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Langsam gehen alle Lampen aus. Du sitzt am Fenster und schaust auf die Stadt, siehst zu wie all die anderen Lichter erlöschen, während du versuchst dein Licht für diese Nacht am Leben zu erhalten. Die letzten Stunden hast du die Schatten beobachtet, gesehen wie sie die Ecken in Besitz nahmen, über die Wände krochen und sich in den Falten des Vorhangs verloren. Von deinem Sessel aus hast du beobachtet, den Atem angehalten und gehofft, dass sie dich nicht erreichen würden.
Doch deine Lampe brennt weiter.
Die Schatten vermochten die Lampe nicht zu löschen und du bist erleichtert, denn ohne das Licht der Lampe würdest du die Schatten nicht mehr wahrnehmen, könntest ihnen nicht mehr ausweichen und wärst ihnen ausgeliefert. Deswegen wirst du auch nie wie die anderen versuchen nachts deine Lampe zu löschen, denn du brauchst sie, brauchst sie um durch die Nacht zu kommen, brauchst die Gewissheit dass sie weiterbrennt.
Und sie braucht dich. Als Wächter, Hüter und für die Dinge, die du bereit bist zu tun, um sie am Leben zu erhalten.
Du schläfst nicht mehr viel, denn die Lampe hält dich wach und der Gedanke an sie verfolgt dich sogar dann, wenn du das Zimmer verlässt. Das Überwachen deiner Lampe ist inzwischen zu einer zweiten Natur geworden und du bist dir sicher, dass sie die ganzen Unannehmlichkeiten wert ist.
Irgendwie.
Doch manchmal, manchmal wenn du wach und übermüdet am Fenster sitzt, beginnst du zu Zweifeln und fragst dich warum du das überhaupt tust und welchen Sinn deine Mühe hat. In diesen Momenten beginnt dein Licht zu flattern und du bringst dich wieder auf andere Gedanken, denn genau vor solchen Dingen willst du deine Lampe schützen. Doch du bist ausgelaugt, müde von deiner Wacht und die Aussicht auf weitere lange Stunden sind nicht gerade tröstlich.
Deine Gedanken beginnen zu wandern und es dauert nicht lange, bis du in Schwärze versinkst. Doch dein letzter Blick gilt wieder dem Licht der Lampe.
Als du am nächsten Morgen erwachst, brennt deine Lampe immer noch und du bist so erleichtert wie noch nie, als du siehst das der Raum weiterhin erleuchtet wird. Die Schatten zucken immer noch, sind aber nicht von ihren Plätzen gewichen. Behutsam streckst du deine Hände aus, hebst sie an und schließt sie in eine schützende Umarmung, nah an deinem Herzen.
Dir ist nicht klar, ob du sie beschützen oder sicher durch den Tag bringen kannst, aber du wirst es zumindest versuchen. Dir ist es lieber den ganzen Tag auf die Lampe aufzupassen, als sie hier im Ungewissen zu lassen, auch wenn sie hier auf eine gewisse Art sicherer wäre. Doch wenn du sie nicht bei dir hättest, wäre es dir unmöglich deine Gedanken ruhen zu lassen. Und mit der Lampe in deinen Armen beginnst du deinen Tag. Du nimmst sie überallhin mit. Aus dem Haus, auf die Straße und durch die graue Masse der Menschen trägst du sie, immer geschützt von dir. Deinen Griff lockerst du nicht, willst die Lampe nicht loslassen oder anderen preisgeben, auch wenn es vor langer Zeit so einfach war. Andere Lampen siehst du nur spärlich, meist in der gleichen schützenden Umarmung, die auch du aufweist. Manchmal werden sie offen getragen, mit ängstlichen, bleichen Gesichtern, als ob sie Angst vor dem nächsten Schlag hätten. Du kennst dieses Aussehen, hast es vor langer Zeit selbst getragen, als du meintest, du müsstest dein Licht mit anderen teilen.
Du weißt, dass sie es noch lernen werden, jeder lernt es irgendwann.
Ein Großteil der Leute, denen du begegnest hat sein Licht schon lange verloren und deswegen können sie auch kein anderes mehr wahrnehmen. Mitleid hast du keines, denn es betrifft dich nicht. Sie sind selber Schuld und du vermeidest es in ihre Gesichter zu sehen. Enttäuschung, Verzweiflung und Resignation sind Gefühlsregungen die du nicht sehen brauchst, nicht sehen willst und die du dir sowieso nicht leisten kannst. Deine Lampe würde erlöschen und du würdest das Licht vergessen. Du begegnest vielen Menschen mit verschiedenen Lampen, flackernd, strahlend, erloschen.
Und du begegnest Menschen, die keine Lampe mehr haben.
Wer weiß, vielleicht laufe ich dir entgegen und vielleicht habe ich habe ich keine Lampe mehr, vielleicht weggegeben, verloren, vergessen. Oder vielleicht benutze ich meine Lampe noch und sie strahlt dir entgegen, während ich mein Licht mit der ganzen Welt teile. Vielleicht auch nicht.
Du läufst weiter, beschützend und versteckend und manchmal, manchmal fragst du dich warum, kannst dir diese Fragen aber nicht leisten. So wird es immer bleiben, du wirst einen Schritt nach dem anderen tun, immer mit der Lampe in den Armen, bis sie erlöscht.
Und du weißt, dass sie es eines Tages tun wird.
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