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Altern, dein Name ist Weib!

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24.03.24 13:23
16 Ab 16 Jahren
Fertiggestellt

 

Triggerwarnung: Dieser Text enthält Inhalte. Für Unsichtbare. Also alte Leute. Alles über Fuffzich.

Warum hat eigentlich nie jemand gesagt: Herzlich Willkommen, jetzt bist du endlich alt? So etwas in dieser Art hätte man sich verdient. Als Frau denkst du ja schon mit Dreißig: Jetzt isses vorbei. Was genau weißt du nicht, aber die Endzeitstimmung ist real. Männer scheinen so etwas nichtzu kennen. Ihrer Meinung nach altern sie nicht, sondern werden nur reifer. Und bekommen diesen Sky-du-Mont-Charme, auf den junge Frauen stehen, die nachbevatert werden wollen. Solche gestandenen Mannsbilder betrachten junge Männer, die ältere Frauen lieben, wie Peter Pans aus dem Land der verlorenen Jungs.

Wenn Frau trotz Jahrzehntelangem Mansplaining weiter durchgehalten hat, sollte sie vom Schicksal einen neuen Namen bekommen. Oder wenigstens einen Adelstitel. Statt dessen werden Frauen im Alter unsichtbar – und jedes Jahrzehnt nimmt ihnen was von ihrer Sichtbarkeit, bis sie schließlich ganz in hornhautumrafarbenen Übergangsjacken und Stretchhosen in fröhlichem Mausgrau verschwinden.

Ich glaube, dass wir früher schon mal gelebt haben. Also vor unserer Heirat. Da hat uns übrigens auch keiner gesagt: Pass auf, Mädchen, die Ehe kann ein patriarchaler Horrortrip sein für emanzipierte Frauen. Der nette Junge von nebenan ist übrigens ein Fake – im betreuten Wohnen bei dir kann der zum Supermacho mutieren, der Gleichberechtigung für etwas hält, was geschieht, wenn alles so läuft wie er es will. Der wird dich mit kompetenzfreiem Handeln in Sachen Haushalt und Kinderbetreuung überraschen und Klitoris für eine wild wuchernd Balkonpflanze halten ...

Geschieden sind wir dann um einiges klüger. Und der Typ einsame Socke, dem die Liebe zum Partner irgendwo in den Schleudergängen des Lebens abhanden gekommen ist. Also gucken wir in die Röhre, um zu sehen, wie denn die öffentliche Frau so altert - und sehen hyaloronunterspritzte, auf forever-young gepimpte, alternde Frauen am Rande der Insolvenz alkoholgeschwängert vor Kameras herumtorkeln und sich Toyboys, die ihre Söhne sein könnten, notgeil an den Hals werfen, die sie mit viel Geld zum sexuellen Vollzug genötigt haben. Die Jungs an den Stränden von Malle und Nordafrika nennen das: Resteverwertung.

Eine dieser halbseidenen Geschäftsfrauen im Trash-TV, nennen wir sie mal Frau O., steht (oder besser: schwankt) als tragische Figur des Mädchens aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, das sich nach dem vermeintlichen „ganz oben“ gesehnt hat und dabei die Abkürzung über (oder unter) reiche, in der Öffentlichkeit bekannte Männer genommen hat. Im Laufe der Jahre hat sie das Bunga-Bunga-Verhalten ihrer Sugar-Daddys eins zu eins adaptiert: Jede(r) ist käuflich! Und ehe sie sich's versah, wurde sie von Männern behandelt wie eine aus dem Vaginal-Business. Das muss weh getan haben, als der erste sie dafür bezahlt hat. Nach anfänglichem Herzeleid hat Frau O. offensichtlich gelernt: Sex sells. Warum also nicht ein Geschäftsmodell daraus machen? Dabei ist ihr zugute zu halten, dass sie immer mit offenen Karten (oder Beinen) gespielt hat: Zwischen meinen Beinen wartet Gott auf dich!

