöbliert und nicht dekoriert.
Jedoch war mir diese Ungeheuerlichkeit drei Sekunden später auch schon wieder egal, weil ich den derzeitigen Bewohner des Zimmers erblickte. Mit nackten, mindestens zehn Zentimeter über dem Boden in der Luft baumelnden Füßen saß er auf eben jenem Bett und blickte uns träge entgegen. Mein nervös suchender Blick traf den seinen. Hatte ich mir von seiner allerersten Reaktion auf mich noch einen aufschlussreichen Hinweis auf seine aktuelle Meinung von mir erhofft, so wurde ich enttäuscht. Clay reagierte überhaupt nicht auf seine Gäste. Herr Banton guckte nur, die engen Pupillen seltsam verwirrt. Sein Gesicht veränderte sich dabei kein bisschen. Der Patient brauchte extrem lange, um seine Besucher und damit die neue Situation richtig zu realisieren. Innerhalb einer Minute war mir klar, wie umfassend zugeknallt mein Mann derzeit war. Sein offensichtlich stark betäubter Zustand wunderte mich, denn ich hatte mir ausgerechnet, dass Clay mittlerweile mal wieder heftig auf Entzug sein müsste. Immerhin befand er sich jetzt schon seit etlichen Stunden in diesem verriegelten Gewahrsam und damit unerreichbar weit weg von seiner zwingend benötigten Lieblingsdroge Heroin. Die Ärzte haben ihm etwas gegen den Affen gegeben, vermutete ich mit einiger Irritation. Sie haben ihn mit irgendwelchen Hammer-Medikamenten sicherheitshalber völlig ruhiggestellt, damit er in seinem aggressiven Affenwahn keinen nervigen Aufstand macht. Von wegen, hier könnte er seine Heroinsucht überwinden. Der Patient war stattdessen lediglich mit etwas anderem betäubt worden, was unter Garantie ebenso süchtig machte.
Spöttisch blies ich Luft aus, als Frau Flint auch schon jubelnd loslegte: „Clay! Oh, mein Clay! Da bist du ja endlich! Geht es dir gut? Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Ich habe dich so schrecklich vermisst, Clay! Wie geht es dir denn? Ist mit dir jetzt alles wieder in Ordnung? Das war so schlimm gestern! Was ist denn nur mit dir geschehen, sag mal?!" Mit kurzen, überstürzten Schritten eilte das aufgeregte Kind stürmisch an Siamak und mir vorbei, geradewegs auf das Bett zu. Sie umarmte den darauf Sitzenden überschwänglich, so gut das eben ging. „Clay, sag doch mal, ist nun alles okay mit dir? Geht es dir gut? Was hast du denn nur gemacht? Was ist denn passiert mit dir?" bedrängte das strohdumme Weib den sichtbar völlig Verwirrten. Sie hielt ihn in beiden Armen, drückte sich selig gegen seinen innerhalb von Sekunden abwehrend versteinerten Körper und merkte gar nicht, wie wenig ihm das gefiel.
Clay starrte die Frau entgeistert an. Seine Finger, die reglos auf der Matratze liegengeblieben waren, krümmten sich zu Fäusten. „Fuck... was soll das... Moment mal... das ist nicht...", knurrte Banton restlos überfahren. Verstört richtete er seine Augen in meine Richtung. Als er Tourani erkannte, verzog sich sein Gesicht schlagartig verärgert. „Scheiße... Siamak... ich habe das nicht... das ist total... ich... wollte nicht, das...", stotterte er erregt. Zweifellos war der heroinabhängige Patient von den Ärzten der Psychiatrie dermaßen zugedröhnt worden, dass er seine Gedanken gar nicht mehr sortieren konnte.
Siamak stand ratlos neben mir an der Tür und sah sich die komische Szene nur an. Vorwurfsvoll warf ich ihm einen Blick zu. „Gott, Tourani, was haben Sie denn mit ihm gemacht?" klagte ich den Doktor verständnislos an. Der Typ blickte mich unglücklich an. „Ich weiß auch nicht, warum das nötig war...", murmelte er betrübt, was ich ihm allerdings nicht abkaufte. Er als Arzt wusste mit Sicherheit ganz genau, warum Clay die stark sedierenden Medikamente erhalten hatte und welche das gewesen waren. Insgeheim genoss ich diese unvorhergesehene Situation jedoch. Ich fand es amüsant, dass Frau Flint Clays Zustand und seinen Widerstand scheinbar gar nicht bemerkte. Seine abweisende und genervte Reaktion auf die gedankenlose Zudringlichkeit des Mädels genoss ich mit ganzer Seele. Ja, ja, Flint, du bist seine feste Freundin, das sehe ich! Er hat dich total lieb, na klar! Träum' weiter, du blöde Kuh, dachte ich voller Hohn und Genugtuung.
Kim hörte nicht damit auf Clay zu bedrängen, obwohl sie anscheinend auch langsam merkte, dass etwas nicht stimmte. Ohne ihn loszulassen schaute sie ihm prüfend in die Augen. „Sag doch mal, Clay! Wie geht es dir? Ist alles okay? Was hast du denn gestern in deiner Wohnung bloß gemacht? Was ist da mit dir passiert?" fragte sie ihn pausenlos und erdrückte ihn mit ihrer Umarmung. Der derart Okkupierte ließ sich das höchstens zwei Minuten lang sichtbar widerwillig gefallen. Als Kim verzweifelt damit anfing seine Wangen zu küssen und mit ihrer Hand über seinen Kopf zu streicheln, verlor er jählings die Geduld. Er wollte sich der aufdringlichen Frau entziehen, indem er sein Gesicht heftig wegdrehte, sich knurrend aus ihrer Umklammerung wand und versuchte sie von sich wegzuschieben. „Hör auf... lass das... lass mich los...", verlangte er ärgerlich. Das ignorante Weib hörte aber nicht auf ihn, sondern schmiegte sich weiterhin hartnäckig an den auf dem Bett sitzenden Körper. „Bitte rede doch mit mir, Clay! Sag doch mal was! Ich habe dich so sehr vermisst! Ich habe mir Sorgen gemacht! Was ist mit dir passiert? Wie geht es dir denn?" quatschte die Verrückte pausenlos auf den sichtbar steigend angepissten Mann ein.
Ich beobachtete Clay und wusste, dass das nicht mehr lange gut gehen würde. Bald würde er sich ihren Überfall nicht mehr gefallen lassen. Auch Tourani ahnte wohl so etwas, denn er machte hastig einen Schritt nach vorne und erhob seine Stimme. „Frau Flint, hören Sie jetzt erst mal damit auf! Lassen Sie ihn bitte los! Kommen Sie lieber her, Kim!" bat der Doktor die Besucherin, die den Akademiker jedoch unbeachtet ließ, blöd wie sie war. Clay wirkte schlagartig alarmiert. Er stöhnte entsetzt auf, als wäre ihm plötzlich etwas klargeworden. Gewaltsam löste er sich von Kim Flint, indem er ihre dünnen Arme aggressiv von seinem Körper losriss und das Mädchen brutal von sich wegschubste. Auf so eine heftige Reaktion war die Kleine nicht gefasst. Das dünne Mädel ächzte erschrocken und stolperte haltlos etliche Schritte rückwärts. Siamak eilte sofort geistesgegenwärtig zu ihr hin und fing sie auf, bevor sie zu Boden stürzen konnte.
„Das ist totale Scheiße... Siamak... ich habe das nicht... das ist es nicht, was ich...", fauchte Clay konfus und sprang ungeschickt von Bett runter. „Was ist das für eine Scheiße, Tourani?" schrie er den Doktor an, wobei er nebenbei mich registrierte, weil ich in dieser Blickrichtung stand. Zu meiner Freude erhellte sich Clay Bantons Miene. Sofort vergaß er die Frau und konzentrierte sich auf mich. Ohne zu zögern streckte Clay seine Hände nach mir aus, kam taumelnd auf mich zu gewankt und stammelte: „Sean Valmont... du bist gekommen... du bist hier... das ist geil!... Nimm mich mit, Sean... ja?... nimmst du mich sofort mit?... Ich kann das echt nicht noch länger..." Seine aufgeregte Stimme verhaspelte sich verwirrt. Er geriet ins Stolpern und drohte hinzufallen.
Clay Banton war an diesem frühen Dienstagabend in dem sterilen, fensterlosen Kellerraum der Psychiatrie des Christopherus-Krankenhauses ein armseliger Anblick. Er trug ein altes T-Shirt, was ihm eindeutig zu labberig am Oberkörper hing, um sein Eigentum zu sein. Dazu hatte er eine Jeans an, die zweifellos auch nicht ihm gehörte. Die Hose war relativ weit geschnitten und Clay besaß und trug grundsätzlich nur enge Jeans. Seine Füße waren nackt. Auf den bestimmt eiskalten, hellgrünen Fliesen mussten sie ihm fast abfrieren. Clays kurze, dunkelblonde Haare waren völlig verschwitzt und standen ihm ungekämmt nach allen Seiten ab. Seinen linken Oberarm zierte die mir schon bekannte schwarze Naht seiner Schnittwunde. Sein hübsches Gesicht war noch immer verletzt. Auch wenn die Schwellungen langsam abzuklingen schienen, so hatte er doch unverändert Hämatome auf den Wangen. Die Haut um sein linkes Auge war grün verfärbt. Seine Augen sahen aus, als hätte er vor Kurzem heftig geweint und ewig nicht geschlafen, denn sie waren rot geschwollen, blutunterlaufen und hatten beunruhigend dunkle Schatten. Durch die stark betäubenden Medikamente, unter deren Einfluss er offensichtlich stand, wirkte sein Blick träge und verwischt. Flehend fixierte er mich, schaffte es aber kaum richtig sich zu fokussieren.
„Sean! Bitte! Nimm mich mit! Hol mich hier raus! Sofort, ja?" keuchte mein Mann in einer Mischung aus hilfloser Wut und aufkeimender Hoffnung. Er hat es schon abgehakt, registrierte ich maßlos erleichtert. Der fantastische Clay Banton hatte mein brutales Verbrechen an ihm wahrhaftig weit hinter sich gelassen. Der verhängnisvolle Montag und meine brutale Vergewaltigung, die erst gestern im verschneiten Stadtpark stattgefunden hatte, waren für ihn längst Vergangenheit. Vermutlich würde er nie wieder darüber nachdenken. Clay ist nicht mal mehr wütend auf mich, spürte ich selig, er will unbedingt, dass ich ihn sofort mit nach Hause nehme. Er ist jetzt kein böse lachender Teufel mehr, sondern nur noch ein Mensch, der meine Hilfe braucht. Ein paar Sekunden lang konnte ich mein unverhofftes Glück kaum verarbeiten. Mir wurde schwindelig und ich fiel angesichts der unfassbaren Tatsache um ein Haar in Ohnmacht.
Aber dann riss ich mich eilig zusammen. Herr Banton kam mit unsicheren Schritten auf mich zu und drohte hinzufallen, denn sein Gleichgewichtssinn war empfindlich gestört. Instinktiv ließ ich meine Tasche fallen und eilte mit großen Sätzen zu ihm. Kaum war ich bei ihm angekommen, klammerte er sich auch schon hilfesuchend an mir fest. „Sean Valmont... nimm mich mit... okay? Tust du das?... ja?... Machst du das für mich?... Holst du mich jetzt hier raus...?" fragte der halbe Isländer mit rührender Anhänglichkeit. Euphorisch umarmte ich seinen verletzten, aber unverändert erregend muskulösen Körper. Sogleich fühlte ich die nasse Hitze, die er ausstrahlte. Vorsichtig legte ich meine Arme fest um meinen Mann, stützte ihn damit und fühlte mich restlos selig. Nicht mal sein penetranter Schweißgeruch konnte mein umfassendes Glück auch nur ansatzweise trüben. „Na klar hole ich dich hier raus, Clay", flüsterte ich ihm guten Gewissens ins Ohr, „Natürlich rette ich dich. Ich würde dich immer retten und rausholen. Überall."
Meine Augen suchten in seinen grün-braunen impulsiv nach seiner Dankbarkeit. Ich wollte unbedingt sehen und spüren, wie dankbar er mir war. Diesmal wurde ich nicht enttäuscht. Seine Laune besserte sich blitzschnell. Banton lächelte mich rundum zufrieden an, seine wunderbaren Augen strahlten, wenn auch stark sediert. Blitzschnell drückte der übermütige Kerl mir einen Kuss auf die Wange. „Fuck, Valmont, du bist so eine göttliche Theaterschwuchtel!" erklärte Clay mir mit wirr glänzenden Pupillen. Auch sein nächster Kuss war nur flüchtig. Obwohl mir diese Bezeichnung nicht gefallen konnte, so spiegelte sie doch nur seine große Dankbarkeit wider. Darum war ich sogar damit glücklich.
Triumphierend warf ich einen Blick über seine Schulter, um zu sehen, was Tourani und Flint derweil so trieben. Der Doktor und das Mädchen beobachteten Clay mit Argusaugen. Beide sahen verwirrt aus, Siamak zusätzlich besorgt, die Kleine auf ganzer Linie enttäuscht, was mich gehässig grinsen ließ. Am liebsten hätte ich dem doofen Weib die Zunge rausgestreckt, aber über dieses Niveau war ich nun mal hinaus. Stattdessen mogelten sich meine Hände demonstrativ an seinem Rücken unter sein T-Shirt und streichelten sanft über seine heiße, nassgeschwitzte Haut, im Bewusstsein, dass Kim mir dabei unglücklich zusah.
„Was soll das, Clay?" seufzte das Mädel und kam unzufrieden auf ihn zu, „Du schubst mich weg? Warum tust du so was? Was ist denn los mir dir?" Clay sah mich an und verdrehte genervt die Augen, was mir die Seele wärmte, weil er mir damit demonstrierte, wie wenig er von Frau Flint hielt. „Mit mir ist nichts mehr los. Ich weiß gar nicht, was du eigentlich hier willst. Ich habe dich nicht gebeten herzukommen", erklärte mein Mann schroff abweisend, ohne seine angeblich feste Freundin auch nur anzusehen. „Aber Clay, ich habe doch für dich...", protestierte sie gekränkt. Clays wütendes Fauchen ließ sie verstummen. Er ließ mich los und schwankte, weil seine Beine ihn nicht zuverlässig trugen. Vorsichtshalber hielt ich meinen Mann an der Hüfte fest, als er sich nun von mir löste und sich ärgerlich zu dem weiblichen Störfaktor umdrehte. „Ich will dich nicht hier haben, Kim!" knallte er dem Mädchen ziemlich uncharmant vor den Kopf. Empört schnappte sie nach Luft. „Du bist so undankbar, Clay Banton!" warf sie ihm hilflos vor. In ihren Augen schwammen wahrhaftig Tränen.
Der Insasse der Psychiatrie bemerkte das scheinbar nicht. Verärgert schaute er Siamak an, der die Szene irritiert betrachtete. „Verdammt, Siamak, du hast mir nicht gesagt, dass sie herkommt... Ich wollte nicht, dass sie hier..." „Ich habe dir erzählt, dass du zwei Besucher hast, Clay", unterbrach der Doktor sanft, „Es hat dich nur nicht interessiert." „Du hättest mir sagen müssen, dass es Kimberly ist, dann hätte ich dir schon gesagt, dass ich sie nicht sehen will", beschwerte Banton sich ein bisschen verwirrt. „Warum willst du Kim nicht sehen, Clay? Sie hat dich in die Notaufnahme gebracht und behauptet, sie wäre deine feste Freundin. Ist das denn nicht wahr?" forschte Siamak aufhorchend nach. Vorsichtig kam er einen Schritt näher und studierte seinen entrüsteten Patienten interessiert. „Warum erzählst du so einen Müll?" fuhr Clay das verstörte Kind zornig an. Sie zuckte verschreckt zusammen. „Weil sie eine notorische Lügnerin ist!" rief ich spöttisch dazwischen. Einen Moment lang sah es so aus, als wollte Kim anfangen zu weinen. Aber dann riss sie sich zusammen, ignorierte mich und straffte ihren schmalen Rücken. „Weil es die Wahrheit ist, Clay Banton. Ich bin deine Freundin. Ich habe mich um dich gekümmert, als es niemand sonst getan hat!" betonte sie energisch. Sie stand zwei Schritte von ihm entfernt und fixierte ihn mit ihren grünen Augen.
Clay erwiderte den bohrenden Blick gelangweilt und taumelte auf sie zu. Sicherheitshalber hielt ich ihn noch immer fest. Meine Hand lag direkt auf seinem Hüftknochen, darum bewegte ich mich mit ihm in Richtung der Frau. „Ja... Wow!...ey... yay!... das stimmt, Kim-ber-ly... du hast dich total um mich gekümmert.... echt... du hast mich mit Steinen beworfen... und mich total herbe... zusammengeschlagen", höhnte der halbe Isländer mit schleppender Stimme, während er sich mühsam auf seine Besucherin konzentrierte. Kim starrte ihn entgeistert an. „Warum fängst du jetzt nochmal damit an, Clay? Das haben wir doch längst besprochen. Du hast es mir schon vorgestern verziehen. Ich habe mich mehrmals bei dir entschuldigt, und du hast gesagt, das wäre jetzt vorbei", behauptete sie verzweifelt und sprach direkt weiter: „Wir haben uns so wunderbar verstanden, Clay. Es war schön in deiner Wohnung. Du hast isländisch für mich gesprochen, weißt du nicht mehr? Du hast mir von deinem Vater erzählt. Du hast für mich auf deiner Gitarre gespielt und mir deine Zeichnungen gezeigt. Wir haben zusammen geduscht, Herrgott! Hast du das denn schon vergessen, Clay Banton? Erinnerst du dich nicht mehr daran?"
Ihre junge Stimme klang verdrossen. Hilflos forschte sie in seinem Gesicht nach einem Zeichen seiner Erinnerung. Meine Hand lag auf Bantons nackter Hüfte, dicht über dem Bund seiner Jeans. Daher konnte ich sein vegetatives Zusammenzucken deutlich spüren. Als das unbedarfte Weib Island und seinen Vater erwähnte, zog Clays ganzer Körper sich krampfhaft zusammen, sodass er unwillkürlich aufstöhnte. „Hör auf!" brüllte er panisch, „Sei still!" Clay wollte das dünne Mädchen wahrhaftig angreifen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er machte einen aggressiven Schritt auf sie zu, aber ich hielt ihn schnell fest, indem ich von hinten meine Arme um ihn schlang. Siamak reagierte ähnlich klug, indem er Flint rechtzeitig aus Bantons Reichweite heraus Richtung Tür schob. „Vielleicht sollten Sie jetzt lieber gehen, Kim", schlug er eindringlich vor. Es war eigentlich kein Vorschlag, sondern eine weise Empfehlung, aber Frau Flint wollte das in ihrem kindlichen Leichtsinn nicht einsehen. Sie ließ sich vom Doktor nur ein paar Schritte wegschieben, dann drehte sie sich energisch aus seinem Griff und blieb stehen. „Nein, ich gehe jetzt nicht! Clay muss mir erst mal erklären, warum er...", protestierte sie beleidigt. „Clay kann Ihnen jetzt nichts erklären, Kim! Sehen Sie das denn nicht?" unterbrach Tourani sie verständnislos.
Nein, die blöde Kuh sah es nicht, sondern wandte sich direkt an Banton, der unwillig in meinem engen Griff herumzappelte, weil er dringend auf diese Frau losgehen wollte. „Willst du denn gar nicht wissen, was gestern Nacht passiert ist, Clay? Anscheinend erinnerst du dich ja an gar nichts mehr, was?! Ich habe dich hierher gebracht! Ich war dabei, als du deinen aggressiven Anfall hattest, Herr Banton!" redete sie ärgerlich auf ihn ein. Ihr strafender Blick durchbohrte ihn anklagend. Noch einmal zuckte Clay zusammen und starrte sie entgeistert an. „Das kannst du nicht machen, Kimberly", stöhnte er erschlagen, „Du kannst nicht einfach hierherkommen und mir sowas..." „Aber ich sage dir doch nur die Wahrheit, Clay!" höhnte sie dazwischen, „Soll ich dir mal erzählen, was du gestern alles mit mir gemacht hast, hä? Soll ich das mal hier und jetzt ausbreiten, wie aggressiv und gewalttätig du geworden bist, wie du mich behandelt und angefasst und was du mir vorher alles versprochen hast?" „Nein! Hör auf! Ich will das nicht hören!" brüllte Clay und krümmte sich in meinen Armen, als hätte er Schmerzen.
„Hören Sie jetzt bitte sofort auf damit, Frau Flint! Das reicht jetzt!" meldete sich Siamak sichtbar verärgert. Er ging einen Schritt auf das Weib zu und fasste sie am Arm. „Es ist besser, wenn Sie jetzt gehen! Sie haben versprochen Clay nicht aufzuregen, erinnern Sie sich daran?" bemerkte er mit tadelndem Unterton. Kim schaute Siamak einen Moment lang an. Dann holte sie tief Luft. „Der Kerl hat mit mir geschlafen! Sogar mehrmals! Er hat gesagt, dass er mich liebt!" behauptete sie zwischen Trotz und Verzweiflung. „Das habe ich niemals gesagt!" widersprach Clay wütend, woraufhin die Frau wieder zu ihm herumwirbelte. „Du hast es mir sogar versprochen!" schrie sie ihn förmlich an, „Das weißt du nur nicht mehr!" „Ich habe dir nie was versprochen!" beharrte er sauer und hob aggressiv den Arm, weil er das dumme Mädchen womöglich tatsächlich schlagen wollte. Nur mit Mühe konnte ihn ihn zurückzerren. „Hör auf, Clay! Beruhige dich!" flüsterte ich ihm von hinten ins Ohr. „Ich verstehe das nicht", beschwerte Clay sich verwirrt, „Ich weiß gar nicht, warum sie hier ist... was sie von mir will..." „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!" informierte Kim ihn traurig, „Ich habe dich hierher gebracht, weil du gestern gar nichts mehr..." „Hör auf!" schrie Banton ein weiteres Mal panisch, „Sei endlich still!"
Offensichtlich wollte er über die vergangene Nacht nichts hören, und sogar Flint musste das langsam einsehen. Erschüttert wandte sie sich an den Notfallarzt, der die Szene alarmiert beobachtet hatte. „Sie haben behauptet, dass Clay okay wäre, Doktor Tourani. Aber das ist er gar nicht. Er erinnert sich an nichts", warf sie Siamak vor, der beschwichtigend die Hände hob. „Hören Sie mal, Frau Flint, das war ein heftiges Gewitter, das da letzte Nacht in Clays Gehirn explodiert ist. Sie können nicht erwarten, dass das schon am nächsten Tag völlig spurlos an ihm vorübergegangen ist", erklärte er dem Mädchen geduldig. Kims Blick wanderte zwischen Banton und Tourani hin und her. „Wann wird er sich wieder an mich erinnern?" fragte sie traurig. Der Doktor lächelte milde und meinte: „Clay erinnert sich doch an Sie, Kim. Er hat sie einwandfrei erkannt, nicht wahr?" Flint seufzte schwer. „Ja, aber er hat so ziemlich alles andere vergessen. Wann wird ihm wieder einfallen, wie nahe wir uns stehen?" wollte sie deprimiert wissen. Siamak betrachtete sie zwischen Rührung und Skepsis. „Das kann niemand mit Sicherheit beantworten", flüsterte er fast.
Clay knurrte verärgert: „Lasst das sein! Redet nicht über mich, als wäre ich nicht hier. Das kann ich nicht leiden. Ich will mich an so eine Scheiße gar nicht erinnern, verflucht nochmal! Ich will mich nicht an dich erinnern, Kimberly!" „Ich glaube dir nicht, dass du das alles vergessen hast", meinte sie verächtlich zu ihm, „Wir haben uns so gut verstanden, Clay. Du hast mit mir geschlafen, weißt du das nicht mehr?" „Na und? Was heißt das schon? Ich habe dich ein paarmal von hinten gefickt! Das ist doch nichts Besonderes! Das habe ich schon mit tausend Weibern gemacht!" blaffte Clay das Mädel ungeschliffen an. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, was abrupt aus mir herausplatzen wollte, mir aber in dieser harten Situation nicht angebracht erschien. Schnell duckte ich mich hinter Clays Rücken und unterdrückte es mühevoll. Denn in den Augen von Kimmi Flinti erschienen jetzt wahrhaftig Tränen, die über ihre Wangen liefen, sodass das kleine Mädchen mir beinahe ein bisschen leidtat.
„Clay! Nicht doch!" stöhnte Siamak unglücklich. „Sie soll mich in Ruhe lassen! Sie soll einfach weggehen!" beschwerte mein Mann sich daraufhin lauthals. Kim schluckte eine Weile an ihren Tränen und wischte sie mit der Hand weg. Dann schaute sie ihren ehemaligen Sexpartner strafend an. „Na gut, Clay Banton, wie du willst. Du wirst schon noch sehen, was du davon hast", kündigte sie tonlos an. Danach drehte sie sich demonstrativ von ihm weg und eilte geradewegs zur Tür. Schon wieder zuckte Clay dermaßen heftig zusammen, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Zwei Sekunden später riss er sich überstürzt aus meinen Armen los, sodass ich ihn so schnell nicht festhalten konnte. Mit hastigen Schritten torkelte er hinter der Frau her und bekam sie an der Jacke zu fassen, bevor sie die Tür öffnen konnte. „Was soll das heißen, Kimberly? Warum sagst du so was? Was werde ich sehen?" bedrängte er die beleidigte Schabracke flehend. In seiner Stimme klang echte Panik mit.
Mir war klar, dass Banton große Angst vor einer neuen gewalttätigen Racheaktion dieser brutalen Furie hatte und zwar nicht ohne Grund. Alarmiert eilte ich zu ihm, und auch Siamak kam schnell näher, um das Schlimmste zu verhindern. Clay stand hilflos vor dem Weib, hielt sie an der Jacke fest und starrte sie entsetzt an. „Was willst du mir damit sagen, Kim? Was werde ich sehen?" verlangte er ängstlich zu wissen. In den grünen Augen der Frau erschien jener gehässige Glanz, den ich schon am Samstag im Theater bei ihr gesehen hatte. Es war so ein triumphierendes Funkeln, die hämische Gewissheit, dem verhassten Feind überlegen zu sein. Am liebsten hätte ich ihr diesen hinterhältigen Ausdruck sofort aus dem Gesicht geprügelt. Stattdessen positionierte ich mich nochmal direkt hinter Clay. Siamak stand neben mir. Wir waren beide auf dem Sprung, absolut bereit, um den verwirrten Patienten im Notfall von dem dummen Mädchen wegzuzerren.
„Das wirst du dann schon sehen", murmelte Kim cool und bedachte Clay mit einem gespielt gelassenen Achselzucken. „Was werde ich sehen?" wiederholte Banton misstrauisch. Als sie nicht antwortete, fragte er: „Willst du mich nochmal in die Eier treten? Willst du Steine nach mir werfen? Oder lässt du mich wieder verprügeln? Was hast du vor, Kim?" Er zog sie an der Jacke dicht an sich heran, und zu meinem Ärgernis wehrte sie ihn nicht ab. Schon standen die beiden dicht voreinander. Weil die dünne Frau so klein war, musste Clay auf sie herunterschauen, was er mit gebündelter Konzentration tat. „Sag schon, Kim-ber-ly!" forderte er sie auf, „Willst du mich nochmal fertigmachen? Hetzt du deine Freunde auf mich? Willst du mich heulen und kotzen sehen? Wollt ihr mich mit euren Messern aufschlitzen? Mich mit dem Seil erwürgen? Mir die Knochen brechen? Was hast du geplant? Was würde dir am besten gefallen, Kim-ber-ly?"
Eine Weile schauten die ungleichen Menschen sich tief in die Augen. Mein Herz fing ein zorniges Hämmern an, als ich die Verbundenheit wahrnahm, die urplötzlich irgendwie zwischen ihnen auftauchte. Da ist was gelaufen, vermutete ich wütend, die hatten tatsächlich Sex. Auf irgendeine beschissene Art sind die sich wahrhaftig nah. Dieser Verdacht gefiel mir nun überhaupt nicht, darum warf ich Siamak einen extrem genervten Blick zu. Der Doktor beobachtete auch diese überraschende Szene besorgt und schien über die plötzliche Umkehrung der Stimmung zwischen Clay und Kim enorm verwirrt zu sein. „Ich lass mir schon was einfallen für dich, Clay Banton", wisperte das Mädchen nach einer Ewigkeit grinsend. Ich hätte schwören können, dass auch Banton grinste, konnte es aber nicht sehen, weil ich hinter ihm stand. Wütend machte ich einen Schritt an ihm vorbei und schaute ihm irritiert ins Gesicht. Mein Mann war vollständig auf die Rachegöttin fokussiert. Er versank förmlich in ihren grünen Augen. Am liebsten hätte ich ihn gewaltsam von dem scheiß Weib weggezogen. Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten. „Ja, denk dir mal was Schönes für mich aus, Kim-ber-ly. Aber diesmal bitte etwas, das nicht allzu wehtut", kicherte Banton amüsiert und zwinkerte ihr wahrhaftig flirtend zu. Man konnte dem kleinen Mädchen regelrecht ansehen, wie sie innerhalb von Sekunden dahinschmolz. Ihr gehässiges Funkeln verwandelte sich in einen Ausdruck reinster Zuneigung.
Diese plötzlich einvernehmliche Intimität zwischen Clay und Kim konnte ich kaum ertragen. „Geh jetzt endlich, Flint!" konnte ich mich nicht bremsen sie wütend aufzufordern, „Du bist hier nicht länger erwünscht!" Clay lachte laut auf und sah mich belustigt an. „Kim ist eine Hexe", teilte er mir mit. Abrupt hörte er auf zu lachen, deutete auf die Kleine und meinte nachdenklich: „Sie kann mich eiskalt verhexen." Es war nicht ganz klar, ob er es ernst meinte oder ob er nur witzig sein wollte. Seine Augen verrieten es mir nicht, sein schönes Gesicht blieb ausdruckslos. Mir war bekannt, dass Banton dem Übernatürlichen alles andere als skeptisch gegenüberstand. Er glaubte tatsächlich an Hexen und Elfen und so einen Kram, was mit seiner Kindheit auf Island zusammenhing. Das war wohl der Grund, warum er auf einmal wieder ängstlich aussah.
„Willst du das tun, Kim? Wirst du mich verhexen?" wollte er von dem Mädchen wissen. Blitzartig war er alarmiert. Sie musterte ihn irritiert, und Siamak hielt den Zeitpunkt für gekommen um einzugreifen: „Lassen wir das doch jetzt mal. Das bringt uns doch im Moment nicht weiter. Bitte gehen Sie jetzt, Frau Flint. Clay wird sowieso gleich entlassen, und sie sollten wirklich nicht..." „Willst du das? Willst du mich ehrlich verhexen?" rief Banton panisch dazwischen. Als wäre ihm etwas eingefallen, oder er hätte erst jetzt schlagartig etwas richtig verstanden. „Ich weiß nicht, was du meinst...", murmelte das Weib unschlüssig. Damit trug die blöde Gans in keinster Weise zur Entspannung der Situation bei. Clay hob hastig die Arme, legte seine Hände fest auf die schmalen Schultern des Kindes und taxierte ihre Augen, als könnte er dort die Wahrheit finden. „Du willst mich nochmal schlagen, nicht wahr? Du wirst dich an mir rächen, weil ich nicht nett zu dir war. Weil ich mit dir gesprochen habe, obwohl er es verboten hat. Du wirst alles deinem Freund erzählen. Stimmt das, Kim? Werdet ihr mir auflauern und mich verprügeln? Wird er mir dann den Schwanz abschneiden?" jammerte Clay im höchsten Maße beunruhigt. Er war richtig aufgelöst, schwankte unnatürlich stark zwischen Angst und Wut.
Ich sah mir das betroffen an und fragte mich, unter dem Einfluss von was für beschissenen Medikamenten er doch stehen musste, um derart wankelmütig, verwirrt und labil zu sein. Clay Banton war alarmiert und steigerte sich schnell in haltlose Panik hinein. Jäh ließ er die Schultern der Frau los, als hätte er sich an ihr verbrannt. Rückwärts stolperte er von ihr weg und starrte sie fassungslos an. „Ich verstehe das jetzt, Kim. Endlich weiß ich, warum du hergekommen bist. Du bist auf Rache aus. Du bist hier, weil du mich verhexen willst. Immer willst du nur Streit. Du kommst pausenlos zurück zu mir. Du willst dich an mir rächen", warf er Flint angewidert vor. Sie schüttelte verwirrt den Kopf. „Aber nein, Clay! Wie kommst du denn auf so was? Das stimmt doch gar nicht. Was ist denn schon wieder mit dir los?" fragte sie traurig und wirklich ratlos.
Clay bewegte sich rückwärts, kam ins Stolpern und wäre ein weiteres Mal fast hingefallen, wenn ich ihn nicht hastig aufgefangen hätte. Auch diesmal klammerte er sich hilfesuchend an mir fest und fixierte mich wirr. „Die ist total gefährlich, Sean! Sie hat mich verhext! Sie ist so verdammt gefährlich!" knurrte er aufgebracht, während seine Hände an meinem Körper nach Halt suchten. Ich schlang meine Arme schützend um meinen erregten Mann und warf Siamak einen aussagekräftigen Blick zu. Es wurde Zeit, Frau Flint loszuwerden, aber so schnell wie möglich. Die blöde Olle war ein einziges Ärgernis.
Der Doktor verstand meinen Wink und war zum Glück einer Meinung mit mir. Sofort wandte er sich an das dünne Weib, das doof im Zimmer herumstand und Clay besorgt und betrübt beobachtete. „Was ist denn nur mit ihm?" erkundigte sie sich deprimiert bei dem Arzt. Siamak versuchte ein aufmunterndes Lächeln. „Frau Flint, ich habe Ihnen doch schon erklärt, dass das keine Kleinigkeit war, die sich da letzte Nacht in Clays Gehirn abgespielt hat. Sie können nicht erwarten, dass das so schnell spurlos an ihm vorbeigeht. Sie sehen ja selbst, wie wütend und ablehnend er auf Sie reagiert. Clay möchte Sie zur Zeit nicht in seiner Nähe haben. Das müssen Sie einsehen, Kim. Und darum möchte ich Sie jetzt dringend bitten zu gehen", forderte er Kimmi unmissverständlich auf. Das Weib sah alles andere als glücklich aus. „Was ist mit Clay? Ich möchte so gerne etwas für ihn tun. Wie kann ich ihm helfen?" fragte die Lügnerin frustriert.
Fuck, sie checkt es einfach nicht, dachte ich angepisst und schloss intuitiv abwehrend die Augen. Viel lieber konzentrierte ich mich auf den lebendig vibrierenden Körper in meinen Armen. Mister Clay Banton. Es war schön, meinen zu lange vermissten Mann im Arm zu halten, obwohl sein trotz der sedierenden Medikamente seltsamerweise aufgeputschter Leib sich nass und heiß anfühlte. Clay war völlig verschwitzt und unglaublich nervös. Sein ganzer Körper zitterte überspannt und er hielt keine Sekunde lang still. Stattdessen wand er sich in meinem Griff, zuckte haltlos in unkontrolliertem Bewegungsdrang.
„Im Augenblick helfen Sie Clay am besten, wenn Sie jetzt nach Hause gehen, Kim. Sie können hier nichts mehr für ihn tun. Das müssen Sie doch verstehen. Aber Clay ist ja nicht aus der Welt. Sie können es in ein paar Tagen nochmal versuchen, wenn Sie mögen", bot der Doktor versöhnlich an. Dafür hätte ich dem Akademiker liebend gerne die Augen ausgestochen. Was sollte das, der scheiß Frau auch noch vorzuschlagen, es in ein paar Tagen nochmal zu versuchen?! Was meinte Tourani denn damit? Was zur Hölle sollte Flint versuchen? Mann, die blöde Fotze sollte sich einfach nur in Luft auflösen!
Siamak
Die nächste Runde der nervenaufreibenden Situationen wurde eingeläutet, als ich mit Sean Valmont und Kim Flint das sterile, fensterlose Zimmer betrat, in dem Clay Banton schon ungeduldig auf uns wartete. Ich hatte ihm mitgeteilt, dass er entlassen und in Valmonts Fürsorge übergeben werden würde. Optimistisch ging ich davon aus, dass diese Information meinen aufgewühlten Patienten genug besänftigt hätte, um der Begegnung mit seinen zwei Gästen standhalten zu können. Aber kaum kamen wir in den Kellerraum, bereute ich es auch schon, der jungen Frau diesen Krankenbesuch überhaupt gestattet zu haben. Sie demonstrierte mir sogleich, wie unerfahren und unvernünftig sie noch war, denn sie bestürmte den auf dem Bett sitzenden Clay wie ein verliebter Teenager, der unverhofft seinen angehimmelten Star erblickt hat. An Clays ablehnender Reaktion darauf konnte ich deutlich ablesen, dass diese Person, die ihn plötzlich unerlaubt anfasste, ihn umarmte und heftig bedrängte, wohl in der Tat nicht seine derzeitige feste Beziehung zu einer Frau war. Zumindest war er zu diesem Zeitpunkt nicht gut auf Kim zu sprechen. Mist, das war ein Fehler, war mir sofort klar, das wird nicht gut gehen. Meine Nervosität stieg rapide an, als ich Frau Flint bat, den Patienten lieber in Ruhe zu lassen und sie mich in ihrer kindlichen Dummheit ignorierte. Kurz darauf hatte Clay das Mädchen auch schon gewaltsam von sich weggeschubst. Im letzten Moment konnte ich die Kleine auffangen. Banton warf mir rüde vor, ihn nicht über den Besuch von Frau Flint informiert zu haben, dabei hatte ihn das doch gar nicht interessiert.
Im nächsten Moment entdeckte er seinen Freund Sean und richtete seine Aufmerksamkeit sofort uneingeschränkt auf den Valmonterben. Die Aussicht, dass er demnächst mit dem blonden, erstaunlich gut aussehenden Mann die Psychiatrie verlassen durfte, besserte Clays Laune beträchtlich. Leider ließ Kim ihn jedoch trotz seines aggressiven Widerstandes nicht in Ruhe. Es kam zu einem hässlichen Wortwechsel, bei dem das Mädchen mir beinahe leidtat, weil Clay ihre Sorge und Zuneigung so unsensibel abschmetterte. Sie zählte ihm einige Details aus ihrem Beisammensein auf, wahrscheinlich um Clays verblasste Erinnerung aufzufrischen. Es war allerdings unübersehbar, dass Banton diese Einzelheiten absolut nicht hören wollte. Der Patient reagierte darauf mit haltlos tosendem Zorn und ich fürchte, er wollte die junge Frau tatsächlich tätlich angreifen. Sean und ich hatten die gleiche Idee, nämlich die Streithähne so schnell wie möglich zu trennen. Valmont hielt seinen Freund fest und ich zog Kim hastig aus der akuten Gefahrenzone.
Es ärgerte mich, dass das dumme Mädchen so uneinsichtig war, dass sie es einfach nicht gut sein und Clay in Ruhe lassen konnte. Ich hätte ihr mehr gesunden Menschenverstand zugetraut. Wiederholt bedrängte sie meinen schwierigen Patienten, redete unaufhörlich auf ihn ein und nötigte ihn zuzuhören, obwohl er doch so offensichtlich mit ihren Worten restlos überfordert war. Sie war zu jung und unerfahren, um die angespannte Situation richtig einschätzen zu können. Leider merkte ich das zu spät, denn die Katastrophe war schon da. Noch einmal bat ich Kim zu gehen und erneut ließ sie meinen Hinweis unbeachtet. Stattdessen betonte sie aufsässig, dass sie mit Banton geschlafen hätte, was absolut kindisch war. Auch an dieses Erlebnis wollte er nicht erinnert werden. Vielleicht stimmte das alles auch gar nicht. Dieser lautstarke Streit ging mir zunehmend auf die Nerven, weil er einfach vollkommen unnötig war.
Kim fragte mich traurig, was mit Clay los wäre. Ich versuchte ihr zu erklären, dass die Ereignisse der vergangenen Nacht definitiv zu schwerwiegend gewesen waren, um spurlos an Clay vorüberzugehen. Meine spontane Begründung sollte lediglich dazu dienen, die aufgeregte Frau zu beruhigen. In Wahrheit gab es zu keiner Zeit Grund zur Besorgnis, denn Clay Bantons Gehirn funktionierte zweifellos in gesunden Maßen. Mein Patient war eindeutig bei vollem Bewusstsein und auch bei klarem Verstand, wenn man von der starken Wirkung der sedierenden Medikamente, die er leider erhalten hatte, einmal absah. Aber Clay erkannte Frau Flint einwandfrei. Er wollte nur schlicht nichts mit ihr zu tun haben. Es war mir ein Rätsel, warum Kim diese offensichtliche Tatsache dermaßen stur verdrängte. Hätte Sean den zornigen jungen Mann nicht von ihr ferngehalten, dann hätte Clay die leichtsinnige Frau vielleicht sogar geschlagen.
Flint war gekränkt und tödlich beleidigt. Sie drohte Banton mit fragwürdigen Konsequenzen. Noch falscher konnte das Mädchen sich gar nicht verhalten, denn ihre unkonkreten Drohungen lösten bei Clay eine haltlose Panikattacke aus. Dass der schwer verletzte Isländer derart große Angst vor erneuten Prügeln hatte, konnte ich nur allzu gut nachvollziehen. An diesem Punkt hielt ich es endgültig für angebracht, die junge Frau aus dem Krankenzimmer zu entfernen. Erst nach einigem Widerstand und nachdem ich ihr geduldig in Aussicht gestellt hatte, dass sie doch eventuell in einigen Tagen nochmal nach Clay sehen könnte, gab die hartnäckige Besucherin sich endlich geschlagen. Ich war mir nicht sicher, ob mein Vorschlag ein guter war. Es bestand die Gefahr, dass ich Clay damit keinen Gefallen getan hatte. Aber ich musste schließlich irgendwas sagen und ich zweifelte nicht daran, dass diese seltsame Frau das Objekt ihrer Begierde sowieso auf Dauer nicht in Ruhe lassen würde. Es war ein schwieriger Kampf, bis die viel zu junge Kim Flint das Kellerzimmer endlich wieder verließ. Letztendlich ging sie schweigend hinaus, ohne sich nochmal umzusehen. Alles an dem Mädchen drückte traurige Resignation aus, sodass ich mir ein wenig Sorgen um die schwer enttäuschte Kleine machte. Doch im nächsten Moment schob ich das ärgerlich beiseite. Ich konnte mich ja unmöglich um jeden Menschen kümmern!
Innerlich aufatmend schloss ich hinter Kim die Tür und sammelte meine angegriffenen Kräfte, indem ich ein paarmal tief durchatmete. Zögernd drehte ich mich zu den beiden erwachsenen Männern um. Zu meiner Überraschung waren sie miteinander beschäftigt. Sie hielten sich gegenseitig eng im Arm, flüsterten und kicherten sich abwechselnd etwas ins Ohr. Es war schlicht unübersehbar, wie absolut vertraut die beiden gut aussehenden Kerle einander waren. Herr Valmont hatte mich nicht angelogen, als er behauptete, Clay Banton schon seit etlichen Jahren zu kennen. Ihre Beziehung erweckte bei mir sogar den Anschein, weit über eine reine Männerfreundschaft hinauszugehen. Mir war ja hinreichend bekannt, das Sean schwul und Clay bisexuell war, also hätte es mich nicht gewundert, wenn sie auch eine sexuell intime Freundschaft unterhalten hätten. Das beruhigte mich, weil ich jetzt davon ausgehen konnte, dass der wohlhabende Typ tatsächlich mit meinem schwierigen Patienten umzugehen wusste. Es war die richtige Entscheidung, Clay zu Sean zu schicken, klopfte ich mir imaginär zufrieden auf die Schulter. Zumindest würde der verstörte und höchst sensible Isländer in nächster Zeit nicht unbeaufsichtigt sein.
Seufzend erinnerte ich mich an die ungewöhnliche und unstete Lebensgeschichte, die Clay Professor Maiwald und mir anvertraut hatte. Der junge Mann hatte in seinem noch kurzen Leben wahrhaftig schon viel mitmachen müssen, und mit Sicherheit hatte er uns nur einen Bruchteil davon erzählt. Ich fand es durchaus verständlich, dass Clay Banton irgendwann in seinem Leben sein Heil in harten Drogen gesucht hatte. Obwohl mich dieser Umstand unverändert sehr traurig machte.
Gedankenversunken betrachtete ich die beiden attraktiven Männer. Sie waren ungefähr gleichgroß, beide wohlgestaltet, mit langen Armen und Beinen, beneidenswert schlank, durchtrainiert und muskulös. Sean Valmont strahlte jedoch dieses starke, durchweg unerschütterliche Selbstbewusstsein aus, dass von Geburt an übermäßig reichen Menschen oft zu eigen war. Während Clay Banton in diesem Moment nur Glück und Zufriedenheit vermittelte. Dankbar lächelnd schaute er seinem Freund tief in die wunderschön hellblauen Augen. Definitiv freute mein Patient sich riesig, den blonden Typen wiederzusehen. Noch mehr erfreute ihn aber sicherlich die Aussicht auf baldige Entlassung aus der geschlossenen Psychiatrie. Es war erstaunlich, wie schnell Clay die heftige und unerfreuliche Szene mit Kim Flint ad acta legen konnte. Er hakte die Begegnung mit der Frau, die ihm doch so große Angst gemacht hatte, einfach ab und ging zum Nächsten über.
„Ich habe dir frische Klamotten mitgebracht", informierte Sean seinen Vertrauten und deutete auf seine Tasche, die neben mir am Boden lag. Sofort huschte Clays Blick zu der Tasche hin. Ich folgte ihm automatisch, indem ich nach schräg unten schaute. Es war eine dunkle Sporttasche mit langem Reißverschluss, zwei Tragegriffen und einem Schultergurt. „Klamotten? Echt? Geil! Zeig her!" rief Clay aufgeregt, löste sich tatendurstig von Valmont und taumelte direkt auf die Tasche zu. Während er schwankend einen Schritt nach dem anderen machte, zog er sich ungelenk mein T-Shirt über den Kopf. Gleichzeitig zu laufen und sich auszuziehen überforderte seinen sedierten Gleichgewichtssinn, sodass er ein weiteres Mal beinahe zu Boden stürzte. Sean warf mir einen vielsagenden Blick mit verdrehten Augen zu, der mir wohl demonstrieren sollte, wie überaus anstrengend Herr Banton sein konnte. Davon konnte ich inzwischen nun wirklich auch schon ein Lied singen. „Nicht, Clay! Pass doch auf!" mahnte ich ihn erschlagen, musste aber dabei grinsen, weil er mit dem T-Shirt über dem Gesicht so ein witziger Anblick war.
Kurzentschlossen ging ich ihm entgegen und umfasste seine Taille, um ihn zu stützen, während er mit dem T-Shirt kämpfte. Das Gefühl seiner heißen, feuchten Haut fuhr mir sofort durch sämtlich Nervenbahnen. Als Clay das Kleidungsstück über seinen Kopf gezogen hatte, ließ er es achtlos auf die hellgrünen Fliesen fallen. Der Patient ignorierte meine stützende Hand, als würde er mich gar nicht bemerken. Erpicht ließ er sich mit nackten Füßen und nacktem Oberkörper neben der Tasche auf die Knie sinken, sodass ich ihn gezwungenermaßen loslassen musste. Im nächsten Moment zog er ungeschickt den langen Reißverschluss auf und sah sich neugierig die Sachen an, die Valmont für ihn mitgebracht hatte. Bei jedem Kleidungsstück drückte er seine uneingeschränkte Zustimmung aus. „Wow, geil, das T-Shirt!" „Eine Jeans, astrein, Valmont!" „Hey, super Turnschuhe, Alter!"
Ich war ein bisschen gekränkt, weil er mein T-Shirt so hastig ausgezogen und unachtsam auf den Boden geschmissen hatte. Wollte er meine Kleidung denn plötzlich so dringend loswerden? Fühlte er sich in meinen Sachen nicht wohl? Immerhin hatte ich sie ihm doch extra von zu Hause mitgebracht. Sie stammten aus meinem eigenen Kleiderschrank. So etwas hatte ich definitiv noch für keinen Patienten getan. Es kränkte mich, dass Clay meine mitfühlende und hilfreiche Tat auf einmal so wenig zu würdigen schien. Gleich darauf tadelte ich mich für meine dummen Gefühle, weil ich es eigentlich besser wusste. Herr Banton handelte wie immer vollkommen impulsiv und kam bestimmt nicht mal auf die Idee, dass sein Verhalten mich eventuell verletzen könnte. Außerdem sollte ich wirklich nicht verletzt sein, schalt ich mich verärgert, das ist doch total kindisch.
Sean Valmont kam interessiert näher, blieb neben seinem auf der Erde hockenden Freund stehen und beobachtete ihn lächelnd. Der blonde junge Mann strahlte aus allen Poren Glück aus, was seine ohnehin nicht unerhebliche Attraktivität noch um einiges verstärkte. Noch niemals habe ich derartig hellblaue Augen gesehen, dachte ich einen Moment lang gefesselt.
„Mann, Clay, du hattest doch schon ein T-Shirt an. Du musst nicht extra meins anziehen", meinte Valmont verständnislos. Clay guckte von unten zu ihm hoch und schüttelte den Kopf. „Nein... das geht nicht... das... gehört doch Siamak. Ich muss es ihm zurückgeben", erklärte er und schaute mich an, der ich auf seiner anderen Seite neben ihm stand. „Nicht wahr, Siamak, du möchtest es gerne zurückhaben", lächelte er zum Niederknien. Auch auf meinem Gesicht erschien wie von Zauberhand ein Lächeln. „Nicht doch, Clay, du hättest es ruhig anbehalten können", informierte ich ihn mit sanfter Stimme. Verdutzt zog er die Brauen zusammen. „Anbehalten können? Im Ernst?" fragte er verdattert. Langsam streckte er sich nach meinem Kleidungsstück auf dem Boden. „Behalten? Echt?" wiederholte er ungläubig, während er das T-Shirt vor sich hinhielt und es aufmerksam betrachtete. Mir wurde ganz warm ums Herz. Mein Blick streifte den von Sean, der mich schmunzelnd beobachtete. „Sie schenken Ihrem Patienten ein T-Shirt, Doktor Tourani?" erkundigte Valmont sich mehrdeutig, was mich sofort nervös machte. „Ja, das war nötig", erklärte ich knapp und wich seinem spöttisch fragenden Blick aus.
„Okay, dann behalte ich es", entschied Herr Banton und warf mein T-Shirt in die Sporttasche. Er saß auf seinen Fersen und knöpfte mit ungelenken Fingern die Jeans auf, die ich ihm mitgebracht hatte. „Nein, Clay, du musst jetzt nicht auch noch die Jeans ausziehen", wandte ich hastig ein und spürte irritiert, dass mein Herz damit anfing härter zu schlagen. Schon sein ansehnlicher, nackter Oberkörper berührte mich schon wieder unangebracht stark. Die plötzliche Aussicht, ihn noch einmal völlig unbekleidet zu sehen, ließ meinen Puls abrupt in die Höhe schnellen, was völlig daneben war. „Darf ich die etwa auch behalten, Siamak?" fragte Clay zuckersüß und blinzelte mich charmant an. Seine Augen flirteten mit mir.
„Du trägst noch mehr Klamotten von deinem Arzt?" horchte Sean verwundert auf und schaute mich misstrauisch an. „Sie haben ihm was zum Anziehen gegeben, Tourani?" wollte er kühl von mir wissen. „Besitzt du keine eigene Kleidung mehr? Warst du nackt, als du hier eingeliefert wurdest, Banton?" wandte der Blonde sich einen Augenblick später an den Kerl auf dem Boden, ohne meine Antwort abzuwarten. Sean Valmonts Blick wanderte voller Argwohn zwischen Clay und mir hin und her. Er konnte sich Clays fremde Garderobe nicht erklären. Im Grunde war dieser Sachverhalt ja auch höchst ungewöhnlich. „Mann, ich weiß nicht, ob ich nackt war. Ich erinnere mich nicht", murmelte Clay verdrossen. Er hatte seine Jeans aufgeknöpft und zog sie wahrhaftig ein Stückchen herunter. „Darf ich deine Unterhose auch behalten, Siamak?" grinste er mich schlüpfrig an und zeigte mir meinen Slip, indem er den Gummibund mit den Fingern lüftete. „Du darfst alle meine Sachen behalten, Clay", versicherte ich ihm schnell, wandte mich ab und machte ein paar Schritte von ihm weg. Das fehlte mir noch, dass ich vor dem Erben der weltberühmten Valmont-Baumaschinen in Bezug auf meinen Patienten einen irgendwie fragwürdigen Eindruck machen würde, indem ich sabbernd auf seine Unterhose stierte. Schnellstens musste ich mich zusammenreißen.
„War Banton nackt, als er herkam, Doktor Tourani?" rief Sean herausfordernd hinter mir her. Seufzend musste ich mich zu ihm umdrehen. „Nein, Clay war nicht unbekleidet, als er hier eingeliefert wurde. Seine Sachen wurden dort in dem Schrank in einer Plastiktüte verstaut. Ihr könnt sie gleich mitnehmen", informierte ich den blonden Mann gelassen. „In einer Plastiktüte? Hast du dich vollgepisst, oder was?" spottete Valmont sofort auf seinen Freund runter. Clay hatte Mühe damit, auf der Erde sitzend seine Jeans auszuziehen. Es kränkte mich schon wieder, dass er sich trotz meines Hinweises umzog, weil er offenbar die Kleidung seines Besuchers der meinen vorzog. „Kann schon sein, Valmont. Ich erinnere mich nicht. Wie schon gesagt...", seufzte der junge Mann beschämt. Umständlich streifte er sich die Hose von seinen nackten Beinen.
Mein Blick fiel besorgt auf die lange Naht an seinem Oberschenkel, die ohne den Verband vermeidbar ungeschützt war. „Du, Clay, hör mal, soll ich dich nicht noch eben schnell neu verbinden?" fragte ich ihn bittend, obwohl ich mir die unvernünftige Antwort schon denken konnte. Natürlich reagierte mein schwieriger Patient genauso dumm, wie ich es schon befürchtet hatte. „Nein, Siamak, hau mir ab mit dem Scheiß. Ich will keine nervigen Verbände mehr", lehnte das trotzige Kind mein vernünftiges Angebot entschieden ab, ohne mich dabei anzusehen. Ich stöhnte unzufrieden, konnte seine Meinung aber sowieso nicht ändern. Eine weitere Bitte, wenigstens achtsam mit den Verletzungen umzugehen, kann ich mir wohl sparen, der wilde Dummkopf ist sowieso nie vorsichtig, dachte ich verärgert. In Gedanken sah ich mich schon die beiden tiefen, langen Schnittwunden zum dritten Mal vernähen, weil Herr Banton sie abermals leichtsinnig aufgerissen hatte.
Clay saß jetzt nur noch im Slip auf den hellgrünen Bodenfliesen, was mir ebenfalls Sorgen bereitete. „Steh doch lieber auf, Clay. Das ist auf Dauer viel zu kalt da unten", bat ich ihn beunruhigt. Er warf auch meine Jeans in die Sporttasche und schaute dann lächelnd zu mir auf. „Du machst dir immer so viele Sorgen um mich, Siamak. Das ist so lieb von dir. Ich finde das richtig geil", sprach er etwas aus, was mich vor seinem Besucher arg in Verlegenheit brachte. Hilflos warf ich Sean Valmont einen Blick zu. Der Mann mit den verblüffend hellblauen Augen guckte mich sonderbar arrogant an. Ich gewann den bedrohlichen Eindruck, als würde Valmont langsam an mir zweifeln, was mich abrupt alarmierte.
„Also... ähm... ich hole dann mal die Entlassungspapiere von Professor Maiwald", kündigte ich spontan an und bewegte mich eilig auf die Tür zu. „Ich komme gleich zurück, dann darfst du gehen, Clay", informierte ich ihn. „Shit das ist ja so was von geil!" jubelte Clay los und klatschte wie ein kleines Kind begeistert in die Hände. „Du bist so verdammt geil, Siamak Tourani! Fuck, du törnst mich total an, Herr Doktor!" ächzte er absolut hingerissen. Seine typisch ungebremste Freude verursachte mir ein behaglich warmes Gefühl im Bauch. Gerührt betrachtete ich den Unvernünftigen, der mich mit dankbar glänzenden Augen anstrahlte. Er ist so unfassbar wunderschön, ging mir angetan durch den Kopf, ich möchte ihn für immer und ewig so glücklich machen. Von den einzigartig tiefgründigen, grün-braunen Augen wurde ich unweigerlich gefesselt. Mein Herz klopfte los, weil ich nebenher auch seinen so gut wie nackten Körper registrierte und alles in mir unwillkürlich danach schrie, diesem Menschen körperlich nah zu sein.
Nach einer entrückten Weile, in der niemand etwas sagte und ich irgendwie paralysiert war, fürchtete ich plötzlich, dass Clay Banton womöglich unangebrachte Annäherungsversuche bei mir starten könnte, die Sean Valmont dann zu recht noch misstrauischer gemacht hätten. Außerdem fiel mir siedend heiß ein, dass ich vorhin einen großen Fehler gemacht hatte, als ich Kim Flint von hier aus allein zum Ausgang hatte gehen lassen. Kein Besucher der geschlossenen Psychiatrie durfte sich unbeaufsichtigt auf dieser Station bewegen. Mein unüberlegtes und leichtsinniges Verhalten war unentschuldbar. Augenblicklich musste ich hinter der Frau her und überprüfen, ob sie tatsächlich direkt hinausgegangen war oder sich womöglich verbotenerweise noch irgendwo auf den Gängen der Psychiatrie herumtrieb.
„Tja...also... ich gehe dann deine Papiere holen...", stammelte ich verwirrt und aufgescheucht. Hastig drehte ich mich von den beiden spöttisch grinsenden Männern weg und eilte zur Tür. „Ja genau, ey, ich gehe jetzt, Siamak! Ich ziehe mir nur noch was an! Und dann haue ich endlich hier ab!" rief Clay triumphierend hinter mir her. Seine Worte trafen mich sehr viel tiefer, als gut für mich war. Es ist richtig so, redete ich mir verbissen ein, sein Freund wird gut auf ihn aufpassen. Ich kann ihn nicht gegen seinen Willen hier festhalten. Aber trotz allem brach es mir das Herz, meinen schwierigen Patienten in seine völlig ungewisse Zukunft entlassen zu müssen.
Clay
Das war komisch mit Kimberly. Die verschlagene Hexe kam über mich, wie eine böse Erscheinung. Plötzlich war sie im Zimmer, nachdem ich eine ungewiss lange Zeitspanne einfach nur dort auf dem Bett gesessen und friedlich vor mich hingedöst hatte. Siamak hatte mir befohlen zu warten, also tat ich das aufs Neue. Zum ersten Mal fand ich die Warterei in diesem deprimierenden Raum nicht zum Kotzen. Es war mir egal, denn ich machte mir endlich keine Sorgen mehr. Siamak hatte mir versprochen, dass ich bald aus der Psychiatrie entlassen werden würde und ich glaubte ihm das. Darum war alles okay. Ich fühlte mich angenehm betäubt, extrem schläfrig, und ich war verdammt froh darüber. Alles war besser, als einen Affen zu haben. So gut wie jedes Gefühl mochte ich lieber, als ätzende Schmerzen in allen Körperteilen.
Aber wie aus dem Nichts tauchte Kimberly vor mir auf. Sie stürmte auf mich zu und umarmte mich, erdrückte mich fast mit ihren dünnen Ärmchen und dem mageren Leib. Das pisste mich ziemlich an, weil ich gerade irgendwie weggenickt war und viel lieber meine Ruhe haben oder nach Hause gehen wollte. Zum Glück war auch Valmont gekommen, und mir wurde klar, dass ich jetzt tatsächlich bald hier rauskommen würde, und von da an wurde alles viel besser. Nur die aufdringliche Frau irritierte mich mit seltsamen Behauptungen und fiesen Drohungen. Eigentlich war sie mir scheißegal, denn ich wollte nur noch nach Hause gehen und in Massen Heroin rauchen. Doch das Weib gab keine Ruhe und ging mir damit mächtig auf die Nerven. Es gab eine weitere böse Auseinandersetzung mit der undurchsichtigen Kimberly, in der sie mich wahrscheinlich aufs Neue verfluchte, keine Ahnung. Der fantastische Siamak Tourani schickte sie irgendwann weg. Darüber war ich heilfroh. Ich konnte mich nicht richtig auf diese stressige Situation mit der Frau konzentrieren. Alles war seltsam schwammig in meinem Gehirn. Es waren zu viele Menschen im kleinen Raum und alle sprachen durcheinander. Das verwirrte mich total. Die rachsüchtige Hexe flirtete mit mir und machte mir im nächsten Moment eine Heidenangst.
Von Valmont umarmt zu werden, fühlte sich dann jedenfalls schon viel besser an. Sean fühlte sich richtig an. So, als wäre ich jetzt endlich in Sicherheit, woran ich kaum noch geglaubt hatte. Mein Schutzelf hatte mir diesen Engel geschickt, um mich zu retten. Da war kein Rest Hoffnung mehr in mir gewesen. Aber an diesem Punkt kam sie langsam zurück. Valmont hatte mir in seiner Sporttasche Kleidung mitgebracht. Ich verstand das so, dass ich die jetzt nur noch anziehen musste und dann gehen durfte. Also nahm ich diese nervig anstrengende Aufgabe notgedrungen in Angriff. Ich ging zu der Tasche und zog mir auf dem Weg schon mal das T-Shirt aus.
Siamak stand auch noch die ganze Zeit im Zimmer rum. Der heiße Typ schaute mich unendlich traurig an. Definitiv wollte der ständig um mich besorgte Kerl nicht, dass ich ihn verließ. Das war ganz schön süß! Siamaks ungeschminkte Traurigkeit berührte mich. Zu gerne hätte ich noch eine Runde mit dem geilen Akademiker geflirtet oder vorzugsweise kochend heiß rumgeschmust, so wie wir es in dem Büro von diesem Professor getan hatten. Aber ich hatte keine Zeit mehr für Tourani, weil ich wirklich dringend nach Hause musste. Meine shore wartete auf mich und ich konnte an nichts anderes mehr denken. Die Aussicht auf ein paar baldige Chinesen aktivierte meine letzten Kraftreserven.
Schließlich saß ich auf dem Boden neben Seans Tasche und schaute mir seine Klamotten an, die mir alle bekannt vorkamen, weil er sie irgendwann mal getragen hatte. Natürlich hatte der verdammte Kerl mir nur alte, zerschlissene Sachen von sich mitgebracht, aber scheiß doch was drauf, ich wollte die jetzt nur noch anziehen und dann nichts wie weg hier. Siamak meinte, ich müsste mich gar nicht umziehen, weil ich auch seine Kleidung, die er mir zuvor schon geliehen hatte, ruhig behalten dürfte. Das verwirrte mich restlos. Warum sollte mein Arzt mir irgendwas schenken? Welchen Grund hätte er denn dafür? Das begriff ich nicht, sah aber darüber hinweg und warf seine Klamotten in Seans Tasche, um sie mitzunehmen. Tourani wollte das scheinbar so. Vielleicht wollte der Doktor das Zeug nur nicht mehr haben, weil ich es jetzt getragen hatte. Kann schon sein.
Ich war damit beschäftigt mir die Jeans auszuziehen, während ich auf dem kalten Fliesenboden hockte, was total mühsam war. Als ich mich umsah, war der scharfe Doktor verschwunden. Erst mit Verzögerung begriff ich, dass ich auf einmal mit Sean Valmont allein in dem beschissenen Kellerraum war. „Wo ist Siamak?" fragte ich Sean verwundert. Der rettende Engel grinste spöttisch und meinte: „Er holt deine Entlassungspapiere. Hast du das etwa nicht mitgekriegt?" Irgendwie hatte ich wohl gar nichts richtig mitgekriegt, aber diese Sache fand ich echt seltsam. „Wozu brauche ich Entlassungspapiere? Ist das hier ein Knast?" erkundigte ich mich konfus. Sean sah mich mit diesen besorgten Augen an, die zwischen Belustigung und Traurigkeit schwanken. „Ja, Clay, das ist hier so ähnlich wie im Knast. Da hast du vollkommen recht", kicherte er amüsiert, hörte sich aber deprimiert dabei an, weil das eigentlich nicht lustig war. Irgendwie fand ich es logisch und war beunruhigt, weil ich bei den Bullen noch nie eine angenehme Zeit verbracht hatte.
Diese Information behagte mir nicht und plötzlich war ich wieder tierisch beunruhigt wegen Kimberly, die wahrhaftig auf ganzer Linie furchteinflößend gewesen war. Ich konnte mir gar nicht erklären, was die kleine Hexe eigentlich hier an diesem Ort gewollt hatte. Wer würde schon freiwillig in eine geschlossene Psychiatrie reingehen? Das würde sich doch niemand antun! Kim führt was Neues gegen mich im Schilde und das wird mir bestimmt nicht gefallen, vermutete ich gestresst. Es war ein riesengroßer Fehler, nicht nett zu ihr zu sein, grübelte ich panisch, sie wird sich dafür unter Garantie an mir rächen wollen. „Sie ist total gefährlich, Sean. Sie hat mich verhext", sagte ich in einer Mischung aus Wut und Angst zu Valmont. Mir war so, als hätte das Mädchen irgend so was zu mir gesagt. Leider hatte das Weib in den letzten fünfzehn Minuten ununterbrochen auf mich eingequatscht. Die Frau hatte so verdammt viel geredet, dass ich mir deshalb nicht sicher war, was sie eigentlich konkret gesagt hatte.
„Hast du die ehrlich gefickt", wollte Sean wissen, der seltsamerweise sofort wusste, von wem die Rede war. Seine Stimme triefte vor Eifersucht, was mich mächtig amüsierte. Ich hätte gerne darüber gelacht, fühlte mich aber viel zu kaputt für einen weiteren hässlichen Streit. Außerdem wollte ich Sean Valmont auf keinen Fall gegen mich aufbringen, denn ich brauchte ihn dringend, um hier rauszukommen. Dieser Typ war meine einzige Chance zur Flucht. Ich war ihm unglaublich dankbar dafür, dass er auf meinen verzweifelten Anruf hin überhaupt gekommen war, um mir zu helfen. Darum verkniff ich mir das Lachen und sah ihn nur vielsagend an. „Mann, Valmont, ich habe sie gefickt, na und? Was bedeutet das schon? Das war doch nur Sex", spielte ich die in Wahrheit ganz fantastischen und überwältigend erotischen Begegnungen mit der kleinen Schnepfe herunter. „Von hinten? Mehrmals?" hakte Sean nach, weil er das dringend wissen musste, der liebeskranke Idiot. „Ja... stimmt...", gab ich widerstrebend zu. Valmont verdrehte angewidert die wunderschönen Augen. „Mann, die hat dich verprügeln lassen, Clay! So eine würde ich doch nicht anfassen! Das ist total pervers! Ich wusste ja noch gar nicht, dass du neuerdings auf Kinder stehst", bemerkte er geringschätzig. Seine faszinierend hellblauen Augen durchlöcherten mich, als er strafend auf mich runter stierte. „Die ist definitiv kein Kind mehr. Das ist mal sicher", stellte ich genervt klar. Automatisch dachte ich an die keuchende, wiederholt meinen Namen stöhnende, wild entflammte Frau mit den langen, dunkelroten Haaren auf meinem Küchentisch, die ich echt heftig und entfesselt von hinten gerammelt hatte. Ich dachte an ihren winzigen, runden Arsch und die beiden hervorstehenden Hüftknochen, an denen ich mich festgehalten hatte. Die krasse Vision beunruhigte mich. Irgendwas war mächtig falsch an diesem Bild. Ich wünschte mir, Sean würde damit aufhören.
„Wenn du dich da mal nicht irrst, Banton!" knurrte der Typ voller Hohn, ging zum Schrank und öffnete alle drei Türen. Bis auf die besagte Plastiktüte war der Schrank vollkommen leer. „Was auch immer...", murmelte ich abweisend. Mir fiel die wahrscheinliche Ursache wieder ein, aus der meine Kleidung sich in dieser Tüte befand, meine unwillkürlichen Entleerungen, von denen diese scheiß unfreundliche Krankenschwester gesprochen hatte. Das war mir unverändert entsetzlich peinlich. „Gib mal die Tüte, Sean, ich leg die einfach hier in die Tasche!" bat ich ihn hastig und drängend. Mir graute davor, dass er womöglich noch genauer nachsehen und die niederschmetternde Peinlichkeit entdecken würde. Blöderweise konnte Valmont sich aber das entwürdigende Vorkommnis sowieso schon denken. „Sag mal, warum zur Hölle trägst du eine Unterhose von Doktor Tourani? Hast du dich besoffen vollgeschissen, oder was?" grinste er spöttisch und warf mir die zusammengeknüllte Plastiktüte zu. Ich war viel zu lahm, um sie aufzufangen. Darum landeten meine verpackten Sachen ein Stück hinter mir auf dem Boden. „Kann sein das ich mich vollgeschissen habe", murmelte ich beschämt, „Ich hoffe mal, dass ich wenigstens nur gepisst habe." Mühsam streckte ich mich nach der scheiß Tüte, griff sie und pfefferte sie zornig in die Tasche. Zum Glück war sie blickdicht und fest zugedreht, sodass man von außen nichts sehen oder riechen konnte.
„Du bist so ein Trottel, Banton!" spottete Sean hämisch, „Du musst es aber auch pausenlos übertreiben!" Verärgert kam mir in den Sinn, dass das ja gestern schließlich auch ein verflucht harter Tag für mich gewesen war, an dem Sean Valmont auch nicht ganz unschuldig gewesen war. Ich hatte definitiv viele gute Gründe gehabt, um mich vollständig abzuschießen. Aber ich wollte mich nicht daran erinnern. Ich wollte nicht an diese Vergewaltigung im Stadtpark oder den Streit mit Sean und Eliza denken. Und mit Valmont darüber reden wollte ich schon gar nicht. Die Gefahr war zu groß, dass er wütend auf mich werden und dann womöglich ohne mich abhauen würde. Das konnte ich in dieser Situation unmöglich riskieren.
Ich fühlte mich unwohl, so nackt auf dem harten Boden. Mir war schrecklich kalt. Darum holte ich Valmonts durchlöcherte Jeans aus der Sporttasche und zog sie so schnell an, wie ich es hinbekam. Leider war das nicht besonders schnell, weil ich total sediert und ungeschickt war, mich in den Hosenbeinen verhedderte und der Stoff schmerzhaft an meiner Naht hängenblieb. Ich war wütend und verwirrt, weil mir plötzlich klarwurde, dass dieses ganze scheiß lästige Umziehen totaler Schwachsinn war. Ich hätte einfach Siamaks Jeans anbehalten sollen. Aber nun war es zu spät. Meine Ungeduld wuchs. Ich wollte endlich aus dem bedrohlichen Raum raus, in dem ich ohne Frage die mit Abstand allerschlimmsten Stunden der letzten Zeit verbracht hatte.
„Verdammt, Clay Banton, was zur Hölle hast du gemacht? Was ist letzte Nacht mit dir passiert? Hast du acid geschluckt, oder was?" fuhr Sean mich plötzlich mürrisch an. Verstörend aggressiv kam er vom Schrank her auf mich zu, während er mich forschend taxierte. Noch immer saß ich auf dem Boden und musste zu ihm aufsehen, was mir schlagartig nicht mehr gefiel. Meine Position war echt erniedrigend. Also knöpfte ich hastig die Jeans zu und bemühte mich, so flink wie möglich aufzustehen. Aber mir war blöd schwindelig, ich fühlte mich total betäubt, darum war das Aufstehen echt schwierig und ein wahrer Kraftakt. „Du weißt ganz genau, was letzte Nacht passiert ist!" blaffte ich den Mann impulsiv an, obwohl ich dieses Ereignis eigentlich gar nicht hatte erwähnen wollen. Aber seine jähe Unfreundlichkeit weckte meinen Unwillen. Darum rutschte mir das irgendwie heraus. Sean blieb wie vom Donner gerührt stehen und starrte mich entsetzt an. „Was?" keuchte er hilflos, „Wovon sprichst du denn?" „Ach nichts... ist schon gut...", lenkte ich schnell ein, weil mir einfiel, dass ich diesen Kerl unter keinen Umständen gegen mich aufbringen durfte. Ihm jetzt und hier die Vergewaltigung vorzuwerfen war wirklich keine gute Idee.
Er stand einfach dort und starrte mich an, während ich nur quälend langsam auf die Beine kam. Als ich es endlich geschafft hatte, konnte ich kaum gerade stehenbleiben. Meine Beine drohten nachzugeben. Alles schwankte vor meinen Augen. Fuck, ich habe keine Schuhe an, fiel mir entnervt auf. Meine nackten Füße waren mittlerweile eiskalt. Die fehlenden Schuhe bedeuteten, dass ich nochmal in die Knie gehen musste, um Valmonts zerfledderte Turnschuhe aus seiner Tasche zu holen. Das ging mir total auf den Sack, aber ich konnte es nicht ändern. Vorsichtig sank ich zurück auf meine Knie. „Ich habe kein acid genommen", erzählte ich dem wartenden Typen leise, „Ich bin einfach nur durchgeknallt. Keine Ahnung warum."
Eine Weile war es still, während ich die beiden Schuhe herauskramte und ungelenk anzog. Die Turnschuhe waren mir zu klein, aber ich quetschte meine Füße trotzdem da rein, weil ich keine Alternative hatte. Der Mann stand bewegungslos im Zimmer und beobachtete mich aufmerksam. „Ich glaube, du weißt genau warum", flüsterte er auf einmal und kam langsam näher. Behutsam ging er neben mir in die Knie und betrachtete mich fragend. Mein Herz fing heftig an zu hämmern, weil ich diese Unterredung nicht wollte. Die Ereignisse der verfluchten letzten Nacht hatte ich schon längst verdrängt. Und ich wollte mich bestimmt nicht an irgendwas erinnern. Warum fragen mich ständig alle danach?, dachte ich total verzweifelt. „Nein... ich habe das nicht... es ist einfach passiert...", stammelte ich abwehrend und konnte Sean dabei nicht ansehen. Verkrampft starrte ich auf die Turnschuhe und meine Hände. Meine Finger zitterten wie bescheuert. Darum bekam ich es einfach nicht hin, die blöden Schuhe zuzuschnüren.
Nochmal war es totenstill, während Sean mich konzentriert im Auge behielt und ich ziemlich hektisch mit den Schnürsenkeln kämpfte. Seine direkte Nähe machte mich noch nervöser. Eine Bedrohung ging von diesem Mann aus, die ich nicht näher definieren konnte. Ich wollte mich seiner Neugier irgendwie entziehen. Aber mir fiel nichts ein, wie ich ihm hätte entkommen können. Denn es stand nun mal fest, dass ich Herrn Valmont für meine Flucht aus der Psychiatrie dringend brauchte. „Ach... fuck... verdammt...", murmelte ich aufs Höchste gestresst, während ich fahrig an den Schnürsenkeln zerrte. Schließlich streckte Sean seufzend seine Hände aus und nahm mir die kleinen Bänder weg. „Lass mal, Clay. Ich mache das für dich", bot er sanft an und erledigte diese knifflige Aufgabe für mich. Seine unerwartete Hilfsbereitschaft weckte abrupt mein schlechtes Gewissen, obwohl ich nicht verstand warum.
