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Mama

90
06.09.19 19:31
16 Ab 16 Jahren
Fertiggestellt
Die Tat, welcher ich mich zu meiner Schande schuldig bekennen muss, soll nicht die Macht erhalten, als allgemeines Urteil über mich zu gelten. Zu viel hat sich ereignet, zu viel ist vorgefallen, als dass man ein gesamtes Menschenleben, nämlich das meine, auf den Vollzug einer einzigen, affektgesteuerten Handlung reduzieren kann. Eine Milderung der mir zugekommenen Strafe, erhoffe ich mir nicht. Man hat mir wenigstens Papier und Stift gewährt, damit ich niederschreiben kann, was mir widerfahren ist. Da die Zeit drängt und mir bis zum Ende meines Lebens wahrscheinlich nur noch wenige Stunden bleiben, ist es mir nicht möglich, die wahren Ereignisse in aller Ausführlichkeit und Vollständigkeit darzulegen, weshalb ich mich auf einige besonders prägende und somit exemplarische Vorkommnisse beschränke. Für einen Einblick in mein Seelenleben dürfte es dennoch genügen. Diese Schrift dient der Rechtfertigung und ich wünsche mir des Lesers Verständnis. Wer auch immer in der Nachwelt an diesen Text gelangen sollte, der möge ihn als Beweis der menschlichen Unfreiheit betrachten und dass sämtliche Handlungen des Menschen dem in der Natur vorherrschenden Prinzip von Ursache und Wirkung unterliegen. Die Umstände machten mich zu dem, der ich bin. Ich bin kein schlechter Mensch! Doch lest selbst!
Meinen Namen so wie den Namen der Stadt, in der ich geboren ward und seither mein gesamtes Leben verbracht habe, möchte ich verschweigen. Das Licht der Welt erblickte ich an einem melancholischen, verregneten und grauen Sonntag im tiefsten November. Die Ärzte hatten mich für besorgniserregend schwach gehalten. Dass mich das Leben dennoch nicht verließ, führe ich ausschließlich auf die herzliche Pflege meiner Mutter zurück, die mich sowohl körperlich als auch geistig stärkte und mich bereits früh auf die mir bevorstehenden Herausforderungen vorbereitete. Aus dem blassen, kränklichen, sich stets auf der Schwelle zwischen Leben und Tod befindenden Kind, wurde ein prächtiger, von Energie und Vitalität nur so strotzender Heranwachsender. Ich war wohl genährt, geistig gefordert durch meine zahlreichen Lektüren und den mir von meiner Mutter zur Verfügung gestellten privaten Unterricht.
Das einzige, woran es mir mangelte, waren soziale Kontakte. Der scheue und zurückhaltende Teil meiner Selbst wurde somit in seinen Befürchtungen bestätigt. Meiner Entwicklung war das Alleinsein nicht gerade förderlich, doch war ich schlichtweg zu jung, um die Erziehungsmaßnahmen der übervorsichtigen Mutter nachvollziehen und mich gegebenenfalls widersetzen zu können.
Meinen Vater erwähnte sie in meiner Gegenwart mit keiner Silbe, jedenfalls vermag ich mich dessen nicht zu entsinnen. Als kleiner Junge, der sich der Bedeutung der Vaterfigur noch nicht bewusst sein konnte, nahm ich noch an, ich besäße keinen Vater. Erst als die Lehren der Biologie mich auf die Unmöglichkeit der völligen Nicht-Existenz eines an meiner Zeugung maßgeblich beteiligten Mannes hinwiesen, begann ich, den gegenwärtigen Zustand einer kritischen Hinterfragung zu unterziehen. Ich kam für mich zu dem Entschluss, dass der Vater entweder abwesend oder tot war, wobei ich letztgenannte Möglichkeit für wahrscheinlicher erachtete. Meine Mutter zu fragen, getraute ich mich zu dem damaligen Zeitpunkt nicht. Wer auch immer dieser Mann, mein Zeuger gewesen sein mochte, er musste über ein stattliches Vermögen verfügt haben, welches er meiner Mutter und mir hinterlassen hatte. Ich würde niemals einer Lohnarbeit nachgehen müssen, um das eigene Überleben zu sichern. Ich hatte schon ausgesorgt durch meines Vaters Vermögen. Meine Mutter machte sich diese günstige Wendung des Schicksals für sich zunutze, indem sie mir jeden materiellen Wunsch erfüllte, um jedweden Unmutsbekundungen vorzubeugen und um einen Ausgleich zu meinem Mangel an zwischenmenschlicher Interaktion herbeizuführen.
Es war freilich nicht so, dass ich gänzlich von der Außenwelt abgeschottet war. Der Kontakt zu anderen Menschen lässt sich eben nicht gänzlich unterbinden, was auch meine Mutter einsehen musste.
Im Laufe der Jahre wurde mein Privatlehrer, Herr Heinrichs, der uns jeden Tag aufsuchte und mich in den Geheimnissen der Kunst, den Phänomenen der Mathematik und den Tiefen der Philosophie unterwies, immer mehr eine Art Ersatzvater für mich.
