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Alles nimmt immer ein Ende [Kurzgeschichte]

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14.01.17 18:05
16 Ab 16 Jahren
Fertiggestellt

《Es wäre nett, wenn du mir antworten würdest. Diese Stille bringt uns nicht weiter.》 Das blonde Mädchen starrte in die braunen, weitaufgerissenen Augen ihres Gegenübers. Es herrschte weiterhin Stille zwischen ihnen. Totenstille. Das Mädchen ließ ihren Vater nicht aus den Augen. 《Vater, Mutter hat sich wegen dir umgebracht. Du hast sie und mich in den Wahnsinn getrieben.》 Nachdenklich strich sie über die neuen, frischen Narben auf ihren Armen. Die Älteren waren schon verblasst, sodass man sie nur bei genauem hinsehen erkannte. Vor kurzem hatten ihre Wunden noch geblutet, da er dieses Mal ihren Körper wieder mit einem Messer verletzt hatte. Es ist schmerzhaft gewesen, doch sie hatte sich schon daran gewöhnt. Sie spürte ihre körperlichen Schmerzen nicht mehr. Die psychischen Schmerzen waren größer als alle andere. Ihre Gedanken spielten verrückt. Halluzinationen waren die Dinge, die ihr dies bestätigten. Schreckliche, brutale Kampfszenen und Massaker, Foltermethoden der verschiedensten Art und nicht zu vergessen die Wesen, die aus dem Schatten kamen. Die Realität von der Illusion zu unterscheiden schien ihr unmöglich, doch dieses Gespräch, es war real. Da war sie sich sicher. Die Stimmen in ihrem Kopf bestätigten ihre eigenen Gedanken. Verwirrend? Nein. Logisch, für ihre Verhältnisse.

《Wir haben dich nie bei der Polizei gemeldet, weil Mutter mich immer wieder davon abhielt. Sie liebte dich, auch wenn du ein Monster warst. Deine Alkoholsucht, oder was auch immer das war, war unerträglich und machte die ganze Sache auch nicht besser.》 Sie wandte ihren Blick von ihm ab, auf den kleinen Wohnzimmertisch vor ihr, auf welchem einige leere Bierflaschen standen, welche von einigen Blutspritzern geziert wurden. Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihr narbenbedecktes Gesicht, als sie ihren Blick nach oben hob. Sie sah direkt in die Augen ihres Erzeugers, der sie ohne eine Regung seiner Mimik anstarrte. Leblos anstarrte.

Das Messer, welches in seiner Brust steckte und kaum zu übersehen war, zog sie mit einem psychopathischen Lachen heraus und leckte, schon fast gierig, das Blut von der Klinge. Der metallische Geschmack verteilte sich in ihrem Mund, was sie einen Augenblick lang genoss. Der Leichnam fiel um und lag nun auf dem Sofa. Der beige Stoffbezug saugte sich mit dem Blut voll und leise hörte man, wie in geregelten Zeitabständen die Tropfen des Bluts auf den Laminat tropfte.
Das Mädchen stand mit dem Messer in der Hand auf und ging auf die Leiche zu. Sie tunkte feinsäuberlich ihre Finger in den roten Lebenssaft und ging grinsend zur weißen Wand des Wohnzimmers.

Singend und lachend schrieb und malte sie etwas auf die Wand, was wahrscheinlich nur noch die Polizisten sehen werden, welche in einigen Tagen von den Nachbarn informiert werden müssten.

Was sie nicht wusste war, dass die Nachbarn bereits um das Haus herumschlichen und versuchten herauszufinden, was in dem Haus vor sich ging. Die Schreie und das psychopathische Lachen der Blonden waren ihnen nicht entgangen. Sie wussten zwar, dass etwas mit dieser Familie nicht stimmte, doch noch nie waren die Schreie so laut gewesen. Noch nie hatte jemand in diesem Haus auch nur den Ansatz eines Lächelns gezeigt. Erfolglos versuchten sie einen Blick in das innere des Gebäudes zu werfen, doch wirklich alle Rollläden waren verschlossen.

