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Oma Fridel

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09.04.24 23:27
Fertiggestellt

Sie war tief in ihre Gedanken versunken, als sie an diesem neblig trüben Dezemberabend nach Hause ging. Den ganzen Tag war sie auf den Beinen gewesen, acht Stunden hatte sie im Geschäft gestanden und trotz der ekelhaften FFP2-Maske versucht beim Bedienen immer freundlich zu sein. Manche der Kunden machten es ihr schwer freundlich zu bleiben. Sie meinte, die Menschen seien genervt von der andauernden Pandemie, aber dass sie ihren Frust an ihr und ihren Kolleginnen ausließen, ärgerte sie mehr, als sie es sich zugestehen wollte. Die Heimfahrt im Bus nach einem langen Arbeitstag hatte sie dann auch ätzend empfunden. Sie wusste, dass die Maske wichtig war, hatte aber das Gefühl, nach einem langen Arbeitstag reicht es einfach. Wäre das Wetter nicht so ekelhaft, wäre sie mit dem Fahrrad gefahren. Auf dem Fahrrad nass werden oder im vollgestopften Bus unter der Maske schwitzend und schwer atmend die Düfte nasser Kleidung zu ertragen, war keine wirkliche Wahl zwischen einer angenehmen und einer weniger angenehmen Fahrt – die Wahl zwischen Pest und Cholera war hier die Auswahl. Über diesen Gedankengang musste sie grinsen. Eine Haltestelle früher als erforderlich war sie ausgestiegen und hatte im Supermarkt etwas für ihr Abendessen eingekauft. Die Gemüsetheke gab nicht viel her und sie überlegte bereits, ob sie in der Tiefkühltheke nach irgendeiner Fertigpizza greifen sollte, als ihr Blick auf einen kleinen Spitzkohl fiel. Sie legte diesen in den Einkaufskorb und machte sich an der Fleischtheke auf die Suche nach geeignetem Fleisch. Was sie vorfand, stieß sie ab. Das durch sogenanntes Schutzgas haltbar gemachte Hackfleisch wirkte auf sie wie eingelagerte Regenwürmer, die zerteilten Koteletten im Sonderangebot sahen durch die Folie so aus, als schwämmen sie im eigenen Saft. So hatte sie sich abgewandt und war mit dem Vorsatz zur Kasse gegangen, sich heute einmal vegetarisch zu ernähren.

Sie näherte sich jetzt ihrer Wohnung. Ein wenig fürchtete sich vor den ruhigen Tagen, die das Weihnachtsfest mit sich brachte. Allein in der Wohnung, am frühen Morgen ab und zu ein Videotelefonat mit der im fernen Australien lebenden Tochter. Das Enkelkind wurde dabei kurz vor die Kamera gehalten. Ihr Schwiegersohn winkte dann auch einmal in die Kamera, ansonsten plauderte sie mit der Tochter und sie tauschten Nettigkeiten aus. Aber das sah sie als gegeben an, nur der gewohnte Rhythmus fehlte ihr an diesen stillen Tagen. Die wenigen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr würde sie arbeiten gehen. So konnten eine Kollegin mit kleinen Kindern in dieser Zeit Urlaub machen. Nieselregen setzte ein, sie beschleunigte ihre Schritte. Noch bevor sie den kleinen Bachlauf erreichte, über den ein Steg zu der Straße führte, an der ihre Wohnung lag, hielt sie ihr Schlüsselbund in der Hand. Nur noch ins Trockene wollte sie.