Mit den Jahren hat Frau O. offensichtlich die Seiten gewechselt und schließt nun vor laufenden Kameras mit jungen, gut aussehenden Beaus den ältesten Champagner-Pakt der Welt: Sexuelle Dienstleistung gegen Kohle. Nur dass sie es jetzt ist, die die Jungs bezahlt. Das soll „unterhaltsam“ sein. Und was „unterhaltsam“ ist, bestimmt die Kreditkarte: Wer reich genug ist, darf alles. Das Hotel-Personal in die Besenkammer drängeln, sich Toyboys und Escord-Ladys halten, eine Prise Koks auf der Hoteltoilette ziehen, das Hotelzimmer verwüsten … aber Frau O. behauptet, sich nie prostituiert zu haben – ihr habe das Spaß gemacht. Und immerhin: So sei sie Geschäftsfrau geworden. Die heute stolz verkündet: „Ich bin eine Selfmade-Millionärin!“

Der Rest der Welt schweigt betreten: Zum "Selfmade" ebenso wie zu der "Millionärin". So wie sich immer alle pikiert wegducken oder es höflich ignorieren, wenn wieder eine dumme Gans, die sich erfolgreich hoch geschlafen hat, der Welt verkündet: "Ich bin jetzt Moderatorin. Oder Dirndl-Designerin/ Model/Hundeboutique-Besitzerin ... und für meinen Reichtum/Erfolg habe ich hart gearbeitet."

Man nimmt es ihr ab – allerdings nicht in ihrem Sinne.

Was Frau O. sich und der Welt als „emanzipiert und konsumgeil“ verkaufen will, ist leider nichts anderes als das miese, alte, männliche Egomanen-Modell: Mit Kohle darf man/frau sich alles erlauben: Ob Sex-Exzesse auf der Flugzeugtoilette, alkoholgeschwängertes Herumkrakeelen im Trash-TV und in der eigenen, sofort abgesetzten Sendung oder in hochnotpeinlichen Postings und Interviews: Frau O. ist in aller Munde. Und für Geld tut sie immer noch alles. Nur nicht sich selbst reflektieren.

Ein wohlmeinender Kollege referierte kürzlich über schreibende Frauen, und meinte, um wirklich erfolgreich zu schreiben, sollten ältere Frauen aufhören, Satiren zu schreiben. Das nutze sich irgendwann ab. Bei jungen Frauen wirke das keck, aber wenn Frauen ohne Menstruationshintergrund dasselbe tun, mache Männer das wütend. Nichts leichter, als mein Genre oder die Zielgruppe zu wechseln: Schreibe ich also ihm zuliebe lieber über schöne, kluge, ältere, öffentliche Frauen. Das mögen Männer und das Thema nutzt sich auch nie ab.

Zu Recherchezwecken google ich: „Schöne Frauen mit Haltung“. Die Suchmaschine schickt Vorschläge mit Yogabildern und Ratgeber-Büchern, irgendwas zwischen innerer Haltung für Blondies und mentalem Beckenbodentraining ... Ich googele weiter: „Schöne alte, weiße Frauen“ und ich bekomme nur Bilder von Frau N. zu sehen. Als nacktes Ü-60-It-Girl – nicht in der Apotheken-Rundschau, sondern im Playboy. Und La N. droht, wieder einen Bestseller geschrieben zu haben:

Zitat Amazon:“Frau N., die Jeanne d‘Arc der Golden Girls zeigt, wie’s geht:Während »alte weiße Männer« noch immer zu allem ihren Senf dazugeben dürfen, drängt unsere Gesellschaft Frauen ab einem bestimmten Alter konsequent ins Aus. Dann sollen sie die Klappe halten, möglichst unsichtbar werden und jeden noch so schlechten Altherrenwitz hinnehmen ...“

Meines Wissens sind Altweiberwitze auch nicht besser, Zitat Frau N.: „Die einzige Falte, die ich habe, auf der sitze ich!“ Dann sollte der Titel ihres neuen Buches wohl besser „Die Furche“ lauten. Da ich selbst auch von „Ageing“ betroffen bin, packt mich die Neugier, was die Bestseller-Autorin darüber zu verkünden hat. Also sehe ich mir eine Talkshow an, zu der Frau N. eingeladen ist. Wer sich das antut, weiß, was er bekommt. Zu meinem Erstaunen sitzt dort eine rundumoptimierte Cheer-Kopie, die behauptet, Frau N. zu sein. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich es geschnallt habe: Ein weiterer Versuch von Mme Tingeltangel, durch schrilles Gelissspel sichtbar und im Geschäft zu bleiben. Diesmal durch Blankziehen im Playboy und Schreiben von Unterhaltungsliteratur. Für ihre unstoppbaren Logorrhoen, die jede Moderatorenfrage unnütz machen und Sendungen zu sprengen drohen, sobald Kameras auf sie gerichtet sind, ist sie ja bereits bekannt. Das schafft Frau N. auch noch mit Sechsundsechzig. An jenem Abend gibt sie die Religionslehrerin auf Ecstasy und predigt ihre frohe Botschaft:“Auf die paar Falten kommt es nicht an, Mädels!“ Ins Narzisstinnen-Sprech übertragen: „Guckt mal her, Leute, wie toll ich aussehe!“