Meine Beziehung zu ihm endete jedoch abrupt. Eines Tages teilte mir meine Mutter mit, Herr Heinrichs sei tödlich verunglückt und von einem Nachfolger wolle sie vorerst absehen. In jener Zeit zogen zum ersten Mal in meinem jungen Leben dunkle Wolken auf, die einen schwarzen und völlig lichtundurchlässigen Schatten auf meine Seele warfen. Wie alt ich damals genau war, vermag ich heute nicht mehr mit Bestimmtheit festzustellen. Vermutlich war es um das vierzehnte Lebensjahr herum. So innbrünstig ich Herr Heinrichs, meinen Lehrer, meinen Vater auch vermisste, so stärkte dieser schreckliche Verlust doch das Verhältnis zu meiner Mutter, die mir stets einen Ausweg aus meinem Unglück zu bieten in der Lage war. Ihre Fürsorge nahm von Tag zu Tag zu. Es war genau die Art von selbstaufopfernder Liebe, wie sie nur eine Mutter aufzubringen vermag und derer ein liebebedürftiger und verunsicherter Heranwachsender bedurfte. Ich liebte meine Mutter mit ganzem Herzen und schwor, niemals zuzulassen, dass ihr je Leid zugefügt werde.
Während die Jahreszeiten sich gegenseitig ablösten, der Schnee schmolz und den bunten Farben des Frühlings und der Pracht des Sommers wich, welcher wiederum in die Kälte und den Tod des Herbstes und nahenden Winters überging, stellte ich auch an meiner Mutter Veränderungen fest. Wie der Frühling, schien auch ihr Leib zu blühen. Mein Blick fiel erstmalig auf Stellen am Körper, die sich zuvor meiner Aufmerksamkeit gänzlich entzogen hatten. Ich nahm ihre Rundungen wahr, ihren Busen und das gebärfreudige Becken. Selbstverständlich entging mir nicht, dass sie meine entzückten Blicke wohlwollend zur Kenntniss nahm, ja, sich regelrecht an ihnen erfreute und in der Zuneigung, die ich ihr auch im körperlichen Sinne entgegenbrachte, wie in einem von Ölen nur so duftenden Schaumbad badete. Ihrerseits erwiderte sie meine gierigen Blicke, betrachtete auch meine intimen Körperstellen, insbesondere mein Geschlecht, welches in jenen Tagen im Begriff war, sich prächtig zu entwickeln.
Hin und wieder suchte meine Mutter gar aktiv den Körperkontakt mit mir. Hierzu führte sie beispielsweise ihre Hände an meinem Körper entlang oder drehte sich bei Berührungen meinerseits so, dass ich sofort zu bestimmten Körperregionen der Frau vordringen konnte. So sehr ich diese körperliche Nähe auch genoss und mich erregte, so war mir der alleinige Gedanke daran, noch intimer mit meiner Mutter zu werden, im höchsten Maße zuwider. Es widerstrebte meiner Natur. Berührungen mit ihr elektrisierten zwar meinen heranwachsenden Körper und stimulierten meine sich schärfenden Sinne, doch verspürte ich tief im Innern einen Impuls, der mich vor weiteren Schritten bewahrte. Ich führe die Ausbildung dieses, den Instinkten und Trieben, die dem Menschen von Natur aus zu eigen sind, entgegenwirkenden Impulses, der mit einem grundlegenden Verständnis von Moral und der Stimme der Vernunft gleichzusetzen ist, auf den Unterricht Herr Heinrichs zurück, der mir zu einer allumfassenden Aufklärung verholfen hatte.
Doch so sehr der mütterliche Leib in den Sommermonaten in der Mitte des Jahres auch blühte, so schnell welkte er auch wieder, alsbald die kalte Jahreszeit eintrat und Finsternis das Land wie ein Mantel umhüllte. Gleich einer Tulpe, der der Zugang zu dem für sie lebenserhaltenden Wasser verwehrt wird, verwelkte auch meine Mutter. Es war nicht zu übersehen, dass sie alt wurde. Ihre einst stattliche Figur wölbte sich, sodass sie schließlich einen Buckel aufwies. Das wie Sonnenstrahlen leuchtende Blond ihrer Haare ergraute zusehends und tiefe Furchen gruben sich in ihre vormals so reine Haut.
Weitere Monate und Jahre strichen ins Land und ich begann mich immer mehr nach der Außenwelt zu sehnen. So sehr meine Mutter mein Verhalten missbilligte, intensivierte ich Kontakte zu anderen Menschen und ließ mich durch Einschränkungen und Verbote nicht davon abhalten.