„Tut mir leid, Sean", versicherte ich ihm völlig automatisch, während ich dabei zusah, wie seine akkurat manikürten Finger geschickt und schnell zwei Schleifen banden. Sean hob den Blick und sah mich ausdruckslos an. „Was tut dir leid, Clay Banton?" fragte er seltsam resigniert. „Ich weiß nicht... alles eben...", antwortete ich unbestimmt. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wovon ich eigentlich sprach. Mein irrer Kopf war völlig konfus. Ratlos schaute ich ihn an. Der gut aussehende Kerl saß nun dicht neben mir auf dem hellgrünen Boden und musterte mich eingehend.
Nach ein paar Minuten hob er zögernd seinen Arm, streckte behutsam die Hand nach mir aus und streichelte sanft über meinen Kopf. Tröstend und liebevoll strichen seine Finger durch mein Haar. „Ist schon gut, Clay. Mir tut es auch leid", meinte er ganz leise zu mir. Diesen Satz hatte ich noch nicht allzu oft von Mister Sean Valmont gehört. Darum starrte ich ihn völlig verblüfft an. Seine Augen glänzten auf eine unendlich traurige Art. Mir war gar nicht klar, wovon der Typ jetzt eigentlich sprach, obwohl mir unser brutaler Kampf und der fiese Akt im verschneiten Stadtpark irgendwo hinten in meinem Schädel noch allzu gegenwärtig war. Aber diese Gedanken waren schlagartig wie weggeblasen, als Sean meinen Kopf streichelte. Als seine langen, perfekt gepflegten Finger zärtlich durch meine verschwitzten Haarsträhnen fuhren, da schien plötzlich alles gut zu sein. Das fühlte sich nämlich verdammt gut an. Wie die unverhoffte Berührung eines vergebenden Engels. Er war gekommen, um mich hier rauszuholen. Mir war vergeben worden. Darum lächelte ich ihn einfach mal an.
Sean lächelte kläglich zurück. Der sonderbare Kerl kämpfte spürbar mit sich, was ich gar nicht zuordnen konnte. Ich hatte keine Ahnung, was nun kam oder was ich jetzt machen sollte. Ratlos saß ich dort. Der harte Boden unter mir war extrem unbequem. Mein Oberkörper war nackt. Mir war schrecklich kalt. Eine Weile sahen Valmont und ich uns nur an. Seine faszinierenden Augen erforschten mich fragend. Hinter seiner perfekten Stirn arbeitete es emsig. Er streichelte mich gedankenversunken. Bis der Mann sich plötzlich einen Ruck gab. „Es tut mir unglaublich leid, Clay. Ich weiß, dass du das nicht so leicht vergeben kannst. Das verstehe ich. Aber ich bereue es unendlich. Das hat mich fast kaputtgemacht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich danach gelitten habe. Ich fühle mich deswegen so schlecht, wie noch nie in meinem Leben. Ich bin sehr viel schuldiger, als ich ertragen kann. Darum wollte ich ehrlich sterben", beichtete er nervös und schluckte unbehaglich. „Ich habe ernsthaft versucht zu sterben, Clay Banton", setzte er leise krächzend hinzu.
Sean
„Wo fährst du hin, Valmont?" Clay, der bis gerade noch müde auf dem Beifahrersitz meines Jeeps mehr gelegen als gesessen hatte, richtete sich alarmiert auf. Angestrengt starrten seine dumpfen Augen aus der Windschutzscheibe, dann irritiert aus den beiden Seitenfenstern und nach hinten, in dem Bedürfnis sich zu orientieren. Allerdings war es inzwischen recht dunkel geworden, alles war verschneit, sodass es ihm offenbar schwerfiel, unsere derzeitige Position zu bestimmen. „Wo fährst du mich hin, verdammt?" wiederholte er unzufrieden. Seufzend warf ich meinem Mann einen Blick zu. Der überaus attraktive Doktor Siamak Tourani hatte mich, als er uns vorhin zum Ausgang der geschlossenen Psychiatrie begleitet hatte, nochmal inständig darum gebeten, seinen Patienten in nächster Zeit von harten Drogen fernzuhalten. Schon beim ersten Mal, als der scharfe Arzt diese Bitte an mich gerichtet hatte, war mir klar gewesen, wie nahezu unmöglich das werden würde. Der ernste Hinweis des Doktors, dass Clays Leben in Gefahr war, hatte mich allerdings stark beunruhigt.
„Sag mal, ist zwischen diesem Arzt und dir was gelaufen?" fragte ich den frisch entlassenen Psychiatriepatienten misstrauisch. Bewusst ließ ich seine Frage nach unserem Ziel unbeachtet. „Diesem Arzt? Von wem sprichst du denn, Sean Valmont?" erwiderte Clay träge grinsend. Seine Augen funkelten spöttisch im vorbeifliegenden Schein der Straßenlaternen. Ich hielt an einer roten Ampel und sah ihn vielsagend an, froh, dass es mir sofort gelungen war ihn abzulenken. „Du weißt von wem ich spreche, Clay", seufzte ich ungeduldig. Er lachte belustigt. „Meinst du vielleicht Doktor Siiaamaak Touuraanii?" Der ehemalige Patient stöhnte den Namen seines aufregend orientalischen Arztes so leidenschaftlich, als hätte er zeitgleich einen Orgasmus, was mich eigenartig antörnte und zu gleichen Teilen enorm eifersüchtig machte. „So wie der dich pausenlos angesehen hat, Clay. Und was für unglaubliche Sorgen der sich um dich macht. Das sprengt doch jeden normalen Rahmen zwischen Arzt und Patient. Ich glaube, der steht total auf dich. Da muss doch was zwischen euch gelaufen sein", bemerkte ich verstimmt. Clay lachte noch lauter. „Da ist lange nicht so viel gelaufen, wie ich mir gewünscht habe", gab er unbedacht zu. „Du stehst selber auf Siamak, nicht wahr, Sean? Der ist doch höllenscharf, oder?" neckte er mich abgelenkt.
Sein Blick huschte erneut zur Seitenscheibe. „Wo fährst du hin?" wollte er zum dritten Mal wissen. „Im Ernst, Clay? Du hast es im Krankenhaus mit deinem Doktor getrieben?" konnte ich mich nicht zurückhalten. Diese Vorstellung schien mir äußerst verwerflich zu sein. Außerdem kränkte sie mich extrem. Ich fühlte mich betrogen. Obwohl das zweifellos idiotisch war, wenn man Bantons ohnehin reges Sexualleben bedachte. Mein Mann gähnte herzhaft und schüttelte den Kopf. „Schwachsinn, Valmont. Wir haben gar nichts getrieben", murmelte er, plötzlich sichtbar vom Thema gelangweilt. „Du weißt, dass ich nach Hause muss, oder?" vergewisserte er sich im nächsten Moment argwöhnisch.
Ich hatte es ihm zwar mit einem Nicken zugesagt, hatte jedoch nicht vor, den bei weiterem Drogenkonsum laut ärztlicher Anweisung in Lebensgefahr schwebenden Mann in seiner Wohnung abzuliefern. Mir war klar, dass er sich sofort Heroin besorgen würde, sobald ich ihn allein ließ. Stattdessen wollte ich ihn mit zu mir nehmen und dort achtsam auf ihn aufpassen. Leider war das nicht so einfach, wie ich es mir gewünscht hätte.
Die Ampel sprang auf grün. Konzentriert gab ich Gas, als Clay plötzlich aufschrie: „Fuck, Sean Valmont! Du hättest hier abbiegen müssen!" Aufgeregt trommelte er gegen sein Seitenfenster. „Wir müssen da lang, verdammt!" rief er aufgebracht. Dummerweise kapierte er langsam, dass ich nicht auf dem Weg zu seinem Zuhause war, sondern die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hatte. „Beruhige dich, Clay", seufzte ich ungehalten, „Sei doch bitte einmal in deinem Leben vernünftig!" „Fahr mich sofort nach Hause, Sean!" verlangte der gänzlich Unvernünftige drohend, „Ich hasse es, wenn du mich anlügst!" „Clay!" stöhnte ich müde, „Ich will dir doch nur helfen!" „Du hilfst mir nicht, wenn du mich anlügst. Du hast versprochen, dass du mich nach Hause fährst", beschwerte er sich bitter.
Kurzentschlossen betätigte ich den Blinker und hielt am Straßenrand an, um mich gefahrlos meinem widerspenstigen Mann widmen zu können. Clay nestelte bereits an seinem Gurt herum, weil er wahrhaftig aussteigen wollte. Der Leichtsinnige trug nur meine löcherige Jeans am Leib, mein T-Shirt und meine alten Turnschuhe sowie meine viel zu dünne Sweatjacke. Banton hatte noch nicht einmal Socken an, weil ich vergessen hatte ihm welche mitzubringen. Seine Garderobe war definitiv zu wenig wärmend, um lange in der Kälte draußen herumzulaufen. Die Temperatur außerhalb meines Autos betrug einige Grade unter Null. Innerhalb des Jeeps lief die Heizung auf Hochtouren.
„Ich habe dir nichts versprochen, Clay. Ich habe nur nicht widersprochen, als du gesagt hast, dass du nach Hause willst", verbesserte ich ihn ruhig. „So gesehen habe ich dich noch nicht mal angelogen", stellte ich richtig. „Hör auf mit dieser scheiß Haarspalterei", verlangte er genervt. Er schaffte es mit seinen zitternden Fingern nicht, den Sicherheitsgurt zu lösen. Nach einigem hektischen Herumfummeln brach er den Versuch ab. Stöhnend sank er auf seinem Sitz zurück und streckte die langen Beine weit aus. „Shit, Valmont! Ich kann jetzt nicht nach Hause laufen. Das schaffe ich nicht mehr", wurde ihm endlich auch klar. Auf einmal wirkte er sehr erschöpft. „Du musst nicht nach Hause laufen, Clay", versicherte ich ihm sanft. „Wir fahren zu mir, ja? Ich mache uns etwas zu Essen. Wir werden einen schönen Abend zusammen verbringen, okay?" stellte ich ihm hoffnungsvoll in Aussicht. Langsam drehte er den attraktiven Kopf zu mir. Sein Grinsen war sehr betrübt. „Ich weiß genau, wie du dir einen schönen Abend mit mir vorstellst, Sean Valmont. Aber ich kann jetzt nicht ficken. Das kriege ich nach all dem Stress nicht mehr hin, glaub mir", seufzte er geknickt. Vor Verlegenheit wurde mir ganz heiß. „Darum geht es doch gar nicht", behauptete ich kopfschüttelnd. „Darum geht es immer", widersprach Clay ruhig, und höchstwahrscheinlich hatte er sogar recht. Eine Weile war es still, während ich verwirrt über seine Aussage nachdachte.
„Du verstehst das nicht!" beschwerte Clay sich plötzlich traurig, „Du hast keine Ahnung, was ich in der Psychiatrie durchgemacht habe! Die haben mich einfach nicht in Ruhe gelassen. Immer tiefer haben die in mich reingebohrt. Und vorher haben sie mich stundenlang nicht beachtet. Ich war an das scheiß Bett gefesselt, Sean. Ich hatte einen Affen. Das waren die schlimmsten Stunden meines Lebens!" Seine Stimme zitterte. Unbehaglich schluckte ich, als ich ihn mitfühlend ansah. Mein Mann sah sehr müde aus. Die Medikamente hatten ihn ruhiggestellt, aber seine Seele tobte innerlich. Das konnte ich ihm deutlich ansehen. „Du kannst dich bei mir ausruhen", flüsterte ich drängend, „Ich passe auf dich auf, Clay." „Aber ich will mich jetzt nicht ausruhen!" begehrte Clay ärgerlich auf, „Ich brauche keinen scheiß Aufpasser, Valmont!"
Sein Körper fuhr auf dem Sitz hoch. „Die ganze Zeit habe ich mich auf einen Chinesen gefreut. Der Gedanke an shore war der einzige, der mich da drin am Leben gehalten hat", behauptete er ernsthaft. „Tourani meint, du könntest sterben, wenn du jetzt noch mehr Drogen nimmst", warf ich leise ein. Clay blies spöttisch Luft aus. „Was weiß der denn schon? Der weiß überhaupt nichts von mir! Der küsst mich und schiebt mich im nächsten Moment von sich weg!" entfuhr es ihm entrüstet. Verblüfft riss ich die Augen auf. „Er hat dich geküsst?" fragte ich ungläubig. Clay grinste dreckig. „Nicht nur einmal. Und dann hat er es sich jedes Mal plötzlich anders überlegt und mich weggeschubst", meinte er knurrig.
Ratlos sah ich ihn an. Das Verhalten seines Doktors erschien mir äußerst fragwürdig zu sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, was da zwischen dem Arzt und seinem Patienten konkret abgelaufen war. Aber dass es nicht in Ordnung gewesen war, dürfte wohl klar sein. „Tut mir leid, Clay", versicherte ich meinem Mann mitfühlend. Ein gerührtes Lächeln erschien auf seinem müden, verheulten Gesicht. „Das ist doch nicht deine Schuld, Sean Valmont", meinte er gutmütig. Ich streckte meinen Arm aus und streichelte sachte über seinen linken Oberschenkel, der mir am nächsten war. Clay beobachtete meine Hand reglos. „Bitte, Sean! Bitte fahr mich nach Hause, ja? Ich möchte nur ein paar Chinesen rauchen. Nur ganz wenig. Ich brauche das jetzt unbedingt, verstehst du? Die ganze Zeit habe ich mich nur an der Aussicht festgehalten, einen scheiß Chinesen zu rauchen, sobald ich wieder zu Hause wäre", redete er flehend auf mich ein. Seine Stimme bebte. Er musste sich anstrengen, um nicht in Tränen auszubrechen. Fahrig wischte er sich mit den Fingern über die feucht werdenden Augen. Es brach mir das Herz, meinen geliebten Mann so traurig zu erleben. Clay Banton wirkte gänzlich besiegt.
„Ich habe Angst um dich, Clay", flüsterte ich so zaghaft, dass seine Augen sich verengten, weil er nicht sicher war mich richtig zu verstehen. „Du hast Angst um mich?" fragte er sofort nach. Ich nickte mit zugeschnürter Kehle. „Ich will nicht, dass du stirbst", vertraute ich ihm meine geheimsten Ängste an. Mit klopfendem Herzen beobachtete ich seine Reaktion. Sein Gesicht verzog sich gequält. Clay zog hörbar Luft ein. Sein Körper wand sich unbehaglich auf seinem ergonomischen Beifahrersitz, sodass ich meine streichelnde Hand verunsichert von seinem Oberschenkel wegnahm. „Und das sagt Mister 'Ich habe versucht zu sterben' zu mir", warf er mir spöttisch vor. Unerwartet hart getroffen schloss ich die Augen. Es war ein riesengroßer Fehler von mir gewesen, ihm von meinem stümperhaften Selbstmordversuch im Wald zu erzählen. Diese Information hatte Clay zutiefst verstört. Er kannte es nicht von mir, dass ich derart schwach und unvernünftig war. „Es tut mir leid, Clay. Ich hätte dir das nicht erzählen dürfen", lenkte ich schuldbewusst ein. „Du hättest das nicht versuchen dürfen, Sean Valmont!" entgegnete er heftig, „Wie soll ich denn damit weiterleben, wenn du dich wegen mir umgebracht hast, hä? Wie stellst du dir das vor? Das geht gar nicht! Das würde mich total kaputtmachen!"
Sofort meldete sich mein schlechtes Gewissen. Spontan fasste ich einen reuevollen Entschluss. „Na gut, Clay. Wir fahren kurz bei dir zu Hause vorbei. Aber danach kommst du mit zu mir. Okay?" bot ich ihm schweren Herzens an, auch im Bedürfnis, das unangenehme Thema zu wechseln. Seine Miene erhellte sich augenblicklich. „Na klar, Sean. Alles was du willst, echt. Aber bitte fahr mich jetzt endlich nach Hause", bat er aufgeregt. Seine Augen glänzten in prompter Vorfreude auf das Heroin, das offenbar in seiner Wohnung auf ihn wartete. Seufzend wandte ich mich zurück ans Steuer, machte einen U-Turn und fuhr durch den abendlichen Berufsverkehr in die entgegengesetzte Richtung. Unser Weg führte uns weit hinaus aus der Stadt. Eine Weile war es ganz still im Auto. Mein Herz pochte, weil ich mir nicht sicher war, das Richtige zu tun.
„Ich muss dir was sagen, Clay...", fing ich schließlich unbehaglich an, als ich mich plötzlich an den verstörenden Bericht erinnerte, den Kim Flint dem Doktor und mir in diesem Wartezimmer abgeliefert hatte. Die kleine Lügnerin hatte uns genau erzählt, wie der gestrige Abend mit Clay aus ihrer Sicht verlaufen war. Womöglich war doch nicht alles gelogen, was sie behauptet hat, dachte ich unwohl. Clay, der sich nach eigenen Angaben nicht an diese Vorfälle erinnerte, hatte sich weit zurückgelehnt und die Beine ausgestreckt. Er kannte mich gut genug, um mir mein Unwohlsein sofort anzumerken. Misstrauisch warf er mir einen Seitenblick zu. „Was musst du mir unbedingt sagen, Sean?" wollte er skeptisch wissen. „Kim hat behauptet, dass du gestern deine Einrichtung zertrümmert hast. Also erschrecke dich nicht, wenn du gleich in deine Wohnung kommst", warnte ich ihn vorsichtshalber. Der ehemalige Psychiatriepatient riss schockiert die Augen auf. „Was? Fuck, Mann!" entfuhr es ihm alarmiert. „Vielleicht stimmt das ja auch gar nicht...", wiegelte ich ab, hatte aber auf einmal das Gefühl, dass diese Information wahrscheinlich der Wahrheit entsprach. Warum sollte das Mädchen sich so was ausdenken?, zweifelte ich. „Das ist übel, Mann...", stöhnte Clay verärgert. Nervös wischte er sich mit den Fingern über die Augen und über das Gesicht. Sein Körper wand sich unbehaglich im engen Gurt des Beifahrersitzes.
Im nächsten Moment betrachtete er mich voller Argwohn. „Was hat Kimberly dir noch erzählt?" wollte er aufhorchend wissen. Ich seufzte. „Sie hat dem Doktor und mir alles erzählt, Clay", berichtete ich ihm leise. Mein Herz schlug härter bei der Erinnerung daran, wie mein Mann sich laut Flint am vorherigen Abend aufgeführt hatte. Was für ein aggressives Monster er geworden war, das niemand mehr geschafft hatte zu bändigen. Nur mit starken Medikamenten war es den Ärzten letztendlich gelungen ihn ruhigzustellen. Diese Vorstellung tat mir weh. Unverändert hatte ich das quälende Gefühl, die größte Schuld an diesen Vorfällen zu tragen. Meine brutale Vergewaltigung hatte Clay Bantons Seele kollabieren lassen. „Was alles?" horchte der Isländer ungeduldig nach. Erneut richtete er sich auf und taxierte mich. Seine Hände strichen nervös über seine Oberschenkel. Je länger wir gemeinsam in meinem Jeep saßen, umso unruhiger wurde der junge Mann. Das Heroin hatte erneut seine Krallen nach ihm ausgestreckt, zerrte an ihm und ließ ihn nicht mehr los. Vielleicht verloren auch die Sedativum, die man ihm in der Psychiatrie in Mengen verpasst hatte, langsam ihre betäubende Wirkung.
„Kim hat uns haarklein berichtet, was gestern in deiner Wohnung passiert ist", eröffnete ich meinem Beifahrer, „Sie hat uns von der Dusche erzählt..." „Ja, die Dusche. War ja klar", stöhnte Clay angewidert, der sich an diesen Teil eindeutig erinnerte, und drehte sich abrupt von mir weg. Unruhig starrte er aus dem Seitenfenster, als wollte er am liebsten während der Fahrt aussteigen. Das machte mir große Sorgen, weil ich ihm diese gefährliche Unvernunft durchaus zutraute. „Clay...", sagte ich leise und streckte die Hand nach ihm aus. Meine Finger berührten seine Schulter, aber er entzog sich mir, darum nahm ich meinen Arm wieder zurück. Seufzend legte ich beide Hände aufs Lenkrad.
„Wie konntest du nur so dumm sein, Banton? Flint sollte nun wirklich tabu für dich sein", musste ich ihm vorwerfen. „Du weißt doch, dass ich ein Idiot bin!" knurrte er trotzig, aber ich überging das. „Weißt du, ich habe dieses Mädchen total zur Sau gemacht. Ich habe sie übelst beschimpft und die Kleine in Grund und Boden gerammt", erzählte ich ihm reuevoll. Die Erinnerung an meine heftige Auseinandersetzung mit dem Kind allein im Warteraum zog mir die Eingeweide zusammen. Möglicherweise war ich da ein bisschen zu weit gegangen. Ich hatte die sehr junge Frau nicht nur extrem eingeschüchtert, sondern sie auch herbe beleidigt. Clay platzte laut mit einem Lachen heraus, das allerdings höchst verzweifelt klang. „Was hast du gemacht? Die Kleine in Grund und Boden gerammt? Na, da warst du aber nicht sehr erfolgreich, Valmont. Dafür war Kimberly nämlich noch erstaunlich quicklebendig", spottete er lauthals.
„Verdammt, Clay! Was ist das nur mit dieser Frau? Was hast du bloß mit der? Die behauptet ernsthaft, du würdest sie lieben! Sie meint, du hättest ihr verziehen! Wie kannst du nur so etwas tun, wo die Fotze dich doch beinahe getötet hat", fuhr es verständnislos aus mir heraus, „Hast du das etwa schon vergessen?" Fassungslos warf ich ihm einen Blick zu. Clay sank in sich zusammen. „Du musst vorsichtig mit Kimberly sein, Sean. Die sieht zwar nicht so aus. Aber sie ist eine verdammt mächtige Hexe", warnte er mich völlig ernsthaft, ohne meine drängenden Fragen zu beantworten. Spöttisch blies ich Luft aus. „Schwachsinn, Banton! Kim Flint ist einfach nur ein kleines Kind, das eine viel zu große Phantasie hat!"
Er antwortete nicht. Seine Finger malten traurige Smileys auf die Seitenscheibe. Obwohl die Figuren unsichtbar blieben, ärgerte es mich, weil ich Fingerabdrücke auf den Fenstern meines Jeeps nicht hinnehmen konnte. „Hör auf damit!" tadelte ich ihn sofort. Unbehaglich stöhnend nahm er seine Hand herunter. „Hast du eine Kippe für mich?" fragte er genervt. „Du hast doch gerade erst eine geraucht!" erwiderte ich verständnislos. Sobald wir nebeneinander aus dem Haupteingang des Krankenhauses getreten waren, hatte Clay Banton mich gierig um eine Zigarette gebeten. Auf dem Weg zu meinem auf dem Parkplatz abgestellten Jeep hatten wir beide eine geraucht. „Na und?" stöhnte Clay angefressen, ließ es aber gut sein. Ich wollte sowieso nicht, dass er in meinem Auto rauchte.
Nochmal war es eine Weile ruhig im Wagen, während ich mich auf die gefährlich vereiste Straße konzentrierte. Je weiter wir aus der Stadt herauskamen, umso weniger waren die Straßen vom Schnee geräumt worden. Meine Nervosität stieg rapide an, als ich Clays steigende Ungeduld registrierte. Sein Körper bewegte sich zunehmend ruhelos neben mir. Die unveränderte Ungewissheit in meinem Herzen fand ich unerträglich.
„Was hast du gemacht, Clay? Was für einen Dreck hast du genommen? Jetzt sag es mir doch, um Himmels Willen! Kim hat uns doch längst alles erzählt, wie du in der Dusche plötzlich durchgedreht bist und all das. Wie aggressiv du geworden bist. Wie exzessiv heulend du in der Ecke gesessen hast. Das passiert doch nicht einfach so mit dir, Clay. Das muss doch einen Grund haben. Du kannst mir nichts vormachen, Banton! Ich kenne dich viel zu gut. Du hast irgendwas geraucht, Mann! Jetzt gib das doch endlich zu! Was war es, hä? War es PCP? Crystal Meth?" konnte ich mich plötzlich nicht mehr zurückhalten. „Hör auf!" schrie Clay mich sofort zornig an, „Lass mich in Ruhe damit! Ich will das nicht mehr hören! Das kotzt mich total an, dass alle mich ständig danach fragen!" Seine schöne Stimme überschlug sich fast vor abrupt aufgescheuchtem Widerwillen. Tief atmete ich durch, um ruhig zu bleiben. „Das geht nicht, Clay. Ich kann dich damit nicht in Ruhe lassen. Das ist viel zu wichtig, Mann! Das ist zu heftig, das kannst du nicht einfach übergehen und so tun, als wäre gar nichts passiert!" entgegnete ich verzweifelt.
Clay schrie wütend auf, hakte jäh seine Finger in den Griff und öffnete während der Fahrt die Beifahrertür. Eisiger Wind überflutete das Wageninnere. „Spinnst du?!" fuhr ich ihn an und latschte erschrocken instinktiv auf die Bremse. Zum Glück waren wir mittlerweile außerhalb der Stadt angekommen, sodass wir uns allein auf der Landstraße befanden. Nur aus diesem Grund fuhr mir bei meinem plötzlichen Bremsmanöver niemand hinten drauf. „Ich warne dich, Valmont! Ich steig aus, wenn du nicht aufhörst!" drohte Clay lauthals und fummelte aufs Neue hektisch an seinem Gurt herum. „Mach sofort die Tür zu!" befahl ich ihm entnervt, „Du hast sie doch nicht mehr alle!" „Hast du das auch schon gemerkt?" höhnte Clay und funkelte mich aufgebracht an, „Ich bin total durchgeknallt! Hast du schon vergessen, wo du mich gerade abgeholt hast?" Seine Stimme klang verbittert. „Nein, das stimmt doch gar nicht", sagte ich hilflos, „Du hattest eine schwere Nacht, aber du bist doch nicht verrückt, Clay." „Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher", erwiderte er schon viel leiser.
Er drehte den Kopf weg und blickte sehnsüchtig aus der offenen Tür auf ein freies, verschneites Feld, das im Dunklen grau wirkte. „Mach bitte die Tür wieder zu!" forderte ich ihn behutsam auf und war froh, als er schließlich gehorchte. Zufällig standen wir mitten im Nirgendwo, weit außerhalb der Innenstadt. Es war nicht mehr weit bis zu Clays Wohnung. Die ersten Gebäude des einzigen Gewerbegebietes in unserer Gegend würden bald am Horizont auftauchen. Plötzlich hatte ich Angst vor dem, was uns in Bantons Zuhause wohl konkret erwarten würde.
„Bist du sicher, dass du das jetzt verpacken kannst, falls deine Wohnung ein Trümmerfeld ist?" fragte ich ihn vorsichtig. Er stöhnte leise und schloss intuitiv abwehrend die Augen. Es war offensichtlich, dass ihm der Gedanke absolut nicht gefiel. „Das ist mir egal, Sean. Ich hoffe nur, dass meine shore noch da ist. Ich will jetzt nämlich Chinesen rauchen", erklärte er trotzig. Fassungslos sah ich ihn an. „Es ist dir nicht egal, Clay. Du würdest deine Wohnung niemals freiwillig zerstören. Die hast du dir nämlich selbst verdient und sie mit deinem Herzen aufgebaut. Das bedeutet dir alles was, was du hier erreicht hast", versuchte ich ihm einzureden, weil ich mir das selbst dringend wünschte. Aber er schüttelte heftig den Kopf. „Das bedeutet einen Scheiß, Valmont! Nichts bedeutet was. Nichts ist ewig. Alles hört irgendwann wieder auf!" sprach er in Rätseln. Ich fühlte mich vor den Kopf gestoßen und musterte ihn schweigend. Mein geliebter Mensch sah so resigniert, erschöpft und verletzt aus, dass sich meine Kehle zuschnürte.
„Fahr schon weiter!" forderte er mich nach einer Minute ungeduldig auf. Er öffnete seine schönen Augen, taxierte mich und machte eine auffordernde Handbewegung. Ich tat ihm den Gefallen, fühlte mich aber unwohler, je näher wir seinem Zuhause kamen. Langsam fuhren wir über die verschneite Landstraße unserem Ziel entgegen.
„Ich hätte nie gedacht, dass du mit diesem brutalen Weib schlafen würdest, Clay. Ich hätte nie vermutet, dass du im Krankenhaus mit deinem Arzt rummachst. Und ich hätte auch nie geglaubt, dass du nochmal PCP oder Meth rauchen würdest", zählte ich ihm traurig auf. „Tja, vielleicht kennst du mich eben doch nicht so gut, wie du glaubst", zischte Clay mit höchst aggressivem Spott, was mir ziemlich wehtat. Er hat sich doch irgendein teuflisches Zeug eingefahren, vermutete ich verzweifelt. Das war meine Schuld, dachte ich reuevoll, er hat das wegen der Sache im Stadtpark gemacht. Clay konnte das nicht ertragen, was ich in dem Gebüsch mit ihm angestellt habe. Darum hat er nach einem Ausweg gesucht. Er hat in dem Teufelszeug Erleichterung gesucht, so wie er es eigentlich immer tut. Er macht das schon instinktiv. Aber diesmal hat er definitiv die falsche Droge konsumiert. Es war ihm egal, weil ich ihn kaputtgemacht habe. Sein Körper und seine Seele haben das nicht mehr mitgemacht. Es hätte leicht tödlich für ihn enden können. Und ich allein habe das zu verantworten. Am liebsten wollte ich anfangen zu weinen.
Plötzlich richtete Clay seine Aufmerksamkeit ausweichend auf die Armaturen meines Wagens. „Warum ist es hier drin überhaupt so leise? Hast du denn keine Musik?" fauchte er genervt, weil er die angespannte Stille im Wagen und vor allem meine Fragen zweifellos nur schwer ertragen konnte. Aggressiv fing er damit an, wahllos auf den Knöpfen meines Radios herumzuhämmern. Das mochte ich nun überhaupt nicht. Ich schlug ihm auf die unkoordinierten Finger. „Hör sofort auf, Clay! Fass das nicht an!" wies ich ihn schroff zurecht, weil ich Angst hatte, dass er in seinem Zorn etwas kaputtmachen würde. Der freche Kerl schaltete trotzdem das Radio ein. Weil mein bevorzugter Sender eingestellt war, ertönte plötzlich die Ouvertüre zu Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart in voller Lautstärke aus den Lautsprechern im Innenraum des Jeeps. Clay lachte hämisch auf und schüttelte sich voller Abscheu. „Shit, Valmont! Das hätte ich mir denken können. Du und deine scheiß klassische Musik. Das ist total ätzend!" kommentierte er nicht zum ersten Mal abfällig meinen Musikgeschmack. Hastig schaltete er die Ouvertüre wieder aus. Ich war froh, als er das Radio danach in Ruhe ließ.
„Lenk nicht immer ab, Clay!" beschwerte ich mich aufgewühlt, „Du kommst aus dieser Nummer nicht so einfach wieder heraus. Ich lass dich damit nicht in Ruhe, bis ich die Wahrheit erfahren habe." „Ich dachte Kimberly hätte dir schon alles erzählt", höhnte er. Sein Blick von der Seite war voller Verachtung. „Ja, sie hat dem Doktor und mir viel erzählt. Aber weiß ich denn, ob das Weib uns die Wahrheit gesagt hat?" gab ich zu bedenken, woraufhin Clay böse auflachte. „Ja, das weißt du nicht, Herr Valmont. Hat sie die Wahrheit gesagt? Hat sie euch angelogen? Das ist das große Rätsel der Menschheit", kicherte er unglücklich. „Clay...", stöhnte ich hilflos, „Warum sagst du es mir nicht einfach?" „Fuck, was soll ich dir sagen?" knurrte er entnervt, „Das ich mich nicht erinnern kann? Das weißt du doch schon, oder?" Abermals musste ich tief durchatmen. Mir fiel auf, dass meine Hände sich verkrampft um das Lenkrad gekrallt hatten. Die Knöchel traten weiß hervor. „Das glaube ich dir nicht, Clay. Du kannst dich an sehr viel mehr erinnern, als du zugibst. Ich glaube, du weißt ganz genau, warum das mit dir passiert ist. Du bist der einzige, der genau weiß, was da mit dir los war. Es hat nämlich einen konkreten Grund, warum du ausgerechnet beim Sex in der Dusche die Kontrolle über dich verloren hast", tastete ich mich vorsichtig vor, während ich ihn so gut im Auge behielt, wie es beim gleichzeitigen Steuern des Jeeps gefahrlos möglich war. Mit klopfendem Herzen wartete ich nervös auf seine Antwort.
Vielleicht hatte der Kerl schon die ganze Zeit verstohlen am Verschluss gefummelt, ohne dass es mir richtig bewusst geworden war. Jedenfalls löste mein Beifahrer zu meinem Schrecken plötzlich seinen Sicherheitsgurt und befreite sich umständlich davon. „Schnall dich wieder an!" fuhr ich ihn erschrocken an. Eilig griff ich zu ihm hinüber, um ihm den Gurt wegzunehmen und ihn sicherheitshalber wieder einzuhaken. Aber Clay wehrte sich dagegen und schlug ziemlich feste auf meinen Arm. „Nein, Valmont, ich hau jetzt ab hier. Ich hab dich gewarnt. Ich steig jetzt aus", kündigte er wütend an. Seine rechte Hand war schon wieder am Türgriff, um die Tür bei voller Fahrt zu öffnen. „Hör damit auf, verdammt!" rief ich gestresst, „Jetzt reiß dich doch zusammen, Clay! Sei doch bitte einmal in deinem Leben vernünftig!" „Fick dich, Valmont!" brüllte er so laut, dass seine Stimme mir in den Ohren wehtat, „Ich muss mir das nicht länger anhören! Es ist toll, dass du mich abgeholt hast. Aber deshalb muss ich mich nicht pausenlos von dir provozieren lassen. Lass mich in Ruhe! Ständig machst du mich blöd von der Seite an, behauptest Dinge, die nicht wahr sind, redest von LSD und PCP und Crystal Meth und was weiß ich für'n Mist. Ich nehme kein scheiß chemisches Zeug mehr! Das kannst du mir nicht vorwerfen, verdammt!" Seine Augen durchbohrten mich anklagend.
Geschockt trat ich auf die Bremse und starrte verblüfft durch die Windschutzscheibe nach vorne. Inzwischen waren wir in dem Gewerbegebiet angekommen, in dem Clays Haus stand. Der Jeep befand sich ganz am Anfang der Straße, in der Banton wohnte. Im Licht der Scheinwerfer und wenigen Straßenlaternen erkannte ich zu meiner Verwunderung eine kleine Gruppe fremder Leute, die sich zweifellos direkt vor Clays Hauseingang versammelt hatte. Im ersten Moment konnte ich damit nichts anfangen. Um diese Uhrzeit war die Gegend normalerweise nicht derart bevölkert. Es gab hier nichts, was Menschen angelockt hätte. Dann dämmerte mir langsam, dass dieses unwillkommene Interesse an Clay wohl noch immer mit Bennet's Blog zusammenhing. Extrem genervt stöhnte ich auf.
„Tu nicht so genervt!" fauchte Clay sofort fassungslos. Er hatte die Ansammlung vor seinem Haus noch nicht bemerkt, weil er mich gerade inbrünstig mit den Augen tötete. „Wenn einer genervt sein darf, dann bin das ja wohl ich! Du bist es doch, der mir ständig diesen Scheiß vorwirft! Ich rauche keine Chemie mehr! Das ist nicht mein Stil, Sean Valmont! Aber du! Du bist derjenige von uns, der sich massenhaft chemisches Zeug reinknallt!" Der mächtig Aufgeregte sprach von dem gebaseten Kokain, das ich erst gestern in der Tat übermäßig konsumiert und damit die ganze schreckliche Katastrophe ausgelöst hatte. Leider hatte Clay recht, aber ich wollte daran nicht erinnert werden. Dieses Thema behagte mir nicht. Außerdem hatten wir plötzlich ein anderes, irritierendes und gänzlich unerwartetes Problem.
„Wir können nicht in deine Wohnung, Clay", informierte ich ihn unbehaglich, weil mir schon klar war, wie wenig ihm das gefallen würde. Seine grün-braunen Augen weiteten sich innerhalb von Sekunden zwischen Unglauben, Fassungslosigkeit und Entsetzen. Seine Hand suchte prompt den Türhebel, um auf der Stelle aus dem Auto zu flüchten. Hastig griff ich hinüber, packte ihn irgendwo an der Jacke und riss ihn heftig zurück, bevor er die Tür öffnen konnte. „Bleib hier!" befahl ich ihm schroff, „Du kannst jetzt nicht aussteigen, Clay!" „Bist du total bescheuert, Sean? Wir sind doch fast da! Ich steig jetzt aus!" widersprach er schrill. Das trotzige Kind wollte unbedingt aus dem Wagen raus. Unsichtbare Stahlseile zogen den Süchtigen zum Heroin hin. Mit aufkommender Panik krallte ich meine Finger fest in seine Jacke und in seinen Arm, um ihn festzuhalten. Wir kämpften im Inneren meines Jeeps. Er schrie und wehrte sich heftig gegen mich. „Lass mich los!" verlangte er böse, „Du musst mich sofort loslassen!" „Sieh doch hin, verdammt! Da stehen über fünfzig Leute vor deinem Haus!" erklärte ich ihm und deutete mit den Augen in die entsprechende Richtung.
„Was ist?" Clays Kopf fuhr schockiert herum. Verwirrt stierte er durch die Windschutzscheibe und zuckte verstört zusammen, als er die Gegebenheiten erfasst hatte. „Fuck!" fluchte der Typ ratlos. Aufgewühlt rang er nach Luft. „Was wollen die hier? Was zur Hölle bedeutet das, Sean?" fragte er mich, im nächsten Moment plötzlich kleinlaut. Endlich gab er seine Gegenwehr auf, sodass ich ihn zögernd losließ. Stattdessen duckte der Ängstliche sich tief, verkroch sich förmlich auf seinen Sitz, damit die Menschen vor seinem Haus ihn im Jeep nicht sehen konnten. Einige waren schon auf das Auto mit den hellen Scheinwerfern am Ende der Straße aufmerksam geworden und schauten neugierig zu uns herüber. Durch ihre dicke Winterkleidung konnte man ihr Geschlecht teilweise nicht eindeutig erkennen. Ich tippte aber auf überwiegend weibliche Fans des neuen Internet-Stars Clay Banton. Es war mühsam, meine spontane Eifersucht und den Neid im Zaum zu halten.
„Da kommen wir jetzt nicht unbemerkt rein, Clay. Das gibt den totalen Aufruhr, wenn du da hingehst. Lass uns lieber zu mir fahren", schlug ich flehend vor und fixierte ihn vielsagend. Aber mein Reisegefährte schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, das geht nicht. Ich muss da rein. Ich will shore rauchen", heulte er beinahe, „Ich halte das nicht mehr aus, Sean. Mir geht's beschissen. Seit ich heute Morgen aufgewacht bin, geht es mir total beschissen. Die haben mich in dem scheiß Krankenhaus total fertiggemacht." Voller Mitgefühl betrachtete ich ihn, wie er hilf- und ratlos auf dem Beifahrersitz lag und mich defensiv anflehte. In seinen müden Augen schwammen neue Tränen. „Das ist so unfair!" beschwerte er sich bitter, „Jetzt bin ich endlich fast zu Hause und dann so'n Scheiß!" Ich lächelte gerührt. „Naja, das ist eben der Preis für deinen unverhofften Ruhm", bemerkte ich betont locker. Er schnaufte abfällig. „Was für ein Ruhm?" keuchte er unwillig, „Was wollen die denn bloß von mir?" „Du bist berühmt, Clay Banton. Die warten auf dich, weil sie dich im Blog gesehen haben", informierte ich ihn gutmütig. „Die sind alle scharf auf dich", setzte ich neckend hinzu, obwohl mir der Gedanke nicht gefiel. „Verdammt!" fluchte er schon wieder, „Ich will jetzt aber nicht! Ich schaff das jetzt nicht, Sean." „Das ist denen doch egal, Clay. Die wollen dringend ihren Online-Star treffen", sagte ich spöttisch und schaute wieder nach vorn. „Womöglich warten die schon seit etlichen Stunden auf dich", bemerkte ich nachdenklich.
Zu meinem Schrecken hatten sich etwa zehn Leute in unsere Richtung aufgemacht, um den rätselhaften Wagen am Ende der Straße neugierig in Augenschein zu nehmen. „Wir müssen hier weg, bevor sie dich erkennen", warnte ich Clay nervös. „Fuck! Scheiße!" entfuhr es ihm gestresst. Ein paarmal schlug er impulsiv zornig mit der Faust auf die Sitzfläche neben seinen Schenkeln, bis ich ihn verärgert daran hinderte.
Plötzlich fiel mir etwas anderes ein, was idiotischerweise keiner von uns beiden zuvor bedacht hatte. „Sag mal, Clay, hast du denn überhaupt den Schlüssel zu deiner Wohnung?" fragte ich ihn misstrauisch. Meine Augen glitten prüfend über seinen halbwegs liegenden Körper. Der ehemalige Patient trug lediglich die Kleidung, die ich ihm von zu Hause mitgebracht hatte. Nur seine Unterhose gehörte Doktor Siamak Tourani, der Rest stammte aus meinem Kleiderschrank. Ich konnte mich nicht erinnern, dass der Isländer in der Psychiatrie persönliche Sachen bei sich gehabt hatte.
Clay stöhnte so schockiert auf, als hätte ich ihn überraschend geschlagen. Hastig schloss er abwehrend die Augen. Seine zitternden Hände legten sich schützend über sein Gesicht, als wollte er sich dahinter verstecken. „Keine Ahnung, Sean", jammerte er so leise hinter seinen Handflächen, dass ich ihn kaum verstand. „Du hast gar keinen Schlüssel?" fuhr ich ihn fassungslos an. In Wahrheit war ich froh darüber, weil es bedeutete, dass wir nun letztendlich doch zu mir fahren mussten. Ich würde meinen lange vermissten Mann mit in mein Haus nehmen. Wir würden in meinem Zimmer allein sein. Er würde mir gehören. Und wäre damit ganz weit weg vom Heroin. „Ich weiß nicht...", schluchzte Banton verzweifelt, was mir abrupt sehr naheging, „Ich kann mich nicht erinnern, Sean."
Mein bedauernswerter Mann war ehrlich am Boden zerstört. Der Dummkopf nahm die Hände vom Gesicht und nestelte wahrhaftig hektisch in den Taschen seiner Jeans herum, um zu überprüfen, ob dort irgendwo sein Wohnungsschlüssel steckte. Danach suchte er auch noch die dünne Jacke ab. Selbstverständlich befand sich in meiner Kleidung, die er anhatte, nichts was ihm gehörte. Die Taschen waren alle völlig leer. Das hatte ich überprüft, bevor ich die Klamotten für ihn eingepackt hatte. „Verdammter Mist", fluchte Clay, als er das schließlich auch begriff. „Vielleicht in der Plastiktüte", schlug er deutlich widerstrebend vor. Einen Moment lang guckten wir uns unwohl an. In der Tüte, die wir vom Krankenhaus mitgenommen hatten, war Clays auf irgendeine Weise so stark verschmutzte Kleidung, dass er sie nicht länger hatte am Leib tragen können. Keiner von uns war scharf darauf, darin suchend herumzuwühlen. „Wir müssen nachsehen, Sean", meinte Clay flehend, „Es ist bestimmt meine Hose, und da könnte der Schlüssel drin sein." Seine Vermutung war nicht von der Hand zu weisen.
Prüfend warf ich einen Blick nach vorn und registrierte erschrocken, dass noch mehr Menschen dem Automobil, in dem wir saßen, bedrohlich näherkamen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie das Objekt ihrer Begierde im Innern meines Wagens erkannt hatten. „Zuerst müssen wir mal sofort hier weg", beschloss ich kurzerhand aus naheliegenden Gründen. Hektisch gab ich Gas, wendete den Jeep in einem Zug und fuhr in die Richtung davon, aus der wir gekommen waren. Im Rückspiegel ließ ich enttäuschte Menschen zurück. „Nein, Sean!" heulte Clay höchst verzweifelt auf, „Bitte fahr nicht weg! Ich muss doch nach Hause! Ich kann nicht noch länger..." „Sei still!" wies ich ihn schroff zurecht, „Ich muss erst mal nachdenken. Oder willst du vielleicht, dass deine Fans dich umlagern? Willst du jetzt Autogramme geben und dich fotografieren lassen?" Zu meiner Verwunderung gehorchte der Geschlagene folgsam. Er hielt die Klappe, schluchzte nur noch leise vor sich hin. Seine Verzweiflung tat mir mehr weh, als ich wahrhaben wollte.
Langsam fuhr ich über die verschneiten Straßen aus dem Gewerbegebiet heraus und dachte angestrengt nach. Es drängte mich, jetzt einfach sofort zu meinem Haus zu fahren. Andererseits machte ich mir größere Sorgen um Clays Wohnung, als ich vermutet hätte. Also hielt ich nach einiger Zeit am Straßenrand an, öffnete per Knopfdruck den Kofferraum, schnallte mich ab und stieg aus. Clay beobachtete mich schweigend, bestimmt war er heilfroh, dass ich ihm diese unangenehme Aufgabe abnahm. Ich lief nach hinten und beugte mich über meine Sporttasche, die wir im Kofferraum verstaut hatten. Nachdem ich den langen Reißverschluss geöffnet hatte, wühlte ich in Siamaks Sachen und fand die besagte Plastiktüte recht schnell. Es widerstrebte mir sie zu öffnen, aber ich hatte ja gar keine andere Wahl. Also hielt ich den Atem an und drehte die fest zugezwirbelte Tüte auf. Ein strenger Geruch nach Urin schlug mir entgegen, als ich mit meinen Fingern die vielen auf- und eingenähten Taschen der darin befindlichen schwarzen Jeans durchsuchte. Außerdem fand ich noch eine Unterhose, die ebenfalls nass war. Mein durchgeknallter Mann hatte sich eindeutig und sicher unbewusst in die Hosen gepinkelt. Nie hätte ich erwartet, über diesen Umstand einmal so froh zu sein. Jedoch konnte ich leider trotz gründlicher Suche keine Schlüssel finden. Die Taschen seiner kräftig vollgepinkelten Jeans waren alle völlig leer. Darum packte ich schließlich den ganzen Kram wieder sorgfältig ein und schlug zuletzt den Kofferraumdeckel zu.
„Wo könnte dein Schlüssel denn sonst noch sein?" erkundigte ich mich kurz darauf bei Clay, als ich wieder angeschnallt neben ihm auf dem Fahrersitz saß. Mein Mann lag noch immer tief auf dem Sitz, die Beine hatte er weit in den Fußraum ausgestreckt. Er war nicht mehr angeschnallt, was mir gar nicht gefiel. Zumindest hatte er aufgehört zu weinen. „Ich weiß es doch nicht, Sean", antwortete er deprimiert. „Vielleicht ist die Tür ja auch offen", formulierte er seinen neuen Hoffnungsschimmer. „Gott, Clay, das will ich ja wohl nicht hoffen! Mensch, die klauen dir doch alles, was sie tragen können, wenn du die Wohnung hast offen stehen lassen", erklärte ich ihm entgeistert. „Ich weiß es doch nicht!" schrie Clay mit schriller Stimme, „Ich kann mich nicht erinnern! Wie oft muss ich das denn noch sagen?!" Betroffen warf ich ihm einen Blick zu. Der Mensch neben mir sah sehr müde aus. Er war auf ganzer Linie frustriert, verstört und besiegt worden. Restlos ausgeliefert erwiderte er meinen Blick. Seine Augen schienen im Halbdunkel der Fahrgastzelle nahezu tot zu sein. Clay Banton tat mir leid, wenngleich ich das eigentlich nicht wollte.
Eine Weile war es still im Wagen, während ich fieberhaft überlegte. Obwohl mir der Gedanke nicht behagte, kam mir unwillkürlich das Gesicht dieses lügenden Mädchens aus der Psychiatrie in den Sinn. Kim Flint, die allem Anschein nach die letzte Person gewesen war, die Clay gestern Abend in seiner Wohnung erlebt hatte. Es war naheliegend, dass Flint wusste, was mit Clays Hausschlüsseln passiert war. Der Gedanke gefiel mir kein bisschen, denn eigentlich wollte ich die gewalttätige Frau viel lieber niemals wiedersehen. „Sollen wir Kim fragen?" schlug ich widerstrebend vor, weil uns trotz meines schreienden Unbehagens meines Erachtens nach auch in diesem Punkt gar keine andere Wahl blieb. Natürlich konnten wir jetzt einfach direkt zu mir nach Hause fahren und so tun als wäre nichts. Aber der fehlende Schlüssel und die Ungewissheit über den Zustand seiner Wohnung würden sicherlich weder Clay noch mir aus dem Kopf gehen. So eine angespannte und ungeklärte Atmosphäre wollte ich mir nicht zumuten. Schweren Herzens musste ich diese lästigen Fragen zuerst auf irgendeinem Weg beantworten. „Kim? Wieso Kim?" seufzte Clay verwirrt, der meinen Überlegungen offensichtlich nicht folgen konnte. „Weil Kim die Letzte war, die dich gestern in deiner Wohnung gesehen hat. Sie hat den Krankenwagen für dich bestellt..." „Verdammte Fotze!" knurrte Clay ärgerlich, worüber ich fast lachen musste. „Hör mal, die Kleine hatte anscheinend keine andere Möglichkeit mehr. Immerhin bist du ja aggressiv gewesen und hast deine Sachen kaputtgemacht", gab ich leise zu bedenken. Zeitgleich konnte ich es nicht fassen, dass ich ausgerechnet Kim Flint vor Clay verteidigte.
Plötzlich beunruhigt, setzte Clay sich abrupt auf. Hastig schraubte er sich auf seinem Sitz hoch. Offenbar war ihm etwas Wichtiges eingefallen. „Ich muss mich bei ihr entschuldigen", eröffnete er mir unbehaglich. Mit einem Mal ruhelos, fing er an auf seinem Platz herumzurutschen. „Bitte schnall dich wieder an, Clay", forderte ich ihn auf, „Hampel bitte nicht so rum!" Aber er ignorierte mich, denn seine Gedanken waren woanders. „Das war nicht gut, wie das vorhin im Krankenhaus abgelaufen ist", murmelte er alarmiert, „Ich war nicht nett zu ihr. Das hat ihr bestimmt nicht gefallen, wie ich die behandelt habe." „Weißt du denn, wo sie wohnt? Hast du ihre Telefonnummer?" fragte ich ungehalten, weil ich seine Bedenken nicht nachvollziehen konnte. Definitiv hatte ich überhaupt keine Lust, das blöde Weib so schnell wiederzusehen. Aber in dieser verzwickten Situation schien sie nun mal die einzige zu sein, die Clay und mir eventuell weiterhelfen konnte.
„Nein, ich habe keine Nummer von ihr", antwortete Clay, woraufhin mir ein frustriertes Schnaufen entwich. Banton schaute mich deprimiert an und seufzte tief. „Kimberly wohnt in diesem komischen Studentenwohnheim an der Uni. Da habe ich sie mal abgesetzt. Mehr weiß ich auch nicht von ihr", musste ich mir von meinem Mann anhören, der unbedacht mit Menschen schlief, die er gar nicht kannte. Das waren leider recht wenige Informationen, wenn wir die kleine Lügnerin finden wollten. Aber es war besser als nichts. Nach kurzer Orientierung schlug ich den Weg zur einzigen Universität ein, die in der Nähe unserer kleinen Stadt existierte. Zum Glück ließ der Berufsverkehr in der Innenstadt langsam nach, sodass wir zumindest recht gut vorankamen.
Eine Weile war es bedrückend still in meinem Jeep. Erstaunt registrierte ich, wie extrem nervös Clay mit der Zeit wurde. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, warum mein geliebter Mann immer heftiger in Unruhe geriet. Sein schlanker Körper bewegte sich so aufgelöst auf dem Beifahrersitz, als hätte er das drängende Bedürfnis aus dem Inneren des Autos auszubrechen. Als würde er sich auf einmal unerträglich eingeengt fühlen. Die langen Beine hampelten herum, knickten und streckten sich innerhalb des Fußraums, sein Körper wand sich unbehaglich im Sitzen, die Arme bewegten sich unkoordiniert, die Finger griffen sinnlos die Luft und ließen sie wieder los. Banton fing an nervös zu keuchen, weil sein eigener, beunruhigend starker Bewegungsdrang, den er kaum unter Kontrolle zu haben schien, ihn zweifelsfrei überanstrengte.
„Himmel, Clay! Was machst du denn da? Was ist denn los?" konnte ich mir das schließlich nicht länger schweigend mit ansehen. Seine unsinnige Nervosität drohte auf mich abzufärben, seine heftige Hampelei lenkte mich zu sehr vom Fahren ab. „Du musst mitkommen, Sean!" platzte es atemlos aus ihm heraus, als hätte er die ganze Zeit nur darauf gewartet, dass er endlich sprechen durfte. Flehend fixierte er mich von der Seite. „Bitte, Sean! Du darfst mich nicht mit ihr allein lassen!" bat er mich angstvoll. Ich musste einen Moment überlegen, wovon der offenbar Verwirrte überhaupt sprach. Dann begriff ich es plötzlich. „Du meinst Kim Flint?" fragte ich verblüfft. Clay zuckte zusammen, schloss abwehrend die Augen, presste die Lippen aufeinander und nickte nur. Plötzlich war er stocksteif. Verkrampft hockte er auf seinem Platz und bewegte sich nicht mehr. Nur sein Atem ging hörbar schwer. Sein angespannter Körper zitterte.
Es berührte mich stärker, als mir lieb war, wie überaus emotional mein Mann auf die Aussicht reagierte, die brutale Frau in nächster Zukunft erneut zu treffen. Seine spürbare Panik ging mir enorm nahe, und ich schluckte betroffen. „Ist ja gut, Clay. Natürlich bleibe ich bei dir", versprach ich ihm mitfühlend, „Ich passe schon auf dich auf." An einer roten Ampel beugte ich mich besorgt über ihn, griff mir seinen Gurt und steckte ihn in die Verriegelung. Clay ließ das reglos geschehen. Seine Augen öffneten sich nur zögernd. „Ich verstehe das alles nicht, Sean. Ich weiß nicht mal, was eigentlich passiert ist. Ich erinnere mich nicht. Aber eins weiß ich. Ich weiß genau, dass ich total Schiss vor Kimberly habe", gestand er mir heiser flüsternd. Mein armer Junge war vollständig in der Welt verloren. Vor Rührung wurde mir ganz warm. Voller neu erwachter Zuneigung lächelte ich ihn an, streckte meine Hand nach ihm aus und strich ihm zärtlich ein paar ungekämmte Haarsträhnen aus der verschwitzten Stirn.
Kim
Meine Wut war keineswegs verraucht, als es plötzlich unerwartet an meine Zimmertür klopfte. Seit ich von diesem komischen Doktor Tourani aus der Psychiatrie gejagt worden war, als wäre ich ein unartiges, nutzloses, kleines Kind, hatte ich mich nicht mehr beruhigen können. Ich war stinksauer. Hauptsächlich auf Clay Banton, der mich wahrhaftig wie eine unerwünschte Fremde behandelt, mich beschimpft und von sich weggestoßen hatte. Es ärgerte mich enorm, dass ich mir überhaupt so viele Gedanken über diesen hässlich undankbaren Isländer gemacht und so viele sinnlose Gefühle an ihn verschwendet hatte. Mein Bedürfnis nach Rache war aufs Neue riesengroß geworden.
Aber diesmal hielt ich mich zurück, dachte erst mal darüber nach, bevor ich nochmal eine übereilte Entscheidung treffen würde, die Clay mit Sicherheit großen Schaden zugefügt hätte. Pausenlos versuchte ich sein unmögliches und unfaires Verhalten mir gegenüber mit seiner Krankheit zu entschuldigen. Vielleicht hatte Tourani ja recht und das alles war nur eine Folge von Bantons psychischem Zusammenbruch gewesen. Womöglich würde das in ein paar Tagen schon wieder ganz anders aussehen. Trotzdem waren Clays aggressive Gemeinheiten nur schwer hinzunehmen. Ich grübelte darüber nach, wie ich mich jetzt am besten verhalten sollte. Ihn einfach so aufzugeben kam für mich nicht in Frage. Zu gut erinnerte ich mich an die guten Zeiten mit diesem wunderschönen Kerl, die vertrauten und intimen Stunden, die wir miteinander genossen hatten. Nein, Clay Banton war mir unverändert zu wichtig, um ihn endgültig in den Hintern zu treten, obwohl er sich den Tritt zweifellos verdient hatte. Ich fühlte noch entschieden zu viel, wenn ich an den besonderen Mann aus Island dachte. Auch wenn meine Gefühle zur Zeit überwiegend aus hoch schäumender Wut bestanden.
Als es klopfte, hatte ich meine tosenden Gedanken noch längst nicht geordnet. Ich erwartete meinen Freund Ben, der per SMS angekündigt hatte, dass er später am Abend noch bei mir vorbeikommen würde. Ich saß gerade am Schreibtisch und tippte ziemlich wahllos auf meinem Handy herum, als das Geräusch an der Tür mich zum Aufstehen veranlasste. Arglos ging ich zur Zimmertür und öffnete sie.
„Na endlich!" schnaubte jemand erleichtert. Vor mir stand Sean Valmont in all seiner unwiderstehlichen Pracht. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Der perfekte Mann aus dem Theater war sogar der allerletzte, den ich jemals vor meiner Tür im Studentenwohnheim erwartet hätte. Vor Schreck zog sich alles in mir zusammen, weil ich sofort davon ausging, das Clays wütender Freund mich jetzt aufs Neue verbal attackieren oder mich womöglich auch noch auf andere Art bestrafen wollte. Darauf hatte ich bestimmt keine Lust. „Sean?!" entfuhr es mir schockiert. „Keine Aufregung, Kim", meinte der Angesprochene amüsiert lächelnd, „Wir wollen dir nichts tun." Ich beruhigte mich ein bisschen, weil seine schöne Stimme nicht aggressiv klang. Obwohl es mich auch ärgerte, dass Valmont mir meine impulsive Panik anscheinend so deutlich ansehen konnte. Ich wollte vor dem Kerl nicht schwach erscheinen.
Erst nach dem ersten Schrecken erkannte ich, dass hinter Sean Valmont noch eine Person stand, die sich scheinbar vor mir versteckte. Mein Herz fing an zu hämmern, weil ich unwillkürlich an Clay denken musste, obwohl ich ihn noch nicht richtig sehen konnte. Die unverhoffte Möglichkeit, so schnell schon die verfahrene Situation zwischen uns klären zu können, verursachte mir einen heftigen Adrenalinstoß. Aufgeregt machte ich einen Schritt zur Seite, um den Mann hinter Sean zu identifizieren. Es war tatsächlich Clay Banton, der sich hinter seinem Freund geduckt hatte, was ich mir nicht erklären konnte. „Komm schon, Clay...", seufzte Sean, drehte sich um, packte Clay an seiner seltsamen Sweatjacke und zog ihn hinter sich hervor.
Offensichtlich nur ungern sah Clay mich schließlich an. „Kim...", grüßte er scheu und wich sofort meinem fragenden Blick aus, indem er den steinernen Fußboden des Flurs fixierte. „Clay...", knurrte ich vorwurfsvoll, weil ich es ihm nicht zu leicht machen wollte. Hilflos stand er dort und konzentrierte sich auf seine Füße, die in alten Turnschuhen steckten. Außerdem hatte Clay eine enge, sexy durchlöcherte Jeans an. Der lange Reißverschluss der dünnen Jacke war bis oben hin zugezogen. Er hat ein schlechtes Gewissen, glaubte ich zu verstehen, und vor Rührung wurde mir ganz heiß. Clay fühlte sich richtig schlecht, weil er mich in der Psychiatrie so mies behandelt hatte. Es war sonderbar, wie schnell sich mein Zorn auf Herrn Banton verflüchtigte, als ich ihn dermaßen schüchtern und verstört vor meiner Zimmertür erlebte.
„Hast du Clays Wohnungsschlüssel?" fragte Sean mich geradeheraus. Der Blonde klang ein wenig gestresst. Er verlor keine Zeit, sondern kam direkt zur Sache. Verdutzt schaute ich ihn an. „Wie habt ihr mich gefunden?" erkundigte ich mich interessiert, ohne seine Frage zu beantworten. „Das war gar nicht so leicht", zischte Sean genervt, „Das scheiß Wohnheim ist verdammt groß. Wir mussten uns ewig bis zu dir durchfragen, Flint." „Aha", machte ich nur enttäuscht und schaute Clay anklagend an. Als der Isländer mich vor zwei Nächten in seinem tollen MG nach Hause gefahren und direkt vor der Tür meines Wohnblocks abgesetzt hatte, hatte ich ihm vertrauensvoll meine Zimmernummer mitgeteilt in der Hoffnung, dass er mich vielleicht doch mal hier besuchen kommen würde. Natürlich hatte ich auf einen sehr baldigen Besuch gehofft. Nun musste ich erfahren, dass der Knallkopf sich die Nummer gar nicht gemerkt hatte. Womöglich hatte er meine wichtigste Information in dieser Nacht noch nicht mal mitgekriegt. Jetzt tat der seltsame Mann jedenfalls so, als wäre er am liebsten gar nicht da. Noch immer untersuchten seine grün-braunen Augen konzentriert den Fußboden. Unruhig trat er ein wenig auf der Stelle herum, drehte sich kaum merklich hin und her und ließ dabei die Arme baumeln. Wie ein kleines Kind.
„Also hast du jetzt den Schlüssel oder was?" verlor Sean Valmont hörbar seine Geduld. Ich atmete tief ein und fokussierte meine Kräfte, bereit für die kommende Konfrontation. „Sag mal, findet ihr das etwa okay so?" fragte ich den Blonden freundlich. Sein auffallend hübsches Gesicht verzog sich spöttisch. „Was passt dir denn nicht, Kleine?" wollte er nervig gönnerhaft von mir wissen. Ich sah ihm direkt in die hellblauen Augen. „Denkt ihr das war in Ordnung, wie ihr mich vorhin in der Psychiatrie behandelt habt?" konkretisierte ich meine Beschwerde. „Ach Gottchen, Flint. Haben wir dich vielleicht gekränkt? Haben wir deine sensiblen Gefühle verletzt?" lachte Valmont mich spöttisch aus. Seine Arroganz schürte meine Wut, aber ich beschloss ruhig zu bleiben. „Ja, allerdings", gab ich zu, „Du hast mich übelst beschimpft, Sean. Und du hast mich wie eine Fremde behandelt, die dich böswillig belästigt hat, Clay", warf ich den beiden Männern vor. Dabei guckte ich Banton an, der gequält das Gesicht verzog. „Tut mir leid, Kim", flüsterte der Isländer so leise, dass man ihn kaum verstehen konnte.
Der Schüchterne hielt den Blick schuldbewusst auf den Boden gerichtet. Er sah ein, dass sein Verhalten mir gegenüber nicht in Ordnung gewesen war. Er bereute seine gemeinen Worte und Taten zutiefst. Clay hatte sich anstandslos bei mir entschuldigt, und ich war mir sicher, dass seine Entschuldigung ehrlich gemeint war. Nochmal wurde mir vor Rührung ganz warm. Am liebsten hätte ich Herrn Banton jetzt tröstend über den Kopf gestreichelt, seinen erbaulichen Körper zärtlich in den Arm genommen, den süßen Kerl liebkost und geküsst. Aber mein arg verletzter Stolz ließ das vorerst nicht zu.
„Und was sagst du dazu, Sean Valmont", wandte ich mich an den Arroganten, der mich die ganze Zeit selbstbewusst betrachtete. „Ich sage, dass du jetzt den Schlüssel rausrückst und gut ist", knurrte der Typ ungerührt. „Mach nicht so ein scheiß Drama daraus, Flint! Du hast dich ja wohl auch nicht gerade fehlerlos verhalten, nicht wahr?" setzte er fast drohend hinzu. Leider hatte Sean recht, und mein schöner Vorsatz, auf jeden Fall allerwenigstens eine Entschuldigung von ihm einzufordern, geriet ein bisschen ins Wanken. „Warum ruft ihr denn nicht einfach den Schlüsseldienst?" erwiderte ich schnippisch. Sean Valmonts unfassbar hellblaue Augen verengten sich verärgert. „Warum sollten wir denn? Wenn du uns doch den Schlüssel kinderleicht geben kannst!" blaffte er unfreundlich.
Der große Mann machte einen energischen Schritt nach vorne in mein Zimmer hinein, als wollte er auf der Suche nach dem Schlüssel augenblicklich damit anfangen, selbst in meinen Sachen zu wühlen. Das konnte ich nicht zulassen, darum trat ich ihm selbstbewusst in den Weg. Mit klopfendem Herzen fixierte ich ihn. „Was ist daran so schwer, Sean? Warum gibst du nicht zu, dass du dich im Krankenhaus mir gegenüber sehr schlecht benommen hast? Nimm dir ein Beispiel an Clay! Dein Freund hat kein Problem damit, sich bei mir zu entschuldigen", forderte ich den außergewöhnlich attraktiven Kerl auf. Sean zeigte mir spöttisch seine weißen, ebenmäßigen Zähne. „Alles, was ich zu dir gesagt habe, stimmt haargenau, kleines Mädchen", entgegnete er uneinsichtig. „Aber du hattest kein recht mich dermaßen zu beschimpfen! Du hast mich Fotze, Luder, Bitch und tausendmal eine Lügnerin genannt! Das nehme ich nicht einfach so hin!" hörte man nun doch meine aufkochende Wut heraus.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Clay, der ein Stückchen hinter Sean stand, bei meinen Kraftausdrücken unbehaglich zusammenzuckte. Es war nicht zu übersehen, wie unwohl der Isländer sich in dieser angespannten Situation fühlte. Zu gerne hätte ich ausführlich mit Clay geredet, wollte aber zuerst diesen Punkt mit Valmont klären, der mir wahnsinnig gegen den Strich ging. Der unverschämte blonde Mann lachte mich tatsächlich aus! „Na und? Nachdem, was du dir geleistet hast, kann man dich gar nicht oft genug beschimpfen, Weib. Ich will gar nicht wissen, wie ihr Clay genannt habt, als du ihn mit deinen brutalen Freunden in der Nacht zusammengeschlagen hast, Flint! Also sei lieber froh, dass ich dir jetzt nicht kräftig eine reinhaue, halt die Klappe und lass es einfach gut sein", verlangte er allen Ernstes. Hart vor den Kopf geschlagen starrte ich ihn entsetzt an, worüber er noch lauter lachte. „Hat es dir jetzt die Sprache verschlagen, kleine Kimmi?" höhnte der Arsch geringschätzig. Am liebsten hätte ich ihm das gemeine Lachen aus dem wunderhübschen Gesicht geschlagen. Aber natürlich hatte ich ohnehin keine Chance gegen den großen, starken Typen, das war mir klar. Ich war so wütend, dass ich nach Luft schnappen musste, worüber Sean Valmont sich köstlich amüsierte.
Eine Weile funkelten wir uns gegenseitig hasserfüllt an, dann meinte er kühl: „Hör mal, wir wollen nur den Schlüssel, Frau. Sonst wollen wir gar nichts von dir." Tatsächlich hatte ich mir Clays Schlüsselbund eingesteckt, als ich in der vorherigen Nacht zusammen mit den Polizisten Clays Wohnung verlassen hatte. Ich war ja davon ausgegangen, dass ich nach einer Behandlung im Krankenhaus wieder mit ihm zusammen zurückkehren würde. Mir war nicht klar gewesen, dass Clay die ganze Nacht in der geschlossenen Psychiatrie verbringen würde. Netterweise hatte ich in seiner Wohnung sogar noch alle Lichter gelöscht und seine Tür zweimal hinter uns abgeschlossen. Dann war ich hinter dem schreienden Clay und den Beamten hergelaufen und in ihren Dienstwagen eingestiegen. Die Polizisten waren so freundlich gewesen, mich mit ins Krankenhaus zu nehmen, worüber ich in dieser Situation sehr froh gewesen war. Ich wollte Clay nicht allein lassen, hatte mir riesengroße Sorgen um den wild Tobenden gemacht und musste unbedingt wissen, was nun mit meinem geliebten, verrückten Kerl passieren würde.
Aber offenbar wusste der scheue Mann aus Island nichts davon zu schätzen. Anstatt mir für meine Fürsorge dankbar zu sein, hatte er mich in der Psychiatrie nur feindselig und böse fluchend davongejagt. Das tat mir unverändert weh und ich war mir nicht sicher, wie ich damit überhaupt umgehen sollte. Traurig ließ ich meinen Blick über den ansehnlichen Menschen wandern, der im Flur stand und weiterhin schüchtern so tat, als wäre er ganz woanders. Sichtbar nervös wischte er sich mit den Fingern immerzu über die Visage. Sein hübsches Gesicht sah verzweifelt aus, die Augen rot verquollen, offensichtlich hatte er geweint. Das tat mir leid. Andererseits fühlte ich mich mit meiner Wut noch immer im Recht. Sean Valmont hatte mich schon wieder bösartig provoziert. Und darum sah ich gar nicht ein, meinen einzigen Trumpf so schnell herzugeben.
„Kann sein, dass ich in der Eile gestern Clays Schlüssel zufällig eingesteckt habe. Da herrschte große Hektik. Ich erinnere mich nicht", behauptete ich eisig. „Mann, dann fang lieber mal an zu suchen!" befahl Valmont mir fassungslos. Ich bewegte mich nicht von der Tür weg und verstellte ihm weiterhin den Zutritt zu meinem Zimmer. Ich wollte mich von diesem arroganten Typen nicht einschüchtern lassen. Trotzdem fühlte ich mich verunsichert und ärgerte mich, dass meine Zimmergenossin in die Bibliothek zum Lernen gegangen war und vorerst wohl nicht zurückkommen würde. Nur darum war ich meinen beiden unerwarteten Besuchern jetzt alleine ausgeliefert. Hoffentlich kommt Ben bald, dachte ich still bei mir. Andererseits hatte ich aber auch Angst davor, was Ben mit Clay anstellen würde, wenn er ihn vor meiner Zimmertür fand. So gesehen war ich froh über Seans Anwesenheit, weil dieser seinen Freund ohne Frage gegenüber Ben verteidigen würde. Meine Gedanken rotierten, während ich Valmont in die außergewöhnlichen Augen sah und unweigerlich paralysiert wurde.
Nach ein paar Minuten der angespannten Stille knurrte der Theaterregisseur voller Ungeduld: „Was ist jetzt? Worauf wartest du denn? Suchst du mal nach dem Schlüssel oder was?" „Nein, Sean. Ich habe keine Lust jetzt den Schlüssel zu suchen. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich ihn überhaupt habe", entgegnete ich stur. Sean schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Dann schlug er die blitzenden Augen wieder auf und tötete mich mit nur einem Blick. „Im Ernst, Kim Flint?" fragte er mich eiskalt, „Willst du wirklich dieses Spielchen mit mir spielen?" Seine Worte waren eindeutig eine Drohung, die mein Herz vor Nervosität zum Rasen brachte. Das machte mich stinksauer. „Weißt du, Valmont, wenn ich so darüber nachdenke, dann habe ich gestern Nacht in Clays Wohnung gar keine Schlüssel gesehen!" erklärte ich ihm widerspenstig, „Das ging alles so schnell, die Polizei hat ihn auf einmal mitgenommen und so. Und ich bin nur noch panisch hinterher gerannt. Da hatte ich echt andere Sorgen."
„Verdammt!" fluchte Sean Valmont so plötzlich und voller Zorn, dass ich vor Schreck zusammenzuckte. Ich musste mich anstrengen, um nicht instinktiv vor dem großen, muskulösen Mann in Deckung zu gehen. Sean drehte sich jäh zu Clay herum, packte ihn energisch an der Jacke und schubste ihn hart in meine Richtung, sodass Clay überrumpelt ein paar Schritte auf mich zu stolperte. „Jetzt sag du doch auch mal was, um Himmels Willen!" fuhr er seinen verstörten Freund ungeduldig an, „Das ist nämlich alles deine Schuld, Banton! Du musstest dich ja unbedingt mit dieser Schlampe einlassen! Du konntest deinen Schwanz mal wieder nicht bei dir behalten, du verdammter Trottel, hast es mit ihr getrieben und ihr den Kopf verdreht, und jetzt müssen wir uns mit ihr herumärgern! Ständig schleppst du Weiber ab, die nichts als Ärger machen! Es scheint dein Hobby zu sein, fremden Frauen deine scheiß Schlüssel zu geben!" Seine Stimme war laut und herrisch. Sean Valmont war völlig außer sich.
Clay hatte derweil Mühe sein Gleichgewicht zu wahren und brauchte einen Moment, um sich zu stabilisieren. Er stand nun direkt vor mir und schaute mich verwirrt an. „Wie vielen Frauen hast du denn schon deine Schlüssel gegeben, Clay?" musste ich ihn einfach fragen und spürte einen Stich aus Eifersucht in mir. Er schüttelte den Kopf und stammelte: „Nein... das ist nicht... ich habe nicht..." „Und was war mit dieser Jill Bennet, hä?" unterbrach Sean ihn aufgebracht, „Die hatte deinen Autoschlüssel und wollte ihn dir nicht zurückgeben! Und jetzt passiert die gleiche Scheiße mit Kim Flint! Beide hast du mit deinem verfluchten Schwanz völlig kirre gemacht! Kannst du dir deine scheiß Weiber nicht demnächst mal ein bisschen besser aussuchen, du blöder Idiot!" Clay fuhr getroffen zu Sean herum. „Ich bin kein Idiot!" widersprach er wütend, „Hör auf damit! Nenn mich nicht so!" Sean lachte böse und knuffte seinen Freund herbe in die Rippen. „Du bist der größte Idiot der rumläuft, Banton! Niemand würde mit einer Frau schlafen, die ihn nur einen Tag zuvor dermaßen brutal fertiggemacht hat! Keiner würde arglos einer Reporterin seinen nackten Körper präsentieren! Nur du bringst das fertig!" meinte er zwischen Spott und Wut. „Jetzt sieh auch zu, wie du mit ihr klarkommst!" verlangte er geringschätzig.
Nochmal packte er Clays Jacke und schubste ihn zu mir, sodass Clay mit Wucht auf mich zu taumelte. Erschrocken machte ich ein paar Schritte zurück, wehrte ihn mit beiden Händen reflexartig ab, sodass der arme Kerl haltlos in mein Zimmer hineinstolperte und dabei fast hinfiel. „Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Flint", wandte Sean sich fassungslos an mich, „Jetzt gib uns doch einfach den verfickten Schlüssel, verdammt nochmal! Was versprichst du dir davon, wenn du hier so einen unsinnigen Terz machst?!" „Du bist es, der hier unsinnigen Terz macht, Valmont", entgegnete ich bockig, ohne ihn dabei anzusehen.
