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Sätze: | 130 | |
Wörter: | 1.019 | |
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Er hatte keine Chance. Sie kam von hinten, hatte sich angeschlichen. Er hatte sie nicht sehen können, aber spüren. Jetzt war es zu spät. Er saß in der Falle. Er versuchte zu schreien, aber es kam nur ein heiseres Piepsen aus seiner Kehle. Kurz sah er nach oben. Der Baum? Doch die Kralle packte ihn bereits und schleuderte ihn durch die Luft. Dann stürzte sie sich auf ihn. Er konnte die messerscharfen Zähne sehen und dann? Pechschwarze Finsternis.
„Was für ein Theater“, seufzte die alte Katze kopfschüttelnd, nachdem sie ihr Mahl verspeist hatte. Sie leckte sich das Maul. Die Milch war ausgezeichnet gewesen.
„War ich gut?“, fragte der Rotkehlchenhahn mit seiner piepsigen Stimme.
„Na, geht so“, meinte das kleine Kätzchen. „Du musst noch üben. Deine Vorstellung ist noch nicht tragisch genug.“
„He, ich habe mich wirklich bemüht!“, plusterte sich das Vögelchen auf. „Wenn ich dir nicht gut genug bin, dann hol dir eine Krähe.“
„Na, die wäre für unsere Moony zu groß“, meinte die alte Katze und blinzelte. „Was bezweckt ihr damit?“
„Ich möchte Schauspieler werden, meine Liebe“, bemerkte der Rotkehlchenhahn. „Ich bin höchst talentiert.“Robin flatterte hoch und setzte sich auf einen Zweig eines Baumes. Er machte ein ernstes Gesicht, sperrte den Schnabel auf und sprach: „Oh, des Todes Kralle hat mich gepackt, es geht zu Ende mit mir ....“
„Halt den Schnabel“, raunte die alte Katze und stand gemächlich auf.
„Hihi“, zirpten die anderen Vögel. „Unser tragischer Held.“
Robin ließ den Kopf hängen.
„Er ist wirklich gut“, piepste eine winzige Mäusedame. „Ich könnte es nicht besser. Ich dachte zuvor, dass diese kleine Miezekatze tatsächlich das Vögelchen fressen wollte.“Sie deutete mit der Pfote auf Moony.
„Oh, es ist mir eine Ehre“, bemerkte Robin. Er setzte sich zu dem Mäuschen auf den Boden. „Wer bist du?“
„Ich bin Bernadette“, wisperte die Maus und kicherte.
„Ich heiße Robin, begnadeter Schauspieler der tragischen Art.“
„Sehr erfreut. Darf ich mitmachen?“
„Moony?“, fragte Robin und wandte sich um.
„Mir ist das gleichgültig.“Sie putzte sich soeben das Fell.
„Wir brauchen Zuseher“, meinte Bernadette nachdenklich.
„Das ist nicht so gut“, bemerkte Robin nachdenklich. „Du bist eine Maus, ich ein Vogel. Wir sind Futtertiere.“
„Und wieso frisst dich Moony nicht? Und diese alte Straßenkatze?“Die Maus schaute verwundert von einem zum anderen.
„Weil wir Freunde sind, du vorlautes Mäuschen“, maunzte die alte Katze. Ihr Name war Grizabella.
„Also, Bernadette“, begann Robin nach einer Weile, „Jetzt pass mal auf, ich, der Meister, zeige dir, wie es geht. Moony, bereit?“
„Gut, kann losgehen.“
Das Schauspiel fing an. Bernadette setzte sich zu Grizabella in die Wiese und staunte über Robins Flugkünste. Jedoch, als Moonys Part kam, huschte ein Schatten durch den kleinen Obstgarten. Flink und lautlos.