Ich suchte mir Beschäftigungen. Tagsüber half ich meist einer mir bekannten Familie bei der Arbeit auf dem Feld und freundete mich mit dem Jungen des Elternpaares an, nicht zuletzt wegen der Hoffnung, durch die Freundschaft mit seinem Sohn, dem Vater des Jungen näher zu kommen, den ich für seinen Fleiß, Arbeiseifer und seine männliche Ausstrahlung zutiefst bewunderte und idolisierte. Ich wurde mir bei der Arbeit bewusst, wie sehr mich die Fürsorge meiner Mutter sensibilisiert und verweichlicht hatte. Körperlich fordernden Tätigkeiten nachzugehen, bereitete mir Schwierigkeiten und ging nur mit äußerstem Kraftaufwand vonstatten, wohingegen mein Freund die gleichen Aufgaben mit spielerischer Leichtigkeit erledigte. Zudem war ich wesentlich schmerzempfindlicher und um einiges weniger ausdauernd als der abgehärtete Bursche, den ich um seiner Stärke willen beneidete und danach trachtete, so zu werden, wie er.
Unter den wachsamen Augen seines Vaters schuftete ich bei praller Sonne und eisiger Kälte und ließ mich weder von dem mir ins Gesicht peitschenden Wind, noch den Verbrennungen durch den hellen Stern davon abhalten, um die Gunst dieses Mannes zu werben. Nichts auf der Welt bedeutete mir mehr, als ein Kompliment von ihm! Und derlei erhielt ich zu meiner großen Freude viele!
Mein Fleiß sich bemerkbar. Schon bald darauf war mein Körper gestählt, die Haut gebräunt von der vielen Arbeit unter freiem Himmel und meine Gesundheit gestärkt. Dies alles sehr zum Unmut meiner Mutter, die meine Veränderungen und zunehmende Abwesenheit verteufelte und stets versuchte, mir ein schlechtes Gewissen zu bereiten. Sie vermisste ihren alten Sohn, den sie gerne wieder zurück hätte. Einmal untersagte sie mir gar den Kontakt zu meinem Freund. Da ich der Mutter Rat immer zu befolgen gewohnt war, resignierte ich auch diesmal und traf mich in der Folge tatsächlich eine lange Zeit nicht mehr mit dem Jungen und dessen Vater. Wenngleich ich die beiden aufs Schmerzlichste vermisste, so trösteten mich die Worte der Mutter doch sehr, die mich glauben ließen, ich sei ein guter Sohn und täte das einzig Richtige. Ich tat meinen Unmut nicht weiter kund und fokussierte mich wieder auf häusliche und bildende Aufgaben.
Konfrontiert wurde in in dieser Zeit mit einem Geheimnis, welches mir zwar schon aus meiner frühesten Kindheit bekannt war, für das ich mich jedoch erst zu diesem späten Zeitpunkt interessierte. Es ging um eine mysteriöse Tür, die sich im Wohnbereich unserer Unterkunft befand. Ich kannte natürlich jedes Zimmer, mit Ausnahme von diesem. Was die Tür verbarg, wusste ich nicht. Ich bin des sich dahinter befindenden Raumes niemals ansichtig geworden. Gesprochen wurde darüber auch nie. Die Tür war, wie ich feststellte, stets abgeschlossen und ich sah auch meine Mutter nie diesen Raum betreten.
Eines Tages während des gemeinsamen Abendessens nahm ich all meinen Mut zusammen und fragte meine Mutter, was es mit diesem Zimmer auf sich hatte.
"Warum willst du immer alles wissen, Darling?", erkundigte sich meine Mutter mit ihrer hohen, säuselnden Stimme.
"Ich bin nur neugierig."
"Ein Geheimnis verliert seinen Wert, wenn es preisgegeben wird. Nimm noch etwas Suppe, Darling. Sie wird dir gut tun!"
"Warum hast du Geheimnisse vor mir, Mutter?"
"Jede Frau hat Geheimnisse", wich sie aus und warf mir einen bösen Blick zu, der mir unmissverständlich nahelegte, nicht weiter nachzufragen. Früher hatte ich mich immer damit zufriedengegeben, nicht zu wissen, was sich hinter dieser Tür verbarg- Doch im gereiften Alter begann ich, alles zu hinterfragen. Die Zeit war nur noch nicht gekommen...
Die Ereignisse häuften sich und es wurde immer unheimlicher in meinem eigenen Haus. Mit zunehmendem Alter begriff ich, was sich unmittelbar vor meinen Augen abspielte. Es verstörte mich die an Sicherheit grenzende Annahme, die Dinge in meinem Leben hatten sich schon immer so zugetragen, nur dass ich in meiner kindlichen Naivität und Verletzbarkeit nicht dazu imstande gewesen war, die Vorgänge bewusst wahrzunehmen und einzuordnen. Ich fühlte mich fremd, gefangen und auf seltsame Weise eingeengt. Ich fühlte mich unbehaglich, unwohl und begann mich danach zu sehnen, aus der mir zur Gewohnheit gewordenen Tristesse auszubrechen. Leise und unauffällig bewegte sich meine Mutter durch das Haus, ihre kalten Hände betätschelten meine nackte Haut und ließen mir jedes einzelne Haar am Körper abstehen. Ihr Körper schmiegte sich eng an meinen. Ich erwiderte ihre Berührungen nicht. Im Gegenteil: Vor Scham und Ekel entzog ich mich ihr, doch ihre wütenden Schreie und bösen Vorwürfe, wonach sie eine solch schlechte Behandlung nicht verdient hätte wo sie doch so viel für mich tat und opferte, machten mich gefügig. Im Innern brach es mir das Herz, der Mutter einen Wunsch auszuschlagen, da ich ihren heulenden und jammernden Anblick nicht ertragen konnte. Nichtsdestotrotz war ich mir der Tatsache vollkommen bewusst, dass sie mich manipulierte, doch ich befand mich bereits längst in ihren Klauen, in ihrem unbarmherzigen Griff, was mir eine Flucht vorerst nicht möglich machte. Wie ein Geist schwebte die Mutter durch das Anwesen, welches mir mehr und mehr zur Hölle wurde. Wie ein Schatten verfolgte sie mich auf Schritt und Tritt und wich nicht von meiner Seite.