Ich habe nichts gegen erfolgreiches Selbst-oder Buchmarketing, aber werde hochgradig aggressiv, wenn eine auf Barbie gestylte Kunstfigur mit einer Gesichtshaut, straff wie ein Luftballon kurz vorm Platzen, Schlauchbootlippen und Augen mit seltsam starrem Ausdruck von Amphibien so wie einer „Mimik“ von der keine Rede mehr sein kann, sich selbst und ihr Buch mit so einer Message verkauft. Das ist, als ob Hannibal Lecter die Welt zum Vegetarismus bekehren wollte. Frau N. schnattert unverdrossen vom „in Würde altern und in der Gesellschaft sichtbar bleiben“. Nach meinem Dafürhalten ist La N. ihr Leben lang ausreichend hör-les- und sichtbar gewesen, seit man ihr den Lehrerjob als auch den Prinzen von Hannover quasi unterm Hintern weggerissen hat. Seitdem tanzt die ehemalige Balletttänzerin nicht mehr. Ich habe auch keine Kraft mehr für Ü-60-Brittneys, die an der Stange turnen. La N. redet sich in Rage über ihren Traum vom Glück: Von der Wiege bis zur Bahre unbedingt schlank, jung und sexy auszusehen. Als ehemalige Tänzerin sei sie gewohnt, sich täglich zu disziplinieren, Diät zu halten (und offensichtlich auch jeden nur denkbaren Eingriff beim Schönheitschirurgen ihres Vertrauens zu erdulden) um auch noch jenseits von sechzig im Playboy blankziehen zu können.

Ich denke darüber nach, wie viel Zeit, Mühe, Penunsen und Beauty-Termine es diese alternde Diva wohl gekostet haben mag (Ganzkörperwaxing, Extentions, Promi-Frisöre, Nagelstudios, Kosmetikbehandlungen, Schminke, Designerklamotten, Personalcoach, Fitnesscenter …) um auszusehen wie eine Diva ohne Alter. Das Ergebnis ist perfekt. Leider ist nichts langweiliger als Perfektion. Deshalb hat ihr der liebe Gott auch diese Stimme geschenkt. Ich überlege, ob ihr Auftritt buchwürdig ist oder ein Erfolgsmodell für real existierende Rentnerinnen, die von Altersarmut betroffen sind - und wage dies anzuzweifeln.

Ein weiterer Erklärungsversuch: Vielleicht handelt es sich hier um das Dorian-Grey-Symptom, denn nichts scheint Frau N. mehr zu fürchten, als ins Abseits zu geraten.
Also habe ich Frau N. den schrillen Ton abgedreht und mich zur Erholung lieber einer anderen Boomer-Ikone zugewandt, die ich als Autorin sehr schätze: Frau H.

Wieder eine Talkshow, der gleiche Sender, nur andere Moderator*innen: Frau H., die ich aus früheren Zeiten als literarisch versierte Journalistin mit politisch kecken Aussagen erinnere, thront schweigend in altbackenem Omakleid in der Runde - still wie eine Habichtin auf der Lauer. Kaum wird ihr das Wort erteilt, fällt sie verbal über den neben ihr sitzenden Vielwisser Sebastian Clussmann her, der sich in zahlreichen Quizzshows einen Namen gemacht hat. Frau H. hält so gar nichts vom Vielwissen und hat offensichtlich im Sinn, ihren guten Ruf als Literatin und Liebhaberin der schönen Künste zu schreddern. Mit harschen Worten attackiert sie ihren Sitznachbarn und fährt auch dem Moderator Giovanni di Lorenzo wie einem ABC-Schüler über den Mund. Mit achtzig, so Frau H., nähme sie erst recht kein Blatt mehr vor selbigen. Der zurückhaltende Giovanni bekommt einen gequältem Gesichtsausdruck und haucht: „Nun, wo Frau H. auf Betriebstemperatur ist: Kein Bedauern über so manchen Verriss in der Vergangenheit?“

Nö. Frau H. sieht keinerlei Veranlassung irgend etwas zu bedauern, auch nicht ihr schlechtes Benehmen. Selbst, wenn man es ihr so sanft in den Mund legen möchte wie Giovanni.