Mitten auf dem Weg stockte ihr Schritt, sie glaubte etwas gehört zu haben, das nicht hierher gehörte. Sie horchte und sah sich um. Es war aber nichts weiter zu hören als ein fernes Rauschen, das die Autos auf der Autobahn verursachten. Im schummrigen Licht der Laternen konnte sie auch nichts erkennen, was ihr ungewöhnlich erschien. Sie wollte gerade weitergehen, da hörte sie wieder etwas. „Tante, Tante“, rief eine zarte Stimme. Unschlüssig wandte sie sich in die Richtung, aus der sie die Stimme gehört hatte. Sie sah nicht, wer da sprach und ging ein Stück zurück, bis sie an den Weg auf der Deichkrone kam. Da erschienen aus dem Dunkel auf der Deichkrone zwei Kinder. Ein Mädchen, das sie auf etwa fünf Jahre schätzte, hielt ein recht kleines Kind an der Hand. Mit der anderen Hand hielt das Mädchen einen kleinen Teddy an sich gedrückt.
     „Was macht ihr denn hier?“, fragte sie überrascht.
     „Wir suchen das Christkind.“
     Sie schüttelte ungläubig den Kopf und hocke sich vor den Kindern hin. Das kleine Kind drückte sich ängstlich an das Mädchen. „Aber das Christkind kommt doch erst morgen am Heiligen Abend. Wisst ihr das denn nicht?“
     „Doch Tante, aber wir wollten nachsehen, ob wir es schon finden.“
     „Sagst ihr mir denn wie ihr heißt? Ich heiße Fridel.“
     „Ich bin Sophia und das ist mein kleiner Bruder Manuel.“
     „Und wie heißt ihr sonst noch?“
     „Weiß nicht“, antwortete das Mädchen verschüchtert.
     „Wo wohnt ihr denn?“
     „Bei Mama und Papa.“
     „Weißt du, wie die Straße heißt?“
     „Nein…“, antwortete das Mädchen und brach in Tränen aus.
     „Nicht weinen, es gibt für alles eine Lösung! Ich nehme euch mit nach Hause und von da rufen wir gemeinsam die Polizei an.“
     „Ich will nicht ins Gefängnis“, der Tränenfluss verstärkte sich, auch der kleine Junge heulte jetzt.
     Sie reagierte verwirrt, „wieso Gefängnis? Die Polizei wird euch helfen zu Mama und Papa zu kommen. Kommt doch einfach mit, es gibt keinen Grund zu weinen.“
     „Aber die anderen Kinder in der Kita sagen, die Polizei bringt die Leute ins Gefängnis.“
     „Nein, nein, die Polizei hilft den Menschen! Nun komm, gib mir deine Hand und Manuel nehme ich auf den Arm.“

Kurz entschlossen nahm sie Manuel auf ihre Arme, der kuschelte sich vertrauensvoll bei ihr an. Sie hielt Sophia die Hand hin, die diese ergriff. Gemeinsam machten sie sich auf den kurzen Weg zu ihrer Wohnung. In der Wohnung angekommen, sagte Sophie, „ich muss Pipi machen.“ Fridel öffnete die Tür zum Bad und machte dort das Licht an. Manuel hielt sie weiter auf dem Arm. Der Duft, der aus seiner Hose drang, deutete darauf hin, dass er eine frische Windel benötigte. Das Kind machte inzwischen einen schläfrigen Eindruck, sein Kopf war auf ihre Schulter gesunken. Sowie Fridel hörte, dass Sophie abzog, nahm sie das Telefon zur Hand und wählte den Notruf.
     „Polizei in Langenhausen, wie kann ich helfen?“
     „Mir sind zwei Kinder zugelaufen, ich hoffe, sie werden bereits vermisst.“
     „Nennen sie mir bitte ihren Namen und ihre Anschrift.“
     „Ich heiße Fidel Meier und wohne in der Unterbacher Allee 12.“
     Sophie hatte sich neben sie gestellt, so schaltete Fridel auf mithören.
     „Kennen sie den Namen der Kinder?“
     „Sie wissen nur ihre Vornamen, Sophie und Manuel.“
     „Das ist gut, wir schicken sofort einen Wagen vorbei und benachrichtigen die Eltern.“
     „Bitten sie die Eltern eine Windel für Manuel mitzubringen, er muffelt stark.“
     „Danke, ich werde das weiterleiten.“