Unglücklicherweise konnte ich nicht einmal mein Zimmer absperren, da sie bewusst auf einen Schlüssel verzichtet hatte bei der Einrichtung meines Gemachs. Folglich war es mir nicht möglich, mich ihrem Zugriff zu entziehen. Zu keiner Zeit, an keinem Ort.
Ich hatte große Schwierigkeiten, einzuschlafen. Die leisen Schritte der vor meiner Tür auf und ab gehenden, wachenden Mutter, trieben mich beinahe in den Wahnsinn, brachten mich fast um den Verstand. Schlief ich dann doch endlich ein, plagten mich diese entsetzlichen Alpträume.
Ich träumte jede Nacht von meiner Mutter. Nicht einmal im Schlaf, bei der Flucht der Ratio in das Unbewusste, ließ sie mich in Ruhe. Sie raubte meinen Seelenfrieden, terrorisierte mich. Ich träumte von der Ausübung des geschlechtlichen Aktes mit ihr, wobei sie sich voller Genuss an mir verging. Meine Hilferufe und Schreie steigerten nur ihre Erregung und Hilfe war für mich nicht in Sicht. Ihre smaragdgrümen Augen liefen teuflisch rot an, die Mundwinkel verzerrten sich zu einem entsetzlichen Grinsen, das ihre verfaulten Zähne entblößte. Sie zwang mich dazu, ihren Körper überall zu berühren, ihren alten, widerlichen, verfaulten Körper. Wie konnte ich mich nur jemals zu ihr hingezogen fühlen?
Schweißgebadet wachte ich auf und erschrak noch heftiger, als ich gewahrte, dass die Mutter sich über Nacht in mein Zimmer geschlichen hatte und nun mir direkt gegenüber auf einem kleinen Stuhl gemütlich Platz genommen hatte. Mit einem verstörenden Lächeln und weit aufgerissenen Augen blickte sie mir entgegen. Es dauerte einige Augenblicke, bis ich mich gefasst hatte und wieder einigermaßen zu mir gekommen war.
"Guten Morgen, Darling", begrüßte mich die Alte. "Hast du gut geschlafen? Aber natürlich hast du das! Schließlich habe ich über dich gewacht und die bösen Geister aus deinem Kopf verjagt, die deinen kostbaren, kindlichen Schlaf ansonsten getrübt hätten. Darling, du weißt, wie sehr ich dich liebe! Du weißt, dass ich nur das Beste für dich will! Nie, nie, nie werde ich dich gehen lassen! Hast du gehört? Und jetzt steh auf und gib deiner Mutter einen Kuss!"
"Mutter, du hast mich erschrocken", stammelte ich in meiner Verwirrung und stieg langsam aus dem Bett. Auch sie sprang von ihrem Stuhl auf und eilte herbei. Wie zur Begrüßung betastete sie meinen Körper, fasste mir in den Schritt und warf mir dabei verführerische Blicke zu.
"Der Körper eines Mannes", flüsterte sie mir ins Ohr. "Was ein prächtiger Mann du geworden bist, Darling. Mutter hat dich gut versorgt, sich gut um dich gekümmert. Ist es nicht so? Aber natürlich! Darling, wie lange habe ich dich nicht mehr völlig unbekleidet gesehen? Sei so gut und gewähre mir diesen Anblick, nach dem ich mich so sehne! Mir, deiner armen, alten, kranken Mutter, die doch nichts mehr auf der Welt hat, außer ihren treuen und über alles geliebten Sohn!"
Und um meine Mutter nicht zu enttäuschen, kam ich widerwillig der Bitte nach, entkleidete mich völlig vor ihren Augen und ließ sie mich betrachten und berühren, den Drang zur Flucht angestrengt bekämpfend. Mein Magen krampft sich, jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, noch zusammen. So gerne ich mich doch widersetzt hätte, so wusste ich doch, dass ich zu sehr in ihrem Bann gefangen war. Es war wie eine Art Zauber, ein Fluch, mit dem sie mich belegt hatte und der auch nur den Gedanken an Widerstand bereits im Keim erstickte. Dankbarkeit lag hierbei zwar auch vor, es überwogen jedoch eindeutig Gefühle wie Angst und ein übergroßes Pflicht-und Verantwortungsbewusstsein, der Frau, die mir das Leben schenkte und es mir erhielt, ein guter Sohn zu sein. Doch lange konnte es so nicht mehr weitergehen. Zu viele Jahre hatte ich die zahllosen Demütigungen bereits über mich ergehen lassen. Doch noch war die Zeit nicht gekommen. Die Zeit der Freiheit! Die Zeit des Widerstandes!