Seltsam, denke ich: Als Buchautorin mag ich sie – aber nicht als alte Dame, die besserwisserisch Leute ankeift. Also den Fernseher ausgemacht und nachgedacht: Wie schreibt man über älter werdende Frauen, ohne dass eine Satire daraus wird? Über„erfolgreiche“ öffentliche Boomerinnen wie Frau O. und ihre steile These, sie sei „emanzipiert“ habe ich mir bereits die Finger wund getippt, als auch über Moderator*innen wie Frau L. oder Frau Bs berühmt-berüchtigtes: „Ich bin gleich wieder für Sie da“, das wie Ergotherapeutinnen-Sprech in Seniorenresidenzen anmutet.

Ob öffentlich alternde Frau mit jungem Galan an ihrer Seite oder mit eisernem Willen, immer und ewig wie Zwanzig wirken zu wollen, ob mit der Attitüde eines Alters-Pubertiers: Mental oder optisch agieren diese öffentlichen Frauen, als hätte sie niemals ihren inneren oder äußeren Aggregatzustand gewechselt. Leider kommt Frau H. als Achtzigjährige keineswegs mehr „frech“ oder „keck“ rüber wie noch mit zwanzig, sondern mutet eher barsch und unangenehm an. Und chirurgisch optimierte Frauen jenseits der Menopause, die anderen (und sich selbst) weismachen möchten: Och. Alles nicht so schlimm mit dem Älterwerden. Guckt mich an: Ich sehe aus wie hmpfzig und fühle mich wie zmpfzig!“, strafen sich selber Lügen, wenn sie in einem knallroten, tiefdekolletierten, juvenilen Rüschenkleid, in dem eine Rentnerin steckt, jungen Männern ans Gemächt greifen. Und das Kleid tut auch nix für sie, würde Guido K. sagen.

Ein reifes Gesicht über auffällig „junger“ Garderobe wirkt deplaciert, auch und vor allem, wenn es künstlich „getunt“ ist. Wenn Frauen jenseits der sechzig krampfhaft auf jung machen, muten dies eher tragisch als modisch an. Dann doch lieber das kleine Schwarze von der Frau H. - auch wenn es wie ein Omakleid aussieht. Keine Ahnung, ob Frau H. tatsächlich eine Oma ist, aber das Alter einer Ur-Uroma hat sie wohl. Da passt zumindest das Kleid, das sicher teuer war. Mit Kleidung scheint Frau H. es literarisch gut zu treffen, sie hat sogar ein Buch darüber geschrieben: „Männer in Kamelhaarmänteln“. Doch ihre eigene Garderobe passt wieder mal nicht so richtig zum Anlass, das geht fast schon als Alleinstellungsmerkmal durch. Aber eben nicht mehr ihre Klappe. Von einer gebildeten Frau um die achtzig erwartet man eine gewisse Altersmilde, auch wenn sie sich früher als irgendwas zwischen heißer Feger und freches Gör definiert hat.

Wenn manche öffentlich alternden Boomer-Damen sich den Anschein geben, als hätten sie nie die Attitüde, ihr Aussehen oder ihre innere Haltung geändert, wirkt das, als wären sie in einer Zeitschleife zwischen zwanzig und dreißig gefangen. Die einzigen, die davon profitieren, sind vermutlich Schönheitschirurgen, die ständig nachbessern müssen, um diesen Zustand zumindest optisch künstlich „frisch“ aussehen zu lassen - und was diese Chirurgen unter „schön“ verstehen, liegt bekanntlich im Auge des Betrachters - der bereits von weitem erkennt: Oha. Die hat was machen lassen!

Die Verlage, die mit Büchern über „Ageing“ oder „Ageism“ so richtig Kohle machen, sind zu beglückwünschen. Auch ihre Autorinnen – bringt ihnen doch jeder ScheißwasaufdieFalten-Ratgeber neben der Kohle auch noch zahlreiche Werbeverträge, Auftritte und Anfragen diverser Fernsehformate ein. Während alte, weise Frauen, die weder ihr wahres Alter, noch ihr natürliches Aussehen, ihren Charme, ihre innere Haltung, Kompetenz, Lebenserfahrung, Reife und Würde verbergen, in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht mehr vorkommen. Öffentliche Frauen mit Charakter wie Regine Hildebrandt, Hildegard Hamm-Brücher, Antje Vollmer, Rita Süßmuth oder Charakter-Darstellerinnen wie Therese Giehse, Elisabeth Flickenschild, Hildegard Knef, Hannelore Elsner, Cornelia Froboese oder pummelige Frohnaturen wie Trude Herr, die tragisch-komische Helga Feddersen, eine volkstümlich-unterhaltsamen Heidi Kabel, die mütterlichen Inge Meysel …gibt es nicht mehr – vor allem nicht mehr ungeschminkt, so dass eine real existierende, alternde Frau sich in ihnen wiedererkennen kann.