Weiterhin singend und nun auch tanzend ging das blonde Mädchen mit dem Messer in der Hand in das, nun ehemalige, Schlafzimmer ihrer Eltern, wo der leblose Körper von ihrer Mutter von der Decke hing. Stramm schnürte sich ein Strick um ihren Hals und überall auf ihrer Haut waren Narben und blaue Flecken zu sehen. Ihre Nase war krumm, da ihr Mann ihr die Nase oft gebrochen hatte. Ihre braunen Augen waren weit aufgerissen, doch ein leichtes Lächeln zierte das Gesicht der Frau. Sie ist glücklich gestorben. Mit den Gedanken daran endlich frei zu sein. Sie war nun frei. Ihre Seele war frei, doch ihre Tochter hatte sie hier allein gelassen. Allein gelassen in der Welt, in dem Haus, mit ihrem gewalttätigen Vater. Das Mädchen konnte sich glücklich schätzen, dass ihr Vater stark alkoholisiert war, als sie ihn angegriffen hatte, sonst hätte sie keine Chance gegen ihn gehabt.

《Ach, Mutter, sag mir, wieso hast du mich nicht mitgenommen? 》,fragte sie mit unschuldiger Stimme in die Stille hinein. Ihr Grinsen verwandelte sich in eine emotionslose Mimik. Langsam, schon fast traurig und antriebslos, ging sie um den hängenden Leichnam herum, bis sie direkt davor stehen blieb. Sie stellte den Hocker, welcher noch vor einigen Stunden unter den Füßen ihrer Mutter stand, wieder auf und stellt sich selber auf ihn, sodass sie nun mit der Leiche ihrer Mutter auf Augenhöhe war. Ihre Hand umschloss fest den Griff des Messers. Ihre Muskeln waren so stark angespannt, dass ihre Hand anfing zu zittern. Vom Hass angetrieben hob sie ihre Hand. Leise Flüsterten die Stimmen in ihrem Kopf ihr Dinge zu, die sie tun sollte, doch da war diese eine Stimme, die alle anderen übertönte. Sie kam ihr so fremd und doch so bekannt vor. Wer war derjenige, dem die Stimme gehörte?

Ihr war egal, wer es war. Seine Befehle waren verlockend. Endlich würde sie ihre Fantasien ausleben können. Endlich konnte sie den Befehlen nach gehen. Endlich.
Ein lautes Lachen entglitt ihrer Kehle, als sie die Klinge in die Augäpfel stach. Auch der Rest des Körpers blieb nicht unverschont. Immer und immer wieder stach sie ein, bis sie das Gleichgewicht verlor und vom Hocker fiel.

《All die Jahre habe ich dich unterstützt… Ist das dein Dank dafür? Du hast mich mit diesem Monster alleine gelassen! Was denkst du, wäre passiert, wenn ich ihn nicht umgebracht hätte? Weißt du, ich wäre tot! Genauso wie du. Aber ich bin kein Angsthase. Ich werde nicht weglaufen. Ich werde nie weglaufen. Ich werde nicht so wie du. Ich werde um mein Leben kämpfen. Ich kann meine Freunde, oder wie du sie nanntest, meine Halluzinationen, nicht alleine lassen. Sie sind die Einzigen die ich noch habe und niemand von ihnen möchte mir etwas böses tun.》Wankend stand sie auf und stolperte in den Flur hinaus. Lachend und auch wieder singend rannte sie in Windeseile die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Unbeschwert tanzte sie herum, sang ein Lied in einer unbekannten Sprache und freute sich endlich frei sein zu können. Sie schnappte sie sich eine x-beliebige Tasche aus ihrem Schrank und stopfte einige ihrer Habseligkeiten hinein. Sie würde nie wieder hier her zurückkehren. Sie verfluchte diesen Ort. Ihre komplette, grausame Kindheit lag nun hinter ihr. Endlich konnte sie ein neues Leben starten. Ein Leben starten und es nach ihren Vorstellungen gestalten.