Vermochte ich den inneren Widerstand, indem ich mich der Mutter Anweisungen entzog, noch nicht aufzubringen, so widersetzte ich mich doch wenigstens nach Außen hin, gab mich übertrieben selbstbewusst und unnahbar, womit ich meinen eigenen Grundsätzen zuwiderhandelte, wie ich zu meiner Schande gestehen muss. Das neue rebellische Verhalten, welches ich fortan an den Tag legte, äußerte sich darin, dass ich das Haus vor allem Nachts öfter als gewöhnlich (und erlaubt) verließ. Ich harrte hierbei stundenlang in meinem Bett aus und horchte aufmerksam, ob ich der Mutter Schritte auf dem Flur vernehmen konnte. Zu dieser Zeit hatten sich meine Sinne derart geschärft, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Zuweilen vermeinte ich gar alle Laute der Hölle und des Himmels zu vernehmen, doch hierbei handelte es sich zweifellos um Halluzinationen meines höchst angeschlagenen Geistes. Sobald keine Schritte mehr zu vernehmen waren, ging ich davon aus, dass die Alte sich schlafen gelegt hatte. Ich nutzte stets die Gunst der Stunde und schlich mich nach draußen.
Ich versuchte ebenfalls den Kontakt zu meinem alten Freund und insbesondere dessen Vater wieder aufzunehmen. Dieses Unterfangen war zu meinem großen Bedauern jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Der Bursche fühlte sich von mir verraten, da ich damals von einem Tag auf den anderen nicht mehr vorbeikam und bei der Feldarbeit wertvolle und dringend benötigte Unterstützung leistete. Auch sein Vater nahm mir mein plötzliches Verschwinden Übel, war mir vor Schmerz beinahe das Herz brach. Ich berichtete ihm davon, dass ich nicht aus freien Stücken gehandelt hatte und meine Mutter hinter der Verschwörung steckte, doch diese Erklärung erhitzte die Gemüter nur noch weiter. Man jagte mich davon mit der Begründung ein "Muttersöhnchen" könne man nicht gebrauchen.
Geplagt von der Enttäuschung, die die Ablehnung mir sehr wichtiger Menschen mit sich brachte und der Frustration aufgrund der belastenden Situation mit meiner Mutter, beschloss ich im Anschluss, mein Leben fortan exzessiv auszukosten: Nachts wohnte ich jedem Fest und jeder gesellschaftlichen Veranstaltung bei, die für mich erreichbar war. Ich genoss vorzügliche Speisen, schloss zahlreiche Bekanntschaften mit jungen Männern und Frauen, verfiel dem Alkohol und ließ meinen körperlichen Lüsten freien Lauf.
Eines Abends als meine Sinne erneut benebelt und meine Kleidung aufgrund des leidenschaftlichen Tanzens durgeschwitzt waren, lernte ich ein Mädchen namens Rosa kennen. In jener Nacht trug sie ein Kleid in den Farbe ihres Vornamens. Ihr strahlend blondes Haar erinnerte mich an die Sonne und...ich bemühte mich den Impuls zu unterdrücken, doch ich erkannte meine Mutter in ihr. Wie ich Rosas feine Gesichtszüge, die wohlgeformten Brüste und den erregenden Körper betrachtete und bewunderte, fühlte ich mich in jene frühen Jahre des Heranwachsens zurückversetzt, als sich all meine Lust auf meine Mutter, der einzigen Person mit der ich mein ganzes bisheriges Leben in einem Haus verbracht hatte, richtete und meine bewundernden Blicke ihr allein galten. Unwillkürlich stellte ich sie und Rosa vergleichend gegenüber, als ich des Mädchens Busen sanft berührte und zärtlich streichelte. Als mir jedoch smaragdgrüne Augen entgegenschimmerten, wich ich vor Schreck zurück. Verwirrt sprach mich Rosa darauf an. Als ich ihr erneut tief in die Augen blickte, stellte ich erleichtert fest, dass mir meine Einbildung nur einen Streich gespielt hatte. Des Mädchens Augen waren braun und melancholisch wie die eines Rehs. Es waren nicht die Augen einer Schlange, die Augen der Mutter, in die ich blickte. Oder war auch dies nur eine Täuschung?