Meine Augen lagen auf Clay Banton, der nur mit Mühe sein Gleichgewicht wiederfand. Er stand nun in meinem Zimmer und sah sich völlig verwirrt um. „Such den Schlüssel, Clay!" forderte Valmont ihn ungeduldig auf, woraufhin Clay ihm einen alarmierten Blick zuwarf. Sein nächster Blick galt mir, und dann fuhren seine Augen aufgescheucht zwischen Sean und mir hin und her. Offensichtlich war der ehemalige Psychiatriepatient unsicher, was er jetzt tun durfte. Clay ist höflich genug, um nicht einfach unerlaubt in meinen Sachen zu wühlen, registrierte ich mit einem warmen Gefühl im Bauch. „Such den scheiß Schlüssel, verdammt!" wiederholte Valmont herrisch. Seine Geduld war spürbar verbraucht. Der blonde Mann trat ruhelos auf der Stelle herum und taxierte drohend seinen Freund, der unschlüssig neben meinem Bett stand und sich nicht bewegte. „Mach schon, Banton!" forderte Sean ihn zum dritten Mal auf. Zögernd fing Clay damit an, mit seinen Augen mein Zimmer abzusuchen. Sein Körper rührte sich nicht, er stand einfach nur da. Auf diese Art würde Herr Banton seinen Schlüsselbund definitiv nie finden.
Trotzdem gefiel mir die Sache nicht. Die beiden Typen hatten schlicht kein recht dazu mein Zimmer zu betreten. Ich hatte sie nicht eingeladen, und zumindest Sean Valmont benahm sich nicht gerade so, dass ich ihn gerne hier haben wollte. „Würdet ihr jetzt bitte wieder gehen!" nahm ich all meinen Mut zusammen und stellte mich erneut Sean in den Weg, der gerade dabei war richtig hereinzukommen. Bestimmt wollte er selbst anfangen zu suchen, weil Clay nicht wirklich Anstalten dazu machte. Böse sah ich ihm nochmal in die faszinierend hellblauen Augen, die mich entgeistert anstarrten. „Wir gehen nicht ohne den Schlüssel, Flint. Da kannst du tun was du willst!" stellte Sean wütend klar. Er hatte kein Problem damit, meinem mühsam selbstbewussten Blick standzuhalten. „Ich erlaube euch nicht danach zu suchen", informierte ich ihn ernst, woraufhin er ein verblüfftes Lachen ausstieß. „Und ich erlaube dir nicht, Clays Eigentum zu behalten", erwiderte er spöttisch.
Offenbar war Sean Valmont sich plötzlich vollkommen sicher, dass ich die Schlüssel in der letzten Nacht eingesteckt hatte, womit er ohne Frage richtig lag. Aber das wollte ich dem unverschämten Rüpel nicht verraten. Andererseits war die Situation sehr unangenehm. Ich fürchtete noch schlimmere Konsequenzen, wenn ich mich weiterhin querstellte. Hilflos sah ich zu Clay hin, der noch immer am gleichen Platz stand und aufmerksam meine Zimmereinrichtung studierte. Der attraktive Isländer wirkte sehr verloren, und ich musste daran denken, wie zärtlich er schon zu mir gewesen war, wie liebevoll und zutraulich. Es brach mir das Herz, den selben Mann nun so verunsichert und angeschlagen zu erleben. Es war schön, dass er wieder Herr seiner Sinne war. Aber er hatte in den letzten Stunden enorm viel mitgemacht. Es ging ihm alles andere als gut. Das konnte man nicht übersehen.
„Wie geht es dir denn, Clay?" fragte ich ihn sanft, drehte mich von Valmont weg und machte vorsichtig einen Schritt auf Banton zu. Er zuckte zusammen und hob erschrocken den Blick auf mich. „Hä?" keuchte er verwirrt. Ich musste lächeln. „Wie geht es dir? Ist alles wieder okay?" erkundigte ich mich behutsam, während ich langsam auf ihn zuging. Der Typ wich wahrhaftig vor mir zurück, sodass ich irritiert stehenblieb und ihn forschend musterte. „Geht schon...", murmelte Clay scheu und wand sich unbehaglich von mir weg. „Lass ihn in Ruhe, Flint!" meldete sich Sean Valmont hinter mir. Der Theatertänzer war unüberhörbar eifersüchtig, was mich zu einem Grinsen veranlasste, als ich ihn ansah. „Ich werde mich ja wohl noch nach seinem Befinden erkundigen dürfen", bemerkte ich spöttisch. „Du darfst gar nichts mehr, was mit Clay zusammenhängt!" meinte Sean böse. Seine schönen Augen töteten mich aufs Neue. „Du hast ihm schon genug angetan", setzte er vorwurfsvoll hinzu. Damit hatte er leider recht, sodass sich meine Eingeweide kurz verknoteten.
„Ist schon gut", raunte Clay zu unserer Überraschung, sodass wir ihn beide verdutzt ansahen. Als hätten wir nicht erwartet, dass er auch sprechen kann. Der außergewöhnliche Mann aus Island stand hilflos in meinem Zimmer und zuckte mit den Schultern. „Ist ja schon gut", wiederholte er leise. „Verdammt, Clay!" stöhnte Sean kopfschüttelnd, „Gar nichts ist gut!" Er deutete anklagend auf mich. „Flint war brutal zu dir, hat dich wie Dreck behandelt. Sie hat dich um ein Haar getötet, Herrgott. Und jetzt gibt sie dir nicht mal deinen Schlüssel zurück", zählte er frustriert auf. „Ich will mich nicht mehr streiten", erklärte Clay uns ganz leise, „Ich habe keinen Bock mehr auf scheiß Streit. Das ist total ätzend." „Ätzend ist, dass wir deine scheiß Tussi anbetteln müssen!" knurrte Sean unversöhnlich. „Hör endlich auf mich zu beleidigen, Valmont!" fuhr ich ihn genervt an. Aber er lachte nur verächtlich und wandte sich an Clay: „Was willst du denn jetzt tun, Banton? Willst du ohne Schlüssel nach Hause fahren? Willst du dich deinen sehnsüchtig wartenden Fans stellen und danach mit ihnen zusammen deine Wohnungstür aufbrechen? Was anderes wird dir wohl nicht übrig bleiben, denn du hast ja nicht mal Geld, um den Schlüsseldienst anzurufen." „Sehnsüchtig wartende Fans?" wiederholte ich entgeistert. Sean grinste mich böse an. „Ja, Kim Flint, da warten etliche Mädchen wie du auf ihre Chance. Du bist nicht die einzige, die in Clay Banton verliebt ist", informierte er mich voller Häme. Ich bin sicher, mein spontan schockierter Gesichtsausdruck befriedigte ihn total. Mir fiel so schnell keine Erwiderung ein.
„Hört doch auf, bitte", murmelte Clay deprimiert. „Hör doch bitte auf, Sean", bat er seinen Freund zaghaft. Verwundert sahen Valmont und ich den ehemaligen Psychiatrieinsassen an, der wie abgestellt und nicht abgeholt mitten in meinem Wohnheimzimmer stand und uns traurig beobachtete. Eine Weile war es still, während wir darauf warteten, dass Clay noch irgendwas sagte. Aber da kam gar nichts mehr. Stattdessen wich er unbehaglich unseren forschenden Blicken aus. Seine Augen schlichen sehnsüchtig zum Fenster hin. Gedankenverloren starrte er hinaus in die Dunkelheit, als würde er ernsthaft überlegen aus dem Fenster zu flüchten. Gerührt wanderte mein Blick über seine ansehnliche Gestalt. Der Mann aus Island sah so attraktiv aus, dass es mich unwillkürlich nach seinem muskulösen Körper und seinen liebevollen Zärtlichkeiten verlangte. Aber es war auch nicht zu übersehen, wie schrecklich unwohl der arme Kerl sich derzeit fühlte. Am liebsten hätte ich ihn beschützend in den Arm genommen.
„Du bist so ein blödes Weichei, Banton!" regte Sean sich schließlich entnervt auf, „Jetzt tu doch endlich mal was! Sorge dafür, dass Flint dir den scheiß Schlüssel gibt! Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit für diesen Quatsch, weißt du?!" Clays Augen verengten sich verärgert. „Du musst nicht die ganze Nacht auf mich aufpassen, Valmont. Wenn du keine Zeit mehr hast, dann darfst du jetzt gerne abhauen", erlaubte er seinem Freund unüberhörbar gekränkt. Sean seufzte und ruderte hastig zurück. „Nein, warte. Das war nicht so... Ich... Natürlich bleibe ich bei dir, Clay...", meinte er verunsichert. Es erstaunte mich, den exorbitant selbstbewussten Kerl zum ersten Mal kleinlaut zu erleben. Clay bedeutet ihm viel, glaubte ich spontan zu verstehen, Sean macht sich tatsächlich große Sorgen um seinen kranken Freund. Diese Erkenntnis rührte mich mehr, als ich zugegeben hätte. Zum ersten Mal dachte ich ernsthaft darüber nach, diese sinnlose Auseinandersetzung zu beenden und den Jungs ohne weitere Spielchen den Schlüsselbund zu übergeben. Clays Schlüssel befanden sich sicher verwahrt in meiner karierten Winterjacke, die in meinem Schrank hing.
Noch unentschieden machte ich einen zögerlichen Schritt auf meinen Schrank zu. Sean folgte dieser Bewegung interessiert mit seinem Blick. Clay riss im selben Moment die Augen auf, starrte zur Tür und stöhnte entsetzt auf. Mein Freund Ben war plötzlich durch die immer noch offen stehende Tür völlig ahnungslos in mein Zimmer getreten. Vor Schreck zog sich alles in mir zusammen, denn ich hatte keine Ahnung, wie diese höchst brisante Konstellation gut gehen sollte. Ben wusste nichts davon, was ich in den letzten Tagen alles mit Clay Banton erlebt hatte. Und eigentlich wollte ich ihm auch gar nichts davon verraten. Aber nun war er plötzlich da und ich wusste nicht, wie ich ihm den Besuch von Sean Valmont und Clay Banton in meinem Wohnheim erklären sollte. Die Situation hatte sich inzwischen so hingehend geändert, dass ich Bens Auftauchen nicht mehr willkommen hieß.
Mein Freund blieb abrupt stehen und blickte sich sichtbar verwirrt um. Sein Blick blieb sofort auf Clay hängen und sein Gesicht verzog sich schlagartig voller Wut. „Was macht der denn hier?" fauchte Ben aggressiv und steuerte direkt auf Clay zu, in der offensichtlichen Absicht den Isländer zu schlagen. Clay wich zurück und starrte ihn panisch an. „Nein, das stimmt nicht! Ich habe das nicht... Das ist nicht so!" keuchte er alarmiert und schüttelte heftig den Kopf. „Das ist nicht meine Schuld!" schrie er im nächsten Augenblick. Clay machte eine überraschend flinke Bewegung an Ben vorbei und rannte so schnell Richtung Ausgang, wie er es in seinem noch immer betäubten Zustand hinbekam. Zweifellos wollte er sich augenblicklich aus dem Staub machen. Der ehemalige Patient wollte einfach durch die Tür verschwinden.
Dazu musste er allerdings an Sean vorbei, und der packte ihn geistesgegenwärtig an der Jacke und riss ihn heftig zurück. „Hey, was soll das, Clay? Wo willst du auf einmal hin?" fragte er seinen instinktiv alarmierten Arbeitskollegen verständnislos. Clay Banton schien seinen Freund Sean Valmont kaum noch wahrzunehmen. In seiner Angst fing er an um sich zu schlagen. Aufgrund seiner medikamentösen Behandlung in der geschlossenen Psychiatrie blieben seine Schläge jedoch völlig unkoordiniert und hatten nur wenig Wirkung auf Sean, der ihn fest gepackt hielt und nicht losließ. „Lass mich los! Ich muss hier weg!" erklärte Clay wirr, wollte sich aus Valmonts Griff befreien und drängte heftig zum Ausgang. „Beruhige dich", forderte Sean den Panischen entnervt auf, „Jetzt dreh doch nicht schon wieder durch, Banton." „Das ist nicht meine Schuld!" wiederholte Clay lauthals und gab seine sinnlose Gegenwehr schließlich keuchend auf.
Seine mega ängstlichen Augen huschten aufgeregt zwischen Ben und mir hin und her. Sean, der seinen Freund inzwischen um dessen Hüfte gefasst dicht an sich gepresst festhielt und ihm damit keine Regung mehr erlaubte, folgte diesem alarmierten Blick irritiert. „Was ist hier los?" fragte er drohend. „Wer bist du?" wollte er von Ben wissen. Nur ein paar Augenblicke später erkannte er seinen Widersacher. „Du bist das Arschloch, dass die Steine geworfen hat!" stellte Sean entgeistert fest. Ich konnte Ben ansehen, dass er es sich zweimal überlegte, ob er in Anwesenheit von Mister Sean Valmont sein Ärgernis Clay Banton angreifen sollte. Er rechnete nicht ohne Grund mit höchst unerfreulichen Folgen für sich selbst. Die unübersehbare Präsens und Stärke des Valmont-Erben in meinem kleinen Zimmer hatte auch auf Ben sofort eine extrem einschüchternde Wirkung. Zögernd stand er dort und blickte verwirrt von einem zum anderen.
„Was bedeutet das, Kim?" wandte mein Freund sich aufgebracht an mich, „Warum sind die hier?" „Die wollen nur was mit mir besprechen, Ben. Bitte lass uns noch eine Weile allein, okay?" versuchte ich spontan mein Glück. Entschuldigend lächelte ich ihn an und ging beschwichtigend auf ihn zu. Ben betrachtete mich misstrauisch. „Was hast du denn mit denen zu besprechen?" wollte er natürlich eifersüchtig wissen. „Du hast im Theater die Steine geworfen!" mischte Valmont sich zornig ein, „Du hast Clay zusammengeschlagen!" Offenbar konnte Sean gar nicht fassen, den Übeltäter von Samstagnacht plötzlich total unerwartet, direkt vor sich stehend wiederzusehen. „Na und? Er hatte es verdient!" machte Ben keine Anstalten, seine Schuld abzustreiten. Kampfbereit sah er Sean an und zuckte mit den Schultern. Sean atmete tief, um ruhig zu bleiben. „Damit kommst du nicht einfach so davon, du Arsch", drohte er sicher nicht gegenstandslos. Ben, der den Ernst der Lage nicht richtig einschätzte, versuchte ein arrogantes Grinsen. Aber ich konnte ihm seinen großen Respekt vor Valmonts beeindruckender Gestalt deutlich ansehen.
„Er hat meine Freundin vergewaltigt", klagte Ben Clay an und deutete auf den Isländer, um seine Anklage zu unterstreichen. „Er hat nichts dergleichen getan", erwiderte Sean verärgert, „Du hast ihn zusammengeschlagen, als er sich nicht wehren konnte. Ihr Feiglinge wart zu Fünft. Du hast ihn mit scheiß Messern verletzt. Du hättest ihn fast getötet, verdammt." „Ja, und er hat sich fast in die Hosen geschissen vor Angst", spottete Ben kaltherzig, wofür ich ihm am liebsten eine reingehauen hätte. „Das wirst du noch bereuen, du blöder Wichser", regte Sean sich auf und machte einen energischen Schritt auf Ben zu, wobei er Clay achtlos mit sich mitzerrte. Ben ließ seinen Aggressor nicht aus den Augen. „Und du bist also der schwule Liebhaber, der seinen Arschfickersklaven verteidigt", machte er sich gehässig lustig. „Du hättest ihn nicht angreifen sollen", drohte Valmont. Der Blonde tat ungerührt, aber bei Bens deftigem Spott fingen seine hellblauen Augen an zu glühen. „Das ist doch die einzige Sprache, die der Volltrottel versteht", entgegnete Ben angewidert.
„Hört auf damit!" schrie Clay plötzlich schrill, „Redet nicht über mich, als wäre ich nicht hier!" Mit einer flinken, überraschend heftigen Bewegung rammte er Sean seinen Ellenbogen in die Rippen und entriss sich somit unerwartet kraftvoll dessen Zugriff. Im nächsten Moment stolperte er überstürzt Richtung Ausgang. Darauf war Sean nicht gefasst gewesen, denn seine ganze, vor Zorn nur so sprühende Konzentration hatte gerade meinem Freund Ben gegolten. Bantons brutal eingesetzter Ellenbogen krümmte Valmont unweigerlich zusammen. Erschrocken drehte Sean sich um und guckte alarmiert dabei zu, wie Clay panisch aus dem Raum stürzte. Auch Ben und ich sahen dem hastig Flüchtenden verwirrt nach, von seiner unerwarteten Kraft und Zielstrebigkeit nicht weniger überrascht als Sean Valmont. Der Isländer mit dem wunderschönen Körper und der freundlichen, sanften, aber leider schwer verletzten Seele bewegte sich erstaunlich schnell, wenn man seinen betäubten Zustand bedachte. Clay Banton rannte vor uns allen davon, entzog sich einfach äußerst energisch unserer Einflussnahme. Er flüchtete geradewegs durch die Tür und rannte dann unverzüglich weiter den Flur entlang. Fast wirkte es so, als hätte der eilige Mann ein dringendes Ziel. Nur fünf Sekunden später war er verschwunden.
Clay
Meine psychische und körperliche Grenze hatte ich nicht nur überschritten. Mittlerweile hatte ich sie längst weit hinter mir gelassen. Mein dumpfer Kopf war leer. Mein Körper funktionierte noch halbwegs. Keinen Schimmer wie. Es gab nur noch den einen Gedanken in mir, der mich definitiv am Leben erhielt: shore. Nichts anderes mehr. Diffuse Panik hatte sich in mir breitgemacht, die vage Möglichkeit, es nicht mehr zu schaffen mein existenzielles Ziel zu erreichen. Schon lange hatte ich keine Kraft mehr. Sie war mir irgendwann während des extrem quälenden und langatmigen Gesprächs mit Siamak und dem Professor abhanden gekommen. Vielleicht auch schon viel früher, nach ein paar einsamen Stunden im Worst-Case-Szenario. Ich weiß es nicht. Auch an diesem Abend wusste ich es nicht. Alles an mir war taub. Instinktive Handlungen.
Trotz der verbrauchten Kraft rannte ich weiter. Nichts anderes konnte ich noch tun. Wie der Verrückte, der ich zweifellos war, rannte ich durch die Flure des komischen Wohnheims. Dann die Treppen hinunter, ohne dabei hinzufallen. Durch die Haustür, durch die Sean und ich kurz zuvor hereingekommen waren. Hinaus in die eisige Kälte. Es war ein Wunder, dass es mir gelang, den Rückweg auf Anhieb zu finden. Mein Schutzelf leitete mich, schenkte mir die nötige Energie. Denn ich war in allergrößter Gefahr.
Der Teufel war hinter mir her. Er verfolgte mich in gleich dreifacher Gestalt. Er war der brutale Typ mit dem Messer, der gedroht hatte mich zu töten, sollte ich jemals wieder mit Kimberly sprechen. Der Teufel war aber auch Kimberly, die sich wie eine Giftschlange um mich herum zu schlängeln schien, einerseits angenehm streichelnd, andererseits jederzeit bereit, um tödlich zuzubeißen. Sean Valmont hatte sich ebenfalls von meinem rettenden Engel, der mich aus der geschlossenen Psychiatrie befreit hatte, in einen mich pausenlos anklagend attackierenden Teufel verwandelt. Mein Albtraum war noch lange nicht vorbei. Obwohl ich das so sehr gehofft hatte, als ich nach all dem sinnlosen Schrecken endlich das Krankenhaus hatte verlassen dürfen.
Ich rannte in diesen elendig engen und nicht wasserdichten Sneakers über den verschneiten Parkplatz, vorbei an Valmonts weißem Jeep Cherokee, und ich war mir sicher, dass der Besitzer des Wagens mir unverzüglich folgen würde. Darum rannte ich schneller, hatte innerhalb von Sekunden nasse, kalte Füße und rutschte andauernd auf dem verdammten Schneematsch aus. Mein Atem dampfte stoßweise in der eisigen Luft. Die Klamotten, die ich anhatte, waren für die Witterung viel zu wenig wärmend, die enge Jeans hatte überall Löcher, das T-Shirt und die Jacke waren lediglich aus dünner Baumwolle. Meine Zähne schlugen aufeinander, als ich über die Bürgersteige irgendwelcher Straßen lief. Ich schlug ein paar Haken, weil ich nicht wollte, dass Valmont mich einholte. Seltsamerweise war er jedoch noch nicht zu sehen.
In meinem dumpfen Schädel tauchten nacheinander ein paar Möglichkeiten auf, die Gesichter der Menschen, die mir etwas bedeuteten, und zu denen ich mich eventuell auch diesmal flüchten konnte. Zuerst kam mir instinktiv mein Schmetterling in den Sinn, der mich schon oft aus ähnlich bedrohlichen Lagen gerettet hatte. Mein Schmetterling war immer die erste Adresse, die mir einfiel, wenn es mir so beschissen ging wie jetzt. Liz hatte heute Morgen Dienst im Krankenhaus, dachte ich hoffnungsvoll und lächelte bei der Erinnerung an den geilen Handjob meines Schmetterlings. Sie wird um diese Zeit bestimmt zuhause sein, überlegte ich zufrieden. Aber dann begriff ich plötzlich, dass die Situation zwischen Eliza und mir zur Zeit verwirrend ungeklärt war. Frau Laser hatte sich angeblich von mir getrennt und wiederholt behauptet, dass sie mich nicht wiedersehen wollte. Ich war nicht sicher, wie das Mädchen auf mein Auftauchen reagieren würde, und ich fühlte mich definitiv zu kaputt für weitere Kämpfe. Außerdem bedeutete ein Aufenthalt bei Liz auch, dass weit und breit keine shore verfügbar sein würde. Das konnte ich gerade auf gar keinen Fall akzeptieren.
Mister Sean Valmont, der unweigerlich mein nächster, halbwegs klarer Gedanke wurde, war blöderweise einer der hässlichen Gefahren geworden, vor denen ich gerade wie ein verdammter Feigling davonlief. Ich konnte seine ständigen Anklagen und neugierigen Fragen nicht länger ertragen. Gerade in diesem Moment tat ich alles, damit Valmont mich nicht länger in seine widersprüchlichen Finger bekam. Obwohl es seltsam paradox war, musste ich auch Sean aus meinen wenigen Möglichkeiten ausstreichen. Damit war die Liste der Menschen, die mir auf irgendeine rätselhafte Art wichtig waren, auch schon restlos abgearbeitet. Meine Optionen waren erschöpft. Als ich das endlich kapierte, stöhnte ich frustriert auf. Tränen schossen mir in die Augen, die ich genervt wegwischte.
Fieberhaft grübelte ich darüber nach, wohin ich am besten gehen konnte, um so schnell wie möglich ein paar Chinesen rauchen zu können. Ich trat mich selbst in den Arsch für die Tatsache, dass ich meine lebenswichtigen Schlüssel irgendwo verloren hatte. Oder vielleicht hatte Kimberly sie auch, was ich mir überhaupt nicht erklären konnte. Jedenfalls waren die Schlüssel derzeit unerreichbar für mich. Das war der Grund, warum ich nicht einfach nach Hause gehen konnte, obwohl ich es dringend von Anfang an gewollt hatte. Die Gewissheit, dass in meiner Wohnung das geile Heroin nur noch auf mich wartete und ich gleichzeitig nicht an es herankam, raubte mir den letzten Verstand. Ich dachte darüber nach meine Wohnungstür einzutreten, zweifelte aber daran, dass ich es in meinem geschwächten Zustand schaffen würde, weil ich die verdammte Tür erst vor Kurzem extra gegen Einbrecher verstärkt hatte.
Im nächsten Moment wollte ich das Risiko eingehen, denn meine shore schrie gellend nach mir. Ich konnte die vage Chance in meine Wohnung und damit zum Heroin zu gelangen nicht außer Acht lassen. Nach kurzer Orientierung schlug ich den Weg zu meinem Zuhause ein. Ich wunderte mich kurz über das Ausbleiben von Sean Valmont, den ich jederzeit angespannt hinter mir erwartete. Aber da kam niemand. Kam niemand. Kam niemand. Also rannte ich weiter, schnappte nach Luft und gab mir richtig Mühe. Ich aktivierte meine letzten Kraftreserven, von denen ich niemals erwartet hätte, dass die überhaupt noch in mir existierten. Meine Lunge brannte wie Feuer in der Kälte. Es war elendig weit bis zu mir nach Hause. Das war es immer. Ich musste mich verflucht anstrengen, um nicht auf der Stelle hemmungslos loszuheulen. Aber Heulen hätte mich nur beim Rennen behindert, darum riss ich mich zusammen.
Irgendwo in der Stadt blieb ich zwangsläufig stehen, weil mir endgültig die Luft wegblieb. Es war zu voll in der Innenstadt. Zu viele Fremde schauten mich seltsam an. Einige machten sogar Fotos von mir oder tuschelten und kicherten mit anderen. Das ging mir tierisch auf die Nerven. Plötzlich fielen mir die Menschen vor meiner Haustür ein, von denen Sean gesprochen hatte. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was irgendwer vor meiner Wohnung wollen könnte, warum sich jemand freiwillig dort versammeln sollte. Im Moment ging es mir eindeutig zu schlecht für Fremde, die mich höchstwahrscheinlich auf irgendeine Art bedrängen und irgendwas von mir wollen würden. Von daher zögerte ich aufs Neue meine Wohnung aufzusuchen. Voraussichtlich würde ich ja ohne Schlüssel sowieso nicht reinkommen.
Wütend stampfte ich ein paarmal auf den harten, schneebedeckten Asphalt, bis mir die Füße noch mehr wehtaten. Trotz der Anstrengung und dem Schweiß auf meiner Stirn war mir elendig kalt. Ich hatte keinen Plan mehr, und das machte mich schlicht noch verrückter. Das Heroin fuhr seine Krallen verstärkt nach mir aus, verwirrte meinen Schädel restlos, bis ich nichts anderes mehr wahrnehmen konnte. Die Gesichter zu dem Stoff tauchten unwillkürlich in meinem Gedächtnis auf. Jeder Dealer, bei dem ich irgendwann mal irgendwas gekauft hatte, stellte sich hämisch grinsend bei mir vor und wedelte imaginär mit seiner shore vor meiner Nase herum. Nach kurzer Überlegung wählte ich Travis aus, weil der meist friedlich gestimmte Punk vor allen anderen noch die größte Chance für mich darstellte, ohne einen Cent trotzdem irgendwie an ein paar Chinesen zu gelangen. Fatalerweise hatte ich ja noch nicht mal Geld in meinen Taschen. Die vage Möglichkeit auf baldige Linderung aktivierte die erstaunlichen Reserven, die mein Schutzelf mir schenkte. Unverzüglich voller Tatendrang, steuerte ich mein neues Ziel an. Zum Glück stand das hässliche Hochhaus nicht allzu weit entfernt von meinem derzeitigen Standpunkt, worüber ich extrem froh war. Ich beglückwünschte mich zu meiner klugen Entscheidung.
Mein überlasteter Körper drohte mir immer deutlicher mit dem Knockout, die Beine knickten mir um ein Haar weg, als ich endlich den arg mitgenommenen Sozialbau erreichte, in dem Travis wohnte. Die demolierte Haustür war wie immer offen, also drückte ich sie auf und lief direkt zum Aufzug. Zu meiner endlosen Erleichterung schien das hilfreiche Teil endlich mal zu funktionieren. Ich hämmerte wild auf den Knopf ein, musste aber trotzdem eine viel zu lange Zeit unten vor der Aufzugtür warten. Mittlerweile war mein Atem nur noch ein krächzenden Keuchen. Panisch rang ich nach Sauerstoff, meine Lunge schien kurz vor dem Kollabieren zu sein. Tierisch nervös lehnte ich mich gegen die Wand, an der die dunkelblaue Farbe überall abblätterte, und röchelte krampfhaft vor mich hin.
Zwei Minuten später brach ich jäh in ein hysterisches Lachen aus, weil es mich so enorm freute, dass ich wahrhaftig entkommen war. Clay Banton hatte sich erfolgreich davongemacht und all die streitlustigen Idioten in Kimberlys seltsamen Zimmer stehenlassen. Auch wenn das ohne Frage schwach und feige und ich ein ziemlicher Wichser war, konnte ich einen gewissen Triumph nicht unterdrücken. Mein Blick lag nervös auf der Haustür, denn mir war absolut klar, dass es für Valmont nicht schwer werden würde, mich hier bei Travis zu finden. Sean würde sich denken können, dass es mich schnurstracks zum Heroin hinzog. Aber dieses Risiko musste ich eingehen, denn ich hatte schlicht keine anderen Optionen mehr übrig. Weiterlaufen kam definitiv nicht in Frage, das konnte ich endgültig nicht mehr schaffen. Mit Sicherheit wäre ich in allernächster Zukunft irgendwo zusammengebrochen und dort dann ziemlich schnell erfroren. Darauf hatte ich nun wirklich keine Lust.
Endlich kam der blöde Aufzug angewackelt. Ich trat ein und drückte auf den Knopf für das fünfte Stockwerk. Viel zu langsam fuhr ich in dem stinkigen Aufzug rauf und stieg in der gewählten Etage wieder aus. Über den langen Flur wankte ich auf unsicheren Beinen zu Travis' Wohnungstür. Vor meinen Augen tanzten bunte Sterne. Ich war dermaßen durchgefroren, dass ich am ganzen Körper wie bekloppt zitterte. Meine Füße waren nass und die Zehen eiskalt. Alles war taub. Mühsam zwang ich mich, einen Schritt nach dem anderen zu bewältigen. Hoffentlich werde ich nicht ohnmächtig, dachte ich matt und hielt direkt vor Travis' Tür an. Der Geruch nach Heroin und Cannabis schlug mir entgegen, den ich selig mit geschlossenen Augen tief einatmete. Nach ein paar genussvollen Atemzügen aktivierte ich meine endgültig allerletzten Reserven und klopfte an die zerkratzte Holztür. Drinnen war ganz leise Musik zu hören, Depeche Mode, die ich extrem gut leiden kann. Automatisch tippten meine so gut wie erfrorenen Zehen den Takt mit.
Ich musste noch zweimal kräftig klopfen, bis sich endlich jemand bequemte mir die Tür zu öffnen. Zu meiner Verwirrung war es nicht Travis, sondern Mabel, die vielleicht auch schon mal meine Sexpartnerin gewesen war. „Fuck! Clay!" keuchte die Frau erschrocken, als sie begriff wer vor ihr stand. Konfus und todmüde guckte ich sie an. „Hä? Was ist denn?" fragte ich desinteressiert. Mein Blick flog schon an ihr vorbei, in die winzige Wohnung hinein, auf der Suche nach Travis. Ich musste mich auf das Wesentliche konzentrieren, denn das hier war leider enorm schwierig. In meinem Besitz war gegenwärtig kein einziger Cent zu finden. Ich hatte auch gerade meine Bankkarten nicht bei mir, darum konnte ich kein Geld abholen. Eventuell war mein Konto sowieso schon komplett leergeräumt. Ich musste mir zwingend etwas einfallen lassen, denn meine Gier nach einem Chinesen war existenziell.
In Travis' Behausung herrschte diffuses Dämmerlicht, das von einigen Kerzen stammte, die irgendwo im Raum brannten. Ich konnte noch einige andere Menschen erkennen, die sich auf den wenigen Quadratmetern verteilt hauptsächlich auf dem Fußboden aufhielten. Mehr konnte ich von der Türe aus nicht sehen, keine Spur von Travis, daher drängte es mich in die Wohnung hinein. Aber Mabel hielt mich auf, indem sie einen Schritt näher kam und sich mir damit in den Weg stellte. „Gott, Clay! Was ist denn nur mit dir passiert? Wo kommst du her? Über dich sind die wildesten Gerüchte im Umlauf! Es wird behauptet, dass du durchgedreht oder gestorben wärst. Wir haben uns alle solche Sorgen um dich gemacht!" bedrängte die aufgeregte Frau mich im höchsten Maße beunruhigt. Ich glaubte ihr kein Wort, weil es nicht in der Natur von Junkies liegt, sich um das Leben von anderen Junkies übermäßig Sorgen zu machen. Der Tod ist in unserer Branche ohnehin allgegenwärtig, sodass man mit der Zeit automatisch abstumpft.
Mabels blasses, aber dennoch ansehnliches Gesicht befand sich dicht vor meinem. Sie suchte in meiner Visage nach Antworten, was mir ziemlich auf den Keks ging. Ich war es inzwischen so was von leid die rätselhafte Wissbegierde anderer Menschen befriedigen zu müssen. „Ist schon okay, May...", beteuerte ich lahm. Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein, du siehst überhaupt nicht okay aus, Clay Banton. Du siehst schwer verletzt, müde und krank aus. Du bist doch auf der Bühne mit Steinen angegriffen worden, nicht wahr? Es heißt, dass du von der Polizei verhaftet worden und vollkommen durchgedreht wärst", musste sie mir unbedingt mitteilen. Dieser Kram interessierte mich nicht die Bohne, weil ich nur noch dringend zu Travis wollte.
„Stimmt das denn, Clay? Bist du verhaftet worden? Wegen BTM? Haben die Bullen dich zusammengeschlagen?" fragte Mabel aufgeregt. Ich versuchte ein Lächeln, das wahrscheinlich ziemlich armselig geriet. Fieberhaft dachte ich darüber nach, wie ich schnellstmöglich an ein bisschen shore gelangen konnte. Die Frau schien mir eine unverhoffte Chance zu sein, darum musste ich mich wohl oder übel mit ihr beschäftigen. Auch wenn mir an diesem Punkt noch nicht klar war, inwieweit Mabel mir würde behilflich sein können. Also hob ich den Arm und strich ihr sanft ein paar braune Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Es ist schon gut, May. Das ist ja jetzt vorbei. Ich hab's überlebt", versicherte ich der Pseudo-Besorgten. Das Weib kam noch näher und umarmte mich, was ich im Moment nur schwer ertragen konnte, wogegen ich mich aber intuitiv nicht wehrte. „Himmel, Clay, du bist ja total durchgefroren!" stellte sie fassungslos fest. Sofort versuchte sie hilfsbereit, mich zu wärmen, indem sie mich noch fester umarmte. „Also ist es wahr, dass die Bullen dich verprügelt haben", glaubte sie zu verstehen. „Was hast du gemacht, Clay? Womit hast du sie verärgert? Warum bist du denn so ausgeflippt? Hast du einen schlechten Trip erwischt?" konnte das Mädchen ihre Neugierde nicht zügeln. Ich seufzte innerlich und versuchte, mit einem Blick über ihre Schulter die Menschen in Travis' Wohnung zu identifizieren. Inzwischen schauten sie alle mehr oder weniger interessiert zu uns hin. Ich erkannte einige Gesichter aus der Szene, denen ich stumm zunickte. Sie erwiderten meinen Gruß träge auf die gleiche Art. Offenbar war recht gutes Heroin im Umlauf, denn alle wirkten mächtig zugeknallt, was mich extrem neidisch und fickerig machte.
„Wer ist da, Mabel?" hörte ich endlich Travis' ungeduldige Stimme aus dem Inneren der dämmerigen, verrauchten und staubigen Wohnung. „Es ist Clay", verriet einer der Anwesenden dem Gastgeber. Niemand hier musste meinen Nachnamen erwähnen, weil es in der Szene schlicht keinen anderen meines Vornamens gab. „Fuck, Clay!" rief Travis darauf erschrocken. Fünf Sekunden später tauchte der Dealer auch schon hinter Mabel an der Tür auf. Irre aufgerissene Ecstasy-Augen starrten mich erschüttert an. „Shit, Alter, ey! Was ist mit dir passiert?" stellte er mir die gleiche nervige Frage wie vorher die Frau. Mabel löste endlich ihre enge Umarmung und drehte sich zu Travis um. „Clay ist von den Bullen brutal verprügelt worden", erzählte sie aufgebracht, „Nur weil er einen schlechten Trip erwischt hatte, haben sie ihn gewaltsam festgenommen." „Oh, Fuck, Alter, was machst du denn für'n Scheiß", meinte Travis kopfschüttelnd. „Sie haben ihn total zusammengeschlagen. Sieh dir nur an, wie schwer sie ihn verletzt haben", regte Mabel sich auf und streichelte tröstend meine Wange. „Boah, Alter, komm rein, Mann! Was kann ich für dich tun?" bewies Travis ein weiteres Mal seine berühmte Gastfreundschaft.
Ich geriet ins Schwitzen, weil ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte. Ich wusste mit absoluter Sicherheit, was ich wollte, denn meine Seele schrie gellend danach. Aber wie ich Travis dazu bringen sollte, mir ohne Geld Heroin zu geben, war mir unverändert schleierhaft. Ich kannte die Szene nun wirklich gut genug, um zu wissen, dass es niemals und nirgendwo etwas geschenkt gab.
Travis war schon auf dem Weg zurück auf seine braune Ledercouch, als ich ihn kurzentschlossen am Arm zurückhielt. Fragend blickte er mich an und ich beugte mich vertraulich dicht an ihn heran. „Du, hör mal, tut mir leid, aber ich bin zur Zeit ein bisschen knapp bei Kasse, weißt du? Aber du kannst mich stattdessen haben, Travis. Ich mache alles, was du willst, okay? Bitte gib mir einen Chinesen ab. Nur einen einzigen, ja?" flüsterte ich ihm drängend ins Ohr. Es war schlicht erbärmlich, diese Bettelei, aber mir blieb nun mal keine andere Wahl.
Der drogendurchtränkte Dealer reagierte ganz genau so, wie ich es befürchtet hatte. Sein Gesicht verzog sich augenblicklich gequält. „Boah Fuck, Alter, Shit eeeyyy, komm mir doch nicht mit so'm Scheiß!" stöhnte er restlos angewidert. Freundschaftlich legte ich ihm meinen Arm um die Schultern und drückte ihn leicht an mich. „Travis, hör doch mal, du weißt doch, dass ich so was sonst nicht mache. Habe ich dich etwa jemals angeschnorrt?" fragte ich ihn in der Gewissheit, dass er sich sowieso nicht daran erinnern würde, wenn es so gewesen wäre. Ich wusste es selbst nicht, hielt es aber eher für wahrscheinlich. „Ich komm gerade direkt von den Bullen, Mann! Die haben mich total zur Sau gemacht, die Wichser. Haben mich geschlagen, nur weil ich ein bisschen PCP geraucht hatte", log ich verzweifelt gegen meine aufkommende Panik an, eventuell nichts erreichen zu können. „Den Dreck hattest du aber nicht von mir!" musste Travis sofort seine Ehre als Dealer verteidigen. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Bei dir wäre das Zeug in Ordnung gewesen, das weiß ich doch. Von deinem Stoff wäre ich garantiert nicht komplett abgedreht", stimmte ich ihm leise zu. „Allerdings!" bekräftige Travis und verdrehte geringschätzig die Augen.
Er hatte sich seine Haare frisch gefärbt und den Rest wegrasiert. Sein neongrüner Irokese stand wie eine Eins. „Naja, das hat bei den scheiß Bullen jedenfalls den ganzen Tag lang gedauert. Darum konnte ich noch kein Geld abholen, Travis. Ich geb dir die Kohle gleich morgen, okay? Du sollst mir ja nur was vorstrecken", erklärte ich ihm flehend. Mabel stand interessiert neben uns und hörte jedes verzweifelte Wort mit. „Ich stehe zu deiner freien Verfügung", legte ich dem Iro nochmal nahe, „Sag mir bitte einfach, was ich tun soll, Trav. Ich male dir jedes Bild, das dir gefällt. Auch auf deine Zimmerwände, hörst du? Du weißt doch, dass ich das ziemlich gut kann. Oder ich könnte auch für dich dealen, wenn du willst. Ich geh morgen früh für dich auf den Campus. Die Kids da sind höllisch scharf auf dein dope. Ich mach echt alles, was du..." „Hast du die Bullen etwa mitgebracht?" unterbrach Travis mich plötzlich misstrauisch. Sein Blick huschte alarmiert an mir vorbei durch den Hausflur, um zu überprüfen, ob da irgendwo Polizisten warteten, die ihn festnehmen wollten, weil ich sie hierher geführt hatte. „Nein, Mann!" schüttelte ich energisch den Kopf. Sein unerwartetes Misstrauen versetzte mir einen heftigen Stich. „So was würde Clay doch nie tun", mischte sich Mabel verärgert ein, „Clay würde nie jemanden verraten. Das solltest du wissen, Travis." Strafend schaute sie den Irokesen an. Zu meiner Verwunderung wurde er beinahe kleinlaut. „Nein, schon gut... das weiß ich ja...", lenkte er ein und blickte mich im nächsten Moment unzufrieden an. „Aber ich kann dir nichts geben, Clay. Wenn du kein Geld hast, dann habe ich gar nichts für dich. Und das solltest du wissen, Banton", knallte der Meister der Drogen mir völlig ungerührt vor den Kopf.
Meine Innereien verkrampften jäh. Um ein Haar knickten mir vor Entsetzen die Beine weg. Hilflos krümmte ich mich zusammen. Ich musste mich hastig am Türrahmen festklammern, um nicht hinzufallen. Vor meinen Augen verschwamm alles in bedrohliches Schwarz. „Sei nicht so ein Arsch, Travis!" regte Mabel sich auf und wärmte damit meine stark verletzte Seele, „Du siehst doch, wie schlecht es Clay geht!" „Wenn ich jedem, dem es gerade schlecht geht, wenn er hier bei mir auftaucht, immerzu etwas schenken würde, dann könnte ich meinen Laden in einer Stunde dichtmachen", hielt der Dealer verächtlich schnaufend dagegen. „Du sollst mir ja gar nichts schenken...", wandte ich irritiert ein, wurde aber nicht beachtet, weil Mabel und Travis sich gegenseitig wütend fixierten.
Einen Moment lang war es ganz still. Dann rief jemand vorwurfsvoll von drinnen: „Macht doch endlich mal die Tür zu, Leute! Die verdammte Kälte kommt rein!" „Schon gut! Reg dich ab, Mann!" knurrte Travis genervt, packte meine Jacke und schob mich in seine Wohnung rein, was ich spontan als gutes Zeichen wertete. Zumindest hatte er mich nicht sofort davongejagt. Mabel folgte uns und schloss hinter uns die Tür. Ich atmete nochmal tief den Geruch nach Heroin in mich ein. Mein Blick fiel auf Travis' Glastisch, auf dem wahrhaftig unzählige Stücke von benutztem Silberpapier lagen, und mir wurde ganz anders. Ich drohte das Bewusstsein zu verlieren, schwankte wohl ein bisschen, sodass Mabel mich hastig stützte, indem sie mich abermals umarmte. Vertraulich küsste sie mich auf die Wange. Hilflos schaute ich sie an. „Willst du mit mir schlafen, Mabel?" fragte ich sie impulsiv, ohne vorher darüber nachzudenken. Die Frau zog irritiert die Augenbrauen zusammen. Travis lachte laut heraus. „Willst du Geld dafür haben, Banton?" fragte er voller Hohn. Plötzlich verwirrt schaute ich von einem zu anderen. Mabel guckte mich seltsam fragend an und hauchte: „Im Ernst, Clay?"
Travis lachte noch lauter, machte zwei Schritte auf seine Couch zu und ließ sich neben einem Typen nieder, der gerade dabei war Heroin auf einem Stückchen Alufolie zu rauchen. Ich kannte den Kerl vom Sehen, konnte mich jedoch nicht an seinen Namen erinnern. „Wie gesagt, Clay. Tut mir ja leid, aber ich habe prinzipiell nichts zu verschenken. Auch nicht für dich, den großen, nackten Star, über den die ganze Stadt spricht", stellte Travis nochmal klar, ohne seinen Spott zu verbergen. Er holte seine Bong unter dem Tisch hervor und fing damit an sie mit Tabak und dope zu stopfen.
Langsam war ich ziemlich angepisst, weil dieser idiotische Schmalspur-Dealer sich über mich lustig machte und nicht kapieren wollte, dass ich gar kein Geschenk von ihm erwartete, sondern mich ihm als Gegenleistung deutlich zur freien Verfügung angeboten hatte. Tatsächlich hätte ich in diesem Moment für einen blöden Chinesen mal wieder alles getan. Ausnahmslos. Mein Kopf spielte zweifellos völlig verrückt, denn ich war körperlich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht mal ansatzweise affig. In der Psychiatrie hatten sie mich mit irgendwas derart zugeknallt, dass ich mich noch immer dumpf betäubt fühlte. Ich nehme an, es war ein ziemlich starkes Beruhigungsmittel, vermischt mit jeder Menge Methadon, was da in mir wirkte. Trotzdem konnte ich an nichts anderes denken. Ich war mit einem Fluch belegt worden.
Wie ferngelenkt zog es mich sofort zu dem Typen auf dem Sofa hin, der gerade shore rauchte, kaum das er damit angefangen hatte. Abgelenkt löste ich mich aus Mabels drängender Umarmung und strebte dem Tisch zu. Dazu musste ich vorsichtig über jemanden steigen, der auf dem Boden lag. Travis' Wohnung war für die Anzahl der Menschen, die sich gegenwärtig in ihr aufhielten, definitiv zu klein. „Gibst du mir was ab?" fragte ich diesen Kerl und starrte gierig auf den kleinen Beutel Heroin, der direkt vor ihm auf dem Tisch lag. Er hob den Blick und sah mich an, rauchte jedoch erst in aller Ruhe seinen Chinesen auf, bevor er mir antwortete. Das dauerte mir zu lange, darum wandte ich mich ungeduldig an alle Personen im Raum: „Kann mir jemand etwas Geld leihen? Ihr kriegt es gleich morgen zurück!" Hoffnungsvoll ließ ich meinen Blick durch das kleine Zimmer schweifen. Niemand antwortete, nur unverständliches Gemurmel drang an mein Ohr. Offenbar war keiner bereit mir zu helfen, was mich total frustrierte. Travis hatte was zu Meckern: „Hör auf, Clay! Lass das sein! Geh meinen Kunden nicht auf die Nerven, okay, Alter?" Ich musste mir eine patzige Erwiderung verkneifen, weil ich nicht riskieren wollte, von Travis rausgeschmissen zu werden. Dazu roch es in diesem Zimmer entschieden zu gut, ich war viel zu nah an der heiß ersehnten Quelle.
„Du bist dieser komische Typ aus dem Internet!" stellte der Shore-Raucher verblüfft fest, nachdem er mich eine Weile nachdenklich gemustert hatte. Damit konnte ich nichts anfangen. „Gibst du einen aus, oder was?" wiederholte ich mein Begehr. Der Kerl fing damit an, ziemlich dreckig zu grinsen. „Ist dir eigentlich klar, dass du total nackt gefilmt worden bist?" fragte er mich spöttisch. Es war offensichtlich, dass der Arsch meine Bitte noch nicht mal vage in Erwägung zog. Ich musste mich anstrengen, um nicht in Panik zu geraten. Langsam gingen mir die Optionen aus.
In diesem Moment trat Mabel an meine Seite, beugte sich an mein Ohr und flüsterte fragend: „Hast du das eben ernst gemeint, Clay?" Meine Organe verkrampften sich irgendwie, weil Sex im Moment in Wahrheit nicht zu Dingen gehörte, die ich mir sehnlichst wünschte. Genaugenommen war ich mir sogar ziemlich sicher keinen hochzukriegen. Dazu war ich mittlerweile viel zu kaputt. Ich hatte keinen blassen Schimmer, warum ich der anhänglichen Frau vorhin überhaupt diesen widersinnigen Vorschlag gemacht hatte. Mabel schien allerdings nicht abgeneigt. Sie schmiegte sich eng an mich und fuhr mit ihrer Hand ungehemmt direkt zwischen meine Beine, sodass ich unbehaglich zusammenzuckte. „Also bist du neuerdings auch für Geld zu haben, Clay Banton?" begehrte sie neckend zu wissen und leckte provozierend über mein Ohr. Mein Kopf drehte sich verdutzt zu ihr. Die Frau sah okay aus und irgendwas passierte mit mir. Meine Sucht platzte schneller aus mir heraus, als ich auch nur die Chance hatte dagegen anzugehen. „Machst du das, Mabel? Gibst du mir Geld, wenn ich mit dir schlafe? Kaufst du was für mich? Bitte, ja? Tust du das bitte, May? Würdest du das bitte für mich machen?" sprudelten die Wörter einfach aus meinem Mund.
Mabel ließ mich überrascht los und ging einen Schritt zurück. Fassungslos studierte sie mein wirres, ängstliches Gesicht. „Bitte, May, okay? Ich kann das richtig gut, echt, das weißt du doch noch, oder? Es wird dir gefallen, May. Du wirst das nicht bereuen, das verspreche ich dir. Ich kann dafür sorgen, dass du dich nur noch wohlfühlst, ehrlich. Dir wird's verdammt gut gehen, ich schwör's dir", bettelte meine Sucht pausenlos für mich weiter. „Clay... Nicht...", seufzte sie unzufrieden, schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hand, was meine Panik abrupt steigerte. „Bitte, Mann!" ächzte ich verzweifelt, „Ich brauche doch nur scheiß zehn Euro, May. Du darfst dafür auch mit mir machen, was immer du willst! Ich tue alles was dich antörnt, okay? Ich mach alles, May!" Auch wenn es erbärmlich war, war es nun mal die Wahrheit. Ich wollte shore haben und dafür war ich bereit alles zu tun. Es gab keine Grenzen mehr. So einfach war das. All meine Hoffnung konzentrierte sich unwillkürlich auf die neue Chance vor mir.
„Mann Clay! Echt, ey! Beherrsch dich mal! Das ist hier kein Puff!" beschwerte Travis sich pikiert, der dummerweise mein flehendes Angebot mitangehört hatte, obwohl ich es direkt an Mabel gerichtet hatte. Das Mädchen betrachtete mich gerührt. Ihre Augen blitzten zwischen Verwunderung, Besorgnis und nervösem Interesse. Sie zögerte eine Weile, aber dann fasste sie plötzlich einen Entschluss. „Okay, Clay, ich helfe dir", teilte sie mir leise mit. Meine Beine knickten mir weg, sodass sie mich auffangen musste, was sie verlegen kichernd tat. Ich hatte Schwierigkeiten mein Bewusstsein zu behalten, alles verschwamm vor meinen Augen. „Verdammt, Leute, schämt euch! Ich will so einen Mist nicht mit ansehen müssen!" schimpfte der Irokese verärgert. Mabel lächelte ihn entschuldigend an. „Ach komm, Travis, sei doch nicht so. Du wirst gar nichts davon mitkriegen. Wir gehen solange ins Klo, okay?" schlug sie schüchtern vor. Die winzige Toilette war in dieser Ein-Raum-Wohnung die einzige Möglichkeit, um unbeobachtet Sex zu haben. „Aber seid bloß leise!" knurrte Travis verständnislos. Die anderen Menschen in diesem Raum, die alle Zeugen der schlüpfrigen Vereinbarung geworden waren, fingen johlend an zu klatschen.
Obwohl mir allein der Gedanke, in nächster Zukunft potent mit ihr schlafen zu müssen, absolut nicht behagte, lächelte ich Mabel verschwörerisch an, sobald sich mein Blick wieder halbwegs geklärt hatte. „Das wird total schön, May, du wirst sehen. Aber vorher muss ich unbedingt erst was rauchen", erklärte ich ihr und konnte meine jäh explodierende Gier dabei kaum verbergen. Sie lachte amüsiert und küsste mich auf die Nase. „Okay, Schatz", stimmte sie gutmütig zu. Vor Aufregung hämmerte mein Herz los. Mabel wandte sich an Travis, der uns genervt beobachtete: „Sei nicht sauer, Travis. Das geht doch ganz schnell. Wir werden auch leise sein, okay?" „Das ist echt total widerlich, Clay. Du bist so was von erbärmlich. Ich wusste ja noch gar nicht, dass du eine Prostituierte bist, Alter", machte er mich gehässig runter. Du lässt mir ja keine Wahl, du Arsch, wollte ich brüllen, konnte mich aber im letzten Moment zurückhalten.
„Clay Banton ist so ziemlich alles, was du dir vorstellen kannst. Vom psychotischen Kühlschrank bis zum sexbesessenen Man- oder Womanizer, je nachdem, da ist er nicht wählerisch. Und außerdem ist er beschnitten. Sag bloß, das wusstest du noch nicht, Trav", mischte sich irgendwer spöttisch ein, der vor dem Fernseher auf dem Boden saß. „Dazu musst du dir doch nur Bennet's Blog ansehen. Dann bist du zwangsläufig voll im Bilde über den Typen", setzte eine Frau hinzu, die neben ihm saß und die ich mutmaßlich noch nie gesehen hatte. Depeche Mode spielte noch immer leise im Hintergrund. Verstört versuchte ich mich auf die saugute Musik zu konzentrieren. Gelang mir aber nicht besonders gut, weil ich viel zu geil auf shore war und plötzlich alle durcheinander quatschten. Die Menschen sprachen eindeutig über mich, diskutierten angeregt über Bennet's Blog, Steine im Theater, Polizeiwillkür und erlogene Angel Dust-Ausfälle, was mich restlos verwirrte. Ich konnte mir nicht erklären, wie ich ein dermaßen großes allgemeines Interesse hervorgerufen hatte, ohne auch nur irgendwas dafür zu tun.
Die göttliche Mabel ging zum Sofa und machte einen Deal für mich klar, was meinen Herzschlag nochmal derart beschleunigte, dass ich einem Herzinfarkt wahrscheinlich bedrohlich nahe kam. Travis rauchte in Seelenruhe seine Bong, bevor er sich bequemte mir was abzuwiegen, und ich drehte unterdessen innerlich so gut wie durch. Irgendwann war der Dealer dann endlich fertig und winkte mich wahrhaftig zu sich. Mit einem überstürzten Satz saß ich dicht neben ihm auf der Ledercouch. „Bist du sicher, dass du das machen willst, Clay?" fragte er mich verständnislos. „Was denn?" erkundigte ich mich völlig desinteressiert, weil ich endlich, endlich, endlich ein pack vor mir liegen hatte, in dem ein bisschen Heroin war, wenn auch leider nur herzlich wenig. Meine Augen suchten flehend auf dem übervollen Glastisch nach einem Messer, während meine zitternden, fast abgefrorenen Finger versuchten ein Stück Alufolie von der Rolle abzureißen. Shit, ich konnte kaum was richtig greifen, meine kalten Finger und Zehen tauten langsam auf, waren taub und kribbelten wie verrückt. Ich war so dermaßen daneben, dass ich meine Extremitäten kaum noch unter Kontrolle hatte.
„Willst du ehrlich mit Mabel ficken?" horchte Travis mich indiskret aus. Entsetzt starrte ich ihn an, weil ich das im Moment zum Verrecken nicht wollte. „Nein, fuck!" entfuhr es mir widerstrebend. Travis lachte laut auf, was ich kein bisschen kapierte. Ich hatte endlich das kleine Messer entdeckt, schraubte mich mühsam von dem weichen Sofa hoch, machte meinen Arm lang und griff ungeschickt danach. Dann sank ich zurück in die Polster und konzentrierte mich darauf, mit dem Messer die shore aus meinem pack auf das Silberpapier zu schaufeln. Meine Finger zitterten derart heftig, dass ich zu viel verschüttete, was mich total wahnsinnig machte.
„Ich glaube hier herrscht noch Klärungsbedarf, Mabel", wandte Travis sich kichernd an die Frau, die neben dem Tisch stand und mich abwartend im Auge behielt. Konfus warf ich ihr einen schnellen Blick zu. Mabel taxierte mich mit eisigem Blick, und in diesem Moment erinnerte ich mich an unsere Vereinbarung. Nein, verdammt, ich hatte das Mädchen sogar angefleht, sich auf mich einzulassen. All das war eindeutig aus einer unkontrollierbaren Not heraus geboren worden. Ich hatte mich für zehn mickrige Euro vollständig an sie verkauft. „Ähm... nein... Mach dir keine Sorgen... Ich halte meine Versprechen, May", versicherte ich ihr hastig. Die Frau seufzte unzufrieden. „Das will ich auch hoffen, Clay Banton. Immerhin habe ich dir gerade Heroin gekauft. So etwas tue ich nicht für jeden", erklärte sie ein bisschen beleidigt. „Nein du, ich dachte doch, dass Travis jemand anderen meint", versuchte ich mich instinktiv rauszureden, was total idiotisch war, denn wahrscheinlich existierte gar keine andere Mabel. Der Dealer amüsierte sich köstlich über mich. Auch die restlichen Leute in diesem winzigen Zimmer fingen an zu lachen. Es kotzte mich ganz schön an, dass ich pausenlos so eine unfreiwillige Belustigung für sie war.
Ich bekam es nicht hin, den scheiß Chinesen in meine bebende Hand zu nehmen, ohne das ganze schöne Zeug darauf zu verlieren. Meine Finger zitterten unvermindert stark, und langsam geriet ich deswegen in haltlose Panik. Mein Herz hämmerte wie verrückt, krampfhaft atmete ich ein und aus und ein und aus und ein und aus. Mein Körper fing von alleine an sich nervös hin und her zu bewegen, ich zuckte unkontrolliert. Das ging eine ganze Weile so, bis ich mir sicher war jeden Moment zu sterben. „He, beruhige dich mal", meinte Travis irgendwann zu mir und legte mir beschwichtigend seinen Arm um die Schultern. Mabel kam zu mir und quetschte sich dreist neben mich auf den äußersten Rand des Sofas, weswegen wir alle noch näher zusammenrücken mussten. „Ist schon gut. Ich mach das für dich, Clay", bot sie hilfsbereit an.
Unendlich erleichtert schaute ich dabei zu, wie die Frau meine Folie und ein Feuerzeug vom Tisch in die Hand nahm. Travis reichte mir grinsend ein Zugrohr. Ich nahm es und musste mich herbe anstrengen, um nicht letztendlich doch noch in Ohnmacht zu fallen, weil ich es weder fassen noch verarbeiten konnte, dass der Chinese mir urplötzlich zum Rauchen nahe war. Mit dem Rohr im Maul beugte ich mich über das silbern glänzende Stück Papier, das Mabel mir hinhielt, und die Frau lenkte das Feuerzeug drunter, um die shore zu verbrennen. Und dann musste ich wahrhaftig nur noch tief einatmen. Selig schloss ich die Augen und zog wie der armselig Süchtige, der ich nun mal war, den herrlich bitteren Qualm in meine Lungenflügel.
An diesem Punkt setzt mein Gedächtnis aus. Es kann sein, dass ich anfing zu husten oder zu kotzen. Vielleicht lachte ich auch oder fing damit an mich auszuziehen, weil mir von der shore schlagartig enorm heiß wurde. Oder ich küsste Mabel, weil ich ihr so dankbar war. Irgendwann lag ich umschmeichelt auf dem Boden. Meine Lieblingsband Linkin Park spielte. Tausend zärtliche Finger fassten mich an. Und zum ersten Mal an diesem Tag schien alles gut zu sein.
Sean
War nicht schwer Clay zu finden, weil ich ja mit zweifelloser Sicherheit wusste, wo genau es ihn hinzog. Ich hatte keine Lust dem Kerl nochmal nachzurennen, als er plötzlich aus dem Wohnheimzimmer weglief. Herr Banton machte sich eilig davon, flüchtete feige vor der Konfrontation, was mich noch nicht mal sonderlich überraschte. Nur, dass er mir für seine überstürzte Flucht ziemlich schmerzhaft seinen Ellenbogen in die Rippen rammte, ärgerte mich. Der Rest war Geschichte. Ich hatte es schon zu oft erlebt. Eine weitere winterliche Verfolgungsjagd war mir zu anstrengend und weckte zu viele böse Erinnerungen. Darum versuchte ich das erst gar nicht und ließ den dummen Schwachkopf erst mal laufen. Später würde ich ihn ja sowieso bei einem Dealer finden. Den Abhängigen dauerhaft vom Heroin fernzuhalten war schlicht unmöglich.
Stattdessen hatte ich noch eine verbale Auseinandersetzung mit Flint und ihrem Brutalo-Freund, die beide offensichtlich so viel Schiss vor mir hatten, dass es eine Genugtuung war, wie stark ich sie mit meiner Präsenz und meinen Drohungen einschüchtern konnte. Zum Schluss hatte ich die gewalttätigen Kinder so weit, dass beide mir versprachen sich selbst anzuzeigen und die rechtlichen Konsequenzen ihrer gefährlichen Körperverletzung gegen Clay zu akzeptieren. Wahrscheinlich würde mindestens ein Schmerzensgeld dabei rauskommen. Ich glaube, sie wussten nun um die Folgen, sollten sie ihr Versprechen nicht einhalten. Jedenfalls habe ich sie ihnen deutlich genug erklärt. Als ich von Kimmi auch noch verschüchtert Bantons Schlüsselbund überreicht bekam, war ich vollends zufrieden mit mir und konnte diese langweilige Studentenbude endlich verlassen.
Draußen auf dem Parkplatz stieg ich in meinen Jeep und steuerte nach kurzem Abwägen direkt die Hochhäuser an, in denen Travis hauste. Ich war mir sicher, meinen süchtigen Mann dort anzutreffen. Meine Überlegungen waren schließlich logisch. Clay Banton hatte weder Geld noch Handy dabei und deshalb fiel Sergej als Heroinlieferant für ihn aus. Stattdessen würde er es zuerst bei dem gutmütigen Travis versuchen und ihm als Gegenleistung irgendetwas anderes anbieten, so meine naheliegende Vermutung.
Also parkte ich den Jeep in der dunklen, dreckigen Tiefgarage, der zum Gebäudekomplex gehörte, und stieg über die vielen Treppen hinauf bis zu Travis' winziger Sozialwohnung im fünften Stockwerk. Schon auf dem Flur schlug mir der Geruch von Heroin und Haschisch entgegen. Durch die geschlossene Tür war leise Musik von Linkin Park zu hören. Eine Weile lang stand ich dort, wippte im Takt der Musik mit dem Kopf und bereitete mich emotional auf die kommende Szene vor, die ich nicht wirklich einschätzen konnte. Es gab einige Eventualitäten zwischen einem von zu viel Heroin bewusstlosen Clay bis zu einem wild tobenden, weil er bei Travis wider Erwarten nichts hatte erreichen können.
Zumindest konnte ich drinnen niemanden schreien hören, als ich mein Ohr neugierig auf die Tür legte, was mich ein wenig beruhigte. Stattdessen gab es aber andere Geräusche. Anscheinend hielt sich eine ungewisse Anzahl von Menschen in der winzigen Wohnung auf. Es widerstrebte mir, die immer staubige und vollgestopfte Behausung zu betreten. Denn weder wollte ich Drogen kaufen noch hatte ich Lust auf den ganzen Junkie-Mist, der hier ohne Pause ablief. Aber ich hatte ja meine Mission, hatte die schwierige Aufgabe übernommen, den durchgedrehten Patienten Clay Banton aufmerksam im Auge zu behalten, und ich hatte nicht vor, mein Versprechen gegenüber Doktor Siamak Tourani zu brechen. Außerdem sehnte ich mich nach meinem Mann.
Schließlich gab ich mir einen Ruck und klopfte kräftig an die Tür. Schon nach kurzer Zeit öffnete mir ein sichtbar zugekiffter Travis, den ich bei näherer Betrachtung in gar keinem anderen Zustand kannte. „Valmont, hey!" grüßte der Dealer höchst erfreut, weil er zweifelsfrei davon ausging, dass ich nochmal jede Menge Geld bei ihm loswerden wollte. Allein für das gebasete Kokain hatte er mir nämlich erst gestern ziemlich viel davon abgeknöpft. „Hi Travis", erwiderte ich und hob die Hand. „Komm rein, Alter! Dein Spezi ist auch schon da", informierte der Dealer mich gelassen und winkte mich in sein Heim. Mein Herz schlug ein bisschen schneller, weil mir sofort klar war, wen er meinte. Travis zeigte andauernd sein seltsames Interesse an der Beziehung zwischen Banton und mir. Außerdem erleichterte es mich mehr, als ich mir eingestehen wollte, dass ich mit meinen logischen Gedankengängen sofort richtig gelegen und Clay so schnell gefunden hatte. Ein Rest Unsicherheit, wohin mein Mann sich flüchten würde, war offenbar trotz allem in mir vorhanden gewesen.
Ich folgte Travis in seine Wohnung und zog hinter mir die Tür zu. Der junge Dealer mit dem neongrünen Irokesen strebte sofort auf seine braune Ledercouch, von wo aus er normalerweise seine Drogengeschäfte erledigte und worauf er sich auch jetzt erwartungsvoll niederließ. Noch an der Tür stehend genehmigte ich mir einen schnellen, prüfenden Rundumblick durch das kleine Zimmer, in dem lediglich einige Kerzen nur dämmriges Licht spendeten. Wenn die Musikanlage nicht angeschaltet gewesen wäre, hätte ich vermutet, dass sie Travis den Strom abgestellt hatten und er deshalb auf Kerzenlicht ausgewichen war. Aber offenbar sollte dieses Detail die schummrige Stimmung unterstreichen, die hier herrschte.
Wie schon erwartet war der Raum voller Menschen, die sich hauptsächlich auf dem Fußboden verteilt hatten. Die meisten von ihnen dösten einfach nur so vor sich hin, unübersehbar betäubt von Drogen. Auch neben Travis auf dem Sofa saßen drei, die alle träge damit beschäftigt waren Heroin zu rauchen. Zwischen einem Grüppchen auf dem Boden kreiste eine Bong. Einige Personen hatte ich schon mal gesehen, wir grüßten uns stumm. Die meisten kannte ich allerdings nicht. Clay konnte ich trotz intensiver Suche im verräucherten Dämmerlicht nicht ausmachen.
„Was kann ich für dich tun, Sean Valmont?" wollte Travis geschäftstüchtig wissen und winkte mich zu sich heran. Ich machte zwei Schritte auf ihn zu, achtsam, um nicht unabsichtlich auf Hände oder Füße zu treten. „Wo ist Clay?" fragte ich ihn ohne Umschweife. Der Neongrüne guckte mich verblüfft an. „Kein Koks heute?" stellte er enttäuscht fest, „Keine shore? Oder wenigstens dope?" Ich schüttelte den Kopf. „Ne, ich hab noch. Ich will nur Clay abholen", erklärte ich meinen Besuch. Der Dealer auf dem Sofa stöhnte theatralisch und verdrehte genervt die Augen. Dann zeigte er in die hinterste Ecke, wo zwei Personen im Schatten irgendwie miteinander beschäftigt waren. Einer lag abgewandt auf dem Boden, der andere saß anscheinend dicht vor ihm, mit dem Rücken zu uns. Ich konnte vom Sofa aus nicht erkennen, was genau da ablief oder um wen es sich handelte.
„Die Schlampe begleicht da hinten seine Schulden bei der Frau", knurrte Travis verärgert, „Obwohl sie versprochen hatte ins Bad zu gehen. Das ist total widerlich, Sean. Gut, dass du da bist. Hol den Blödmann bloß da weg!" Auch diese Information konnte ich deuten. Vor Unbehagen zog sie mir die Eingeweide zusammen. Offenbar hatte die Frau Heroin für Clay gekauft und forderte nun seine Bezahlung in Form von sexuellen Gefälligkeiten. Diese Art von Handel war unter Junkies absolut unüblich. Aber leider hatte Banton irgendwas an sich, was die Weiber dermaßen verrückt machte, dass sie sich sogar auf so etwas einließen. Mein Körper verkrampfte sich kurz, sodass ich instinktiv tief einatmete. Travis beobachtete wachsam meine Reaktion, und ich wollte mich vor ihm auf keinen Fall gehenlassen. Also riss ich mich zusammen.
„Das geht nicht, Sean Valmont. Dein Liebster kommt ohne Geld zu mir und bettelt hier alle an, darauf kann ich echt nicht!" regte Travis sich auf, als wäre ich für die unakzeptablen Handlungen seines Kunden verantwortlich. „Sag ihm, dass das heute das letzte Mal war, ja? So einen perversen Scheiß werde ich nicht nochmal hinnehmen", stellte der neongrüne Irokese wütend klar. Genervt holte er seine Bong unter dem Tisch hervor und fing an sie zu stopfen. „Wie wäre es, wenn du ihm das selbst sagst?" schob ich mal gleich jede Verantwortung weit weg von mir. Travis grinste mich schief an und zeigte nochmal in die hinterste Ecke seines kleinen Zimmers, in der sich angeblich Clay mit einer Frau auf dem Fußboden befand. Meiner Einschätzung nach war es das Weib, das vor dem Körper auf dem Boden saß. Sie beschäftigte sich intensiv mit ihm, aber dieser Platz des Raumes war zu dunkel, als hätte ich Banton von meinem derzeitigen Standpunkt neben dem Sofa aus einwandfrei identifizieren können. Es war nichts Neues für mich, dass mein Mann mit anderen Menschen rummachte. Das hatte ich schon zu oft gesehen. Trotzdem war es jedes Mal enorm schwer für mich, weil es mich so sehr verletzte. Noch schwerer wurde es durch die Tatsache, dass Clay sich an die Frau verkauft hatte.
„Sag mal, stört dich das nicht, dass er dich für ein bisschen Heroin betrügt?" fragte mich der Typ, der neben Travis auf der Couch saß. „Also ich wäre an deiner Stelle total angepisst, Valmont", musste noch jemand seinen Kommentar loswerden. Andere stimmten zu. Offenbar bekamen sie von ihrer Umgebung doch noch mehr mit, als es den Anschein machte. Ich spielte den Gleichgültigen. „Clay betrügt mich auch für weit weniger als ein bisschen Heroin, aber hey, so ist das Leben", tat ich cool und unberührt. Ein paar Leute sahen mich mitleidig an, was mir ziemlich gegen den Strich ging, weil ich ehrlich kein Mitleid erregen wollte.
Um mich abzulenken, machte ich mich auf den Weg in Clays Richtung. Obwohl Travis' Wohnzimmer sehr klein war, war der Weg in die hinterste Ecke derzeit ein mühsamer Hindernisparcours. Diese Wohnung war ohnehin ständig vollgestopft mit überflüssigen Dingen, die man getrost hätte entsorgen können. An diesem Abend lagen und saßen zusätzlich einige Personen im Weg herum, über die ich vorsichtig hinweg stieg oder ihnen auswich, wo es möglich war. Je näher ich der besagten Ecke kam, umso mehr steigerte sich meine Nervosität. Ich war mir hundertprozentig sicher, nicht sehen zu wollen, was sich mir nun zeigen würde. Aber wollte ich mein Versprechen Tourani und mir selbst gegenüber einhalten, dann musste ich den bekloppten Isländer jetzt mitnehmen. Und genau das würde ich auch tun. Nichts hätte mich davon abhalten können, denn ich wollte meinen Mann auf keinen Fall noch länger allein in dieser verdammten Drogenhöhle lassen. Was in meiner Abwesenheit hier passiert war, war sowieso schon schlimm genug. Mein Blick heftete sich konzentriert auf die zwei hemmungslosen Personen, die unübersehbar sexuell beschäftigt waren. Dieses Treiben hatte ich in Travis' Wohnung noch nie gesehen, denn normalerweise suchten die Menschen hier eine andere Art von Befriedigung.
Schließlich blieb ich direkt hinter der Frau stehen, die mit dem Rücken zu mir auf der schmutzigen Erde saß. Mein Hals schnürte sich zu. Ich brauchte einen Moment, um mit dem sich mir nun aufdrängenden Anblick fertigzuwerden. Trotz des schummrigen Kerzenlichtes fiel mir Clay ins Auge und brannte sich dort innerhalb von Sekunden schmerzhaft ein. Banton war der einzige hier, dem Jeans und Unterhose bis zu den Knien heruntergezogen worden waren. Seine muskulösen, schönen Oberschenkel wirkten im Kerzenlicht nahezu weiß, sodass die schwarze Naht sich überdeutlich davon abhob. Clay trug noch mein T-Shirt, hochgezogen bis über die Brust. Meine Turnschuhe steckten an seinen Füßen. Du blöder Arsch, dachte ich wütend, als ich kapierte, dass Banton sich der intimen Behandlung dieser Frau bedingungslos auslieferte. Bei genauem Hinsehen erkannte ich schließlich, dass es sich bei dem Weib um Mabel handelte, die ich nicht besonders gut kannte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob mein Mann wohl schon vorher mit Mabel auf diese Art vertraut gewesen war, oder ob es ihm einfach nur scheißegal war, wer an ihm herumfummelte. Beide Möglichkeiten gefielen mir überhaupt nicht.
Clay Banton lag auf dem Rücken und gab sich ungehemmt seinen leidenschaftlichen Gefühlen hin. Seine Augen waren fest geschlossen, offensichtlich nahm er nichts anderes mehr wahr. Sein Mund stand ein Stückchen offen, die Zunge fuhr wollüstig über seine Lippen. Die Finger seiner linken Hand strichen gierig über seinen eigenen Leib, streichelten seine nackte Brust und den Bauch und schaukelten ihm im nächsten Moment die Eier. Die rechte Hand hatte er um die Hüfte der Frau gelegt und knetete unruhig ihr weiches Fleisch. Mabel befand sich direkt vor seinem entblößten Unterleib. Ihre Hand war um Bantons harten Schwanz geschlungen und fuhr heftig auf und ab. Clay wand sich genüsslich auf dem Boden und stöhnte leise. Meine Eingeweide verkrampften sich jäh. Meine Seele schmerzte enorm. Am liebsten hätte ich sehr laut geschrien.
„Warte... warte...", keuchte Clay völlig weggetreten, „Du musst langsamer machen... Sonst komm ich gleich..." Nicht eine Sekunde länger wollte ich das mit ansehen. „Hör sofort auf damit!" befahl ich Mabel energisch. Ihre Hand kam augenblicklich zum Stillstand. Ihr Gesicht drehte sich verblüfft zu mir um. „Ach, Sean...", meinte sie überrascht, „Wo kommst du denn auf einmal her?" „Lass ihn los!" verlangte ich streng. Auch diesmal gehorchte sie mir, sah aber höchst unzufrieden dabei aus. „Ach, komm schon, Valmont! Dein zugeknallter Freund hat ewig gebraucht, bis er endlich hart wurde! Jetzt lass mir doch den Spaß!" bat sie mich quengelnd. „Du hast versprochen ins Bad zu gehen, Mabel!" rief Travis vorwurfsvoll von der Couch her. „Ja doch, Trav! Clay musste doch erst mal bereit gemacht werden. Ich hatte keine Lust, das auch noch in deiner engen Toilette zu erledigen. Aber wir gehen jetzt ins Bad, versprochen", versuchte Mabel den Dealer zu beschwichtigen. „Ihr geht nirgendwo hin", stellte ich entschieden klar, „Du lässt ihn jetzt in Ruhe." Ich versuchte ruhig zu bleiben, aber meine Stimme duldete hörbar keinen Widerspruch.