  《Mein Kind… Schau mich an. Sieh mich ganz genau an und hör mir gut zu.》Erschrocken drehte sich die Blonde in die Richtung ihres Fensters. Die Gardinen waren aufgezogen. Nichts war so wie vorher. Die komplette Atmosphäre im Zimmer hatte sich schlagartig geändert. Alles schien viel dunkler und unheimlicher zu sein. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich das alles einbildete. Sie konnte die Realität nicht mehr von einer Illusion unterscheiden. Es war schwer und die Stimmen in ihrem Kopf versuchten sie zu beruhigen. Ihr zu sagen, dass sie nicht mehr nachdenken soll, sondern einfach alles auf sich zukommen lassen soll.

Auf der Fensterbank ihres Fensters saß ein teufelartiges Wesen mit mehreren Mündern, die alle auf einmal sprechen schienen. Seine rote, schuppige Haut glänzte im Licht, das nicht vorhanden war. Verwirrt sah das Mädchen das Monster an. Sie sah ihn nicht zum ersten Mal. Früher schon hatte er sie durch ihren Alltag begleitet und mit ihr oft über ihren Vater geredet. Er hatte ihr jedoch nie seinen Namen gesagt. Er hatte sie vor vielen Jahren verlassen und war auch bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr aufgetaucht. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Ihre Gedanken waren ein komplettes Chaos. Nachzudenken bereitete Ihr Kopfschmerzen. Die Stimmen steuerten ihre Gedanken. Die Stimmen übernahmen die Kontrolle über ihren Körper und sie wehrte sich nicht dagegen. Sie vertraute ihnen.

《Mein Kind, folge mir. Ich werde dich von deinem Leid befreien. Ich werde deine Seele befreien. Das Einzige was du tun musst, ist mir folgen.》, sagte er und öffnete das Fenster. Wie in Trance wandelte das Mädchen zu ihm. Sie hinterfragte nichts. Ihr Körper, ihre Seele, schien von dem Wesen angezogen zu werden. Die Stimmen schienen von ihm angezogen zu werden. Phrasen wie „Mein Herr“ , „Unser Schöpfer“ und „Lord Zalgo“ hallten durch den Kopf des Mädchens. Einerseits ergaben die Namensnennungen für sie keinen Sinn, doch andererseits fühlte sie sich so sehr angezogen von dem Wesen, dass sie mehr über ihn erfahren wollte. Lord Zalgo schien in der Luft zu schweben. Schien sie mit unsichtbaren Seilen zu sich zu ziehen.

Die Blonde stützte sich auf das Fensterbrett, stieg hinauf und blieb kurz stehen. Sie blickte hinunter. Der Pflastersteinweg schien sie nach unten zu rufen. Nach unten in die Freiheit. Die Stimmen in ihrem Kopf wurden lauter und schrien nach Freiheit. Lord Zalgo sang etwas in mehreren unbekannten Sprachen. Jeder seiner Münder sang das gleiche Lied. Immer und immer wieder wiederholten sich Phrasen. Immer weiter fiel das Mädchen in ihre Trance. Ihre Trance, die sie befreien sollte.
Genießerisch schloss sie die Augen und atmete tief durch. Dies waren die letzten Momente für sie in diesem Haus. Leise hörte sie die Polizeisirenen, die noch einige Kilometer weit weg waren. Nichts interessierte sie mehr. Nur der Gesang, der sich in ihrem Kopf festsetzte. Die Stimmen sangen mit. Jede Stimme sang in einer anderen Sprache. Die Melodie des Liedes war beruhigend. Sie fühlte sich wohl. Sie freute sich endlich frei sein zu können.

Das Mädchen breitete lachend die Arme aus und ließ sich fallen.

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Ein Mädchen, dass sich nach der Freiheit sehnt, die sie nie hatte...

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