Nachdem Fridel aufgelegt hatte, legte sie Manuel vorsichtig auf die Couch. Sie hoffte, dass die Windel dicht hielt. Sophie suchte ihre Nähe, auch als sie in die Küche ging, um dem Kind ein Stück Schokolade anzubieten, folgte ihr Sophie auf dem Fuße. Zurück im Wohnzimmer setzte sie sich in ihren Sessel und legte Schokoladenstücke auf den Tisch.
     „Die sind für dich, Sophie.“
     „Danke Tante.“
     „Bitte Sophie, ich möchte lieber, dass du Fridel zu mir sagst.“
     „Ja Fridel!“ Neben Fidel stehend nahm sie ein Stück Schokolade und knabberte daran.
     „Mama und Papa werden sicher gleich kommen, Sophie.“
     „Mama und Papa werden schimpfen.“
     „Das glaube ich ganz und gar nicht.“
     „Doch, sie werden schimpfen, weil wir das Christkind gesucht haben.“
     Es klingelte, Fridel nahm Sophie bei der Hand und gemeinsam gingen sie in den Korridor, dort nahm sie den Hörer der Gegensprechanlage in die Hand. „Wer ist da bitte?“, fragte sie.
     „Ich bin Oberkommissarin Müller, sie haben wegen der Kinder angerufen?“
     „Ja, kommen sie bitte zur dritten Etage“, antworte Fridel, drückte den Türöffner und zog ihre Maske an.

Als die Polizistin vor der Tür erschien, drückte sich Sophie ängstlich an Fridels Beine. Fridel strich ihr über die Haare. „Du brauchst keine Angst zu haben, Sophie“, sagte sie dazu. Die Polizistin lächelte unter ihrer Maske und hoffte, dass dadurch ihre Augen freundlich auf das Kind wirkten. Unter dem Arm trug sie zwei Teddys, einen davon hielt sie Sophie hin. „Möchtest du den haben?“, fragte sie. Sophie griff nach dem Plüschtier und nickte, sagte aber nichts. „Bedankst du dich bitte, Sophie“, sagte Fridel. Sophie nickte wieder und sagte, immer noch verschüchtert, „Danke.“ Fridel bat Frau Müller herein und lotste sie ins Wohnzimmer. Die Kommissarin setzte den zweiten Teddy neben Manuel auf die Couch, dann wandte sie sich an Fridel.
     „Haben sie ihren Ausweis zur Hand, Frau Meier?“
     Fidel ging in die Diele und kam mit ihrer Ausweismappe zurück. Sophie war wie ein Hündchen hinter ihr her gelaufen. „Bitte Frau Müller“, sie hielt ihren Ausweis hin. „Möchtest du die nicht zu Manuel setzen, Sophie?“, fragte sie danach. Sophie nickte und setzte sich neben ihr Brüderchen.
     Frau Müller notierte die Daten des Ausweises, reichte ihn zurück und fragte; „wo sind sie auf die Kinder getroffen, Frau Meier?“
     „Direkt gegenüber im Park, kurz bevor ich auf den Steg über den Oerschbach kam. Ich hatte sie in der Dunkelheit gar nicht bemerkt. Sophie hat hinter mir her gerufen, da bin ich umgekehrt.“
     „Ein Glück, dass es so gekommen ist. Die Eltern haben schon kurz nach vier den Notruf gewählt. Sie dürften bald kommen, denn als sie anriefen, waren sie auf der Polizeiinspektion, um die Vermisstenanzeige aufzugeben. Mein Kollege wartet unten vor der Haustür, um sie in Empfang zu nehmen.“
     Es klingelte, Fridel drückte in der Diele auf den Türöffner, ohne vorher die Gegensprechanlage zu nutzen. Sophie war ihr wieder gefolgt und drückte sich an sie. „Mein Schatz, du braucht keine Angst zu haben, wollen wir gemeinsam hier an der Tür warten und sehen, wer kommt?“
     Sophie drückte sich fester an sie, „ja, Fridel.“ Fridel hatte den Eindruck, die Kleine würde gleich wieder losheulen.