Selbstbewusst schaute ich die Frau an, die mich auf dem Boden sitzend enttäuscht musterte. „Mensch, Sean... Es fing gerade an Spaß zu machen...", jammerte sie frustriert. „Und jetzt ist es vorbei", erklärte ich hart. Mabel schüttelte den Kopf. „Das kannst du Clay nicht antun, Valmont! Sieh ihn dir doch mal an! Guck richtig hin! Siehst du denn nicht, wie schwer verletzt er ist? Der arme Kerl ist heute von den Bullen brutal verprügelt worden. Stell dir das mal vor! Die haben ihn total fertiggemacht, nur weil er ein bisschen Angel Dust geraucht hatte. Als Clay vorhin hier ankam, war er nur noch ein Häufchen Elend. Dein Liebhaber konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, glaub mir das! Aber jetzt geht es ihm richtig gut. Sieh doch nur, wie sehr er es genießt, wenn ich ihn anfasse! Endlich fühlt er sich wohl. Das kannst du deinem Geliebten doch jetzt nicht wegnehmen!" redete sie überraschend clever auf mich ein. Es wunderte mich nicht, dass Clay ihr etwas von der Polizei vorgeschwindelt hatte, denn die Wahrheit erklären zu müssen, wäre ohne Frage sehr unangenehm für ihn geworden. Aber obwohl die Frau auf eine gewisse Art zweifellos recht hatte, konnte sie mir dennoch nichts vormachen. „Willst du mir ernsthaft erzählen, dass du dich gerade selbstlos opferst, nur um Clay Banton glücklich zu machen, Mabel?" fragte ich das Weib spöttisch. Zu meiner Genugtuung geriet sie verlegen ins Stottern. „Nein... okay... ganz so ist es nicht...", gab sie zögernd zu und atmete tief ein.
„Hör doch auf, Frau! Du machst das hier nur für dich selbst, verdammt! Du hast die Gelegenheit genutzt, um deinen geilen Spaß mit Clay zu haben", konnte ich mich in meiner inneren Wut nicht länger bremsen. Mabels Augen verengten sich. „Nein, das ist nicht meine Absicht gewesen! Dein verrückter Freund hat mich schließlich angebettelt, damit ich ihm bitte Heroin kaufe. Banton wollte unbedingt Geld haben und hat sich mir dafür bedingungslos angeboten. Da kannst du jeden hier fragen, Sean", widersprach sie verärgert. „Ja, aber das kam dir doch gerade recht, nicht wahr, Mabel?! Du hast seine Verzweiflung liebend gerne für dich ausgenutzt, weil du nämlich dringend von ihm gevögelt werden willst", warf ich ihr angewidert vor. Mabel schnappte empört nach Luft. Bevor dem Weib eine Erwiderung einfiel, meldete sich Travis unüberhörbar verärgert von seinem Sofa aus. „Leute! Ich bitte euch! Kriegt euch endlich ein und hört auf mit dem Mist!" verlangte der Hausherr lautstark, „Nimm deinen durchgeknallten Liebhaber mit und verschwinde von hier, Sean Valmont", setzte er noch warnend hinzu. Ärgerlich warf ich dem Dealer einen Blick zu. Travis meinte es zweifellos ernst. Erst jetzt registrierte ich die allgemeine Aufmerksamkeit, die der unwillkommene Streit zwischen Mabel und mir inzwischen erregt hatte. Alle Augenpaare in diesem kleinen Zimmer waren auf mich gerichtet. Spöttische und mitleidige Gesichter studierten mich interessiert.
Unbehaglich schaute ich auf Clay hinunter, der noch immer halb ausgezogen auf dem Rücken lag und sich hingebungsvoll selbst streichelte. Offenbar registrierte er tatsächlich erst jetzt langsam, dass die wohltuende Hand an seinem Penis schon seit einiger Zeit verschwunden war. Wie ferngelenkt wanderten seine eigenen Finger an die höchst empfängliche Stelle, um die ersehnte Stimulation zaghaft fortzusetzen. Widerwillig klappten seine Augen auf. „Was ist denn?" fragte er atemlos, „Was ist los, May?" Er klang wahrhaftig enttäuscht, der Wichser. In Zeitlupe hob er seinen berauschten Kopf ein Stückchen und schaute sich verwirrt um. Es war schlicht unübersehbar, dass die Chinesen, die er fraglos in diesem Zimmer geraucht hatte, ihn intellektuell endgültig lahmgelegt hatten. „Warte mal eben, Schatz", sagte Mabel zu ihm und strich ihm beruhigend über die nackte Brust.
Es dauerte einige Minuten, bis Clay mich endlich registrierte, obwohl ich direkt neben ihm stand und mit zornig hämmerndem Herzen auf ihn hinabschaute. Sein wunderschönes Gesicht verzog sich vage angewidert. „Fuck, Valmont... Was... willst du denn? Hau ab, Mann... Lass mich in Ruhe...", murmelte er ohne eindeutige Gefühlsregung. „Zieh dich an, Clay", befahl ich ihm vorwurfsvoll, aber er machte keine Anstalten dazu. Wahrscheinlich drang mein Befehl nicht mal bis zu ihm durch. Selbstverständlich war es Herrn Banton nicht im Geringsten peinlich, mit heruntergelassenen Hosen und einem beeindruckenden Ständer in einem Zimmer voller fremder Menschen zu liegen. Womöglich war ihm das nicht einmal mehr bewusst, dass er hier für alle einen offenbar unerwünschten Porno ablieferte. Ihn störte nur irgendwie, dass ich ihn dabei erwischt hatte. Mein untreuer Mann war sich keiner Schuld bewusst.
„Hau ab... Valmont... misch dich nicht immer... in... mein Leben ein", beschwerte er sich wenig eindrucksvoll mit stark schleppender Zunge. Ich schaute ihn an und dachte daran, dass Clay Banton keine Ahnung hatte, wie sehr ich mich in Wahrheit schon in sein völlig haltloses Leben eingemischt hatte. Ohne mich hätte er sicher weder eine Wohnung noch einen britischen Sportwagen oder den ganzen anderen Kram, den er sich vom Geld für seine Bilder gekauft hat, überlegte ich verärgert. Der verfluchte Kerl würde vielleicht noch immer vollkommen mittellos auf der Straße leben. Für nichts davon würde er mir jemals dankbar sein. Damit musste ich leben.
„Lass mich in Ruhe", verlangte Clay beduselt, „Ich will jetzt... ficken... verdammt..." Seine Stimme war leise und lallend, sie übertönte kaum die Musik von Linkin Park die unaufhörlich im Hintergrund lief. Trotzdem verfolgten mittlerweile alle mehr oder weniger aufmerksam die nur für sie amüsante Situation. Ein paar Personen im Raum fingen an zu lachen, andere verdrehten geringschätzig die Augen. Das gefiel mir alles nicht. Ich wollte nicht, dass Banton sich weiterhin zum Gespött machte. Es wurde derzeit sowieso schon zu viel über ihn getratscht. Fehlte nur noch, dass jemand sein Handy rausholen und anfangen würde zu filmen. „Zieh dich an, Clay!" wiederholte ich laut und deutlich, „Wir gehen jetzt!" „Nein... ich geh nicht... Valmont... ich... kann gar nicht gehen... bevor ich nicht gekommen bin...", erwiderte Clay vage grinsend und wandte sich an Mabel, die unverändert neben ihm saß und ihn besorgt beobachtete. Begehrlich streckte er seine Hände nach der Frau aus, berührte sie mit seinen Fingerspitzen. „Nicht wahr... May... ich soll in dich kommen... kräftig... oder? Du willst das doch... ja?... das ich das jetzt mache... ich kann das gut...", wisperte er halb bewusstlos, „Das wird geil, May... Ich mach dir das total schön..." Im nächsten Moment fielen dem übermäßig Betäubten die Augen zu. Sein Kopf, ebenso wie seine Arme, sanken kraftlos zurück auf die Erde. Reglos lag der Typ da. Sein Atem ging ruhig. Als wäre er plötzlich eingeschlafen. Die Auseinandersetzung mit mir hatte ihn anscheinend zu sehr angestrengt.
Sogar Mabel musste nach einer verdutzten Minute sichtbar enttäuscht einsehen, dass von diesem Mann vorerst nichts mehr zu erwarten war. Clay Banton war gegenwärtig schlicht nicht in der Lage, sie oder auch nur irgendjemanden sexuell oder sonst wie zu befriedigen, noch nicht einmal sich selbst. Der Idiot hatte sich mit dem letzten Chinesen vollständig abgeschossen. Prüfend warf die Frau einen indiskreten Blick auf die begehrte Erektion ihres weggenickten Sexpartners. Sein intimstes Organ verlor unübersehbar seine Standfestigkeit. „Schade", seufzte Mabel frustriert, „Ich habe so lange gebraucht, um den müden Schlappschwanz endlich richtig steif zu kriegen."
Die ganze verfluchte Wohnung brach in jubelndes Gelächter aus. Nur Mabel und ich sahen uns irritiert an. Das schadenfrohe Amüsement der anderen verärgerte das Mädchen enorm. Mit einem leichtfüßigen Satz sprang sie auf die Beine und fixierte mich kampfbereit. „So geht das nicht, hör mal! So einfach ist das nicht, Valmont. Ich lass mich doch von deinem Spinner nicht verarschen! Clay Banton hat Schulden bei mir gemacht. Ich habe verdammt gutes Geld für ihn bezahlt, frag mal Travis! Clay und ich hatten eine klare Vereinbarung, und die muss er jetzt gefälligst auch erfüllen", bestand sie stur auf ihrem anstößigen Arrangement. Das Weib musste sich spürbar zurückhalten, um nicht wütend auf den am Boden liegenden Clay einzutreten. Ich konnte nicht fassen, wie abgebrüht die Schnepfe war. „Wie viel kriegst du? Ich bezahle seine Schulden, keine Angst", beruhigte ich das aufgebrachte und unbefriedigte Mädchen spontan, weil ich nicht wollte, dass Clay schon wieder verprügelt wurde. Außerdem hatte ich keine Lust mehr auf diese lästige Konfrontation. Ich wollte nur noch den Isländer einpacken und dann so schnell wie möglich aus der unangenehm schummrigen und vollgestopften Räucherhöhle verschwinden. Obwohl es mich nebenher mächtig ankotzte, in diesem Zusammenhang Geld ausgeben zu müssen.
Mabel sah alles andere als zufrieden aus. Offensichtlich wollte das um ihren Spaß betrogene Mädchen sehr viel lieber von meinem Mann gevögelt werden. Zu meiner Erleichterung ließ sie sich jedoch mit einem widerstrebenden Nicken darauf ein. Auf dem braunen Ledersofa verlor Travis endgültig seine Geduld. „Habt ihr euch bald mal geeinigt, wer von euch denn nun mit der Prostituierten ficken darf, ihr Zwei? Ich fass es nicht, dass so was in meiner Wohnung passiert! Nimm den Spinner sofort mit, Valmont, sonst schmeiße ich ihn mit Gewalt raus!" verlangte der Dealer warnend von mir. „Schon gut, Trav, beruhige dich, wir gehen ja schon", erwiderte ich beschwichtigend. „Ich kriege 10 Euro von deinem tödlich langweiligen Betthasen", betonte Mabel verächtlich. Ungeduldig auffordernd wedelte sie mit ihrem rechten Handteller vor meiner Nase herum. „Ja doch, Mabel. Ist ja schon gut", wich ich ihrer Bewegung genervt aus. Während ich mein Portemonnaie aus meiner Lederjacke holte, konnte ich es nicht fassen, dass Clay dieser fremden Frau wahrhaftig für läppische 10 Euro seinen Körper und damit auch seine Seele verkauft hatte.
Nachdem ich Mabel bezahlt hatte, steckte ich meine Geldbörse wieder ein und ging unverzüglich neben Clay Banton auf die Knie. Der Isländer war kaum bei Bewusstsein und konnte nicht mithelfen, deshalb war es ein bisschen mühsam, ihm energisch den Slip und die Jeans heraufzuziehen. Ich zerrte ihm die Hosen hoch und knöpfte flink seine Jeans zu. Danach zog ich ihm noch das T-Shirt herunter und richtete rüde seinen Oberkörper auf. Der verdammte Typ war so zugeknallt, dass es ihm schwerfiel aufrecht sitzenzubleiben. „Jetzt reiß dich zusammen, Clay", wies ich ihn scharf zurecht, „Wo ist deine Jacke?" Als Antwort bekam ich nur ein unverständliches Gemurmel zu hören. Ungeduldig schaute ich mich im dunklen Zimmer um. Nervös registrierte ich, dass meine fürsorglichen Bemühungen um Clay von allen interessiert und überwiegend spöttisch beobachtet wurden. „Wo ist seine Jacke?" fragte ich ungehalten in die Runde. Mabel wusste es und deutete darauf. Die Sweatjacke lag am anderen Ende des Zimmers auf dem Boden und wurde auf meine Bitte hin von einem zum anderen bis zu mir weitergereicht.
„Steh auf!" befahl ich Banton und hob ihn energisch, fest unter den Achseln gepackt, mit mir auf die Beine, nachdem ich ihm die Jacke ohne seine Mithilfe angezogen und den langen Reißverschluss der Jacke zugezogen hatte. Der ehemalige Patient hatte große Schwierigkeiten gerade stehen zu bleiben. Pausenlos drohte er einzuknicken, denn seine betäubten Beine konnten ihn einfach nicht mehr problemlos tragen. Sein Kopf schwankte haltlos hin und her. Seine schönen Augen blieben halb geschlossen. „Du bist so ein Arschloch... Valmont...", nuschelte er angefressen vor sich hin. Ich beachtete das gar nicht, obwohl es mir tief drinnen wehtat. Ziemlich genervt musste ich mich plötzlich damit arrangieren, dass mein süchtiger Mann nicht mehr eigenständig laufen konnte. Er schaffte es ja kaum noch zu stehen. Mir würde nichts anderes übrig bleiben, als ihn bis zum Auto zu tragen. Unschlüssig betrachtete ich Clay, während ich seinen taumelnden Körper stützte. Ich brauchte eine Weile, um mich mit dieser unerwarteten und extrem mühevollen Aufgabe anzufreunden.
„Sieh bloß zu, dass ihr beide rauskommt, Alter!" rief Travis wütend vom Sofa her, dem mein Zögern zu lange dauerte, „Sag der Schlampe Banton, dass er ab sofort in meiner Wohnung unerwünscht ist. Ich will den Spinner nie wiedersehen. Der soll bloß nicht nochmal ohne Geld hier auftauchen. Das ist ja wohl das Letzte! So einen widerlichen Scheiß mache ich kein zweites Mal mit!" Travis' für ihn eher untypischen Zornausbruch erklärte ich mir damit, dass ich nichts bei ihm gekauft hatte, was ihm natürlich nicht gefallen konnte. Außerdem schien er von Clays Arrangement mit Mabel seltsam stark provoziert worden zu sein. Ich hatte aber weder Zeit noch Lust, näher über Travis' Beweggründe nachzudenken. Der Dealer mit den neongrünen Haaren würde seine Meinung ohnehin ändern, wenn Clay das nächste Mal mit genügend Geld bei ihm auftauchen würde, dessen war ich mir sicher. Dazu war Banton schlicht ein viel zu guter und bedingungslos abhängiger Kunde.
„Ja, okay, ich sag's ihm", versprach ich Travis entgegenkommend, obwohl doch Clay mit uns im Zimmer war und dicht neben mir stehend alles mitanhörte. Allerdings konnte auch der ärgerliche Hausherr nicht übersehen, dass der sedierte Isländer kaum noch was von seiner Umgebung mitbekam. Mit so gut wie geschlossenen Augen hing der Kerl in meinen Armen und schwankte unruhig vor und zurück. Travis griff abermals nach der Bong. Ich holte tief Luft, sammelte entschlossen meine Kraft und packte den übermäßig betäubten Körper meines attraktiven Mannes. Zu meiner Erleichterung wehrte Clay sich nicht dagegen, von mir hochgehoben, schwungvoll über meine Schulter geworfen und vorsichtig aus dem staubigen Zimmer getragen zu werden. Ich packte ihn an den Oberschenkeln. Er war schwerer, als ich erwartet hatte. Ich hatte Mühe, beim Laufen mein Gleichgewicht zu wahren, obwohl der Typ über meiner Schulter sich nicht bewegte. Zum Glück machten die anderen mir wenigstens platz, obwohl sie sich ihre spöttischen Kommentare auch diesmal nicht verkneifen konnten.
„Schade, Clay, das war interessant mit dir", musste Mabel noch erwähnen und küsste Clays Gesicht hinter mir flüchtig auf die Wange. Er öffnete die Augen einen Spalt und griff träge nach der Frau. „Komm mit... May...", drängte er wirr, „Lass uns... ins Bad gehen... ich... fick mit dir..." Mabel lachte gerührt, schüttelte den Kopf und flüsterte verschwörerisch: „Nein, lass mal, Clay. Ist schon gut. Vielleicht ein anderes Mal." Ich wollte nicht einmal daran denken, dass es zwischen den beiden wahrscheinlich tatsächlich ein nächstes Mal geben würde. Mir blieb nichts anderes übrig, als meinen innig geliebten Kerl mitzunehmen, obwohl er so ein himmelschreiender Idiot war.
Banton hing wie ein nasser Sack über meiner Schulter und ließ sich widerstandslos von mir tragen. Seine Arme baumelten hinter mir herunter, der Kopf schlug gegen meinen Rücken. Ich musste meine ganze Kraft darauf anwenden, schadlos mit seinem Gewicht zum Ausgang zu gelangen. Letztendlich schaffte ich meinen sedierten Mann erfolgreich aus der versifften und verqualmten Wohnung heraus. Ich war heilfroh, als wir endlich auf den Flur traten und ich die Tür hinter uns zuziehen konnte. Diesen verfluchten Ort würde ich nie wieder aufsuchen! Zumindest nahm ich mir das in dem Moment felsenfest vor. „Du bist so ein Arsch... Valmont...", beschwerte Clay sich frustriert nuschelnd, „Du hast mir... alles... kaputt... gemacht..." „Halt bloß die Klappe!" fuhr ich ihn drohend an, sodass er auf meiner Schulter erschrocken zusammenzuckte.
Clay
Nicht aufwachen!, warnte mich eine innere Stimme, die mir nur allzu vertraut war, wach bloß nicht auf! Es wird alles ganz fürchterlich sein, wenn du jetzt aufwachst. Bleib lieber da, wo du jetzt bist, da bist du wenigstens halbwegs in Sicherheit. Zu gerne wollte ich für immer in diesem völlig umnachteten, traum- und gedankenlosen Schlafland bleiben. Aber leider funktionierte das nie, so sehr ich es auch versuchte. Meine Sinne zeigten auch diesmal keine Gnade. Sie kehrten von alleine in meinen blöden Kopf zurück. Zwangen mir erneut mein verwirrtes Bewusstsein auf.
Lange lag ich mit geschlossenen Augen da und horchte ängstlich in mich hinein, in Erwartung der hässlichen Schmerzen, die mich seit etlichen Jahren allmorgendlich begleiteten. Aber die Schmerzen schienen sich zu meiner Erleichterung in Grenzen zu halten. Der Affe blieb erstaunlich friedlich. Als ich relativ sicher war, dass das Reißen in den Knochen, Organen und Muskeln wohl vorerst nicht schlimmer werden würde, horchte ich vorsichtig nach draußen, ob ich vielleicht aufgrund der Geräusche meine unbekannte Umgebung würde erkennen können. Ich hatte mal wieder keinen blassen Schimmer, wo ich mich befand oder wie ich hierhergekommen war. Die vergangenen Stunden lagen fast vollständig im Dunkeln. Auch das war ein hinlänglich vertrauter Zustand für mich, wenn auch ein nicht sonderlich beliebter.
Obwohl ich echt die Ohren spitzte und mich konzentriert anstrengte, konnte ich rein gar nichts hören. Fuck!, dachte ich frustriert, denn ich hatte keine Lust auf neue oder alte böse Überraschungen. Tatsächlich hatte ich unglaublich Schiss meine Augen zu öffnen, weil ich nicht sicher war, ob ich die grausame Realität noch ein weiteres Mal würde ertragen können. Leider blieb mir keine Wahl, denn mein Körper meldete mir immer deutlicher, dass ich pinkeln musste und dringend was trinken. Mein Hals fühlte sich ausgedörrt an, als ich vorsichtig meine angeklebte Zunge vom Gaumen löste. Das trockene Schlucken tat weh.
Zehnmal atmete ich tief durch, bevor ich mich endlich dazu entschließen konnte, vorsichtig meinen eigenen Körper zu bewegen. Es fühlte sich an, als würde ich gekrümmt auf der Seite liegen. Mein Kopf ruhte auf irgendwas Weichem, vielleicht ein Kopfkissen. Die Finger meiner rechten Hand ertasteten als Untergrund ein glattes Laken, eine Matratze. Offenbar befand ich mich auf einem Bett, war allerdings nicht zugedeckt. Langsam streckte ich die Beine aus, die irgendwie angewinkelt gewesen waren, und drehte mich behutsam auf den Rücken. Nervös wollte ich mir über die Augen und das Gesicht reiben. Das klappte aber nur mit der rechten Hand. Vor jäher Panik hämmerte mein Herz los, als ich kapierte, dass ich meinen linken Arm nicht uneingeschränkt bewegen konnte. Irgendwas hielt mein Handgelenk fest. Nein!, dachte ich verzweifelt, bitte nicht schon wieder! Ich halte das nicht nochmal aus! Wütend zerrte ich an dem sofort verhassten Hindernis, konnte jedoch auf diese Weise meine Hand nicht befreien. Aus irgendeinem Grund war sie irgendwo schräg über mir festgebunden worden. Mit zornig hämmerndem Herzen lag ich eine Weile dort und haderte mit meinem Schicksal, mit meiner niederschmetternden Situation, mit diesen sich ständig wiederholenden Unwägbarkeiten, und ich dachte daran, wie beschissen doch alles war, und das ich das definitiv nicht mehr wollte. Ich wollte nicht mehr auf diese Weise aufwachen, völlig ahnungslos, mit nichts als einem trüben, bedrohlichen Brei in der Birne. Ich glaube ich heulte ein bisschen, aber dann kriegte ich mich wieder ein und schlug mutig die Augen auf. Der millionste Sprung ins kalte Wasser.
Ich drehte meinen Kopf herum und sah schräge Dachbalken, zwei große Dachfenster, einen Fernseher am Fußende des Bettes, auf dem ich tatsächlich lag, ein Schrank, Schreibtisch samt Stuhl, Computer, Sandsack, Hanteln, komische Yogamatten und ein Loch im Boden, das die Treppe nach unten war. Es dauerte keine fünf Sekunden, bis ich Sean Valmonts Zimmer zweifelsfrei identifiziert hatte. Sofort stöhnte ich gestresst auf, weil ich es nicht leiden konnte, wo ich war, und ich wollte sehr viel lieber in meiner eigenen Wohnung sein. Ich hatte keinen Bock auf Valmont oder seine nervigen Mitbewohner, fühlte mich nicht fit genug für diese ständig wiederkehrenden Streitereien. Ich konnte mir nicht erklären, wie ich an diesen Ort geraten war, dachte ich doch, dass ich es am letzten Abend geschafft hatte ihm zu entkommen. Ich erinnerte mich an Travis, dann an Mabel, und dann hörte ich panisch auf zu denken, weil alles schlagartig immer beschissener wurde, was in meinem verwirrten Schädel ablief.
„Sean!" brüllte ich echt angepisst. Wo war der Wichser? Was fiel dem ein mich hier festzuhalten? Wütend zerrte ich an den silbern glänzenden Handschellen, mit denen ich wahrhaftig am metallenen, verschnörkelten Kopfende des Bettes angekettet worden war. Ich kannte das Teil, hatten Sean und ich es doch schon so manches mal für geile Fesselspielchen benutzt, tatsächlich auch schon auf diesem Bett. Der derzeitige Verwendungszweck hatte für mich allerdings so überhaupt nichts Erotisches, denn ich wollte nicht hier sein. Ich wollte nicht gefesselt sein. Mit Sicherheit hatte Valmont das gemacht, dieses hinterhältige Arschloch, weil der mächtig Verliebte sich mal wieder zwangsweise um mich kümmern wollte. Tausendmal hatte ich schon versucht ihm zu erklären, dass die Sache so nicht funktionierte. Aber der Blödmann kapierte es nicht und fing immer wieder mit dem dämlichen Scheiß an.
„Sean!" schrie ich nochmal, so laut ich es mit meinem trockenen Hals hinbekam, was sich nicht besonders eindrucksvoll anhörte. Vom Schreien musste ich husten und ärgerte mich, weil niemand auf mein Rufen antwortete. Im ganzen Haus war kein Geräusch zu hören. Als wäre niemand da. War der Arsch etwa abgehauen und hatte mich einfach allein hier liegen lassen? Was für ein Wichser! Nicht nur, dass ich dringend pinkeln musste, ich hatte auch bestimmt keine Lust, den Rest des Tages angekettet auf seinem scheiß Bett herumzuliegen. Schließlich musste ich arbeiten, mich um wichtige Dinge kümmern, auch wenn mir im Moment nicht einfallen wollte, um was genau. Zornig zerrte ich so heftig an den Handschellen, bis das schmale Metall sich schmerzhaft in mein Handgelenk grub. Keine Chance das abzureißen, ohne mich zu verletzen. Scheinbar musste ich mir die Hand amputieren, um freizukommen. Fuck!
Frustriert blickte ich auf meinen eigenen Körper und stellte fassungslos fest, dass Sean mir einen seiner seltsamen Pyjamas angezogen hatte. Es war so ein Teil aus gut wärmendem Flanell, mit zugeknöpftem Oberteil, bequemer Hose und schwarz-grauen Streifen, die er selbst manchmal im Winter trug. Meine Füße waren nackt. Die Decke hatte ich offenbar im Schlaf an das Fußende des Bettes gestrampelt, wo sie sich vor dem Fernseher zusammengeknüllt hatte. Für mich bestand kein Zweifel daran, dass fürsorglicher Sean Valmont mich ordentlich zugedeckt hatte, bevor er abgehauen war und mich meinem schlafenden Schicksal überlassen hatte. Wahrscheinlich hatte er mir sogar noch einen Abschiedskuss gegeben. Nichts davon war an mein Bewusstsein gedrungen. Der verliebte Professor hatte meine Hilflosigkeit schamlos für sich ausgenutzt.
Ein paarmal zog ich wütend die Beine an und streckte sie wieder aus. Aber das war auf Dauer ziemlich anstrengend, deshalb ließ ich es wieder sein. Nervös wischte ich mir mit den Fingern der rechten Hand über die Augen und das Gesicht. Nun, diese Hand war immerhin noch frei. Eine Weile guckte ich sie nachdenklich an, studierte meine Finger und überlegte, was ich damit wohl anfangen könnte. Ich sah auf mich, wie ich auf dem Rücken lag, und mir kam die Idee mir einen runterzuholen, weil mein Bedürfnis nach erfreulichen Gefühlen erneut exorbitant war. Eine Weile zog ich diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung, sehnte mich nach der zu erwartenden Geilheit, aber dann fiel mir ein, dass die unvermeidbaren Wichsflecken von meinem Sperma ziemlich peinlich sein würden, und das wollte ich mir nicht antun. Meine hilflose Lage allein war schon niederschmetternd genug.
„Sean! Verdammt!" brüllte ich zum dritten Mal. Noch immer war im ganzen Haus nichts zu hören. Offenbar war ich tatsächlich allein. Keine Ahnung, wann oder ob überhaupt jemand kommen würde, um mich zu befreien. Meine Merinthophobie und tausend andere unsinnige Phobien schlugen gnadenlos zu, sodass ich eine Weile mit haltloser Panik zu kämpfen hatte. Prompt brach mir aus sämtlichen Poren der Schweiß aus. Unruhig wälzte ich mich auf dem Bett herum. Zugegeben, Seans Matratze war wirklich bequem, sie hatte den genau richtigen Härtegrad. Es war auch nicht unangenehm kalt in seinem Dachzimmer. Aber trotzdem wollte ich keine Sekunde länger hierbleiben. „Sean! Sean!! Sean!!!" schrie ich mehrmals aus voller Kehle, und es tat ehrlich total weh, als würden meine trockenen Stimmbänder mir dabei innerlich den Hals aufreißen. Trotzdem konnte ich nicht mehr aufhören zu schreien. Irgendwas klinkte wohl aus bei mir. Von der Anstrengung fingen meine sämtlichen Muskeln zu zittern an.
Endlich glaubte ich ein vages Geräusch wahrzunehmen, was mich jäh verstummen ließ. Schockiert biss ich mir auf die Zunge, um angestrengt zu lauschen. Es hörte sich an, als würde im Erdgeschoss eine Tür aufgehen. Jemand lief unten herum, die Schritte kamen eindeutig näher. „Seeeaaan!" brüllte ich panisch wie am Spieß. „Clay?" antwortete jemand, der vielleicht unten an der Treppe stand. Vor Unbehagen verkrampfte sich prompt alles in mir. „Sean!" heulte ich verzweifelt auf. Tränen der Enttäuschung schossen mir in die Augen, weil ich auf Anhieb erkannt hatte, dass es nicht Valmont war, der mir geantwortet hatte. „Bist du wach, Clay?" rief Marc total idiotisch die Treppe hinauf. „Nein!" schluchzte ich, ehrlich fertig mit der Welt. Es war ganz ausgeschlossen, dass ich mich jetzt mit Valmonts nervigem Mitbewohner rumärgern konnte. Dazu fehlte mir ganz einfach die Kraft. „Wie geht es dir, Clay? Darf ich zu dir kommen? Ist das okay, wenn ich rauf komme? Ist dir das jetzt gerade recht?" fragte Marc vorsichtig, was zugegeben ziemlich höflich von ihm war. Aber in diesem Moment konnte ich das nicht würdigen. Der zögerliche Typ brachte mich schon jetzt auf die Palme. „Was soll die blöde Frage, Marc? Was denkst du denn, was ich hier oben veranstalte, verdammt?" erwiderte ich fassungslos. Unten an der Treppe blieb es still. Marc antwortete nicht. Womöglich war er beleidigt. „Shit, jetzt komm schon her! Mach mich sofort los!" schrie ich verständnislos.
Hastig wischte ich mir die peinlichen Tränen aus den Augen und die nassen Finger gleich an Valmonts sauberem, glattem Bettlaken ab. Hektisch drehte ich den Kopf und behielt angespannt das rechteckige Loch im Boden im Auge, das mein einziger Fluchtweg war. Die alte, hölzerne Treppe knarzte bei jedem Schritt, als Marc langsam heraufkam. Als erstes erschien sein Kopf, dann folgte der Rest von ihm, bis er schließlich direkt vor meinem Bett stehenblieb. Unverkennbar besorgt glotzte er auf mich herunter. Echt böse Erinnerungen kamen in mir hoch. „Wie geht es dir, Clay?" wollte der Idiot noch einmal wissen. Mein Herz hämmerte vor Wut. Aufgewühlt schnappte ich nach Luft. „Was stellst du für dämliche Fragen, Hellberg? Was glaubst du denn, wie es mir geht?" fauchte ich genervt. Ungeduldig zerrte ich an den Handschellen. „Was soll der Scheiß? Warum bin ich hier angekettet?" fuhr ich ihn aufgebracht an. Aber er antwortete auch darauf nicht, betrachtete mich nur sehr ausführlich. Seine hellwachen Augen fuhren sorgfältig meinen ganzen Körper ab, vom Kopf bis zu den Zehen. Das war total demütigend, so vor meinem Arbeitskollegen auf dem Rücken zu liegen und mich seinem prüfenden Blick nicht entziehen zu können. Ich bekam das bedrohliche Gefühl, jeden Moment den Verstand zu verlieren.
„Schließ mich los, Mann!" forderte ich den lahmarschigen Typen unmissverständlich auf. Meine wirren Augen taxierten ihn strafend. Als der Programmierer daraufhin zusammenzuckte, unbehaglich mit den Augen flatterte und vorsorglich zwei Schritte zurück machte, um sich vor mir in Sicherheit zu bringen, obwohl ich doch gefesselt sowieso nicht vom Bett runterkam, geriet ich haarscharf an eine Ohnmacht. Marcs Reaktion erschütterte mich bis tief ins Knochenmark. Sofort war mir klar, dass er keineswegs hinauf in das Dachzimmer gekommen war, um mich zu befreien. Ich war mir absolut sicher, diesen neuen, niederschmetternden Schlag nicht mehr verpacken zu können. Mein Kopf fiel kraftlos auf das Kissen zurück. Absolut entsetzt legte ich mir die rechte Hand über die Augen. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Tief atmete ich ein und aus, um mich zu beruhigen. „Nein, Marc. Bitte nicht. Tu mir das bitte nicht an", flüsterte ich mit bebenden Lippen. Dann lauschte ich ergeben auf seine Antwort. Doch schon wieder kam nichts von ihm. Sein ratloses Schweigen machte mich wahnsinnig.
Eine Weile war es vollkommen still im Raum. Schließlich nahm ich die Hand herunter und drehte den Kopf, um ihn anzusehen. Marc stand noch genauso dort, zwei Schritte vom Bett entfernt. Gedankenversunken studierte er mich. „Marc, komm schon, Mann! Bitte!" krächzte ich hilflos. Ich musste mich anstrengen, um nicht hemmungslos loszuheulen. „Ich kann dich jetzt nicht losmachen, Clay", gab er endlich zu. Wachsam behielt mein Widersacher mich im Auge. Offenbar war er auf alles gefasst. „Warum nicht?" erwiderte ich so ruhig wie möglich. Mühsam drehte ich mich auf die Seite und stützte den Ellbogen auf, um mich ganz auf den anstrengenden Kerl zu konzentrieren. „Weil Sean mich gebeten hat auf dich aufzupassen, Clay. Und wenn ich dich jetzt befreie, dann läufst du sofort weg", knallte Marc mir mit düsterer Miene vor den Kopf. Natürlich hatte er recht, denn genau das war mein Plan gewesen. Aber das würde ich ihm bestimmt nicht auf die Nase binden.
„Nein, das stimmt nicht. Ich lauf nicht weg, Marc. Ich will doch nur aufs Klo gehen", erklärte ich ihm. Ich versuchte ein versöhnliches Lächeln, was wahrscheinlich nicht gelang. Überrascht und misstrauisch blickte er mich an. „Musst du klein oder groß?" wollte er allen Ernstes wissen und schlug mich damit enorm vor den Kopf. Nervös fing ich an zu husten. „Ähm... wie bitte?" hoffte ich mich verhört zu haben. Das ging jetzt wirklich unter die Gürtellinie, ein extremer Angriff auf meine Intimsphäre. Marcs Gesicht verzog sich eindeutig spöttisch. „Ach, komm schon, Banton! Jetzt stell dich nicht so an. Das ist doch eine ganz einfache Frage, nicht wahr? Ich muss doch wissen, ob ich dir die Flasche oder die Bettpfanne bringen soll", sagte er dermaßen überheblich, dass ich mich kaum noch beherrschen konnte nicht wutentbrannt auf ihn loszugehen. Leider war mein linkes Handgelenk noch immer felsenfest am Kopfteil des Bettes angekettet, sodass ich ohnehin nicht an Marc herankommen konnte, selbst wenn ich es versuchen sollte. Also hielt ich mich mühsam zurück, schloss die Augen und atmete ein paarmal tief durch. Marc lachte leise vor sich hin, und ich war nicht sicher, ob ich nicht jeden Moment mein Bewusstsein verlieren oder ausrasten würde. Oder vielleicht würde ich auch vor lauter Wut platzen.
Unwillkürlich schossen mir neue, heiße Tränen in die Augen, eine Mischung aus Zorn und Verzweiflung. Das war mir vor dem Typen so unangenehm, dass ich mich hastig herumwälzte und Marc meinen Rücken zudrehte, um die Tränen zu verbergen. Erschöpft fiel mein Kopf zurück auf das Kissen, wo ich mir mit zitternden Fingern über die verdammten Augen wischte. Nochmal war es eine Weile still in Sean Valmonts Dachkammer, während meine Gedanken sich überschlugen und mein Bedürfnis zu pinkeln alles andere als nachließ. Ich lauschte auf Marc, aber der verfluchte Kerl gab keinen Mucks von sich. Nach einer Minute hielt ich die angespannte Stille nicht mehr aus. „Nein, Marc, hör mal! Ich will gar nicht abhauen, okay? Ich verspreche dir, dass ich hierbleibe, wenn du mich losmachst", versuchte ich ihn zu überzeugen. Er musste noch da sein, auch wenn ich ihn im Moment nicht sehen konnte, sondern nur die Wand und die schrägen Dachbalken auf der anderen Seite des Bettes. Wenn Marc die hölzerne Treppe hinuntergegangen wäre, dann hätte ich das auf jeden Fall gehört, schlussfolgerte ich, war mir aber nicht hundertprozentig sicher, und lauschte deshalb angespannt. Aber noch einmal bekam ich keine Antwort. Nichts als bleischwere Stille um mich herum.
Wohl oder übel musste ich mich wieder umdrehen, um zu überprüfen, ob der Kerl noch da war. Das war er unverändert. Nur sein Gesichtsausdruck war anders. Er studierte mich jetzt sichtbar voller Argwohn. „Ich glaube dir nicht, Clay Banton", entschied er gnadenlos. „Verdammt, Marc!" verlor ich die Geduld, „Wie soll ich denn so abhauen, hä?" Heftig zog ich an meinem Pyjama, um den Sachverhalt zu demonstrieren. „Meinst du, ich will im Schlafanzug draußen in der elenden Kälte herumrennen? In fünf Minuten wäre ich erfroren!" Verdutzt lachte Marc auf. Sein Grinsen war extrem spöttisch. „Als würde dich so etwas davon abhalten, Clay", erwiderte er amüsiert, „Du würdest doch auch nackt draußen rumlaufen, wenn es dich zum Heroin hinzieht." Das war zwar irgendwie die Wahrheit, aber ich wollte mir das nicht eingestehen. Seine Aussage verwirrte mich. Einen Moment lang fühlte ich mich völlig konfus. Ratlos starrte ich ihn an, bis Marc seufzte. „Hör mal, Clay. Sean kommt gleich von der Arbeit. Der muss heute nur bis Mittags arbeiten, es dauert also nicht mehr allzu lange. Wenn Sean wiederkommt, dann kannst du mit ihm alles Weitere besprechen. Bis dahin musst du dich eben noch etwas gedulden, okay?" informierte er mich in bemüht besänftigendem Tonfall.
Leider besänftigte mich das nicht die Bohne. Im Gegenteil, die Aussicht, in meiner derzeitig unfreiwillig gefangenen Position auf Sean warten zu müssen, schürte meine Angst. Und überhaupt. Hatte Marc nicht gerade eben von Heroin gesprochen? Allein das Wort zu hören erinnerte mich daran, dass mein Affe bestimmt nicht sehr weit weg von mir war. Ich konnte ihn zwar noch nicht so stark fühlen, aber er war definitiv da. Der Entzug lauerte hinterhältig tief in mir drin, er wartete nur auf seine Chance. Schließlich tat er das doch immer. Und das bedeutete zwangsläufig, dass ich jetzt eigentlich sofort losgehen musste, um mir Nachschub zu besorgen. Nein, das stimmte gar nicht, fiel mir siedend heiß ein. Ich musste doch lediglich zu mir nach Hause gehen, denn dort würde die shore mich mit offenen Armen erwarten. Die plötzliche Gewissheit, dass sich in meiner Wohnung noch Heroin befand, ließ mich fast durchdrehen. Weil es so unerträglich war, dass ich zur Zeit nicht an mein dringend benötigtes Heilmittel herankam.
„Was ist das für ein verfickter Scheiß, Marc!?" platzte es voller Zorn und Panik aus mir heraus, weil ich mich nicht besser im Griff hatte, „Warum geht Valmont zur Arbeit und lässt mich hier angekettet zurück? Was bildet der sich eigentlich ein, der verfluchte Sadist? Ständig bestimmt der über mich! Immer glaubt er zu wissen, was gut für mich ist!" Aufgebracht tötete ich den Kerl vor mir mit den Augen, weil er böswillig verhinderte, dass ich einfach nach Hause gehen konnte. „So etwas ist gar nicht erlaubt, Hellberg! Ihr dürft mich nicht gegen meinen Willen hier festhalten! Du musst mich sofort losmachen! Ich will das nicht, hörst du mich!? Ich will nicht auf Valmont warten! Ist dir überhaupt klar, dass das Freiheitsberaubung ist? Ich werde Sean anzeigen! Ich werde euch alle anzeigen! Und dann werdet ihr schon sehen, was ihr davon habt!" Mein Herz schlug zu hart und viel zu schnell. Ich redete mich in Rage und rang angespannt nach Luft, während ich mich hektisch auf dem Bett aufrichtete. „Beruhige dich, Clay!" mahnte Marc leise. Der Mann stand bewegungslos vor mir und hörte aufmerksam zu. Mit jedem meiner Worte verdüsterte sich seine Miene mehr. Ein wütendes Funkeln erschien in seinen schwarzen Pupillen, das ich definitiv noch niemals dort gesehen hatte. Das beunruhigte mich, aber ich konnte mich nicht mehr bremsen. „Der spinnt doch total! Der ist echt krank! Sean Valmont ist völlig besessen von mir! Was der sich schon wieder einbildet! Der denkt ernsthaft, er könnte mich zwangsweise hier festhalten, der Wichser!" kläffte ich angepisst, genau wie ein zorniger Kettenhund, „Ständig hängt Sean mir auf der Pelle und zwingt mich dazu, irgendwelchen Scheiß zu machen! Der denkt doch er wäre was Besseres als ich, nur weil er..." „Sei still!" unterbrach Marc mich so energisch, dass ich vor Schreck zusammenzuckte, „Hör sofort damit auf, Banton!"
Noch nie hatte Marc Hellberg mich auf diese Weise angefahren. So eine Behandlung war ich nur von dem anderen Mitbewohner dieses Hauses gewohnt. Normalerweise war es unser Beleuchter Vincent Palm, der mich pausenlos angriff und beschimpfte. Unser Bühnenbildner war dagegen bisher eigentlich immer nur lieb und freundlich zu mir gewesen. Mit so einem Ausbruch von impulsivem Zorn hatte ich bei Hellberg nicht gerechnet. Verblüfft klappte mein Mund zu, während ich ihn verwirrt anstarrte. Marc durchbohrte mich mit seinem Blick. Ganz langsam kam er auf mich zu, was absolut bedrohlich war. Instinktiv zog ich schützend die Beine heran, rutschte so weit es ging von ihm weg und spannte meine Muskeln an, um mich auf den eventuellen Kampf vorzubereiten. Leider konnte ich nur die rechte Hand abwehrend erheben, die linke hing noch immer am Bettgestell fest. Mein Widersacher studierte mich nachdenklich, als er langsam auf mich zukam. Direkt vor dem Bett blieb er stehen. Sein feindseliger Blick und seine imposante Nähe machten mich unglaublich nervös. Ich war nahe daran, ihn ängstlich mit den Füßen von mir wegzutreten.
„Jetzt hör mir bitte mal gut zu, Clay Banton", fing mein bislang so friedlicher Arbeitskollege überraschend aufgebracht an, „Ich glaube, dass dir etwas nicht ganz klar ist." Mein Blut rauschte mir in den Ohren, ich war in Panik, deshalb konnte ich ihn kaum verstehen, versuchte aber instinktiv, einen interessierten Eindruck zu machen. „Sean tut alles für dich", meinte Marc todernst. Damit entlockte er mir ungewollt ein abfälliges Schnaufen, was er mit böse zusammengezogenen Brauen registrierte. „Da brauchst du gar nicht so genervt zu tun, Clay! Sean versucht nämlich immer nur dir zu helfen. Alles was er macht, tut er nur, damit es dir gut geht." „Mir geht's hier aber nicht gut!" knurrte ich trotzig. „Du sollst mir zuhören!" regte Marc sich auf, also hielt ich die Klappe und nickte leicht, damit er fortfuhr, obwohl ich den ganzen Mist gar nicht hören wollte. Auf so eine Strafpredigt hatte ich keinen Bock und war nicht im Geringsten darauf vorbereitet.
„Die ganze Nacht hat Sean allein hier an deinem Bett gesessen, Clay! Die ganze Nacht! Ist dir überhaupt klar, was das bedeutet? Er hat kein Auge zugemacht, nur weil er Angst hatte, dass du vielleicht plötzlich aufhörst zu atmen! Stundenlang saß er hier und hat immer wieder deinen Puls überprüft und sich vergewissert, ob du noch lebst, Clay! Du warst nämlich gestern so dermaßen abgefüllt, dass du kaum noch bei Bewusstsein warst. Es hätte sehr gut sein können, dass du unbemerkt einen Atemstillstand erleidest. Das ist es doch, woran viele Junkies sterben, nicht wahr? Sean hat dich hierher in sein Zimmer gebracht, damit er sich um dich kümmern konnte. Er hat auf dich aufgepasst, als es sonst niemand mehr tun wollte. Kapierst du das eigentlich nicht?"
Irgendwas passierte mit mir, als Marc mir von diesen irritierenden nächtlichen Vorkommnissen erzählte. Etwas ging mir unvermittelt so verflucht tief rein, dass sich mein ganzer Körper abrupt zusammenkrampfte und ich keine Luft mehr bekam. Panisch drückte ich mir die Faust in den Magen und riss das Maul auf, um Sauerstoff zu holen. Verspannt hockte ich mit angezogenen Beinen auf dem Bett und hatte das bedrohliche Gefühl, jeden Augenblick ohnmächtig oder tot zusammenzubrechen.
„Sean Valmont existiert doch derzeit nur noch für dich, Clay Banton! Er hat gar kein eigenes Leben mehr. Seine Gedanken sind ununterbrochen bei dir. Weil du ihn mit deinem gedankenlosen, undankbaren und selbstzerstörerischen Verhalten vollkommen kaputtmachst. Jeder andere Mensch wäre heilfroh, einen so guten Freund wie Sean zu haben. Einen Freund, der sich nicht von dir abwendet, wenn es dir so richtig schlecht geht und du den Bezug zu deinem eigenen Leben total verlierst. Der sich im Gegenteil vollständig für dich aufopfert. Das ist nämlich was ganz Besonderes, was Sean Valmont alles für dich macht. Das gibt es nicht allzu oft, Clay. Dein Freund gibt sich vollkommen auf für dich", erzählte Marc mir im Brustton der Überzeugung.
Ich war nicht fähig dazu, irgendwie auf diese knallharten Wahrheiten zu reagieren. Mein Kopf wurde davon völlig leergefegt. Nur mein Körper reagierte von allein mit einem entsetzten Anfall von heftigen Krämpfen und diffusen Panikattacken. Starr hockte ich auf dem Bett und war damit beschäftigt, nicht die Kontrolle über mich zu verlieren. Marc sah mich traurig an und wartete auf etwas, das ich ihm nicht geben konnte. Schließlich seufzte er tief und stellte abschließend fest: „Aber du weißt nichts davon auch nur ansatzweise zu würdigen, Clay Banton. Du ziehst ihn nur immer tiefer mit dir runter und beschwerst dich dann auch noch über ihn."
Hellberg atmete tief ein. Dann machte er noch einen Schritt nach vorne und setzte sich kurzerhand zu mir auf die Bettkante. Sofort rutschte ich noch weiter von ihm weg und stieß mir dabei ziemlich übel den Schädel an der schrägen Decke. Verspannt hockte ich ganz in der vorderen Ecke des Bettes, den Rücken fest gegen die Dachbalken gepresst, die Beine herangezogen, unverändert mit der linken Hand am Kopfende festgekettet. Marcs böse und fassungslos anklagender Blick wurde unerträglich. Deshalb drehte ich hilflos den Kopf weg und schloss schützend die Augen. „Ja doch... ist ja gut...", wollte ich ihn intuitiv abwehren und beschwichtigen. Leider machte ihn das aber nur noch wütender. „Nein, das ist nicht gut, Clay. Das ist alles andere als gut. Überlege dir doch mal, was mit Sean los ist. Was meinst du, wie es ihm mit dir geht? Aber das kannst du ja gar nicht, nicht wahr? Du bist gar nicht dazu in der Lage zu verstehen, was Sean Valmont alles für dich macht und wie viel er für dich aufgibt! Du siehst ja immer nur dich selbst!"
Ich musste dem Drang widerstehen, mir die Ohren zuzuhalten. Marcs gefährlich intensive Sätze drohten mich von Innen heraus auszuhöhlen, kochten schmerzhaft in meinem Körper und in meiner verwirrten Seele herum, sodass ich glaubte den Verstand zu verlieren. Nein, ich war ehrlich nicht bereit für diese Wahrheiten, von denen ich seltsamerweise genau wusste, dass es tatsächlich Wahrheiten waren. Aber an diesem Morgen war ich definitiv noch immer viel zu angeschlagen und verletzt für so etwas. Ich hatte noch keine shore geraucht und fühlte mich daher schutzlos und enorm sensibel. Eine lange Zeit war es unangenehm still, während Marc mich aufmerksam beobachtete und ich damit kämpfte Haltung zu bewahren. Am liebsten hätte ich angefangen zu schreien, wäre gewalttätig auf Marc losgegangen oder hätte mir selbst den Hals umgedreht. Es war verdammt schwer, relativ ruhig auf diesem scheiß Bett sitzenzubleiben. Ich hatte Mühe damit, meine wie wild zuckenden Muskeln unter Kontrolle zu behalten. Mein heftiger Bewegungsdrang und das gigantische Bedürfnis wegzulaufen brachten mich beinahe um.
„Bitte, Marc... bitte... hör bitte auf...", musste ich letztendlich kapitulieren, obwohl mir das ganz gewaltig gegen den Strich ging. Ich wollte mir vor meinem Arbeitskollegen keine derartige Schwäche erlauben, wollte nicht so ein beschissen jämmerliches Bild abgeben. Vor ihm an das Bett gefesselt zu sein, war schon für sich allein gesehen niederschmetternd genug. Mit seinem verdammten Vortrag verschärfte Herr Hellberg meine ohnehin schon enorm angespannte Situation auf nicht vorhergesehene Weise. Mein Körper zitterte an sämtlichen Enden, Adrenalin und Panik durchfluteten mich, ein unbekanntes Schuldgefühl klopfte hartnäckig gegen meinen Verstand. War ich denn wirklich so ein egoistisches Arschloch? Darüber wollte ich noch nicht mal nachdenken. Nervös wischte ich mir mit den Fingern über das verschwitzte Gesicht, verstohlen die blöden Tränen aus den Augen, die immerzu darin auftauchten.
Marc saß auf dem Bett und schaute mich unverwandt an. Ihm entging keine meiner vegetativen Zuckungen, was mich noch nervöser machte. Wut und Angst tobten in mir. Es war entsetzlich, sich diesem abschätzenden, anklagenden Blick nicht entziehen zu können. Zu meiner Erleichterung entspannte sich Hellbergs Miene mit der Zeit, wenn auch nur ganz langsam. In seinen Augen erschien jene grundsätzliche Gutmütigkeit, die ich eigentlich von ihm gewohnt war. Das erleichterte mich, wenn auch nur ein bisschen.
„Ja, Clay, ich weiß, dass du damit nichts anfangen kannst. Mir ist völlig, klar, dass du mit Seans Gefühlen für dich vollkommen überfordert bist", durchbrach er schließlich die mega unangenehme Stille. „Nein... ich bin nicht...", stotterte ich konfus, denn ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Shore, dachte ich nur noch wie besessen, ich muss jetzt unbedingt shore rauchen. Mein Bedürfnis nach existenzieller Linderung meiner bösartig aufgerissenen inneren und damit auch äußeren Wunden und Schmerzen war so groß, dass ich glaubte, ohne Heroin nicht eine Sekunde länger überleben zu können. Panisch hielt ich mich an diesem einen Gedanken fest, der für mich seit zu vielen Jahren ausnahmslos etwas sehr Tröstliches hatte. Der Gedanke an Heroin war mal wieder mein einziges Licht am Ende des endlos langen, überaus bedrohlichen, pechschwarzen Tunnels.
„Was sagst du dazu, Clay Banton?" fragte Marc leise. Seine Stimme war vertraut sanft geworden. Sein seltsamer Wutanfall schien zum Glück vorbei zu sein. Mein neuer Feind hatte sich wieder im Griff. Allerdings hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich ihm jetzt antworten sollte. Mir war absolut unklar, mit was ich den Wütenden hätte besänftigen können. Genaugenommen wusste ich noch nicht mal, was konkret der verdammte Kerl mir eigentlich gerade vorwarf. „Ähm... Marc... hör mal... es tut mir leid, aber... ich muss ehrlich pinkeln...", wandte ich hilflos ein, woraufhin er enttäuscht aufstöhnte und theatralisch die Augen verdrehte. „Ja, klar, Banton. Das ist so typisch für dich. Du musst einfach nur pinkeln. Höchstwahrscheinlich hast du mir noch nicht mal zugehört. Du hast kein einziges Wort verstanden, nicht wahr?" beschwerte mein Arbeitskollege sich geringschätzig.
Hastig schüttelte ich den Kopf. „Doch, ich habe dir zugehört!" behauptete ich schnell, weil ich auf keinen Fall wollte, dass der Aggressor nochmal wütend wurde. „Und was sagst du dazu, Banton? Hast du denn gar keine Meinung dazu? Du musst doch irgendwas dazu zu sagen haben!" drängte Marc hörbar frustriert. Mega auffordernd blickte er mich an. Seine Augen waren wie scharfe Dornen in meiner Seele. Ich fühlte mich extrem unwohl in meiner ausgelieferten Position, mit gekrümmtem Rücken so weit es ging unter die schrägen Dachbalken gequetscht. Meine rechte Hand fuhr nervös meine geknickten Beine entlang, immer an den Unterschenkeln auf und ab, weil die eigene Berührung mich irgendwie beruhigte. Meine linke Hand war bösartig am metallenen Kopfende des Bettes festgemacht worden. Sie reichte nur so gerade bis an mein linkes Knie, was ich unruhig tätschelte. Ich war ein hilfloses Tier, das in eine neue, unerwartete Falle mit verflucht spitzen Stacheln geraten war, und ich wusste keinen Ausweg.
„Tja... also... das ist doch nicht meine Schuld...", fing ich vage an, weil scheiß Marc Hellberg mir offenbar keine Wahl ließ, sondern mir dieses extrem belastende Gespräch kaltherzig aufzwang. Sofort stieß er ein fassungsloses Lachen aus. „Na sicher, Clay, so einfach ist das für dich, das war mir schon klar!" spottete er, aber in seinen Augen war eine frustrierte Traurigkeit, die ich nicht deuten konnte. „Ich habe Sean doch nicht gebeten, die ganze Nacht an meinem Bett zu sitzen!" warf ich genervt ein, „Er tut doch diese komischen Dinge ganz freiwillig. Oder nicht?" „Er tut es, weil er dich abgöttisch liebt!" schrie Marc mich an, sodass ich ein weiteres Mal verschreckt zusammenzuckte. Mein Gesicht verzog sich gequält, weil diese Wörter mir wehtaten und ich nicht mit ihnen umgehen konnte. Das war mir alles zu viel im Moment. Ich war kaputt und musste aufs Klo und ich wollte zum Verrecken nicht über diesen ganzen Mist nachdenken. Schon gar nicht wollte ich mit Marc darüber diskutieren, weil ich der Meinung war, dass ihn das Scheiße nochmal nichts anging. Diese Sache zwischen Sean und mir war ja wohl ganz allein unser Ding! Was mischte der blöde Arsch sich da eigentlich ein?
„Ich habe ihn nicht dazu aufgefordert, mich abgöttisch zu lieben!" schrie ich jetzt auch, weil Marcs direkte Angriffe auf meine sensible Seele mich langsam ehrlich sauer machten. „Irgendwas wirst du schon getan haben, Clay", meinte Marc, woraufhin ich heftig mit dem Kopf schüttelte. „Ich habe nichts getan! Ich habe gar nichts gemacht, verdammt!" versuchte ich zu erklären, hatte aber das Gefühl, sowieso auf verlorenem Posten zu stehen. Der Typ starrte mich böse an, spießte mich mit seinen anklagenden Augen auf, sodass ich stöhnend in eine andere Richtung gucken musste. „Ich kann nichts dafür, wenn Valmont sich da immer so reinsteigert", erklärte ich ärgerlich, „Es ist doch seine Sache, wenn er alles so ernst nehmen muss..." „Er nimmt dein Leben ernst", hielt Hellberg sofort dagegen, „Sean Valmont macht sich Sorgen um dein Leben, Clay Banton! Und er stellt es dabei weit über sein eigenes!" „Das habe ich nie von ihm verlangt!" heulte ich entnervt auf und ließ den Kopf abwehrend auf meine Knie fallen. Ich drückte meine Stirn fest auf meine Knie und machte die Augen zu, um die restlos feindliche Umgebung so gut es ging auszublenden. Das war jetzt echt zu heftig. Ich war nicht sicher, wie ich diesen Mist noch länger aushalten sollte, ohne mir in die Hosen zu pinkeln und/oder komplett durchzudrehen.
„Nicht, Marc", bat ich ihn leise, ohne ihn ansehen zu können, „Bitte... jetzt nicht!" Meine Stimme war nichts als ein heiseres Flehen. Mein Hals tat immer stärker weh, weil ich fortlaufend blöde Tränen runterschlucken musste und unglaublichen Durst hatte. „Ich kann das jetzt nicht...", murmelte ich wirklich erschlagen. Daraufhin war es nochmal eine Weile still, in der ich tief durchatmete und versuchte mich zusammenzureißen. Aber das funktionierte gar nicht, weil alles immer schlimmer zu werden schien. Mein eigener Körper rebellierte, krampfte sich zusammen, der Affe kroch verstärkt in meinen Hinterkopf. Das geht nicht, dachte ich panisch, das macht mich total fertig, ich kann das jetzt nicht verpacken.
Plötzlich spürte ich eine unerwartete Berührung an meinem rechten Schienbein und riss erschrocken den Kopf hoch. Der gefährliche Mann saß direkt vor mir auf dem Bett, streichelte wahrhaftig mein Bein und lächelte mich beruhigend an. Sein offensichtlicher Stimmungsumschwung und die Behutsamkeit in seinen Augen verwirrten mich immens, denn damit hatte ich mit Sicherheit nicht gerechnet. „Schon gut, Clay", meinte Marc versöhnlich, „Reg dich bitte nicht auf, ja? Ich kenne dich inzwischen gut genug, um zu verstehen, was du mir damit sagen willst." Seine Finger streichelten dabei sonderbar zärtlich meinen Unterschenkel. Mein Körper erstarrte restlos, weil ich seine Berührung nicht wollte, aber nicht wusste, wie ich mich ihr gefahrlos entziehen konnte. Konfus starrte ich meinen Theaterfreund an, während ich blitzschnell versuchte seine Worte zu analysieren. Das hörte sich für mich arg selbstgefällig an. Es klang für mich so, als würde der große, erwachsene, vernünftige Marc Hellberg mit dem totalen Durchblick lediglich großzügiges Mitleid mit dem ungehorsamen, dummen, kleinen Kind Clay Banton haben. Weil das Kind ja sowieso nichts kapierte. Dieser Eindruck schürte meine Wut gewaltig.
Bevor ich darüber nachdenken konnte, hatte ich seine sanft streichelnden Finger schon aggressiv von meinem Körper weggestoßen. „Ach ja, Marc? Was meinst du denn, was ich dir damit sagen will, hä?" kläffte ich angefressen und mit meiner Geduld so gut wie am Ende. Meine Nerven lagen sowieso schon blank, schon seit dem Augenblick, als ich in diesem fremden Bett gefesselt aufgewacht war. Marc zog besorgt die Augenbrauen zusammen und betrachtete mich aufmerksam. „Du bist auf Entzug, Clay Banton. So einfach ist das", stellte er kühl fest. „Fick dich, Hellberg!" platzte mein Frust abrupt aus mir heraus, weil ich diese Feststellung im Moment schlicht nicht ertragen konnte. Sie machte mich nämlich noch viel kleiner, noch sehr viel hilfloser und ausgelieferter als vorher. „Ganz ruhig, Clay!" mahnte Marc, rutschte mit besänftigend erhobenen Händen vom Bett herunter und stand auf. „Lass mich in Ruhe!" fauchte ich wütend und bereute es in dem Moment, als der Kerl sich auch schon umdrehte und die Treppe hinunterging. Alles in mir wollte ihn sofort anschreien, dass er mich gefälligst nicht allein lassen sollte. Aber mein Stolz verbot mir diesen neuerlichen Ausdruck meiner umfassenden Schwäche.
Also konnte ich nur ratlos zusehen, wie der Mann die Treppe hinunterstieg und aus meinem Blickfeld verschwand. Unbehaglich spannte ich die Muskeln in meinen Unterleib an, denn der Druck auf meine Blase wurde wirklich schlimm. Keine Chance das auszuhalten, bis Herr Valmont sich vielleicht mal bequemen würde aus seiner scheiß Kunsthochschule hier aufzutauchen. Panisch schaute ich mich nach einer Lösung um und ließ meinen Blick hektisch durch das Dachzimmer schweifen. Schließlich entdeckte ich den Papierkorb aus Metall, der unter Valmonts Schreibtisch stand. Vielleicht konnte ich da reinpinkeln? Das wäre zwar verflucht peinlich, aber immer noch besser, als an einer geplatzten Blase zu sterben. Kurzentschlossen reckte ich mich nach dem Korb, der blöderweise ziemlich weit weg vom Bett auf dem Boden stand. Stöhnend machte ich mich so lang wie möglich, streckte meine beiden Arme so weit aus, bis sie fast aus ihren Gelenken sprangen. Dabei verletzte ich mir die Haut am gefesselten Handgelenk, weil ich viel zu doll an den Handschellen zog, um das rettende Behältnis zu erreichen. Vor Schmerz, Anstrengung und Frust fing ich unwillkürlich an zu keuchen. Nutzte aber alles nix. Es fehlten ein paar Zentimeter. Ich konnte das Metallteil nicht greifen, weil die Handschellen am Bettgestell das bösartig verhinderten. Fuck! Fuck! Und doppelt Fuck!
Ich fluchte und war so in mein Vorhaben vertieft, dass ich es nicht merkte, als Marc zurückkam. Ich hörte den eifrigen Bühnenbildner nicht mal die Treppe raufsteigen, weil ich so abgelenkt war. „Himmel, Clay, was machst du denn da?" fragte Marc plötzlich total entgeistert. Ich zuckte schockiert zusammen, hing ich doch gerade weit nach vorne gebeugt nur noch an den beschissenen Handschellen am Bett fest. Mein Kopf schnellte zu Marc, der auf der obersten Treppenstufe stand und ein Tablett vor sich her trug. „Was?" keuchte ich verwirrt, sackte zusammen und zog verlegen meinen ausgestreckten Arm ein, der den Papierkorb hatte greifen wollen. Ich saß jetzt auf dem Rand des Bettes und hatte das Gefühl, dringend sehr laut schreien zu müssen. Marc stellte das Tablett hastig auf dem Boden ab und kam zu mir geeilt. Sein Gesicht sah höchst besorgt aus. „Was hast du denn nur gemacht? Du hast dich verletzt, Clay!" stellte er mit Blick auf mein blutendes Handgelenk fest, das gnadenlos am Gestell festhing. „Was hattest du vor?" wollte er dringend wissen und schaute verwirrt zwischen mir und dem Papierkorb hin und her. Offenbar ahnte er, was ich gerade hatte erreichen wollen.
„Tja, Marc, wenn ich so lange geschlafen habe, dann muss ich nach dem Aufwachen nun mal pinkeln. Das ist eben so. Da kann ich auch nix dafür", erklärte ich ihm ärgerlich. In seinen Augen erschien wieder jener gutmütige Ausdruck, der einerseits lieb und freundlich war, mich andererseits aber auch als absoluten Vollidioten abstempelte. Stöhnend wandte ich den Blick ab, als Marc mir plötzlich zärtlich über den Kopf streichelte. Schockiert fuhr mein Schädel zu ihm herum. Alarmiert fixierte ich ihn. Marc lächelte gnädig. „Tut mir leid, Clay. Das habe ich wohl nicht richtig verstanden", entschuldigte er sich sanft. „Gott nochmal, Marc, was gibt es denn daran nicht zu verstehen?" fuhr es verständnislos aus mir heraus. Sein Lächeln veränderte sich nicht. Langsam setzte er sich neben mich auf die Bettkante, ohne seine Hand von meinem Kopf wegzunehmen. Seine Finger strichen verwirrend liebevoll durch mein Haar, streichelten intensiv meine Kopfhaut. Seine Berührung gefiel mir nicht, aber ich beschloss sie lieber hinzunehmen, um Marcs überraschende Freundlichkeit nicht zu gefährden.
„Wolltest du ehrlich in den Papierkorb reinpinkeln?" kicherte er höchst belustigt, was mich total sauer machte. „Hast du eine bessere Idee?" blaffte ich beleidigt zurück. Marc zog die Brauen zusammen und seine Hand von meinem Kopf weg. Unzufrieden musterte er mich. „Weißt du, Clay, mir ist das egal. Wenn es nach mir ginge, dann würde ich dich sofort losmachen und du könntest hingehen, wo auch immer du so dringend hin muss. Aber ich habe Sean nun mal versprochen, dass ich mich in seiner Abwesenheit um dich kümmere und dass du noch hier bist, wenn er von der Arbeit zurückkommt. Und das kann ich nicht mehr erfüllen, wenn ich dich jetzt befreie. Weil du dann nämlich sofort abhaust", knallte er mir kühl vor den Kopf. Mein Herz hämmerte vor aufbrausendem Widerwillen. Tief atmete ich ein. „Und was bedeutet das jetzt, Marc? Was willst du mir damit sagen, hä? Soll ich mir in die Hosen pissen?" zischte ich aufgeregt.
Als er nicht sofort antwortete, zogen sich meine Eingeweide schockiert zusammen. „Ernsthaft?" krächzte ich entgeistert. Marc grinste spöttisch, schüttelte den Kopf und stand auf. „Nein, Mann, jetzt beherrsch dich mal ein bisschen, Banton. Was denkst du eigentlich von mir? Warte noch einen Moment. Ich hol dir was", kündigte er gelangweilt an und verließ abermals über die Treppe den Dachboden. Was immer der Typ mir jetzt holen würde, ich war sicher, dass es mir nicht gefallen würde. Es machte mich schlicht wahnsinnig, dass ich meinem Arbeitskollegen dermaßen ausgeliefert war. Ich hatte keine Lust mehr, jemandem auf Gedeih und Verderben ausgeliefert zu sein. Das Gefühl der umfassenden Ohnmacht kotzte mich ganz schön an. Unruhig zerrte ich an den Handschellen und schaute mir mein verletztes Gelenk an, das tatsächlich angefangen hatte zu bluten. Von dem scharfen Metall war meine Haut böse aufgerissen worden. Das tat ziemlich weh. Aber meine Schmerzen wurden ohnehin schlimmer, deshalb beachtete ich das kaum.
Nervös saß ich auf dem Bett und starrte das hölzerne Tablett an, das Marc vorhin mit hochgebracht hatte, und das jetzt neben der Treppe auf dem Boden stand. Auf dem Tablett befanden sich eine große Tasse mit einem bunten, sich verrenkenden Yoga-Lama drauf und dampfendem Inhalt, ein Teller mit Keksen und drei weiße Tabletten. Die Medikamente interessierten mich sofort am meisten, weil sie mir vielleicht helfen konnten. Was hatte Marc mir Schönes mitgebracht? Methadon? Nein, es waren bestimmt Valmonts Codeinpillen, die er als Notfallhelfer offenbar hier gebunkert hatte. Mann, ich war wirklich scharf drauf, jetzt ein bisschen Codein zu kriegen, denn das Zeug würde den Affen zweifellos für eine gewisse Zeit im Zaum halten. Unwohl presste ich die Beine zusammen und beugte mich auf der Bettkante nach vorne, die rechte Faust in den Leib gepresst. Es war entwürdigend, dieses unerbittliche Bedürfnis sich zu entleeren, wenn man es nicht selbstbestimmt erledigen konnte. Plötzlich hatte ich das Gefühl, schon viel zu oft in diese peinliche und beschämende Lage geraten zu sein, und ich hatte wirklich keine Lust mehr darauf, mich pausenlos vor anderen Menschen zu blamieren.
Das Knarzen der Treppe kündigte mir Herrn Hellbergs Rückkehr an. Angespannt schaute ich mir an, wie er abermals heraufkam. Der verdammte Kerl hatte einen grauen Putzeimer aus Plastik dabei, und mir war sofort klar, dass das wohl meine Toilette werden sollte. „Ach komm schon, Marc, im Ernst? Mach mich doch bitte lieber los, Mensch! Lass mich nur eben kurz ins Bad gehen, okay? Bitte, Mann! Das ist wirklich total peinlich, was du hier von mir verlangst", quengelte ich unbehaglich los. Marc grinste eindeutig schadenfroh, wofür ich ihn liebend gerne geschlagen hätte. „Was bist du doch für eine Mimose, Banton! Stell dich doch nicht so mädchenhaft an", tadelte er mich belustigt, „Da ist doch nun wirklich nichts dabei, wenn du in den Eimer pinkelst. Ich kippe das Zeug danach für dich ins Klo und die Sache ist erledigt." Mir war bewusst, dass der schwule Wichser mir keine Wahl lassen würde, und das machte mich enorm wütend. Grimmig beschloss ich, mich für diese Blamage irgendwann ganz gewaltig an Marc Hellberg zu rächen.
Aber vorerst hatte ich andere Sorgen, denn der Druck auf meine volle Blase war längst unerträglich geworden. Also schnappte ich mir den verdammten Eimer, sobald Marc ihn mir reichte, stellte das runde Behältnis vor das Bett zwischen meine Beine auf den Boden und holte meinen Schwanz raus, so schnell ich nur eben konnte. Zum Glück hatte Valmonts Pyjama einen recht praktischen Gummibund und auch meine U-Hose machte da keine Probleme, also war diese Notwendigkeit rapide bewältigt. Im nächsten Moment ließ ich es auch schon laufen und war dabei aufs Höchste erleichtert. Scheißegal, ob Marc mir dabei zusah. Ich konnte schlicht nicht länger warten. Tatsächlich beobachtete der Spanner mich, drehte sich aber diskret weg, als ich ihn vorwurfsvoll taxierte. Es war extrem peinlich, wie laut mein Urin in den Putzeimer plätscherte. Das beschämende Geräusch ließ sich aber leider nicht verhindern. „Du bist so ein Arsch!" knurrte ich Hellberg wütend an, „Das macht dir doch Spaß mich zu demütigen!"
Seine impulsive Reaktion darauf erschreckte mich so sehr, dass ich mir vor Schreck um ein Haar auf die Füße pinkelte. Mit einem plötzlichen, enorm aggressiven Satz stand Marc direkt vor mir und starrte mich wutentbrannt an. „Nein, Banton, das hier macht mir keinen Spaß! Das ist sogar so ziemlich das Allerletzte, was ich als Spaß bezeichnen würde!" erklärte er mir mit nur mühevoll beherrschtem Zorn. Seine Augen funkelten böse, als er tief Luft holte. „Es macht mir keinen Spaß, wie gedankenlos du Sean behandelst und wie achtlos du dein eigenes Leben wegwirfst, Clay. Im Gegenteil, ich finde das unglaublich traurig. Wenn ich etwas dagegen tun könnte, dann würde ich es tun, glaub mir! Schon allein Sean zuliebe würde ich alles tun, damit es dir besser geht. Aber ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann. Ich habe keine Ahnung, ob man überhaupt irgendwie zu dir durchdringen kann. Mir fällt nichts Besseres ein, als für dich da zu sein. Auch wenn du meine Hilfe gar nicht annehmen kannst." „Ha! Ha! Ha! Ich nehme deine Hilfe doch an, Marc! Du lässt mir ja gar keine andere Wahl als sie anzunehmen!" entgegnete ich spöttisch und deutete mit den Augen auf den Eimer zwischen meinen Füßen, der noch immer laut plätschernd mit meiner Körperflüssigkeit gefüllt wurde. Marc stöhnte gestresst auf, verdrehte geringschätzig die Augen und sich angewidert von mir weg. „Du verstehst wie immer gar nichts, Clay Banton!" warf er mir bitter vor, was mich ganz schön sauer machte, weil es so arrogant war. Als hätte nur er allein hier den totalen Durchblick.
Angefressen konzentrierte ich mich aufs Pinkeln, bis meine Blase endlich wieder leer war, was sich extrem erleichternd anfühlte. Zum Glück sah mein Urin wenigstens nicht mehr allzu blutig aus, wie ich mit einem verstohlen prüfenden Blick feststellte. Schnell packte ich meinen Schwanz wieder ein und schob den halb vollen Putzeimer angeekelt mit dem Fuß weit von mir weg in Marcs Richtung. „Na, dann viel Spaß beim Entsorgen! Du wolltest das ja unbedingt so!" konnte ich mir nicht verkneifen, grimmig zu erwähnen. Hellberg reagierte darauf allerdings nicht. Stattdessen hob er nur das Tablett vom Boden auf, drehte sich langsam um und kam wieder auf mich zu, ohne den Eimer zu beachten. „Also hör mal zu, Clay. Ich habe hier eine Tasse Tee und ein paar Kekse für dich. Und dann nimm bitte auch unbedingt die drei Tabletten. Sean hat mir gesagt, dass ich dir die geben soll", berichtete er seufzend. Der ahnungslose Typ musste mich nicht lange bitten, denn mir war klar, dass die Pillen mir helfen würden. Also griff ich gierig danach, steckte sie alle drei auf einmal in den Mund und schluckte sie mit Hilfe des Tees hastig hinunter. Der Tee war zu heiß, sodass ich mir in meiner durstigen Eile die Zunge verbrannte. „Was ist das für ein komisches Zeug?" fragte ich hustend. „Baldriantee", antwortete Marc vage lächelnd, „Damit du dich endlich mal beruhigst, Banton." „Oh, Fuck, Hellberg!" stöhnte ich voller Geringschätzung, „Ich bin ein Heroin-Junkie, Mann! Glaubst du ernsthaft, dass bei mir noch so etwas Lächerliches wie Baldrian wirkt?" „Das kann man nicht wissen", erwiderte er ungerührt,„Ich hoffe es jedenfalls." „Na dann viel Spaß dabei", seufzte ich müde zum zweiten Mal.
Marc hielt mir unverdrossen das Tablett hin, darum nahm ich mir einen seiner selbst gebackenen Kekse und biss hinein. Marcs Kekse waren meistens echt knusprig und lecker, das wusste ich mittlerweile aus Erfahrung. Also genehmigte ich mir noch ein paar und trank dazu von dem komischen Tee. Verblüfft stellte ich fest, wie hungrig ich war, denn womöglich hatte ich seit ewigen Zeiten nichts mehr gegessen. Marc lächelte wegen meinem Appetit und stellte das Tablett vorsichtig neben mich auf die Matratze. „So, dann bist du jetzt also gut versorgt", bemerkte er friedlich, „Ich gehe dann mal zurück an meine Arbeit. Du kannst solange hier auf Sean warten, okay?" „Nein, nicht okay!" wandte ich kauend und kopfschüttelnd ein, „Kein bisschen okay, Herr Hellberg!" „Hast du sonst noch einen Wunsch, Herr Banton?" fragte er ein bisschen spitz und musterte mich argwöhnisch. „Wie wäre es, wenn du mir einfach jetzt sofort den Schädel einschlägst?" fragte ich ihn ohne erkennbare Gefühlsregung. Nur tief drinnen hämmerte mein Herz vor Wut und Unbehagen. Meine Finger zitterten, als ich mir den nächsten Keks vom Teller nahm. „Clay...", stöhnte Marc resigniert. Für einen Moment schloss er die Augen und atmete tief durch. Dann schaute er mich wieder an. „Mach bitte, dass es aufhört", flüsterte ich flehend in einem jähen Anfall von tiefer Depression. „Das kann ich nicht", flüsterte Marc traurig zurück, „Das kann niemand für dich tun, Clay. Das kannst nur du allein."