Die neuen, öffentlich alternden Boomer*innen und ihre Botschaften lassen mich unüberzeugt zurück: Warum, so frage ich mich, müssen Frauen jenseits der Menopause überhaupt auf Teufelkommraus sexy und geil aussehen, statt natürlich? Warum brauchen viele ältere Frauen einen blutjungen Galan an ihrer Seite, damit etwas von seiner Jugendlichkeit und Sexyness auch auf sie rüberstrahlt? Das klappt doch bereits bei den Sugar Daddies nicht. Wer unbedingt Frischfleisch braucht, um sich jung zu fühlen, der soll Lamm oder Kalb essen.

Warum wird natürliches Älterwerden mit all unseren Falten, Narben und Dellen, die unsere Lebenserfahrungen auf Gesicht und Körper hinterlassen haben, propagiert aber älter werdende Frauen mit unerotisch oder verblüht assoziiert? Wer assoziiert das? Männer? Frauen? Ältere Männer, weil sie in einer gleichaltrigen Partnerin den eigenen Verfall gespiegelt sehen? Oder ältere Frauen, die glauben, ein jüngerer Mann sei gut fürs eigene „Image“? Warum wirken dann ältere, grauhaarige Männer bei jungen Frauen „interessant“, während grauhaarige Frauen bei jungen Männern als „graue Maus“ oder „alte Schachtel“ rüberkommen?

Fragen über Fragen. Eines ist mir klargeworden: Authentisch sein heißt nicht, sich bis ins hoge Alter den Anschein geben zu müssen, immer noch die zu sein, die man mit Zwanzig einmal gewesen ist. Jugendwahn, Altersstarrsinn und Rechthaberei sind out. Dem wohlmeinenden Kollegen werde ich sagen, er kann mich mal. Vielleicht werde ich als ältere AutorIn niemals mit dem Schreiben erfolgreich oder gesellschaftlich sichtbar, doch werde ich sicher nicht damit aufhören, Satiren darüber zu schreiben.

Ich finde, ich habe jetzt das Alter, in dem ich alles tragen kann, obwohl ich übergewichtig bin. Dumme Menschen können ja auch reden. Die muss ich auch aushalten.

Ansonsten halte ich mich mit Bedarfsdemenz beim Arzt über Wasser:

„Rauchen Sie?“

„Äh … nur an Feiertagen.“ Leugnen. Leugnen. Leugnen.

„Und wie ist es mit Alkohol?“

„Öhm … nur zum Einreiben.“ Leugnen. Leugnen. Leugnen.

„Wie sieht's mit Zucker, Fleisch, Weißmehl aus?“

„Hmm … böse. Alles böse.“ Leugnen. Leugnen. Leugnen

 

 

 

"Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen

Den Vorhang zu und alle Fragen offen."

Berthold Brecht

 

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Klatschkopies Profilbild
Klatschkopie Am 16.03.2024 um 12:08 Uhr
Ja, in einer Satire steckt doch immer ein Funke eigener Ergriffenheit, wenn nicht gar Betroffenheit drin. Satire als Mutmacher, als Stärkung des eigenen Selbst.