Die Aufzugtür fuhr zur Seite, ein uniformierter Polizist und ein junges Paar entstiegen dem Aufzug. Sophie klammerte sich immer noch an Fridel. Alles ging dann ganz schnell, weinend lief Sophie auf die Frau zu, diese hob sie hoch, drückte und küsste sie, dann brach auch sie in Tränen aus. Der Polizist fragte nach seiner Kollegin, Fridel bat ihn ins Wohnzimmer zu gehen. Der junge Mann streichelte Sophie sanft über den Rücken, das Weinen des Kindes stillte das nicht. Fridel wollte sich zurückziehen, da gewann der Mann seine Fassung zurück und sprach Fridel an.
     „Wir sind Familie Peters, sie haben unsere Kinder gefunden?“
     „Ja, mein Name ist Meier, aber sagen sie ruhig Fridel zu mir. Sophie spricht mich auch beim Vornamen an, da fände ich es doof, wenn sie mich Frau Meier nennen. Sie haben Windeln für Manuel mitgebracht?“
     „Ja sicher!“
     „Gut, Manuel schläft im Wohnzimmer. Sie können ihn im Bad neu wickeln. Ich bringe ihnen Handtücher und den Abfalleimer aus der Küche, die Windel entsorge ich dann später.“
     „Ich danke Ihnen, Fridel.“

Er hob den kleinen Jungen vorsichtig hoch und verschwand mit ihm im Bad, während Fridel Handtücher, Waschlappen und den Abfalleimer ins Bad schob. Manuel war zwar erwacht und stand mit heruntergelassenen Hosen mitten im Bad, er wirkte desorientiert. So ging Fridel wieder in ihr Wohnzimmer, wo die Kommissarin mit der glücklich wirkenden Mutter die Formalien erledigte. Sophie hielt ihren alten und auch den neuen Teddy fest an sich gedrückt und wartete wohl darauf, dass ihre Mutter endlich wieder Zeit für sie hatte. Da ihr die Zeit lang wurde, schmuste sie sich derweil wieder bei Fridel an. Als ihr Vater mit Manuel auf dem Arm zurückkam, bot Fridel ihm einen Platz auf der Couch an. Kommissarin Müller und ihr Kollege verabschiedeten schließlich und die Peters gingen, nachdem sie sich noch mehrmals bei Fridel bedankt hatte.

Fidel war die Lust am Kochen vergangen, sie brachte den Mülleimer in den Containerraum und ging anschließen in die Küche, wo sie sich ein Brot belegte. Danach schrieb sie ihrer Tochter eine Nachricht und fragte an, ob sie an Heiligabend lag genug wach sein würde, dass sie sich am Mittag noch sprechen könnten. Sie hätte aufregendes zu erzählen, schrieb sie als Nachsatz unter die Nachricht.

Am Morgen machte sie sich ungewohnt früh auf den Weg zur Arbeit. Nur selten war sie zur Frühschicht eingeteilt. Da Christel nicht auf ihre Nachricht reagiert hatte, ging sie davon aus, dass sie am Mittag miteinander sprechen konnten. An diesem Tag übernahm Fridel es, die Einhaltung Coronaregeln am Eingang des Geschäfts zu überprüfen. Eine unbeliebte Tätigkeit, die oft mit Ärger verbunden war. Aber sie hatte genug Durchsetzungsvermögen und auch eine gewisse Sturheit, sodass ihr das weniger ausmachte als ihren jungen Kolleginnen. Trotzdem war sie froh als sie mittags Feierabend hatte. Sie wollte nur noch nach Hause und die Tür hinter sich schließen. Sie verabschiedete sich von ihren Kolleginnen und machte sich auf den Weg nach Hause. Am Steg über den Oerschbach dachte sie an ihr Erlebnis von gestern, ein Grinsen ging über ihr Gesicht. Im Treppenhaus angekommen leerte sie den Briefkasten, eigentlich der gleiche Mist wie immer, dachte sie bei einem Blick über die Kuverts in ihrer Hand. Mit dem Aufzug fuhr sie nach oben.

Als sie den Aufzug verließ, stockte ihr Schritt. Einen Moment hatte sie den Eindruck, sie hätte sich in der Etage geirrt. Vor ihrer Tür stand ein kleiner geschmückter Baum, neben dem eine größere Papiertüte stand. An der Tüte war ein Kuvert befestigt. Fidel zuckte mit den Schultern und griff nach dem Kuvert, „Für Frau Fridel Meier“ stand darauf. Sie öffnete es, eine Weihnachtskarte und einen Brief hielt sie danach in der Hand. Sie setzte ihre Brille auf und las.

