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Pizza Funghi

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01.05.20 13:39
18 Ab 18 Jahren
Fertiggestellt

DRRRING, DRRRING, DRRRING.

„Guten Abend, Pizza Amore hier?“, sagte Fabio mit gespielter Freundlichkeit, nachdem er nach dem dritten Läuten allmählich lustlos den Hörer abnahm. Er merkte erst jetzt, dass seine Hände noch mit Mehl bepudert waren und er damit das Telefon beschmierte.

„Ja, hallo, ich will was zum Abholen bestellen“., sagte eine kratzige Männerstimme, die verdächtig nach Kettenraucher klang. Zumindest konnte sich Fabio vage daran erinnern, dass sich sein Vater so anhörte.

„Ja, aber wir haben eigentlich schon seit einer halben Stunde
geschlossen.“

„Eine Bestellung wird ja wohl noch drin sein, oder? Außerdem bin ich gut mit deinem Chef befreundet“, sagte die Männerstimme, bevor der Raucherhusten einsetzte.

Ja, Sie klingen genau nach der Art Mensch, mit der mein Chef sich verstehen würde. Fabio warf einen flüchtigen Blick in die Küche, in der sich noch der rege Samstagabendbetrieb abzeichnete. Es war ein gewöhnlicher Abend: Er war vollkommen alleine, weil sein Chef, Signor Ricci, alle  schon Nachhause geschickt hatte. Er selbst saß mit seinem fetten Arsch im Büro und betrank sich vermutlich mit billigem Fusel, während Fabio den Laden mal wieder allein auf Vordermann bringen musste.

Er seufzte. „Was hätten Sie denn gerne?“

„Eine# große Pizza Funghi (hust, hust).“

Gott bewahre, wenn unser Signor Kippengrab seine große Pizza Funghi nicht bekommt, dachte Fabio

„Okay, ist notiert. Sonst noch etwas?“ Wag es bloß nicht!

„Nein, das war's. Beeilen Sie sich, ich hab Hunger."

Und ich habe eigentlich Feierabend! Ich hoffe Sie ersticken an Ihrer scheiß Pizza. „Ich mach mich sofort an die Arbeit.“

„Bin in 'ner halben Stunde da (hust, hust)“, und ohne weitere Worte legte die Männerstimme auf.

„Bastard“, sprach Fabio noch in den Hörer rein und stellte das Telefon wieder auf seine Station. Frustriert lehnte er sich an den Bestelltresen und drückte sich die Hände ins Gesicht.

„Fabio!“, Signor Ricci, stand in dem kleinen Flur, der sein Büro mit dem Lokal verband und polterte nun mit wutverzerrter Miene auf seinen jungen Angestellten zu. Fabio musste sich ein Lachen verkneifen, als sein speckiger Arbeitgeber mit dem linken Fuß an einem Stuhlbein hängen blieb und seine Kartoffelnase fast die Fliesen küsste, wenn er sich nicht noch rechtzeitig an der Tischkante festgekrallt hätte. Der Schweiß lief ihm vom zurückweichenden Haaransatz quer durch das purpurne Gesicht. 

Schade, dass er sich nicht das Genick gebrochen hat.

„Machst du hier Pause, während die Küche wie  ein Haufen Dreck aussieht? Und überhaupt, hast du dich mal im Spiegel betrachtet? Du siehst aus wie der scheiß Joker!“

Fabio ließ seinen Blick auf seine mit Mehl bedeckten Hände wandern. Fuck. “Ich habe nur eine Bestellung entgegengenommen. Ein Kunde, der behauptet Sie zu kennen, bestand noch darauf.“

„Und dann stehst du hier noch rum? Beweg gefälligst deinen knochigen Arsch in die Küche und kümmer dich drum!“ Er hielt inne. „Du kannst froh sein, dass dein Vater mich gebeten hat, dich hier arbeiten zu lassen, sonst hätte ich dich schon längst vor die Tür getreten.“

Es war das einzige Mal, dass sein Vater einen Hauch von „Mitgefühl“ gezeigt hatte. Er hatte Fabio einen Job besorgt, damit seine Frau nachher nicht mittellos dastehen musste.

