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Damals war alles besser. Zumindest erzählte mir Grandma immer von der unbeschwerten Zeit. Von der Zeit, bevor die Monster über die Menschheit kamen. Bevor aus gewöhnlichen Menschen, blutrünstige Tiere wurden. Es war um 1940, als der erste Tote zurück zu den Lebenden kam. Warum dies geschah wusste niemand. Grandma erzählte, dass man es ihm nicht angesehen hatte. Er wandelte unter den lebenden, jedoch war er zu einem kalten, toten Wesen geworden. Dem es nach menschlichen Blut dürstete. Erschreckend war, dass diese Wesen nicht so leicht zu töten waren. Man konnte tausende Kugeln in seinen Körper schießen und trotzdem starb es nicht. Tausende Messerstiche und es lachte hämisch darüber.
Auch Feuer hatte keine Chance. Seine Haut verbrannte, doch sie regenerierte sich auch schnell wieder.
Einzig allein ein Holzpflock ins Herz, beförderte es ins Jenseits. Viele Menschen verloren ihr Leben. Fielen den Blutsaugern zum Opfer.
Es wütete ein regelrechter Krieg. Natürlich konnten die Menschen nicht gewinnen. Wir waren einfach nicht stark genug.
Über die Jahre hinweg, entwickelten sich die Blutsauger weiter.
Sie waren unfassbar schnell und stark. Intelligent und hellhörig.
Anziehend und überzeugend.
Grandma floh damals mit meiner Mum auf eine kleine Insel. Abseits der überlagerten Städte. Einige Menschen folgten ihr. Jedoch war keines dieser Wesen unter ihnen.
Die Insel trug den Namen Alimia.
Sie lag 7 km westlich von Rhodos.
Dort wurde ich geboren. Meine Kindheit bestand hauptsächlich aus Gartenarbeit. Wir legten Felder an und trieben die wenigen wild lebenden Tiere zusammen. Wir sind zu einer kleinen Gemeinde geworden. Jeder packte mit an. Doch mich zog es immer wieder zum Meer, was wohl jenseits dieser Insel lag?
Gab es noch andere Menschen außer uns?
Waren diese Wesen fort?
Eigentlich durfte ich nicht zur Südseite der Insel. Denn von dort aus konnte man bis Rhodos sehen. Was bedeutete, dass auch wir gesehen werden konnten. Wir fischten nur auf der anderen Seite der Insel.
Doch mich zog es immer wieder dort hin. Der Strand war wunderschön. Und hier hatte ich meine Ruhe. Ich durfte mich eben nur nicht erwischen lassen.
Eines Tages werde ich diese Insel verlassen und die Welt da draußen erkunden. Dies war mein sehnlichster Wunsch. Doch ob er je in Erfüllung gehen würde, blieb vorerst ungewiss.
Ich spähte noch einmal hinüber und machte mich auf den Weg nachhause.
Es war Sommer und die Hitze war diesmal unerträglich. An einem der Felder sah ich Ben. Er war dabei, Paprika zu ernten. Ben war ein Jahr älter als ich. Er war nun volljährig. Ich mochte ihn und nebenbei sah er auch noch ganz gut aus. Sein braungebrannter muskulöser Körper, glitzerte von den winzigen Schweißperlen in der Sonne. Als er mich erspähte, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er wank mich zu sich.
„Hey Raja, du kommst wie gerufen! Währst du so lieb deiner Grandma die Paprika hier mitzunehmen? Und ja, ich habe extra eine rote beigepackt.", zwinkerte Ben mir zu.
„Danke Ben, da wird sich meine Grandma freuen und ich natürlich auch.", entgegnete ich lächelnd.
Seine braunen großen Augen fixierten mich.
Als er mir das kleine Körbchen reichte, berührten sich unsere Hände flüchtig. Was mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagen ließ.
Es gab hier nicht viele in unserem Alter. Was das erwachsen werden nicht grade erleichterte. Immerhin wollten die meisten von uns eine Familie gründen. Auch in mir wurde dieser Wunsch immer stärker. Ich wollte geküsst werden. Ich wollte geliebt werden und ich wollte lieben. Diese winzigen Momente zwischen Ben und mir, ließen mich hoffen. Obwohl ich wusste, dass er längst einer anderen versprochen war. Beth war die glückliche auserwählte. Sie war zwei Jahre älter als er und eine richtige Schönheit. Lange schwarze Haare, Beine bis zum Boden, volle Lippen und wunderbare Kurven verdrehten mehreren jungen Männern ihre Köpfe.
„Warst du erneut auf der verbotenen Seite?", sprach er nun etwas leiser weiter. Immerhin waren mehrere Arbeiter auf dem Feld.
Ich verzog entschuldigend meine Miene und zuckte mit den Schultern. „Nur ganz kurz.", versuchte ich ihm glaubhaft rüberzubringen.
Einen Moment lang bildeten sich kleine Sorgenfältchen auf seiner Stirn und sein Blick wurde noch etwas intensiver. „Raja du weißt, dass du bestraft wirst, wenn dich jemand erwischen sollte. Außerdem ist es viel zu gefährlich.", flüsterte er nun flehend an meine Vernunft.