Doch warum sich erst jenseits der Menopause neu erfinden? Warum überhaupt diese Floskel? Wann kam die eigentlich auf? Sich neu erfinden ... Das Diktat, sich neu erfinden zu müsssen. Ich kann mich überhaupt nicht neu erfinden. Ich kann mich nur mit neuen Kleidungsstücken behängen, mir Farbe ins Gesicht klatschen. Ich kann plötzlich meinen, meine Memoiren zu Papier bringen zu müssen, und ich kann meinen, dass meine Pinselstriche denen Picassos ähnlicher werden. Ich kann von einem Museum zum nächsten hetzen, von einem Konzert zum nächsten. Ich kann aber nicht so charismatisch wie Elisabeth Flickenschild sein und auch nicht so klug und herzensgut wie Antje Vollmer oder Regine Hildebrandt. Ich kann nicht so intellektuell wie Christa Wolf oder Anna Seghers sein. Und wenn ich eine junge Frauen mit "Pupperl" anspreche, bin ich noch lange nicht Helene Weigel. Ich wär' gern Käthe Reichel, dann hätt' ich mit Brecht schlafen können und obendrein in dem Film "Die Legende von Paul und Paula" mitspielen dürfen - an der Seite von Hans Hardt-Hardtloff. Die Reichel bestand darauf, dass sie ihre Rolle als Jahrmarktsbudenbesitzerin nur spielen könne, wenn sie ihre roten Schuhe trage. Also fuhr man sie während der Dreharbeiten nach Hause, damit sie sich ihre roten Schuhe anziehen konnte. Der Witz: diese roten Schuhe waren in der Szene gar nicht zu sehen, doch sie spielte prächtig! Ja, manchmal kommt es auf die unsichtbaren Dinge mehr an als auf die sichtbaren. Und überhaupt: unterm/hinterm Tresen ist viel besser, als vorm Tresen. Und sofern uns die Grünen im Zuge ihres Klimaschutzprogrammes nicht auch noch sämtliche Gebüsche nehmen und der Wille plötzlich allein dasteht ...

Im Ernst: Ich kann mich drehen und wenden, ich bleibe doch immer die, die ich schon immer war. Da ich es gerade mit dem magischen Würfel habe: die Farbe, die mir vom "Schicksal" zugedacht wurde, kann ich nicht ändern, auch wenn ich um mich herum die schönsten Muster anordne. Sie sind nur Schmuck, Staffage. Neu erfinden? Das Ziel sollte lauten, zu sich selbst durchzudringen, sich seiner selbst bewusst zu werden. Selbstannahme.

Als ich zum ersten Mal mitbekam, dass Frauen jenseits der Tamponjahre plötzlich von ihren "ganz neuen Erfahrungen" zu sprechen begannen und das in aufgesetzt, überhöhtem Tonfall, dachte ich nur: "Mädel, das stinkt nach Verzweiflung."

Warum so verzweiflt? Weil es im Unterleib nicht mehr krampft? Oder weil man meint, mit dem Verlust der Fruchtbarkeit gehe auch ein Verlust von Erotik einher? Und nun? UND NUN? Und nun wird einem das eigene Sein zu eng und drückt einem die Luft ab?

Wer bin ich aber, dass ich sagen könnte: Ich bin besser als sie? Klar, vielleicht habe ich gar keine Ansprüche an das "Da-Draußen", vielleicht mache ich mein Ding, vielleicht lebe ich einfach so, wie es für mich passt, vielleicht lottere ich aber auch nur vor mich hin? Vielleicht ist es falsch, einfach abzuwinken, vielleicht auch gut? Ich vermute, dass sich da gerade etwas verschiebt in mir und auch in anderen - weg von diesem Egowahn hin zu existentiellen Problemen, gepaart mit dem Unmut über gewisse politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in diesem Land. Ich spüre einen Verbundenheit im allgemeinen Rückzug aus der Öffentlichkeit, dafür ein stoisches Festhalten an dem, was man sich selbst aufgebaut hat. Die vielbeschworene "Insel" - auch so eine Floskel, die letztlich für den Zerfall der Gesellschaft steht. Und dann noch das: "Wann werden die Anderen nur endlich mal wach?" - im Grunde der Hilferuf eines Ertrinkenden.

Zurück zum Thema: Satire als Waffe? Klar, wer die Wahrheit sagt, der provoziert, der stört, der ist nicht gern gelitten. Das leicht trotzige: "Ich mache trotzdem weiter", lässt sich in gewisser Weise auf das Spiel ein, um es im besten Fall mit seiner eigenen Absurdität zu konfrontieren.

Wie war das eigentlich mit dem Altern in der DDR? Ja, wie alterten Männer und Frauen dort?
Ist das, was du beschrieben hast, nicht eine typische "Wohlstandskrankheit"? Wobei "Wohlstand" hier eher für eine am Ego ausgerichtete Gesellschaft steht.
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Gesko (Autor)Am 19.03.2024 um 11:32 Uhr
@Klatschkopie Verstehe. Was Dich stört, ist eine sogenannte "Neuerfindung", die gar keine ist. Sondern nur der Versuch, mittel einer neuen Persona, neuen Kostümen und neuer Kulisse sich selbst und anderen vorzumachen, dass (äußerlich) etwas Neues geschieht.
In dem Punkt bin ich Deiner Meinung.
Was ich meinte, war aber eine innere Wandlung auf Grund von Erfahrung, Reflektion, Erkenntnis. Diese beinhaltet immer auch eine Aufforderung, sich zu wandeln, Altes loszulassen und Neues zu wagen.