Mir gelang es, sämtliche unliebsame Gedanken beiseite zu werfen und den Moment völlig zu genießen. Ich tanzte mit Rosa und wenngleich wir an jenem Abend nur wenige Worte wechselten, hatten wir uns doch unsterblich ineinander verliebt. Sie war das erste Mädchen, zu dem ich mich jemals hingezogen gefühlt hatte. Nachdem wir unsere Adressen ausgetauscht und uns geschworen hatten, uns jeden Tag zu schreiben, trafen sich zum Abschied unsere heißen Lippen und ein wohliges Gefühl, welches im Herzen seinen Ursprung hatte und sich von dort aus über den ganzen Körper hemmungslos ausbreitete, bemächtigte sich meiner.
Ich hielt Wort und schrieb dem Mädchen jeden Tag Briefe. Oftmals auch mehr als einen. Ich berichtete ihr vieles. Da ich Vertrauen gefasst hatte, offenbarte ich Rosa meine grenzenlose Liebe zu ihr. Meine Zuneigung wurde erwidert, ich erhielt ebenso leidenschaftliche Antworten. Gemeinsam schmiedeten wir Zukunftspläne, verabredeten gemeinsame Treffen, die wir auch stets wahrnahmen und genossen die liebliche Zweisamkeit in vollen Zügen. Einzig die Geschichte meiner Mutter verschwieg ich, ohne wirklich zu wissen, warum. Ein Mangel an Vertrauen kann hierfür nicht die Ursache gewesen sein. Womöglich war es schlichtweg Scham aufgrund meiner eigenen Schwäche und Abhängigkeit oder etwas gänzlich anderes. Wer kennt schon all die Geheimnisse seines Ichs, die verborgensten Abgründe seiner Seele? Welcher Mensch versteht sich selbst schon besser als er andere kennt? Wer gesteht sich schon eigene Niederlagen ein?
Ich machte mir um derlei nicht allzu viele Sorgen. Dafür war ich zu sehr beschäftigt, an Rosa zu denken. Die Liebe verlieh mir ungeheuerliche Stärke, berauschte mich wie Opium, gab meinem ansonsten von Langeweile und Melancholie geprägten Dasein einen Sinn. Endlich hatte ich morgens einen Grund, wieder aufzustehen und abends einen, nicht zu schlafen.
Zu meinem großen Unglück wurde unser Glück jedoch getrübt, denn, wie hätte es auch anders sein sollen, erfuhr meine Mutter von meiner in aller Heimlichkeit geführten Beziehung. Es geschah, als ich abends in meinem Bett lag und keine Schritte hörte. Gedanken an Rosa überfielen meinen Geist. Vor meinem inneren Auge sah ich ihren Körper. Sie kam nackt auf mich zu, entblößte ihre intimsten Körperstellen und setzte ihr herzerwärmendes Lächeln auf. Beim bloßen Gedanken an sie und ihre Nacktheit, ihre weibliche Fülle und ihre charmanten Reize, bemerkte ich, wie mein Körper reagierte. Mein Blut geriet, von unbändiger Leidenschaft erfüllt, in Wallung, das Herz raste vor Liebe und Verlangen. Sofort riss ich mir die Kleider vom Leib. Ich konnte Rosa so deutlich vor mir sehen und sich mir aufreizend nähernd, als stünde sie in Wirklichkeit vor mir. Ich fing an, mich selbst zu berühren, meine Hände glitten an mir herab, doch ich stoppte sofort, als ich zufällig einen Blick zu meiner geschlossenen Tür warf. In dem schwachen Licht, das den Raum erfüllte, konnte ich erkennen, dass etwas Grünes in dem Schlüsselloch schimmerte. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich einen schwarzen Punkt in dem Grün. Weit geöffnete, geile Pupillen. Meine Mutter beobachtete mich durch das Schlüsselloch...
Feuerrot lief ich an vor Scham und warf schnell noch die Decke über mich, um meinen entblößten Körper zu verbergen, bevor sich langsam und jämmerlich seufzend die Tür öffnete.
Die alte, bucklige Frau trat ein, einen entsetzten Gesichtsausdruck aufgesetzt.
"Darling, du sündigst! Oh welch eine Schande! Wie kannst du nur? Ohne meine Erlaubnis, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen! Darling, du sollst es niemals, niemals ohne mein Wissen tun!"
"Mutter, ich...", setzte ich stammelnd an, doch wurde augenblicklich unterbrochen.
"Ich bin schwer enttäuscht von dir, mein Sohn! Und ich dachte, ich hätte dich gut erzogen! Wie kannst du dies nur deiner alten Mutter antun, die dich unter Schmerzen geboren hat? Ist es wegen einem Mädchen? Sag mir die Wahrheit, Darling! Hast du etwa ein Mädchen?"
Ich wollte antworten, brachte aber keinen Ton heraus. Meine Stimmbänder rebellierten, in meinem Rachen bildete sich eine Wüste. Die Alte zog aus meinem schamhaften Schweigen die entsprechenden Schlüsse.
"Ich habe es geahnt! Darüber werden wir noch sprechen müssen! Du hast mich hintergangen! Hintergangen hast du mich! Elender Lügner! Und du willst mein Sohn sein? Womit habe ich das nur verdient? Darling, hüte dich vor dem Weibsvolk! Mädchen vergiften den Verstand. Sie töten dich langsam, Stück für Stück. Sie vernebeln deine Vernunft und erwecken schändliche Begierden in dir. Man hat dich manipuliert, dir den Kopf verdreht. Armer Junge! Aber ich, deine Mutter, deine über alles geliebte Mutter, wird dir helfen!"
