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Sätze: | 31 | |
Wörter: | 390 | |
Zeichen: | 2.239 |
Er wurde geboren und war für seine Eltern ein Wunder. Sie waren sehr stolz auf ihn und sagten zu allen Menschen:"Seht nur, ist er nicht das schönste Kind auf Erden? Er wird klüger und stärker als alle anderen werden." Immer wieder wurde er den anderen Menschen vorgezeigt, denn jeder sollte ihn bewundern und seinen Ehrgeiz antreiben, um noch besser zu werden... oder sogar der wahrhaft Beste.
So wurde er langsam größer und schaute jeden Tag selbstverliebt in den Spiegel, um sich zu bewundern. Wie makellos und klug er doch war und stets alle anderen in den Schatten stellte. Die anderen bewunderten ihn zunächst und suchten immer wieder den Umgang mit ihm. Dann erzählten er ihnen von seinen wundersamen Taten und seiner einzigartigen Klugheit - und alle schauten zu ihm auf. Er labte sich an diesen Worten und den Bewunderungen der anderen, die er selber kaum wahrnahm.
Damit sie seiner nicht irgendwann satt waren, fütterte er sie mit witzigen und charismatischen Äußerungen. Er hatte damit genau den erhofften Erfolg, denn sie fielen auf sein geschicktes Schauspiel herein und verehrten ihn weiterhin. Er selber schenkte ihnen kaum ein gutes Wort und lobte sie auch nicht, wenn sie etwas großes vollbracht hatten. Warum auch? Er war ja viel wichtiger und besser als sie... Nachdem aber einige sein Spiel erkannten, wandten sie sich von ihm ab. Das kränkte und beleidigte ihn sehr, und er warf ihnen Unverständnis und Dummheit vor.
Eines Tages trat ein Mädchen aus den restlichen Bewunderern hervor in die Mitte zu ihm und wollte scheinbar seinen Rat hören. Sie ging auf Krücken, da sie einen deformierten Fuß hatte; und sie wirkte in ihrer Erscheinung recht schlicht. Er musterte sie von oben herab und sagte: "Egal, was du wissen willst. Es interessiert mich nicht im geringsten." Sie wandte ihren Blick nicht von ihm ab, sondern humpelte noch einen Schritt auf ihn zu und fragte folgendes: "Weißt du, was bedingungslose Liebe ist?" Dann ließ sie ihre rechte Krücke fallen und reichte ihm die Hand. In seinem Gesicht spiegelte sich zunächst Unverständnis wider. Aber dann weiteten sich seine Augen, als er sie ansah. Und er antwortete leise:"Nein...das... das weiß ich nicht..." Dann senkte er seinen Kopf und weinte - das erste Mal...
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Klatschkopie • Am 17.06.2020 um 23:27 Uhr | |||
Mir hats gefallen. Obwohl ich nicht recht verstehe, warum das Mädchen so Jesus-gleich auf diesen Jüngling zuging, aber gut, vielleicht bin ich für so etwas schon zu versaut, oder erkenne mich doch in ihr wieder, weil ich auch so einen selbstverliebten Pisser gutfinde ... Klingt nach Widerspruch, doch kann man am anderen meist das nicht verstehen, was man an sich selbst entdeckt hat und nicht mag. In jedem Fall ist dir die kleine Geschichte gut gelungen. | ||||
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