Was meine Prosa betrifft, habe ich als Autorin immer eine Haltung - und je nach Genre und Intention ist die Frage der Abgrenzung eine andere.
Wenn ich darauf bestehe, dass Autorin und Ich-Erzählerin nicht wahllos in einen Topf geschmissen werden, dann geht es um meine Privatsphäre. Und wenn ich davon Gebrauch machen will, sollte man das respektieren. Gerade in Schreibforen im Internet will nicht ich als Person das Thema sein, sondern meine Texte. Und was das Internet angeht, würde ich hier niemals biografische Texte veröffentlichen - da könnte ich mir als Frau auch gleich ein Schild umhängen: OPFER. Mit Bedacht veröffentliche ich hier nur "Unterhaltsames" - aus fünfzehn Jahren Erfahrung "im Netz" weiß ich inzwischen, dass das Internet kein Ort ist, an dem Frau "auf Augenhöhe" öffentlich ihre Meinung sagen kann. Das Internet ist kein therapeutischer Ort oder Stuhlkreis, wo Frau sich "authentisch" und "wahrhaftig" zeigen kann. Ich habe einmal den Fehler gemacht, einen biografischen Roman im Internet zu veröffentlichen - mit dem "Erfolg", dass es etliche Leseeindrücke und Kommentare gab, die die Fakten nutzten, um mich persönlich anzugreifen. So etwas tue ich mir nicht mehr an.
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Klatschkopie Am 18.03.2024 um 23:44 Uhr
@Gesko "Was den "Funken eigener Ergriffenheit" oder gar "Betroffenheit" angeht, bleibt das immer Geheimnis der Autorin ...."

Wunderbar pariert! ;-) Aber ist es immer so? Bei Brigitte Reimann und Christa Wolf bspw. blieb dieser Funke kein Geheimnis und das machte sie gerade so anziehend. Sie grenzten sich nicht ab. Sie befanden sich mit den Menschen, die Gleiches erlebten, auf Augenhöhe. Sie waren ehrlich, authentisch. Aus dem Leben für ein besseres Leben. Gut, sie schrieben keine Satire, wenngleich Realsatire.

Die "Neuerfindung" ist eine inflationär gebrauchte Floskel. Ein Mensch aber kann sich nicht neu erfinden. Er kann nur zu sich selbst stehen und versuchen, aus dem, was er ist, das Beste zu machen. Das "Geheimnis" ist wohl, sich die eigenen Fehler zu vergeben - oder, wenn das nicht gelingt, wenigstens nicht zurückzublicken, um sich wohlmöglich zu zerfleischen. Wer es kann, lernt aus seinen Fehlern.

Wenn ich vom "Neuerfinden" lese, besitzt das für mich immer den Geschmack des chaotischen Rumruderns, nachdem man alles über den Haufen geschmissen hat - oder meint, es getan zu haben. Doch die Strukturen, denen man zu entfliehen hoffte, bleiben meist bestehen - wenngleich teilweise unsichtbar im Kopfe, als Gedanken. Und diesem "Befreiungsschlage" folgt auf dem Fuß das "Und nun?" Nun hält die Leere Einzug, die tunlichst gedeckelt gehört. Also Action! Und noch mehr Umsturz. All das hat aber nichts mit Anarchie zu tun, denn die ist sich im Kern ihrer selbst schon immer bewusst. Die weiß, wogegen sie sich wendet und weiß auch sehr wohl, wohin sie möchte. Wenn sich alte HüpferInnen jedoch plötzlich grell schminken und einen auf autarken Hüppie machen, um ihre Selbstständigkeit in die Welt zu tragen, nachdem ihr Göttergatte sie für zwei Jüngere eingetauscht hat, ist das zumeist keine Anarchie, sondern Selbstbetrug. Ob uneingestanden oder nicht - es ist pure Verzweiflung, die aus all dem spricht und sich alsbald in einer endlosen und leider auch oftmals sehr erniedrigenden Suche ergeht. Natürlich kann man diese sich neuerfindenden Frauen verstehen. Sie werden aus festen Strukturen geworfen - oder wollen selbst hinaus. Klar, wer wünscht sich nicht ein bessres Leben? Doch wie denn, wenn die Mittel fehlen? Zwar wird allerorten von Emanzipation gesprochen, doch wage ich zu behaupten, dass viele Generationen westdeutscher Frauen diese Emanzipation gar nicht leben können, weil dies gesellschaftlich lange Zeit nicht vorgesehen war.
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Gesko (Autor)Am 16.03.2024 um 15:47 Uhr
Was den "Funken eigener Ergriffenheit" oder gar "Betroffenheit" angeht, bleibt das immer Geheimnis der Autorin. LeserInnen dürfen darüber spekulieren, wie viel "Eingemachtes" ein literarisches Werk enthält - es wird allerdings immer im Bereich der Mutmaßungen bleiben.
Was die Ich-Erzählerin dieser Glosse betrifft, vertritt diese bestimmte Meinungen. Ob diese auch meine Persönlichen sind, ist Ungewiss. Ich nehme es aber als Kompliment, wenn Ich-Erzählerin und Autorin in einen Topf geworfen werden. Und als ein Zeichen, dass es sich bei der Ich-Erzählerin um eine glaubwürdige Figur handelt.
Ob eine Frau sich nach der Menopause "neu erfinden" muss oder "immer die bleiben muss, die sie immer war" , ist meines Erachtens eine Frage der Persönlichkeitsentwicklung. Lernen geht von der Wiege bis zur Bahre. Reflektieren und seine Perspektiven erweitern auch. Ich hoffe für die Ich-Erzählerin, dass ihr dies gelingt.
Als Autorin schreibe ich Satiren - als "Waffe", wenn man die Stilmittel der Satire wie Humor, ironie, Sarkasmus ... als Waffen sehen mag. Manchmal muss der Wirklichkeit eins in die Fresse gelacht werden.
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Kleevinar Am 14.03.2024 um 19:16 Uhr
Lamm vertrage ich leider nicht, und Kalb mag ich auch nicht besonders.