Ich wusste ja, dass er recht hatte. Aber was sollte denn schon groß geschehen? Bisher wurde hier noch nie jemand anderes gesichtet. Kein Mensch und erst recht kein Blutsauger. Wer wusste denn genau, ob es sie überhaupt noch gab. Immerhin waren seitdem 60 Jahre vergangen.
„Ich weiß, es tut mir leid. Es kommt nicht wieder vor, versprochen.", sagte ich aufrichtig, obwohl ich und er wussten, dass dies eine Lüge war.
Nichts und niemand konnte mich von diesem traumhaften Ort fern halten.
„Ich geh dann mal lieber, Oscar schaut schon erzürnt. Nicht dass wir noch Ärger bekommen. Wir sehen uns Ben.", sagte ich fröhlich und Ben nickte mir als Antwort zu, ehe er sich der nächsten Paprikapflanze widmete.
Schnellen Schrittes lief ich über ein weiteres Feld in Richtung unserer Häuser.
Naja das Wort Häuser wahr wohl etwas übertrieben. Grandma zeigte mir vor Jahren ein Foto von Athen. Es zeigte Häuser gebaut aus Stein, die hoch in den Himmel ragten. Solche Häuser besaßen wir hier nicht. Es waren eher Hütten, gebaut aus Holz. Die Menschen hatten Angst, Sprengungen durchzuführen um Steine zu gewinnen. Denn die Blutsauger hatten wohl ein außerordentlich gutes Gehör. Also beschränkten sie dich auf Holz und Lehm. Was sie über die Jahre hinweg optimiert hatten. Aus den mächtigen Bambusstämmen stellten sie Abflussrohre und Wasserzuleitungen her. Mittels einer sogenannten mechanischen Pumpe, floss kaltes Frischwasser aus einer der zwei Quellen heraus, wenn man sie betätigte. Das Abwasser wurde zur Nordseite der Insel geleitet, wo es ins Meer floss. Keine optimale Lösung, aber die einzige uns verbleibende Möglichkeit. Auch Strom gab es hier nicht. Wir stellten Kerzen aus den alten Waben unserer Bienenstöcke her. Aus dem feinen Sand wurden unter großer Hitze Gläser und Schüsseln hergestellt. Grandma versicherte mir, das dies früher nur so gemacht wurde. Als sie noch ein kleines Mädchen war. Als ich die Hütten erspähte, konnte ich meine Mum auf der Veranda stehen sehen. Mir fiel wieder ein, dass ich heute für das Melken unserer fünf Kühe verantwortlich war und ich war zu spät. Ihre Hände waren in ihre Hüfte gestemmt und unter ihrem vorwurfsvollen Blick, ließ ich entschuldigend meinen kopf sinken.
„Es tut mir leid Mum. Ben hat mich aufgehalten. Er gab mir die hier mit.", stotterte ich vor mich hin und reichte ihr das Körbchen.
„Ben also, hmm?! Schon gut Raja, geh in den Stall. Dein Dad wartet.", sprach sie und nahm das Körbchen entgegen.
Während sie schon über Grandma rief und zur Tür ging, sah ich ihr noch kurz nach.
Dad war schon bei Marie, dass hieß nur noch Lotte und Liese. Lotte war meine Lieblingskuh.
Wortlos stapfte ich zu ihr und molk sie Dad lächelte mir kurz zu. Er war kein Mann der großen Worte, aber er verstand mich. Auch er fühlte sich hier nicht zuhause.
Grandma rief grade über uns, als wir fertig waren. Wir trugen die fünf Eimer Milch in die Vorratshütte und nahmen noch frische Kleidung mit. Denn mein Leinenkleid war völlig schmutzig. Mum und Granny saßen bereits an der gedeckten Tafel. Es roch nach frisch gebackenem Brot.
"Wascht eure Hände. Baden kannst du nach dem Essen Raja. Das Wasser steht bereits auf dem Ofen.", trällerte meine Granny und zwinkerte mir verschwörerisch zu.
Es gab frischen Käse, Honig, Marmelade und geräucherten Schinken. Alles von Menschen unserer Gemeinschaft selbst hergestellt.
Ich war ziemlich erschöpft, doch das Bad wollte ich mir nicht entgehen lassen. Außerdem hatte Granny extra Wasser für mich aufgestellt.
Als ich in der Wanne lag, zog ein gewaltiger Sturm auf. Der bisher stärkste dieser Saison. Ich beeilte mich, denn es gab einiges zu sichern, bevor es richtig los ging. Also wusch ich in Windeseile mein langes kupfernes Haar und schrubbte mir den dreck von meine leicht gebräunten sommersprossigen Haut. Ich zog mein frisches Leinenkleid an und eilte zu den anderen. Auf der Veranda blieb ich erschrocken stehen. So etwas hatten meine graublauen Augen noch nie zuvor erblickt.
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