Liebe Fridel Meier,

wir schreiben ihnen diese Zeilen voll von Dankbarkeit und Freude. Es ist schade, dass wir sie wegen der Pandemie nicht zu uns bitten können. Wir hätten gerne den Heiligen Abend mit Ihnen verbracht. Aber aufgeschoben soll auf gar keinen Fall aufgehoben heißen.

Wir werden am Abend an Sie denken und bitten sie diesen kleinen Baum und die Süßigkeiten in der Tüte als kleines Vorab für eine spätere Zusammenkunft zu sehen.

Wir wünschen Ihren und Ihrer Familie ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches und gesundes Neues Jahr.

Liebe Grüße senden
Doris und Alois Peters
mit Sophie und Manuel

Ein kleines Bildchen war von kindlicher Hand unten auf das Blatt gemalt, darunter stand: Ein Bild gemalt von Sophie, für ihre liebe Fridel. Fridel brachte alles ins Wohnzimmer, stellte den Baum so auf, dass er von der Videokamera erfasst wurde und aktivierte Skype. Sie sah, Christel war online, so zog sie nur ihren Mantel aus und startete einen Videoanruf. Ihre Tochter nahm das Gespräch nach wenigen Sekunden an.
     „Guten Abend, Mama“, schallte es aus dem Lautsprecher und das Bild von Christel erschien auf dem Bildschirm.
     „Guten Abend, mein Kind.“
     „Was gibt es denn aufregendes, dass wir zu dieser ungewöhnlichen Zeit skypen? Ich sehe, du hast in diesem Jahr einen Weihnachtsbaum, wirst du im Alter sentimental?“
     „Sei nicht so vorlaut, Schatz. Ich werde nicht sentimental, den Baum bekam ich geschenkt von den Leuten, deren Kinder mir am Abend zugelaufen sind.“
     Christel lachte, „dir sind Kinder zugelaufen?“
     „Ja, gestern als ich von der Arbeit kam, direkt am Oerschbach. Ein kleines Mädchen, das sein Brüderchen an der Hand hielt. Sie waren auf der Suche nach dem Christkind.“
     „Und dann?“
     „Ich habe die Kinder mit nach Hause genommen und die Polizei gerufen. Die Eltern kamen recht schnell. Der Stein, der denen vom Herzen fiel, glich eher einem Felsbrocken. Christel, es ist so schön, dass du auf mich gewartet hast. Sprechen wir uns morgen früh?“
     „Ja, Mama, so war es ursprünglich besprochen und morgen ist auch der Kleine dabei.“
     „Da freue ich mich, mein Schatz. Ich wünsche euch aber jetzt schon einmal frohe Weihnachten, denn ihr seid schließlich schon in der Heiligen Nacht.“
     „Danke Mama, auch dir wünschen wir frohe Weihnachten, es sind schließlich nur noch ein paar Stunden. Tschüss Mama.“
     „Gute Nacht mein Schatz.“