Hätte ich die Kohle, dann würde ich meine ausgeleierten Euter machen lassen.

Da ich seit der Geburt meiner Kleinen eine Pissnelke bin, würde ich mich auch ohne zu zögern unters Messer legen, damit ich keine Einlagen mehr brauche. Kein junger Knabe will sein gutes Stück in mich versenken, besonders dann nicht, wenn ich schon im Bett meine Chips, mein leckeres Altbier und meine Wärmflasche liegen habe. Es sei denn es stört ihn nicht, dass ich direkt nach der Nummer mich sofort wieder an den PC setze, um zu zocken.

Liebe Männer, seid euch darüber im Klaren:

Ich lasse eure Unterhosen liegen, werfe eure stinkenden Socken mit euren Edelhemden zusammen, damit eure Duftnote unvergesslich bleibt, und kaufe bestenfalls Fertiggerichte, die ihr schön selbst warm machen könnt.

Ein Happyend könnt ihr bei mir vergessen, da ich kein Bock habe mich in sexy Unterwäsche zu zwängen.

Ich benehme mich wie eine alte Sau vor deinen Kumpeln, damit diese einen netten Eindruck von mir bekommen.

Falls ich euch mit einem jungen Kücken sehe, dann lautet meine Antwort: "Na, endlich! Jetzt darf die dein Zeug schlucken und ich habe endlich Feierabend davon!"
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Kleevinar Am 15.03.2024 um 12:54 Uhr
@Gesko Vor meinem 30. Geburtstag wurde ich stets über den Verfall aufgeklärt. Komischerweise sprach niemand mehr davon bei meinem 40. Geburtstag. XD

Ich schaue immer auf alles, was aktualisiert wird. Entweder ist etwas dabei oder nicht.

Momentan schreibe ich nur selten etwas, da ich von einer anderen Schreibplattform traumatisiert wurde. Ich nenne keinen Namen, da der Admin mir schon mit einer Anzeige wegen Verleumdung gedroht hat.
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Gesko (Autor)Am 15.03.2024 um 10:07 Uhr
Ich freue mich über Deine positive Bewertung und darüber, dass Dich der Text inspiriert hat, mal Dampf abzulassen: Mutti sein ist auch nix für Feiglinge.
Nur mal so eine Frage unter Neulingen: Sind wir hier eigentlich alleine? So viele Texte, die ich angeklickt habe, sind von 2017 und älter ... kommt mir ein wenig seltsam vor.
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Gesko (Autor)Am 24.03.2024 um 12:19 Uhr
@Klatschkopie: Die "Neuerfindung" habe ich im Sinne der Authentizität bearbeitet.

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Sätze: 171
Wörter: 2.689
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Diese Story wird neben Ironie auch im Genre Sarkasmus gelistet.