Das letzte, was ich bemerkte, bevor ich vor Angst vor dieser unsäglich boshaften Kreatur in Ohnmacht fiel, war, dass sie Rosas Briefe entdeckte und sich anschließend etwas notierte. Dann umgab mich der Schleier der Dunkelheit und Fieberträume suchten mich heim.
Obwohl ich zwei Wochen später den mit Rosa zuvor brieflich vereinbarten Treffpunkt aufsuchte, fehlte jede Spur von ihr. Auch bei abendlichen Festen, denen wir beide stets beizuwohnen pflegten, war sie, zu meiner Verwunderung, nicht zugegen.
Als ich es endlich in der Ungewissheit nicht mehr aushielt und die quälenden Befürchtungen und düsteren Vorahnungen mir keine Ruhe mehr ließen, erkundigte ich mich überall nach ihr. Wie sich herausstellte...und mein Herz schmerzt, als ich diese Zeilen schreibe, als stecke ein Messer darin, hatte Rosa sich das Leben genommen.
Nach langem Forschen fand ich auch den Grund für den unerwarteten Selbstmord heraus: Meine Mutter, die offenbar an des Mädchens Adresse gelangt war, hatte ihr in einem Brief mitgeteilt, ich sei tödlich verunglückt. Die ärmste Rosa hatte den Schmerz nicht ausgehalten und sich somit angesichts ihrer unerfüllten Sehnsucht geendigt.
Ich erkannte den Verrat meiner Mutter und vor unerträglichem Schmerz hätte ich mich wohl ebenfalls umgebracht, hätte eine andere ebenso starke Emotion nicht mein Gemüt erfüllt und letztendlich überwogen: Der schier unbändige Hass auf meine Mutter, die mich nach all den zahlreichen Demütigungen zu guter Letzt um die Liebe meines Lebens gebracht hatte und somit endgültig auch noch die allerletzte Glücksquelle aus meinem Dasein entfernt, auch noch die allerletzte Grenze überschritten hatte.
Über mehrere Wochen hinweg, war ich allerdings außer Gefecht gesetzt, da ich zu absolut nichts mehr in der Lage war und meine Tage und Nächte nur noch erbittert heulend und fluchend in meinem Bett verbrachte. Die schlimmste Zeit meines Lebens! Zwar kümmerte sich die alte Hexe erneut fürsorglich um mich, wie man normalerweise einen Säugling behandelt und gab sich einsichtig und verständnisvoll, doch die manipulative Scheinheiligkeit würde mir nicht noch einmal entgehen. Ich wusste, dass es sinnlos wäre, sie auf ihre verwerfliche Tat anzusprechen. Nein, ich musste ihr meinen Unmut auf andere Art begreiflich machen! Jahre lang war ich blind gewesen, doch das Licht der Erkenntnis flutete meinen Verstand und setzte kindliche Gefühle der Ehrfurcht und Abhängigkeit endgültig außer Gefecht. Ich sann nach Rache, erlaubte dem Zorn, unermessliche Anmaße anzunehmen und wandelte meine Trauer um die verlorene Liebe in Aggression und Energie um. Mein Entschluss stand fest: Die Mutter musste sterben! Erbarmungslos hatte ich eine Aufgabe zu erledigen und es erschien mir, als sei ich nur aus diesem Grund überhaupt geboren worden. Ich musste mich ihrer entledigen, hatte keine andere Wahl mehr, denn ansonsten würde ich auf Ewig ein Gefangener bleiben. Als ich mich dazu bereit fühlte und die Zeit gekommen sah, fasste ich den Entschluss, meinen mörderischen Vergeltungsplan in die Tat umzusetzen und zum alles entscheidenden Schlag auszuholen. Ich musste sie töten, bevor sie mich tötete.
Zunächst wartete ich bis meine Mutter schlief. Zuvor hatte ich noch ein Geheimnis zu entschlüsseln, schließlich hielt mich nunmehr nichts davon ab. So wie die teuflische Hexe mein Leben zertrümmert hatte, so zertrümmerte ich mit einem kräftigen Fußtritt und einem Messer in der Hand die geheimnisvolle, bis dato noch nie zuvor von mir geöffnete Tür im Wohnbereich. Meine Augen benötigten einige Momente, um sich an das in dieser Art Abstellkammer vorherrschende Licht zu gewöhnen. Doch als ich eintrat und wieder deutlich sehen konnte, erschauderte ich heftig aufgrund des sich mir bietenden Anblicks: Direkt vor mir, in der Mitte dieses kreisrunden Raumes, waren zwei hölzerne, jedoch offene Särge platziert, die jeweils eine Leiche enthielten.