Ja, ja“, nuschelte Fabio auf dem Weg in die Küche vor sich hin. Zuerst fertigte er den Teig an. Es tat ihm gut auf etwas rumzudrücken. Wäre es nur deine Kehle, Ricci.  Nachdem er den Teig sorgfältig ausrollte, bestrich er ihn wie ein Malermeister mit der Tomatensauce, die er sich als das Blut von seinem Chef vorstellte; sein Blut auf einem blassen Stück Haut, das er ihm abgezogen hatte. Er nahm nun zwei Champignons zur Hand, die sich vor seinem geistigen Auge in Riccis Augen verwandelten. Er schnitt sie in Scheiben und legte sie auf die blutbeschmierte Haut. Der geriebene Käse stellte natürlich die fettigen Haare dar, die er seinem Peiniger alle vom Haupte riss.

Als er die Pizza (die Haut-Haar-Blut-Augen-Pizza) in den Ofen schob, kam schon Ricci hereingestürmt.

„Wie lange brauchst du nutzloses Streichholz noch?“

Fabio spürte allmählich, wie die Wut in ihm hochkochte. Seine ruhige Fassade bröckelte immer mehr. „ Noch zehn Minuten“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.

„Weißt du, ich kann langsam verstehen, warum dein Vater mit dieser Spanierin durchgebrannt ist.“

„Sein Sie still.“

Ricci grinste jetzt über beide Ohren und kam ihm jetzt so nahe, dass Fabio seinen beißenden Cocktail aus Schweiß, billigem Parfüm und Alkohol riechen konnte. „Pah! Sonst was? Du warst deinem Vater einfach zu viel. Er wollte nie Nachwuchs. Dann kamst du und hast seine Ehe ruiniert. Hätte deine arme Mutter nur meinen Rat beherzigt dich einfach abzutreiben, wäre die Welt noch in Ordnung.“

Das war jetzt auch zu viel. Er bekam das Küchenmesser zu fassen, mit dem er gerade die Augäpfel geschnitten hatte, und verpasste seinem Chef ein blutig rotes Grinsen in seiner Kehle, das zu seinem anderen passte, was aber sogleich verblasste. Ricci öffnete den Mund , aber statt Worte schwappte nur Blut heraus.

„Wie bitte? Ich kann Sie nicht verstehen. Können bitte etwas lauter sprechen? Was, Sie können nicht? Und jetzt sehen Sie sich bitte an, wie sie den Boden versauen, tz tz tz. Das darf ich gleich sauber machen, weil Sie ja schon fast tot sind.“

Ein Gefühl der Erleichterung überkahm ihn, während sich Riccis Leben Liter um Liter vor ihm auf den Boden ergoß. Er spürte in seinem ganzen Leben nie ein solches Glück.

Zur Feier seiner Befreiung, nahm er sich die Pizza aus dem Ofen und vertilgte sie, während er den Anblick dieses toten Mistkerls genoss; den Anblick eines toten Körpers, eingebettet in einer Blutlache.

Er wurde aber direkt wieder aus seinen Gedanken gerissen, als ihm einfiel, dass gleich noch Kundschaft eintraf. Es musste eine neue Pizza her. Er sah sich unwillkürlich die Leiche seines Chefs an und grinste.



 

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Tausendwassers Profilbild
Tausendwasser Am 20.08.2020 um 17:52 Uhr
Ich muss sagen, dass diese Story reinstes Gold ist, wirklich inspirierend :D Mir gefällt der Schreibstil wirklich gut, besonders die Passage der Tat ist ein fantastisches Bild. Ansonsten, beinahe leider kann ich nichts weiter aussetzen ._.

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Schimaeres Profilbild Schimaere

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Sätze: 77
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Zeichen: 5.834

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