Sean
Der Vormittag in der Kunsthochschule ging schneller vorbei, als ich es erwartet hatte. Meine Studenten und die Seminare lenkten mich erfolgreich ab, obwohl ich im Hinterkopf an nichts anderes als Clay Banton denken konnte. Aber ich verbot mir diese Ablenkung und konzentrierte mich restlos übermüdet auf die Aufgabe, mehr oder weniger begabten jungen Menschen meine Kenntnisse in Sachen Schauspiel, Tanz und Dramaturgie zu vermitteln. Zum Glück hielt ich mittwochs nur vormittags Kurse ab, der Nachmittag war normalerweise für meine offene Sprechstunde reserviert, die ich aber problemlos auch ausfallen lassen konnte. Mein Lehrplan kam mir an diesem Tag wie gerufen.
Es war gerade erst zwölf Uhr vorbei, als ich hastig das Schulgelände wieder verließ und auf schnellstem Wege im Jeep nach Hause fuhr. Kurz darauf stellte ich das Auto in die Garage und lief mit vor Nervosität hämmerndem Herzen zur Haustür. Ich schaffte es kaum sie aufzuschließen, weil meine dummen Finger so stark zitterten. Im Flur stehend lauschte ich angespannt ins Haus, konnte jedoch rein gar nichts hören. Mein absoluter Albtraum in diesem Moment wäre gewesen, wenn Clay nicht mehr dagewesen wäre. Wenn mein Mann sich in meiner Abwesenheit irgendwie befreit hätte und abgehauen war, und ich deshalb nichts mehr für ihn hätte tun können. In gewisser Weise rechnete ich sogar damit, bei meiner Rückkehr nur noch ein verwaistes Bett vorzufinden. Ich war darauf vorbereitet, hatte gründlich über diese Situation nachgedacht. Auf keinen Fall würde ich nochmal herumfahren, um Banton irgendwo zu suchen oder abzuholen, das hatte ich längst beschlossen. Der letzte Abend hatte mir diesbezüglich mehr als gereicht. Wenn er weg ist, dann ist das sein Problem, versuchte ich mir verbissen einzureden, dann kann ich dem dummen Isländer eben doch nicht helfen. Aber der Gedanke brach mir das Herz, weil er gleichzeitig bedeutete, dass Clay sich endgültig außerhalb meiner Kontrolle befinden würde. Laut Siamak Tourani war es mehr als höchstwahrscheinlich, dass mein labiler Mann einen erneuten Absturz in die Drogen- und Psychohölle nicht noch einmal überleben würde. Das machte mir eine Heidenangst.
Mit bebenden Muskeln zog ich meine Lederjacke aus und hängte sie an die Garderobe, stellte meine Arbeitstasche unten auf die Ablage. Dann machte ich mich ängstlich auf den Weg zu Marcs Zimmer, um meinen Mitbewohner nach den Ereignissen des Vormittags zu befragen, die ich verpasst hatte. Marc hatte mir versprochen, sich während meiner Arbeitszeit um Clay zu kümmern, obwohl er das spürbar nur sehr ungern tun wollte. Mit seinen Vorbehalten hatte er recht, denn es war eine gänzlich undankbare Aufgabe. Außerdem musste auch Marc arbeiten und hatte daher eigentlich gar keine Zeit für Clay gehabt. Trotzdem hatte er sich darauf eingelassen, auf unseren fraglos schwierigen Besucher Acht zu geben. Das rechnete ich meinem Freund hoch an.
Zaghaft klopfte ich an Marcs Tür und hörte sofort ein „Herein", woraufhin ich die Tür öffnete und in sein Zimmer trat. Hellberg saß wie fast immer an seinem PC und programmierte irgendwas, drehte sich jedoch zu mir um, als ich die Tür hinter mir zumachte. „Und?" konnte ich mich kaum bremsen, ihn mit Fragen zu überschütten, während ich langsam auf ihn zuging. Mein Herz schlug hart und schnell. Mit jeder Faser meines Seins erwartete ich, dass Clay zwischenzeitlich das Weite gesucht hatte. „Naja....", ließ Marc mich ein bisschen zappeln, was nur schwer zu ertragen war. Mit flehendem Gesicht fixierte ich meinen Mitbewohner, bis er endlich Gnade zeigte. „Er ist noch da...", informierte der Programmierer mich mit einem zögerlichen Lächeln, woraufhin mir vor Erleichterung prompt die Knie einknickten. Ich schwankte, taumelte, musste mich an der Wand festhalten und stolperte auf wackeligen Beinen zu seinem Sofa, wo ich mich ächzend niederließ. Marc saß mir zugewandt auf seinem drehbaren Schreibtischstuhl und beobachtete mich aufmerksam.
„Was ist passiert?" wollte ich mit schwacher Stimme wissen, nicht sicher, ob ich für diesen Bericht bereit war. „Er hat in unseren Putzeimer gepinkelt", grinste Marc und verdrehte spöttisch seine schönen Augen. „Was? Wieso das denn?" entfuhr es mir verwirrt, weil ich mit dieser unerwarteten Information nichts anfangen konnte. „Wieso wohl, Sean? Nach dem langen Schlaf musste der kleine Junge eben Pippi machen und ich durfte ihn ja laut deiner strikten Anweisung auf gar keinen Fall losketten", berichtete Marc abfällig, „Also habe ich ihm stattdessen den Eimer angeboten. Das Kindchen war brav und hat artig da reingemacht." „Das war gut", lobte ich meinen Freund konfus, „Clay wäre nämlich sonst sofort abgehauen, wenn du ihn von den Handschellen befreit hättest. Das mit dem Pinkeln war garantiert nur ein Versuch dich auszutricksen." „Ja, Clay wäre abgehauen, das steht außer Frage", stimmte Marc mir zu und nickte, „Aber ich glaube nicht, dass sein menschliches Bedürfnis nur ein Trick war. Der hatte nämlich wirklich ordentlich Druck auf der Blase. Ich habe den benutzten Eimer wieder mitgenommen, den Inhalt im Klo ausgeleert und den Eimer ausgespült."
Das seltsame Thema verwirrte mich extrem, darum schaute ich Marc ratlos an. Seine Augen betrachteten mich wachsam. „Du siehst entsetzlich müde aus, Sean Valmont", stellte er betrübt fest, „Du solltest jetzt unbedingt ein paar Stunden schlafen." „Ich kann jetzt nicht schlafen!" widersprach ich sofort verständnislos, „Ich muss mich um Clay kümmern. Das weißt du doch." „Du hast die letzte Nacht kein Auge zugemacht", musste Marc mir unbedingt vorwerfen, obwohl ich das doch selbst in jeder erschöpften Faser meines Körpers sehr viel stärker spürte, als mir lieb war. Nur mit sehr viel Kaffee und zwei Codein-Tabletten hatte ich es überhaupt geschafft, pünktlich auf der Arbeit zu erscheinen und den ganzen Vormittag durchzuhalten. Ich hielt es für besser, darauf nicht weiter einzugehen.
„Hey, danke, Marc, dass du auf Clay aufgepasst hast, solange ich nicht da sein konnte", bedankte ich mich bei meinem zuverlässigen Freund. Ich war ihm für seine Hilfe wirklich sehr dankbar, weil ich wusste, wie schwer ihm seine Aufgabe gefallen war. Marc winkte großzügig ab. „Das ist doch selbstverständlich, Sean", bekräftigte er, „Aber jetzt solltest du dich wirklich erst einmal ausruhen, Herr Valmont. Lege dich doch wenigstens ein Stündchen aufs Ohr. Du kannst gerne mein Bett benutzen." Einladend deutete der Programmierer auf sein sorgfältig gemachtes Bett. Leicht genervt überging ich seine völlig unsinnige Aufforderung. „Wie war das mit Clay? Wann ist er aufgewacht?" begehrte ich stattdessen zu wissen. Marc verdrehte die Augen. „Der kleine Junge hat ziemlich laut und ausdauernd nach dir geschrien, als er vor ungefähr zwei Stunden aufwachte. Daraufhin bin ich zu ihm hochgegangen. Er hat sich mächtig darüber aufgeregt, dass du ihn mit den Handschellen am Bett festgemacht hast", erzählte er spöttisch.
Es berührte mich stärker, als mir lieb war, dass mein Mann nach mir geschrien hatte. Ich musste schlucken und schloss für einen Moment die Augen, denn ich wollte mir vor Marc keine derartigen Gefühlsregungen erlauben. Aber natürlich kannte Hellberg mich zu gut, um meine Reaktionen nicht zu kennen. Außerdem behielt er mich die ganze Zeit neugierig im Auge. „Hast du ihm die Tabletten gegeben?" fragte ich ernst, woraufhin Marc zu meiner Erleichterung nickte. „Er hat die drei Pillen gierig heruntergeschluckt", informierte er mich seufzend, „Außerdem hat er meinen Tee getrunken und ein paar Kekse gegessen. Ich habe das leere Tablett wieder in die Küche gestellt." Meine Nervosität stieg an, weil es mich zunehmend zu meinem Mann hinzog. Darum wanderte mein Blick zu Marcs Zimmertür hin, was er sofort bemerkte. „Es geht ihm gut, Sean. Ich habe ihm sogar deine Fernbedienung gegeben, damit er sich nicht so langweilt, der arme Kleine. Das wird schon alles wieder. Du musst dir jetzt keine Sorgen mehr um ihn machen...", versuchte mein Freund mich zu beruhigen, aber mein warnender Blick würgte seinen Unsinn sofort ab. Marc wusste ganz genau, dass meine Sorge um Herrn Banton absolut berechtigt war.
„Na, dann werde ich mal nach ihm sehen", kündigte ich betont locker an und stand auf. „Warte mal, Sean", rief Marc und stand ebenfalls auf, als wollte er mich am liebsten festhalten, „Bitte ruhe dich doch erst mal etwas aus. Du weißt doch, wie anstrengend das werden wird. Und du siehst nicht so aus, als ob du jetzt..." „Lass das mal meine Sorge sein!" unterbrach ich ihn ärgerlich, „Clay braucht meine Hilfe und wird sie bekommen." „Aber Sean! Clay will deine Hilfe doch gar nicht!" rief Marc in einem Anfall von hilfloser Verzweiflung, „Versteh das doch endlich mal! Clay meckert nur über dich. Er wirft dir vor, dass du dich in sein Leben einmischst, ihm Sachen aufzwingst und alles besser weißt. Man kann mit Banton nicht vernünftig reden, glaub mir!"
Aufhorchend schaute ich ihn an. „Woher willst du das wissen? Hast du etwa mit ihm darüber gesprochen?" fragte ich misstrauisch. Marc seufzte schwer und setzte sich zurück auf seinen Drehstuhl. „Naja, ich habe es versucht. Sagen wir mal so...", antwortete er unbestimmt, ohne mich dabei anzusehen. „Was hast du gesagt?" wollte ich entsetzt wissen und ärgerte mich, weil meine Stimme so schrill klang. Marc hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe nichts gesagt, was nicht die Wahrheit ist und wir beide nur zu gut wissen. Dass du ihm nämlich nur helfen willst. Dass du nur noch existierst, um ihm zu helfen. Aber Clay weiß das nicht. Und er wird es auch nie verstehen", meinte er resigniert. Seine abfällige Meinung machte mich wütend, aber ich bemühte mich ruhig zu bleiben. „Clay ist sehr krank, Marc. Er ist verprügelt worden. Du hast keine Ahnung, was er allein gestern schon wieder alles Schlimmes durchgemacht hat. Wir müssen Geduld mit ihm haben", versuchte ich meinen Freund zu überzeugen. „Ja, ich weiß, Sean Valmont", seufzte Marc traurig, „Deine Geduld ist grenzenlos. Obwohl nie etwas dabei herauskommen wird. Deine Bemühungen sind vollkommen hoffnungslos. Weil du nämlich niemals bis zu ihm durchdringen wirst." „Hör auf so zu reden!" fuhr ich ihn tadelnd an, „Es gibt keine hoffnungslosen Fälle, Marc Hellberg! Es gibt nur hoffnungslose Menschen!"
Damit drehte ich mich hastig zur Tür und beeilte mich aus dem Zimmer zu kommen. Ich war froh, als Marc mich nicht aufhielt und auch nichts mehr dazu sagte. Offenbar hatte mein letzter Satz ihn beeindruckt. Ich hatte meinem Mitbewohner wahrhaftig die Sprache verschlagen, was mir ein stolzes, siegesgewisses Lächeln aufs Gesicht zauberte. Schnell verließ ich Marcs Raum, machte die Tür hinter mir zu und holte mir in der Küche eine Flasche Wasser, die ich mit nach oben nehmen wollte. Zuerst trank ich aber noch selber ein paar große Schlucke. Dann machte ich mich auf den Weg zu meinem Mann, denn meine Sehnsucht nach ihm war enorm. Obwohl ich Angst davor hatte, in welchem Zustand ich Clay wohl vorfinden würde, so konnte ich es doch nicht erwarten ihn wiederzusehen.
Die ganze Nacht hatte ich dicht an meinem Bett Wache gehalten, stundenlang den tief schlafenden Mann beobachtet, ständig in der angespannten Befürchtung, dass Clay plötzlich aufhören würde zu atmen. Unentwegt hatte ich auf seine tiefen Atemzüge gelauscht, seinen Pulsschlag überprüft, sein hübsches Gesicht gestreichelt und ihn nicht eine Sekunde lang aus den Augen gelassen. Obwohl die vergangene Nacht zweifellos sehr nervenaufreibend und anstrengend gewesen war, so hatte mich diese Aufgabe aber auch sonderbar befriedigt. Es war ein Gefühl gewesen, als hätte ich nach langer Zeit des wirren Chaos endlich mal wieder alles restlos unter Kontrolle gehabt. Meinen über alles geliebten Mann in meiner Obhut zu wissen, hatte mich trotz der widrigen Umstände glücklich gemacht. Mir war klar, dass meine Freunde das nie verstehen würden. Aber das war mir egal. Clay Banton gehörte mir. Er konnte nicht auf sich selbst aufpassen. Ich war für ihn verantwortlich. Und darum würde ich mich auch jetzt um ihn kümmern. Genau wie ich es dem Doktor und mir selbst versprochen hatte.
Mit klopfendem Herzen stieg ich Stufe für Stufe die schmale, steile Treppe zu meinem Dachboden hinauf, nachdem ich meine Tasche von der Garderobe geholt hatte, um sie oben abzulegen. Nach einigen Stufen konnte ich die leisen Geräusche meines Fernsehers hören, die wie Nachrichten klangen. Offenbar lag Clay im Bett und schaute fern, worüber ich schmunzeln musste. Er kam von dem Bett nicht herunter, bevor ich es ihm nicht erlaubte. Diese Macht zu haben befriedigte mich auf eine sehr egoistische Art. Mir wurde klar, dass ich Banton am liebsten für immer an mein Bett fesseln wollte. Diese Gewissheit erschreckte mich.
„Clay!" rief ich, plötzlich panisch, ob es ihm auch gut gehen würde, und nahm die letzten Stufen auf einmal. Oben warf ich meine Arbeitstasche achtlos unter den Schreibtisch und lief eilig zu ihm hin. Im nächstem Moment stand ich vor dem Bett, stellte die Flasche auf den Boden und schaute auf ihn herunter. Sein Anblick verursachte mir ein warmes Gefühl im Bauch. Clay Banton lag lang ausgestreckt auf meiner Matratze und starrte dumpf den Fernseher an, in dem irgendwas zu sehen war, was mich nicht interessierte. Er trug noch immer meinen gestreiften Flanell-Schlafanzug, den ich ihm alleine so mühevoll angezogen hatte. Es war wirklich nicht leicht gewesen, den schlaffen Körper ganz ohne sein Zutun umzuziehen. Seit ich ihm meine Turnschuhe von den Fußen gezogen hatte, waren seine Füße nackt. Am letzten Abend hatte ich den besinnungslosen Isländer aus Travis' Wohnung heraus bis zum Jeep und später vom Auto bis in mein Bett getragen. Nichts davon hatte er in der vergangenen Nacht mitbekommen. Denn der unverbesserliche Junkie hatte sich erfolgreich in eine Welt zwischen Schlaf und Bewusstlosigkeit geflüchtet.
Mir fiel auf, dass er inzwischen nicht mehr zugedeckt war. Die Steppdecke lag zusammengeknäult am Fußende des Bettes. Wahrscheinlich hatte er sie in meiner Abwesenheit dort hin getreten. Der Mann hatte sich mein Kissen in den Rücken gestopft, sodass sein Oberkörper relativ aufrecht liegen konnte und er bequem den Bildschirm im Blick hatte. Seine linke Hand war unverändert mit Handschellen am Kopfteil des Bettes festgemacht.
„Clay? Alles klar?" fragte ich mit wild pochendem Herzen. Seine Reaktion auf mein Erscheinen enttäuschte mich unendlich. Nur langsam und betont desinteressiert wandte sich sein wunderschöner Kopf zu mir. Als er mich reglos musterte, lag in seinen grün-braunen Augen die pure Verachtung. „Klar, mir geht's super, Valmont. Ich hab das so doll vermisst, an ein Bett gefesselt zu sein. Das letzte Mal ist ja auch schon ewig lange her. Davon kann ich gar nicht genug kriegen, weißt du?" Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Clay... ich... konnte nicht riskieren, dass du einfach abhaust...", versuchte ich ihm zu erklären. Es fiel mir schwer, seinem irre anklagenden Blick standzuhalten. „Warum nicht?" blaffte er zornig, „Warum konntest du das nicht riskieren, Sean Vamont?" „Weil wir heute Abend zusammen auftreten werden", eröffnete ich ihm verzweifelt in der Hoffnung, dass ihm das vielleicht gefallen würde. Aber im selben Moment wurde mir klar, wie unwahrscheinlich unser bevorstehender Auftritt in der Eule derzeit war. Er wird es nicht tun, begriff ich erschrocken, Clay ist stinksauer auf mich, er wird heute auf keinen Fall mit mir Musik machen wollen. „Ach so!" höhnte mein Mann und verzog spöttisch sein hübsches Gesicht, „Na, damit ist ja dann alles geklärt und vergeben!"
Natürlich war gar nichts vergeben, und verstehen konnte er mich auch nicht, geschweige denn die Notwendigkeit meiner Taten akzeptieren. Auf einmal war mein Kopf völlig leer. Ich stand reglos vor dem Bett, schaute ihn nur hilflos an und wusste nichts mehr zusagen. Clay betrachtete mich mit derart glühender Verachtung, dass ich unter seiner unausgesprochenen Anklage beinahe zusammenbrach. Die Stille war bleischwer, nur der Fernseher war zu hören. Die Stimme ging mir zunehmend auf die Nerven, also schaute ich hin, auch, um Clays tödlichem Blick auszuweichen. Eine Nachrichtensprecherin berichtete von einem weiteren hässlichen Krieg irgendwo in der Welt. Der Bildschirm zeigte die dazugehörigen Bilder in schneller, brutaler Folge. In diesem Moment konnte ich diese Ablenkung nicht ertragen. Ich musste mich unbedingt allein auf Clay Banton konzentrieren, denn das hier war enorm wichtig. Für uns beide. Es entschied über unser beider Zukunft. Noch nie war mir das so klar gewesen.
Meine Augen suchten gestresst die Fernbedienung und fanden sie neben Clays Hüften auf der Matratze. „Wenigstens hast du einen scheiß Fernseher", knurrte Clay gerade und griff genau in dem Moment nach der Fernbedienung, als auch ich es tat. Vielleicht wollte er umschalten oder die Lautstärke ändern. Ich wollte den störenden Kasten dringend ausschalten. Unsere Finger berührten sich höchstens zwei Sekunden lang, völlig unabsichtlich. Trotzdem zog Clay seine Hand sofort so heftig zurück, als hätte er sich an mir verbrannt. Der Isländer hätte mir genauso gut ein Messer ins Herz stoßen können. „Fass mich ja nicht an!" zischte er aufgebracht und spuckte dabei einen Sprühregen aus Spucke in meine Richtung. Ich musste hart schlucken, weil seine aggressiv ablehnende Feindseligkeit mir so wehtat, dass ich glaubte sie nicht ertragen zu können. Tief atmete ich ein, nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Dann warf ich die schwarze Plastiksteuerung ans Fußende des Bettes.
Es tat verdammt weh, mit wie viel Hass er mich behandelte. Aber ich durfte mich von ihm nicht abweisen lassen. Ich versuchte mir deutlich zu machen, dass das kleine Kind Clay Banton ziemlich schlimm verletzt, sehr ängstlich und hilflos war. Nur darum biss er so aggressiv zu. Er war ein schwer verwundetes Tier in der Falle. Und ich hatte ihn dazu gemacht.
Kurzentschlossen setzte ich mich zu ihm auf die Bettkante, woraufhin er sofort fauchend so weit von mir wegrückte, wie es auf der schmalen Matratze möglich war. Clay zog die Beine heran und umschloss sie schützend mit seinen Armen, den Rücken dicht ans Kopfende des Bettes gedrückt. Misstrauisch fixierte er mich, seine Augen schossen tödliche Giftpfeile auf mich ab. „Woran erinnerst du dich?" fragte ich ihn vorsichtig. „Wie oft fragst du mich das noch?" entgegnete er widerspenstig. „Ich habe dich gestern Abend im letzten Moment aus Travis' Drogenhölle herausgeholt, Clay. Du hattest einen Ständer, warst so gut wie nackt und dermaßen zugeknallt, dass du kaum noch bei Bewusstsein warst", erzählte ich ihm, woraufhin er entsetzt die Augen aufriss, ablehnend den Kopf schüttelte und nach Luft rang. „Marc hat mich gezwungen, in euren scheiß Putzeimer zu pinkeln! Das war total erniedrigend!" beschwerte er sich bitter, eindeutig bemüht darum, das unangenehme Thema auf der Stelle zu wechseln. Aber diesmal wollte ich mich nicht darauf einlassen.
„Du hättest gestern ganz leicht sterben können, Clay. Du warst so kurz davor einen Atemstillstand zu erleiden", versuchte ich ihm klarzumachen. Mit Daumen und Zeigefinger demonstrierte ich eine Entfernung von wenigen Millimetern. „Ich habe dich nicht gebeten auf mich aufzupassen!" kläffte er mir böse entgegen. „Aber ich habe auf dich aufgepasst", hielt ich ruhig dagegen, „Ich habe die ganze Nacht lang auf dich aufgepasst, Clay Banton." „Und was erwartest du jetzt von mir, hä? Soll ich dir einen Orden verleihen, Valmont?" zeigte er nicht das geringste Verständnis für seine Situation oder meine Hingabe. Besonnen schüttelte ich den Kopf. „Nein. Ich möchte nur, dass dir klar wird, wie knapp das diesmal war", sagte ich mit ruhiger Stimme. Ich versuchte behutsam zu sein, aber mein Herz hämmerte nervös und ich hatte keine Ahnung, ob die Wörter die richtigen waren, die ich spontan aus dem Bauch heraus auswählte.
Für einen kurzen Moment schien Clay mich zu verstehen, denn eine diffuse Panik blitzte in seinen Augen auf. Aber zwei Sekunden später versuchte er auch schon es zu verbergen. „Na und? Hättest du mich doch sterben lassen, Sean! Warum glaubst du bestimmen zu können, ob ich sterbe oder lebe?" rief er mit unverkennbarem Widerwillen. „Weil ich nicht will, dass du stirbst, Clay. Ich kann nicht ohne dich sein", krächzte ich und ärgerte mich, weil ich plötzlich viel zu emotional wurde. In meinen Augen erschienen dumme Tränen der Angst, die ich da ehrlich nicht haben wollte. Die Gewissheit, dass er wirklich um ein Haar gestorben wäre, brachte mich beinahe um. Aber das wollte ich ihm nicht so deutlich zeigen, weil ich wusste, dass es ihn restlos überforderte. Hastig drehte ich den Kopf zur Seite, wischte die Tränen weg und schluckte hart, um mich zusammenzureißen.
Als ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte, holte ich tief Luft und gab mir einen Ruck. „Hör mal, das geht nicht, Clay. Wir können so nicht weitermachen. Ich ertrage das nicht mehr. Und du wirst es nicht mehr lange überleben", packte ich meine tiefsten Ängste in Wörter, die meine Gefühle sowieso nur ansatzweise wiedergeben konnten. Vorsichtig schaute ich zu ihm hin. Clay zog verwirrt die Brauen zusammen. Der Typ studierte mich mit seltsamer Faszination, die ich nicht zu deuten wusste. Mir fiel ein, dass er mich noch nicht allzu oft weinen gesehen hatte. Offenbar wurde mein Mann von der spürbar gewaltigen Wucht meiner Gefühle stärker bewegt, als ich geahnt hatte. Seine freie Hand fing damit an, nervös an seinem Unterschenkel entlangzufahren, immer rauf und runter. Bei der anderen Hand verhinderten die Handschellen, dass er sie weiter als ein paar Zentimeter auf seinem Knie bewegen konnte, darum knetete er unruhig an seinem Kniegelenk herum, als würde ihm die eigene Berührung irgendeinen Halt geben.
„Was soll das jetzt, Sean Valmont? Was bedeutet das denn? Was willst du mir damit sagen?" keuchte er atemlos und schnappte aufgewühlt nach Luft. Seine offensichtliche Verwirrung rührte mich. Clay wirkte plötzlich extrem hilflos, wie er angekettet auf meinem Bett saß, mit dem Rücken fest gegen das Kopfteil gepresst und mich misstrauisch fixierte. Ich hatte den Eindruck, dass er mir zumindest endlich richtig zuhörte, und das musste ich dringend ausnutzen. „Ich will dir sagen, Clay, dass du gestern eine Grenze überschritten hast, über die ich dir nicht weiter folgen kann. Ich weiß nicht, was genau am Montag Abend in deiner Wohnung mit dir passiert ist, denn du sagst es mir ja nicht. Aber was immer es war, es hat dich in die geschlossene Psychiatrie gebracht. Und obwohl die dich im Krankenhaus bis zur Oberkante ruhiggestellt hatten, bist du nach deiner Entlassung sofort zu Travis gerannt, weil du Heroin haben wolltest", redete ich hastig weiter, um sein vages Interesse nicht zu verlieren. „Erzähl' mir was Neues", knurrte er geringschätzig, aber ich ließ mich nicht beirren.
„Erinnerst du dich an die Psychiatrie?" fragte ich ihn und legte den Kopf schief, während ich ihn prüfend ansah. Spöttisch stieß er die Luft aus. „Ja, ich erinnere mich an die scheiß Psychiatrie, Valmont", bestätigte er kopfschüttelnd, „Denkst du ich bin blöd?" „Nein, aber du kannst dich ja angeblich an so Vieles nicht mehr erinnern, nicht wahr?" erwiderte ich ernst. Seine unwillkürlichen Bewegungen auf meinem Bett wurden stärker, er fing an mit dem Oberkörper vor und zurück zu schaukeln, während seine Augen mich fragend erforschten. „Was wirfst du mir hier eigentlich vor, Sean?" regte er sich verständnislos auf, „Meinst du etwa, das war meine Idee? Denkst du das hat mir Spaß gemacht oder dass ich gerne in der scheiß Psychiatrie war? Glaubst du vielleicht ich wollte da hin? Hältst du das alles für einen Witz von mir?" Die vage Vermutung schien ihn völlig aus der Fassung zu bringen. Hektisch schüttelte er den Kopf. „So war das nicht! Das ist nicht meine Schuld gewesen!" versicherte er mir unglücklich, „Ich habe das bestimmt nicht gewollt!" „Dann erklär's mir doch endlich!" flehte ich ihn an, „Erkläre mir, warum das alles passiert ist. Du bestehst darauf, dass du keine Drogen genommen hast, die solche Anfälle verursachen können. Also muss es einen anderen Grund geben. Ich bin sicher, dass du in Wahrheit genau weißt, warum du derart die Kontrolle über dich verloren hast!" Clay zuckte zusammen und wich unwohl meinem Blick aus. „Das... ist nicht so einfach...", flüsterte er mühevoll und schloss kapitulierend die Augen.
Völlig verblüfft starrte ich ihn an. Zum ersten Mal hatte er meine Bitte nicht sofort abgeschmettert mit der schlichten Behauptung, sich nicht erinnern zu können. Mein überraschtes Herz hämmerte los, weil ich spürte, wie der verstockte Isländer langsam aufzutauen begann. Er erzählt es mir, dachte ich restlos schockiert, um Himmels Willen, er wird mich vielleicht endlich einweihen. Eine Weile war es angespannt still. „Lass dir Zeit, Clay", krächzte ich gebannt und wagte kaum zu atmen. Schließlich holte Clay Luft. „Sean, das war nicht, weil... Ich kann dir nicht...", fing er an und brach sofort wieder ab. „Erinnerst du dich an die Dusche? Wie du mit Kim in deiner Dusche warst? Was ist da mit dir passiert?" wollte ich ihm helfen, aber er schüttelte nur den Kopf und biss sich auf die Lippen. Es war ihm anzusehen, dass dieses Thema ihm fast schon körperliche Schmerzen verursachte. Clay war nahe daran in Tränen auszubrechen. Das tat mir so leid, dass ich beschloss die Sache langsamer anzugehen. Ich wollte ihn nicht unnötig quälen.
„Erinnerst du dich an Travis?" wechselte ich das Thema, um es ihm einerseits leichter zu machen und andererseits das enorm spannend werdende Gespräch auf keinen Fall abreißen zu lassen. Konzentriert beobachtete ich meinen Mann. Es tat mir weh, wie offensichtlich er litt. Seine Augen waren abwehrend geschlossen, sein schöner, verletzter Körper bewegte sich ruhelos auf meinem Bett. „Hör bitte auf, Sean", flüsterte Clay, schüttelte unentwegt den Kopf und legte seine Stirn schützend auf seine geschlossenen Knie. Enttäuscht blies ich Luft aus. „Das geht nicht, Clay. Ich kann jetzt nicht aufhören", erklärte ich ihm, „Weil das hier enorm wichtig ist. Weil es nämlich entscheidet, ob wir zwei überhaupt noch miteinander klarkommen."
Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, verkrampften sich auch schon meine Eingeweide, weil mir urplötzlich klar wurde, dass es tatsächlich so war. Wenn Clay mir jetzt nicht die Wahrheit sagte, dann würde ich ihn womöglich wirklich verlieren. Oder hatte ich ihn nicht schon längst verloren und es lediglich noch nicht gemerkt? Wollte ich es vielleicht nur nicht wahrhaben, dass mein geliebter Mann schon lange unerreichbar für mich war, so wie Marc es gerade erst wieder behauptet hatte? Hatte mein Mitbewohner womöglich recht? Dieser Gedanke brachte mich um. Nervös biss ich mir auf die Lippen, strecke vorsichtig meinen Arm aus und berührte mit den Fingerspitzen Bantons Fuß, der wahllos auf der Matratze hin und her schaukelte. Sofort hob Clay den Kopf und riss erschrocken die Augen auf, zog seine Füße jedoch nicht weg, was mich unglaublich erleichterte. Mutig geworden beugte ich mich weit zu ihm hin und streichelte seine nackte Haut, zärtlich mit beiden Händen über seine böse zerstochenen Knöchel, legte meine Finger sanft um seine Fersen, bis die zuckenden, nervösen Bewegungen aufhörten.
Schließlich standen seine beiden nackten Füße ruhig nebeneinander auf dem Bett. Sie fühlten sich sehr warm an. Ich nahm seine Knochen und Sehnen bewusst wahr und genoss das Gefühl seiner zarten Haut. Clay beobachtete mich mit weit aufgerissenen Augen. Es war tief verstörte Panik, die ich in seinen schwarzen Pupillen erkannte.
„Du willst mich verlassen, Sean Valmont? Hast du die Schnauze voll von mir?" glaubte er wahrhaftig verstanden zu haben, und die unverhüllte Angst in seiner schönen Stimme verursachte mir unwillkürlich eine wohlige Gänsehaut. Gutmütig schüttelte ich den Kopf und streichelte mit beiden Händen an seinen Unterschenkeln hinauf und hinab, wobei ich den Schlafanzug hochschob. „Nein, Clay, wie kommst du denn darauf? Das habe ich doch gar nicht gesagt", beruhigte ich ihn sanft. Aber er war anderer Meinung. „Doch, das hast du gerade gesagt, Valmont. Du meinst doch, dass wir beide nicht mehr miteinander klarkommen", erwiderte er, hörbar zwischen Verwirrung, Unglauben und Panik. Ich konnte spüren, wie extrem unruhig er war. Sein Körper zitterte an sämtlichen Enden, seine Muskeln verkrampften sich unter meinen Fingern. Clay Banton stand gewaltig unter Strom, er war aufs Höchste alarmiert.
Ein gerührtes Lächeln erschien auf meinem Gesicht, das Clay mit einem bösen Knurren quittierte. „Oder willst du mich hier nur verarschen?" horchte er argwöhnisch nach, wofür ich ihn am liebsten geküsst hätte. Mühsam hielt ich mich davon ab. Seine Füße zuckten unwillig, also ließ ich ihn los und setzte mich wieder aufrecht hin. „Nein, Clay, es geht darum, dass ich nicht mehr so weitermachen kann. Ich schaffe das nicht mehr, mir ständig Sorgen um dein Leben machen zu müssen...", fing ich liebevoll zu erklären an, als er auch schon entsetzt aufstöhnte. Clay zerrte abrupt an den Handschellen und versuchte sich seitlich von mir wegzubewegen, was aber für ihn unmöglich war, weil er am Bettgestell festhing. Er richtete sich ruckartig auf und stieß sich ziemlich hart den Schädel an den schrägen Dachbalken. „Hör auf damit!" schrie er panisch los, „Du hörst dich genauso verrückt an wie Eliza! Ich kann das nicht zweimal ertragen, Valmont! Ich weiß überhaupt nicht, was du von mir willst! Was soll ich denn machen, verdammt nochmal!?" Seine Stimme war schrill, seine Augen huschten aufgescheucht durch mein Zimmer auf der instinktiven Suche nach einem Fluchtweg. Er hatte das Verlangen sich in Sicherheit zu bringen, weil er sich von mir massiv bedroht fühlte.
Irritiert beobachtete ich seinen völlig widersinnigen Anfall von Panik, den ich nicht mal im Ansatz begriff. Es machte mir Sorgen, wie wild und aggressiv er an den Handschellen zog, weil er sich auf diese Art unter Garantie nur verletzen würde. Im nächsten Moment entdeckte ich das dunkle Blut an seinem Handgelenk. Betrübt verstand ich, dass mein Mann sich schon längst verletzt hatte. Der Dummkopf hatte tatsächlich so heftig an den Handschellen gezerrt, bis das scharfe Metall seine Haut aufgerissen hatte. „Himmel, Clay, was hast du gemacht? Du hast dir extra wehgetan! Du hast so lange gezerrt, bis es angefangen hat zu bluten!" entfuhr es mir erschrocken. Mit dem Finger deutete ich anklagend auf sein aufgeschürftes Handgelenk. Clay gab ein höhnisches Geräusch von sich, das irgendwo zwischen Spott, Wut und Verachtung lag. „Meinst du es macht mir Spaß hier angekettet zu sein?" schrie er mich wütend an, „Denkst du ich würde nicht alles versuchen, um hier irgendwie wegzukommen?" Die brennende Feindseligkeit in seiner Stimme tat mir weh. „Es bringt dir aber nichts, wenn du an den Handschellen ziehst, Clay. Du kannst sie nicht abreißen. Die gehen nicht so einfach wieder auf", bemühte ich mich ruhig zu bleiben.
„Fick dich doch!" brüllte er zornig, „Du hast gar kein Recht dazu, mich hier festzuhalten, Wichser!" Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass er völlig irre aussah. „Beruhige dich, Clay!" seufzte ich traurig. Aber das machte ihn nur noch wütender. „Sag mir nicht, dass ich mich beruhigen soll, wenn du alles kaputtmachen willst!" kreischte er wie von Sinnen. Sein Atem kam stoßweise. Noch immer war er auf der sinnlosen Suche nach einem Ausweg, hampelte auf dem Bett herum und zerrte an seinen Fesseln. „Ich will nichts kaputtmachen", versicherte ich ihm und rutsche über die Matratze auf ihn zu. Er versuchte mich abzuwehren, aber ich wollte ihn jetzt unbedingt umarmen. Ich musste ihn trösten und beruhigen, egal was er davon halten würde. Clay schlug nach mir, um mich von sich fernzuhalten, wir kämpfen gegeneinander, aber ich näherte mich ihm unbeirrt weiter, bis ich dicht neben ihm auf dem Bett saß.
Energisch umschloss ich seinen wütend verspannten, zuckenden Körper so fest mit meinen Armen, bis er sich kaum noch rühren konnte. „Lass mich los, Arschloch!" schrie er aufgebracht, „Fass mich nicht an!" „Beruhige dich bitte", flüsterte ich sanft in sein Ohr und küsste es. Meine Hände fuhren beschwichtigend über seinen Schlafanzug. Er war mir jetzt so nah, dass ich seine heiße, feuchte Haut spüren konnte, den Schweiß in seinem Gesicht sah, die zornig angespannten Muskeln unter dem Pyjama fühlte, den schnell und hart pochenden Herzschlag hinter seinen Rippen wahrnahm. Sein warmer Atem blies mir ins Gesicht. Ich hatte seinen vertrauten, über alles geliebten Geruch in meiner Nase. „Beruhige dich, Clay Banton. Bitte, sei bitte ganz ruhig", wiederholte ich mehrmals und genoss seine Nähe unendlich. Schließlich gab er seine sinnlose Gegenwehr mit einem genervten Knurren auf.
Zum Schluss saßen wir dicht aneinandergedrückt auf meinem Bett. Ich umarmte ihn und wollte ihn nicht loslassen. Wir atmeten beide tief, weil wir uns bei dem Kampf ziemlich angestrengt hatten. Eine Weile war es still, während ich seine unmittelbare Anwesenheit gierig in mich aufnahm. So lange hatte ich das vermisst. Hatte ihn so sehr vermisst. Am liebsten wollte ich ihn küssen, meinen Mann mit sämtlichen Sinnen zärtlich erkunden. Aber mir war klar, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Der trotzige Isländer hätte mich unter Garantie vollkommen missverstanden.
Clay
Der Typ machte mich total wahnsinnig. Als Sean Valmont endlich in seinem blöden Dachboden auftauchte, brachte er nicht die heiß ersehnte Erlösung, sondern alles wurde nur noch viel schlimmer. Schon wieder hatte ich mich auf ganzer Linie geirrt. Anstatt mich sofort von den scheiß Handschellen loszumachen, quatschte der studierte Professor nur wirres Zeug daher. Obwohl ich es anfangs ehrlich versuchte, konnte ich ihm nicht folgen. Zuerst erwähnte Sean einen gemeinsamen Auftritt an diesem Abend, von dem ich zum ersten Mal hörte, als wäre das die ultimative Entschuldigung für ihn. Dann fing er plötzlich damit an, dass ihm das alles zu heftig gewesen wäre, die Psychiatrie und die anderen unerfreulichen Ereignisse des vergangenen Tages. Valmont meinte, dass er mich nicht länger ertragen könnte, dass er nicht mehr mit mir klarkommen würde, und das brach mir aus irgendeinem doofen Grund mein dummes, viel zu sensibles Herz. Das war echt zu viel, der ultimative Schlag gegen meine Existenz.
Sean hörte sich nämlich ganz genauso an wie Eliza einige Tage zuvor. Er benutzte für seine Vorwürfe exakt die gleichen entsetzlichen Wörter von Schuld, Sorge und Endgültigkeit, drang damit tief in meine Seele ein und riss mich kinderleicht entzwei.
Während ich hilflos ausgeliefert auf seinem Bett saß und böse mit meiner hell aufgeloderten Panik zu kämpfen hatte, wurde mir immer deutlicher bewusst, dass es für mich definitiv Zeit war zu gehen. Ich musste diese verfluchte Stadt dringend verlassen und mit ihr all die sonderbaren Menschen, die mich entweder nachhaltig therapieren, sich brutal an mir rächen oder mich nicht länger in ihrer Nähe haben wollten. Das lief doch immer so, dass die Beziehungen, die ich zu anderen Individuen aufbaute, sowieso wieder kaputt gingen. Irgendwann reagierten sie immer so auf mich. Natürlich lag das an mir. Es musste so sein. Auch diesmal hatte ich alles falsch gemacht. Das tat ich doch immer. Ständig verbockte ich alles. Die Menschen verstanden mich nicht, weil ich ein verdammter Irrer war. Ich war schon viel zu lange hier.
Die gewohnte Schlinge um meinem Hals wurde gefährlich eng. Die Luft ging mir aus, und ich wusste nur zu gut, was das bedeutete: Es war wieder soweit. Das Ende war definitiv erreicht, und in meinem Kopf lief automatisch die vertraute Routine an, was ich in den nächsten paar Tagen wann zu tun hatte, um mich so unbemerkt und bald wie möglich aus dem Staub zu machen. Auch dieses Mal würde ich nicht viel mitnehmen. Vielleicht konnte ich vorher noch einige meiner zwischenzeitlich angehäuften Gegenstände verkaufen, damit ich wenigstens nicht nochmal völlig mittellos irgendwo anders neu anfangen musste. Ich würde meine Gitarren mitnehmen, ein paar der wichtigsten Zeichenutensilien, nur die coolsten Klamotten und natürlich mein anthrazitfarbenes Baby, in dem ich diesen teilweise ungewohnten Ballast bequem transportieren konnte. Der plötzliche Gedanke ließ mich unsinnig lächeln, dass dieses wahrhaftig das erste Mal in meinem Leben war, dass ich ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung hatte. Der MG würde mich mühelos überall hinbringen, wo auch immer es mich hinführte.
Allerdings währte mein Lächeln nicht lange, denn ein völlig unbekanntes Gefühl schlich sich autonom in meine mittlerweile reichlich gewohnten Überlegungen hinein. Im ersten Moment konnte ich das überhaupt nicht zuordnen. Es stach schmerzhaft in meine ohnehin schon schwer verletzte Seele und wollte mir ernsthaft weismachen, dass irgendwas an meiner Entscheidung abzuhauen nicht richtig war. Etwas war vollkommen anders als sonst, es fühlte sich falsch an, und ich hatte keinen Schimmer was.
Wenigstens hielten die drei Tabletten von Marc mir den Affen vom Hals, wofür ich enorm dankbar war. Allerdings war das auch schon so ziemlich das einzige, was mir an der Gegenwart gefiel. Noch immer saß ich zwangsweise auf Valmonts Matratze, mein blutiges Handgelenk schmerzte, die Handschellen scheuerten auf der beschädigten Haut. Außerdem hielten sie mich unerbittlich in dieser ungewollten Position fest. Nach seiner gewichtigen Offenbarung, dass er sich nicht länger Sorgen um mich machen wollte, weil ich offensichtlich jemand war, der nichts als Sorgen bei seinen Mitmenschen verursachte, hatte Valmont sich plötzlich wieder aufs Streicheln besinnt. Inzwischen saß er mit mir auf seinem Bett, so nah an meinen angespannt zitternden Körper geschmiegt, dass sich seine Körperwärme mit meiner mischte. Seine schönen Finger fuhren beruhigend über meinen Leib, der unverändert in seinem Pyjama steckte. Das war nicht mal unangenehm. Trotzdem wollte ich den Kerl nicht so dicht bei mir haben. Schließlich hatte er mich gerade eben verbal zum Teufel gejagt. Er hatte mich offen angeklagt und verhinderte bösartig, dass ich mich seiner Anklage auch nur irgendwie entziehen konnte.
Verwirrt dachte ich darüber nach, warum mich die Planung meiner bevorstehenden Flucht trotz all der vertrauten Routine und der Gewissheit der absoluten Notwendigkeit so dermaßen erschreckte. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich bei dem Gedanken daran, all das hier so weit wie möglich hinter mir zu lassen, nicht mehr uneingeschränkt wohl. Das war definitiv neu und verwirrte mich gigantisch.
„Bitte nicht, Clay", flüsterte Sean an meinem rechten Ohr, „Bitte beruhige dich doch." Mit dieser wiederholten Forderung ging er mir unglaublich auf den Sack. Denn in der gegenwärtigen Situation war meine Wut schließlich das einzige, was ich ihm entgegensetzen konnte. „Lass mich in Ruhe!" stöhnte ich gestresst, „Hör auf damit!" Mir war selbst nicht mehr ganz klar, womit er aufhören sollte, ob mit dem Streicheln oder mit dem Reden. Beides war mir extrem unheimlich und suspekt. Ich war mir nicht sicher, ob ich dem noch lange würde standhalten können. „Sei ganz ruhig, Clay. Ich will dir doch gar nichts tun", behauptete Valmont zärtlich und küsste mein Ohr und meinen Hals, was irgendwie nett war. Trotzdem platzte ein höhnisches Schnaufen aus mir heraus. „Du willst mir nichts tun?" spottete ich lauthals, „Du tust mir aber was, wenn du mich so behandelst und diese Dinge zu mir sagst!" „Was meinst du denn?" erkundigte er sich verwirrt, „Wie behandele ich dich denn? Was sage ich denn zu dir?"
Meine Eingeweide verkrampften sich, weil ich es ehrlich nicht fassen konnte, wie ignorant er war. Langsam zweifelte ich an seinem mega schlauen Verstand. „Fuck, Valmont!" blaffte ich entgeistert, „Du hast mich mit Handschellen an deinem Bett festgemacht, als ich geschlafen habe!" „Das war eben leider notwendig, Clay. Ich habe das nicht gerne gemacht", erwiderte er traurig. „Du sagst mir, dass ich mich verpissen soll!" knallte ich ihm wütend entgegen und schloss hastig die Augen, weil ich plötzlich begriff, dass es tatsächlich dieses Detail war, das mir am meisten zu schaffen machte. Erstaunt registrierte ich, dass die reelle Aussicht, Sean Valmont und Eliza Laser in allernächster Zukunft zu verlieren, mir unglaublich wehtat. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war mir nicht wirklich klar gewesen, wie verflucht wichtig der blonde Professor und mein Schmetterling im Laufe der Zeit für mich geworden waren.
So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich war es reichlich gewohnt, dass Menschen in meinem Leben auftauchten und wieder daraus verschwanden. Zu manchen hatte ich eine engere Beziehung aufgebaut, die sich meistens hauptsächlich durch Sex oder Drogen ausgezeichnet hatte. Bisher waren meine menschlichen Kontakte wahllos austauschbar gewesen, darauf hatte ich stets geachtet. Aber jetzt war anscheinend unbemerkt etwas passiert, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Sean und Eliza bedeuteten mir offenbar mehr, als ich jemals erlebt hatte. Das ging sogar so weit, dass sie meinen Entschluss, die Stadt zu verlassen, in Frage stellten. Sie waren es, die wahrhaftig ein Gefühl von Verlustangst in mir hervorriefen, das ich in dieser Form noch nie in meinem Leben gefühlt hatte. Schockiert riss ich die Augen auf. Meine eigenen Empfindungen trafen mich völlig unvorbereitet.
„Das habe ich nie gesagt, Clay!" rief Sean entsetzt, „Ich habe nie auch nur angedeutet, dass du dich verpissen sollst. So etwas würde ich dir doch nicht antun!" Der widersprüchliche Typ verwirrte mich enorm, aber ich durfte das nicht zulassen. Auf keinen Fall wollte ich schwächer als er erscheinen. Ich wollte nicht schon wieder derjenige sein, der zu dumm zum Kapieren war. Das wäre in meiner ohnehin schon erniedrigenden Lage völlig unakzeptabel gewesen.
„Jetzt hör endlich auf mit dem Scheiß!" regte ich mich auf und zuckte unwillig von ihm weg, „Du hast gesagt, dass du dir keine Sorgen mehr um mich machen willst, verdammt. Das läuft ja wohl auf das Selbe hinaus!" „Nein, Clay! Du verstehst mich völlig falsch!" jammerte er und klammerte sich noch enger an mich, sodass ich kaum noch atmen konnte. Seine starken, gut trainierten Arme umschlossen mich wie Schraubstöcke. Er presste sich an meinen aufgescheuchten Körper, als wollte er in mich hineinkriechen. Damit verhinderte er jegliche Bewegung, nach der es mich in meinem Zorn äußerst heftig verlangte. Das war nur schwer zu ertragen. „Sean... verdammt... lass los!" keuchte ich atemlos und versuchte mich irgendwie aus seinem Klammergriff zu winden. Aber die Handschellen hielten mich fest und Valmont ließ einfach nicht locker. „Nein, Clay!" wiederholte er unglücklich, „Hör doch mal! Hör mir doch mal zu!" Es war verdammt anstrengend, sich gegen den ausgebildeten Tänzer zu wehren. Der Kerl war verfickt stark, und langsam war ich von der pausenlosen Gegenwehr total erschöpft, psychisch wie körperlich. Obwohl mich das gewaltig ankotzte, musste ich meinen Kampf aufgeben und seine aufgezwungene Nähe tolerieren.
Schließlich hockte ich beengt und eingeklemmt auf diesem Bett, was auf Dauer ziemlich unbequem war und verschiedene Phobien in mir hervorrief. Ich versuchte damit klarzukommen und bewegte mich nicht mehr. Weil ich aber nach wie vor extrem angepisst war, zitterten alle meine instinktiv kampfbereiten Muskeln erwartungsfroh, ohne das ich sie kontrollieren konnte. Der Mann fühlte sich eigentlich gut an, so nah bei mir. Sean Valmont war warm und muskulös, er roch tröstlich vertraut, und eine angenehme Empfindung regte sich in mir, sodass ich unwillkürlich in Erwägung zog, eventuell mit ihm zu schlafen.
„Was zur Hölle willst du von mir?" keuchte ich fassungslos, weil mein Feind/Freund so unerwartet hartnäckig und total verwirrend war. Seans im allerhöchsten Maße attraktives Gesicht war direkt neben meinem. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich ohne dich nicht sein kann, Clay! Das ist mein voller Ernst! Hast du das denn nicht gehört? Verstehst du das nicht?" wollte er drängend wissen. Seine heiße Zunge fuhr zart an meinem Ohr entlang, dann feucht über meine Wange, hinunter zu meinem Hals, während seine Hände die ganze Zeit ziellos über meinen Körper wanderten. „Was soll das, Valmont?" wiederholte ich ratlos, „Was willst du von mir? Willst du mit mir ficken, oder was?"
„Gott nochmal, Clay!" stöhnte er angewidert, ließ mich auf der Stelle los wie ein heißes Eisen und rückte eilig ein Stückchen von mir weg. Vorwurfsvoll taxierte er mich. „Du hörst mir gar nicht zu!" beschwerte er sich bitter, „Du hast kein Wort verstanden!" Das machte mich extrem wütend, weil es mir vermittelte, dass der Typ mich für total beschränkt hielt. „Dann drück dich gefälligst mal ein bisschen deutlicher aus!" fuhr ich ihn ungeduldig an. Sean seufzte schwer und betrachtete mich betrübt. Seine wundervoll hellblauen Augen huschten über meine ganze Gestalt, registrierten seinen gestreiften Schlafanzug und meine gekrümmte, verspannte Körperhaltung, die vegetative Unruhe in meinen Muskeln. Als sein Blick traurig auf den Einstichen an meinem nackten Knöchel hängenblieb, zog ich trotzig den Stoff des Pyjamas über die verletzte Stelle.
Es gefiel mir nicht, derart von Valmont gemustert zu werden. Darum drehte ich mich bockig von ihm weg und schaute mich hilflos um. Das verdammte Dachzimmer veränderte sich nicht, und es hing mir mittlerweile förmlich zum Hals heraus. Mein Rücken tat weh, weil ich so schief unter dem schrägen Dach saß, darum rutschte ich ein wenig auf den Mann zu, um mich besser aufrichten zu können. Er bewegte sich nicht, saß schweigend auf seiner Matratze und glotzte mich nur an. Dieses ganze Thema behagte mir nicht, darum wollte ich es dringend ändern.
„Was meinst du damit, dass wir heute Abend auftreten?" fragte ich ihn, als ich die seltsame Stille nicht länger aushielt. Nur widerwillig sah ich ihn wieder an. Sein wunderschöner Mund verzog sich tatsächlich zu einem niedlich verunsicherten Lächeln, was ich noch nicht allzu oft an ihm gesehen hatte. „Ich möchte gerne mit dir beim Song-Contest in der Eule mitmachen, Clay Banton. Lass uns heute Abend endlich mal wieder zusammen Musik machen. Bestimmt werden wir gewinnen, Clay. Wir zeigen es allen, okay?" bat er mich zurückhaltend. Seine hellen Augen flehten mich wahrhaftig an, ihm diesen Gefallen zu tun. Verwundert begriff ich, wie viel ihm an diesem Wettbewerb zu liegen schien. Nachdenklich schaute ich den irren Professor an, während in meinem Kopf etwas Fieses aufblitzte. Seine Abhängigkeit von meiner Zustimmung offenbarte mir eine unerwartete Chance, mich ein wenig an dem verdammten Kerkermeister zu rächen. Valmont hatte mich seit meinem Erwachen am Morgen mit seinen Handschellen extrem gestresst. Der Typ ärgerte mich pausenlos, und dafür hatte er sich einen Gegenschlag mehr als verdient. Mein Herz fing an aufgeregt zu pochen, weil ich plötzlich in einer überlegenden Position war, mit der ich gegenwärtig schon gar nicht mehr gerechnet hatte.
„Du meldest uns bei Werners Song-Contest an, ohne mich vorher zu fragen?" warf ich ihm grimmig vor. Sean schüttelte den Kopf. „Ich habe dich gefragt, Clay. Wir haben das schon vor langer Zeit besprochen. Das weißt du nur nicht mehr", wollte er sich rechtfertigen. „Weil ich ja immer alles vergesse, nicht wahr?" zischte ich wütend und boxte ihn spontan gegen den Oberarm. „Clay...", seufzte er deprimiert und rieb sich die getroffene Stelle, obwohl mein Schlag nicht feste gewesen war. Tatsächlich hatte ich diesen Auftritt komplett vergessen, und das machte mich ganz schön sauer. „Sag mal, hast du sie nicht mehr alle, Valmont? Du denkst ernsthaft, dass ich mit dir Musik mache? Obwohl du mir gerade eben an den Kopf geknallt hast, dass du mich nicht länger ertragen kannst?" knurrte ich fassungslos und tötete ihn mit meinen Augen. „Nein, das ist doch nicht...", fing er an, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich kann dich beruhigen, Sean. Du musst mich nicht mehr lange ertragen. Ich habe sowieso vor zu verschwinden", erklärte ich ihm kalt, weil ich wusste, dass ihn das aus der Fassung bringen würde. Mir war völlig klar, wie Valmont darauf reagieren würde, und ich genoss den abrupt gigantischen Schrecken in seinen Augen enorm.
„Nein, Clay, sag doch so was nicht! Das stimmt doch alles gar nicht! Du kannst nicht einfach verschwinden, hörst du? Und es ist nicht wahr, dass ich dich nicht ertragen kann! Das habe ich doch gar nicht gesagt!" jammerte er entsetzt. Getroffen streckte er die Hände nach mir aus, um mich an beiden Oberarmen festzuhalten. „Du verstehst mich total falsch! Ich habe doch gar nicht..." „Ich habe dich genau verstanden", widersprach ich böse, „Du hast keinen Bock mehr darauf, dir ständig nur Sorgen um mich zu machen. Nun, das musst du gar nicht mehr. Weil ich sowieso bald weg bin." „Clay, nein, bitte nicht!" Seine Stimme brach, weil der Kerl dermaßen erschüttert war, dass seine tollen Augen wahrhaftig feucht wurden, was ich fasziniert zur Kenntnis nahm. Hastig wischte er sich mit einer Hand die Tränen weg und griff dann sofort wieder nach meinem Arm. Überstürzt rutschte er über das Bett auf mich zu.
„So ist das nicht, Clay. So meine ich das nicht. Bitte hör mir doch mal zu! Ich hatte in der letzten Nacht entsetzliche Angst um dich. Ich dachte ehrlich, dass du jeden Moment stirbst, verdammt! Und du wärst auch tatsächlich fast gestorben!" behauptete er entzückend emotional. „Schwachsinn!" schmetterte ich ihn gehässig ab und riss seine Hände gewaltsam von meinen Armen los. „Doch, Clay, das ist kein Spaß. Das ist todernst. Doktor Tourani hat mir das genau erklärt. Er hat mich davor gewarnt, dass du das tun würdest. Du hast trotz der vielen Medikamente auch noch Heroin genommen. Aus diesem Grund warst du verdammt nah davor abzukratzen", beharrte mein besorgter Freund und schluckte aufgewühlt. Seine Panik überwältigte ihn. Er brauchte einen Moment, um sich zusammenzureißen.
Seltsam fasziniert bemerkte ich die aufgeloderten Emotionen in seinen Augen. Da war so viel Sorge und Liebe für mich, dass ich davon fast erschlagen wurde. Obwohl ich nicht verstand, was zum Teufel der Kerl mir denn jetzt eigentlich konkret sagen wollte und es mir nicht gefiel, dass er offenbar mit Tourani über mich gesprochen hatte, war es eine überraschend große Genugtuung für mich, ihn plötzlich dermaßen in der Hand zu haben. Meine Worte und Drohungen taten dem Mann wahrhaftig weh, und das befriedigte mich auf eine ziemlich gemeine Art. Manchmal konnte ich eben doch ein richtiges Arschloch sein.
Spöttisch blies ich Luft aus. „Ich weiß nicht, warum ihr euch andauernd Sorgen um mich macht, Siamak, Eliza und du. Keine Ahnung, warum ihr euch das antut, verdammt. Aber eins musst du zugeben: Ich habe euch nie darum gebeten. Ich habe nie von euch verlangt, Angst um mich zu haben, nicht wahr? Das ist doch nicht meine Schuld, wenn ihr euch da ständig in was reinsteigert!" tat ich völlig unberührt, obwohl das in Wahrheit nicht ganz stimmte, wie ich verwundert feststellte. „Ich mache mir aber Sorgen, Clay!" heulte Sean verzweifelt auf, „Ich mache mir sogar verdammt große Sorgen um dein Leben! Weil ich dich nämlich liebe, Clay Banton! Ich liebe dich so sehr, dass ich gar nicht anders kann als mir Sorgen zu machen!" „Na und? Das ist doch wohl dein Problem!" knurrte ich abfällig, obwohl seine Liebeserklärung mich insgeheim ganz schön doll berührte. Obwohl ich seine Gefühle für mich nie verstanden hatte, so gingen sie mir trotzdem ziemlich tief rein. Dagegen war ich machtlos.
Sean rückte behutsam näher zu mir, um mich sitzend zu umarmen, so gut das eben ging. Und irgendwie hatte ich auf einmal gar nichts mehr dagegen. Aus irgendeinem Grund sehnte ich mich plötzlich nach seiner Zuneigung, seiner Zärtlichkeit. Auch wenn ich meine eigenen Gefühle nicht mal ansatzweise kapierte. Die ganze Auseinandersetzung hier war echt heftig.
„Das geht nicht so einfach, Clay. Du kannst nicht so tun, als würde dich das alles gar nichts angehen. Du kannst meine Gefühle nicht eiskalt ignorieren. Und ich glaube auch gar nicht, dass du das machst. Da ist doch was zwischen uns, oder, Clay? Du fühlst das doch auch, dass da was ist? Nicht wahr?" Seine hellblauen Augen, von denen die Menschen ausnahmslos ins Schwärmen gerieten, starrten mich dermaßen verletzlich an, dass ich schlucken musste. Noch nie hatte ich Sean Valmont so ausgeliefert gesehen. Ich hatte das unbedingte Gefühl, dass ich ihn jetzt mit einem einzigen Satz hätte vernichten können.
Plötzlich hatte ich Angst, einen nicht zu korrigierenden Fehler zu machen. Wenn ich jetzt das Falsche sagte, konnte zweifellos alles kaputtgehen. Das spürte ich in jeder Faser meines böse angegriffenen und völlig konfusen Selbst. Verwirrt versuchte ich in mir zu ergründen, wovon Valmont da überhaupt sprach, ob da womöglich tatsächlich auch in mir etwas existierte, etwas völlig Bizarres, etwas Unsichtbares, das ihn und mich auf magische Weise verband. Und nur zwei Sekunden später war mir schon klar, dass der Kerl recht hatte. Er sprach nämlich von dieser Sache, die ich auch schon lange gemerkt hatte, die mich sogar an meiner Flucht zweifeln ließ und mich seit Jahren immer wieder zu ihm hinzog. Eine Emotion, die mir im Grunde so unbekannt war, dass ich sie nicht richtig erfassen konnte. Aber da war was zwischen uns. Zweifellos. Was Einzigartiges. Etwas, das mir eigentlich fremd war.
Diese Erkenntnis machte mich völlig fertig. „Sean... ich weiß nicht...", wollte ich ihn unwohl von mir fernhalten, weil es um etwas ging, das mich eigenartig tief berührte. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich in dieser Situation darauf einlassen wollte. Ob ich nicht lieber meinen emotionalen Schutzpanzer aufrecht erhalten sollte, um ihm auch weiterhin gewachsen zu sein. Auf keinen Fall wollte ich mich auf sein Niveau drängen lassen und den besessenen, liebeskranken Idioten abgeben.
„Es tut mir leid, Clay", sagte Sean und traf mich damit total überraschend, „Ich habe das nicht geplant, mich in dich zu verlieben, weißt du? Ich habe mich vorher noch nie in jemanden verliebt. Du hast mich vollkommen aus den Socken gehauen, damals, in der Kunsthochschule. Es tut mir leid, wenn ich dir mit meiner Sorge um dich auf die Nerven gehe. Aber sie ist da. Und sie ist stark. Und ich kann nicht so weitermachen. Das macht mich nämlich völlig kaputt, dass du dich jeden Tag aufs Neue in Lebensgefahr begibst." „Was soll das heißen, Valmont? Ich verstehe dich nicht", stöhnte ich überfordert und hatte das bedrohliche Gefühl, jeden Moment ohnmächtig in seinen Armen zusammenzubrechen. Das war nicht gut, verdammt. Ich musste mich zusammenreißen. Die Oberhand behalten. Mir keine Schwäche erlauben. Mein Herz überschlug sich fast vor Unbehagen. Mein Körper wand sich unwohl in seiner zarten Umarmung. In meinem Kopf rasten die Gedanken völlig unwillkürlich hin und her.
„Clay, hör mal", meinte er und blickte mir direkt in die Augen, „Du kannst es dir natürlich auch weiterhin leicht machen und jede Verantwortung weit von dir weisen. Ich glaube, dass du das bisher in deinem Leben immer so gemacht hast. Du hast nämlich nie gelernt, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Darum kannst du das noch nicht einmal für dich selbst. Du hast das einfach noch nie versucht." Ich fühlte mich angegriffen und wollte ihm sofort widersprechen. Spontan öffnete ich den Mund, doch er würgte mich mit einer energischen Handbewegung ab, also klappte mein Maul wieder zu. „Aber jetzt bin ich da, Herr Banton. Ich kann dir erklären, wie das geht, Clay. Ich liebe dich. Und das bedeutet, dass du irgendwie darauf reagieren musst. Wenn ich dir etwas bedeute, dann musst du dafür sorgen, dass wir auch weiterhin zusammenbleiben können." „Was meinst du denn damit? Wir sind nicht zusammen, Sean Valmont!" verbesserte ich ihn schockiert, was ihm ein gerührtes Lächeln ins Gesicht zauberte. „Nein, ich weiß schon, nicht auf diese Weise. Aber wir sind doch auch keine völlig Fremden, oder? Clay, wir haben doch schon so viel zusammen erlebt. Da waren echt krasse Sachen dabei, nicht wahr? Irgendwas verbindet uns doch, oder nicht?" forschte er sonderbar ängstlich nach meinem Verstehen.
Eine Weile war es ganz still, während wir uns gegenseitig tief in die Augen starrten, als könnten wir im Gegenüber irgendeine Antwort oder Lösung finden. Mein Kopf fühlte sich plötzlich ganz leer an. All die Wut war wie weggeblasen, ohne das mir das bewusst geworden wäre. Ich fühlte mich auf ganzer Linie von ihm besiegt und das gefiel mir nicht. Andererseits war es aber auch sehr erholsam, nicht noch länger gegen ihn kämpfen zu müssen. Er hat recht, dachte ich nur noch matt, er bedeutet mir was. Ich will ihn verdammt nochmal nicht verlieren. Ich darf jetzt keinen Fehler machen, warnte mich eine mir völlig unbekannte innere Stimme, auf keinen Fall darf ich unüberlegt das Falsche sagen. Trotzdem hatte ich Mühe mit der Wahrheit, weil sie ein frustrierendes Gefühl der Kapitulation in mir hervorrief.
„Ja, da ist was", gab ich zögernd ganz leise zu. Valmont stieß spontan erleichtert Luft aus. Sein mega besorgtes, selten verunsichertes Gesicht erstrahlte in einem glücklichen Lächeln, das ihn noch viel wunderschöner machte und prompt auch mich von Innen erwärmte, obwohl ich nicht wusste warum. Nun gut, es war vielleicht genug gestritten worden. Auch wenn mir nicht klar war, was genau hier jetzt eigentlich gerade passierte, so spürte ich doch, dass es enorm Gewichtig war. Und das es nicht nur Valmont, sondern auch mir etwas bedeutete.
„Clay...", flüsterte mein Freund selig, hob langsam seine Hand und fing damit an, zart mein Gesicht zu streicheln. Behutsam fuhren seine Finger über meine Augenbrauen, über die Wangen, die Nase, das Kinn und meine Lippen. Die extrem liebevolle Berührung verursachte mir eine Gänsehaut. Erschaudernd zog ich im Reflex die Schultern hoch. „Das heißt aber nicht, dass wir jetzt ein Paar sind oder so'n Scheiß!" stellte ich vorsichtshalber grummelig klar, weil ich ganz schön daran zu knabbern hatte, dass Valmont fraglos der verdammte Sieger war. Er lachte gerührt auf und küsste mich auf die Stirn. „Nein, Clay, das heißt es nicht", stimmte er zärtlich zu und fuhr mit seinen Lippen an meiner empfänglichen Gesichtshaut entlang. Seine Finger schoben sich hinten an meinem Nacken ein Stückchen in den Ausschnitt des Schlafanzugs und liebkosten meinen Hals, was mir sämtliche Härchen aufstellte. Eine Weile schwiegen wir, während ich seine Zuneigung genoss, aber mein Kopf mir keine Ruhe ließ.
„Was bedeutet es, Sean?" musste ich ihn nach einiger Zeit einfach fragen. Obwohl das ziemlich erbärmlich war und mich wahrscheinlich endgültig als Vollpfosten abstempelte. Aber ich blickte wirklich nicht durch, sondern fühlte mich extrem verwirrt. Das Schlimmste daran war, dass Valmont mir meine instinktive Furcht vor dem völlig Unbekannten natürlich anmerkte. Der Kerl kannte mich eben viel zu gut. „Hab keine Angst", wisperte er prompt, „Es bedeutet, dass wir noch eine Chance haben. Du hast noch eine Chance, Clay Banton. Aber du bist nicht allein. Ich bin ja bei dir. Ich helfe dir da durch. Du musst dir ehrlich keine Sorgen machen. Zusammen schaffen wir das."
Auch wenn mich das nicht wirklich beruhigte, so beschloss ich spontan, diese merkwürdige Sache jetzt erst mal zur Seite zu schieben. Denn Valmonts Zärtlichkeiten waren ohne Frage sehr angenehm. Sie vermochten meinen verspannten, mega aufgewühlten Körper zu beruhigen und meine verwundete Seele temporär zu heilen. Das war schön, fühlte sich gut an, darum ließ ich mich gerne darauf ein. Kurzentschlossen beugte ich mich zu ihm und küsste ihn auf den Mund. Er erwiderte meinen Kuss sofort, sodass unsere Zungen eine Weile miteinander herumspielten und seine Hände an mir drängender wurden. Sean war mir so nah, dass ich seinen Herzschlag spüren konnte, der hinter seinen Rippen kräftiger wurde. Ich hob die Arme und legte meine Hände um ihn, streichelte über seinem schwarzen Sweatshirt seinen beeindruckend durchtrainierten Tänzerkörper, der mich unwillkürlich zu erregen begann. Mein Atem wurde von allein schwerer, mein Herz hämmerte los, unabsichtlich keuchte ich in unseren innigen Kuss hinein.
Sean hob den Kopf und sah mich an. Auch sein Atem war tiefer geworden. In seinen fantastischen Augen flackerte seine sexuelle Erregung, was mich ganz schön antörnte. „Ist dir das schon mal passiert, Clay? So was wie vorgestern mit Kim? Dass du plötzlich die Kontrolle über dich verloren hast?" erkundigte der Mann sich scheu. Ich keuchte nochmal, aber diesmal vor Schreck, und alles zog sich instinktiv in mir zusammen. Sean beugte sich sofort wieder zu mir und küsste beschwichtigend mein Gesicht, während er meinen Kopf mit beiden Händen sanft festhielt. „Keine Angst", flüsterte er hastig, „Du kannst es mir ruhig erzählen, Clay. Egal was es ist. Dir geschieht nichts, okay? Das verspreche ich dir. Es wird besser, wenn du es mir erzählst. Vertrau mir bitte. Ich bin dein Freund. Da ist was zwischen uns. Das ist verdammt mächtig. Das kann stärker als deine Dämonen sein, wenn du es zulässt."
Unglücklich starrte ich ihn an, und vielleicht passierte in diesen Sekunden etwas mit mir. Womöglich begriff ich tief drinnen irgendwas, Valmont hatte mich überlistet, oder ich war einfach nur endgültig besiegt worden. Ich weiß es nicht. Aber die Worte stahlen sich ganz von allein aus meiner bisher fest verschlossenen Seele heraus, ohne dass es mir richtig bewusst wurde oder ich sie noch hätte aufhalten können. „Nicht plötzlich", krächzte ich hilflos, „Das passiert nicht plötzlich. Es kündigt sich vorher an. Es... verdichtet sich." Überrascht hob Sean die Augenbrauen, als er verstand, dass ich ihm zum ersten Mal geantwortet hatte und mir die kompletten Aussetzer in meinem Gehirn tatsächlich nicht fremd waren. „Du hast das schon mal erlebt? Schon oft?" horchte er vorsichtig nach. Ich nickte. Meine Finger krallten sich verkrampft in seine Schulterblätter. „Das passiert immer irgendwann", gab ich geschlagen zu, während mein Herz wie verrückt pochte. „Immer?" fragte Sean entsetzt, woraufhin ich nochmal leicht nickte. „Irgendwann. Wenn ich zu stark getriggert werde", setzte ich hinzu und schloss besiegt die Augen.
Ein paar Sekunden lang war es ganz still. Das Blut rauschte mir in den Ohren. Ich fing an zu zittern, klammerte mich an Sean, riss verwirrt die Augen auf und suchte mit meinem Mund seine Lippen, weil ich ihn dringend weiter küssen wollte. „Warum passiert das mit dir, Clay?" wollte Valmont erschüttert wissen, kurz bevor ich ihn mit meinem Kuss überstürzt zum Schweigen brachte. Dieser Kuss war heftiger als der erste. Wir fielen irgendwie übereinander her und leckten uns gegenseitig ab, was mich ganz schön geil machte. Eindeutige Gefühle fingen autonom an, sich in meinem Unterleib zu fokussieren. Das fühlte sich gut an, deshalb wollte ich sofort noch viel mehr davon.
Weil das Knutschen im Sitzen auf Dauer ziemlich unbequem war, drängte ich Sean nach einer Weile ungeduldig zurück. Energisch zwang ich ihn dazu sich hinzulegen, damit ich mich gierig auf ihn drauf schieben konnte. Obwohl ich mit einer Hand noch immer am metallenen Kopfende des Bettes festhing, gelang es mir wahrhaftig zu erreichen, dass Sean Valmont sich auf den Rücken auf seine Matratze legte und die Beine ausstreckte. Offenbar hatte er nicht das Geringste dagegen einzuwenden. Genüsslich ließ ich mich auf seine tolle Gestalt nieder und sah ihn verlangend an. Er lächelte traurig, und seine Traurigkeit gefiel mir nicht. Also küsste ich ihn wieder, rutschte ein wenig auf ihm herum, streichelte sein hübsches Gesicht, während seine Hände sachte über meinen Rücken wanderten. Wann immer ich zu fest an den Handschellen zog, fuhr mir ein scharfer Schmerz vom verletzten Gelenk aus den Arm hinunter, und das geilte mich enorm auf. Der attraktive Körper unter mir erregte mich, das Gefühl der warmen Haut, der harten Knochen, Muskeln und Sehnen, die Zärtlichkeit, die er mir schenkte. Überdeutlich konnte ich spüren, wie mein schlapper Schwanz sich mit der Zeit ganz langsam in eine wohltuende Erektion verwandelte. Das war so geil, dass ich ihn automatisch gegen Sean presste und unwillkürlich aufstöhnte. Mein Körper erschauderte zuckend, und ich küsste nochmal das vertraute Gesicht unter mir.
„Warum passiert das mit dir, Clay?" fragte er nach einer Weile nochmal. Der Professor war sehr behutsam, aber auch unüberhörbar neugierig. „Keine Ahnung!" platzte ich atemlos heraus, ohne darüber nachzudenken, „Die scheiß Intrusionen hängen mir schon ewig auf der Pelle. Die sind verdammt stark, Sean, es sind richtige Flashbacks. Die Biester haben sich irgendwie in meinem Kopf festgesetzt." Ich stöhnte zwischen Wut und Geilheit, schüttelte mich und atmete tief ein. „Ich vermute... es hat was mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu tun", gestand ich dem Mann unter mir mit böse trommelndem Herzschlag. Verschiedene Psychologen hatten mir diese Sache im Laufe der Jahre erklärt, von daher kannte ich die Bezeichnungen sowie die wahrscheinlichen Zusammenhänge, und ich hasste sie wie die Pest. „Kinder- und Jugendpsychiatrie?" wiederholte Sean verwundert, weil er tatsächlich keine Ahnung von dieser pechschwarzen Episode meines Lebens hatte. Niemand wusste davon. Denn bis zu diesem Augenblick hatte noch niemals darüber gesprochen.
Erschaudernd schloss ich die Augen. Meine Situation war ganz merkwürdig, diese Mischung aus angenehmer sexueller Erregung und mega unangenehmen Fragen und den dazugehörigen Erinnerungen war mir völlig fremd. Stark erwachte Geilheit und bedrohliches Entsetzen gleichzeitig erfüllten mich. So etwas hatte ich noch nie erlebt, darum wusste ich nicht die Bohne damit umzugehen. Das verwirrte mich, geilte mich seltsam heftig auf, verstörte mich enorm und verschaffte mir gleichzeitig unbekannte Glücksgefühle. Weil endlich etwas aus mir herauskam, was anscheinend schon viel zu lange schmerzhaft im Verborgenen in mir gebrodelt hatte. Es fühlte sich befreiend an. Aus diesem Grund redete ich einfach drauflos.
