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Sätze: | 64 | |
Wörter: | 728 | |
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Ein lautes Donnern lässt mich zusammenzucken. Der kalte Winterregen prasselt unentbehrlich auf das Dachfenster nieder, während helle Blitze über den Himmel zucken. Meine Finger krallen sich verzweifelt am Fenstersims fest, wie an einen rettenden Anker. Ein weiterer Blitz erleuchtet den Himmel.
Noch bevor er verschwindet tritt er in einen Baum ein, welcher in Sekundenschnelle zu lodern beginnt. So brennt er, wider dem heftigen Regen und dem reißenden Wind. Ich wünschte, ich wäre auch nur halb so beständig, wie die gleißenden Flammen.
Mein Blick verhakt sich weiter mit dem Naturschauspiel, während mein Herz in meiner Brust in tausend Teile zersplittert. Das Wort Herzschmerz ist auch nur ein Synonym für den Schmerz, der an mir haftete. Die Erinnerungen. Die Gefühle. Einfach alles.
Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen. Ich wünschte, ich hätte ihn nie getroffen. Denn dann hätte mein Herz sicher auch nicht angefangen für ihn zu schlagen. Das bekannte Schellen der Klingel lässt mich aus meinen erdrückenden Gedanken hochfahren.
Langsam trete ich in den Flur, bis meine Hand das kalte Metall umschließt. Was habe ich schon zu verlieren? Richtig. Gar nichts mehr. Als sich die Tür knarrend öffnet, blicke ich dem Paar brauner Augen entgegen, in welches ich nie wieder einen Blick werfen wollte.
„Hey.“ Er hat sich seinen Kapuzenpullover tief in die Stirn geschoben, um ein wenig des sintflutartigen Regens abzuhalten, sodass nur ein paar einzelne Strähnen, vollständig durchnässt vom Regen, vorne herausfallen.
„Hallo“, meine Stimme klingt brüchig, als dieses Wort über meine spröden Lippen gleitet. Es klingt ein bisschen wie der letzte Satz aus einer romantischen Komödie. Nur dass ich hier die Hauptrolle spiele. Instinktiv wische ich mir über die Wangen, als könnte ich meine Gefühle auf dieselbe Art vernichten wie meine Tränen, „Was machst du hier?“
„Ich“, er fährt sich nervöse über die Kapuze, „wollte mit dir reden.“ Fünf Worte. Fünf Worte, die mir vor ein paar Tagen die Welt bedeutet hätten. Heute schmecken sie nur noch nach Demütigung. „Warum ausgerechnet jetzt?“, krächze ich.
Er tritt unter das spärliche Vordach, versucht meinen Blick zu fangen. Ich sehe weg. „Ich will dich nicht verlieren“, bringt er mühevoll hervor. Jedes seiner Worte trifft mich wie ein weiterer Pfeil, ein erneuter Messerstich tief in mein Herz.
Eine einzelne Träne rollt meine Wange herunter, bahnt sich den Weg bis zu meinen Lippen. Eine zweite fällt, doch dieses Mal fängt er sie auf. Seine Hand fühlt sich so warm an, so vertraut, so wie Zuhause. Und mein Herz schreit nach diesem Gefühl. Nur noch ein mal. Ein letztes Mal.
„Das hast du schon.“ Diese Worte fühlen sich seltsam erleichternd an, als ich sie ausspreche. Wie Gebet, Beichte und Buße zugleich.-
„Bitte sag so etwas nicht. Ich weiß, ich habe es versaut. Aber ich bin hier, um es richtig zu machen.“ Ich denke an den Scherbenhaufen in meinem Brustkorb, den nicht mal der beste Alleskleber wieder zusammenfügen könnte. Auch seine Hände nicht. „Bitte, gib mir eine Chance. Mehr brauche ich nicht“, flüstert er, seine Stimme schwer mit Reue.
„Mein Herz schreit danach, aber genau das ist der Grund, warum es jetzt in Scherben liegt“, flüstere ich während ich mit den Tränen ringe, „Es sollte nicht so sein. Das weiß ich jetzt. Aber ich kann es nicht. Nicht noch einmal.“
Der Regen unterhält unsere Stille, die Luft riecht leicht rauchig, der Wind schneidet in meine Knochen. Bis er Worte findet.
„In Ordnung“, bringt er hervor. Dabei klingt es genau nach dem Gegenteil. So falsch. So, so falsch.
„Danke“, flüstere ich und trete aus dem Türrahmen. Und ein letztes Mal sehe ich in die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Lasse mich noch ein letztes Mal von ihnen umgarnen, mich in die Welt, die in ihnen verborgen ist, fallen.
Und dann schließe ich die Tür. Erst jetzt entweicht ein leises Wimmern meinen Lippen. Erst jetzt fließen die Tränen wieder unentwegt, bis volle Schluchzer aus mir herausbrechen. Es sollte sich wie Erleichterung anfühlen. So habe ich es mir immer vorgestellt.
Und doch wollen meine Tränen einfach nicht versiegen.
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