Fridel räumte auf, nachdem das Gespräch beendet war. Die Süßigkeiten aus der Tüte drapierte sie rund um den Baum, dann schellte es. Auf der Gegensprechanlage meldete sich niemand, so schaute sie durch den Türspion. Familie Peters stand zu ihrer Überraschung vor der Tür. Sie öffnete, nachdem sie die Maske aufgesetzt hatte. Doris hatte Manuel auf dem Arm, Alois hielt Sophie an der Hand. Sofort riss sich Sophie los und schmiegte sich bei Fridel an.
     „Fridel, wir wollten den Heiligen Abend nicht feiern, ohne ihnen gute Tag gesagt zu haben. Stören wir?“, kommentierte Alois den Auftritt.
     „Nein, wo denken sie hin, Alois? Ich freue mich sie alle hier zu sehen und ich danke für die gelungene Überraschung.“
     „Wäre es angemessen, wenn wir ihnen morgen Mittag einen Teil unseres Weihnachtsessens vorbeibringen? Wir haben gefüllte Ente und Kartoffelklöße.“
     Fridel reagierte überrascht und als sie sich gefangen hatte, antwortete sie, „ja gerne, ich freue mich. Warten sie bitte, bevor sie gehen, gebe ich ihnen meine Kontaktdaten.“
     Fridel ging kurz in die Diele und kam mit einer Besucherkarte zurück. Sophie war ihr, genau wie sie es am Abend zuvor gemacht hatte, gefolgt. „Bitte nehmen sie das, wann immer sie möchten, dürfen sie sich bei mir melden.“
     „Danke, Fridel. Wir werden in Kontakt bleiben. Sophie hat sie offensichtlich zur ehrenamtlichen Oma erkoren.“
     „Keine schlechte Idee, Doris. Mein Enkelkind wohnt leider in Australien. Von daher können wir gerne weitermachen wie bisher.“
     „Gerne Fridel, wir wünschen ihnen einen angenehmen Heiligen Abend. Sophie, sagst du bitte Fridel auf Wiedersehen.“
     „Aus wiedersehen, Oma Fridel“, sagte Sophie artig und ging zurück zu ihrem Vater.
     „Wolltest du nicht noch etwas sagen, Sophie?“
     Sophie strahle Fridel an, „frohe Weihnachten!“

Nachdem sich die Eltern wortreich verabschiedet hatten und Manuel gewinkt hatte, zogen die Peters ab. Zurück in der Wohnung holte Fridel tief Luft, so schnell kommt man zu einer neuen Familie, dachte sie. Sie machte sich daran, den gestern gekauften Spitzkohl zuzubereiten. Eine große Ruhe überkam sie, obwohl allein, freute sie sich auf das Weihnachtsfest, zum ersten Mal seit Langem. Sprechen mit ihren Lieben in Australien und dann noch den Kontakt zu netten Leuten gefunden. Was wollte sie mehr? Als sie mit dem Kochen fertig war, bekam sie eine Mail, die die Kontaktdaten der Peters enthielt. Sie brühte sich Kaffee auf, stellte die Süßigkeiten mitten auf den Tisch und suchte auf dem Recorder nach einem passenden Film für den Abend. Sie wollte sich nicht den ganzen Abend vom Weihnachtsprogramm berieseln lassen. Lesestoff hatte sie reichlich besorgt. Für das Essen am Weihnachtstag war gesorgt, wie praktisch. Langsam trank sie an ihrem Kaffee, ab und zu griff sie nach einem der Kekse, die die Peters gespendet hatten, das Weihnachtsfest konnte kommen.

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Miras Profilbild
Mira Am 25.12.2021 um 16:35 Uhr
Hallo BerndMoosecker,
Ich finde, dass dies eine wirklich rührende und niedliche Geschichte ist. Ich hatte beim Lesen stets ein Lächeln im Gesicht. Sehr schön beschrieben und sehr aktuell!
Viele Grüße
Mira
BerndMooseckers Profilbild
BerndMoosecker (Autor)Am 25.12.2021 um 16:58 Uhr
Hallo Mira,
das freut mich sehr, dass Dir meine kleine Geschichte so gut gefällt. Dabei hatte ich überlegt, ob sie sich überhaupt für dieses Forum eignet, denn ursprünglich hatte hatte ich sie für ein Seniorenforum geschrieben.
Herzliche Grüße
Bernd

Autor

BerndMooseckers Profilbild BerndMoosecker

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Sätze: 239
Wörter: 3.151
Zeichen: 18.582

Kurzbeschreibung

Am Abend vor Heiligabend trifft eine Frau auf dem Heimweg von der Arbeit auf zwei umher irrende Kleinkinder. Da sie von ihnen nur die Vornamen erfahren kann, entschließt sie sich die Kinder mit nach Hause zu nehmen und von dort aus die Polizei zu verständigen. Schon wenig später schließen die dankbaren Eltern ihre Kinder wieder in die Arme.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Familie auch im Genre Nachdenkliches gelistet.

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