„Das war in Kanada... Ich... war neun Jahre alt... meine Eltern hatten sich kurz davor getrennt... mein Dad war nicht mehr da... er war plötzlich weg... ich hasste Kanada...", keuchte ich konfus, während ich Sean immerzu küsste und gezielt auf ihm herumrutschte, um meinen Schwanz bestmöglich zu stimulieren. Weil ich lediglich einen Flanell-Schlafanzug und eine Unterhose anhatte, war mein Glied relativ leicht zu beglücken, was mir sehr entgegenkam. Die ganze Zeit schaute ich Valmont an, der direkt unter mir lag, um mich mental an ihm festzuhalten. Er gab mir Sicherheit. Allein sein Anblick beruhigte mich auf eine bisher nie erlebte Art.
Der Typ war extrem lebendig unter mir. Ich spürte den schnellen Herzschlag in seiner breiten Brust, konnte fühlen, wie erregt und hart er mittlerweile geworden war. Trotzdem blieben seine hellblauen Augen konzentriert und aufmerksam auf mich gerichtet. Mister Valmont war wahnsinnig interessiert, aber auch unverkennbar aufgegeilt, eine irre gierige Mischung aus leichter Panik, Neugierde und Erregung, die mich aus irgendeinem Grund total anmachte. Das hier war zur Gänze neu. In so einer Situation war ich noch nie gewesen. Es war mega aufregend, nervenaufreibend, beängstigend, spannend. Verdammt, noch niemals hatte ich jemandem von der verfluchten Kinderpsychiatrie in Kanada erzählt! Und ich hätte niemals auch nur im Entferntesten damit gerechnet, dass ich das eines Tages ausgerechnet beim Sex mit einem anderen Mann tun würde. Ich wusste nicht mal mehr, warum ich überhaupt damit angefangen hatte oder wie ich in diese Lage gekommen war. Meine Empfindungen waren so seltsam, dass ich sie gar nicht kapieren konnte. Irgendwie hatte der clevere Studierte mich zweifellos überlistet. Sein geiler Körper und seine Behutsamkeit besiegten mich verstörend leicht. Jahrelang von mir akribisch aufgebaute Schutzmauern brachen einfach in sich zusammen.
„Deine Mutter hat dich als Kind in die Psychiatrie gesteckt, nur weil du Kanada gehasst hast?" wollte Sean verständnislos wissen, reckte sich hinauf und küsste tröstend mein Kinn. Seine Finger streichelten unentwegt meinen Nacken und über dem Pyjama meinen Rücken. Herrlich sanft ertastete er meine Schulterblätter und meine Wirbelsäule. Ich wünschte mir, dass der Stoff einfach verschwinden würde, damit ich ihn auf der nackten Haut spüren konnte. Ein verblüfftes Lachen platzte aus mir heraus, das irgendwo zwischen Wut, Verzweiflung, Belustigung und Verwirrung lag. „Nein, ich musste in die Psychiatrie, weil ich ein verfluchtes kleines Monster war", erklärte ich ihm keuchend und leckte gierig über seine Wange. Er war perfekt rasiert, von daher gab es bei ihm im Gegensatz zu mir keinerlei pieksende Bartstoppeln. Seine Haut war ganz glatt, warm, weich, und schmeckte beruhigend vertraut. „Du warst ein kleines Monster, Clay Banton?" wiederholte er neckend und blinzelte mich amüsiert an. Sein Atem ging schwer, ich konnte seine Erektion an meiner Leiste fühlen, sein Brustkorb unter mir hob und senkte sich. „Das war ich", bestätigte ich atemlos und küsste ihn erneut auf den Mund. Vielleicht, um ihn zum Schweigen zu bringen, weil es jetzt unweigerlich gefährlich wurde, oder auch nur, weil ich inzwischen tierisch geil auf ihn war.
Wir küssten uns eine Weile, dann drehte er jäh den Kopf weg. „Erzähl mir davon!" befahl er mir schroff und stemmte seine beiden Hände energisch gegen meine Schultern, um meinen Oberkörper abrupt aufzurichten. Sean Valmont war so stark, dass er mich tatsächlich fast mühelos hochheben konnte, was mich nicht erstaunte. Dadurch, dass er meinen Oberkörper hochhob, presste sich mein Unterleib automatisch fester gegen seinen, was ihm und mir ein überraschtes Schnaufen entlockte. Hilflos stützte ich mich mit der freien Hand neben seiner Brust ab, um mich zu stabilisieren. Sean fing dreist damit an, mir die Jacke des Pyjamas aufzuknöpfen, während er mich nicht aus den Augen ließ. „Erzähl mir von dem Monster, das du als Neunjähriger warst", forderte er mich unmissverständlich auf.
Ich war abgelenkt, weil er gerade dabei war mich auszuziehen, und ich wollte das unbedingt, war mir aber nicht sicher, ob es gutgehen würde. Immerhin befanden wir uns in seiner Dachkammer, und es existierte keine Tür, die man hätte abschließen können. Ich hatte keinen Bock darauf, dass mein schüchterner Partner noch einmal mittendrin kalte Füße bekam und den Sex vorzeitig abbrach. „Sean, warte mal", sagte ich und versuchte seine Finger zu stoppen, die schon fast alle Knöpfe erstaunlich geschickt und schnell geöffnet hatten. „Hm?" machte er und hielt verdutzt inne. „Wirst du mich heißmachen und dann plötzlich aufhören, weil da keine Tür ist?" fragte ich ihn ganz direkt, weil es mir plötzlich ein großes Bedürfnis war, diese wichtige Grundsatzfrage zuallererst zu klären.
Er schloss für ein paar Augenblicke die Lider, atmete tief ein, öffnete die Augen und lächelte mich amüsiert an. „Nein, Clay, keine Angst", wollte er mich beruhigen. Aber das überzeugte mich noch nicht. „Marc ist da unten, richtig? Vincent womöglich auch. Sie werden uns unter Garantie hören. Wir sind nicht allein in deinem Haus, Sean. Jemand könnte ungehindert hier rauf kommen", zählte ich all diese dummen Gründe auf, die ihn normalerweise davon abhielten, mit mir an diesem Ort richtig zur Sache zu kommen. Sean lachte zwischen Rührung und Belustigung. „Das hat dich doch noch nie gestört, Banton!" platzte er erstaunt heraus. Sein Körper unter mir erschauderte, weil er so stark erregt war und unsere harten Schwänze sich in meiner halb erhobenen Position fest gegeneinander pressten. Der Druck auf unsere Sexualorgane war so intensiv, das es fast schon wehtat, was ich irritierend erotisch fand. Eine kurze Erinnerung an Siamak Tourani blitzte in meinem Schädel auf, wie ich mich genauso hart gegen den heißen Doktor gepresst hatte. Da war so verblüffend viel Sorge um mich in den dunklen, geil orientalischen Augen gewesen.
„Nein, es stört mich auch nicht. Aber dich dafür umso mehr", keuchte ich vorwurfsvoll. Es drängte mich enorm, mich zu Valmont hinunterzubeugen und ihm meine Zunge tief in den Mund zu schieben, also reckte ich den Hals nach ihm. Aber seine Hände stemmten sich unerbittlich gegen mich, hielten mich gnadenlos aufrecht, sodass ich nicht an ihn herankam. „Ja, Clay, das stimmt schon", gab er atemlos zu, „Aber diesmal nicht, okay? Ich hab das inzwischen geregelt. Da kommt keiner mehr ungefragt rauf. Du musst dir darüber keine Sorgen machen." Seine Augen flehten mich an, ihm das jetzt einfach zu glauben. Also tat ich das notgedrungen.
Die kurze Unterbrechung hatte mir gutgetan, um meine Gedanken zu ordnen und Luft zu holen. Aber mein Körper verlangte drängend nach Stimulation und meine Seele schrie wahrhaftig nach Erlösung. Unwillkürlich bewegte ich mich gezielt auf dem empfänglichen Mann, was er mit einem zustimmenden Stöhnen quittierte. „Bitte erzähl's mir", ächzte er mit glühenden Augen. „Erzähl mir von dem Monster, das du als Kind warst, Clay!" nahm er das absolut sonderbare Spiel wieder auf, von dem ich noch gar nicht wusste, ob es mir auch wirklich gefiel. Ich war verwirrt, enorm geil, und konnte nicht mehr richtig überlegen. Aber das fühlte sich alles total gut an, es erregte mich auf eine morbide und direkte Art, befreite mich irgendwie, also ließ ich mich weiter darauf ein.
„Mann, ich war erst neun verfluchte Jahre alt!" rief ich aggressiv, „Ich habe meinen Dad und Island schrecklich vermisst. Ich war extrem zornig, total verwirrt und einsam. Niemand hat mich verstanden. Ich habe Alk gesoffen und alles mutwillig kaputtgemacht, was mir in die Finger kam. Ich habe immer nur geschrien und geflucht, wie wild um mich geschlagen und meiner Familie und allen anderen das Leben zur Hölle gemacht." Seans Augen weiteten sich ein weiteres Mal überrascht. „Wow, so ein kleiner, wilder Clay Banton. So viel Wut und reines Leben...", schnaufte der Kerl beeindruckt und beinahe anerkennend, was ganz schön seltsam war.
Während meiner Beschreibung meines neunjährigen Ichs hatte er mir das Oberteil restlos aufgeknöpft und zog es mir rigoros aus, so schnell, dass ich kaum mithelfen konnte. Weil ich aber noch immer mit der linken Hand am Bettgestell festhing, blieb die Pyjamajacke irgendwo an den Handschellen hängen. Das störte mich aber gar nicht weiter, denn Sean fing damit an meinen nackten Oberkörper zu streicheln, was auf der puren Haut einfach nur wunderbar war. Mein ganzer Körper überzog sich mit einer wohligen Gänsehaut. Endlich nahm er seine Hände von meinen Schultergelenken weg, sodass ich ächzend zurück auf seinen attraktiven Körper fiel. „Warum hast du mir deinen bekloppten Schlafanzug angezogen?" fragte ich ihn ärgerlich zwischen unzähligen Küssen auf Hals und Gesicht. „Ich wollte, dass du es bequem hast", antwortete er liebevoll und lächelte zärtlich, „Du siehst so heiß aus in meinem Pyjama, Clay." Verächtlich grinsend zeigte ich ihm meine Zähne.
Dieser Typ war verdammt wunderschön, seine auffallend hellblauen Augen strahlten mich zwischen Liebe, Sorge, Furcht, Interesse und Wollust an, darum küsste ich ihn nochmal richtig tief und rieb mich verlangend auf seinem Leib herum, presste dabei meinen Schwanz an ihn, was zweifellos fantastisch war. Die sexuellen Gefühle steigerten sich schnell, als der Kerl meine Brustwarzen küsste und sanft an ihnen saugte. Das schaffte er nur, weil ich ihm bei der ersten Andeutung, was er tun wollte, sofort begeistert die Gelegenheit dazu gab, an meine empfindlichen Nippel heranzukommen, indem ich hastig ein Stück auf ihm hinaufrutschte. „Fuck, Sean...", stöhnte ich genüsslich, „Das fühlt sich so gut an." Mein Körper erschauderte vor Wonne, weil er das Lecken und Saugen so perfekt beherrschte. Mein Penis fing an zu pochen, meine Eier schienen anzuschwellen, was mich automatisch immer gieriger auf meinen Körper fokussierte und meinen verwirrt alarmierten Verstand zunehmend ausschaltete.
Nach einer Weile zerrte ich unzufrieden an Valmonts schwarzem Sweatshirt, bis er grinsend verstand und es im Liegen für mich auszog. Danach zog er auch sein Unterhemd aus, bis wir beide einen freien Oberkörper hatten. Haut auf Haut war es noch angenehmer, dicht auf ihm zu liegen. Der Mann fühlte sich behaglich warm an, sehr weich und samtig über den harten Knochen, den Sehnen und all den perfekt definierten Muskeln. Ich rutschte wieder ein Stückchen nach unten, um seine Brustwarzen zu lecken. Die kleinen, hellbraunen Nippel verhärteten sich prompt in meinem Mund, was ich ziemlich aufregend fand. Unwillkürlich langte ich mit meiner freien Hand an mir hinunter, schob meine Finger problemlos unter den praktischen Gummibund in meine Schlafanzughose und rieb über dem Slip meinen steifen Schwanz ein bisschen, was einfach nur fantastisch war.
Sean stöhnte, seine Hände streichelten meinen Nacken und die beiden Schultern, dann langsam die ganze Wirbelsäule hinunter bis zu meinem Hintern. „Erzähl's mir bitte, Clay", bat er mich atemlos, „Erzähl mir, was die in Kanada mit dem kleinen Monster angestellt haben!" Seine geschickten Finger kneteten äußerst gefühlvoll meine Arschbacken über dem Pyjama, was mir einen weiteren geilen Schauder einbrachte. Gleichzeitig verkrampften sich meine Eingeweide, weil seine Bitte und das ganze verfluchte Thema das krasse Gegenteil bei mir bewirkten. Schockiert starrte ich ihn an, zog hastig meine Hand aus meiner Hose und legte sie panisch auf Valmonts Erektion, die in seiner Jeans gut fühlbar war, um ihn irgendwie kontrollieren zu können. Diese Situation, in die er mich unerwartet und hartnäckig drängte, war so beängstigend, dass ich kaum damit klarkommen konnte. Andererseits erregte sie mich gigantisch, und darum konnte ich die bedrohliche und zeitgleich mega geile Sache an diesem Punkt unmöglich abbrechen. Es gab jetzt kein Zurück mehr. Keinerlei Entkommen für mich.
Als mir das klarwurde, stöhnte ich verzweifelt auf und küsste ihn manisch auf den Mund. Meine Zunge tanzte flehend um seine herum, ich saugte gierig an seinen tollen Lippen. Dann hob ich den Kopf und schaute ihn mit flatternden Augen an, während meine Hand zwischen uns provozierend an seinem steifen Schwanz entlang strich, als könnte ich mich an dieser Bewegung festhalten. Mein Atem kam stoßweise. Mein Herz schlug ratternde Saltos. „Sean...", flehte ich und schüttelte hilflos den Kopf. „Erzähl es mir bitte", flüsterte Valmont drängend und rang zitternd nach Luft, „Lass es einfach raus... Gib den ganzen Scheiß mir... Ich befreie dich davon... Bitte vertrau mir, Clay Banton." Er ächzte und bewegte sich, weil meine Berührung an seinem Schwanz ihn ziemlich aufgeilte, obwohl die Jeans noch dazwischen war. Das beschloss ich sofort zu ändern. Verbissen konzentrierte ich mich darauf, unter mir seinen Reißverschluss und den Knopf zu öffnen, was nicht nur aufregend war, weil meine Finger so zitterten.
Während mein Kopf noch immer sinnlos nach einem Fluchtweg suchte, fing meine Zunge schon zu sprechen an. „Das waren nur acht Wochen, verdammt. Nur beschissene.... Sommerferien", fauchte ich wütend, „Aber die haben mich... echt kaputtgemacht." Panisch schüttelte ich wieder den Kopf. „Was ist passiert?" gab Sean nicht nach. Der Kerl ließ mich nicht aus den Augen. Noch immer knetete er mit ausgestreckten Armen das Fleisch an meinem Hintern. Mit einer Hand fuhr er langsam an meinem Rücken wieder nach oben und streichelte mir über den Kopf. Zärtlich fuhren seine Finger durch meine Haarsträhnen. „Was haben die mit dir gemacht, Clay?" wollte er vorsichtig wissen und es amüsierte mich wahrhaftig tief drinnen, dass er inzwischen schon fast so schockiert wirkte wie ich. Unwillkürlich tauchten böse Erinnerungen in meinem Schädel auf, höchst vertraute, extrem schmerzhafte Szenen, die mich zusammen mit meiner Geilheit in diesem Moment irgendwie überwältigten.
„Was glaubst du denn?" schrie ich Sean wütend an, „Was denkst du denn, was die gemacht haben? Das war eine verfickte Psychiatrie, Valmont! Die waren da drin alle vollkommen verrückt!" Zitternd schnappte ich nach Luft und schob meine Hand energisch tief in seinen offenen Hosenstall, tauchte grob in seine Unterhose, um seinen Penis herauszuholen und mit den Fingern ganz zu umfassen. Sean zuckte zusammen und stöhnte auf. Einerseits, weil ich ihn so aggressiv angeschrien, andererseits, weil ich seinen Schwanz so herbe gepackt hatte. „Haben die dich geschlagen?" keuchte er dennoch, obwohl ihm das Sprechen momentan nicht leichtfiel, weil meine Finger wie ferngelenkt sofort schroff an ihm auf und ab fuhren. „Die haben mich vergewaltigt!" brüllte ich angepisst in sein wunderschönes Gesicht hinein, „Die haben mich verprügelt und stundenlang in dunkle Kammern eingesperrt! Die haben mich mit Lederriemen fixiert und in Badewannen voll mit eisigem Wasser getaucht! Die haben mich ständig ausgezogen, mich unentwegt belästigt und angefasst und echt fies verspottet!"
Während diese bislang niemals formulierten, enorm gewichtigen Sätze eruptiv aus mir herausschossen, wichste ich verbissen mit einer zügellos wütenden Brutalität Valmonts völlig schuldfreien Penis. Auf diese Weise reagierte ich meinen unweigerlich unvorstellbar explodierenden Zorn an ihm ab, was seltsamerweise sehr befreiend war. Allerdings nur für mich. Der Kerl unter mir hatte mit meiner aggressiven und unbeherrschten Behandlung ganz schön zu kämpfen. Das merkte ich ihm sofort an, denn seine hellblauen Augen wurden vor Panik, Wollust und Schreck ganz groß. Sein attraktiver Körper fing an zu zucken, er wand sich ungesteuert auf dem Bett herum, sein lauter werdendes Stöhnen wurde unkontrolliert. Wahrscheinlich tat ich ihm sogar weh, aber der von mir malträtierte Mann war erstaunlich tapfer. Zumindest eine kurze Zeit lang.
„Clay... verdammt", ächzte er betroffen zwischen extrem gesteigerter Geilheit und haltlosem Entsetzen, „Das ist.... schrecklich..." Seine Hände fielen von meinem Kopf und meinem Arsch auf die Matratze, rechts und links neben unsere ruhelos übereinander liegenden Leibern. Seine Finger gruben sich angespannt tief in das Laken. Kaum hatte ich einmal angefangen, das zu lange Unaussprechliche auszusprechen, konnte ich seltsamerweise gar nicht mehr damit aufhören. Valmont davon zu erzählen, war wie meine ultimative seelische und psychische Reinigung oder so was. Keine Ahnung, was in diesen Minuten genau mit mir passierte. Ich handelte planlos, gänzlich ohne bewusste Steuerung, ohne begleitende Überlegungen. Es ging einfach mit mir durch. Aber es fühlte sich in all dem tief empfundenen Schrecken und den verhassten Bildern in meinem Kopf überraschend gut an. Es mag sein, dass Valmonts tröstliche Nähe, meine momentane körperliche Überlegenheit über ihn, seine Zuneigung und meine eigene sexuelle Erregung meinen überfälligen Vortrag für mich so erträglich machten.
„Das ging die ganze Zeit so, Valmont! Die ganzen verfluchten acht Wochen lang! Jede Nacht wurde ich von einem oder mehreren Insassen vergewaltigt! Jeden Tag haben die Psychologen mich misshandelt und gequält! Und ich wusste nicht mal, was die überhaupt von mir wollten! Ich habe kein Wort verstanden! Ich konnte nämlich diese verfickte Sprache noch gar nicht!" schrie ich den Menschen aufgebracht an, der mir wahrhaftig angeboten hatte, meine definitiv schwerste Last für mich zu tragen. Sean verdrehte überwältigt die Augen und stöhnte: „Fuck! Verdammt!" Überstürzt griff er nach meiner Hand an seinem Schwanz, die ihn viel zu unsensibel und wütend bearbeitete. „Shit... Clay... warte mal... Moment mal...", flehte er und versuchte mit zunehmender Gewalt, meine völlig außer Kontrolle geratene Hand zu stoppen. „Warte... warte... nicht... hör auf...", musste er noch ein paarmal ächzen, bevor seine Bitte richtig zu mir durchdrang.
Als ich endlich mitbekam, was passierte, ließ ich ihn erschrocken los und fixierte ihn verstört. Der Typ blies erleichtert Luft aus, zitterte und lächelte gutmütig. Sein Gesicht war in seiner aufgelösten Erregung so wunderschön, dass ich es restlos fasziniert betrachtete. „Gott, Clay, das ist so fürchterlich... das... hätte nicht passieren dürfen... du hättest Liebe und Verständnis gebraucht... ich wünschte, es wäre dir nicht passiert...", versicherte mein Freund mir betroffen, hob den Arm und streichelte mir tröstend über den Kopf. Ich lag nun relativ ruhig und schwer auf ihm, spürte seine tiefen, ringenden Atemzüge, sein schnell hämmerndes Herz hinter seinen Rippen. „Das war wirklich schlimm", stimmte ich ihm etwas leiser zu, „Die gestörten Kids sind durchgedreht und haben mich verletzt. Ein paarmal war es so schwer, dass am nächsten Morgen mein Bettlaken blutig war." „Fuck!" fluchte Sean inbrünstig und schloss erschüttert die Augen. Er rieb sich mit zitternden Fingern über die geschlossenen Lider und atmete ganz tief, um sich zu kontrollieren.
Ich drückte derweil meine Erektion gegen ihn und konzentrierte mich verbissen darauf, meine eigene sexuelle Erregung zu steigern, konnte die Geilheit mich doch erfahrungsgemäß von den hässlichen Bildern in meinem Kopf und meinem aufbrausenden Zorn ablenken. Es war schön, wie sanft der Typ mich streichelte, wie viel Anteilnahme und Erschütterung ich in ihm spürte. Aber eigentlich wollte ich dieses verhasste Thema nur die ganze Zeit so schnell wie möglich hinter mich bringen. Verdutzt stellte ich fest, dass ich mich jetzt, wo ich es wahrhaftig jemandem erzählt hatte, mich irgendwie besser fühlte. Als hätte ich mich selbst von etwas befreit. Obwohl ich das nicht kapierte, hieß ich dieses völlig unbekannte Gefühl erleichtert willkommen.
„Wo waren denn bloß die Erwachsenen? Hat das niemanden interessiert? War denn keiner da, der dir geholfen hätte?" erkundigte der blonde Kerl sich verständnislos. Böse knurrte ich ihn an. „Nein, da hat mir keiner geholfen, Sean! Da gab es nur Täter!" bekräftigte ich grimmig, beugte mich hastig zu ihm hinab und küsste ihn abermals auf den Mund. Sean hatte nichts dagegen, also küssten wir uns eine Weile mit wachsender Leidenschaft. Seine Finger fingen wieder an, über meinen nackten Oberkörper zu wandern. Er streichelte ausführlich meine Muskeln, die Knochen entlang über die empfängliche Haut. Während ich in diesem Kuss aufging, zog ich ein paarmal extra an den Handschellen, um mich durch den daraus resultierenden Schmerz noch mehr aufzugeilen, was tatsächlich funktionierte. Valmont streichelte meinen Hintern und drückte mich verlangend gegen sich. Wir rutschten ein wenig gegeneinander auf dem Bett herum, was richtig geil war.
Schließlich schob er seine Hände an meinem Arsch zielstrebig unter den Bund meiner Schlafanzughose, um direkt auf meinem Slip zu landen, den er auch gleich mit runterschob. Seine zart tastenden Finger auf meinen nackten Arschbacken entlockten mir ein zustimmendes Grunzen. „Zieh das aus", flüsterte er mit glühenden Augen, „Ich will dich nackt sehen." Böse grinsend taxierte ich den Typen unter mir, der so seltsame Sachen mit mir anstellte, die ich nicht mal im Ansatz begreifen konnte. „Ich habe das noch nie jemandem erzählt", musste ich ihm klarmachen, weil ich das Gefühl hatte, dass ihn meine nagelneue, extrem mutige Mitteilsamkeit irgendwie mehr beeindrucken müsste. Er nickte atemlos und antwortete nur: „Danke, dass du es mir erzählt hast, Clay. Aber jetzt zieh das bitte aus." „Du Arschloch!" keuchte ich vorwurfsvoll und schlug ihn fauchend gegen die Brust. Aber nur halbherzig und kichernd, weil ich eigentlich auch mächtig scharf drauf war mich auszuziehen, sowie das schlimmste Trauma meiner Kindheit endlich hinter mir zu lassen.
Sean grinste amüsiert, und ich beeilte mich den störenden Stoff von meinem Körper zu entfernen, was mit nur einer freien Hand gar nicht so leicht war. Der sichtbar erwartungsfrohe Professor half mir beim Ausziehen, und danach riss ich ihm Jeans und Slip vom Leib, ohne ihn vorher zu fragen, weil das gar nicht nötig war. Der geile Kerl konnte sich gar nicht schnell genug für mich entblößen. Ziemlich überstürzt riss er sich seine Stiefel von den Füßen, damit ich ihm die Sachen ganz ausziehen konnte. Endlich waren wir beide nackt, trotz des extrem unerfreulichen Gesprächsthemas unverändert gigantisch scharf auf den anderen, und wir schauten uns eine Weile tief und vielsagend in die Augen, während wir relativ bewegungslos direkt aufeinander lagen. Da war was Neues zwischen uns, eine eigenartig starke Verbindung, ein tiefes Verstehen, das ich bisher nie an diesem Mann gespürt hatte. Das ich noch nie bei Irgendwem gespürt hatte. Seine faszinierenden Augen drückten so viel bewundernde Liebe aus. Sie umschmeichelten mich, zogen mich magisch an. Ich genoss das Gefühl seiner warmen Haut unter mir, sein schnell pochendes Herz, seine kräftigen Atemzüge, das Zittern seiner Nervenenden und Muskeln, dieses einmalig helle Blau seiner Augen, in denen ich kinderleicht versank.
„Ich liebe dich, Clay", wisperte er ungewöhnlich schüchtern, „Ich will mit dir schlafen." „Du bist geil auf mich, Valmont", verbesserte ich ihn voller Hohn, aber er schüttelte den Kopf. Seine Finger wanderten so vorsichtig über meine nackte Haut, dass ich eine prickelnde Gänsehaut bekam und erschauderte. „Nein. Ich liebe dich, Clay Banton", betonte er nachdrücklich und taxierte mich bedeutungsvoll, „Das ist ein himmelweiter Unterschied." „Ja, von mir aus. Aber du bist auch geil auf mich", erwiderte ich spöttisch, weil mir dieses mega emotionale Zeug langsam irgendwie zu viel wurde. Ich war innerlich echt wütend und geil auf ihn und wollte ihn eigentlich nur noch herbe ficken. Alles andere spielte da für mich jetzt gerade mal keine Rolle mehr.
Sean schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Dann schaute er mich wieder an und strich mir zärtlich über den Kopf. „Du bist alles für mich", wollte er mir weismachen, „Ich will dich nicht verlieren." „Ficken wir jetzt, oder was?" entgegnete ich ungeduldig, weil ich gerade ein unsensibler Kerl war, der einen pochenden Ständer hatte. Valmont blies belustigt Luft aus und erschauderte in seiner eigenen Erregung. „Ja, klar", stimmte er seufzend zu, „Warte kurz." Er drehte sich unter mir weg, reckte sich nach seinem Nachttisch, der dicht neben dem Bett stand. Der Professor wandte sich ab, darum musste ich von ihm herunterrutschen, damit er an sein Schränkchen herankam. Ich tat es, lag auf der Seite und griff nach meinem Schwanz, um ihn vorsichtshalber ein wenig standfester zu erhalten, was sich verflucht heiß anfühlte. Beim Wichsen beobachtete ich keuchend den fantastischen Typen, der aus seiner Schublade ein Kondom hervorzauberte, die bunte Plastikpackung auch sofort geschickt aufriss und das hilfreiche Gummi rausholte.
Er wandte sich mir wieder zu und reichte mir das extra feuchte Verhütungsmittel, das ich unsinnig nervös annahm. Dann legte Sean Valmont sich willig auf seinen breiten, durchtrainierten Rücken, stellte die Fußsohlen auf die Matratze, hob das Becken ein wenig an und spreizte einladend seine schönen, langen, muskulösen Beine. Dieser einmalige Mann war perfekt gebaut und mit seinem formvollendeten, vollständig erigierten Penis dermaßen stark erregend, dass mir die Luft wegblieb und ich ein begeistertes Stöhnen losließ, ohne es verhindern zu können. Meine Nervosität und Ungeduld stieg rapide. Blitzschnell und routiniert streifte ich mir mit nur einer brauchbaren Hand das Kondom über und war froh, dass ich das für solche Fälle vorausschauend oft geübt hatte. Noch immer hielten die Handschellen meine linke Hand am Kopfende des Bettes fest, darum war es anschließend gar nicht so einfach, meinen Körper richtig zwischen Valmonts geöffnete Schenkel zu platzieren. Außerdem war es unnötig anstrengend, nur mit meinen Muskeln meinen Körper zu stabilisieren, weil ich mich nicht richtig abstützen konnte. „Fuck, mach mich los!" schnaufte ich genervt, weil die Fessel mich in meiner Bewegungsfreiheit plötzlich ziemlich arg behinderte. Der freche Kerl grinste amüsiert und schüttelte wahrhaftig den mega attraktiven Kopf. „Nein, jetzt noch nicht, Clay. Ich finde das nämlich ganz schön geil so", erklärte er mir allen Ernstes mit fasziniert und erwartungsfroh leuchtenden Pupillen. „Du bist so ein Arsch!" knurrte ich atemlos, grinste aber dabei.
Obwohl es mich stresste, ließ ich ihm seufzend seinen überlegenden Spaß und arrangierte mich notgedrungen mit meiner eingeschränkten Situation. Ich lag jetzt auf ihm und fingerte sofort zärtlich nach dem Loch an seinem Hintern, was ihn gigantisch aufgeilte, wie ich nur allzu gut wusste. Sean Valmont dabei zuzusehen, wie meine höchst intime Berührung ihn augenblicklich verrückt machte, ließ auch meine eigene Erregung abrupt in die Höhe schnellen. Ich steckte ihm vorsichtig einen Finger rein und dehnte ihn sanft, dann kam auch der zweite Finger zum Einsatz. Wir hatten das schon unzählige Male getan, darum war meine Aufgabe mir vertraut. Routiniert bereitete ich ihn vor, behutsam und doch zielgerichtet.
Sean beobachtete mich aufgeregt, verdrehte mit der Zeit die Augen, wand sich genüsslich auf seinem Bett und stöhnte laut und zufrieden. „Das ist schön...", keuchte er anerkennend. Sein Atem ging schwerer, sein Brustkorb hob und senkte sich weit, seine helle Haut nahm eine gut durchblutete Farbe an. Er zitterte, ruderte mit den Armen haltlos auf dem Laken herum, um mich im nächsten Moment verlangend zu umschlingen. Fahrig fuhren seine Hände über meinen Rücken, die Wirbelsäule hinab, über die Taille zu meinem Hintern, den er gierig an sich presste. „Fick mich, Clay!" verlangte er atemlos mit halb geschlossenen Augen, in denen mittlerweile die pure Geilheit brannte.
Nun, dazu musste er mich nicht zweimal auffordern. Seltsam nervös langte ich hinunter und packte meinen steifen Schwanz, um ihn direkt vor seinem Eingang zu platzieren. Meine empfindliche Eichel stieß an sein Loch, was mir ein überraschtes Keuchen entlockte, weil es sich so gut anfühlte. Ich erschauderte gurrend und konzentrierte mich dann darauf, allmählich in den Mann einzudringen. Er war trotz meiner Vorbereitung ziemlich eng, deshalb kam ich nur langsam vorwärts. Sean stöhnte auf, verspannte sich unwillkürlich und riss ängstlich die Augen auf. „Sei vorsichtig, Clay... bitte", flüsterte er furchtsam und fixierte mich mühsam mit aufgeregt flatternden Lidern. Seine Finger krallten sich angespannt in meine Schulterblätter.
Plötzlich passierte etwas mit mir. Eine brutale Erinnerung flackerte jäh in meinem sexumnebelten Schädel auf, die mich schlagartig extrem anpisste. Lange aufgestauter Zorn explodierte in mir. Das kam so unerwartet, dass ich nur instinktiv darauf reagieren konnte, weil mein Gehirn zu Vernunft gesteuerten Gedanken gerade nicht mehr in der Lage war. „Du warst ja auch nicht vorsichtig, Valmont!" knallte ich meinem hilflosen Sexualpartner wutentbrannt an den Kopf. Er zuckte zusammen und starrte mich schockiert an, weil er augenblicklich wusste, wovon ich sprach. „Gott... Clay... bitte nicht... nicht jetzt... es tut mir leid...", stotterte er erschrocken und verwirrt, als ich auch schon mit einem letzten kräftigen Ruck vollständig in ihn eindrang. Im gleichen Moment stöhnte er laut auf, eine Mischung aus Schmerz und Erregung, die ich ganz genauso empfand, und die mich ganz schön antörnte.
Wir waren jetzt körperlich unglaublich fest miteinander verbunden. Sean bewegte sich unruhig auf dem Bett, auf der sinnlosen Suche nach einem Ausweg, hin und her gerissen zwischen mächtiger sexueller Gier und Entsetzen. Ich saugte seinen geilen, aufgewühlten Anblick fasziniert in mich auf und brauchte einen Moment, um die Situation und das verdammt enge Gefühl an meinem Penis zu verarbeiten. Mein Körper zuckte nervös, mein Herz hämmerte mir bis zum Hals, ich rang nach Atemluft. Mühsam riss ich mich zusammen und ließ mich mit dem ganzen Gewicht schwer auf dem Kerl nieder. Mit meiner freien Hand griff ich hinauf und hielt brutal seinen ruhelosen Kopf fest, bis er sich nicht mehr bewegen konnte. Der Ellbogen meiner gefesselten Hand war auf das Bett gestützt, gab mir aufgrund seiner Position aber nur wenig Halt. Vorwurfsvoll taxierte ich Sean und forderte gnadenlos seine Aufmerksamkeit. Er erwiderte meinen Blick unerwartet defensiv, was mich verdutzte, weil ich diesen Ausdruck nicht von ihm kannte.
„Du warst ja auch nicht vorsichtig, Valmont", wiederholte ich laut und deutlich. Dann fing ich ungeduldig an mich zu bewegen, weil mein restlos erwachter, mächtiger Sexualtrieb genau das unerbittlich von mir verlangte. Einen Mann zu ficken war aufgrund seiner Anatomie um einiges intensiver als vaginal bei einer Frau, wobei mir allein das Kondom genug schlüpfrige Feuchtigkeit bereitstellte, damit die Sache nicht allzu schmerzhaft wurde. Man konnte den Akt mit sehr viel Gleitgel vereinfachen, aber das taten wir fast nie, weil wir es eigentlich beide recht hart und eng mochten. „Es tut mir leid, Clay...", ächzte Sean verzweifelt, „Es tut mir leid..." Die Mischung aus großem Schuldbewusstsein, Reue und ungeheuerlicher Geilheit in seinen Augen törnte mich dermaßen an, dass ich es kaum verarbeiten konnte. Mächtige Schauder aus Wollust durchfluteten mich, schossen von meinem in enger Reibung befindlichen Schwanz aus glühend durch sämtliche Nervenbahnen. Mein Herz pochte so schnell, dass ich kaum noch Luft bekam.
Sean stemmte sich energisch gegen mich, hob mich grob ein Stückchen hoch, damit er mit seiner Hand an seine Erektion herankam, die eng zwischen unseren Körpern auf seinem Unterleib lag. Er streckte sich, wölbte sich mir wollüstig entgegen, schlang seine langen Beine um meinen Hintern, mogelte seine Finger zielstrebig in die Nähe meines Unterbauches und packte schließlich sein eigenes Glied, um es zu stimulieren. Während Valmont masturbierte, rammelte ich ihn ziemlich brutal, denn ich konnte mich längst nicht mehr bremsen. Unser Atem kam laut und stoßweise, der Schweiß brach uns beiden aus, meine Finger krallten sich an seinem Kopf in sein Haar. Die ganze Zeit behielt ich ihn mühevoll genau im Auge.
„Denkst du etwa... das war schlimm...?" knurrte ich wütend in sein auffallend hübsches Gesicht, „Glaubst du ernsthaft... das im Stadtpark war schlimm für mich...?" „Clay...", stöhnte er zwischen Geilheit, Schuld, Verzweiflung, Angst und morbider Faszination, „Verdammt... Clay... nein... ich... das hätte nicht... passieren dürfen... bitte nicht..." Ich fickte meinen Freund schnell, hart und dominant und genoss es unendlich. Zeitgleich war ich aber auch extrem angepisst, sodass die ungewohnt gegensätzlichen Empfindungen mich ein weiteres Mal überwältigten. So etwas hatte ich noch nie gefühlt, und ich hatte auch nicht gedacht, dass es überhaupt möglich wäre, beim lustvollen Bumsen derart zornig zu sein.
„Du willst dich umbringen, Valmont... weil du mich vergewaltigt hast?" schrie ich ihn keuchend an, „Du hast ernsthaft versucht... dich deswegen umzubringen...?" Unser Blickkontakt war richtig irre, voll mit brodelnder Begierde, mega intensiv und verwirrt und doch mit einem gegenseitigen Verständnis, das ich nicht erwartet hatte. „Ich durfte das nicht...", jammerte der Schuldige geknickt, „Das war falsch... es tut mir leid..." Aber das wollte ich gar nicht von ihm hören, darum stieß ich heftig mit meinem Schwanz in ihn hinein, vielleicht tatsächlich, um ihn auf diese Art zu bestrafen. Die Enge und Reibung an meinem sensiblen Organ verursachte mir die allerschönsten Gefühle, tosende Glückseligkeit, stürmisches Wohlbefinden in allen Teilen meines Selbst.
Erschaudernd musste ich die Augen schließen und kurz innehalten. Vor Nervosität und Anstrengung fing mein ganzer Körper unkontrolliert zu zittern an. Es fiel mir zunehmend schwer, mich noch länger auf den Kerl unter mir zu konzentrieren. Es war extrem geil Sean Valmont auf diese Weise zu ficken. Ich liebte seinen enorm attraktiven, heißen, inzwischen überall mit einem dünnen Schweißfilm bedeckten Leib, all die perfekt platzierten, sorgfältig trainierten Muskeln, die Knochen und Sehnen, seine steifen Nippel, den Bauchnabel, die samtige, rosafarbene Haut. Herr Valmont sprühte nur so vor Erregung, bedingungslos erwachtem Verlangen nach mir und brodelnder Lebendigkeit.
Aufgewühlt rang ich nach Luft und taxierte ihn strafend. Auch er schnappte nach Sauerstoff, erschauderte und bewegte sich unbeherrscht auf seiner Matratze, wölbte sich mir lustvoll entgegen, drückte mich mit seinen starken Tänzerbeinen unkontrolliert an sich, während er mich irritierend bewundernd anschaute. „Das war längst nicht so schlimm wie du denkst, Valmont!" schrie ich atemlos, „Das war gar nichts!" Ich nahm meine aggressiven Bewegungen wieder auf, aber sie gerieten arg ruckartig und gewalttätig, weil ich mich kaum noch unter Kontrolle hatte. Verwirrt, geil und zornig zog ich meine Finger aus seinem blonden Haar und stützte mich auf der Matratze ab, um besseren Halt zu haben. Schweißtropfen liefen mir von der Stirn in die Augen, sodass ich blinzeln musste.
„Ganz ruhig, Clay...", flüsterte Sean, „Beruhige dich... lass dir Zeit.... mach langsam..." Seine Hände streichelten beschwichtigend über meinen gestreckten Hals und meine krampfhaft aufgerichtete Brust. Er erschauderte schnaufend in seinem eigenen Verlangen. Seine tollen Augen waren eine Mischung aus sexueller Gier, Besorgnis, Schuldbewusstsein und grenzenloser Faszination. „Du bist so schön", keuchte er hingerissen, „Du bist so wunderschön, Clay Banton." Das provozierte mich enorm, weil ich erstes nicht mehr langsam machen konnte und mir zweitens der ungeheuerliche Verdacht kam, dass der Typ mir gar nicht zuhörte. Andererseits war meine Situation gerade so gigantisch geil, allein schon ihm zuzusehen, wie der Mann besessen und heftig masturbierte und mich und meinen kopulierenden Körper dabei wollüstig mit den Augen auffraß, die stark ausgeprägte Stimulation an meinem glühenden, harten Schwanz, dass es mir verdammt schwerfiel, meine Gedanken beieinander zu halten und irgendwie zu ordnen. Ich spürte überdeutlich, dass mein Orgasmus nahte, wie die fantastische Erregung sich in meiner Körpermitte zu fokussieren begann. Das raubte mir das letzte bisschen Beherrschung.
„Du denkst wahrhaftig... dass du dich töten musst....nur weil du mich... gegen meinen Willen... in einem scheiß Gebüsch gerammelt hast...?" schnaufte ich lautstark, übervoll mit sexuell erregter Wut, Hohn und Verachtung, und rang zischelnd nach Luft. „Beruhige dich, Clay", seufzte Sean besorgt, und wahrscheinlich hatte er recht. Ich sollte mich beruhigen, dachte ich kurz verstört, sonst erleide ich jeden Moment einen beschissenen Herzinfarkt. Genauso fühlte es sich jedenfalls an in meiner Brust, die sich zu krampfhaft und hastig hob und senkte.
Allerdings war Beruhigen längst nicht mehr drin. Ich konnte es nicht, war dazu schlicht nicht mehr fähig. Genauso wenig, wie ich meine schroffen, abrupten Bewegungen mit meinem Unterleib auch nur ansatzweise verlangsamen oder verzögern, geschweige denn stoppen konnte. Mein drängender Sexualtrieb hatte längst die Oberhand über mich übernommen. Ich handelte nur noch instinktiv, im unbedingten Verlangen nach dem Höhepunkt. Uralte, im Laufe der menschlichen Evolution nicht im Geringsten veränderte Mächte waren da am Werk. Und wild animalischer Banton war ihnen hilflos ausgeliefert.
„Hör mir doch mal zu, verdammt!" brüllte ich Valmont zornig an und tötete ihn mit den Augen, während ich ihn gleichzeitig gierig verschlang. Er zuckte zusammen, seine Lider flatterten, die Augen verdreht in sexueller Ekstase. „Schon gut, Clay... ich hör dir zu... ich... verstehe dich... ich weiß doch, was du...", stammelte er verwirrt, hingerissen, total abgehoben, und schloss unwillkürlich die Augen, weil seine Gefühle ihn übermannten. Mein hinlänglich vertrauter Sexualpartner war kurz davor zu explodieren. Das war mir absolut bewusst, und es erregte mich enorm und spornte mich an noch mehr Gas zu geben. Trotzdem ließ diese wichtige Sache mich nicht los, die ich dem blöden Kerl aus irgendeinem Grund unbedingt in diesem Moment begreiflich machen musste. Keinen Schimmer, was mit mir los war.
„Glaub mir... Sean Valmont... das ist so lächerlich... du musst dich deswegen nicht... umbringen... du musst dir... echt... noch nicht mal... Sorgen machen... du hast mich damit nämlich nicht... getötet...! Du kannst mich gar nicht töten!" knurrte ich mit angestrengt zusammengebissenen Zähnen, wobei mein wütendes Knurren eher ein atemloses, ziemlich lautstarkes Keuchen war, weil ich gegenwärtig nur noch so wenig Luft und Kraft zum Sprechen zur Verfügung hatte. Es wurde schnell heftiger, steigerte sich stetig, wurde gnadenlos allumfassend, und hinter meinen Lidern begann es zu pochen, bunte Sterne tanzten in meinem Blickfeld. Ich war so dermaßen geil, dass ich glaubte jeden Moment verrückt zu werden. Meine Umgebung einschließlich des Mannes, der direkt unter mir auf dem Bett lag, manisch gegen meinen Körper gepresst, verflüchtigten sich kumulativ aus meiner Wahrnehmung, die sich von allein auf meinen Penis zu fixieren begann. Mein Schwanz war inzwischen so steif und prall, dass es wehtat, die starke Reibung, die unglaubliche Enge und Valmonts unmittelbare Hitze brachten mich um.
Trotzdem musste ich meinen Unterleib immer weiter nach vorn stoßen, in einem nicht wirklich noch selbstbestimmten Rhythmus, weil die Natur der Sache mir genau diese Bewegung aufzwang. Ich wurde immer brutaler, schneller, unkontrollierter und abgehackter. Die ziemlich anstrengende Tätigkeit nahm mich restlos in Beschlag, bis sie mich zum Schluss vollständig ausfüllte. Keine Chance mehr mich noch irgendwie zu beherrschen. Mein Höhepunkt nahte jetzt mit riesigen Schritten, und ich schloss intuitiv die Augen, weil mein Schwanz, meine Libido und ich das einzige wurden, das noch existierte. Die Geilheit feierte sich selbst in mir mit verblüffend einnehmender Gewalt. Trotzdem konnte ich hören, wie Sean plötzlich laut meinen Namen stöhnte, spürte seinen perfekten Leib erstarren und kurz darauf ein paarmal heftigst zusammenzucken, seine angespannten Muskeln kontrahierten rhythmisch unter mir. Die Gewissheit, dass der Typ gerade abspritzte, gab mir endgültig den Rest. „Ich bin schon als Kind gestorben...", ächzte ich mit allerletzter Kraft, versteifte mich, ergab mich zwangsläufig meinem eigenen Körper und ergoss mich zwei Sekunden später laut stöhnend und mächtig zuckend in das verdammte Kondom hinein.
Sean
Immer weiter musste ich ihn danach fragen, hatte meine bohrende Wissbegier einfach nicht im Zaum halten können. Obwohl wir gerade zärtlich zueinander waren. Oder vielleicht auch gerade deshalb. Meine Fragen waren wie Pistolenschüsse in seine Seele eingeschlagen, meine Finger hatten gleichzeitig versucht, ihn durch Streicheln zu besänftigen. Alles in mir hatte zwingend nach der Wahrheit verlangt. In der deprimierenden Gewissheit, mit meiner Beziehung zu Clay nicht wie bisher weitermachen zu können, wenn ich nicht endlich den Grund für seinen seltsam beängstigenden Zusammenbruch erfahren würde. Für mich war es zum ersten Mal passiert, dass er aufgrund seiner psychischen Verfassung zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert worden war. Das war definitiv zu gravierend, um es unergründet zu lassen. Langsam ahnte ich, dass mehr dahintersteckte als nur irgendwelche gefährlichen Drogen. Obwohl mir diese relativ simple Antwort mittlerweile am besten gefallen hätte. Das Unbekannte und Bedrohliche an dieser Sache reizte mich zu stark. Mein Verlangen in sein zu gut verborgenes Inneres vorzudringen war existenziell geworden.
Vielleicht hätte ich es trotzdem lieber gut sein lassen sollen. In dem Moment, als Clay Banton zum ersten Mal in meinem Leben zugab, dass ich für ihn nicht nur irgendwer war, dass zwischen uns noch mehr existierte als reine Freundschaft, hätte eigentlich alles perfekt sein können. Seine unverhoffte Zustimmung, dass er auch etwas Besonderes zwischen uns spürte, hatte mich gigantisch glücklich gemacht. Übervoll mit brennender Liebe hatte ich ihn angefasst, zuerst vorsichtig und zurückhaltend, dann zwangsläufig immer gieriger und unbeherrschter. Weil der Mann mich nun mal mächtig scharf machte. Seine körperliche Nähe killte mich. Nichts anderes als ihn nahm ich noch wahr. Aber trotzdem ließ diese Sache mir keine Ruhe. Unaufhaltsam drängend pochte sie in meinem vom Sex vernebelten Hinterkopf. Es gab kein Entkommen für uns. Da waren entschieden zu viele Fragen, die zu lange unbeantwortet geblieben waren. Ich konnte unmöglich noch länger ahnungslos bleiben. Das spürte ich in jeder Faser meiner Existenz. Der Punkt war gekommen, an dem er mit mir reden oder ich mich von ihm trennen musste. An diesem Tag hätten Clay Bantons bisher unüberwindbare emotionale Mauern zweifellos das Aus für unsere Beziehung bedeutet.
Ich fragte ihn erneut danach, ohne wirklich mit seiner Antwort zu rechnen. Er hatte sich mir schon zu oft verweigert. Emotional ordnete ich unsere Intimität auf meinem Bett in die traurige Kategorie Abschiedssex ein. Es brach mir das Herz, deshalb wollte ich ihn so intensiv wie möglich genießen. Obwohl es mich ehrlich umbrachte, konnte ich diesmal nicht so weitermachen, als wäre nichts passiert. Noch nie war mir das so klar gewesen. Es würde das letzte Mal sein, dass ich meinen Mann mit meinem Körper spürte. Danach würde alles zu Ende gehen. Davon war ich vollkommen überzeugt. In Gedanken sagte ich Clay mit meinen Zärtlichkeiten Lebewohl.
Aber dann geschah plötzlich das Unglaubliche. Etwas, mit dem ich tief drinnen niemals ernsthaft gerechnet hatte. Ausgerechnet beim Sex mit ihm kam dieses grausame Thema zwischen uns zur Sprache. Ich drängte ihm das Thema fraglos auf, was unserer Leidenschaft zum ersten Mal einen bedrohlichen, verstörend morbiden Beigeschmack verlieh, den ich nie zuvor empfunden hatte. Das war fast schon krasser, als ich verarbeiten konnte. Diese ungezügelte Mischung aus sexueller Erregung und haltlosem Entsetzen. Es war richtig heftig. Und dennoch konnte ich nicht aufhören mit meinen Fragen. Obwohl wir gerade berauschenden Sex hatten, verlangte es mich unverändert nach befriedigenden Antworten. Wahrscheinlich wollte ich einfach mit aller Gewalt verhindern, dass meine Beziehung zu Clay Banton zu Ende gehen musste. Ich wollte mich nicht von ihm trennen. Selbstverständlich wollte ich das nicht. Aber mir war klar, dass nur seine Antworten vielleicht noch etwas daran ändern konnten. Darum stürzte ich mich wie besessen auf meine drängenden Fragen. Pausenlos beschoss ich ihn damit, drang tief in seine verwundete Seele ein, wie mit einem verdammten Maschinengewehr.
Clay reagierte auf meine hartnäckigen Provokationen wahrhaftig auf die eine Art, die ich immer schon irgendwie gefürchtet und gleichzeitig wie verrückt herbeigesehnt hatte. Es kam absolut überraschend für mich. Der Kerl antwortete mir. Der schweigsame, verstockte Isländer redete mit mir. Über eine Sache, die er vorher angeblich noch nie jemandem anvertraut hatte. Clay Banton antwortete mir auf meine zu lange drängenden Fragen. Er tat es mit solch brausender Wut, dass er sich dabei kaum noch im Griff hatte, was die unfassbare Brisanz des Themas offenlegte. Die ganze Zeit hatte er dabei das starke Bedürfnis mir wehzutun und tat es auch mit Inbrunst. Er reagierte sich auf brutale Weise an mir ab. Ich wurde nicht zufällig sein Opfer, denn ich hatte seine Wut selbst herausgefordert.
Während er mich hart fickte, warf er mir die Vergewaltigung im Stadtpark vor. Das war richtig schlimm. Ich war ihm total ausgeliefert. Eine Situation, die ich überhaupt nicht mag. Aber trotzdem konnte ich es nicht stoppen. Konnte den Mann nicht mehr aufhalten. Eine kranke Faszination hielt mich an diesem Thema fest. Fixierte mich auf ihn. Meine Bewunderung für seine innere Stärke. Seine unfassbare Schönheit. Trotz des Schreckens und des Schmerzes, den er mir bewusst zufügte, konnte ich nicht aufhören mich dabei zu befriedigen. Meine Libido war stärker als ich. Unbändige Gier nach Antworten, Schmerz und Geilheit. Gleichzeitig. Ich geriet in einen körperlich-psychischen Rausch, den ich nie zuvor erlebt hatte. Da war nichts anderes mehr. Keine andere Wahrnehmung erreichte mich noch. Nur noch meine astronomischen Empfindungen und seine unausweichliche, unwiderstehliche Präsenz direkt auf mir. Das Gefühl seines harten, unerbittlichen Schwanzes in mir, so heiß, eng und groß, dass es wehtat. Die ruckartigen Bewegungen seiner Knochen, das kräftige Spiel seiner herbe angespannten Muskeln, die angestrengt hervortretenden Sehnen an seinem Hals, das zornig verzerrte, verbissen konzentrierte, mega sexuell erregte, wunderschöne Gesicht.
Als er mir in dieser Situation zum ersten Mal von den unfassbaren Verbrechen erzählte, die in der Psychiatrie in Kanada an ihm verübt worden waren, dachte ich ehrlich der Himmel stürzt ein. Jeden Moment musste es so weit sein. Das ging gar nicht anders. So etwas Grausames konnte doch unmöglich ungesühnt bleiben. Aber obwohl ich ernsthaft darauf wartete, passierte gar nichts, und das konnte ich einfach nicht fassen. Das war komplett falsch. So etwas durfte es gar nicht geben. Man durfte ein wehrloses Kind doch nicht auf so eine gedankenlose und brutale Art zerstören. Niemand durfte meinem geliebten Mann dermaßen wehtun. Keiner hatte das Recht dazu ihn zu verletzen. Ihn wochenlang zu quälen und zu misshandeln. Es fiel mir schwer zu akzeptieren, dass Clay Banton schon vor sehr langer Zeit auf diese Weise verletzt worden war. Zu einem Zeitpunkt, als seine junge Seele noch extrem empfindlich, neu und unangetastet gewesen war. Sie hatten diesen zauberhaften, sensiblen Menschen wahrhaftig eiskalt kaputtgemacht. Die fremden Verbrecher hatten ihm einen so gravierenden Schaden zugefügt, dass sein verwirrtes Gehirn regelmäßig aussetzte und er wahrscheinlich sein ganzes restliches Leben darunter leiden würde. Viele von Clays sonderbaren Verhaltensweisen bekamen plötzlich einen anderen, verständlichen Blickwinkel für mich.
Die ganze Welt wurde zu einem unerträglichen, nicht länger zu tolerierenden Ort. Alles war völlig unwirklich. Meine Seele schmerzte enorm, mein Körper geriet durch mein unermüdliches Zutun in eine fast schon qualvolle Ekstase. Mein Mann sagte mir ungeschönt die Wahrheit, während ich heftig masturbierte und er mich extrem hart fickte, da bin ich sicher. Ich glaube, er hat mir nichts verschwiegen. Seine Mauern waren endlich gefallen. Ich hatte ihn soweit gebracht. Hatte ihn dazu genötigt mir zu antworten. Ich hatte ihn immer wieder herausgefordert. Jetzt musste ich auch mit seiner Antwort fertig werden. Musste mit der grausamen Realität irgendwie zurechtkommen. Ich hatte es ja so gewollt.
Trotzdem war ich nicht im Geringsten darauf vorbereitet. Zwar hatte ich tief drinnen immer schon geahnt, dass Clay in seiner Vergangenheit etwas wirklich Schlimmes widerfahren sein musste. Irgendwo musste die spürbare Dunkelheit in ihm ja herkommen. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass er schon als Kind vergewaltigt und gequält worden war. Das gehörte fraglos zu den allerschlimmsten Dingen, die ich mir überhaupt nur vorstellen konnte. Clays Erlebnisse in der Kinderpsychiatrie in Kanada erschienen mir sogar besonders grausam und verachtenswert zu sein. Ausgerechnet an einem Ort, an dem man ihm eigentlich hätte helfen müssen, war er auf so entsetzliche Weise behandelt worden. An einem Ort, der ausschließlich dazu da war, um Kindern wie ihm zu helfen. Bantons brennende Abneigung gegen Therapien, Psychiatrien und Psychologen und seine psychische Labilität hatten endlich eine konkrete Ursache erhalten. Leider eine unerwartet brutale.
Mit Clays Kindheitserinnerungen klarzukommen, die seine sensible Seele auch nach all diesen Jahren noch immer so fest gepackt hielten, dass er zeitweise hilflos in ihnen versank, fiel mir weitaus schwerer, als ich erwartet hatte. Mit so etwas Krassem war ich bisher noch nie konfrontiert worden. Ich fühlte mich seiner rätselhaften, angsteinflößenden Krankheit in keinster Weise gewachsen, hatte schlicht keine Ahnung, wie ich am besten darauf reagieren sollte. Nach unserem total aggressiven, förmlich brachialen Sexualakt war ich dermaßen aufgewühlt und körperlich erschöpft, dass ich eine ungewöhnlich lange Zeit benötigte, um mich wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen. Es fiel mir wahrhaftig schwer, aus dem abgehobenen, verstörenden Rausch zurück in die Gegenwart zu finden.
„Hasst du mich jetzt?" schniefte Clay leise, der mit seinem Gesicht irgendwo direkt auf meiner Brust lag. Seine warmen Tränen befeuchteten meine stark erhitzte Haut. Sehr kurz nach meinem sphärischen Orgasmus war er ebenfalls ziemlich heftig gekommen. Noch währenddessen war er, restlos erschöpft von der enormen Anstrengung unseres Aktes und seines schwierigen Geständnisses, laut fluchend auf mir zusammengebrochen. Seitdem lag der große Mann schwer auf mir. Tränen liefen über seine hübschen, leicht geröteten Wangen. Schweiß stand ihm im Gesicht. Sein arg strapazierter Körper bebte, die verspannten Muskeln zitterten. Er weinte wohl auch vor Erschöpfung, vermutete ich. Keuchend rang der Typ nach Luft. Sein Herz hämmerte wie wild hinter seinen Rippen und beruhigte sich nur langsam. Körperlich waren wir noch immer miteinander verbunden. Aber mittlerweile war sein Schwanz spürbar kleiner und weicher geworden, was mich mehr erleichterte, als ich mir eingestehen wollte.
Herr Banton hatte mich nicht nur in den letzten Minuten so unerbittlich grob penetriert, dass ich mich schmerzhaft wund fühlte und es mit Sicherheit auch war. Fraglos hatte der heiß entflammte, mega zornige Kerl vollkommen die Beherrschung über sich verloren. Das war ihm noch nicht allzu oft mit mir passiert. Normalerweise nahm mein Mann mich zärtlicher und fast immer von hinten. Clay liebte als aktiver Part den Doggy-Style über alles, weil er ihm die volle Bewegungsfreiheit und Kontrolle garantierte. Ich mochte diese Stellung eigentlich auch lieber, nicht nur, weil sie für mich in der passiven Rolle weitaus bequemer war. Aber diesmal hatte ich das zwingende Bedürfnis verspürt, meinen Partner dabei anzusehen. Ich wollte ihm unbedingt in die Augen sehen können, wenn ich mit ihm redete. Trotz der intimen Situation führte für mich an einer klärenden Aussprache kein Weg mehr vorbei. Die Notwendigkeit beim Sex miteinander zu sprechen war an diesem Tag schlicht unabänderlich gewesen. Daher hatte ich mich ihm vorausschauend von vorne angeboten und er hatte sich sofort darauf eingelassen. Die einander zugewandte Vereinigung war für uns beide ungleich anstrengender als gewöhnlich gewesen. Wegen seiner gefesselten linken Hand konnte Clay sich dabei kaum abstützen. Ich musste mich ihm die ganze Zeit weit entgegen wölben. Wir hatten uns auf überwältigend brutale, verstörende und egoistische Art befriedigt. Nie zuvor hatte zwischen uns so viel Hass und gleichzeitig so viel Verständnis geherrscht. Clay Banton und ich hatten uns in einen manischen Rausch gefickt und waren beide gewaltig dabei gekommen. Keine Ahnung, was das über uns aussagte.
Jetzt erholten wir uns von dem Koitus und den teils hasserfüllten, grausamen Wörtern, die im Verlauf zwischen uns gefallen waren. Mein Herz schlug mindestens so schnell wie seins. Auch meine Muskeln zitterten überreizt. Meine langen Beine waren unverändert um seine Oberschenkel geschlungen. Ich hatte meine Arme um ihn gelegt und streichelte sanft seinen verschwitzten Rücken. Zwischen unseren nackten Körpern spürte ich Hitze, Schweiß und mein klebriges Sperma. Ich hatte den Eindruck, dass es gut für ihn war, wenn er endlich mal weinte. Vielleicht konnte er auch auf diese Art seine innere Last ein bisschen verringern. Trotz seiner unerwartet verstörenden Antworten und meiner daraus resultierenden Hilflosigkeit fühlte ich mich wohl. Körperlich war ich herrlich befriedigt worden und genoss es, ihn nackt auf mir zu spüren. Ich hätte ewig so mit ihm dort liegen können. Auf meinem Bett, in meinem Zimmer. Die Situation war trotz meines neuen Wissens um seine fraglos traumatische Kindheit überraschend angenehm für mich.
Direkt nach dem Sex war irgendwie alles gut und gesagt worden. Wir hatten uns tatsächlich ausgesprochen. Ich fühlte mich mit Clay auf eine ganz neue Art verbunden. Als ob es mir endlich mal gelungen wäre ihn zu verstehen. Zum ersten Mal hatte er mir erlaubt, hinter seine sorgfältig errichtete Mauer zu blicken. Meine größte Hoffnung hatte sich erfüllt. In diesem Augenblick waren wir uns erstaunlich nah. Eigentlich wollte ich gerade nicht mehr sprechen, musste ich doch erst noch die schon gesagten Sätze verdauen. Aber jetzt hatte mein geliebter, grausam geschundener Mann mich wahrhaftig gefragt, ob ich ihn hassen würde. „Himmel, Clay, nein! Natürlich hasse ich dich nicht! Warum glaubst du das nur?" erwiderte ich völlig entgeistert. „Weil ich ein verdammter Psycho bin", schnaufte er verächtlich, „Weil ich manchmal komplett den Verstand verliere und gewalttätig werde." „Ja, aber das ist doch nicht deine Schuld", wollte ich ihn beruhigen, aber er blies verächtlich Luft aus. „Wessen Schuld denn dann, hä? Ich bin es doch, der wahllos um sich schlägt und nichts und niemanden mehr erkennt. Fuck, ich habe sogar Tourani angespuckt!"
Im Liegen schüttelte er über sich selbst angewidert den Kopf. Ich fragte mich, ob er sich wohl plötzlich wieder an diese Details erinnerte, oder ob ihm nur jemand davon erzählt hatte. „Erinnerst du dich daran?" fragte ich ihn vorsichtig. Nochmal blies er heftig Luft aus, eine Mischung aus Wut und Spott. „Nein, ich kann mich nicht daran erinnern, Sean!" behauptete er eine Spur zu aggressiv. „Woher weißt du es dann?" erkundigte ich mich neugierig. „Sie haben es mir vor den Kopf geknallt", meinte er, ohne zu erklären, wer genau ihn darüber informiert hatte. Ich vermutete, dass es wohl Doktor Siamak Tourani selbst gewesen war. „Woran erinnerst du dich?" musste ich ihn abermals fragen, obwohl mir klar war, wie schwer ihm die Erinnerung fiel und wie heikel das Thema war. Aber ich hatte plötzlich das Bedürfnis, seine ungewohnte Mitteilsamkeit auszunutzen, so lange sie noch andauern würde.
Clay seufzte schwer, wischte sich über die feuchten Augen und schniefte die letzten Tränen weg. Dann sank sein Kopf müde zurück auf meine nackte Brust. Die Finger seiner rechten Hand kneteten nervös das Bettlaken neben uns. Seine linke Hand war unverändert mit Handschellen am oberen Bettgestell befestigt. „Ich weiß nicht, Sean.... das... ist lange her...", wand er sich unbehaglich, obwohl sein psychischer Zusammenbruch in Wahrheit nicht mal zwei Tage her war. „Bitte erzähl's mir, Clay", bat ich ihn inständig, „Vielleicht hilft es dir, wenn du mir davon erzählst." Ich beugte mich zu ihm hinab und küsste ihn auf den Kopf, was ihn zum vagen Lächeln veranlasste. „Das ist aber total gruselig, Valmont!" wollte er mich wahrhaftig vorwarnen. Ich lachte, obwohl es definitiv nicht lustig war, und schlug ihn leicht gegen den Hinterkopf. „Jetzt will ich es erst recht hören, Banton!" betonte ich leichthin, nicht wissend, was genau mich erwartete.
Mein Herz fing an, härter zu schlagen, als mir klarwurde, dass Clay tatsächlich versuchte sich zu erinnern. Er würde es mir wahrhaftig erzählen. Und ich hatte keinen Schimmer, ob ich mit den Einzelheiten zurechtkommen würde, die ich jetzt auch noch von ihm erfahren würde. Kurz bereute ich meine morbide Faszination an Clays schwer verletzter Psyche und meine zu stark ausgeprägte Neugierde. Aber dann beschloss ich, jede Last mit ihm tragen zu wollen, egal wie schwer sie auch sein mochte. Ich redete mir ein, dass es noch schlimmer ja eigentlich gar nicht mehr werden konnte.
Nochmal seufzte der Isländer und gab sich spürbar einen Ruck. „Ich war mit dem Junkiemädchen zusammen in meiner Dusche. Sie hockte vor mir, und... die hat... mir einen geblasen. Das war verdammt geil. Fuck, das war.... sphärisch... Aber dann... wurde sie ein anderer... dieser Kerl aus der Psychiatrie...", erinnerte Clay sich stockend. Stöhnend schloss er die Augen und erschauderte unbehaglich. „Shit, ich hab total die Kontrolle verloren. Hab die... an den Haaren gezogen... Hab sie angeschrien... Ich war echt nicht nett zu der...", fiel ihm panisch ein. „Mach dir über Kim keine Sorgen mehr, Clay", versicherte ich ihm schnell, „Ich habe mit der gesprochen. Ich bin ziemlich überzeugend gewesen, das kannst du mir glauben. Kim und ihr Freund werden dich auf jeden Fall jetzt in Ruhe lassen. Sie werden sich selbst anzeigen. Wahrscheinlich kommt sogar noch ein Schmerzensgeld für dich dabei raus."
„Was?" Ruckartig hob der Isländer den Kopf und sah mich verblüfft an. „Du hast mit Kim gesprochen? Wann?" verlangte er zu wissen. „Gestern in ihrem Studentenwohnheimzimmer. Ich hab ihr gründlich die Meinung gesagt. Nachdem du abgehauen warst", berichtete ich ihm und schaffte es nicht, meinen Vorwurf aus meiner Stimme herauszufiltern. „Ich bin in Panik geraten", gestand Clay geknickt und legte seinen Kopf zurück auf meine Brust, „Der Typ hat mich... echt schockiert." „Das verstehe ich ja, Clay", kam ich ihm entgegen. Eigentlich wollte ich dem Dummkopf noch viel mehr Vorwürfe machen, wollte ihn verachten dafür, dass er von mir zu Travis und dem verfluchten Heroin geflüchtet war. Aber ich verkniff mir das vorerst, denn mir war klar, dass mein Mann schon hart genug bestraft worden war. Lieber nahm ich unser interessantes Gespräch wieder auf.
„Du sagst Kim hat dir in der Dusche einen geblasen. Erinnerst du dich daran, ob du gekommen bist?" konnte ich meine schlüpfrige Neugier nicht zügeln. Clay zeigte mir seine weißen, ebenmäßigen Zähne, als er mich vielsagend taxierte. „Wow, Valmont, das musst du jetzt dringend wissen, was?" neckte er mich spöttisch. „Sag's mir einfach", erwiderte ich verlegen. Banton grinste mich noch eine Weile an und zog frivole Grimassen. Schließlich nickte er seufzend. „Ja, selbstverständlich hab ich irgendwann abgespritzt. Die Kleine war gar nicht so schlecht beim Blasen." „Aber das verstehe ich nicht, Clay. Du hast deinen Höhepunkt erreicht, obwohl sie der Typ aus der Psychiatrie war?" hakte ich verwirrt nach.
Clays neckisches Grinsen starb auf der Stelle. Unwohl bewegte er sich auf mir, wich meinem forschenden Blick aus, als wollte er der Situation und meinen Fragen eigentlich doch lieber entkommen. „Das... ist nicht so einfach zu erklären, Valmont. So was... lässt sich dann nicht trennen... Ich war verflucht geil, da in der Dusche... ich konnte nicht mehr zurück... Es wurde der reinste Horrortrip, trotz Orgasmus..." Clays schöne Stimme war sehr leise geworden, fast schon brüchig. Offensichtlich fiel es ihm extrem schwer, in diesem Punkt ins Detail zu gehen. Darum beschloss ich das Thema fallenzulassen, denn ich wollte meinen Mann auf keinen Fall quälen. Außerdem tat mir allein die Vorstellung von dieser verdammten Kim Flint beim Sex mit Clay in seiner Dusche unverändert weh.
„Was weißt du noch von dem Abend mit Kim?" fragte ich ihn stattdessen vorsichtig, „Was ist nach der Dusche passiert?" Clay schloss genervt knurrend die Augen. Zweifellos gefiel ihm meine Fixierung auf unser Gesprächsthema nicht. Meine Fragen wühlten ihn enorm auf und beschleunigten spürbar seinen gerade erst halbwegs beruhigten Puls. Dennoch versuchte der ungewöhnlich Tapfere angestrengt sich zu erinnern. Eine Weile war es ganz still um uns, während ich seinen hämmernden Herzschlag an meiner Brust spürte, den Druck seiner Rippen gegen meine Brust, wenn er Luft holte, das leichte Zittern in seinen Muskeln wahrnahm, seinen heißen, aufgewühlten, so unfassbar wunderschönen Körper dicht auf meinem liegend. Trotz allem genoss ich seine unmittelbare Nähe unendlich. Meine Arme waren um seinen nackten Leib geschlungen. Tröstend streichelte ich mit einer Hand seinen Rücken, ertastete die Wirbel seines Rückgrats, mit der anderen seinen Nacken und den Hinterkopf. Obwohl er völlig verschwitzt war und sein Gewicht mir eigentlich zu schwer war, hätte ich ihm alle Zeit der Welt gegeben.
„Ich war wieder in der scheiß Psychiatrie...", krächzte Clay nach einiger Zeit spürbar widerwillig, „Irgendwie lande ich da... Jedes verfluchte Mal." Die Erinnerung und wohl genauso die Tatsache verursachten ihm unübersehbar nahezu körperlichen Schmerz. Auch nach all den inzwischen vergangenen Jahren war der Mann manchmal noch immer das neunjährige Kind, das seinen Peinigern hilflos ausgeliefert war. Das tat mir unglaublich leid und ich wünschte fast, ich hätte ihn erst gar nicht danach gefragt. Dieses Thema war extrem unschön. Aber ich konnte meine morbide Wissbegier nicht mehr bremsen. „Das ist ja schrecklich!" entfuhr es mir mitfühlend. „Das kannst du wohl laut sagen", stimmte Clay grimmig zu, „Kanada ist der ätzendste Ort der Welt. Das will ich nie wiedersehen." „Ganz Kanada? Oder nur die Psychiatrie?" fragte ich verwirrt.
Zu meinem Erstaunen quittierte er meine Frage mit einem kurzen, spöttischen Lachen, das mir augenblicklich angenehm warm durch den gesamten Körper fegte. Es faszinierte mich, wie sein ganzer Körper beim Lachen auf mir vibrierte. „Das ist nicht so toll da, Sean", behauptete der Globetrotter grinsend, „Kanada ist nicht das Paradies auf Erden." Kurz küsste er meine Rippen, leckte zärtlich über meine Brustwarzen, was mir ein verblüfftes Ächzen entlockte. „Als Kind hast du Kanada gehasst, weil du zurück nach Island und zu deinem Dad wolltest, Clay. Das verstehe ich. Aber was ich so im Fernsehen gesehen habe, muss Kanada doch richtig überwältigend schön sein. Die Landschaft und so, die weite Natur und alles", erwähnte ich vielleicht ein bisschen naiv. „Kann schon sein", lenkte Clay nachdenklich ein, „Aber ich fand's trotzdem Scheiße da. Die meiste Zeit ist es viel zu kalt und man sieht überall nur verfickte Bäume." „Bäume?" wiederholte ich verdutzt. „Ich hasse Bäume", schnaufte Clay, verdrehte die Augen und schüttelte sich vor Abscheu. Obwohl seine Abneigung ausgerechnet gegen lebensnotwendige, nützliche und schlicht wundervolle Bäume sicher selten und ohne Frage sehr seltsam war, so hatte sie doch bei ihm einen verständlichen Hintergrund. „Gibt es auf Island keine Bäume?" erkundigte ich mich lächelnd und betrachtete ihn voller Zuneigung. Sein Kopf fiel ablehnend zurück auf meine Brust, als er antwortete. „Nein, auf Island gibt es keine Bäume, Sean Valmont", versicherte er mir erschöpft, „Die kannst du an einer Hand abzählen."
Es war klar, dass mein Mann nicht über Island sprechen wollte. Das wollte er ja nie. Wann immer ich Clay nach seinem rätselhaften Geburtsland fragte, blockte er mich total ab. Das war ich gewohnt. Darum hatte ich Kim auch nicht glauben können, als sie behauptet hatte, dass Clay angeblich isländisch für sie gesprochen hatte. Genau dieser Punkt in Kims dummem Geschwätz in dem Wartezimmer fiel mir plötzlich wieder ein. „Sag mal, Clay, hast du echt isländisch für Kim gesprochen?" tastete ich mich extrem vorsichtig an ihn heran. Ich konnte genau spüren, wie sein nackter Körper sich prompt widerstrebend zusammenkrampfte. „Fuck, ja!" schrie er mich förmlich an, ohne mich dabei anzusehen, „Aber das hat nix mehr mit meinem Aussetzer zu tun! Das war nicht mal am gleichen Abend!" „Du hast die blöde Kuh schon öfter getroffen? Etwa in deiner Wohnung? Du hast ehrlich isländisch für die geredet?" entfuhr es mir schockiert, und ich fühlte, wie die brennende Eifersucht in mir hell aufloderte.
Clay stöhnte gestresst, bewegte sich unbehaglich auf mir und richtete sich abrupt auf. „Soll'n wir nicht mal langsam aufstehen...", lenkte er genervt ab. Mein Mann machte Anstalten, sich verärgert von mir zurückzuziehen, aber ich ließ ihn nicht los, sondern drückte ihn hastig mit Armen und Beinen zurück in die liegende Position. Ich wollte noch nicht auf ihn verzichten. Wollte ihn nicht gehenlassen. Dazu genoss ich seine unmittelbare Nähe viel zu sehr. „Sean...", knurrte er widerwillig, als er notgedrungen zurück auf meinen Körper sank. „Schon gut, Clay, ich frag nicht weiter", versprach ich ihm nur widerwillig. „Ich wollte das gar nicht", behauptete er bockig, „Kimberly hat mich verhext. Sie hat dafür gesorgt, dass ich all diese komischen Sachen gemacht habe, isländisch gequatscht und von meinem Dad erzählt... Fuck!" Er schüttelte sich, als könnte er so das bohrende Unbehagen in sich loswerden. „Das ist total Scheiße, Sean! Ich will nicht, dass die all diesen persönlichen Kram von mir weiß!" knurrte er verzweifelt, was mich mit ihm versöhnte, weil es mir klarmachte, dass Clay nichts für Kim empfand und wahrscheinlich in der Tat von der kleinen Hexe überrumpelt worden war. „Die ist total gefährlich", stöhnte er angewidert, „Ich will die echt nicht mehr sehen!" „Du musst sie nicht mehr sehen", versicherte ich ihm sanft und nahm mein tröstendes Streicheln wieder auf, „Sie wird dich in Ruhe lassen." „Hoffentlich", seufzte Clay zweifelnd und schloss die Augen.