Zu meinem Entsetzen konnte ich den ersten Mann, dessen Kehle aufgeschnitten war und getrocknetes Blut aufwies, als Herrn Heinrichs, meinen alten Privatlehrer, identifizieren. Die Geschichte vom plötzlichen Unfalltod war gelogen! Der Mann ist von dem Monster namens Mutter ermordet worden! Den Mann des zweiten Sarges hatte ich noch nie zuvor gesehen. Die Ähnlichkeit, die er mit mir selbst aufwies, ließ jedoch keinen anderen Schluss zu, als dass es sich hierbei um einen lange Vermissten und in meinem Leben schmerzlich fehlenden Mann handelte. Ich wusste sofort, wer es war! Es war mein Vater! Die Bestie hatte auch ihm die Kehle aufgeschnitten! Meine Sicht wurde durch sich bildende Tränen getrübt. Ein unvorstellbarer Schmerz breitete sich in meinem Magen aus und resultierte in einer plötzlichen Übelkeit. Alles drehte sich vor meinen Augen.
Erst das Geräusch von sich bedrohlich nähernden Schritten, riss mich ruckartig aus meinen Träumen. Ich hörte ein Zischen, wie es entsteht, wenn Metall einen Luftzug erzeugt. Die Mutter hatte sich, mit einem Messer bewaffnet, von hinten angeschlichen. Instinktiv duckte ich mich in letzter Sekunde und konnte so gerade noch rechtzeitig verhindern, dass der mir geltende Schlag meine Kehle traf. Ich verschaffte mir mit einem Sprung zur Seite etwas Platz und realisierte, was geschah. Zähnefletschend, einen gierigen Blick aufgesetzt, stand die Alte vor mir. Die Klinge ihrer Waffe zierte getrocknetes Blut.
Wie ein Rabe aus der Hölle krächzte sie: "Du wolltest nicht hören, Darling! Du undankbarer, unmoralischer Sohn! Ich muss wohl zu härteren Erziehungsmaßnahmen greifen!"
Mit diesen Worten holte die Kreatur erneut aus und stieß das Messer in meine Richtung. Ihre Augen schienen feuerrot zu erstrahlen, das teuflische Grinsen offenbarte ihre verfaulten Zähne.
Zwar gelang es mir, dem Stoß auszuweichen, doch die Mutter ließ sofort eine Reihe weiterer heftiger Hiebe folgen. Mit Gebrüll, den Unmut ins Gesicht geschrieben, stürzte sie sich auf mich. Es gelang ihr, mir eine Verletzung am Arm zuzufügen, die ich seitdem wie ein Brandmal mit mir herumschleppe. Aus der Wunde rann Blut, doch ich unterdrückte den stechenden Schmerz, um meine Konzentration aufrecht zu erhalten.
Mich erstaunte die Kraft, die die alte Frau offenbar noch aufzubringen in der Lage war. Ihre angebliche Gebrechlichkeit war wohl ebenfalls nur ein Teil ihrer Manipulationen, damit ich mich in Sicherheit wog und sie hinterlistig zuschlagen konnte.
Wir rangen. Der Hass übermannte mich und ich geriet in schreckliche Raserei. Mein Zorn verlieh mir plötzlich übermenschliche Kräfte.
"Das ist für dich, du verräterische Hexe", rief ich aus voller Kehle und verpasste der Alten einen Faustschlag ins Gesicht. Die Mutter taumelte infolgedessen, stöhnte vor Schmerz und ließ die Waffe fallen. Ich zögerte keinen Augenblick und stieß dem Teufel mein Messer mit aller Macht mitten ins Herz.
Der Leib zuckte wie unter Strom, Blut strömte heraus wie bei einem Wasserfall und setzte meine Hände einer Fontäne von Blut aus. Wer hatte gedacht, dass die alte Frau noch so viel Blut hatte? Der Mutter Kinnlade klappte ungläubig herunter und Speichel trat in großen Mengen aus, gemischt mit Blut. Die Augen weiteten sich vor Entsetzen angesichts des unaufhaltsamen Todes, der durch ihren eigenen Sohn, ihr eigenes Fleisch und Blut herbeigeführt wurde.
"Verlass mich nicht", entfuhr es der Alten flehend.
"Mutter, warum. Oh warum nur", gab ich zurück.
Die Augen traten aus den Höhlen und boten einen schrecklichen Anblick. Die Frau brach zusammen, der Körper zuckte noch einige Male im Todeskampf und dann trat Ruhe ein. Süße freie Ruhe. Die Mutter war tot!
Durch meine Hand gestorben. Die Sünde, die ich begangen, die furchtbare Bluttat, lieferte mich endgültig dem Wahnsinn aus. Nie wird dieses Blut von meinen Händen weichen, es lässt sich nicht abwaschen. Denn wenn eines beständig ist, dann ist es die Sünde! Die Nachbarn, die die Schreie hörten, verständigten die Wachtmeister und besiedelten somit mein Schicksal.
Jetzt bin ich hier, beende meine Geschichte und hoffe, sie wird Gehör finden. Morgen werde ich sterben. Ich weiß es, denn ich schreibe diese Zeilen mit blutbeschmierten Händen...

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