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Sätze: | 30 | |
Wörter: | 563 | |
Zeichen: | 3.145 |
Draußen dämmerte es schon und am Himmel war bereits der erste Stern zu sehen, als sie losging. Der kalte Wind schmeckte nach Salz, das sie von ihren Lippen leckte. Sie liebte dieses kalte und stürmische Wetter. Einen Augenblick schloss sie ihre Augen und sog die Luft in sich hinein. Es fühlte sich an, als würde der Wind ihre Seele reinigen... In ihren Winterstiefeln und der wetterfesten Jacke war sie schön warm eingepackt; und so machte sie sich auf den Weg zu ihm.
Sie ging durch die Dünen direkt zum Strand, wo sie abermals stehen blieb, um das Meer anzuschauen und mit ausgestreckten Armen zu begrüßen. Für einen Moment war sie in ihren Gedanken frei und ihr Herz wurde leicht, als ihr die Flut entgegenkam. Es war, als wenn das Meer auf sie gewartet hätte und sie mitnehmen wollte. Das Rauschen der hohen Wellen ließ alles andere in und um sie herum stumm werden. Der Kummer und die Sorgen, die sie sonst begleiteten, hatten sich für diesen einen Augenblick dem Meeresrauschen ergeben und schwiegen.
Bevor sie die Arme wieder herunter nahm und ihre kalten Hände in den Jackentaschen vergrub, warf sie dem Meer noch einen Luftkuss zu. Dann setzte sie ihren Weg am Strand entlang fort, bis sie zu der steinernen Treppe zwischen den Dünen kam. Die Stufen waren durch die stetige Feuchte vom Meer etwas rutschig. Doch sie wusste um diese Gefahr und ging vorsichtig hinauf.
Als sie oben angekommen war, blickte sie zu ihm auf und sah das langsam rotierende Licht. Der Leuchtturm war ihr schon fast ein vertrauter Freund geworden, denn nur er konnte helfen, ihn zu finden - den Mann, den sie liebte, und nach dem sie jeden Tag Ausschau hielt. Er liebte das Meer und war dem Ruf der See gefolgt. So heuerte er vor einigen Monaten auf einem Schiff an und verließ den Heimathafen. Sie schaute dem Schiff damals lange nach, bis es am Horizont verschwand...
Die Jahre vergingen und ihr Haar war inzwischen grau geworden. Nach so vielen Jahren ging sie, wenn auch langsamer, immer noch den Weg durch die Dünen zum Strand und suchte den Leuchtturm auf, um nach ihrem Geliebten Ausschau zu halten. Denn sie hatte die Hoffnung nie aufgegeben, ihn eines Tages wieder bei sich zu haben...
Dann endlich - nach über 35 Jahren - kehrte er zurück in den Heimathafen. Auch er hatte inzwischen schneeweiße Haare und ging langsamen Schrittes am Strand entlang zum Leuchtturm. Er wollte sie endlich wieder in seine Arme schließen und für immer bei ihr bleiben. Während er die steinernen Stufen hinauf ging, dachte er an ihre strahlenden Augen und an ihr Lächeln, dessen Lippen er solange nicht geküsst hatte.
Als er oben angekommen war, zog er seine Seemannsmütze vom Haupt und nickte dem Leuchtturm dankbar zu, weil der ihn sicher in den Heimathafen geführt hatte. Nachdem er sie wieder aufgesetzt hatte, erblickte er ein paar Meter neben dem Leuchtturm einen größeren Stein, der damals noch nicht hier stand. Langsam näherte er sich dem Stein und erkannte eine Inschrift darauf. Er las sie - und sank weinend zu Boden.
"Ich werde auf Dich warten.
In Liebe
Deine Anna"
Eine Woche später stand dicht daneben ein zweiter Stein...
"Jetzt bin ich bei Dir.
In Liebe
Dein Martin"
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BerndMoosecker • Am 26.06.2020 um 21:19 Uhr | |||
Wirklich schön beschrieben, das Warten auf den/die eine(n). Der Wind, der das Salz auf die Haut trägt, bis die Lippen salzig schmecken, wie ich das vermisse. Der Blick von oben auf den Dünen stehend, auf den Golf von Biskaya das weckt Erinnerungen. Zum Glück verbinde ich das nicht mir unglücklicher Liebe, sondern mit Stunden voller Glück. Gruß Bernd |
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JoKarter • Am 25.06.2020 um 22:02 Uhr | |
Eine schöne Idee, die leider in der heutigen Zeit bald vollkommen verschwindet. So muss man sich die Seemannsromantik von damals einfühlen. | ||