Eine Weile war es still, während es heftig in mir arbeitete und mir die Sache keine Ruhe ließ, obwohl ich krampfhaft versuchte davon wegzukommen. „Sagst du was auf isländisch für mich?" flüsterte ich letztendlich mit hämmerndem Herzen und schloss ergeben die Augen. Eigentlich hatte ich das nicht fragen wollen. In diesem Moment machte es mich vermeidbar schwach. Aber irgendwie war die Bitte mir doch entwischt. Wahrscheinlich konnte ich es schlicht nicht ertragen, dass blöde Flint seine ursprüngliche Sprache von ihm gehört hatte und ich noch nie.
Clay seufzte schwer, bewegte sich wieder abwehrend auf mir, zweifellos wollte er lieber aufstehen und weglaufen. Das gefiel mir nicht. Mein geliebter Mensch sollte sich gefälligst bei mir wohlfühlen. Verzweifelt riss ich die Augen auf und schlang meine Arme und Beine noch fester um seinen heißen Leib, um ihn zwangsweise bei mir zu behalten, was fraglos absolut egoistisch von mir war. Ich drückte seinen nackten Hintern mit den Knien unerbittlich gegen mich, weil ich nicht zulassen wollte, dass er sich von mir zurückzog. Viel länger wollte ich ihn in mir spüren. Wollte für immer mit diesem Menschen verbunden sein. Auf jede mögliche Art. Clay wehrte sich eine Weile, aber momentan war ich viel stärker als er, weil er unverändert verletzt war und spürbar mit den Nachwirkungen der vergangenen Nächte kämpfte. Banton konnte sich schon allein wegen seiner ans Bett gefesselten Hand kaum bewegen, er konnte mir nicht entkommen, daher gab er seine Versuche der Gegenwehr schnell auf.
„Drepið mig bara", schnaufte er schließlich aggressiv und sank knurrend auf mich. Er legte seine Wange zurück auf meine nackte Brust, atmete tief und schloss kapitulierend die Augen. Nun lag der Kerl wieder schwer und bewegungslos auf mir. Wir waren nackt, schmutzig und verschwitzt vom wilden Sex, und langsam wurde es kalt in meinem Dachboden. Aber ich hatte nahezu panische Angst davor, die neue, unerwartete Vertrautheit zwischen uns wieder zu verlieren, wenn wir jetzt aufstehen würden. Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn wir uns von meinem sicheren Bett wegbewegen würden, wo er zum ersten Mal mit mir über diese Dinge gesprochen hatte. Obwohl mir klar war, dass wir das irgendwann tun mussten, wollte ich diese gefährliche Ungewissheit unbedingt so lange wie möglich hinauszögern.
Nun war ich völlig erschlagen von der Tatsache, dass ich isländische Wörter von Clay gehört hatte. Damit hatte ich niemals gerechnet. Das war, als hätte mein Mann mir plötzlich einen bislang streng verbotenen Einblick in seine glückliche Kindheit auf Island gewährt, denn diese fremde Sprache fühlte sich auf seiner Zunge auch nach all den Jahren noch unüberhörbar wohl. „Was bedeutet das?" krächzte ich überwältigt. Banton grinste mit geschlossenen Augen. „Das willst du gar nicht wissen, Sean Valmont", behauptete er voller Hohn. „Doch, ich will es wissen!" widersprach ich heftig, denn es verlangte mich nach der Bedeutung. „Aber ich sag's dir nicht", schmetterte Clay mich bockig ab, hob den Kopf und öffnete die Augen.
Nachdenklich betrachtete er meine Nippel, legte mir seine freie Hand auf die Brust und kratzte mit seinen Fingernägeln federleicht über meine Haut. Das verursachte mir prompt eine Gänsehaut und ich erschauderte unter ihm. „Willst du eine zweite Runde?" fragte Clay gelangweilt. Der Isländer sah nicht so aus, als hätte er wirklich Interesse daran. Ich fühlte mich vor den Kopf geschlagen. Außerdem ärgerte es mich enorm, dass er mir die Bedeutung seines kurzen, isländischen Satzes nicht verraten wollte. Kim Flint hat er bestimmt jedes Wort übersetzt, dachte ich angefressen. „Nein, erzähl mir lieber von deinem Aussetzer in der Dusche", erwiderte ich eine Spur zu herrisch, „Was ist danach passiert?" Vielleicht wollte ich ihn damit sogar irgendwie bestrafen. Clay hob den Blick und schaute mir direkt in die Augen. „Warum willst du das unbedingt wissen?" fragte er verständnislos, „Was ist denn daran so faszinierend für dich?" „Ich möchte dich verstehen", erklärte ich ihm, woraufhin er verächtlich schnaufte. „Du wirst mich niemals verstehen, Valmont. Ich verstehe mich ja noch nicht mal selbst." „Je mehr du mir von dir erzählst, umso einfacher wird es", behauptete ich, obwohl ich in Wahrheit nicht der Meinung war, dass dieser Satz in Clays Fall stimmte. Diese Logik funktionierte bei ihm nicht. Genaugenommen wurde alles nur komplizierter.
Aber Clay nickte, als wäre das einleuchtend für ihn. Erneut suchte er in seinem Gedächtnis sichtbar mühsam nach einer Erinnerung, die er wohl aus Angst sehr tief in sich vergraben hatte. Man konnte ihm tatsächlich ansehen, wie angestrengt er in sich nach den verhassten Bildern forschte. Das rührte mich so sehr, dass ich ihn dringend dafür küssen wollte. „Also ich bin irgendwann aus der Dusche gefallen... das hat wehgetan... ich war in der Psychiatrie... die hatten mich wieder in ihr winziges Besinnungszimmer gesperrt..." Er stockte und starrte mich panisch an. Ich konnte spüren, wie seine Muskeln sich abwehrend verhärteten. Sein Herz schlug sogar härter. Diese Szenen in seinem Kopf waren zweifellos enorm quälend für ihn. Noch einmal tat es mir leid, ihn dazu gedrängt zu haben.
„Was ist das Besinnungszimmer?" fragte ich behutsam. „Eine scheiß Gummizelle", blaffte er zornig, weil unwillkürlich Wut in ihm hochkam, die ich diesmal nur allzu gut verstand, „Es ist stockdunkel da drin. Alles ist überall gepolstert, damit man sich bloß nicht verletzen kann. Ich habe... pausenlos die Wände abgetastet... dagegen geschlagen... einen Ausweg gesucht... aber es gab nie einen..." Sein Gesicht bekam einen dermaßen gequälten Ausdruck, dass es mir das Herz zerriss. „Clay...", sagte ich hilflos, hob hastig die Arme und streichelte tröstend über sein verzerrtes Gesicht. Der Mann war so verdammt wunderschön und ich wollte nicht, dass er so sehr litt. Gleichzeitig konnte ich aber auch meine zweifelhafte Neugierde nicht stoppen. Es war eine grausame Zwickmühle, in der ich mich befand. Eine böse Faszination, die mich unermüdlich in seine traumatische Vergangenheit drängte. Nicht mal der Sex mit ihm hatte mich davon abhalten können, ihm immer wieder diese Fragen zu stellen. Es schien mir von grundlegender Wichtigkeit für unsere zukünftige Beziehung zu sein, so viel wie möglich von ihm zu erfahren.
Es überwältigte mich vollkommen, dass der verschlossene Typ wahrhaftig mit mir darüber redete. Das hatte ich noch nie erlebt. Noch nie hatte er mir auf diese Weise vertraut. Er hatte sich mir noch nie anvertraut. Nach dem Sex konnte ich mich erst recht nicht beherrschen. Es machte mich völlig verrückt, dass mein Mann mir zum ersten Mal wahrhaftige Antworten gab. Diese überraschende Tatsache konnte ich zweifelsfrei kaum verarbeiten. Wie von Sinnen stürzte ich mich auf das Thema, in dem unbedingten Bedürfnis, so viel wie möglich für mich rauszuholen, bevor er seine Meinung änderte und sich mir wieder verschloss. Das es nur eine Frage der Zeit war, bis seine innere Klappe abermals zufiel, war mir die ganze Zeit bewusst. Clay war schon als Kind ein starker Kämpfer, hämmerte es unangebracht bewundernd in meinem Hinterkopf, er hat Grausamkeiten überlebt, an denen andere mit Sicherheit restlos zerbrochen wären.
„Warum musstest du in das Besinnungszimmer?" wollte ich wissen und betrachtete ihn voller Achtung und Zuneigung. Er erwiderte meinen Blick. Seine Pupillen wurden zunehmend schwarze Tiefen, weil dieser existenzielle Zorn in ihm aufflackerte, den ich schon in Elizas Badezimmer gesehen hatte. „Das erste Mal kurz nach meiner Ankunft, als Strafe, weil ich sofort abhauen wollte. Danach weiß ich es nicht. Sie haben mich andauernd da reingewofen. Ich war stundenlang da drin eingesperrt. Die ganze Nacht... Den ganzen Tag... keine Ahnung... Manchmal kam eine Psychologin rein, die versucht hat mich zu trösten", erinnerte Clay sich. „Die Psychologin wollte dich trösten?" horchte ich sofort auf, „Konnte die dir denn nicht helfen, verdammt?" „Nein, konnte sie nicht", meinte er überzeugt, „Die Frau... wollte mich nicht... sie hat nur..." Er brach ab und wich unbehaglich meinem aufgeregten Blick aus. „Was hat sie mit dir gemacht?" krächzte ich, plötzlich voll mit dunklen, grausamen Ahnungen.
Das Thema war dermaßen unerfreulich, dass ich das Gefühl bekam, es vielleicht doch nicht bis zum Ende ertragen zu können. Womöglich wurde es trotz meiner unverändert brennenden Wissbegierde langsam Zeit für mich, mein heikles Verhör zu beenden. Ich wollte mir nicht vorstellen müssen, wie der neunjährige Clay Banton in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Kanada acht Wochen lang misshandelt worden war. Aber diese Bilder tauchten unwillkürlich in meinem Kopf auf und schienen zunehmend unerträglich zu werden. Wie schlimm musste es da erst für Clay sein darüber zu sprechen, der diese unfassbaren Verbrechen als Kind tatsächlich erlebt hatte.
„Ich war nackt, Sean", blaffte er zwischen Wut, Scham und Trotz, „Ich war fast immer nackt. Die hat mich angefasst." Obwohl ich es irgendwie geahnt hatte, stöhnte ich entsetzt auf. „Verdammt!" entfuhr es mir verzweifelt. Aber Clay schüttelte den Kopf. „Nein... das war anders mit der... die hat mir... nicht wehgetan... ich weiß nicht...", stammelte er unwohl. Seine Augen fingen an durch das Zimmer zu huschen. Fraglos suchte er einen Ausweg aus dieser beschämenden Situation. „Die Psychologin hat dich missbraucht", betonte ich ärgerlich, „Sie hat deine Seele zerstört. Sie war genauso ein Verbrecher wie alle anderen!" „Nein, das war nicht...", beharrte er, brach aber ab, als er meinen Blick registrierte. Überstürzt drehte er sich von mir weg, so weit er es konnte. Sofort hielt ich ihn wieder mit meinen Beinen und Armen fest, presste seinen nackten Leib stur gegen meinen, bis er den Kopf schüttelte und grinsend keuchte: „Willst du mich heute gar nicht mehr gehenlassen, Sean Valmont?" „Hast du diese Psychologin in deiner Wohnung auch gesehen?" erkundigte ich mich, ohne auf seine berechtigte Frage einzugehen. Clay verdrehte spöttisch die Augen, weil ich ihm so elegant ausgewichen war und ihn verbissen dazu zwang auf mir liegen zu bleiben. „Ich glaube ja", gab er widerstrebend zu, „Ich erinnere mich, wie ich irgendwann in der Ecke saß und dachte, die Psychologin wäre bei mir. Wie damals hat die Frau pausenlos auf mich eingeredet. Aber ich habe kein Wort verstanden. Sie hat die fremde Sprache benutzt. Genau wie alle anderen. Wahrscheinlich war es in Wahrheit Kimberly." Sein Schnaufen schwankte zwischen Zorn, Verachtung und Verzweiflung.
„Aber das verflüchtigt sich wieder, Sean", erklärte er ungeduldig, „Alles mischt sich. Es ist nicht so eindeutig, dass ich die ganze Zeit an einem Ort bin oder das und das sehe oder es der Reihe nach ablaufen würde. In meinem Kopf herrscht dann nur noch Chaos. Das ist total bedrohlich. Es sind Bilder aus der Vergangenheit, die ich niemals sehen will. Die Szenen füllen mich immer mehr aus. Bis ich in Panik gerate, weil ich nicht mehr weiß, was real ist. Es hat mich komplett verrückt gemacht, nicht zu wissen was um mich herum abgeht. Das hat mich richtig sauer gemacht. Da waren zu viele Menschen. Alle wollten irgendwas von mir. Ich konnte sie nicht verstehen. Alle haben mich angefasst. Ich will nicht angefasst werden. Ich wollte nur in Ruhe gelassen werden."
Aufgeregt schnappte er nach Luft. Sein Körper bewegte sich nervös auf meinem, auf der ständigen Suche nach einem Fluchtweg. „Das tut mir so leid", beteuerte ich nochmal, aber er schüttelte unzufrieden den Kopf. „Hör auf damit, Valmont. Es ist nicht deine Schuld, dass ich ein verfluchter Psycho bin!" wollte er mir klarmachen. Nun war es an mir, energisch den Kopf zu schütteln. „Es ist auch nicht deine Schuld, Clay. Du bist kein verfluchter Psycho. Du bist als Kind schwer misshandelt worden. So etwas steckt niemand so einfach weg", erklärte ich ihm. Seine Augen verengten sich. „Ich bin es, der plötzlich den Verstand verliert und total durchdreht. Ich allein. Niemand anders. Es ist meine Schuld", meinte er tatsächlich. Verzweifelt strich ich ihm über das verschwitzte, aufgewühlte Gesicht. Er war so schön, dass ich es nicht begreifen konnte. „Nein, du bist nicht schuld daran, Clay. Andere haben dir das angetan. Du bist das Opfer von total schlimmen Verbrechen geworden. Die haben damit deine Psyche schwer verletzt. Aber du kannst es schaffen, das zu verarbeiten. Du kannst es überwinden. Dazu brauchst du nur viel Zeit und die richtige Hilfe, verstehst du?" versuchte ich engagiert zu ihm durchzudringen.
Aber schon während meiner Erklärung konnte ich dabei zusehen, wie seine emotionalen Mauern sich blitzschnell aufs Neue in ihm aufbauten. „Ich gehe in keine Psychiatrie mehr, klar? Das geht nicht, Sean. Ich ertrage das nicht nochmal. Kapierst du das denn nicht?" knurrte er wütend und verständnislos. „Du könntest auch eine ambulante Therapie machen", schlug ich hastig vor, „Dann bist du doch nirgendwo eingesperrt." „Du kapierst es einfach nicht!" schrie Clay fassungslos, sodass ich erschrocken zusammenzuckte. Seine Augen waren dunkle Höhlen, als er sie vorwurfsvoll auf mich richtete. „Das kann dir echt helfen, Clay!" versicherte ich ihm, „Mit der richtigen Therapie kannst du..." „Der Scheiß hilft mir kein bisschen!" widersprach er zornig. „Aber das weißt du doch nicht", seufzte ich traurig. Er blies verächtlich Luft aus. „Ich hab das schon viel zu oft mitgemacht, Sean! Da wird immer nur gequatscht! Die wollen alles über mich wissen! Jedes Mal soll ich denen alles über mich verraten! Aber ich will darüber nicht sprechen!" fauchte er aggressiv. „Du hast mit mir darüber gesprochen. Das war sehr mutig von dir", wandte ich anerkennend ein, in der naiven Hoffnung, dass es ihm vielleicht geholfen hatte sich mir anzuvertrauen. Aber Clay machte meine vage Hoffnung sofort zunichte, indem er mein Gesicht mit einem höhnischen Spuckeregen besprühte. „Ja, weil du mich dazu gezwungen hast, Valmont! Du hast doch nicht locker gelassen! Genau wie Siamak. Der hat mich auch gezwungen mit diesem scheiß Professor zu reden. Stundenlang haben die beiden Kerle mich ausgequetscht. Die haben mir keine Wahl gelassen. Ich musste denen alles über meine scheiß Vergangenheit erzählen. Mein ganzes verfluchtes Leben musste ich vor ihnen ausbreiten." Clay ließ keinen Zweifel daran, wie wenig ihm das Gespräch in der Psychiatrie gefallen hatte.
„Clay...", sagte ich hilflos und musste es hinnehmen, als seine innere Klappe endgültig zufiel. „Ich hab dir schon zu viel gesagt, Sean. Aber du kapierst es ja doch nicht. Niemand kapiert es. Nicht mal ich kann es kapieren. Ich hab jetzt keinen Bock mehr!" Mein überraschend redseliger Mann verwandelte sich innerhalb von Sekunden zurück in das verschlossene, verstörte, zornige, bockige Kind. Eventuell hatte ich ihn einfach zu lange provoziert. Seine Schmerzgrenze schien mit einem Mal weit überschritten zu sein. Mit aller Gewalt wollte er sich zurückziehen, versuchte seinen Unterleib von mir zu lösen, aber ich drückte meine Knie instinktiv fest gegen seinen muskulösen Arsch, klammerte meine Arme um seinen breiten Rücken und erlaubte ihm keine Regung. „Nein, bleib bei mir", jammerte ich deprimiert, „Bitte bleib noch, Clay! Bitte erklär es mir doch! Ich möchte dich so gerne verstehen!" „Lass mich endlich los, Valmont", knurrte er genervt, „Das wird mir langsam zu eng und heiß in dir!" Leider hatte er recht, unsere verspannte Lage wurde mit der Zeit unbequem, es war zu heiß zwischen uns und zu kalt im Zimmer. Es wurde anstrengend, den starken Mann gewaltsam am Aufstehen zu hindern.
„Fuck!" fluchte Clay ungeduldig und brach abermals keuchend auf mir zusammen, „Wie lange willst du mich noch hier festhalten, verdammt? Was soll denn der Scheiß? Mir ist kalt, Sean!" Seine Stimme war ein zorniges Fauchen. Schweren Herzens musste ich einsehen, dass mein Mann sich innerlich längst weit von mir entfernt hatte. Deshalb ergab es keinerlei Sinn mehr, seinen Körper zwangsweise auf mir festzuhalten. Banton würde jetzt keine Fragen mehr beantworten. Meine unerwartete Chance war vertan. Wahrscheinlich hatte ich sowieso alles falsch gemacht, die dümmsten Fragen gestellt und völlig verkehrt auf seine Antworten reagiert. Dieser Gedanke frustrierte mich enorm.
„Wir können uns zudecken...", schlug ich hastig vor und deutete mit den Augen an ihm vorbei auf meine Steppdecke, die zusammengeknüllt am Fußende des Bettes lag. „Nein, vergiss es! Ich will aufstehen!" widersprach er grob mit glühenden, drohenden Augen. „Okay, du hast recht. Tut mir leid, Clay", lenkte ich unglücklich ein und löste meine inzwischen schmerzhaft verkrampften Arme und Beine widerstrebend von seinem wundervoll durchtrainierten Körper. Ich hatte mich so eng an ihn geklammert, dass unsere Haut auf ganzer Länge zusammenklebte. Auch wenn ich es nicht wollte, musste ich den kranken Isländer ohnehin irgendwann loslassen. Wir konnten nicht endlos gemeinsam auf der Matratze liegenbleiben, obwohl das in diesem Moment wahrhaftig mein einziger Wunsch war. Ich wollte mit ihm auf meinem Bett bleiben, bis es mir gelingen würde zu ihm durchzudringen. Bis ich das Gefühl haben würde, ihn wenigstens halbwegs zu verstehen. Aber vielleicht würde das nie passieren. Und der schwierige Mann hatte mir mehr als deutlich gemacht, dass unser Gespräch beendet war. Es gab also mittlerweile keinen Grund mehr ihn noch länger bei mir zu behalten.
Außer vielleicht der unabänderlichen Tatsache, dass ich diesem fantastischen Menschen für immer so nah sein wollte. Ich wollte unbedingt das Gewicht seines attraktiven Leibes auf mir fühlen, die angenehme Wärme, die er ausstrahlte, die Zartheit seiner Haut auf meiner, die Knochen und Muskeln, die tiefen Atemzüge seines Brustkorbs, sein wütend schlagendes Herz. Körperlich waren wir uns nach wie vor extrem nahe, ich spürte ihn sogar in mir. Aber mir war klar, dass er sich emotional rapide von mir entfernte. Dagegen konnte ich nichts mehr tun, obwohl es furchtbar schmerzte. Notgedrungen ließ ich ihn zögerlich los.
„Sei bitte vorsichtig", bat ich ihn, als er sich sofort spürbar erleichtert aufrichtete, sobald ich meinen Griff um ihn gelockert hatte. Es kränkte mich, wie spürbar dringend er unsere höchst intime Verbundenheit beenden wollte, wie stark es ihn von mir wegzog. Clay griff hinunter und hielt das Kondom fest, als er sich zu hastig aus mir herauszog, eine ihm einprogrammierte Vorsichtsmaßnahme. Sofort entledigte er sich des Gummis. Er zog es hastig ab und warf es angewidert weit von sich weg, was mir gigantisch wehtat. Das Kondom landete auf dem Bretterboden meines Zimmers. „Mach mich endlich los!" verlangte er ärgerlich, weil die Handschellen ihn noch immer sehr in seiner Bewegungsfreiheit einschränkten. Der Kerl wich meinem Blick aus. Seine Augen huschten ruhelos durch den Raum. Clay Banton war unübersehbar wütend auf mich. Weil ich versucht hatte ihm zu helfen. Ihm geduldig zugehört hatte. Mir freiwillig seine unvorstellbare Last aufgebürdet hatte in dem bedingungslosen Verlangen danach, diesen schwer verletzten Menschen besser zu verstehen. Nichts davon wusste er auch nur ansatzweise zu würdigen. Das war nur schwer zu ertragen. „Tut mir leid", sagte ich frustriert, „Ich wollte dich nicht nerven." „Ach, komm schon, Valmont", zischte er spöttisch, „Halt doch einfach die Klappe!"
Clay
Ich war total angepisst. Weil Sean Valmont es irgendwie geschafft hatte, mir all diese persönlichen Informationen zu entlocken, die ich ehrlich niemals jemandem geben wollte. Ich wollte diesen uralten Dreck nicht mit jemandem teilen. Warum auch? Schließlich war das alles schon Ewigkeiten her. Na gut. Zugegeben. Zeitweise hatte es sich merkwürdig gut angefühlt, mit dem Mann über diese Sache zu sprechen, die ich eigentlich nie erwähnen wollte. Ich wollte sie ja nicht mal in meinem verfluchten Schädel haben. Leider tauchte sie trotzdem unregelmäßig in meinem Kopf auf. Ohne mein Zutun. Bisher war es mir noch nicht gelungen, den Scheiß endgültig loszuwerden. Es fühlte sich seltsam befreiend an, diese Worte zum ersten Mal vor einem anderen Menschen auszusprechen. Zweifellos hatte es unserem wilden Sex eine geil-morbide, wohltuend-schmerzhafte, nagelneue Seite verliehen. Das hatte mich fasziniert. Tierisch sexuell erregt. Ja, ich hatte ordentlich abgespritzt.
Aber jetzt war ich nur noch frustriert darüber. Ich fühlte mich von ihm auf ganzer Linie besiegt. Er hatte mich hinterrücks zu Boden geschlagen. So emotional gesehen. Sean Valmont hatte die sorgsam verborgenen Geheimnisse hinterhältig aus mir hervorgelockt. Fuck, der Wichser hatte die ganze Wahrheit aus mir rausgesaugt. Wie ein verdammter Vampir. Das war ein total seltsamer, verstörend intensiver und anal-brutaler Fick mit dem Mann gewesen. Eine raue Mischung aus brennendem Zorn und hemmungsloser, dominanter Geilheit, die ich nie zuvor erlebt hatte. Schon gar nicht mit Valmont, der eigentlich eher der Kuscheltyp war. Hätte nie geglaubt, dass Sex mit dem mal so ablaufen könnte. Auf so eine komische Art. Mit so viel loderndem Hass in der Seele und gleichzeitig so viel neuer, tief empfundener Zuneigung. Diese enorm enge Verbundenheit mit Sean Valmont. Körperlich und psychisch. Da war was völlig Fremdes zwischen uns. Das war total Furcht einflößend.
Ich wusste nicht, wie das überhaupt hatte passieren können. Die sonderbare Sache machte mir zunehmend Sorgen. Es gefiel mir nicht, dass der verdammte Typ jetzt so viel über mich wusste. Ausgerechnet diese Episode meines Kinderlebens, die mich so sehr geschädigt hatte, dass ich mich dafür schämte. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Kanada hatte mich zweifellos in einen verflucht gewalttätigen, unberechenbaren Irren verwandelt. Ich hatte keine Ahnung, warum ich mich überhaupt auf Seans Verhör eingelassen hatte. Irgendwie hatten die bisher nie gegebenen Antworten plötzlich aus mir heraus gewollt. Der clevere Professor hatte mich mit heißem Sex gefügig gemacht, seine herausragende und umfassend studierte Intelligenz gegen mich eingesetzt, irgend sowas. Zweifellos war das spannend und befriedigend gewesen. Auf eine verflucht anstrengende und höchst beängstigende Art.
Aber danach war ich nur noch wütend. Der verdammte Kerl wollte mich gar nicht mehr aufstehen lassen. Wahrscheinlich wollte er ewig unter mir auf seinem Bett liegenbleiben. Valmont fühlte sich auf seiner schmalen Matratze anscheinend so wohl, dass er mich ernsthaft da festhalten wollte. Mit seinen starken Armen und Beinen presste er mich gewaltsam gegen seinen attraktiven Körper. Er krampfte seine muskulösen Extremitäten schmerzhaft in mein Fleisch, bis meine Phobien zuschlugen und ich nahe daran war die Nerven zu verlieren. Mann, ich war nackt! Wir waren beide nackt, verdammt nochmal! Meine Haut war vorne zu heiß von seiner Körperwärme und hinten kalt von der Luft in der Dachkammer. Ich fühlte mich schmutzig vom Schweiß und klebrig von seinem Sperma. Bei seinem Höhepunkt hatte er es über sich selbst gespritzt, was gigantisch erregend gewesen war und meinen eigenen Orgasmus nicht unwesentlich verstärkt hatte. Trotzdem wollte ich sein warmes Zeug nicht unbedingt auf meiner Haut spüren. Aber Valmont drückte mich hartnäckig hinein, klebte meine Haut an ihm fest, weil ihn das anscheinend antörnte. Er verteilte es zwischen unseren nackten Körpern und stellte mir noch mehr Fragen über Intrusionen und meine Zeit in Kanada. Das scheinbar nie endende Thema ging mir langsam schmerzhaft an die Substanz. Sean drang so enorm tief in mich ein, dass ich mich zunehmend von ihm ausgehöhlt fühlte.
Als er später endlich seine Neugier zügelte und den steinharten Klammergriff um mich löste, war ich nur noch eine leere Hülle. Ich musste dringend weg von dem gefährlichen Kerl, weg von seiner bedrohlichen Faszination für meinen Wahnsinn und seinen mich pausenlos verschlingenden, hellblauen Augen. Valmont fing an von Therapien zu quatschten und das war dann der Punkt, an dem ich endgültig genug hatte. Ich konnte es nicht ertragen. Das gab mir wirklich den Rest. Es lief doch immer irgendwann darauf hinaus, dass ich abgeschoben werden sollte, jedes verdammte Mal. Sie schickten mich dahin, wo man mir angeblich helfen konnte. Nur das mir nie geholfen wurde. Alles wurde immer nur schlimmer.
„Mach mich endlich los, verflucht!" schrie ich Sean unbeherrscht an, weil ich mit den Handschellen unverändert am oberen Bettgestell festhing und das kaum noch tolerieren konnte. Mein Fluchtinstinkt war übermächtig. Mein aufgeschürftes Handgelenk schmerzte. Meine von zu vielen falschen Fragen böse aufgerissene Seele brannte lichterloh. „Beruhige dich, Clay", erwiderte er sanft, „Niemand will dir etwas tun." „Du willst mich in eine scheiß Anstalt stecken!" blaffte ich zornig, weil ich mich nicht besser im Griff hatte. Mittlerweile hatte er mir dermaßen zugesetzt, dass ich nur noch instinktiv auf ihn reagieren konnte. Das waren automatische Schutzmechanismen. Tief drinnen war mir klar, dass mein Freund gar nicht vorhatte mich loszuwerden. Im Gegenteil. Er wollte mich unbedingt bei sich behalten. Wahrscheinlich für immer.
Seine Augen weiteten sich erschrocken. Hastig richtete er sich auf und kroch neben mich, um mit seinen Händen besänftigend über mein Gesicht zu streicheln. „Nein, Clay, das verstehst du falsch", beteuerte er unglücklich, „Hier passiert gar nichts ohne deine Zustimmung." Ich wünschte, ich hätte ihm irgendwie ausweichen können. Seiner Besorgnis und seiner Berührung entkommen können. Aber ich war unverändert ans Bett gefesselt. Er hatte mich in diese beschissene Lage gebracht. Darum war ich stinksauer auf ihn. Nochmal zerrte ich demonstrativ an den Handschellen, was richtig doll wehtat. „Ja, das sehe ich, dass hier nichts ohne meine Zustimmung passiert", fauchte ich voller Hohn. „Warte, ich hole den Schlüssel", lenkte Sean sofort schuldbewusst ein. Langsam kroch der große Typ vom Bett herunter, stand auf und lief zu seiner schwarzen Jeans, die er im Laufe unseres Sexabenteuers achtlos auf den Boden geworfen hatte.
Auf dem Weg dahin musste der Ordnungsfanatiker sich allerdings unbedingt noch um das Kondom kümmern, was ich ziemlich unhöflich entsorgt, weil quer durch sein Zimmer geschleudert hatte. Er hob das peinlich benutzte Gummi wahrhaftig auf und warf es in den Papierkorb. Dann sammelte er seine Stiefel ein und stellte sie ordentlich nebeneinander vor das Bett. Er nahm sein schwarzes Sweatshirt und die Unterwäsche und legte sie gefaltet neben die Stiefel. Nicht zu fassen, wie viel Zeit der Typ sich zum Aufräumen nahm, obwohl ich auf heißen Kohlen wartete.
Während Sean schließlich auf dem Fußboden hockte und in den Taschen seiner Hose kramte, starrte ich ihn fassungslos an. „Warte mal, du hast den Schlüssel für die Handschellen in deiner Jeans?" entfuhr es mir schrill, „Du hast das Teil ernsthaft mit zur Arbeit genommen?" Valmont nickte grinsend, was mich herbe vor den Kopf stieß. „Also konnte Marc mich vorhin gar nicht losschließen!" begriff ich schlagartig. Entgeistert fixierte ich den überdurchschnittlich attraktiven Mann auf dem Bretterboden der Dachkammer. Sean lächelte mich amüsiert an, was mich noch wütender machte, weil es mir das Gefühl gab, dass der Kerl mich gar nicht ernst nahm. „Was wäre denn passiert, wenn ich gestorben wäre, hä? Du hattest doch die ganze Zeit Angst davor, dass ich sterbe, Sean, oder nicht? Wenn ich jetzt einen Atemstillstand erlitten hätte und Marc hätte einen Arzt rufen müssen, hätten die mich dann gar nicht ins Krankenhaus bringen können? Hätten die das Bett mitnehmen müssen, Sean? Weil ich da angekettet war?" regte ich mich ziemlich konfus auf.
Es fiel mir schwer, meine Gedanken beieinander zu halten, sie irrten wie wild hin und her, und das hörte man blöderweise auch. Valmont fand mein wirres Gequatsche total lustig. Er fing wahrhaftig an zu lachen, der verfluchte Arsch. Seine hellblauen Augen blitzten belustigt. „Es war dir egal, ob ich gefesselt sterbe? Hast du nicht deswegen die ganze Nacht an meinem Bett gesessen, Sean Valmont? Weil du Angst vor meinem Tod hattest?" beschwor ich ihn förmlich, und in diesem Moment begriff ich erst richtig, dass mein Freund das tatsächlich für mich getan hatte. Plötzlich berührte mich seine Sorge um und seine Aufopferung für mich so tief drinnen, dass mir ungewollt Tränen in die Augen stürzten, obwohl das total schwach war und ich nichts davon verstand. „Du wolltest nicht, dass ich sterbe, oder, Sean? Das hast du doch nicht gewollt...", keuchte ich zwischen Verwirrung, Panik, Hilflosigkeit und Wut. Wie ein Idiot hockte ich angekettet, mit angezogenen Beinen auf seiner Matratze und taxierte ihn, als könnte er mir irgendwie helfen.
Sein Lachen starb auf der Stelle. Mit einem überraschend kräftigen Satz war Valmont wieder auf den Beinen und eilte aufgeschreckt zu mir hin. „Ja, Clay, ich will nicht, dass du stirbst! Natürlich will ich das nicht! Du bist alles für mich!" versicherte er mir eindringlich, robbte hastig über sein Bett und schloss besitzergreifend seine Arme um mich. Sanft drückte er mich gegen sich und küsste zart meinen Kopf. Als wäre ich ein kleiner Junge, den er dringend trösten musste. Das gefiel mir nicht. Ich wollte nicht so erbärmlich sein. Verärgert wich ich ihm aus und wischte mir mit der freien Hand die peinlichen, mädchenhaften Tränen aus den Augen. „Also hatte Marc gar keinen Schlüssel, oder wie?" Die Sache ließ mir keine Ruhe, obwohl das doch mittlerweile völlig belanglos war. Sean lächelte und küsste meine stoppelige Wange. „Doch, es gibt zwei Schlüssel, Banton. Marc hat auch einen, für alle Fälle", informierte er mich friedlich.
Wie aufs Stichwort klopfte auf einmal unten jemand gegen die Wand der Treppe, die hinauf in Valmonts Dachzimmer führte. „Sean?" hörten wir Hellbergs zaghafte Stimme rufen, der offenbar unten am Aufgang stand. Sean zuckte zusammen und starrte mich schockiert an. Daran, wie rot sein hübsches Gesicht wurde, konnte ich zweifelsfrei ablesen, dass ihm blitzartig einfiel, wie laut und hemmungslos wir gerade beim Sex geworden waren. Diesmal hatte mein Partner wohl recht mit seiner schamvollen Schüchternheit. Es war schlicht unmöglich, dass seine beiden Mitbewohner uns nicht beim Erklimmen des sexuellen Gipfels zugehört hatten. Das hatte unter Garantie die ganze Straße mitgekriegt, wie ich ihn angeschrien hatte und wie gewaltig wir letztendlich gekommen waren. Allerdings fand ich diese Tatsache eher lustig als beschämend und grinste ihn daher frivol an.
„Was ist denn?" rief Sean ärgerlich die Treppe hinunter. „Ähm... wollt ihr zwei mit uns zu Mittag essen?" fragte Marc höflich, gastfreundlich und mitfühlend wie eh und je. Valmont guckte mich fragend an, also schüttelte ich energisch den Kopf, weil ich echt keinen Bock darauf hatte, Marc oder Vincent in nächster Zukunft zu begegnen. Schon gar nicht wollte ich mit den beiden nervigen Typen an einem Tisch sitzen und mir neue Vorwürfe anhören müssen. „Nein, ist schon gut, Marc. Wir essen später was", informierte der Hausherr seinen Freund daraufhin, der mit Sicherheit für mich mitgekocht hatte, so wie ich ihn kannte. „Ja, okay, das wollte ich nur wissen", seufzte Marc unverkennbar enttäuscht unten am Treppenaufgang. Danach sagte Hellberg nichts mehr, wahrscheinlich ging er zurück in die Küche.
Einen Moment lang war es ganz still im Raum. Mein Herz schlug zu schnell. Es hämmerte in meinen Ohren. Noch immer hing ich am metallenen Bettgestell fest und ärgerte mich, dass ich nicht die Klappe gehalten und so Sean irgendwie daran gehindert hatte, sofort seinen Schlüssel zu benutzen. „Hör mal bitte gut zu, Clay Banton", meinte Sean plötzlich zu mir und guckte mich bedeutungsvoll an. Seine fantastisch hellblauen Augen waren mit einem Mal todernst. Sofort stellten sich mir die Nackenhaare auf, so alarmiert war ich. Valmont saß neben mir auf dem Bett und betrachtete mich interessiert von oben bis unten. Wir waren nach wie vor nackt, und ich wollte in diesem Moment auf keinen Fall hören, was er mir so Dringendes zu sagen hatte, deshalb knurrte ich hastig: „Fuck, mir ist scheiße kalt, Mann! Ich muss mich anziehen!"
Zum Glück verstand der Professor meinen Wink mit dem Zaunpfahl und schluckte seine gewichtigen Wörter vorerst hinunter. „Aber zuerst musst du duschen, hör mal, du kleiner Dreckspatz", lächelte er gutmütig, hob die Hand und legte sie auf meinen Bauch, der mit seinem warmen Sperma bekleckert war. Seine Finger wischten so zart auf meiner klebrigen Haut herum, dass ich eine Gänsehaut davon bekam. „Wir müssen beide erstmal duschen, Clay...", flüsterte er atemlos und verheißungsvoll in mein Ohr. Der Kerl küsste es, wanderte vorsichtig mit seinen Lippen an meinem Kiefer hinab und leckte mit seiner heißen, nassen Zunge zärtlich über meinen Hals. „Ja, das stimmt", gab ich heiser zu, „Aber bitte, mach mich endlich von deinem scheiß Bett los!" „Wirst du dann weglaufen?" fragte Sean mich traurig. Nochmal küsste er meine Wange, dann meine Ohrmuschel. Er legte seinen Arm um mich und streichelte liebevoll über meine Brust. Seine Finger umkreisten zart meine Nippel. „Nein, ich laufe nicht weg, Valmont", stöhnte ich genervt, obwohl ich mir in diesem Punkt gar nicht so sicher war. Er anscheinend auch nicht, darum zögerte er damit, seinen scheiß Handschellenschlüssel zu benutzen, der noch immer in seiner Jeans steckte.
„Okay, hör mal, Sean", seufzte ich erschlagen, „Ich verspreche dir, dass ich nicht sofort weglaufe. Ich... dachte wir wollen jetzt duschen..." Der Gedanke an behaglich warmes Wasser gefiel mir, denn inzwischen war ich total durchgefroren. Der geizige Professor hatte in seinem Dachzimmer mal wieder die Heizung nicht weit genug aufgedreht. Außerdem hatten Valmonts sanfte Zärtlichkeiten eine gewollte Wirkung auf mich. Ich dachte daran, dass es schön wäre, ihn noch auf eine andere Art zu spüren. Eine zärtliche, nicht ausschließlich triebgesteuerte Art. Ohne das drängende, sexuelle Verlangen. Ohne diesen brennenden Hass in der Seele und dem großen Zorn im Herzen. Ohne nervenaufreibende, schmerzende Gespräche. Ich sehnte mich wahrhaftig nach körperlicher Liebe.
„Willst du mit mir zusammen duschen, Clay Banton?" fragte Sean Valmont süß scheu. Ich nickte, weil alles besser war als noch mehr seiner böse stechenden Fragen zu beantworten. „Okay, ich vertraue dir", wisperte der Blonde in mein Ohr, schob sich erneut von der Matratze herunter und ging zu seiner Jeans, die unverändert auf dem Boden lag. Gebannt schaute ich dabei zu, wie er den kleinen, silbernen Schlüssel hervorkramte und damit zurück zum Bett kam. Als der Tänzer mich letztendlich von den Handschellen befreite, schlug mir mein aufgeregtes, überdrehtes Herz bis zum Hals. Nervös rang ich nach Luft. Meine Muskeln zuckten angespannt. Ich musste dem gigantischen Impuls widerstehen, augenblicklich vom Bett aufzuspringen und unverzüglich das Weite zu suchen. Aber dagegen sprachen eindeutig mein Versprechen, mein Bedürfnis nach... weiß nicht genau, meine fehlenden Klamotten und der schmutzige Zustand meines Körpers.
Also ließ ich es bleiben und zog mir lieber die Schlafanzugjacke wieder an, die noch immer an meinem rechten Arm hing, weil ich sie vorhin wegen der Handschellen nicht ganz hatte ausziehen können. Während ich das Oberteil mit zitternden Fingern zuknöpfte, suchten meine Augen hektisch nach der Pyjamahose und meiner Unterhose, um mich von meinen wirren Gedanken abzulenken. Beides lag auf dem Boden. Hastig stand ich auf, bückte mich danach und zog überstürzt Slip und Hose an, bevor mir plötzlich einfiel, dass das totaler Quatsch war, weil ich doch zuerst mit Valmont duschen wollte. Genervt sank ich zurück auf die Matratze, fiel nach hinten und stieß mir den Kopf an dem schrägen Dachbalken an, weil ich es wahrscheinlich niemals lernen würde, dass da eine schräge Wand war. Sean hatte mich die ganze Zeit versonnen lächelnd beobachtet.
„Fuck!" stöhnte ich angefressen. „Was ist denn los?" erkundigte der Studierte sich sanft. „Ich habe mich angezogen, obwohl wir duschen müssen. Jetzt... ist alles klebrig...", gab ich zu, weil ich seinen teuren Schlafanzug wegen der Wichse und dem Schweiß auf meiner Haut unachtsam versaut hatte. Aber Sean lachte nur. „Mach dir keine Sorgen, Clay, das kann ich leicht waschen. Außerdem dürfen wir sowieso nicht nackt hinunter ins Badezimmer gehen", gab er gutmütig zu bedenken. „Warum nicht?" fragte ich verständnislos, „Hier sind doch nur Marc und Vincent. Beide kennen mich zur Genüge unbekleidet." „Aber das gehört sich nicht, nackt in einer fremden Wohnung herumzulaufen, wo sich noch andere Menschen aufhalten. Du würdest sie ganz schön irritieren", meinte Sean allen Ernstes. Verblüfft blies ich Luft aus und schlug ihn spontan gegen die nackte Brust. „Was redest du da? Meinst du es interessiert mich, was sich gehört? Oder ob deine Mitbewohner über meinen nackten Arsch irritiert sind?" kicherte ich amüsiert, obwohl es eigentlich nicht lustig war, weil Valmont bestimmt recht hatte. „Ja, schon klar, das dich das nicht interessiert", seufzte Sean resigniert. „Du bist so ein Knallkopf!" spottete ich und schlug ihn nochmal gegen die Brust.
Er griff hastig nach meiner Hand und führte sie an seine Lippen. Während er meine Finger küsste und zärtlich ableckte, schaute er mir tief in die Augen. „Ich will lieb zu dir sein, Clay. Ich möchte dich waschen... vorsichtig... deine Wunden behandeln...", flüsterte er mit einer ängstlich sehnenden Schüchternheit, die mich stärker bewegte, als mir lieb war. Prompt fing mein Herz an zu hämmern, weil sich sein Angebot definitiv geil anhörte. Ich sehnte mich nach zarten Berührungen, nach irgendwas anderem von ihm, als dem sexuellen Irrsinn, den wir vor Kurzem gehabt hatten. Etwas sanft Behaglichem, das meinen irre aufgeschreckten Kopf vielleicht zum Schweigen bringen konnte.
„Ich bin nicht sicher, ob ich so schnell schon wieder einen hochkriegen kann", wandte ich leise ein. Es fiel mir schwer, seinem flehenden, suchenden Blick standzuhalten. Aber ich wollte mich auch nicht von ihm abwenden, denn das wäre in diesem Augenblick total schwach rübergekommen. Sean lächelte auf seine unnachahmliche Weise, die die Weiber und Kerle um ihn herum regelmäßig einer entzückten Ohnmacht nahebrachte. „Du musst keinen hochkriegen, Clay. Darum geht's doch gar nicht", versicherte er mir zugetan und streichelte mir beruhigend ein paar verklebte Haarsträhnen aus der Stirn. Mir war klar, dass es darum nicht mehr ging, aber ich hatte es trotzdem erwähnt, weil mein Herz so verwirrt war. Weil ich noch immer den Ausweg suchte, den es schon seit etlichen Stunden oder Tagen nicht mehr gab. Womöglich hatte es nie einen für mich gegeben.
Sean sprang vom Bett und zog sich ebenfalls U-Hose und Jeans an. Er zog seine schwarzen Socken aus, von denen mir jetzt erst auffiel, dass er sie die ganze Zeit angehabt hatte. Er legte die Socken gefaltet neben seine Stiefel auf den Boden. Dann stand der Typ dort und streckte einladend die Hand nach mir aus. Mein Herz schlug noch immer zu schnell, was echt nervig war. Langsam erschöpfte mich die ständige Alarmbereitschaft maßlos. Ich beschloss damit aufzuhören, rutschte von der Matratze und ergriff Seans Hand, um mich wirklich in seine Hände zu begeben. Es fühlte sich erholsam an, dem studierten Mann die ganze Verantwortung zu überlassen. Ich musste mich nur ein bisschen ausruhen. Der Vormittag war extrem nervenaufreibend gewesen, allein schon deshalb, weil ich ans Bett gefesselt aufgewacht war. Nun war ich wieder frei und alles sollte endlich mal gut sein. Ich wollte nicht länger nachdenken müssen.
Neben Sean Valmont stieg ich die schmale Treppe hinunter und lief über den kleinen Flur ins Badezimmer gegenüber. Er hielt mich die ganze Zeit an der Hand, um mir den Weg zu zeigen, den ich auch allein gefunden hätte. Aber es war bequem sich führen zu lassen. Aus der Küche waren leise Stimmen zu hören. Marc und Vincent saßen gemeinsam beim Mittagessen. Aber ich wollte die beiden Männer nicht sehen. Lieber verschwand ich mit dem Professor unbemerkt in diesem winzigen Bad. Er schob die Schiebetür hinter uns zu und drehte zu meiner Freude die Heizung höher. Dann betrachtete er mich eine Weile. Durch das kleine Fenster kam nur relativ wenig Licht in den Raum.
„Und dafür hast du dich jetzt extra angezogen, Valmont?" spottete ich, „Wir hätten auch nackt hier runtergehen können. So weit ist der Weg ja nun wirklich nicht. Und wir haben doch auch gar niemanden getroffen, siehst du?!" „Wir hätten aber jemanden treffen können", beharrte er lächelnd und küsste mich schnell auf den Mund. „Alles okay?" fragte er leise. Ich nickte, obwohl ich mir auch in diesem Punkt kein bisschen sicher war. Ich war nach wie vor verwirrt, irgendwie wütend und angefressen, müde und paranoid. Alles war seltsam unklar. Ich war aufgeregt, weil ich nicht ganz kapierte, was Valmont jetzt unter seiner Dusche konkret mit mir vorhatte. Der Kerl fing an sich auszuziehen, also tat ich das auch, indem ich mich des Flanell-Pyjamas und des Slips entledigte. Ich ließ die Sachen achtlos auf den Boden fallen, aber Sean hob sie natürlich auf und legte sie neben seine eigenen ordentlich in eine Ecke. Das Badezimmer war so klein, dass wir beim Ausziehen dicht beieinander standen und uns immer wieder unabsichtlich berührten.
Als wir wieder nackig waren, legte er mir seine Hand flach auf den Bauch und ließ sie bewegungslos da liegen. Ich verharrte wie erstarrt und schaute ihn an. „Du bist so schön", flüsterte Sean mit glänzenden Augen, „Du bist so ein schöner Mann, Clay Banton." Obwohl ich definitiv nicht halb so schön war wie er, ließ ich das mal so stehen und grinste nur ein bisschen verlegen. Sean betrachtete mich hingerissen. Seine hellblauen Augen wanderten akribisch über meinen nackten Körper, als würde er meine Wunden zählen und wollte sich alles genau einprägen. Seine Hand auf meinem Bauch fühlte sich verdammt gut an. Sofort fühlte ich mich beruhigt, so als hätte sich endlich alles aufgeklärt. Ich genoss es eine Weile, bis er seine Hand wieder wegzog und sich der Dusche zuwandte.
„Bist du sicher, dass wir da beide reinpassen?" fragte ich mit rauer Kehle, obwohl wir in Wahrheit schon öfter mal gemeinsam in seiner Mini-Dusche gewesen waren. „Das geht schon", lächelte er verführerisch und stieg in die kleine Kabine rein. Dann streckte er wieder seine Hand nach mir aus. Wie ferngelenkt ergriff ich sie erneut, machte einen großen Schritt und quetschte mich neben ihn. Sean ließ mich los und schob die Tür zu. Es war wirklich verflucht eng hier drin und ich kämpfte einen Augenblick lang mit meiner Klaustrophobie.
Aber Valmont kannte mich und lenkte mich ab, indem er behutsam anfing mich zu küssen. Seine Arme legten sich um mich, fuhren sanft über meine verschwitzte, klebrige Haut, und wir standen einige Zeit einfach nur dort und küssten uns ganz vorsichtig. Das war angenehm, darum legte ich zögernd meine Arme um seinen trainierten Körper und streichelte über seinen breiten Rücken. Ich konnte seine Schulterblätter fühlen, die Wirbelsäule. Ich öffnete meine Lippen und meine Zähne einen Spalt breit und Seans Zunge tastete sich in meinen Mund, umkreiste meine erwartungsfrohe Zunge sehr langsam. Der Typ berührte mich mit einer Zärtlichkeit, die mir die Nackenhaare aufstellte. Ein ungesteuertes Keuchen kam aus mir, weil er eindeutig dabei war mich aufzugeilen, obwohl es doch darum angeblich gar nicht ging. Seine Finger berührten sehr sanft meinen Leib, fuhren an meinem Rücken entlang, hinunter bis zu meiner Taille, federleicht über meinen Hintern. Die Intensität unseres Kusses verstärkte sich kaum merklich. Sein Schwanz fing an sich härter gegen meine Lenden zu drücken. Sean stöhnte ganz leise und erschauderte in meinen Armen. Meine Hände krallten sich unwillkürlich fester in sein hartes Fleisch, direkt in seine definierten Muskeln hinein.
„Sean...", seufzte ich verwirrt, „...was?" „Sorry, Clay", kicherte der Blonde verlegen, „Ich kann... einfach nicht fassen... wie unerreicht...schön du bist..." Der Kerl war atemlos. Sein hübsches Gesicht befand sich dicht vor meinem, in seinen tollen, blauen Augen spiegelte sich seine sexuelle Erregung. Wir umarmten uns nur zart, behandelten uns extrem vorsichtig, berührten uns aber wegen des arg beengten Raumes auf ganzer Körperlänge dabei. Von daher hatte ich sofort gespürt, wie schnell Sean erneut steif geworden war. „Ja, ich bin schön bescheuert!" erwiderte ich spontan gereizt, weil ich nicht wusste was abging und ich mit dieser schon zweimal wiederholten Aussage nichts anfangen konnte. Komplimente machten mich verlegen, verunsicherten mich jedes Mal, und das gefiel mir jetzt nicht. Trotz allem war ich noch immer auf der Hut vor ihm. Ich wollte dem Kerl auf gar keinen Fall unterlegen sein, obwohl ich tief drinnen nur zu gut wusste, dass ich es zweifellos war. Tatsächlich war ich es immer. Und zwar auf ganzer verdammter Linie.
„Nein, du bist nicht bescheuert, Clay Banton!" widersprach Sean entsetzt. Behutsam löste er sich von mir, wich ein wenig zurück und guckte mich eindringlich an. „Warum um alles in der Welt sagst du denn nur so etwas? Warum denkst du so schlecht von dir?" wollte mein Freund verständnislos wissen. Seine Finger streichelten tröstend, fast beschwörend über mein Gesicht. Seine hellen Augen waren traurig, seine Miene drückte Besorgnis aus. Ich hatte keine Ahnung, was eigentlich los war oder was ich Schlimmes gesagt hatte. „Herrgott, sieh mich doch an, Sean!" blaffte ich impulsiv, machte spontan einen aggressiven Schritt zurück und stieß prompt mit Rücken und Hinterkopf an die geflieste Wand der viel zu kleinen Duschkabine. Das tat weh, aber ich ignorierte den Schmerz, weil es sowieso schon peinlich genug war, sich an der Wand zu stoßen. Ich musste meine Blödheit nicht auch noch kommentieren.
Stattdessen wandte ich mich wütend meinem nackten Selbst zu. „Guck dir meinen Körper an! All diese Verletzungen! All die vielen Schnittwunden und Prellungen, die Quetschungen und scheiß Einstiche!" knurrte ich angepisst und zeigte Valmont dabei auf meiner bunt geprügelten Haut, was genau ich meinte. Seine Augen folgten konzentriert meinen Fingern. Tatsächlich sah der Typ sich jede Verletzung mit mir an, die unzähligen Schnitte, Flecken, Stiche, Brandwunden und Striemen, obwohl es ihm spürbar schwerfiel. „Kannst du das sehen, Sean?" fragte ich ihn zwischen Wut, Provokation und Spott und deutete auf die eng gestochenen Nähte von Siamak. „Ja, ich sehe es, Clay", antwortete er gepresst, ließ seine Arme traurig sinken und schluckte unbehaglich. „Ich bin total kaputt, Sean Valmont!" betonte ich fast triumphierend und ignorierte sein Kopfschütteln. „Denkst du ernsthaft, ich wäre dermaßen verletzt, wenn ich nicht total bescheuert wäre?" versuchte ich ihm klarzumachen, aber er schüttelte weiter entschieden den Kopf. „Nein, du bist verletzt, weil du hinterrücks und unfair angegriffen wurdest", meinte der Spinner ernsthaft.
„Fuck, Valmont!" widersprach ich heftig, „Ich bin verletzt, weil ich mich wie ein Idiot darauf verlasse, dass schon irgendwie alles gut geht. Weil ich jedem fremden Menschen vertraue, der mit in meine Wohnung kommt. Weil ich blind meinen Süchten und Trieben gehorche und mir nie Gedanken darüber mache, was vielleicht daraus entstehen könnte oder welche Konsequenzen es haben könnte. Für mich existiert sowieso nur der Augenblick. Weiter reicht mein akuter Verstand nicht, obwohl ich es eigentlich besser weiß. Trotzdem gehe ich ständig davon aus, dass ich schon irgendwie heil davonkomme. Aber so ist es gar nicht. Das funktioniert auf Dauer nicht. Da kommt jedes Mal noch was nach. Irgendwas passiert, mit dem ich nicht gerechnet habe. Und deshalb wird alles nur immer beschissener!"
Mein Herz fing an zu hämmern, weil ich mich mit meinen unschönen Wahrheiten selbst in Wut versetzte. Meine Finger begannen zu zittern. Nervös bohrte ich sie in meine Oberschenkel, um mich irgendwo festzuhalten. Je länger ich auf ihn einredete, umso lauter wurde meine Stimme und umso größer wurden Sean Valmonts Augen. Der komisch interessierte Kerl hörte mir überraschend gebannt zu, und als ich eine Pause machte, schien er wahrhaftig sprachlos zu sein. Sein Mund klappte auf, aber es kam nichts raus, also quatschte ich einfach weiter, weil mich irgendwas Seltsames dazu antrieb.
„Und das ist ja noch nicht alles, Sean. Was du siehst, das ist ja nur die Oberfläche. Aber darunter ist noch viel mehr. Genauso sieht es nämlich in mir drinnen aus!" behauptete ich aggressiv und schlug mir selbst im Zorn so hart gegen die Brust, dass es verdammt wehtat, ich mir wahrscheinlich ein paar Rippen brach und mir für einen Moment die Luft wegblieb. Seans Augen verengten sich besorgt, aber ich überspielte auch diesen durch meine Unbeherrschtheit selbst zugefügten Schmerz, indem ich hastig weiterredete: „In mir drin ist auch alles total kaputt, Sean Valmont! Da sind mindestens so viele Verletzungen wie die, die du an mir sehen kannst. Wahrscheinlich sogar noch viel mehr! Noch sehr viel tiefere! In Wahrheit ist es ein Wunder, dass ich überhaupt noch aufrecht stehen kann!"
Meine eigene verfluchte Situation war mir noch nie so klar gewesen und so frustrierend aussichtslos erschienen. Als ich das schlagartig begriff, verkrampfte sich jäh alles in mir und ich konnte den Mann vor mir nur noch verwirrt anstarren. Eine Weile war es erdrückend still in diesem kleinen Badezimmer, nur mein konfuses Nach-Luft-ringen war zu hören. Valmont taxierte mich so erstaunt, als würde er mich zum ersten Mal sehen, was ich nicht zuordnen konnte. Ich fühlte mich zunehmend unwohl und wollte plötzlich dringend aus der engen Duschkabine raus. Meine Phobien schlugen zu. Aber der Typ versperrte mir den Ausgang. Ich stand mit dem Rücken an der Wand und überlegte ernsthaft, ihn mit Gewalt zur Seite zu schubsen.
„Gott, Clay", ächzte Sean auf einmal völlig baff, „Das ist so... verdammt!... Weißt du eigentlich, was das bedeutet, Banton?" „Was?" keuchte ich ungehalten. Ich wollte nicht hören, was mein Freund dazu zu sagen hatte, weil es ohnehin nur auf irgendwelche Therapien hinauslaufen würde, dachte ich genervt. Mir wollte nicht einleuchten, warum Valmont mit einem Mal so mega aufgeregt war und warum er mich so fassungslos anstarrte. Das tiefe Einatmen stach unangenehm in meinen Rippen, was mir Sorgen machte.
„Wenn du das ehrlich verstanden hast, Clay, dann ist das der erste Schritt zu deiner Genesung. Mann, ab jetzt kann man dir wirklich helfen! Das ist der Punkt, an dem sich endlich konkret ansetzen lässt. Verstehst du das, Clay? Das ist der Anfang davon, dass endlich alles besser werden kann! Du hast so einen treffenden Blick auf dein Leben, das hätte ich niemals geglaubt. Mir war gar nicht klar, wie realistisch du deine eigene Situation einschätzen kannst und..." „Weil ich ja in deinen Augen sowieso nur ein blöder Vollidiot bin, der nix kapiert, nicht wahr?" unterbrach ich ihn ärgerlich. „Nein, Herr Banton", widersprach er lächelnd und kam schneller auf mich zu, als ich ihm in der Enge der Dusche ausweichen konnte. Seine Hand hob sich und er berührte abermals mein Gesicht. Extrem sanft fuhr er mit seinen Fingern über meine Augenbrauen und die Nase, dann über die Wangen und den Mund. „Ich habe dich niemals als Vollidioten gesehen, Clay. Du bist nicht dumm, hörst du? Glaube das ja nicht von dir! Du kannst gar nicht dumm sein, bei den Talenten, die du hast. Ich meine, sieh dir doch deine Bilder an! Hör deine Musik und deine Texte, Clay! Niemand, der dumm ist, kann so viel ausdrücken wie du. Das ist völlig unmöglich", flüsterte Sean liebevoll, streichelte mich zart und küsste vorsichtig meine Lippen. Mein Herz vollzog einige Saltos, weil ich mich ihm einerseits dringend entziehen wollte. Der Kerl war mir einfach entschieden zu nahe, körperlich wie psychisch. Aber andererseits genoss ich seine behutsamen Zärtlichkeiten und seine beschwörenden Worte zu sehr, um ihm ernsthaft ausweichen zu können.
„Das war richtig, richtig schlimm, Sean", erzählte ich ihm leise aus einem inneren Impuls heraus, „Ich wusste nicht, was das Junkiemädchen und ihre Freunde mit mir vorhatten. Ich konnte nicht einschätzen, was die mit mir machen wollten. Die hätten mich ganz leicht töten können. Die haben mich total schwer verletzt. Das hat echt wehgetan. Die haben mir eine scheiß Todesangst gemacht und mich ständig bedroht. Ich war in Panik und total allein mit denen in der dunklen Straße." „Ja, ich weiß", seufzte Sean mitfühlend und küsste mich nochmal ganz vorsichtig. „Aber das alles hat Kim ja nur gemacht, weil ich sie vorher dazu provoziert habe", gab ich keuchend zu und stöhnte unbehaglich. „Sie hatte trotzdem kein Recht dazu!" meinte Valmont mit verärgert zusammengezogenen Brauen, „Und sie werden alle dafür bezahlen." „Ich habe der vertraut", sprudelten die Wörter irgendwie aus mir raus, „Ich dachte immer, das würde schon gut gehen, was ich mache. Und mit Jill ist es genauso, der habe ich auch vertraut, dachte, sie würde sich für mich interessieren, und dann hat sie mich ausgeknockt und nackt gefilmt und ins Internet gestellt, weil ich ihr die Gelegenheit dazu gegeben habe." „Das konntest du nicht wissen, Clay", versuchte Sean mich zu beruhigen, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich hätte vorsichtiger sein können. Hätte mich besser im Griff haben können", gab ich frustriert zu. Sean lächelte und nickte. „Ja, das hättest du", stimmte er zu, offenbar genauso verdutzt wie ich über meine unerwarteten, seltsamen Einsichten.
Tief atmete ich ein, ignorierte das Stechen in meinen Rippen, hob die Hand und berührte seine nackte Brust. Während meine Finger sanft über seine warme, schwitzige Haut fuhren, zwang ich mich dazu, ihm weiter in die aufmerksamen, hellblauen Augen zu sehen. „Ich will das nicht mehr, Sean! Das ist so verdammt unvorhersehbar, das kotzt mich total an. Ich habe so was von die Schnauze voll von dem sich ewig wiederholenden Scheiß! Ich will nicht mehr irgendwo aufwachen und nicht wissen, was passiert ist oder wo ich mich befinde. Ich will nicht mehr diese schrecklichen Überraschungen erleben, die ich selbst verursacht habe, ohne mich auch nur daran erinnern zu können."
Als diese gewichtigen Worte raus waren, starrte ich ihn verblüfft an, weil meine Gedanken plötzlich ganz klar waren, ein Zustand, den ich noch nicht allzu oft erlebt hatte. „Das muss nicht so weitergehen, Clay. Wir können gemeinsam etwas dagegen tun. Wir können das ändern", meinte Sean vorsichtig, während seine Finger zart über meinen Hals wanderten, genau an dem dunkelroten Striemen entlang. „Aber weißt du, was das Allerschlimmste ist?" fragte ich ihn, ohne auf seinen Einwurf, der garantiert was mit Therapien zu tun hatte, einzugehen, und erschauderte unter seiner mega angenehmen Zärtlichkeit. Mein Körper überzog sich mit einer kribbelnden Gänsehaut, ohne dass ich es verhindern konnte. Behutsam umkreiste ich seine Nippel, ertastete seine Rippen, ohne meinen Blick von seinen Augen zu nehmen. Die ganze Zeit hielten wir Blickkontakt, was unseren federleichten Körperkontakt noch intensiver machter.
Es fiel mir nicht leicht, ihm meine spontan geheimsten Gedanken anzuvertrauen, zumal sie mir selber verwirrend fremd erschienen. Aber wir waren in dieser intimen Situation und die Wörter wollten plötzlich alle aus mir raus. Keine Ahnung warum oder wie Valmont es mit mir anstellte, dass ich sogar freiwillig immer weiter mit ihm redete. Noch nie hatte ich so viel und lange mit ihm gesprochen und schon gar nicht über meine privatesten Überlegungen. Das lag zweifellos daran, weil mir diese Gedanken oder meine Situation bisher noch nie dermaßen bewusst gewesen waren. Definitiv war ich entschieden zu nüchtern. Vielleicht hatte Valmont mir mit seinen Tabletten auch irgendwelche Wahrheitsdrogen verpasst.
„Was ist das Allerschlimmste, Clay?" erkundigte er sich ängstlich, weil er es eventuell gar nicht hören wollte, oder weil ihm meine Beschwerden so nahegingen. Ich schluckte und musste mir einen Ruck geben. „Gestern Abend bei Travis...", fing ich an und brach wieder ab, weil das Thema so extrem unangenehm war, dass ich es stechend in meinem Körper spürte, und weil Valmont sich zeitgleich an meinem Hals herunter streichelte und meine Brustwarzen berührte, was meine Nippel zusammenzog und mich unwillkürlich zum wohligen Seufzen veranlasste. Auf einmal war ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich überhaupt noch weitersprechen wollte. Eigentlich wollte ich jetzt langsam doch lieber die Klappe halten. Seine sanften Zärtlichkeiten genießen. Ohne Gedanken an niederschmetternde Vergangenheiten oder die frustrierende Gegenwart.
Aber mein cleverer Freund war viel zu interessiert an meiner ungewohnten Mitteilsamkeit und an dem, was in meinem irren Kopf los war. „Woran erinnerst du dich, Clay Banton?" stellte Sean mir seine scheiß absolute Lieblingsfrage. Ich grinste spöttisch und zog eine grimmige Grimasse. Der Kerl lächelte darüber zum Niederknien, was mich unwillkürlich magnetisch zu ihm hinzog. Mein Herz hämmerte und ich brauchte eine Minute, in der ich tief durchatmete. Seans Gesicht verdunkelte sich. „Warum bist du weggelaufen, Clay?" wollte er plötzlich traurig wissen. „Hm?" machte ich verwirrt, weil er abrupt das Thema wechselte und mir nicht so schnell klar war, von welcher Flucht er jetzt konkret sprach. Abzuhauen war meine erste Standardreaktion auf jegliche Unannehmlichkeiten und zwar schon seit etlichen Jahren. Eigentlich hatte ich in meinem Leben nie etwas anderes getan, als vor Problemen wegzulaufen.
„Gestern bei Kim Flint. In ihrem Zimmer. Du bist blitzartig verschwunden, Clay. Warum? Was war da los? Warum musstest du plötzlich gehen?" verlangte Sean betrübt zu wissen. Seine Augen forschten in meinem Gesicht konzentriert nach der Wahrheit. Unweigerlich tauchte dieser junge Typ mit dem Messer in meinem Kopf auf, der verdammte Freund des Junkiemädchens, wie er sich drohend über meinen beschämend entblößten Unterleib beugte, während ich wehrlos gefesselt auf der harten, eisigen Erde lag. Ich glaubte sein kaltes, glattes Messer an meinem Penis zu spüren und alles verkrampfte sich schlagartig in mir. Ich zuckte heftig zusammen, wich instinktiv zurück, sodass Seans Streicheln an meiner Brust intensiver wurde, weil er mich damit beruhigen wollte. Das funktionierte sogar irgendwie. Trotzdem konnte ich ihm nicht sofort antworten, mein Hals war zu eng, sondern starrte ihn nur entsetzt an, im verkrampften Bemühen nicht vollends in Panik zu geraten.
„Warum, Clay?" fragte er nochmal, „Warum musstest du vor mir weglaufen?" Es war nicht zu überhören, wie enorm gekränkt der Professor noch immer über mein gestriges Fluchtverhalten war. Das brachte mich komplett durcheinander, weil ich gerade etwas ganz anderes hatte sagen wollen. Die Tatsache, dass ich aus Kimberlys Zimmer geflüchtet war, hatte ich eigentlich schon längst ad acta gelegt. „Nein... das ist nicht... Ich bin nicht vor dir weggelaufen, Valmont", widersprach ich hilflos, aber der Typ sah das anders. „Ach, hör auf, Clay! Du bist auch vor mir weggerannt. Selbstredend bist du das! Ich war doch mit dir da. Ich stand direkt neben dir, dort in dem Wohnheimzimmer. Ich war nur bei Kim, weil du das unbedingt wolltest. Du hast mich gebeten mitzukommen, weißt du noch? Du hast mich angefleht bei dir zu bleiben. Ich war mit dir dort, um auf dich aufzupassen, verdammt! Und das wusstest du auch ganz genau", blaffte er mich ärgerlich an. Er gab sich Mühe nicht allzu laut zu werden, aber seine Stimme bebte.
„Sean...", seufzte ich ratlos, nicht wissend, warum er auf einmal so sauer auf mich war oder was ich ihm hätte sagen können, um ihn zu beschwichtigen „Ich war doch nur da, um dir zu helfen, Clay! Warum musstest du trotzdem unbedingt weg? Warum konntest du nicht darauf vertrauen, dass ich dich beschützen kann?" drängte es den hörbar tief verletzten Mann zu erfahren. Bevor ich darauf reagieren konnte, sprach er schon weiter. „Und ich hätte dich beschützt, Clay Banton! Dieses dumme Kind hätte dir kein Haar krümmen können, verdammt! Warum vertraust du mir nicht? Du hast doch gesagt, du vertraust jedem, der in deine Wohnung kommt. Warum geht das bei mir nicht?" setzte er anklagend hinzu. Gekränkt zog er seine Finger von meinem Körper weg, weil er mich nicht länger anfassen wollte. Seine Augen erforschten mich, suchten flehend nach einer Antwort, die er hätte akzeptieren können. Aber ich konnte ihm so was nicht geben. Die Wahrheit war, dass ich auch in dieser bedrohlichen Situation in Kimberlys Zimmer rein instinktiv gehandelt hatte, so wie ich es scheinbar viel zu oft tat. Ohne hinreichende Überlegungen, einfach aus dem Impuls heraus. Abzuhauen und mich in Sicherheit zu bringen war in unerwarteten Gefahrenlagen grundsätzlich mein erster Gedanke. Und zweifellos hatte mich dieses Verhalten im Laufe der Jahre schon sehr oft vor schlimmen Folgen bewahrt.
„Jetzt behaupte bloß nicht wieder, dass du dich nicht erinnern kannst, Banton, dann hau ich dir eine rein!" drohte Sean ungeduldig, weil ich keinen Ton von mir gab und ihn nur ratlos ansah. Meine Hände fielen entgeistert von seiner Brust herunter, weil seine unangebrachte Bemerkung mich unerwartet heftig provozierte. „Fuck, ich bin nicht vor dir geflüchtet, Valmont! Es war der Typ mit dem Messer, der mich verscheucht hat!" knurrte ich mühsam beherrscht. Sean stieß spöttisch Luft aus. „Da war kein Typ mit einem Messer, Clay! Da waren nur ein kleines Mädchen und ihr ebenso kleiner Freund. Zwei total lächerliche und harmlose Personen hielten sich da mit uns auf. Sonst war da niemand in dem Zimmer. Ich stand genau neben dir, Mann, und ich habe keinen einzigen Typen mit irgendeinem Messer gesehen!" behauptete er voller Hohn und gab mir damit bewusst das niederschmetternde Gefühl, mir die Gefahr nur eingebildet und völlig überzogen reagiert zu haben. Das konnte ich auf keinen Fall auf mir sitzen lassen.
„Der hatte ein scheiß Messer, Sean! Es war ein verflucht großes, scharfes Bowiemesser! Er hat damit immer wieder mein Fleisch aufgeschnitten! Ohne mit der Wimper zu zucken! Er will damit meinen Schwanz abschneiden!" schrie ich meinen Freund impulsiv und aufgebracht an. Mein Herz schlug unverändert zu schnell, sodass ich nach Luft ringen musste. Mein Körper zitterte nervös. Ich hatte Mühe ruhig auf der glatten Emaille der Duschwanne stehen zu bleiben. Weil ich Valmont nicht länger angucken konnte, fingen meine Augen damit an, aufgescheucht herumzuhuschen, konnten aber kein richtiges Ziel finden. Da waren nur zwei in flieder-pastell gekachelte Wände auf der einen und zwei Glaswände über Eck auf der anderen Seite, die zusammen einen quadratischen Innenraum bildeten. Ein paar Armaturen an der gekachelten Wand. Die Glastür des Ausgangs war geschlossen.
Plötzlich kam mir meine direkte Umgebung unerträglich beengt vor. Ich hatte das unwiderstehliche Verlangen danach, irgendwie aus dieser Duschkabine zu entkommen. Ich wusste nicht mal mehr, warum ich mich überhaupt so lange hier drin aufhielt oder wie ich hier reingeraten war. Was wollten wir eigentlich hier? Hatte Valmont nicht vom Duschen gesprochen? Das Wasser war ja nicht mal angedreht! Der bedrohliche Mann war mir viel zu nah. Ich konnte ihm in der Enge nicht ausweichen, und das war auf Dauer nur schwer zu ertragen. Nervös fing ich an auf der Stelle zu treten, meine Hände fuhren unruhig über meine Oberschenkel, ertasteten rechts harte Fäden, die aus irgendeinem Grund in meinem Fleisch steckten, und zerrten sofort unzufrieden an Siamaks Naht. Mein Puls hämmerte mir in den Ohren, das Blut rauschte in meinem Kopf.
„Beruhige dich, Clay", hörte ich Seans Stimme durch einen trüben Nebel aus böse aufgekochten Phobien und Emotionen. „Der hatte ein Messer, verdammt!" wiederholte ich verzweifelt, „Guck mich doch an! Sieh dir meine Haut an! Der hat mich damit aufgeschnitten!" „Nein, er hatte kein Messer mehr. Das hast du dir nur eingebildet. Du hattest panische Angst vor ihm", entgegnete Sean seufzend, „Aber die musstest du nicht haben. Denn schließlich war ich da, um dir beizustehen. Ich hätte dich beschützt, Clay Banton. Dir wäre mit Sicherheit nichts passiert. Mit dem kleinen Kind bin ich spielend fertiggeworden." Seine Stimme triefte vor Arroganz und Spott, was mich total auf die Palme brachte. „Ich bin nicht vor dir weggelaufen!" brüllte ich angepisst, „Warum glaubst du das? Warum denkst du immer, dass sich alles nur um dich dreht, Valmont?! Ich hab nicht mal an dich gedacht, als ich abgehauen bin!" „Ja, du hast mich einfach vergessen. Obwohl ich da war, um dir zu helfen", warf er mir bitter vor und taxierte mich enttäuscht.
Es ging mir ganz schön auf den Sack, dass die Mimmi wegen so einem Scheiß beleidigt war. Fuck, ich hatte echt andere Probleme, als auf seine Gefühle zu achten! Mir fiel keine passende Erwiderung ein, was mich noch wütender machte, darum verdrehte ich nur abfällig die Augen und schnaufte geringschätzig.
„Beruhige dich bitte", bat er mich nochmal und blickte besorgt auf meine Finger, die zu auffällig an meinem Bein beschäftigt waren, um von ihm unbemerkt zu bleiben, obwohl ich extra nicht hinsah. „Lass das sein, Clay!" rief er erschrocken, als er mein hektisches Tun richtig erfasst hatte. Zielstrebig streckte er die Hand aus und wollte mich unbedingt daran hindern, meine lästige Naht am Oberschenkel abzuknibbeln. Allerdings war ich gerade voll darauf fixiert. Ich hatte das Gefühl das jetzt zwingend tun zu müssen, um nicht vollends auszuklinken. Also schlug ich seine Hand beiseite, knurrte aggressiv und wich ihm aus, so gut das in der blöden Kabine eben ging. Meine Finger fummelten blind und manisch an dem eng und gleichmäßig in meiner Haut steckenden Material herum. Sie versuchten den harten Faden mit Gewalt zu lösen und aus meinem Fleisch zu ziehen, was sehr viel schwieriger war, als ich vermutet hatte. Das Zerren tat ziemlich weh. Aber der Schmerz lenkte mich erfolgreich von meinen wirren Gedanken und Gefühlen ab. Schon als Kind hatte ich oft versucht mich durch selbst zugefügten Schmerz von verwirrenden und bedrohlichen Situationen abzulenken. Meistens hatte das hervorragend funktioniert. Darum hatte ich dieses Verhalten bislang beibehalten. Allerdings tat ich es inzwischen nur noch in besonderen Ausnahmesituationen. Dies hier war definitiv eine.