„Robin!“, kreischte die alte Katze. „Pass auf, sie ist da!“
Doch der Rotkehlchenhahn war in seinem Element, er bekam nichts mit. Moony zuckte zurück, als sie das Zischen hörte. Sie schrie auf und suchte das Weite. Bernadette starrte mit schreckensgeweiteten Augen auf das Rotkehlchen. Grizabella nahm das Mäuschen vorsichtig ins Maul und brachte es in Sicherheit. Robin sah sich gegenüber eines riesenhaften Monsters, das ihn mit seiner Zunge witterte. Keine Bewegung. Das Rotkehlchen machte sich ganz klein und hielt die Luft an. Es nahm sein ganzes schauspielerisches Geschick zusammen und stellte sich tot. Die Schlange hielt inne. Züngelte. Dann schlängelte sie sich weiter, knapp an dem Vogel vorbei. Doch dann - Robin dachte bereits, dass er es geschafft hätte - hielt das Monster abermals in der Bewegung inne, sperrte das Maul auf. Robin starrte auf die gespaltene Zunge. Kein Mucks. Oh, gleich würde das Biest ihn packen und lebendig verschlingen! Welch tragisches Ende für einen so begnadeten Schauspieler wie ihn!
Bernadette konnte nicht länger zusehen. Sie schlich sich hinaus aus ihrem Versteck. Sie musste Robin helfen. „Nein, tu das nicht!“, miaute die alte Katze.
„Er ist mein Lehrer!“, rief Bernadette tapfer. „Keine Sorge, ich bin flink.“
Rasch trippelte die Maus zu der Schlange. Sie hüpfte am Boden auf und ab. „Flieg Robin“, piepste sie, so laut sie konnte, als das Reptil ihr den Kopf zuwandte. Der Rotkehlchenhahn war flugs auf dem nächsten Baumwipfel. Zitternd und bebend. „Lauf, Bernadette!“, pfiff er.
Bernadette huschte los, stürzte auf die alte Katze zu und verschwand hinter ihr in einem Mäuseloch.
Die Katze fauchte, als die Schlange sich näherte. „Du verschwindest besser wieder!“Sie versetzte dem Tier einen Prankenhieb, sodass diese in hohem Bogen davonflog. „Super, Grizabella!“, freute sich Moony. „Du hast es ihr aber gezeigt!“
„Danke, der Blumen, liebes Kind. Aber unser Robin hat seine bisher beste Vorstellung gegeben. Du bist wirklich talentiert, mein Lieber“, maunzte die alte Katze. Robin flatterte vom Baum und verbeugte sich tief. „Danke, Grizabella, dass du die Schlange per Luftpost verschickt hast.“
„Oh, gern geschehen, mein Lieber. Wir müssen ja zusammenhalten.“
„Bravo!“, rief Bernadette und klatschte mit ihren winzigkleinen Pfoten Beifall.
„Danke dir und danke für deine Hilfe“, meinte Robin respektvoll. „Du wirst von nun an meine Kollegin. Wir werden gemeinsam auftreten.“Er machte eine ausladende Bewegung mit seinem Flügel.
„Gerne“, piepste die Mäusedame. „Ich werde meine Familie für unsere gemeinsamen Vorstellungen holen und auch deine“, grinste die Maus. „Es wird großartig sein!“
„Ja, das könnt ihr gerne machen. Meine Leute lasse ich lieber dort, wo sie sind. Es gibt nicht viele von uns, die Verständnis für die hohe Kunst der Schauspielerei haben“, schnurrte Grizabella, suchte sich ein Plätzchen in der wärmenden Sonne und schloss genussvoll die Augen.
„Mir scheint, auch Schlangen sind wahre Kunstbanausen“, seufzte Robin und zupfte sich eine Feder zurecht.
„Ja, da hast du vermutlich recht“, überlegte Moony. Auch sie war müde und suchte sich einen kuscheligen Platz in der Sonne.
„Na, meine Liebe“, meinte Robin und plusterte sich auf. „Dann lass uns mit unserer ersten Übung beginnen. Ich zeige dir mal, wie man sich tot stellt.“
„Ja, gerne“, freute sich die Maus.
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