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Kapitel: | 4 | |
Sätze: | 94 | |
Wörter: | 1.529 | |
Zeichen: | 9.076 |
22.09.2024�
Staub und Dreck, das war alles, was ich erkannte. Meine Augen blutverkrustet und mein Arm von fürchterlichen Schmerzen durchzogen. Eine sengende Hitze, wie von der Nachmittagssonne, umgab mich. Doch es war dunkel. Über mir wogten nur schemenhaft erkennbare Äste im seichten Wind hin und her, zwischen ihnen vollführten orangefarbene Lichter einen rastlosen Tanz.
Mühsam richtete ich mich auf und erblickte einen lodernden Schein zwischen den Bäumen. Erst dachte ich der Wald brannte, doch bei näherem Hinsehen erkannte ich einen großen, metallischen Berg. Das grelle Licht ließ keine detailliertere Einschätzung der Situation zu und so widmete ich meine Aufmerksamkeit dem schweren Rucksack auf meinem Rücken. Alles was ich darin fand breitete ich auf dem Boden vor mir aus. Der Notizblock sprang mir direkt ins Auge und ich entschied mich, eine Nachricht zu hinterlassen. Ich weiß nicht wer ich bin, wo ich mich befinde oder was hier passiert ist. Aber sollte jemals jemand diese Buchstaben lesen: Ich brauche deine Hilfe!
22.09.2024, Eintrag 2 �
Eine lauter Knall riss mich aus meinen Gedanken. Ich blickte auf und stellte mit Entsetzen fest, dass sich ein kleines Mädchen aus dem Schrotthaufen kämpfte. Der Brand hatte sich noch nicht bis zu ihr ausgebreitet, doch ihr Bein war unter dem schweren Eisen eingeklemmt. Über ihr ragte der Ast eines in Flammen stehenden Baumes auf und neigte sich gefährlich zu Boden.
Ich war bereits aufgestanden und kämpfte mich durch die tief herabhängenden Zweige. Qualm strömte mir ins Gesicht und trübte meine Sicht.
Ein weiterer Knall! Das Mädchen schrie auf. Ein Stück des Astes war abgebrochen und auf ihrem Rücken gelandet. Ihr tränenüberströmtes Gesicht wandte sich mir zu und ich schauderte. Blut lief ihr über die linke Wange und ihre Augen starrten wirr und angsterfüllt.
Einige Schritte vor ihr blieb ich unbewegt stehen. Die metallischen Trümmer gehörten zu einem Helikopter. Bisher hatte nur die vordere Kabine Feuer gefangen, doch aus dem Tank tropfte stetig eine Flüssigkeit und breitete sich über dem Boden aus. Ich konnte mich entweder selbst retten oder ich würde mein Leben für ein mir unbekanntes Kind riskieren.
22.09.2024, Eintrag 3 �
Hitze schlug mir ins Gesicht, als ich mich zu dem gefangenen Mädchen hinunter beugte. Mit beiden Händen packte ich die Metallplatte und hob sie an, doch sie war um einiges schwerer als erwartet. Panisch legte ich mich auf den Boden und kroch mit den Beinen voraus unter das eine Ende der Platte. Die scharfe Kante schnitt mir ins Fleisch und hinterließ tiefe Schrammen. Mit einem Ruck wuchtete ich die Platte eine Hand breit nach oben.
Das Mädchen bewegte sich jedoch nicht. Die Hitze wurde jetzt unerträglich und das Gewicht auf meinen Beinen schien meine Kniescheiben zu zertrümmern. Ich drehte den Kopf nach links… das Kind hatte die Augen geschlossen und lag ruhig da. Mit letzter Kraft packte ich ihren Arm und zog sie unter den Trümmern hervor. Vorsichtig ließ ich die Platte auf den Boden, sprang auf und warf mir den leblosen Körper über den Rücken. Dann rannte ich. Nach wenigen Schritten explodierte die Welt um mich herum.
23.09.2024�
Als ich erwachte lag das Mädchen noch reglos neben mir auf dem Waldboden. Ich musterte sie genauer. Ihre dunklen Locken umramten das kleine, kantige Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Die olivgrünen Augen kamen mir merkwürdig bekannt vor und ich fühlte plötzlich eine starke Abneigung gegen das Kind. Schnell riss ich meinen Blick von ihr los und legte eine Hand auf ihre nasse Stirn. Sie war warm und ihr Atem ging langsam aber flach. Ihre Hose war an den Beinen zerissen und getrocknetes Blut verklebte sie mit ihrer Haut.
Trotz mangelnder medizinischer Kenntnisse konnte selbst ich die Lage als nicht lebensgefährlich einstufen… außer sie hatte eine Rauchvergiftung. Dass ließ sich schwer feststellen. Ich hatte die Möglichkeit sie erst einmal selbst zu verarzten oder aber in dem großen Trümmerhaufen nach einem Handy zu suchen, um den Notarzt zu rufen. Das kam mir jedoch wenig vielversprechend vor.
23.09.2024, Eintrag 2�
Ich lief sofort zu meinem Rucksack und sah nach, ob sich darin etwas Hilfreiches fand. Bei meiner Rückkehr war das Mädchen zu meinem Erstaunen erwacht. Sie packte die Flasche in meiner Hand und trank gierig einige Schlucke daraus. "Wie heißt du?", fragte ich vorsichtig.
Sie starrte mich nur verwirrt an. „Sehr lustig! Gib mir was zu essen, ich habe Hunger.“ Ihre Stimme war viel kräftiger als ihr verletzter Anblick vermuten ließ. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich unter ihrem zerrissenen Shirt für ein Mädchen ihres Alters untypische Muskeln abbildeten.