„Hör auf, Clay, was soll das denn? Du verletzt dich doch nur", mahnte Sean verständnislos, der bekümmert genau mitverfolgte, was meine Finger ohne mein direktes Zutun meinem rechten Oberschenkel antaten. „Mein Leben dreht sich nicht nur um dich, Valmont", musste ich ihm dringend lautstark an den Kopf knallen, weil er mich so wütend machte, „Ich kann nichts dafür, wenn es bei dir andersrum ist! Wenn du andersrum bist!" Ich hatte ehrlich keine Vorstellung davon, was ich da eigentlich zu ihm sagte oder was diese Wörter bedeuten sollten. Ich fühlte mich nur extrem zornig, ungerechtfertigt von dem Kerl angegriffen, und ich musste mich irgendwie zur Wehr setzen. „Beruhige dich bitte, Clay", verlangte der Typ zum dritten Mal, diesmal mit betont besänftigender Stimme. Seine hellblauen Augen erforschten irritiert mein Gesicht, huschten dann wieder zurück zu meinem malträtierten Bein.
Mit einem schnellen Schritt war Sean dicht vor mir und hinderte mich mit erstaunlicher Kraft daran, weiter an der schwarzen Naht herumzuzerren. Ich wehrte ihn ab, wand mich fauchend von ihm weg, aber der Tänzer war überraschend hartnäckig und hielt meine Handgelenke felsenfest, damit ich nicht mehr an meine Verletzung herankam. Wir kämpften gegeneinander und taumelten dabei zwangsläufig gegen die räumliche Begrenzung der engen Dusche, knallten laut mit Rücken, Hüften, Schultern und Hintern gegen Fliesen, Armaturen und Glas, wobei ich mir ziemlich schmerzhaft die Knochen anschlug. Das steigerte meinen Zorn enorm, die ganze überflüssige und anstrengende Szene ging mir zunehmend gegen den Strich. Es stresste mich, wie stark der Typ war und wie wenig ich gegen ihn ausrichten konnte. Ich wollte mir dringend die blöde Naht vom Körper reißen und sah überhaupt nicht ein, warum Sean Valmont das Recht haben sollte, mich mit roher Gewalt daran zu hindern.
„Lass mich los, Arschloch!" schrie ich ihn an, während ich verbissen gegen ihn kämpfte. Es war ein komischer Kampf, denn wir waren zwei vollkommen nackte Kerle in einer trockenen Dusche und Valmont hatte wahrhaftig noch immer halbwegs einen Ständer, wie ich mit einem flüchtigen Blick bemerkte. Jeder zufällige Beobachter hätte uns zu recht für verrückt erklärt. „Lass mich in Ruhe, Wichser!" verlangte ich lautstark. Leider beeindruckten ihn weder das Volumen meiner Stimme oder meine Schimpfwörter, noch meine durch die Strapazen der letzten Tage ohnehin stark eingeschränkte Körperkraft. „Jetzt hör auf durchzudrehen, Clay!" verlangte Sean ungeduldig, „Lass doch den Schwachsinn sein! Ich werde bestimmt nicht tatenlos dabei zusehen, wie du dir deine genähten Wunden aufreißt!" „Fuck, das ist doch wohl meine Sache!" hielt ich widerspenstig dagegen. Ich wollte mir zum Verrecken nicht mehr von ihm sagen lassen, was ich nicht durfte oder was ich tun sollte. Mega gestresst fokussierte ich meine Kräfte und entzog mich dem nervigen Kerl mit einem gewaltigen Ruck.
Im nächsten Moment versetzte ich meinem Feind im grell auflodernden Zorn einen so gigantischen Schubs gegen die Rippen, dass er haltlos rückwärts von mir weg taumelte. Eine Sekunde später schlug Sean dermaßen hart und donnernd gegen die Glastür seiner eigenen Dusche, dass ich mir sofort sicher war, dass das Glas durch die Wucht seines Aufpralls zerbrechen würde. In meinen Ohren klirrte es gewaltig. Vor Schreck blieb mein Herz stehen. Denn meines Erachtens nach war es schlicht unmöglich, dass ich meinen Freund nicht gerade in lauter spitzkantige und scharfe Glasscherben geschubst hatte. „Ooohhh, Fuck!" entfuhr es mir entsetzt, während ich ihn erschrocken anstarrte.
Sean knallte mit dem Rücken gegen das unbeugsame Hindernis und stürzte zu Boden, ohne dass das Glas dabei irgendeinen Schaden nahm. Tatsächlich ging die Dusche entgegen meiner sicheren Erwartung nicht kaputt. Vielleicht bestand sie aus Sicherheits- oder sogar Panzerglas. Oder der Zusammenstoß war längst nicht so stark, wie er mir vorkam. In diesem Moment konnte ich das allerdings weder begreifen noch verarbeiten. Ich sah Sean Valmont definitiv blutend und schwer verletzt in einem Berg von Scherben liegen. Womöglich sogar tot, weil es ihm beim Sturz die Kehle aufgeschlitzt hatte. Als zweites verstand ich schlagartig, dass der große Körper genau vor dem Ausgang lag und mir damit den einzig möglichen Fluchtweg versperrte. Die Falle war abrupt zugeschnappt. Es gab kein Entkommen mehr.
Alles krampfte sich jäh dermaßen quälend in mir zusammen, dass ich mir schockiert den Bauch festhielt und nach vorne klappte. Meine Beine gaben nach, die Knie knickten mir ein und ich fiel hilflos hinunter auf den steinharten Boden der Duschwanne, wobei mir die Knochen und Nerven meines Hinterns einen ziemlich harten Aufprall meldeten. Vor Entsetzen kniff ich panisch die Augen zusammen, umschlang meine geknickten Beine fest mit den Armen und legte meinen Kopf auf die Knie. Instinktiv igelte ich mich schützend zusammen, in Erwartung von unmittelbar folgenden, körperlichen wie psychischen, extrem schmerzhaften Bestrafungen für meine erneut unbeherrschte Aggressivität. Ich fürchtete zu lange gewohnte Konsequenzen, die in Wahrheit schon seit etlichen Jahren nicht mehr zu erwarten waren. Das war ein reiner Reflex, ein mir offenbar tief einprogrammierter Schutzmechanismus meines Körpers, um ihn möglichst schadlos am Leben zu erhalten.
Das ganze Unglück war innerhalb von wenigen Sekunden passiert, viel schneller, als ich es kapieren konnte. Plötzlich hockte ich eingerollt mit rundem Rücken, der starr gegen die Kacheln gepresst war, auf dem Boden der Dusche, die Augen fest geschlossen, Füße und Beine dicht nebeneinander, Arme um die Schenkel gekrampft und die Stirn auf die Knie gelegt. Mein Herzschlag sprengte mir fast den Brustkorb, röchelnd schnappte ich nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Meine Muskeln zuckten unkontrolliert. In meinen Ohren dröhnte es dumpf. Verzweifelt drückte ich meine Lider aufeinander. Ich wusste genau, dass jetzt alles kaputt war. Jeden Moment würde ich mein Bewusstsein oder mein Leben verlieren. Ich hatte alles verloren. Sean Valmont würde mich endgültig zum Teufel jagen. Der Professor würde mir erklären, dass er mich nicht länger ertragen konnte. Und er hätte recht damit. Genauso wie Eliza es letztendlich begriffen hatte. Meine beiden einzigen Vertrauten in dieser fremden Stadt hatten es endlich gemerkt. War ja nur eine Frage der Zeit gewesen. Ich war unerträglich. Ich war es definitiv nicht wert, dass sich irgendwer um mich kümmerte. Spätestens jetzt gab es ja wohl keinerlei Zweifel mehr daran, dass ich ein verfluchter Irrer war, ein unberechenbarer Psychopath, der seine unbeherrschten Aggressionen nicht mal ansatzweise im Griff hatte. Ich war total gefährlich, brutal gewalttätig, labil und viel zu impulsiv. Niemand konnte mir helfen.
Ergeben wartete ich auf was auch immer da kommen würde. Ich wusste nur, dass es nicht angenehm werden würde. Es würde hässlich wehtun. Denn es tat jedes Mal hässlich weh. Jemand würde mich auf viele Arten schlagen, mir die Seele und die Eingeweide rausreißen und sie in der Luft zerfetzen. So war es doch immer. Keine Ahnung, wie viel Zeit verging oder was Sean Valmont in dieser Zeitspanne tat. Ich bekam von meiner Umgebung nichts mehr mit, weil ich vollends damit beschäftigt war, meine schockierten und extrem depressiven Gedanken und Gefühle zu verarbeiten. Gelang mir aber trotzdem nicht. In meinem Schädel herrschte das pure Chaos. Ich war ehrlich am Ende angelangt.
Sean
Wow, das war ein unerwartet brutaler Schlag gewesen! Eine ungebremste Detonation von Mister Clay Bantons höchst eigener Wut, die er normalerweise tief in sich verborgen hielt. Vor einigen Tagen war sie plötzlich an die Oberfläche gelangt. Das Verderben brodelte seitdem dicht unter seiner Haut. Der Kerl aus Island war so sensibel und reizbar, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. An seinem besorgniserregenden Zustand fühlte ich mich mitschuldig. In Elizas Badezimmer war vor einigen Tagen irgendwas mit ihm passiert, das das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Seitdem hatte das Kind sich definitiv noch nicht wieder beruhigt.
Zweifellos hatte ich selbst ihn an diesem Tag soweit gebracht, mir explosionsartig so viel gigantischen Hass entgegenzuschleudern. Ich hatte meine Neugier auf seine Dunkelheit nicht bremsen können, hatte ihn pausenlos provoziert, damit seine Wut riskiert und den Kampf schlagartig verloren. In einem Moment hatte ich den unsinnig tobenden Kerl noch fest an beiden Handgelenken gepackt, rangelte mit ihm auf engstem Raum um seine heile Haut, und im nächsten Moment lag ich mit angeschlagenen Knochen unfreiwillig in der harten Duschwanne.
Ich musste den Dummkopf zwingend festhalten, um ihn mit meiner gut trainierten Körperkraft daran zu hindern, sich aus lauter trotziger Unvernunft oder vielleicht auch tief greifender Frustration selbst die von Doktor Siamak Tourani sorgfältig gestochene Naht seiner Schnittwunde aus dem Oberschenkel zu zerren. Allein die Tatsache, dass der verrückte Typ das wahrhaftig ernsthaft versuchte, hätte mir zu denken geben müssen. Seine Finger knibbelten und zogen akribisch, fast manisch an dem schwarzen, stabilen Faden, um die eng genähte Wunde wahrhaftig mutwillig wieder aufzureißen. Erschreckend schnell hatte Banton sich blutig gekratzt, aber das schien ihn in seinem idiotischen Vorhaben nur zu bestätigen. Seine grün-braunen Augen zuckten vor Schmerz, und doch konnte der Kerl das einfach nicht mehr sein lassen. Etwas stimmte nicht mit ihm. Zweifellos. Der kranke Mann fügte sich selbst gewollt Schmerzen zu. Irgendetwas Böses trieb ihn dazu und er war machtlos. Noch nie hatte ich so etwas erschreckend Destruktives bei ihm gesehen.
In diesem Moment konnte ich mit seinem eindeutig selbstzerstörerischen Verhalten nichts anfangen. Es nervte mich nur, wie kindisch und unvernünftig der aufmüpfige Junge sich schon wieder aufführte. Ich war gekränkt, weil er am Tag zuvor vor mir weggelaufen war, obwohl ich ihn vor diesen gewalttätigen Kindern hatte beschützen wollen. Es machte mich noch immer wütend, dass er sofort zu Travis und dem Heroin gerannt war, sobald ich ihn aus der Psychiatrie geholt hatte. Alle diese unwichtigen Gedanken spukten in meinem Kopf herum. Dabei hätte ich es besser wissen müssen. Ich hätte bedenken müssen, was der Mensch allein in den letzten paar Tagen durchgemacht hatte. Wie einschneidend das Erlebnis der geschlossenen Psychiatrie für ihn gewesen sein musste. Wie viel Grausames er mir allein in der letzten Stunde über sein Leben erzählt hatte. Clay Banton hatte die Grenze dessen, was er ertragen konnte, schon viel zu lange überschritten.
Aber ich berücksichtigte nichts davon. Weil ich gerade selber kindisch eingeschnappt war. Also erwischte mein bemerkenswert starker Mann mich völlig unvorbereitet. Er riss sich energisch von mir los und verpasste mir diesen überraschend kräftigen Schubs gegen meine Rippen, sodass ich haltlos zwei Schritte rückwärts taumelte, mit dem Rücken gegen die Glastür schlug und durch meinen eigenen Schwung das Gleichgewicht verlor. Meine Reflexe waren beschämend langsam, was für einen ausgebildeten Tänzer wie mich absolut unentschuldbar ist. Ich erkläre meine träge Reaktionsfähigkeit damit, dass der nackte Kerl mich mal wieder komplett lahmlegte, seine wunderschöne Gestalt mich pausenlos ablenkte und total geil machte und ich deshalb gar nicht mehr richtig denken oder reagieren konnte.
Mein Sturz war wirklich hart und ich brauchte eine Weile, um den Schmerz des Aufpralls zu verdauen und zu begreifen, was überhaupt passiert war. Mein erster Blick galt erschrocken der Dusche, die auf wundersame Weise keinen Schaden genommen hatte, das Glas hatte nicht mal einen Sprung. Zum Glück hatte ich mich damals für das teurere Glasmodell entschieden. Gleich darauf huschten meine Augen wutentbrannt zu Banton. Ich war drauf und dran ihn wegen seiner unangebrachten Brutalität lauthals anzuschnauzen. Es wurmte mich enorm, dass der Kerl mich so erschreckend einfach hatte überrumpeln und wegschubsen können. Ich wollte ihm wirklich gehörig die Meinung sagen.
Aber sein unerwarteter Anblick stoppte mein zorniges Bedürfnis das Kind anzuschreien auf der Stelle. Der impulsive Mann war ebenfalls auf den Boden der Dusche gesunken. Er saß an der gegenüberliegenden Wand und hatte sich präventiv eingeigelt, die Beine herangezogen, den Rücken rund gegen die Fliesen gedrückt, die Arme um die Beine geschlungen und den Kopf auf die Knie gelegt. Seine seltsam defensive Körperhaltung irritierte mich, rührte mich aber auch sehr. Der muskulöse Typ sah aus, als würde er das Schlimmste erwarten, vielleicht sogar Schläge, zumindest aber eine rigorose Strafpredigt. Nichts von beidem konnte er anscheinend im Moment noch verpacken, daher seine deutlich abwehrende, schützende Position.
Himmel, er denkt wahrhaftig, dass ich ihn schlagen will!, fuhr es mir irritiert durch den Kopf. Der Typ ist extrem labil und sensibel. Er kann jetzt nicht noch mehr ertragen. Das war alles zu viel für ihn. Ich muss nachsichtig sein und vorsichtig mit ihm umgehen. Achtsam rutschte ich über den glatten Boden zu ihm hin. Clay registrierte meine Bewegung. Aber anstatt den Kopf zu heben und mich anzusehen, hob er nur hastig seine Arme und legte sie sich schützend über den eingezogenen Kopf, die Ellenbogen abwehrend in meine Richtung, als müsste er seinen Schädel vor stumpfer Gewalteinwirkung bewahren. Es fiel mir schwer, deswegen nicht allzu gekränkt zu sein. Dachte mein Mann denn allen Ernstes, dass ich ihm auch nur irgendeinen Schaden zufügen wollte? Wie konnte er nur so entsetzlich wenig Vertrauen zu mir haben!? Seine unübersehbare Angst ausgerechnet vor mir war für mich nur schwer zu ertragen.
„Clay?" flüsterte ich sanft, erntete aber nur ein erschütternd depressives Jammern von ihm. Der große, starke Kerl wimmerte wahrhaftig leise vor sich hin. Das beunruhigend resignierte Geräusch ging mir verflucht tief rein. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, weil er seine Stirn auf seine Knie und die Arme über den Kopf gelegt hatte, aber ich ging davon aus, dass er seine Augen fest geschlossen hatte, weil das naive Kind die potentiell feindliche Umgebung mal wieder ausblenden wollte. Das rührte mich viel mehr, als gut für mich war.
Voller neu brennender Zuneigung ließ ich meinen Blick aufmerksam über seine dicht an die Kacheln gepresste, defensiv gebeugte Gestalt wandern. Er war so dermaßen nervös und angespannt, dass in seiner erstarrten Bewegungslosigkeit alle seine Muskeln zitterten. Clay hatte sich zu lange nicht rasiert, daher konnte ich an seinen Unterschenkeln dunkle Stoppeln erkennen, wo seine Körperbehaarung nachwuchs. An seinem verletzten rechten Oberschenkel lief aus der von ihm selbst neu aufgekratzten Schnittwunde ein bisschen Blut hinab zu seinem Po. Die Füße hatte er nah beieinander gestellt, die Zehennägel noch immer sorgfältig kurz geschnitten, und ich betrachtete eine Weile die Einstiche, die winzig rot und doch eindeutig an seinem Knöchel zu sehen waren. Auch in seiner Armbeuge waren relativ frische Einstichpunkte.
Clay Banton hatte sich vor Kurzem Heroin gespritzt. Das tat er normalerweise nicht, deshalb zog es mir erneut abrupt die Eingeweide zusammen. Aber ich versuchte mich damit zu beruhigen, dass er mit dem hinterhältigen Rauschgift ja jetzt endlich und ernsthaft aufhören wollte. Der unverbesserliche Junkie wollte es selber. Aus freien Stücken. Er hatte es mir gesagt. Und er hatte seinen überraschenden Entschluss meines Erachtens nach ernst gemeint. Das war ein himmelweiter Unterschied zu früher, wenn ich ihm nahegelegt hatte aufzuhören, wie ich es im Laufe unserer Freundschaft schon so oft getan hatte. Banton hatte selbst zugegeben, dass er nicht mehr so weitermachen wollte wie bisher. Das beinhaltete auf jeden Fall auch, dass er mit den harten Drogen aufhören wollte. Denn die scheiß Drogen verursachten doch seine Filmrisse und die vielen bösen Überraschungen, von denen er gesprochen hatte, und die er anscheinend inzwischen nahezu verabscheute. Mit den Drogen aufzuhören wäre für ihn zweifellos der erste entscheidende Schritt zu seiner Genesung.
Und das gilt auch für mich selbst, dachte ich kurz erschrocken, schob den Gedanken aber hastig beiseite, weil ich vor mir selbst in diesem Moment nicht zugeben wollte, dass ich ebenfalls entschieden zu viel Zeug konsumierte. Ich wollte mich auf keinen Fall mit Clay Banton auf eine Stufe stellen. Das hielt ich in meiner Arroganz für völlig abwegig und konzentrierte mich lieber hastig auf seinen trotz allem enorm erbaulichen Anblick. Seine helle Haut lockte mich gigantisch, zu gerne wollte ich ihn zärtlich anfassen, zögerte aber, verunsichert durch seine eindeutige Abwehrhaltung.
Ich war noch immer ganz erschlagen von der Erkenntnis, wie nüchtern und hundertprozentig zutreffend der gedankenlose Kerl seine eigene Situation beschrieben hatte. So viel knallharten Realitätssinn hatte ich dem Isländer wirklich nicht zugetraut. Und ich glaubte auch gar nicht, dass er so etwas früher schon jemals gehabt hatte, nicht mal annähernd. Etwas hatte sich für ihn geändert. Definitiv. Mir war zwar nicht klar was genau, aber seine Veränderung war erstaunlich tiefgreifend. Und sie führte endlich mal in die richtige Richtung. Ich zwang mich dazu, deswegen nicht allzu optimistisch zu werden und beschloss, lieber noch abzuwarten, bevor ich voreilig vor Freude in die Luft springen würde. Du musst vorsichtig sein, mahnte ich mich nochmal, du darfst ihn jetzt auf keinen Fall noch länger provozieren.
„Clay, ist doch schon gut...", sagte ich mit zärtlicher Stimme, streckte die Hand aus und streichelte ihm sanft über die Arme, die seinen Schädel vor Angriffen von oben bewahren sollten. Vielleicht versteckt er sich gar nicht vor mir, überlegte ich maßlos gerührt, womöglich hat das verbrannte Kind einfach nur Angst, dass plötzlich die ganze Welt über ihm zusammenstürzt. Zumindest sah er so aus, und das ging mir enorm tief rein. Clay wimmerte lauter und zuckte unbehaglich vor meiner sanften Berührung weg, also nahm ich meine streichelnde Hand schweren Herzens wieder weg. „Was ist denn los?" fragte ich ihn ratlos.
Mach dir nichts vor, dachte ich unbehaglich, wenn du so weiter kokst, dann kann dir jederzeit das gleiche passieren wie ihm. Du hast mit ihm im Stadtpark hauptsächlich wegen dem Kokain vollständig die Kontrolle über dich verloren. Du hast diesen Menschen vergewaltigt, verdammte Scheiße! Du hast ernsthaft versucht zu sterben! Wenn du nicht aufhörst mit den harten Drogen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis du wie er irgendwo aufwachst und dich an nichts mehr erinnern kannst. Womöglich wachst du sogar demnächst in einer geschlossenen Psychiatrie auf, wo du an irgendein Bett gefesselt bist. Oder du wachst eventuell auch gar nicht mehr auf, weil du es diesmal im Koksrausch geschafft hast dich umzubringen. Vielleicht kommt das nächste Mal kein Louis Frédéric mehr, der dir dein bisschen böse berauschtes Leben rettet. Dieser naheliegende Gedanke schockierte mich zutiefst, weil mir absolut bewusst war, wie erschreckend hoch die Wahrscheinlichkeit tatsächlich war. Sofort nahm ich mir vor meine gut versteckten Kokainvorräte bei nächster Gelegenheit rigoros zu vernichten und das unberechenbare und extrem gefährliche Zeug nie wieder anzurühren.
Hastig streckte ich nochmal die Hand aus und legte sie dem Mann vorsichtig auf die Schulter, weil ich mich plötzlich dringend irgendwo festhalten musste. Nimm dir ein Beispiel an ihm, wie es werden kann und mit absoluter Sicherheit in nächster Zukunft werden wird, wenn du nicht aufhörst, mahnte die nüchterne, strenge Stimme in meinem Gehirn und traf mich damit erschütternd deutlich und gnadenlos. Die Berührung seiner warmen, feuchten Haut gab mir erstaunlicherweise den Halt, den ich brauchte, um meine Fassung zu behalten. Nein, auf keinen Fall, so weit lasse ich es nicht kommen, schwor ich mir grimmig, ich versaue mir nicht für einen zweifelhaften Trip mein ganzes restliches Leben.
Sachte streichelte ich über sein hartes Schultergelenk, fuhr dann mit meinen Fingern behutsam an ihm entlang bis zu seinem feuchten Nacken, den ich zärtlich liebkoste. „Was ist los mit dir, Clay? Was hast du denn nur? Bitte erklär's mir", forderte ich ihn ruhig auf. Interessiert behielt ich ihn im Augen, um keine seiner verstohlenen Regungen zu verpassen. Eine Weile war es ganz still, nur unser schweres, aufgewühltes Atmen erfüllte mein kleines Badezimmer. Clay bewegte sich nicht und ich fürchtete schon mich damit abfinden zu müssen, dass mein Mann mir nicht antworten würde. Weil der kleine Trotzkopf womöglich gar nicht mehr mit mir sprechen wollte.
Endlich nahm er die Arme von seinem Kopf herunter und legte sie stattdessen wieder um seine Beine. Augenblicklich gespannt beobachtete ich, was er wohl noch vorhatte. „Hasst du mich jetzt?" glaubte ich plötzlich zu hören. Diese sonderbare Frage stellte der Typ mir nun schon zum zweiten Mal innerhalb sehr kurzer Zeit. Das konnte ich nicht begreifen und es kränkte mich auch, zumal ich ihm schon beim ersten Mal versichert hatte, dass ich ihn nie hassen könnte. Der deprimierte, gebeugte Kerl sprach so leise nach unten gegen seine eigene, hinter den angewinkelten Beinen versteckte Brust, dass ich ihn akustisch kaum verstehen konnte, obwohl ich unwillkürlich die Ohren spitzte. Also rückte ich noch ein bisschen näher und legte ihm vorsichtig meinen Arm um die Schultern. Ich konnte spüren, wie er zusammenzuckte und sein muskulöser Körper sich abwehrend verhärtete. Dennoch ließ ich meinen Arm diesmal liegen und schmiegte mich von der Seite an ihn heran.
„Nein, Clay, ich hasse dich nicht", beteuerte ich zum zweiten Mal und das war definitiv die Wahrheit. Meine Hand streichelte über seinen Oberarm, berührte seine zweite genähte Schnittwunde. Die andere Hand legte ich ihm vorsichtig auf den Kopf und strich behutsam durch sein total zerzaustes Haar. „Ich werde dich niemals hassen, hörst du?" versprach ich ihm und musste bewegt schlucken. „Erzähl mir bitte, was für dich das Allerschlimmste ist", bat ich ihn leise, weil mir dieser Punkt keine Ruhe ließ und um unser interessantes Gespräch von vorhin wieder aufzunehmen, auch wenn das wahrscheinlich ein großer Fehler war. Ich sollte damit aufhören, dachte ich unbehaglich, sonst bricht der mir hier noch vollends zusammen. Dummerweise waren da noch immer so viele ungeklärte Fragen in mir und diese schien mir sogar eine der wichtigsten zu sein, sodass ich meine Wissbegier trotz all der vernünftigen Überlegungen nicht so leicht stoppen konnte. „Du musst es mir nicht sagen", schränkte ich vorsichtshalber ein, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, meinem geschlagenen Mann schon wieder mit enorm persönlichen Fragen zuzusetzen.
„Sorry, Sean. Ich wollte dich nicht so brutal wegschubsen", wisperte Clay, ohne meine Bitte zu beachten, „Ich habe fast deine Dusche zertrümmert. Ich bin so ein kranker Psychopath." „Du musst lernen dich besser im Griff zu behalten", erwiderte ich sanft, enttäuscht über seine fehlende Antwort und gleichzeitig heilfroh darüber, dass er noch mit mir sprach und zumindest nicht länger an seiner gestochenen Naht herumknibbelte. Tatsächlich hatte er sich den rechten Oberschenkel in kürzester Zeit blutig gekratzt. Noch immer lief ein wenig Blut an seinem Bein hinab Richtung seines Hinterteils und befleckte den Untergrund, auf dem er saß. Das machte mir Sorgen, daher zog ich in Erwägung, den unachtsamen Dummkopf erneut ins Krankenhaus zu bringen, damit Doktor Tourani sich die Verletzung vielleicht besser nochmal ansehen und die beschädigte Naht gegebenenfalls ausbessern konnte.
„Ich bin so scheiß gewalttätig", stöhnte der deprimierte Isländer schuldbewusst in sich hinein und schüttelte sich voller Abscheu gegen sich selbst. Darüber musste ich lächeln. Es rührte mich, wie unerbittlich und hart er mit sich selbst ins Gericht ging. „Nein, das bist du nicht. Du bist nicht gewalttätig. Du bist nur wütend", wollte ich ihn trösten. Endlich hob er den Kopf und schaute mich unzufrieden an. Seine Augen waren so dunkel, dass sie mir Angst machten und ihr Ausdruck der Frustration mir unwillkürlich einen kalten Schauder durch mein Rückgrat jagte. „Du hast keine Ahnung, wie wütend ich bin", flüsterte mein Mann, während er mich reglos betrachtete.
Er ließ seine pechschwarzen Augen ausführlich über mein Gesicht wandern, über die Augenbrauen, die Nase, dann über meine Lippen. Ich saß so nah neben ihm auf dem harten Boden der Dusche, dass unsere Körper sich seitlich auf ganzer Länge berührten. Mein Arm lag locker um seinen Schultern, die dazugehörige Hand streichelte seinen Oberarm, vorsichtig an der harten Naht entlang. Meine andere Hand war an seinem Kopf, fuhr durch sein verstrubbeltes Haar, aber jetzt zog ich sie wieder ein und schaute ihn intensiv an. Clay Banton war so unfassbar wundervoll, dass mein Herz zu hämmern anfing, weil es den faszinierenden Anblick einfach nicht teilnahmslos ertragen konnte. „Es tut mir leid, Sean Valmont", flüsterte Clay geknickt. Sofort wurde mir ganz heiß davon, weil seine schöne Stimme mich erregte. „Mir tut es auch leid, Clay Banton", erwiderte ich krächzend und schluckte nochmal. Clay kannte mich zu gut, um mir meine Aufregung nicht anzumerken. Ein vorsichtiges Lächeln erschien in seinem zauberhaften Gesicht, was ihn sofort noch viel schöner machte.
„Wie viel Zeit willst du noch mit mir in deiner trockenen Dusche vergeuden, Valmont?" fragte er mich spöttisch. „Ich möchte nie wieder hier rausgehen", antwortete ich spontan, was in diesem Moment die Wahrheit war, aber Clay zu einem verblüfften Lachen animierte. „Nie wieder?" kicherte er verständnislos, „Ne, Sean, sorry, aber das ist mir zu kalt und viel zu hart." Der Typ machte Anstalten aufzustehen. Er erhob sich auf seine Knie, aber ich wollte ihn auf gar keinen Fall jetzt schon verlieren. Von daher hinderte ich ihn mit meinem Arm um seinen Schultern am Aufstehen, was er mit einem leisen Knurren quittierte. Clay versuchte sich von mir wegzuwinden, und ich hielt ihn beinahe schon panisch fest. „Darf ich dich waschen?" fragte ich ihn hastig, „Ich möchte lieb zu dir sein, Clay. Ich würde dir niemals wehtun." Er zuckte zusammen und wich meinem Blick aus. „Sean...", stöhnte er, was ich nicht recht einordnen konnte, weil es sich wie eine Mischung aus Abwehr und Begehren anhörte.
„Warum wolltest du dir selbst die Naht rausziehen?" musste ich ihn einfach fragen, weil ich das wirklich nicht verstand. Clay zuckte erneut zusammen und schaute sich hektisch in der engen Dusche um, schon wieder auf der instinktiven Suche nach einem Fluchtweg. Er brauchte einige Zeit, bis er mir antworten konnte. „Manchmal ist Schmerz leichter zu ertragen als das Chaos in meinem Kopf", erklärte er mir schließlich zögerlich, ohne mich dabei anzusehen. „Du tust dir selber weh?" horchte ich erschrocken nach. Der Typ nickte kaum merklich, was mir unglaublich leid tat. „Das musst du nicht tun, Clay. Das ist doch total..." „Du hast keine Ahnung, wie das manchmal ist!" blaffte er mich ungeduldig an, „Wie schlimm das manchmal in meinem Schädel ist!" „Du kannst lernen, damit umzugehen", beschwor ich ihn verzweifelt, „Du brauchst nur die richtige Hilfe dafür." „Hör auf!" schrie er gestresst, „Wenn du noch einmal von Therapien anfängst, dann schlag ich dir die Fresse ein!" Seine Augen waren drohend, aber im nächsten Moment biss er sich erschrocken auf die Lippen. „Tut mir leid", beteuerte er verwirrt, „Ich wollte gar nicht..." „Nein, ist schon gut", winkte ich ab, „Ich verstehe das doch, Clay. Ich glaube, ich verstehe dich besser, als du denkst." „Da bist du aber der einzige", höhnte er gelangweilt, „Denn ich kapiere überhaupt nichts."
Sein Blick wanderte noch immer unruhig durch die Kabine. Ich war gerührt, voller aufbrausender Liebe zu diesem seltsamen Kerl. Sanft zog ich meinen Arm von seinen Schultern, um damit anzufangen ihn zu streicheln. Meine Finger erkundeten seinen runden Rücken, tasteten sich an seiner Wirbelsäule entlang, dann über die Arme und die Schultern, seinen Nacken und schließlich die Brust. Clay verharrte und schaute mich lächelnd an. Meine Berührung schien ihm diesmal erstaunlicherweise zu gefallen, darum machte ich damit weiter und rückte begehrlich wieder näher zu ihm. „Ich möchte dich so gerne waschen", krächzte ich atemlos, „Ich möchte deine Wunden versorgen." „Ja, ich weiß", seufzte er. „Willst du das nicht?" fragte ich ängstlich und beobachtete mit klopfendem Herzen seine Reaktion. Alles in mir drängte körperlich zu ihm hin, aber ich wollte ihn nicht überfahren oder nochmal etwas gegen seinen Willen tun. Clay überlegte eine Weile, während seine Augen ziellos durch die Gegend huschten. Dann schaute er mich ratlos an. „Ich weiß nicht, was ich will", erklärte er leise, „Ich habe keine scheiß Ahnung, Sean Valmont. Es ist verflucht eng hier drin und ich kriege andauernd Panik deswegen."
„Clay...", stöhnte ich mitfühlend und intensivierte mein Streicheln intuitiv, um ihm die Angst wegzunehmen, obwohl das wahrscheinlich gar nicht möglich war. Vorsichtig wanderte meine Hand über seinen gekrümmten Körper. Deutlich nahm ich seine Knochen und Sehnen wahr, die Muskeln und Gelenke, registrierte seine strahlende Attraktivität. Seine helle Haut fühlte sich heiß und schwitzig an, aber auch weich und samtig. Ich behielt ihn bemüht konzentriert im Auge und nahm mir vor, den verstörten Mann im Notfall sofort in Ruhe zu lassen, so schwer mir das auch zweifellos fallen würde.
„Magst du das, Clay Banton?" erkundigte ich mich nach einer Weile scheu. Er lächelte schlicht zum Anbeten. „Ja, das ist schön", gab er leise zu und verdrehte hilflos die Augen. Sein Blick wurde langsam heller, was mich unglaublich erleichterte. Die wütende Dunkelheit in ihm schien sich wahrhaftig zu lichten. Seine Lippen und grün-braunen Augen lächelten zustimmend, irgendwie wirkte er sogar erwartungsvoll, also streichelte ich mich an ihm hinunter, bewegte mich sanft über seinen klebrigen Bauch, und er zog hörbar die Luft ein, als meine Hand sich extrem vorsichtig zwischen seine Beine schob. Behutsam liebkosten meine Finger sein Glied, wanderten zart über seinen Sack, ertasteten behutsam die beiden Hoden und streichelten sanft die Innenseiten seiner Oberschenkel. „Verdammt, Sean...", keuchte Clay und erschauderte. Unwillkürlich öffnete er seine Beine weiter für mich, es war fast nur ein minimales Zucken, aber eindeutig und wie eine geile Einladung. Sein Schwanz zuckte auch, das Blut pochte spürbar in ihm, und ich konnte fühlen, wie seine Muskeln sich ungesteuert zusammenzogen.
Mein Herz hämmerte los und ich schmiegte mich begehrlich an seinen hockenden Körper heran. „Willst du mich waschen oder aufgeilen?" fragte Clay mich atemlos mit einem frivolen Grinsen. „Du machst mich geil", gestand ich ihm lächelnd, „Ich fasse dich so gerne an." Meine Finger schlossen sich sanft um seinen Penis und fingen damit an behutsam auf und ab zu fahren. Er zitterte, saß jetzt ganz ruhig auf der harten Emaille und beobachtete mein Gesicht. Deutlich konnte ich spüren, wie das Blut sich verstärkt in mir staute und meine Erektion aufs Neue rasend schnell anwuchs. Überwältigt von den schönen Gefühlen stöhnte ich leise auf. „Sean...", seufzte Clay und bog sich nach hinten, um mir seinen Unterleib entgegen zu recken. Unruhig bewegte er sich auf dem unbequemen Untergrund.
Die Duschwanne war definitiv zu hart und eigentlich zu klein für uns beide, darum befanden unsere nackten Körper sich dicht beieinander. Ich spürte die Wärme, die mein Mann zunehmend ausstrahlte. Sein Puls stieg an und erhöhte seine Körpertemperatur, weil ich ihn jetzt einnehmend streichelte. Vorsichtig fuhren meine geschlossenen Finger an seinem Schwanz auf und ab, registrierten, dass er kaum merklich härter und größer wurde, was Clay zu einem stöhnenden Keuchen veranlasste. „Fuck, Sean...", ächzte er zwischen Panik und Genuss. Seine Augen waren jetzt weit aufgerissen, während er pausenlos mein Gesicht fixierte. „Du solltest das nicht tun", wandte der Typ warnend ein, „Ich bin total krank und gewalttätig. Ich weiß nicht, ob ich mich beherrschen kann." „Du musst dich gar nicht beherrschen", gestattete ich ihm lächelnd und streichelte seinen Bauch, während meine andere Hand an seinem wundervollen Penis beschäftigt war, weil ich wusste, wie gigantisch er das mochte. „Doch, das muss ich", meinte Clay überzeugt, „Ich muss mich immer beherrschen. In jeder einzelnen Sekunde meines Lebens."
Verdutzt hielt ich in meiner intimen Bewegung inne und blickte ihn forschend an. „Was? Warum sagst du das? Was bedeutet das, Clay?" Er blies spöttisch Luft aus und entzog sich mir plötzlich in einer heftigen, abwehrenden Bewegung, indem er seinen Körper aggressiv von mir wegdrehte und meine Hände dadurch zwangsläufig von seinem Körper glitten. „Du hast keine Ahnung, Valmont!" höhnte er geringschätzig, „Du weißt gar nicht, was für ein harter Kampf das täglich für mich ist!" Stürmisch rutschte er Richtung Glastür und streckte sich, weil er auf einmal die Tür öffnen und hinausgehen wollte, als würde er sich jäh von etwas bedroht fühlen. Ich war erregt und konnte es nicht ertragen ihn jetzt so abrupt zu verlieren. Es fiel mir schwer seinen verlockenden Körper nicht länger anzufassen. Ich sehnte mich wie verrückt nach seiner Zärtlichkeit, wollte seinen ohne ersichtlichen Grund abermals aufbrausenden Zorn dringend besänftigen.
Hastig griff ich nach seinem Arm, um ihn festzuhalten. Ich riss ihn zurück, von der Tür weg, was er sofort mit einem bösen Knurren kommentierte. „Erzähl mir davon!" beschwor ich ihn traurig, „Bitte erklär mir das, Clay!" Mein komplizierter Mann entzog sich mir mit einem frustrierten Fauchen und flüchtete in die andere Ecke der Dusche. Dann hockte er gekrümmt dort, den Leib schützend umschlungen, und studierte mich mit einem wirren Ausdruck in den Augen, der mich sofort beunruhigte. Die bedrohliche Befürchtung kam in mir auf, dass Banton womöglich erneut in seine unergründliche, psychische Finsternis abrutschen könnte. Was mache ich bloß, wenn er plötzlich genauso durchdreht wie mit Kim in seiner eigenen Dusche?, dachte ich erschrocken, womöglich kann ich ihn dann alleine nicht mehr bändigen, wenn er anfängt wie wild um sich zu schlagen, und muss, Gott bewahre!, Marc und Vincent zu Hilfe rufen. Das wäre unfassbar peinlich, stellte ich mir die extrem unangenehme Situation unwillkürlich vor. Ich wollte wirklich nicht nackt und mit unübersehbarem Ständer von meinen Mitbewohnern gesehen werden.
„Du hast vom Duschen gesprochen, Valmont!" bemängelte Clay unzufrieden, „Du hast nichts von wichsen gesagt... oder nochmal ficken!" Seine grobe, gefühllose Obszönität schlug mich vor den Kopf, darum guckte ich ihn strafend an und er verdrehte spöttisch die Augen. Herausfordernd grinste er mich an, zeigte mir hämisch seine schönen, weißen Zähne. „Es tut mir leid, Clay", seufzte ich schuldbewusst, „Mir fällt es eben auch schwer mich zu kontrollieren, wenn du in meiner Nähe bist." Seine Augen verengten sich verblüfft. „Dem Herrn Professor fällt irgendwas schwer?" fragte er so ungläubig, als wäre das seiner Meinung nach ein Ding der Unmöglichkeit, was mich so verwirrte, dass ich ihm nicht antworten konnte. Aber Clay erwartete auch gar keine Antwort von mir. „Du meinst, wenn ich nackt in deiner Nähe bin", verbesserte er mich voller Hohn.
Sein Blick huschte erneut aufgescheucht durch den arg begrenzten Innenraum, in dem wir uns aufhielten. Ich verstand, dass mein wunderschöner Mann sich in unserer beengten Umgebung tatsächlich unwohl fühlte. Es wurde Zeit, die Situation endlich zu klären und das zu tun, weswegen wir hierher gekommen waren, auch wenn es mir enorm schwerfiel, vorerst von ihm abzulassen. Es ist nicht sehr klug von mir, ihn ausgerechnet heute stundenlang in einer Dusche festzuhalten, schimpfte ich mit mir selbst.
Kurzentschlossen stand ich auf. Banton beobachtete mich argwöhnisch. Ich machte einen Schritt zu den Armaturen und drehte das Wasser auf, was augenblicklich eiskalt auf uns niederprasselte. Mit der Kälte des Wassers hatte ich gerechnet, mich innerlich darauf vorbereitet und insgeheim flehend darauf gehofft, dass es meine zu stark aufgeloderte Geilheit abkühlen würde. Clay traf das kalte Wasser allerdings völlig überraschend, daher schrie er entsetzt auf, sprang in einer erstaunlich kräftigen Bewegung auf die Beine und presste seinen Rücken gegen die Fliesen, um so wenig Wasser wie möglich abzubekommen. „Shit, Valmont! Spinnst du?" fauchte er ärgerlich. Diesmal zeigte ich ihm meine Zähne. „Wenn ich dich nicht anfassen darf, dann muss ich mich eben abkühlen", erklärte ich leichthin und drehte das Wasser noch weiter auf.
Eine Weile war es still, während Clay mich nachdenklich betrachtete. Ich spürte seinen Blick heiß auf meiner Haut, suchend und begehrlich. Er ließ mein Herz unwillkürlich schneller schlagen, aber ich tat so, als wäre ich an den Armaturen beschäftigt. Ich hatte große Mühe damit, ihn nicht zu beachten, die Gänsehaut, die seinen fantastischen Körper komplett überzogen hatte, das Wasser, das auf geile Weise an ihm herunterperlte, was ich aus den Augenwinkeln überdeutlich wahrnahm.
„Du darfst mich anfassen", flüsterte Clay nach einer gefühlten Ewigkeit einladend, „Du darfst mich waschen... meine Wunden versorgen... Mister Valmont." Seine wohlklingende Stimme hörte sich dermaßen verschwörerisch erregend an, dass es mir sämtliche Härchen aufstellte. „Gott, Clay!" stöhnte ich impulsiv erschlagen und warf ihm einen fassungslosen Blick zu. Er lächelte mich amüsiert an und war dabei so wunderschön, dass ich es nicht begreifen konnte. Meine Beine drohten einzuknicken, deshalb konzentrierte ich mich hastig auf die beiden uralten Knöpfe für kaltes und warmes Wasser und drehte eine Weile daran herum, um die Temperatur für uns angenehmer zu machen, was bei der antiken Dusche gar nicht so einfach war.
„Ist das gut so?" fragte ich ihn schließlich schüchtern. „Ja, schon viel besser", nickte er lächelnd und streckte wahrhaftig ungeduldig die Hand nach mir aus. Zögernd ergriff ich sie und zog ihn behutsam zu mir unter den warmen Wasserstrahl, der uns innerhalb von Sekunden vollständig durchnässt hatte. Seine körperliche Nähe und Perfektion drohten mich erneut zu überwältigen und ich schaute ihm hilflos ins Gesicht. Meine Seele ergötzte sich an seinen grün-braunen Augen, die zu meiner Freude jetzt belustigt leuchteten, seiner schönen, geraden Nase und den hohen Wangenknochen. Seine vollen, roten Lippen lockten mich zu sehr, darum konnte ich mich plötzlich nicht beherrschen, beugte mich zu ihm und küsste ihn viel zu stürmisch auf den Mund. Alles in mir drängte zu ihm hin. Meine Arme umschlangen seinen Leib ganz von allein, die Finger streichelten gierig über seine weiche, nasse Haut, über den breiten Rücken, den muskulösen Hintern, ich rieb mich selig an ihm und küsste ihn voller Verlangen.
Clay stand völlig reglos dort, seine Arme hingen ungenutzt an ihm herunter. Er öffnete seine Lippen für mich, ließ meine Zunge in seiner Mundhöhle gewähren, erwiderte meinen Kuss jedoch nicht und fasste mich auch nicht an. Seine Passivität machte mich wahnsinnig und ich versuchte verzweifelt alles, um ihn irgendwie zu erreichen, um ihn zum Mitmachen zu animieren, scheiterte jedoch kläglich. Schon bald musste ich mich wohl oder übel damit abfinden, dass der Typ jetzt offensichtlich nicht mit mir knutschen wollte. Die Situation wurde schnell blöd, weil ich mich sinnlos an ihm festschmiegte, ihn mit allen meinen Sinnen stürmisch für mich einnahm, und er nur starr dort stand und es teilnahmslos über sich ergehen ließ. Damit konnte ich unmöglich zufrieden sein. Mir wurde klar, dass ich mich mit meinem spürbar triebgesteuerten Verhalten eindeutig lächerlich machte.
Mit riesiger Kraftanstrengung hielt ich mich nach einer Weile zurück und löste mich wieder von dem Objekt meiner abrupt viel zu heiß entflammten Begierde. „Clay...", stöhnte ich hilflos, „...tut mir leid..." Er lächelte gutmütig. „Nein, Sean, entschuldige dich nicht dafür, dass du auf mich abfährst. Das ist doch... total schmeichelhaft. Ich finde das ziemlich geil, weißt du?!" „Nein, du findest das nicht geil. Das ist doch das Problem", widersprach ich atemlos und unglücklich, woraufhin der verdammte Kerl verdutzt auflachte. „Natürlich ist das geil", beharrte er, „Aber bitte lass uns endlich duschen. Ich will nicht noch länger hier sein." Es ist nur die Enge der Kabine, die ihn abschreckt und ihm zu schaffen macht, versuchte ich mich zu trösten, im Grunde will er mich auch.
„Hast du Angst, dass du plötzlich wieder durchdrehst?" fragte ich ihn ganz direkt und bereute es nur einen Augenblick später, weil Clays Augen sich schlagartig verdunkelten. Verärgert und misstrauisch beäugte er mich. „Hast du Angst, dass ich plötzlich wieder durchdrehe?" wollte er mit böse provozierender Stimme wissen. Seine Augen drohten mir mit irgendwas, was ich nicht verstand. „Ja", flüsterte ich traurig, „Ich habe Angst davor, Clay. Deine Krankheit macht mir Angst." Wenn ich von ihm erwartete, dass er ehrlich zu mir war, dann musste ich das auch zu ihm sein. Aber Banton wusste meine spontane Aufrichtigkeit nicht zu schätzen, sondern fauchte mich wütend an. „Was willst du denn dann überhaupt noch von mir, Valmont? Warum hältst du mich hier fest? Warum riskierst du, dass ich durchdrehe? Wirf mich doch einfach raus, wenn du so viel Schiss vor mir hast! Tritt mich in den Arsch, dann musst du nichts mehr mit meiner Krankheit zu tun haben!" „Ich will aber damit zu tun haben", entgegnete ich verzweifelt, „Ich will mit dir zu tun haben, Clay!"
Er fauchte verwirrt und gekränkt, seine Augen huschten aufgebracht zur Glastür, weil er erneut das Bedürfnis verspürte, so schnell wie möglich abzuhauen. Er ist so verdammt sensibel, dachte ich angespannt, seine derzeitige Labilität ist richtig schlimm, ich muss viel besser aufpassen, was ich zu ihm sage. Clay trat unruhig auf der Stelle herum, bewegte seinen schönen Körper in alle Richtungen, offensichtlich bedrängt durch die Enge seiner Umgebung und durch meine bedrohliche Anwesenheit. „Clay, ist doch gut...", seufzte ich, „Ich lasse dich damit nicht allein. Das verspreche ich dir." Schnell hob ich meine Hand und berührte sein aufgeregtes Gesicht. Zu meiner Freude wich er nicht aus, sondern ließ sich von mir anfassen. Vorsichtig streichelte ich über seine nasse Stirn, die Augenbrauen und die Wangen, an denen dunkle, harte Bartstoppeln gewachsen waren. Auch an seinem Kinn und über seinen Lippen wuchs sein Bart. Ich nahm mir vor, meinen geliebten Mann gleich nach unserer Dusche sorgsam zu rasieren. Aufmerksam beobachtete ich ihn, wollte dringend seinen Blick auffangen, aber seine wirren Augen wichen mir ruhelos aus.
„Ich liebe dich, Clay Banton", flüsterte ich durch das Rauschen des Wassers hindurch, „Ich möchte immer etwas mit dir zu tun haben. Ganz egal, was noch passiert. Ich will das mit dir zusammen durchstehen." „Ich kann das nicht kontrollieren", knurrte er durch zusammengebissene Zähne, „Ich weiß nicht, wann das wiederkommt. Es passiert mit mir, wenn ich zu stark getriggert werde." „Ich passe auf dich auf", versprach ich ihm und gab damit voreilig ein schlicht unmögliches Versprechen. In Wahrheit hatte ich nämlich keinen blassen Schimmer, wie ich das konkret anstellen sollte. Vor was konnte ich ihn schon beschützen? Letztendlich konnte ich nicht in jeder Sekunde in seiner Nähe sein. Und ich wusste ja nicht mal, was genau ihn dermaßen stark triggerte, dass er darüber wahrhaftig den Verstand verlor.
Eine Weile war es ganz still in der Dusche, nur das gleichmäßige Rauschen des Wassers, das warm auf unsere nackten Körper runter prasselte, Clays aufgeregtes Atmen und mein nervöser Herzschlag in meinen Ohren. Meine Finger zitterten ein bisschen, als ich unermüdlich über sein Gesicht streichelte, ganz sanft und behutsam. Mit der Zeit schien er zu meiner Erleichterung darüber ruhiger zu werden und entspannte sich zusehends.
Schließlich nahm ich kurzentschlossen mein Shampoo von der Ablage, schüttete etwas davon in meine Hände und fing sorgfältig damit an sein nasses Haar zu waschen. Meine Finger fuhren ganz leicht durch seine kurzen Strähnen, widmeten sich akribisch jedem Zentimeter seines Kopfes und ertasteten seine Beulen, die mir noch immer einen Stich versetzten. Sein dunkelblondes Haar wirkte durch die Nässe viel dunkler, es fühlte sich dicht, kräftig und gesund an. Sanft arbeitete ich ihm das Shampoo ins Haar und schäumte es auf. Dabei massierte ich gefühlvoll seine sensible Kopfhaut, weil ich wusste, wie sehr er das mochte.
Clay stand jetzt ganz still vor mir. Er schloss die Augen, neigte mir seinen Kopf vertrauensvoll entgegen und ließ mich teilnahmslos gewähren. Während ich ihm voller Hingabe das Haar wusch, wanderten meine Augen gefesselt über seine fantastische Gestalt, nahmen entzückt jedes Detail von ihm auf. Sein wundervolles Gesicht, der hübsche Hals mit dem Adamsapfel, die breiten Schultern und starken Arme, die schmalen Künstlerhände, seine attraktive Brust, die Rippen unter der hellen Haut und die kleinen, runden Brustwarzen, sein empfindlicher Bauch, der Bauchnabel, die beiden Hüftknochen, seine erregenden Geschlechtsorgane, die langen, kräftigen Beine und wohlgeformten Füße. Trotz seiner derzeit erschreckend mannigfachen Verletzungen war Clay Banton ein einnehmend gut aussehender Mann.
„Du bist so schön", konnte ich mich nicht bremsen aufs Neue atemlos zu bemerken, „Ich liebe dich so sehr." Verunsichert schaute ich in sein Gesicht, um seine Reaktion darauf zu erfassen. Das Wasser spülte ihm das Shampoo aus dem Haar. Meine Hände streichelten sich an seinem Kopf herunter, mogelten sich langsam über seinen zarten Hals, um seinen Nacken sanft zu massieren. Seine Lider öffneten sich, er wischte sich Shampoo aus der Stirn, damit es nicht in seine Augen laufen konnte. Dann seufzte er schwer und betrachtete mich mit abwägend zusammengezogenen Brauen. Ein paar Minuten lang schauten wir uns intensiv an. Autonom versank ich in seinen grünen Augen mit den faszinierenden braunen Sprenkeln. Ich glaubte ihm anzusehen, dass der kleine Junge über etwas Wichtiges nachdachte. Dabei wollte ich ihn auf keinen Fall stören. Also konzentrierte ich mich auf seinen spürbar verspannten Nacken, die Knochen und Muskeln seiner Schultern und die fesselnde Ausdruckskraft seiner so erstaunlich tiefgründigen Augen.
„Warum tust du das?" fragte Clay schließlich leise. Ein gerührtes Lächeln erschien auf meinem Gesicht. „Ich wasche dir gerne das Haar, Clay. Und ich weiß doch, dass du es magst, wenn ich dich dabei ganz sanft massiere", gestand ich ihm zärtlich. Tatsächlich hatte ich das schon öfter bei ihm gemacht, wenn wir gemeinsam geduscht hatten. „Nein, das meine ich nicht!" winkte er ungeduldig ab und schüttelte unwirsch mit dem Schädel, was mich herbe vor den Kopf stieß. Gekränkt nahm ich meine Hände herunter und schaute ihn fragend an. „Was meinst du denn, Clay?" erkundigte ich mich bemüht beherrscht bei ihm. Seine Augen waren voller Argwohn. „Warum liebst du mich?" wollte er ernsthaft wissen. Seine sichtbar verwirrte, misstrauische Aufmerksamkeit lag jetzt verstärkt auf meinem Gesicht, und mir dämmerte, dass er meine Gefühle für ihn wirklich nicht verstand. Allerdings war es gar nicht so leicht für mich, ihm auf diese Frage eine verständliche Antwort zu geben, darum musste ich erst eine Weile höchst irritiert darüber nachdenken.
Das dauerte Clay zu lange, deshalb stieß er nach zwei Minuten unzufrieden Luft aus. „Ich verstehe das nicht, Sean", erklärte mein Mann mir gestresst, „Ich weiß nicht, was das bedeutet. Ich weiß nicht, was du jetzt von mir erwartest." Meine Kehle zog sich zusammen, weil seine Augen so dermaßen hilflos wurden, dass an der Ehrlichkeit seiner Worte kein Zweifel bestehen konnte. „Clay, ich bin...", krächzte ich erschüttert, brach aber wieder ab, denn ich war verwirrt und wusste nicht, was ich darauf sagen, wie ich ihm meine Gefühle erklären sollte, wenn er sie nicht verstand. Konnte man denn Liebe überhaupt erklären? Jemandem, der sie selbst offenbar nicht fühlte? Oder fühlte er es, wusste es aber nicht zu benennen? War Liebe nicht etwas, das jeder völlig individuell empfand? Schockiert stand ich vor dem seltsamen Isländer und schaute ihn ratlos an. In meinem Kopf herrschte ein konfuses Durcheinander, während das Wasser der Dusche unaufhaltsam auf uns fiel.
„Ich bin noch nie geliebt worden, Sean", erklärte Clay Banton mir sonderbar unberührt, als würde er es nur feststellen, „Ich habe nie jemanden geliebt." Diese rührend cool hervorgebrachte Aussage versetzte mir einen derart heftigen Stich, dass ich mir schockiert den Bauch festhielt. „Du hast deinen Vater geliebt", wandte ich überstürzt ein und biss mir erschrocken auf die Lippen, weil er normalerweise aggressiv und abwehrend reagierte, wenn ich seinen Vater erwähnte. Auch diesmal verengten sich seine Augen schlagartig, denn er war augenblicklich auf der Hut vor mir. „Ich war ein Kind", blaffte er höhnisch, „Ich kann mich kaum noch an ihn erinnern." „Er hat dich geliebt, Clay", beharrte ich mit einem leichten Gefühl des Trotzes in mir, „Und du hast ihn auch geliebt." „Woher willst du das wissen? Du bist doch nie dabei gewesen!" knurrte Clay frustriert. „Ich bin mir sicher, Clay", erklärte ich hastig, „Du hast ihn so sehr vermisst, als du in Kanada warst. Wenn du ihn nicht geliebt hättest, dann hättest du ihn auch nicht vermisst."
Beschwörend taxierte ich den sonderbaren Kerl vor mir, der mir völlig ausdruckslos erklärte, noch nie in seinem Leben mit Liebe in Berührung gekommen zu sein. Diese Vorstellung fand ich dermaßen schrecklich, dass ich sie kaum hinnehmen konnte. Es tat mir weh, wie gequält der Typ mit einem Mal aussah. Unwohl wich er meinem Blick aus und fing wieder an nervös auf der Stelle zu treten. „Dein Vater hat dich mit Sicherheit geliebt, Clay", beschwor ich ihn sanft. „Kann schon sein...", gab er nach einiger Zeit zögerlich zu, „Aber jetzt ist das anders." „Warum ist das jetzt anders?" fragte ich ängstlich nach, obwohl sämtliche Alarmglocken in mir instinktiv davon abrieten. „Weil er nicht mehr da ist!" bellte Clay aggressiv in meine Richtung, ohne mich direkt anzusehen, „Er ist schon seit Ewigkeiten nicht mehr da. Fuck, mein Dad hat nie nach mir gefragt, hat nie versucht mich zu finden. Er wollte mich damals nicht mal bei sich behalten." „Das weißt du doch nicht...", wandte ich leise ein, aber er überging das mit einem höhnischen Schnaufen. „Seine Liebe zu mir kann nicht besonders groß gewesen sein, Valmont", knurrte mein verlassenes Kind geringschätzig. Er tat so, als wäre er lange darüber hinweg, aber ich konnte heraushören, wie sehr ihn dieser Umstand noch immer schmerzte. Hilflos betrachtete ich ihn und kämpfte mit meinem Mitgefühl. Das Thema war mir auf Dauer zu riskant, denn ich kannte seinen Vater nicht, wusste nichts über dieses Vater-Sohn-Verhältnis und traute mir deshalb auch kein abschließendes Urteil über diesen isländischen Mann zu.
Clay spülte sich aggressiv die letzten Reste Shampoo aus dem Haar und machte dann einen Schritt zurück, um Abstand zu mir zu gewinnen und nicht länger genau unter dem Wasserstrahl der Dusche zu stehen. Er sah mich nicht an, sondern blickte sich panisch in der Dusche um, mit schnellen, fast unkontrollierten Bewegungen, sodass ich fürchtete, er würde jeden Moment die Tür aufreißen und verschwinden. „Du bist mit Sicherheit geliebt worden, Clay", redete ich hastig auf ihn ein, „Deine Mutter hat dich geliebt. Deine Schwestern haben dich geliebt. Und ich glaube, dass du deine Familie auch geliebt hast. Kein Baby kann ohne Liebe überleben."
Sein Kopf fuhr so schnell zu mir herum, dass ich erschrocken zusammenzuckte. Ungläubig taxierte er mich, das hübsche Gesicht beunruhigend gequält, die Augen enge, misstrauische Schlitze. „Wow, Valmont, das ist so... ich weiß gar nicht, was du...", zischte er aufgeregt, brach verwirrt ab und musterte mich fassungslos. Dann setzte er nochmal neu an. „Shit, ich wünschte, ich könnte nur einmal in deinen mega schlauen Kopf reingucken", murmelte er frustriert, „Nur ein verdammtes einziges Mal." „Warum willst du das tun?" erkundigte ich mich verständnislos. Er schnaufte spöttisch und ein hilfloses Lächeln erschien auf seinem attraktiven Gesicht, als er mich erstaunt betrachtete. „Vielleicht würde ich dann endlich mal verstehen, wovon du redest", erläuterte Clay achselzuckend, „Ich kapier dich einfach nicht, Sean Valmont. Du erzählst mir was von Babys, obwohl ich dir gerade erklärt habe, dass ich mich kaum noch an meinen Dad erinnern kann. Gehst du etwa ernsthaft davon aus, dass ich auch nur noch irgendwas aus meinen Babyjahren weiß?!" Der Kerl guckte mich mit seinen funkelnden Augen so überheblich, geringschätzig und spöttisch an, als würde er mich für völlig verrückt erklären. Das machte mich sauer und weckte meinen Widerstand.
Eine Zeit lang war es ruhig, während wir uns reglos ansahen. Wir belauerten uns, Clay sichtbar voller Hohn, aber auch frustriert und nachdenklich, ich mit einem inneren Trotz und einer Überzeugung, die zweifellos nicht angebracht war. Schließlich wusste ich nicht das Geringste über die Qualität der menschlichen Beziehungen innerhalb seiner Familie, die für mich immer ein ungelöstes Rätsel geblieben war, weil Clay Banton nie mit mir darüber reden wollte.
„Sie haben dir geholfen zu überleben", bekräftigte ich eine Spur zu laut, „Du hättest als Baby nicht überlebt, Clay, wenn dich niemand geliebt hätte!" Kampfbereit taxierte ich ihn und dachte ehrlich, ich wäre innerlich auf alles vorbereitet, was er jetzt erwidern würde. Was er dann aber sagte, zog mir jäh den Boden unter den Füßen weg. „Habe ich das?" fragte er äußerlich so gut wie unbeteiligt, „Habe ich tatsächlich überlebt, Sean? Ich bin mir da nicht so sicher." „Himmel, Clay...", ächzte ich fassungslos. Nach ein paar starren Schrecksekunden machte ich hastig einen Schritt auf ihn zu und legte ihm meine Hand direkt flach auf die Stelle seiner Brust, in der spürbar sein Herz pochte. „Selbstverständlich lebst du, Banton! Hier, fühl doch, wie dein Herz schlägt!" Energisch griff ich nach seiner Hand und legte sie ihm fest auf seine Rippen, damit er sich gefälligst selbst von seiner Lebendigkeit überzeugte. „Spürst du das? Kannst du fühlen, wie regelmäßig dein Herz schlägt?" fragte ich ihn herausfordernd und starrte ihm beschwörend ins Gesicht. Er lächelte über meinen restlos entgeisterten Ehrgeiz.
„Meinst du, das reicht schon? Genügt es denn, wenn das Herz schlägt?" wollte mein seltsamer Mann leise von mir wissen. In seinen schönen Augen war plötzlich nichts mehr, nur noch eine große, dunkle Traurigkeit. Damit strapazierte er mich auf eine Art, unter der ich beinahe zusammenbrach. Abermals verspürte ich einen schmerzhaften Stich in meinen Eingeweiden, ließ seine Hand los und stand nur noch hilflos dort. So langsam war ich es wohl, der am liebsten aus meiner engen Dusche geflüchtet wäre, um mich dieser mühsamen Auseinandersetzung zu entziehen. Denn der mega komplizierte Isländer stellte mir Fragen und konfrontierte mich mit Ansichten, die für mich nur schwer nachzuvollziehen und noch schwieriger zu akzeptieren waren.
Langsam nahm Clay die Hand von seiner Brust, streckte seinen Arm in meine Richtung und streichelte sanft über mein Gesicht. Zart fuhren die rauen Fingerkuppen über meine Wangen, was mich sofort elektrisierte. Seine Augen und sein Lächeln waren so dermaßen resigniert und deprimiert, dass ich am liebsten anfangen wollte zu schreien. Es war schwer die Tränen zurückzuhalten. Aber da war auch eine seltsame Achtung in diesem Lächeln, eine Faszination, die meine Seele wärmte, mich zum Glück vom Schreien und Heulen abhielt und mir dabei half mich zusammenzureißen.
„Es ist ein Anfang, wenn dein Herz schlägt", krächzte ich mühevoll durch das Rauschen des Wassers, „Darauf können wir doch gemeinsam aufbauen, oder?" Clay stieß ein verblüfftes Lachen aus. Statt einer Antwort verlegte er sich verstärkt aufs Streicheln. Es war schön, wie sanft er mich anfasste, mit wie viel spürbarer Zuneigung er das tat. Eine Weile genoss ich es einfach, bis er anfing sich an mir herunterzutasten und vorsichtig meine Brustwarzen berührte, was mir sofort einen geilen Schauder einbrachte.
„Du kannst lieben, Clay Banton!" beschwor ich ihn spontan verzweifelt, „Du hast selbst gesagt, dass da was ist zwischen uns! Du fühlst doch was für mich! Du hast so viel Liebe in dir! Vielleicht sogar mehr als jeder andere. Da steckt so viel Liebe in dem, was du kreativ erschaffst. Und du hast auch für Eliza Gefühle!" Überrascht riss Clay die Augen auf und verharrte in der Bewegung, die Finger direkt an meinen Nippeln, die sich ihm unweigerlich gierig entgegen reckten. Reglos starrte ich ihn an, mein Herz fing an zu hämmern, weil ich keine Ahnung hatte, wie er darauf reagieren würde. Plötzlich fürchtete ich, dass mein Mann etwas Ablehnendes oder Spöttisches erwidern würde, und ich war nicht sicher, ob ich das in diesem Moment noch ertragen konnte. Gefühlte Ewigkeiten lang war es nochmal ganz still um uns, nur das ständige Rauschen des Wassers, und plötzlich dachte ich wirr, dass ich nicht länger das teure Wasser so maßlos verschwenden durfte.
Endlich machte der sensible Künstler den Mund auf. „Fuck, Valmont... wow... das ist... so geil...", stotterte er sichtbar baff und hingerissen, „Wie du das jetzt gesagt hast.... das du wahrhaftig Eliza erwähnt hast... wow ey... das... hast du noch nie gemacht... nicht auf so eine Art..." „Du liebst Eliza", bekräftigte ich impulsiv, obwohl mir das nicht leichtfiel, „Und du liebst auch mich." Nach einer kurzen Pause setzte ich mit böse stotterndem Herzschlag schüchtern fragend hinzu: „Nicht wahr, Clay?" „Keine Ahnung", seufzte er und hob ratlos die Schultern, „Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt. Ich weiß nicht, was es bedeutet, denn ich habe noch nie jemanden geliebt. Aber es hört sich echt geil an. Ich glaube, ich könnte das vielleicht mal versuchen." Seine naive Antwort ging mir viel zu nahe, darum musste ich für einen Moment die Augen schließen, um mich zu beherrschen. Tief atmete ich ein paarmal durch.
Dann drehte ich mich kurzentschlossen herum und griff mir mein Duschgel, um endlich mit dem Waschen anzufangen. Ich hielt mich krampfhaft an dem Vorhaben fest, das Wasser nicht noch länger ungenutzt im Ausguss ablaufen zu lassen, was in meinen Augen zweifellos ein Verbrechen war. Schuldbewusst schüttete ich etwas sündhaft teures Duschgel auf meine Hände und verteilte es so sanft wie möglich auf dem wunderschönen, aber leider schwer verletzten Körper vor mir. Clay hielt ganz still, beobachtete mich nur lächelnd, wie ich konzentriert mit meinen Händen über seine Haut wanderte und keinen Zentimeter seines Leibes dabei unbeachtet ließ. Ich arbeitete mich extrem vorsichtig über seine Gestalt vor, von oben nach unten, rechts nach links, achtete sorgsam auf jede Verletzung und vermied es ihm dabei wehzutun. Obwohl er trotzdem manches Mal zusammenzucke, beschwerte er sich nicht, sondern wirkte friedlich und zufrieden. Es erregte mich enorm ihn derart anzufassen, das Wasser und das Duschgel zärtlich auf seiner weichen Haut zu verteilen, aber ich zwang mich dazu, mich ausschließlich auf das Waschen zu fokussieren, auch wenn meine Finger ihn überaus intim betasteten. Zu meiner Freude hatte meine liebevolle Berührung auch auf Clay eindeutig eine sexuell erregende Wirkung, denn sein Atem wurde mit der Zeit schwerer, er fing an zu zittern und sein Schwanz richtete sich auf.
Als ich gerade ernsthaft darüber nachdachte ihn zu küssen, fing er plötzlich an zu sprechen, sodass ich unwillkürlich in meiner Bewegung innehielt und ihn interessiert ansah. „Ich hätte alles getan, Sean. Gestern bei Travis. Ich hätte verdammt nochmal mein Leben gegeben für einen verdammten Chinesen", beichtete Clay mir mit hörbar zugeschnürter Kehle. „Ja, ich weiß", erwiderte ich seufzend, denn er erzählte mir keine Neuigkeit. Ich hatte ihn schließlich bei Travis erlebt, außerdem kannte ich ihn in seiner unbändigen Gier nach dem Rauschgift. „Du weißt gar nichts!" blaffte Clay mich so zornig an, dass ich verschreckt zusammenzuckte und alarmiert die Augen aufriss. „Das war anders als sonst! Ich hatte nicht mal einen scheiß Affen! Nichts hat mich dazu gezwungen! Trotzdem habe ich denen mein Leben angeboten! Es war mir scheißegal, Sean, ich hätte denen auch den Schwanz gelutscht für einen verfickten..." „Ja, ich war dabei, Clay. Du hast dich total lächerlich gemacht. Alle haben deine Erektion gesehen. Du hast dich vor aller Augen an Mabel verkauft. Du hast dich für zehn mickrige Euro einer fremden Junkiebraut überlassen", unterbrach ich ihn leicht ungehalten, weil ich seine plötzlich Wut auf mich nicht verstand. „Zehn mickrige Euro", wiederholte Clay frustriert. Er schaute mich an und ich konnte den gigantischen Abscheu in seinen Augen erkennen, den er offenbar wegen dieser Sache für sich selbst empfand.
„Clay...", versuchte ich hilflos ihn zu beruhigen, „Du bist krank. Du darfst nicht..." „Ich bin nicht krank gewesen!" widersprach er viel zu laut, wütend und unbeherrscht, „Ich habe das ohne Grund getan! Ich hatte nicht mal den Hauch eines Affens! Das ist ja der verdammte Unterschied!" Darauf wusste ich nichts zu sagen, deshalb schaute ich ihn nur betrübt an, hob zögernd den Arm und streichelte tröstend seine Brust, was er kaum zu bemerken schien. Aufgewühlt rang er nach Luft und fixierte mich bedeutungsvoll. „Aber weißt du, was das Allerschlimmste daran ist, Sean", fragte er herausfordernd. Stumm schüttelte ich den Kopf. Mein Herz hämmerte los, weil ich nicht sicher war, ob ich es überhaupt noch hören wollte. Ich hatte Angst vor neuen unerfreulichen Antworten, knallharten Wahrheiten und grausamen Realitäten, denn ich wusste nicht, wie viel davon ich noch verpacken konnte.
Clay Banton holte tief Luft. Sein Körper wand sich unbehaglich, offenbar vor Ekel über sich selbst, was mir innerlich sehr wehtat. Ich wollte nicht, dass mein geliebter Mann von sich selbst so eine schlechte Meinung hatte. In meinen Augen hatte er nichts getan, was diesen brennenden Abscheu in seinen Augen rechtfertigte. Aber ich wusste ja auch noch nicht alles. Ich hatte das Allerschlimmste noch nicht gehört. Vielleicht wollte ich es gar nicht wissen. Aber ich wollte ihn in seiner ungewohnten Mitteilsamkeit auch nicht stoppen. Also konnte ich nichts weiter tun als abzuwarten, bis er so weit war. Aufmerksam und mit nervös hämmerndem Herzen schaute ich ihn an.
Die nächsten Sätze fielen dem aufgeregten, beunruhigend fassungslosen Kerl nicht leicht. Er musste sich spürbar überwinden, um sich mir anzuvertrauen. Es handelt sich wirklich um eine schlimme Sache, dachte ich angespannt, während ich ihn verstört beobachtete. „Gestern bei Travis... da... hatte ich gar nichts dabei. Keins von den verflucht wichtigen Dingen, die ich sonst immer mitnehme. Alle meine Taschen waren total leer. Shit, sogar meine Klamotten waren nur geliehen! Du weißt das, nicht wahr, Sean? Weißt du noch, dass ich nichts bei mir trug?" fing er eher neutral an. Ich nickte, denn schließlich hatte er ja zu dieser Zeit meine Kleidung getragen. Es entsprach der Wahrheit, dass alle Taschen leer gewesen waren. Stumm starrte ich Clay an. Ich konnte gerade nicht sprechen, weil mein Hals sich in dunkler Vorahnung von allein zuschnürte.
„Ich hätte um ein Haar mit Mabel gefickt", berichtete mein Mann mir tonlos. Obwohl ich das schon gewusst hatte, fiel es mir enorm schwer, mir meine abrupt explodierende Eifersucht nicht anmerken zu lassen. Clay sah mich resigniert an, ausdruckslos und wütend zugleich, darum schluckte ich alle jäh aufbrausenden Emotionen tapfer hinunter. „Na und?" krächzte ich verständnislos, weil ich daran nun wirklich nichts Allerschlimmstes entdecken konnte. Es war noch nicht einmal eine Überraschung für mich. Das einzige, was mich überraschte, war die Tatsache, dass er sich plötzlich trotz seines zu diesem Zeitpunkt so gut wie bewusstlosen Zustands an all diese Details aus Travis' Wohnung genau erinnern konnte. Das warf in mir die misstrauische Frage auf, ob der Typ nicht womöglich zuvor seine angebliche Amnesie nur vorgetäuscht hatte, um sich dahinter zu verstecken. Forschend betrachtete ich ihn.
In Clays Augen glühte ein verhängnisvolles Feuer, als er fortfuhr: „Weißt du, Sean, ich habe ihr das versprochen. Das war unser Deal, dass sie mir shore kauft und ich sie dafür genau so rannehme, wie sie es haben will. Ich habe dieser Frau alles versprochen. Also hätte ich es auch gemacht. Wenn du mich nicht vorher da weggeholt hättest, dann hätte ich meinen Schwanz hundertprozentig in die reingesteckt." „Clay... nicht!" wollte ich ihn instinktiv bremsen. Diese Einzelheiten interessierten mich nicht. Ich konnte keine grob gefühllosen, obszönen Ausdrücke mehr hören. Meine Kehle wurde verdammt eng, als ich die Tränen registrierte, die sich plötzlich in Clays schönen Augen ansammelten. Ich wollte nicht, dass er weiter sprach und sich damit noch mehr quälte. Aber Clay wollte sich vielleicht abermals wehtun. Darum musste er die Wörter dringend sagen, die ich tief drinnen schon längst ahnte: „Verdammt, Sean, das wäre wirklich passiert! Ich hätte das tatsächlich gemacht, verfluchte Scheiße! Das war haarscharf. So etwas tue ich sonst nicht, da achte ich immer drauf. Es ist das einzige, was ich nie mache. Niemals! Das ist das Allerschlimmste für mich. Aber es wäre passiert, wenn du mich nicht vorher mitgenommen hättest. Ich hätte ohne Kondom mit ihr geschlafen."
|
Kapitel: | 38 | |
Sätze: | 70.882 | |
Wörter: | 913.670 | |
Zeichen: | 5.420.544 |
Feedback
Logge Dich ein oder registriere Dich um Storys kommentieren zu können!