„Ich weiß wirklich nicht wer du bist.“, gab ich zurück, doch sie hatte ihre Aufmerksamkeit bereits etwas anderem zugewandt. „Meine Uhr, wo ist sie?“ Hektisch untersuchte sie den Boden. „Was denn für eine Uhr?“ Ein verzweifelter Ausdruck lag jetzt in ihren Augen. „Das Geschenk meines Freundes zum Valentinstag. Mach dich gefälligst auf die Suche nach ihr!“ „Von deinem Freund!“ Ich lachte laut auf. Da saß ein kleines Kind von vielleicht zehn Jahren vor mir und befahl mir, ich solle mich auf die Suche nach dem Valentinstags Geschenk ihres Freundes machen. Es tat mir gut endlich wieder zu lachen aber ihr Tonfall machte mich wütend. „Ich werde nichts tun, wenn du so mit mir redest.“ „Du warst schon immer zu nichts zu gebrauchen. Immerhin hatte ich eine Beziehung!“, warf sie mir gehässig entgegen, sprang auf und verschwand im Wald.
Wie vereist stand ich vor meinem Rucksack. Meine Gedanken überschlugen sich. Die beste Hoffnung mehr über mich zu erfahren, war gerade vor mir in den Wald geflüchtet. Vielleicht brauchte sie nur etwas Zeit für sich. Andererseits war sie verwundet und es wunderte mich, dass sie jetzt schon aufstehen konnte.
23.09.2024, Eintrag 3�
Ich stapfte hinter der Geflohenen durchs Unterholz. Sie konnte noch nicht weit gekommen sein, doch der Wald war dicht und meine Größe ein entscheidender Nachteil. Mehrere Minuten suchte ich die nähere Umgebung ab, fand zu meiner Bestürzung aber nur einen toten Hasen, dessen halbes Fell von den Flammen versengt war.
Die verkohlte Lichtung war leer als ich zurückkehrte. Auf dem Boden lagen nur meine Flasche und mein Notizblock. Obwohl mir die Situation schnell bewusst wurde, starrte ich einige Minuten auf die leere Fläche, während Wut und Verzweiflung in mir aufkeimten. Gerne würde ich behaupten ich hätte die letzten Stunden damit verbracht nach der nächsten Straße zu suchen oder wenigstens eine andere Art Rettungsversuch unternommen. Aber als ich dort stand, um mich herum braune, zerbröselte Blätter und karge, zersplitterte Baumstämme, über mir ein dunkelgrauer Himmel, wie die wabernden Abgase einer Großstadt, stürzte ich in die Schwärze und bemitleidete mich selbst. Jetzt sitze ich in den trockenen Zweigen und versuche einen klaren Gedanken darüber zu fassen, was ich als nächstes tun soll.
24.09.2024�
Die andauernde Dunkelheit fiel mir als erstes auf. Ich war über meinem Notizblock eingeschlafen, doch in dieser Zeit hatte sich der Himmel kein bisschen verändert. Ein Meer von der Farbe dreckigen Abwassers floss über meinem Kopf dahin. Schon bei meinem ersten Erwachen hatte der Himmel den selben trostlosen Eindruck gemacht und dennoch musste seitdem mindestens ein Tag vergangen sein.
Noch mehr verwunderten mich die Bäume, welche wie eingeteerte Säulen rings um mich herum standen. Mit einer Hand fuhr ich über ein schwarzes Ahornblatt und das bekannte, von grünen Adern durchzogene Gelb kam zum Vorschein. Der bröselige Staub auf meinen Fingern roch leicht nach Asche, war jedoch eher körnig als fein. Sorgfältig befreite ich das gesamte Blatt vom Staub und betrachtete es genauer. Die Ecken begannen zu welken und die Mitte schien silbrig zu glitzern.
Das Blatt formte sich in meinen Gedanken zu einer Kette, die den Hals einer jungen Frau zierte. Ihre dunklen Augen starrten mich vorwurfsvoll an. Ich zuckte zusammen. Meine Erinnerungen begannen sich zu verdichten.
24.09.2024, Eintrag 2 �
Yavanna, der Name flog mir zu wie der sanfte Wind, der die Blätter rascheln ließ. Trotz ihres durchbohrenden Blickes machte sich ein warmes Gefühl in mir breit.
Noch einige Augenblicke stand ich vor dem Baum, dann stapfte ich durch den Wald davon. Es war an der Zeit diesen Ort zu verlassen. Meine Vermutung, nach einiger Zeit würde ein Rettungsteam erscheinen, hatte sich nicht bewahrheitet und so blieb mir nur noch die Möglichkeit, die nächste Straße zu suchen.
Nach einigen Kilometern wurde das Gebiet zunehmend sumpfiger, doch das Wasser war eine schwarze Brühe, deren Oberfläche mit den silbrigen Leichnamen von Fischen geziert war. So wurde mein Durst immer größer und die Flasche leerte sich zunehmend.
Irgendwann störte ein hohes Fiepen meine Wanderung. Ich schlich mich durch einige Büsche und erkannte eine Grube im schlammigen Boden. Vorsichtig spähte ich über den Rand und sah einen kleinen, verängstigten Schwarzbär in einer Ecke sitzen. Obwohl ich ein lebendiges Tier vor mir hatte, spürte ich das dumpfe Loch in meinem Bauch nun deutlicher als in den letzten Stunden.
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